i. '. . " · ','■ „ " '
$ oft a ttit tiait
«nb
mim
®on
/ *
I
^ofjanna ©cfyopenijiiuer.
ißeibcä, ilji'c Ättnfi nnb ijiv Sieben nJ«r
fei i^itctt in ein itßerf eine« ju;
fammengeMmoijni, unb in biefer innigen,
fKirfenben Bereinigung ging iC>t Safeyn
einen beßo fefleven , fixeren @ang fur(t>
bie fUld;tige umgeOenbe iißett (jinburd).
ttß. ·£. SBaientober.
® V ft e v S8 « li ti,
X>rudP 11 it fc 58eriag »on £einri$ 3Bilmané.
' " _ i ·
I
-ocr page 2-SBflê \à) bei 2ibfajfnng nactjfîe^cttbcr flatter
bejwetfte, fyabe id) in bet @inieitnng jit ben*
feiben meinen îefent gejagt, unb fo 6tei6t nttr
nur noch übrig, bic £hteïien ju nennen, au$
benen ici) fcfyopfte*
îrte ûorjitgiic^fïen berfeiben ffnb, cwger
Äariüon 9ftanber'ö 2Öerf: Het Leven der
Doorluchtighe Nederlandtsche on froogduyt-
sehe Scliilders, nodtj: ©anbrart'S $unfl*
Sïfabemie, ^neëtt'ê $iinfHeri Serif on, 2>eë*
Catlt^eÖ vies des Peintres flamands, WOtt
Ofturr'ë $unfïi3ournaÎ, nnb bei ber 2fbfaf*
fnng «on Jpemiing'ê Seben einige ber fefyr
reicfyfyaitigen Sîoten $tt bem Ätmfli Romane:
• · .. .. ... ' '
■ ' 'v: '/K :ti: ' ■i;·':·/· .' '-;HÎ<·'· y···
-ocr page 3-Ursule , Princesse britannique, öölt Jpernt
»on Äetternberg,
(Sobamt öcrbmtfe iefy SDïancfyeê uod), cüt*
^cirrcit, iit anbern Söücfycrn »erfreuten 33cmer*
fitngen, bic icfr nicijt atte namentlich auffuhren
faun; fcfyr üBieicê beu gütigen 9Mtt)eiiungen
fnnfHiebenber $reunbc, üor Sitten Jperrn
^jije 35 o(ffcré e unb beffen jpiiweifnngen auf
eüïjcfne Sfuffäfce, weld;e iit bent, baê Wlox?
genOiatt begfeitenben Äunpiatte ju ftnbeit ftttb,
unb tfyetB Jperrit 58otfferée r tfyeifê £errn
hoftor ©d)om ju SSerfaffcru Ijaben.
llebrigenê bin id) mir tt>oi)i 6cu>u$t, beu
ïctd)t)aiiigcu ©tof bet weitem md)t erfcfytfpft
3U fyabem üftöge eine geübtere £anb baib'bie
geber ergreifen, um baê $el)icnbe 31t ergänzen,
mogen etttflwciicn biefe Söiätter mit fo »iei
gutem SOÖttteu aufgenommen werben, afê id)
ftc fammiete unb gab-
Beünar, im fflai 1821.
©eftopenfjauer.
-ocr page 4-?$8er§etcfwtf t>e$ erffcn Q3anbe3.
SSorrebe. ©ette.
3ofwnn unb £ufcer »an Gri;cf .................18
Slntonetlo »on Steffin«..............................99
Stfogier »an SSrügge.......................104
Sfogter »an ber Söepbe......................106
■fntgo »an ber @oe$................................110
£ait$ Pentling, sttweiien aud) SKemmeling genannt 116
■Durmttn Söic^tö....................................194
!Berent »on 33rüflTet, audj Serit^arb »on £>rlat;
genannt........................206
iOiidjael ffoxi* . . . ...............213
SMredjt Diirer . . .......... ...... . 221
-ocr page 5-'s
α φ α it ir li a η <® u
ti η î>
etine Ka rifùlger*
f
©ttt fcbotter £ag ifï i>eti unb fiar angebrochen, bei
beffen Ctcfyt mir unS, unfre Umgebungen, ja td)
mödjte fagen, baê iBaterfjauS, nad) fattger vBer*
■
bienbung mteber erfenneit. JDie €5cbeingione,
reelege nod) »ot me mg en ^a&rjefynben atteê Siuêt
länbtfdjc unfern Singen umfïraite, täufcfyt unê iagïtd)
rocntger, unb ber getfltg untergeorbneie3«ftanb/ ftt
ben ju erft eigne ©cbroäd)e unb frembc Söerfüftrung,
fpäter Stileê oerl)D^ncnbe ©ewalt unS »erfe^te, tfï
«uf immer übervuunbeu. Str fmb barurn mcfyt un*
geredet/ wir eieren aucfy frembeê aScrbienffj aber
wir furiën mit frohem ©tol^e, baf? ber £>eutfd)c in
n>aö ben 39ïenfcfyen ergebt, in jeber Siffen*
1
I
-ocr page 7-fcfyaft wie tn jeber $uniT, ftd), ebne err&t&en,
neben alfe gebtlbete SSölfer be§ GsrbbDbenö fteCfeit
barf, »nb eö fci)Dit fett Sabrbunberten burfte.
£>ergltdje, fünft weniger beutltcfy empfunbene Siebe
jw beutfdjer 3lvt unb Slunft ift unter tinö erwacht,
mit t()r et« rübmltdjeö ©trebeit Sittem nad)jufcrfd)en
wa$ bie teilte bunfie nnbattfbare mit ftd) in
<£ci)»tt unb krümmer btnabrig.
Stefeö Siebereriiiöftcben jnm tebenbtgen ©efübl ·
unfreS belfern Dafe^nS »erbcwftett wir anfangt nur
wenigen bodjberjtgen / talentoDtfen, unterrichteten
Scannern, bereu3«bt ftd) aber tägiid) »ermebrte.
©eit faunt jwcmjtg S^ren bieten fie etnauber überall
in ©eutfcfylfttib jum rnbmltcfyften ftorftfyen bie ^anb,
unb ber glänjenbfte Erfolg li>bnt tfyr fd)6ne3 ernfteS
©treben, £5a3 DiiebeluugeuiSteb entflieg burd? fie bem
ftaubbebecften Sunfet tu weldjeö bte Barbarei un?
iMfieuber&fterbilbung eö werfenft batte, unb mit tl)m
erftanb eine große beutfcfyer £)id)ter unb SOftn*
nefanger, Sßergeifen unb »erf hingen waren tbre etnft
bocbgefeterten pretöwürbtgen Tanten ttod) sor furjern,
nur bte mtb ba won gelehrten ©efcbtd)t3forfd)ern ge»
fannt. nennt ttnb greifet fte lieber 3uttg unb
9ilt jebeö @cfd()lecf)t§ 5 fte ftnb un3 Sitten wieber liebe
95efannte geworben, Sitmberren, beren ($ebäd)tni0
banfbare Snfei tveulidj feiernj unb mancfyeö tbrer
ßteber gebt wieber im fröhlichen Greife ber 3»ge«b
t>on $?unb ju Sftunbe, wie etnft in ber glaujenbften
93lütbenjeit ber ebrwürbigen ©ärtger.
JOitt bem Siiiebelungetti ßiebe unb bett SOiimte*
fangern mußten auefy bt'e alten ftünfHer wtebev er*
fteben, beim ^oefte unb bilbenbe ftunft gingen ewig
■f)anb tn £attb bei alien Qßölfern ber G£rbe, weil i^r
(Streben unb Strien tm ©runbe einö tft, unb Qitx
@et<l: beibe belebt, £)te $atfel ift nun einmal
angeji'mbet, mit welcher wir naefy ben ©cbä^en ber
Urväter in bie büftre 5Tiacf)t binableudjten, weiche
fte ii)ven ©obnett 3abrf>unberte lang »erbarg.
©taub unb itftober, unter veraltetem jertrümmertem
Ätrcbeitgerätbe, in bunfeln Sircbiöett, unter i>ai£>
üertßfdjten pergamenten, wie in alten ©cblöffern,
in ©älcn unb Kammern, feit S^bren md}t bem Siebte
geöffnet, bat ein regeö Xretben unb $orfd)en be*
gönnen, unb wer fudjt ber ftnbet.
1*
1> .
-ocr page 9-4
33alb warb e3 mit frobem (£rftatmen anerfamtt,
bafj aucb wir, wte bte Staltciner, un3 einer eigens
tbitmiicben, ltrfprüngiid) beutfcben 5tunflfcbu(e
rühmen bürfen, meiere 3abrbunberte lang, »oh
allen aitbern ftd) unterfebetbenb, am DTieber?3i^ine
blühte, bort »Ott ben b^antimfdjen Ueffeln fid)
loértg, ct)ne anbere $ütfe ctlé bie ber Statur, füljn,
feil unb ernft ben ©attg jum ©tpfel ber $otU
fommenbeit wagte, uub tbn eitbltcb unter »an ßitydf,
$emting, ©d?oreel erreichte, wo fte tn t'brer ©igen*
tbümltd)fett neben bem ^odjften jtetjt, beffen bte
SiBelt ftd) rübmen bar f. iDiefe (Jntbecfuug »er*
banfen wir »orjügltd) ben (Uebrübew 33otiferee unb
tbrem $reuube Bertram, tarnen weiche jeber
beutfebe Äunftfreunb unfrer^ett fennt, unb mit Siebe
unb Sanfbarfett auöfyricbt. (£tne (Sammlung, wie
fte wobt febwertieb jttm zweitenmal tn ber SSßeit ■ ju*
fammengebrad)t werben fomite, warb berSobtt tbre§
Wéber $?ül)e itod) Sofien febeuenben $orfdbené -, eine
«Sammlung, bereu Siubiicf fdjon Xaufenbe wie midj,
mif bte rübrenbfte Seife erfreute. 33et mir mufite
neben biefer Sveube aueb ber SBunfcb rege werben,
»du ben ölten ?0?etftevit felbft, weiche bte ftttbcutfd^c
©djule fttfteten unb »erberrltcbten, ctwa§ ju er *
fabreu, b« td) mit 23orltebe an bem einfädle« Sebett
unb bem fc^önett ernften (Streben unfrer Sßorfabren
bange, unb mich gern jimtcf t'n jene gemütbrctcbe
flnnootte 3ett »erfeije, in ber fie lebten unb wtrften.
£tc Überzeugung, baf? wobt 20?aud)e, befonberS
metneö <25efrfjledf?tö btc§ @cfü()l mit mir tbeilen,
»jeranlafte mtd) tn btefen blättern fdjmudfloö, wahr
unb treu auf$ujetd)tten, wa§ td) »on bem Seben unb
bett Serien jener $?etfrer tu (Erfahrung bringen
fonnte. £5ocb bleibt mir babet bte Sfitmafiuug fern,
für gelehrte Jhinftfenner fd)retbctt $u wollen, beue«
fowobl bte Duetten, au3 weld)en tcb fdjopfen fonnte,
atöbie, welche, meiner 3nbimbualttat nad), mir
»erfcbloffen bleiben mußten, offen unb jugängltcber
finb alö mir, 3d) fdjreibenur für met'neö ©letcben:
für Bremen, welche, wie ich, bte beutfehe ftunft lieb
gewannen, bäcbftenä fiu-Äunftfreuube, beren übrige
Sßerbältniffe ihnen nicht erlauben ber Äunftgefcbicbte
ibreS 9ßaterlanbe$ ein eignes tieferes ©tubium jw
weihen.
r
-ocr page 11-6
Unb fo möchte e3 «tcfjt überflüflfig fe^n, hier
»on bern früheren ber ilunft, »or »an (ü^cf,
einige 2Öorte $it fagen, ehe wir jit unferem eigent*
lieben 3v»ecfe weiter »orfcfjretten. ^nbeffen fann td)
tn biefer£)inftd)t wenig mehr tbun alö meine ßefer an
baS, waö itttö @oetl)e in feinem erften >£)efte über
ifrutft unb 9lltertbum »on biefern ©egenftanbe fagte,
wieber erinnern, unb jwar jum Xbeil in feinen
eignen Korten 5 benn wo wären belfere ju ftttben?
!t)te t'bm eigne Klarheit, Xtefe unb 3lufd)aulid)feit
gtebt jenen wenigen flattern einen fo uufd)ä£baren
3Bertb, baß Sittel waö in fpätern 3eiten über biefen
X()cit ber $unftg efd)id)te gefcbrieben unb gelehrt
werben famt, nur jum Belege beffen btenen wirb,
waö er mit gewobnterSOieifterfcbaft tn wenige ©eiten
ju faffen wußte.
©ute ^ttftaïten aller 3(rt waren burdf? militari-
fcbeêtutb pDÎttifcbeê Unbetl »du ber GÊrbe »ertilgt unb
mit biefen batte fidi) bte, wenige 3abrl)unberte früher
nod) fo beef) ftebenbe Äunfl im wilbeften^riegêi unb
^eere^SBefen »ötttg »erloren. Sie frauenhaften
7
©arfl-ettungcn einer Uitja&l »on ftatferit unb Aatfer*
Itngeu auf elettben ÄupfeviDOttinjen jener 3eit legen
ein traurige«? 3cl'9l,Ml bauen ab btö an bett beu*
tt'gen Xag. £)te Sluuft wäre wollig erlofdjen uub
baS SOienfcbengefd^ecbt boffmtug3lo3 »erfunfen tu
Barbarei, t;atte meijt bte cbrtfUtcbe Strebe fte tn
©cbu£ genommen uub fte oom gänjltcben Untergänge
gerettet, wenn gletd) nur al3 fcbwadjeit, unter ber
Sifcbe fortglimmenben $uufeu. SfBoratt ber iOienfd)
glauben, wa§ er lieben foll, ba§ mufj ftdj tbm auch
gehalten, uub fo würben bte alten, auS ibren
Xempeln »ertriebnett ©otterbtlber, ber Xrt'umpb
§)eiientfd)er Äunft, gar batb burd) aubre, menfd)*
lieber gebadete Silber erfe£t, ju benen bie gläubige
betenbe Spenge um fo boffnuttgSretdber ben Q3lttf
erbeb, je näber fie ftd) %ibrer93efcbränftbeit btefen
Silbern »erwanbtfüblen fomtte, bte mit befannten,
flet§ treu wieberbolten 3»gett *br entgegen traten.
33et bem Srucf ber QSerworrenbett, we(d)em
bamaB bie Seit unterlag, warb inbeffen bie
58ilbung auö bem Seften »ertriebenj fte fluttete
fieb £um glanierfüttteuDfieu, unb nurSSpiani blieb
8
not*) eüt fefter ©t$ für bte cfjvtftltdfje $trd)e unb bte
tbr üermattiste 5vuitft j obgletd) tu btefer ©pocbe letber
aud) ber Orient ein immer traurigeres 3lnfeben ge*
warnt. Die Religion fetbffc mußte einen biplomatifd)*
pebanttfdjenSlaracfter annehmen, bte ftrdjltcben^ejte
gewannen bte Ökftalt üdh unb ©taatSfcftcn,
bei benen 2llleS einer einmal beftimmten, etifetteni
artigen, mefyr für bte©tmte als baS ©emütb berede
ttcten Siegel folgte. Uitb fo wie bem 3ercmonteni
metfler bei £>offeften über bte Befolgung ber einmal
für allemal öDrgefdjrtebncn^ußevlicbf'eiteiT ju wadjen
auferlegt war, fo wadjte aud) bte @eifHtd)fett über
SllleS waS auf Ftrd)ltd)e $et'er 23ejug batte.
©ie-betligen 93t(ber, welche fte bernad) kurdj
SÖetbe unb 2Bmtber bem einmal beftebenben @otteö*
btenfle »ölltg aneigneten, mußten alle auf baS ge*
nauefte nad) ber einmal aitgenommnen 9Rorm, unter
ber 5lufftd)t unb uad) ber $orfd)rift ber ^Jrtefter »er*
fertiget werben. fucbte immerfort bte auS ben
erften cbrtftlicb* firchltdjett 3abrl)unberteu burd) Xra*
bttfoit erbaltnen ®eftalten ber Slpoftel unbäftärtijrer
fo tubtmbuel als mogltd) betjubebaltettj bod) bte
9
3cif)l ber ^eiligen mebrte ftdf? faft täglich, unb bei
bcm immer mebr überbanb nebmetföcn ftarreu mu*
nitenbaften @tt)l ging alle Sebeutfamfeit nad) unb
nad) in einer 9Xrt »oit $amilicnäl)ulid)fctt »erloreu,
fo baß man eubltd) anfangen mußte unter ober neben
jebem 2nlbe beit Diamen beS bargeftellten ^eiligen
febretben, bannt man nicfjt ©inen · ftatt be$
Sinbern uerebrte unb 3ebem fein 3fadjt, wte billig,
bewahrt bliebe.
Sabvfd)etitiicb auö ägyptifebeu, ätbiopifeben,
abpffmifdjenSinläfiTen begann man enblid) fogar bie
SOiutter Ootteö mit braungefärbtem 2(ntlii$ ab$u*
btlbeitj bei getrockneten «erbarmten SOiuöfeln be*
hauptete nur w>cb bie (Beftalt beö ©ebetnö einiger^
maßen ihr Stecht, unb bie ftunft »erfanf allgemach
in einen immer mehr »erfümmerten
(Strenge, troefue Symmetrie blieb babei ber
einzige wenig erfreultdje SSorjug ber btyjantinifcben
©djule, auf bem fte mit $efttgfeit bebarrtej jeber
(Seftalt mußte eine zweite, ihr auf ba3 genauere
entfprecbenbe entgegen fteben, an jebe SOiitte etn
. ^übeit unb Sriiben fleh ausließen.
: · \ .
-ocr page 15-10
Um tiefe wav cuiê S^aKett aKc3 praf*
ttfcbe Valent gättjltcb »erfd)wunben; Sltieê, wsciê
gebtibet werben follte, hing »on ben (Srtedjen ab*
©o mürben bie ïburen ber Ätrdje ©t. *paul
ttujferhalb ber Jauern im etlften Sabrbunbert
|u Äonftantinopel gegojfen unb mit eingegrabnen
Figuren abfcheultd) »erjiert <Briedf>tfdfjc JWaler,
5D?uft»arbeiter unb 33aumetfter, »on Äonftantinopel
gefenbet/ »erbreiteten fid) bureb baê ganje ßanb
unb bebedften eö mit ihrer traurigen Äunft, bis
titblicb tm breijehnten 3abrbunbert baâ ©efübl
für äßahrheit unb Einmuth ber Statur wieber er»
roadjte» £)te ^tatiäner ergriffen fogleid? baê
einige an ben 33%antinern gerühmte aSerbtenft,
bie fymmetrifche ÄompDfition, ben Unterfdjieb ber
Äaracftere j unb ber ©inn für ^orm that bei ihnen
um fo eher fiefy wieber fcbnetl beroor, ba er bei
btefem, »du ben herrlich ften ttberreften einer großen
îBormelt umgebnen Sßolfe nie ganj untergegangen
fei;u fonnte*
3(ucb cm ben, »on romifchen beeren bureb*
jogneu, »o« rômifdbe» fiolmitea angebauten unb
1!
begeiferten Ufern beSiftbeinS hatte bie b^antintfcbe
SDcalerfdmle, in allen tbren QSerjwetgungen, wie
über beit ganjen Seiten, geberrfebt, aud) b*er ein*
betmtfebe Reiftet/ ©efellen unb (Schüler $u atf*
gemeinen $trcbenarbettcn gebtlbet, wie manche*
au3 jener büftern <Sd)ule ftammeube 23tlb in Äoin
unb ber 9Zacbbarfcbaft noch beweifet, ^ette orten*
talifcbe Xrodfenbett erbeiterte fid) aud? in biefen
Oegenben nicht »er bem brennten ^abrbunbert.
9iun aber bricht ein freubtgeö SfJaturgefübl «udj
mit einmal burrf), unb »ielletd)t ntrgenbS tritt ber
iftationatfaraefter, bte flimatifche ßinwtrfung, fo
fdjön in ber flunftgefdjicbte beruor, al§ gerabe in
bett Sibetttgegenben.
(B tft ntd)t nur gelungne 9iacbabmung be5
etnjelnen Strfltcbett, eö tft etite behagliche Singen*
luft, bte fid) im Sdlgemetnen über bte ftnnlidbe
Seit auftbut Sfyfelrunbe Änaben unb SMäbd&eiw
geftd)ter, et)formtgeS Banner* unb grauen? 9intlf§,
woblbäbtge ©reife mit fließenben ober gekauften
harten, ba3 ganje ©efd)led)t gut, fromm unb better
burdb einen jarten ^titfel faradftertfttfcb genug bar*
12
gebellt. £)te $arbett ftnb heiter, flar, fräftt'g,
ohne eigentliche |>armonie, aber attd) ohne Buntheit,
burcbauS beut 2luge angenehm nnb gefällig.
@in gauj goltner @runb, mit eingebruciten
|)eiligenfc()etneu um baS $aupt, worin ber Siame
beS bargeftellten ^eiligen ju lefen, bezeichnet bte
(Bemalte auS biefer 3ei*> Oft tft bie glänjenbe
iDZetallflädfje mit munberltchen, tapetenartigen,
ebenfalls bnreb |)ittfe etneS ©tcmpelS etngebrücFtett
SSlumen »erjiert; oft bittet fte, burd) braune
Umrtffe unb ©djattmmgen »ergotbeteö ©ebni^werf
nach, fteine ÄapeHcben, ober SSalbacbtne, unter
welchen bie^etltgenbilber ttt ruhiger ©tettung einzeln
flehen. 9iit ^erfpeftioe badete bamatS noch Sitemanb,
unb bte §u€nbe beS Mittelalters auch tnlDeutfdhlanb
ber ÜOialeret weit juooreitenbe ^latW fcheint auf
biefe (Semalbe nicht geringen (Einfluß gehabt ju
babett.
£>och weht ein heitrer fHller (Seift über fle,
ein mtauSfpred)ttd) frommer ©tun unb ein wahrhaft
beiliger (SJotteSfrieben, Sie Q3otffereefche ©amm*
luug bewahrt mehrere größere unb fleinere ©ematbe
13
öuä fetter 3e*t, weiche alle SBorzüge unb Langel
berfefben auf baä beutltcbfte beurfunben.
©tarr unb unbeweglich flanb fo bte jtunft, wenn
gleich nicht mehr fo ganj erbrüeft »on bett bnjan*
ttmfcben Ueffeln, btS an ber ©rättje beö merjebnten
unb fünfzehnten 3abrbunbertS tu $i>ln ber ©ebopfer
beS borttgen berühmten iDontbilbeö beröovtrat,
welches ©oetbe als bte Sicbfe ber nieberrbetnifchett
itunft auszeichnet. ©einen Kamen, bte ©efdjicfjte
fetneS £>afet)n§ riß ber ©trom ber 3ett mit ftcfy
fort, nur wirb in alten Urfunbcn um baö Sahr
1380 ber funftretebe SOieifter Silbelm oon Äöln
erwähnt, als einer, beffen ©leiten nie juoor ge*
fehen warb, weil er bte Söienfdjen lebenb unb
atbmenb auf feinen tafeln barzuftelieit wußte. Unb
ba nacb einer auf bem 33t(be angebrachten S^hr*
gabt bte ißoflenbung beffelben int 3«br 1410 für
gewiß angenommen wirb, ba ein 23tlb »Ott biefem
Umfang bei bt'efer forgfältigen QSollenbung, nur
in einer Siethe »on mehreren Söhren entftehen
/ II
founte, uitb baS ©anje »Ott großer Übung unb
Aufierorbeutlicbem Äunfttalent beS £9?eifterS jeugt,
14
fo fînb alle ©rüttbc »orbanbett, eS fin' baê SBerf
biefeS son feinen .ßeitgenoifen über 5llle ï;ocf? ge*
geprtefeuen ÎOîeifterô äötl&elm j» galten*
5luf btefem auê einem îOîitteibitbe nnb jmete«
©eitentafeln beftebenben Stitar = ©emciifce ift nodj
immer feine Sllmung von ^erfpeftioe ju erb liefen ;
ber reine, 211'leé abfebtteßenbe (Solbgnmb, ber mit
Stempeln gepreßte, mit färben bunt ausgemalte
Teppich ftnb beibehalten, bte Figuren beS 50?tttel#
bilbeS, fo rote aud) bie ber ©eitenbtlber belieben fid)
auf bte SOfttte mit gewohnter (Symmetrie j bie
berfommlidje btjjanttntfcbe Lanier ijevrfcfjt uod) »oll?
fomrnen, aber mit Sieblidjfeit unb Freiheit bead)tet
!Dte Anbetung ber bret weifen Wenige beö Georgen*
lanbeS, weld)e ber belle <2>tern jur |)ütte beS neu*
gebornen £>etlanbeä führte, tft auf ber mittlem
Xafel bargefteßt j auf einem ber beiben $lügel
ber heilige @ereon in betlglänjenber prächtiger
Lüftung, thm folgen bte bitter welche mit t'hm
unter bern ftatfer SOiaxtmtan für beit djrtftltdjen
©tauben ben -Sftärtyrer * Xob litten j auf bem
jwetten glügelbtlbe, in hoher Schönheit unb Sin?
15
mutl), tu fürftlicher ^3vae(;t ber Jiletbung uttb
fcbmeibe, führt bte bvittanffdK gürfKn Urfula
xt)ve itebitdfjert jugenbltcben ©efärttnnen an, welche
ebenfalls unter bem nämlichen Äöifer mit ihr
»or Jtoln bte SOiartiprer trotte errangen. SSeibe,
©ereon unb Urfula, fcbetnen mit t'brem ©efolge
jn bem beben btnjuwaKen, »er welchem
bte Röntge fcbcm in iDemutb mtb Sfnbacht bte
$niee bengett. JDaö Safchenbucb für $reunbe alt*
beutfcbcr Äw«ft/ »om 3abr 1816, ent*
hält einen Sfrtpferfltcb btefeö föjtltcben ©emälbeS,
ber jebe genauere 23efcbretbung beffelben überpf«
ftg macht»
30?tcb felbft b«ben wibrige 3»fäiltgfeiten
einer üfteife nach ftöln ftetS abgehölten, obgleich
ich ber (Erfüllung beS SunfcbeS babüt ju gclan»
gen zweimal febr nahe war. 9(ber in ber 93otj]e*
reefdjen (Sammlung beftnben ftch vier tafeln,
welche bte 93eftf$er berfelben auö bebeutenben
©rttnben für Slrbeiten beö nämlichen SOietfterö
Sßilheim »on $öltt hölten. 2luf jweten berfelben,
welche augenfchetulid) $u etnanber gehören, jteben
16
auf golbnem ©runbe adjt heilige $?ämter unb
3(poftel, auf jeber öter 5 über jebem berfelbeit
erbebt ftcfy eine bureb febwarje Umrtffe unb ©ebraf*
ftrungen angebeutete fapellenartige 3fitfdf)e. 2luf
beit beiben anbern itafein, roeld)c ebenfalls
fammen geboren, ftnb auf fd)war$em '©runbe, auf
jeber brei $tguren l) eilig er Scanner unb grauen
abgebtlbet$ biefe flehen nicf)t mehr gan$ auf einer
Stute, einige ftnb mebr r»or, anbere mehr jurücf;
geftellt, bte Stopfe nähern ftd) mebr tn Sott unb
93ebanbluttg »on Siebt unb ©chatten bem wahren
wtrfltcben Seben. Sie betten farbigen ©ewänber
faffen auf allen wer Xafetn in breiten galten »oit
eblem großartigem ©ttyl um bte ©eftalten ber,
bte trefflid) gemalten Äöpfe futb fo unbefcbretbltcl)
ebel fromm unb bebeutenb, baß man eS faum
»ermag, ben 23ltcf »on t'bnen abjumenben, unb
baS 3lnfd)auen btefer ©emätbe gab mir wenigftenS
eine 3lbnuttg ooit bem, waS baS Serf fetpn muß,
weites »on Zennern als ber böd)fte »on biefem
SOieifter erreichte ©tpfel feiner taft betrachtet
wirb.
17
Siebt an Stibeim »on ßoin ft<f> anfcblt'eßenb,
ja gewtifermafiett mit tbm glefcbjettig, tritt nun
Johann »an (äfycf mit Kiefenfcbritten berößr, er,
weichen bte fb mit t'bm jugietcb lebten für ben
dürften ber iOialer feiner 3eii etrtjltmmtg erflär*
ten nnb aiö folgen jtannenb bewunberten.
2
-ocr page 23-18
3>of)amt imb Hubert Dan (£t)cf,
2Raaéet)(f, ein FletneS unbebeutenbeé ©täbt*
eben am Ufer ber 2D?aaé, ift ber ©eburtèort biefer
förüber 5 »ielleid)t fogar ein noch fletnereö, nur
eine $iertelftunbe weit »du jenem ©täbtcfyen ge*
legeneS £)orf, weldjeé ehemals (£t)cf bieS, nachher
aber bei (gntjtehung ber ©tabi !iÖiaaSet)cf, ben
tarnen Gliben ; ß^cf erhielt. Der ©runb biefer
Sßermuthung liegt barin, baß bt'efe Äünftler,
welche jufolge ber ©ttte ihrer 3ci* ben Siamen
ibreö ©eburtéortS annahmen, ftd) fonft njabrfcbetn*
lid) 3Dh«n» nnb Hubert uau $?aaèet)cf genannt
haben mürben.
$>ubert warb im 3abr 1366 geboren, wenig*
ftenS fünf unb $roanjig Sabre früher alö fein
trüber 3Dh«nu, beffeu ßebrer in ber Stunft er
mavbj benn auch Hubert mar ein großer beben«
tenb er 9Jf elfter. iöon wem biefer Unterricht erhielt,
*ft unbefannt geblieben, wie benn überhaupt bidjteö
»erwirrenbeö Dunfel bie ©efcbicbte ber Stunft »or
ber bei' un£ »erbüllt. Svur ber
19
Sflame 2Btibelm5 »du Sloln fcbtmmert beli mtb be*
beutfam beroer;? unb auch nur btefer, obtte be«
tftimmtere ftuube fetneé SebenS auf Girben.
5®er bte (Altern #uberté uni) S^nneS uan
<£t)cf waren, bawon ffntset ftdf> ebettfallé feine ©pur ;
mettetebt, ja wabrfcbetnitcb fogar, tft fcbon ibr
flßater ein SOiaier gewefen; @eijt, Talent, regeS
©efiibi für baé $obe unì) ©dböne waren wentgftenS
gewiß in tbrem 5ßaterbaufe etubetmtfcb, ttictleicht
als berrltcbeè, burcb eine JKet'be langft »ergeffner
Verfahren auf baöfetbe berabgefr>mmne§ Srbtbeii,
Denn jwtfcben betben 95rttbern ftanb audb noch eine
funflbegabte ©cbwefter, als glückliche, ju t'brer
3eit weit uttb breit im ßanbe geprtefene unb be*
rübmte üiRalertn. Diefe bteß £Ü?argaretb, unb
Äarl 00119D?anber, ber ©rünber altbeutfcber tfunfb·
gefliehte, nennt fte tn feiner SStograpbte ber nie*
beriänbifcben unb betbbeutfcbeit SlitnfHer, eine gei*
ftige SOitneroa, weiche atte £eiratb$anträge »on
fleh wteé, um als freie Jungfrau etnjtg unb alleiti
ber Sfunft ju leben, burcb welche fte fleh allgemeine
33erebrung unb 93ewunbevung erwarb.
20
Übrigens fornten bie Aitern btefcr hochbegabten
©efdjmtfter weber ju bett niebrigftenlStättbett gebort,
»och t» Slrmutb gelebt ijaben 5 bte forg fällige (ir*
jtebung ihrer Ätuber, tnfonberbett bte beö jünger»
©obneS Johann »an (£t;cF bemetft, baß fte nach
!$?aaögabe ihrer ,3eit gewiß eben fo moblbabenb
als gebtlbet wäre». iDtefer jeigte »0» früher
Sugenb au, «eben feinem hoben Stünftlertalent auch
fonft noch bie berrlicbften getfltge» Gräfte »»b
läge», bte auf baS melfeitigfte auögebilbet mürbe»,
Bartholomaus ftacctuS, fein 3eitgcnoffe, ber febo»
im 3abr 1456 fein 23ucb de Yiris illustribus fcbrteb,
meines aber erft im 3abr 1745 jw $lore»$ im £H'»c?
erfebie», greifet tb» befo»berS megen fetner große«
^enntutß ber ©contetrte, »nb fetneS fleißigen ©tu*
btumS ber SfBerfe beS spltntuS unb auberer alte»
1'
©cbriftfteller j et» ßob, meldjeS felbft eine gelehrte
Girjtehung »orauSfe^t Übrigens mar3ob<mneS an^
mit ber, bamalS fretltd) noeb tn ber Stege liegenbe»
(Shemtemohl befaitnt, ttt ber DefHUirfunft erfahre»,
w»b befdjäftigte fld? gern mit Jorfcbungett tn bet'be»,
gleich als habe er fdjon früh .bte großen Sßorthetle
n
geartet, weiche er mit ihrerf)ülfe etnft für feie
lerei erringen würbe. £>obe Älarbett beö ©eifteS,
unglaublich fdmelleé $affung3»ermögen erleichterten
tiefem feltnen 9J?ettfcben jebeé wiffcnfcbaftltcbe unb
fünftlertfcbe (Streben ; fein »crftänbtgeS äßefen, bie
Slnmutb,bie©üte fetneöilaracfterS, bie anfprucblofe
eble 3teriicbfctt fetner (Sitten erwarben ibnt überall
Slcbtnng nnb Stebe, wo er aud) erfchien, bei ©roßen
unb kleinen, Hubert, ber weit ältere 33ruber,
Slnfangé 3obanne3 unb auch wohl iDfargaretbenS
»äterltd)er$reunb unb Cebrer, warb balbberwürbtge
itetblofe ©ebülfe beä hochbegabten jüngern 33ruberé,
unb btefer htug bafür mit unfägltcher ßtebe uub
(Ehrfurcht an ihm, bem er bte (intwicfelung fetner
Gräfte in fo hohem ©rabe »erbanfte. Mehrere
feiner berrltcbftett SOßerfe / tn benen er bte ©eftalt
beö geliebten 35ruberé auf bte ebrenbfte SBet'fe
»erewtgte, geben uné noch bt§ auf ben heutigen
2ag bie fprechenbften 93ewetfe btefeä »on DanFbarfett
unb Siebe feftgefdjlungnen brüberlichen ÌBereiné.
Unter $uberté Seitung, an ber (Seite feiner
©djwejter Margarethe, »erlebte SohanneS »an
22
<£i)cf fit feinem befcbetbuen ©eburtSort bte 3abre
ber Stinbbett unb bte ber erften ^ugenb. (£S mag
wohl etn fcböneS genußreiches ßeben gemefen feipn,
meines btefe@efcbwtfter bei ber bamaltgcit einfachen
©itte beSüftittelftanbeS, tit gemeinfcbaftlicberSlrbett
unb gemeinfchaftltchem ©eltitgen mit einanber führten,
bis enbltch ber bie Schwingen immer weiter entfall
tenbe (SentuS beS jungem 33ruberS etneS größeren
JKaumS beburfte.
S3rügge, btefe große, jejt fo tief gefunftte
unb »eröbete ©tabt, war barnalS burch tb^n weit
ausgebreiteten |?anbe( glänjenb uttb reich, »dH
SEÖohKeben unb ^racht wie feine anbere in ben
bamalS fo blübeitben, glücklichen 9iieb erlauben.
3ßo jejt in ber Xobtenftitte ber wetten, mit (SraS
bewaffnen ©traßen ber wanfenbe ©chritt etneS
etnfamen 93ettlerS lange noch nachhallt, wogte tm
»{ersehnten unb fünfzehnten 3'ahrhunbert baS regjte
treiben ber tn bracht unb Üpptgfeit tebenben
deichen unb ©rüßep, neben bem unaufhörlichen
Sßtrfeit fleißiger, aber nicht mühfeltger, Arbeit ber
mtnber begüterten» 5Mt ihren Steichthümern
23
ftremten mich bte ^emobuer frember, jum $betl
n?ctt entlegner Sauber bort jubeiub jufammen, wo
jejt trauerttbe Überbletbfel tu fleh «erfunfner ^attäfte
ben ©urcbretfenben mit banger äÖebmntb erfüllen,
ihn antretbenb fo fdf>neÄ als möglich auö biefer
beflemmenben £)be ju flüchten.
3n einem blübenben Sanbe ftebelt auch bte
^nnft neben bern 9ietcbtbum gerne ftd) an, bemt fie
bebarf feiner jum ©ebetbeit, wte bte ^flanje beS
©omtenfdjetnS; ber JReidjtbum aber bebarf wieDer*
um ber Slunft, um fleh fetner felbft würbig ju er*
freuen, unb burd) fte erft ju werben waS er fei;n famt.
|)ubert unb 3eb«»tt »an (Stytf faubeit baber mit
Margarethen t'n bem ohnehin noit sJ)?aaöet>cf ntdjt
eben weit entfernten S3rügge einen aßen ibrem
2Dünfchen unb SSebürfen üöötg jufagenbett Scbnort j
fie ließen ftch bort i;ii«äitcf) nteber uttb begannen mit
neuem (Stfer uttb SOiutb ihre Äunft ju üben. 3uweilen
vereinten betbe 33rüber tbr Xalent tn Söeiienbung
eiueS unb beffelben ©emälbeS, juwetlett malte jeber
für ftch ott«»* StrfÜcb bewahrt aud) bie 93iblto.-
tbef in 93ritgge noch heute baS äitefte ©emälbe oon
24
3obann watt (£tycf, »Dtt welchem matt mit (Sicherheit
weiß, eS tft »ott t'bm, (£3 fteltt einen (Sbriftuéfopf
weit unter SebewSgröße bar, mit beS SlünftterS
9Ìamenèunterfd)rift uttb ber Sabrjabt 1420 bejeieb*
net. Ùbrtgené fanbett fid) baib md)t nur unter ben
Sßornebmen »nbOietchen Sfrutfifreunbcgenug, wetd)e
mit etnauber um ben33efttj berSerfe betber 35vüber
metteiferteu, and) frembe uttb einbetmifdje Stauf*
(eute ftrebten barnacb, unb führten bann bte mit
©otb erfauften XafeUt tn baö Sinöianb, wo ber
Scarne »an Gfycf tu Futter 3eit nicht mittber rubmooti
befattut warb até babetm.
fp günfiigen Sßerbältntffcn unterjtüjt,
regten Johannes urfräftt'ger ©eift, fein b^bcS
Xatent, fein SCRuti; ftd) immer mutiger tn feiner
©ruft; tmmer fühuer fprad) ftcb bte ©ebnfttdtf in
feinem Innern auö, »ormarté ju £wben ju ftreben,
wetd)e ttccb »Ott Steinern. erretd)t waren 5 immer
beutlicber warb ihm baä ©efübt be3 Unjulängttcben
ber ihm jttr ^luéfiihrung fet'ueé SottcusS ju ©ebete
fUbeuben Littel Sie Seit tag bett unb btühenb
»or feinem fiarett $uge, tu taufeubfad^er $orm be?
25
iebtj an ©eftalt/ tfleibung, Siudbrucf auf ba$
manmdhfaittgfte »Ott etnanber unterfdjteben, wogten
bie 93ewobner bcö ©üben unb Korben »or ber
ftilleu Serfftatt auf unb ab, in welker ftcfy ber
junge Maler beut feiner eignen fräfttgen nnb
ernften $letße auf baö ungeftörtejte ergab, (£r
blidfte b^nanö in bie fonnenbelle Seit, unb fübtte
in fidb 5?vaft unb Mutb, fejtjubalten unb nacbäubtl*
ben waS bort tn ewigem Becbfel ftd) bewegte; er
fab jwücf auf feine Safel, ber metalltfcbe ©lattj
beS ©olbgruitbeS ftarrte, beengenb, t'bm entgegenj
er wagte e3 baö lange Sabrbuuberte btnburd) oon
feinen Sßorgängern für unmöglich ©eaebtete ju un?
tentebmeit, ben ©olbgrunb $u »erlajfen, unb bette
mit btefern ©d) ritte 9löeS gewonnen. Suft, SEÖaffer,
baä gattje ^flanj cur eich, waö nur unfre fcböite
(£rbe fdjmücft unb beileibet, Q3crge, ©teibte, ferne
©egenbett, ju benen baö Sluge faum reicht, b«tte
3obann »an (£t)cf mit etnemmal für baö ©ebiet ber
Malerei fid) erobert, unb ber febopfertfebe ©eniuS
ber Äunft benujte, einmal erwadjt, Silleö wie er
wollte unb mußte» $on t'bm burdjbrungen, lernte
26
3oi>cmtt »cm ©t)cf bte früher erworbenen matbema*
ttfcfjen ^cnntmffe $ur 33ebaublung ber $erne an*
wenben, unb feine jejt in freien Räumen ftrf) be*
wegenben ©eftatteu gewannen Sßärme, Ceben nnb
@igentbümltcbfeit.
SiBnnberbare, nie juoor geabnete ©ernälbe
entftanben jejt unter bem feböpfertfeben <ptnfel 3o*
bannä »an @t)cf. SÖte wuttberbar fte feiner 3ett
erfdjeinen mußten fattn nur ber ganj begreifen,
ber ©elegenbet't batte, fte mit benen feiner OSor*
ganger jit »etgleicben. »£>od)gewöl()te ardjiteftontfebe
iftäume, £)urd)ficbten in enbloö ftrf? »erlterenbe
©traßen, enge $elfentbäler, nnb bis in bie blaue
fterne ftebbin erftreefenbe bliibenbe ©egenten, fteUte
^obann »an Gttycf »on nun an mit »etifornmenfter
©tdjerbett nnb möglicbfter Siaturwabrbeit bem $luge
bar, mäbrenb feine nädjften Vorgänger, felbft
SOietfter Silbelm »Ott Sicht aud) ntebt bte fleinfte
©pur einer 5ib«ttttg ber üüiögltcbf'eit jetgen, eine
flacbe Xafel bem 2luge auf tiefe SBetfe bt$ in bte
UuenbltcbFett btnauö bebnen ju fonnen. 3oba»ne3
ein$tge§ ißorbtlb, wie feine ßebrerin, mar »on nun
33
an bie Katur 3 fte leitete feitte S^tfcbritte auf ber
3Babn, welche bie, wie buref) höhere Offenbarung
ibm geworbene ftenntnifj ber £intettperfpeftt»e tbro
geöffnet batte, unb £reue gegen fle würbe fein
unabläfftgeö 93emitben wie fein böcbfteS Q3erbtenfh
2luf feinem feiner biö auf uttfre 3e^en gCi
fommuen ©emeitbe ftnbet fidi) eine ©pur crfünftel*
ter, auf (Sffeft beregneter ^Beleuchtung ; im flaren
mtlben Xageélicbt, nicht im ©Dttnenfcbetne, fteben
bie ©egenfteinbe, bell unb beuttidf) wie fte in ber
Sirfticbfeit baflebett. ©cbarf bezeichnete bunfle
©chlagfchatten brängen ftch ntrgenb bem 2iuge auf,
ntrgenb grelle Sichter, jober erjwungne farbige
üfteflere, nichté erfd)ctnt »erfcbwebelnb ober flach,
verworren ober unbeutltd).
93et ber ^ompofttton feiner ©emälbe bachte
Sebattn »an (£t;cf fleh bie i)anblung, welche er
barftetlen wollte, als ginge fle unmittelbar unter
feinen 3lugen »or; beSbalb ift eè auch uné bei tbrem
Slufchauen alö ftänben wir mitten brtnn, alé lebten
unb regten ft# bie GJeftalten »or uné, unb um un$
ber. SlnfpruchlßS flettt er fle bin, wie eö ber
28
Stugenbttf forbert, unb »erga§ babei wobt ^uwetlen
ber Siücfftcbt auf baä etnjtg tobenSwertbe ber b^jani
tintfcben ftuuft, auf bte Sieget fymmetrifcber ©ru»*
pirung. ©od) bte unglaubliche Siaisetät unb 3Babv«
bett, bte unauöfprecbttcbe Stnmutb uttb fjo^fte
ficbttofigfett tu ber 3nfammenftettung fetner $tguren,
bte Sirt mit ber fte ftcb bewegen, geben ttjnen einen
unbefcbreibticben Siei^, unb ber au3 Ottern hervor*
ieucbtenbe retne würbige ©tnit erfe$t reichlich
waö bie ftrenge Sieget fonft noch forbern formte.
2Bte weit entfernt 3>obcmn ran ©vjcf oou jeber ber
Siatur ftdb entfrentbenbett ftünftetet war, jetgt be*
fonberS bte 2trt wie er baö $teifcb matte, weber
grütte, nocb graue, noch motette Xone herrfcben
rwr, eö atbmet unb tebt wie baö Seben fetbft,
Sh'cbtö ift ber SiuSfübrttcbfeit ju »ergletcbett, mit
wetcber er 2itteS »om ©rößten biö jum Stteinften
btö tu faft ttuftcbtbare (ünuzetnbeiten ju bebaubetn
wußte; StttesHft ^orträt, 2(ffeö ootteubet wte bie
feinfte SDftniaturmaterei, fein ©egenftanb auf einer
feiner Xafetn, ber nicht bie genauefte Unterfucbung
bttrcb bte Supe ertrüge, bennoch ift ntrgenb
29
euie ©pur ängfUtcber «Steifheit ober mantrtrter
Unnatur ju erblicken. 3n feinen ©ewänbern, weit
uitb faltenreich, nad) ber bamaltgett Slrt, ftnben
fld) ntrgenb kleinlich gebrod)tte ober iiberflüfftge
Saiten/ jebe berfetben ift motiotrt, burcb bte
©tellung beö Störperö, burcb Surf ober ©cbwere
beö ©ewanbeö felbfh ©ammt, Seinen, Soße
ober ©eibe erfcbeinen in allen tbren (£igenbeitcnj
©oft), perlen unb Gibetftetne, welche er gerne
anbringt, Arabien in unglaublichem @lan$, ohne
ade Sinwenbung wirklicher Metalle.
Öbne ©pur »du Kacbabmung ber 2lnttke, welche
er nidjt kannte, ober beS ©trebenS nach bem ab*
ftraften 3beal, welches btefem ©ohne ber Katur
nte in ben ©tnn fommen konnte, btlbete SobanneS
»an Gnpck feine ilöpfe nur nach feinen ijeitgenoffen
tu ber t'bn umgebenben Seit. Doch Unebleö ober
©emetneö jtanb mit bt'efem b^ben reinen ©etfte tu
cffenbarem Stberfpruch, eS burfte t'bm nicht naben,
unb bte ganje Katur jeigte fleh t'brem begünstigten
Siebltng ftetS im »erklärten Sidjt. Daber ftnb auch
bei «Her nur erbenftieber Sabrbeit, feine Äöpfe
30
ebel unb fdbön gn ncnnert tn $örm unb Stuêbrucf,
IDctê ©tubtum nach einem £0?obell mar ju feiner
3eit noch nicht ©ebraueb, eben fo menig mag eö
barnafê einem Stünftler eingefallen fet)it für fetne
Jiunft Anatomie ju ftubt'ren; biefe SfBtflTenfcf?aft mar
obnebih noch in ber Stinbbeit. ^obamteê fonnte
baberuur nacbbilben waê er fab/ waê tbn umgab:
febwer unb biebt befleibete ©eftalten. £>ennodf>
berrfeben bet ibm (Ebenmaß unb Slnmutb, nirgenb
treten tn feinen figuren unmögliche ©tel*
Inngen, ober unnatürliche QSerrenfungen beroer;
nur i)anbe unb $üße erfdbeinen jumeilen etwaS
mager, menn gletd) nte fo febr um ftörenb ju
werben. £)te Farben* gracht feiner ©emälbe läßt
nicht mit Sorten fleh befhretben, gegen fïe erbleicht
*J3aut SSeronefe unb aller ©lanj ber »enejtanifeben
©ebufe/ 1« bte Sirfltchfeit felbft. @r matte mit
möglichster 58ermetbnng aller (Erbfarben, größten*
tbeilê nur mit 2acï ober burchftcbtt'gcn ©aftfarben,
auf einem febr feinen, wabrfchetnltch abgefcbltffneu,
ganj weißen fretbearttgen ©runbe. Siefer fchtm*
mert bureb bte «nförperlichen färben bnrch, unb
31
bringt etwaS bem Sffeft SlbnlicbeS hervor, bcn bie
©ilberfolie bat, welche einige Miniaturmaler ihren
auf Elfenbein forgfältig ausgeführten SSilbern un*
terjulegen pflegen.
Überhaupt ifl eS, wenn man3t>b«n« vanß^cfS
©emälbe lange betrachtet, als ob eingrabt tnnern
ßebenS hervorbräche, unb ber Purpur, baS 55lau
ber@ewänber, bie £elle beS Rimmels, baS @rün
ber ^flanjenwelt, baS @olb ber ©tiefereien unb
ftletnobe, btefchtmmernben SfBaffen ftrahlen in über*
trrbtfchem ©lanj. $rifcb, «I* fämen fie beute erft
von ber ©taffelei, flehen bie vier 33tlberbeS hohen
MeifterS, welche bie 93ot{fereefcbe ©ammlung auf*
bewahrt, in neu verjüngter blenbeitber bracht.
3br ©lanj übertrifft allen ©lauben, feit flc mit
fchoneuber £>anb von allem $remben unb (int*
ftellenben befreit würben; von bem trüben Strnif}
- ben bie Unwtffenbeit barüber jog unb von mehr als
bunbertjäbrtgem ©taube unb fterjenbampf.
25aS erfte biefer vier ©emalbe, eine einzelne
itafei, tft wabrfcbeinlicb auS einer frühern 3eit als
*v
bte übrigen bret, welche, jufammengeborenb, eine»
-ocr page 37-32
heiligen bilben., £>er $?etf!er mar, alä
er btefcö fcbuf, «odf? nicht gan$ ju ber ©ro^ijett
unb ©rünbltcbFeit tn ber 3eicbnung unb bem $al*
tenmurf ber ©emänber gelangt, bte auS feinen
fpätern^lrbettenberoorleucbtenj 33tlbung, 5lu$britcF
unb iOialerei ber Äopfe fütb tnbeffeu fd)on oon ber
böcbften OSortveflicbFeit, £>teö ©emälbe tft auf eine
febr rübrenbe unb erfreuliche Söetfe als bte
tbeofe fettteS rerebrteu unb geliebten brüberltd;en
ßebrerS anjufeben, betut ber Gsoangetift CitfaS,
wie er jufolge ber ßegenbe bt'e iDiabcnna matt, tft
barauf unter ber ©eftatt Huberts »att (üit)cF bar*
gebellt. Sie ^tgttrett bt'efer Xafet jtnb faft Sebent
große, Sie heilige f^t in einem b^ben
sprunfgemacbe. 3'" £>intergrunbe, jmtfchen jmet
fchlattfen bunfetbtauen ©äuten öffnet ftch bem 93lnf
eine oont beitcrften Gimmel überwölbte ßanbfchaft
©dböne b»be |>ättfer oon ber einen ©ette, grüne
$ügel »on ber anbern, weithin lachenbe blübenbe
$erne, (Sin f'öftltcber Xeppt'd) »on ©olbbrofat mit
grüner ©tnfaffuttg bangt hinter ber heiligen 3ungfrau
fcodj »onber £)ecFe herab, unb bt'lbet ihren ©efiel
33
jum $bron ber f>tmmel8f6mgin um. @te felbf!: tft
reich gefcbmucft mit einem weiten violetten Mantel,
baS gefenfte Sluge ruht mit unendlicher ßtebe unb
Einmuth auf bent fttnbe an ihrem 23ufenj ihr gegen*
über, in halb fnteenber Stellung, im rotben <3e<
waitbe, ein fletneS violettes ^äpchett auf bent
Raupte, fcbetnt Hubert, als ©cbu^betliger ber
Maler, ben Umriß auf ber Xafel tn feiner -S>anb
mit ber ©rttppe vor ftch nach ber er arbeitete ju
»ergletdjem (ibrfurcbtSooll, bewunbernb, anbetenb
ruht fetn Singe entjücft auf Mutter unb Ätnb
wäbrenb er mit ber anbern <£>anb, ju SSerbeflTe*
rungeu bereit, ben ©rtffei hält Seitwärts hinter
bem Maler fleht bte Xhüre eiiieö KebengemacbS
offen 3 wir blnfen tnS ftrete bttrch beffen halb offnes
halb gefcbloßneö $enfter von wirklich burchftcbttgem,
fMettwetfe buntgefärbtem @laS.
2)aö gattje 23tlb in feiner blenbenben färben*
pracbt tft baö heiterfte fo ich je fah. Man möchte
in baS SRebenjtmmer hinetntreten, btefeö ^eitfter
- nach SSelieben öffnen unb fdjließen; feiner ber
fpätern uteberlänbifdjeu Maler hat bie ^erfpective
34
beS Innern etneSf>aufeê mit grÖ^evei· 2Baï)rï>eft bar*
aufteilen »ermocht, unb bte Ausführung, bte Sarme,
bte Äraft btefeS wunberbaren SötlbeS [teilen eS bent
2toltenbetften in ber ftunft gleich·
Sie bvet anbern ©emälbe beS Sol)attneê rait
(£i)cf t'n bet' 33otfferéefd)en ©ammtung fütb auS bent
3eitpunft, tu welchem fettte Stunft beit böcbften
©ipfel erreicht hatte unb fchmüdften wohl urfprüngltcb
ben ber SOïutter ©otteS geweihten Slltav einer Sttrche
ober Capelle, ©te fielten auf einem SOïittelbilbe
unb jwet ^lügclbtibern bret ber freubigen Ufte*
meute ihres ßebenS bar.
3n hauêltcher fttder 33cfcbräuftheit öffnet ftcb
unü-auf bem erfteu ©eitenbtlbe baö hodjgewölbte
fchmaleBimmer, tn welchem ?ü?aria auS berftnoSpe
ber Slinbheit jur anmuthigften retnjten Sungfräus
liebfett heranblühte, j©te feibft fnteet am 33etputt
im QSorgrunbe, in einem in breiten galten meit auf
ben 33oben Innfliießenbcn bunfelbraunctt ©ewanbe,
- bte flechten ihreS lichtbeden f)aareS walten aufgelöft
in ftetnen Sellen über bte (Schultern bi«. Stebltd?er
unb babet mäbdjenb^fter laßt nichts fieb erbenfen aU
35
btefeö fcböne Dual be3 feitwävtö gewenbeten ftöpf*
cbenS, als bte unbcfcbvetbitcbe Uufd)uib btefeS »or
ber glänjenben Srfd^etuung beö (iugelS ntebergei
fchiague« Mavta ift fo furchtlos tn ihrem
(grftauneu, fo jutrauungSvofl tu ihrer Demutb, als
erkenne fle einen bev halben ©efpielen anS ben
füßlacbelnbett Xräumen ihrer Ätnbbett in bem
3i'tugltnge, bev, wetßgefleibet, auf mächtigen,
weißen *Pfauenfeber * ©dringen vor ihr ieid)t übet
bett 93oben binftywebt Der goibtte ©cepter tn
feiuev |?anb hübet gaitj ungefuebt etu 5h-cuj mit bem
©onnenftral weldjev bte bebeutungSuolle Xaube
bem beben geöffneten ^enfter im ^tntevgrunbe
hereinträgt, uttb ^wtfdjen bem (Sttgel uttb ber
Jungfrau entblübt auö glänjenber $afe baö fd)öue
©tjmbol höcbfter Feinheit, eine fcbttecwetße Ctlte
ebne ©taubfäben, Sie Slnorbnung beö ganzen
»
3immerS fprtdjt bte heitre fromme Häuslichkeit ber
jungfräultd^en Bewohnerin auS; bte rotben 33ors
bange beS mit einer gleichfalls rotben Decke ge*
fcbmücften 33etteS im |)tntergrunbc ftttb ^tevltd) auf*
gebttnben unb jttrückgefcblagett, fo baß bte golb*
3 *
-ocr page 41-36
brofatue «^tnterwanb beffelbeu ftdf?t6af wirb j «ebe«
bcm 23ette fteht ein Seifet mit einem rotbfammtnen
ittffen, biefeS ifl noch ein wenig eingebrücft, beim
Maria ftanb eben baoen auf um ju beten. 3iwcf>
bev5J5etjtubt/ an welchem fte fnieet, tft mit fauberm
Sehniger?/ ben Süubenfall ber erften Ottern bar*
ftellenb, gefcbmücft.
£)aS an btefeS erfte Settengemälbe junäcbft
fiel) «nfchlteßenbe Mittelbilb jeigt unS bie ijo£)e (Er*
fullung jener geheimnisvollen göttlichen SßerFünbi*
guttg. Unter ben eblett Ruinen eine§ XempelS,
meiebe, jejt jurn Stall berabgewürbtgt, ein letchteö
Strohbad) gegen bie Witterung fd)ü£t, fi£t bie
jungfräuliche Mutter in ihren bunfelblauen weit
unb feböu gefalteten Mantel gehüllt Der mahnen*
hafte ifteij ber Sugenb ging in hohe SBürbe, in
ernftere Schönheit über, ber ueugeborne -f)eilaub
ruht ganj tu StinbeSgeftalt in ihrem Schooße. 3U
feinen $üf}en »erfammeltt fiel) bie anbetenben Seifen
beö MorgenlanbeS, in reichen fönigltchen ^raebt*
gewättbern unb aller £>errltcbfcit beS Orients. Der
ältefte ber Könige, welcher fnteenb baS f)änbcben
37
bee ÄtnbeS fugt, tft et» treues Portrait <phtltpp
beS ©utc«/ lierjogS »oit 95urguttb; ber zweite
etwaö lungere ftöntg beut btebt hinter btefem mit
gebogenem Änte einen golbneit, juwelenretcben
Sßecber bem fttitbe bar $ wahrscheinlich trägt auch er
bte Sibnltcbfeit irgenb etneS dürften jener
£>tefe beißen Röntge ftnb in weit über ben 35oben
hin fld? »erbrettenben Mänteln von ©olbbrofat unb
föftltcben ©toffen würbtg befletbet Doch tu fur^er,
rotbfammtner, faft farajenifeber Xracbt fleht ber
brttte, ber Mauren ftöntg, fein Mohr, wie
frühere Maler ihn abbilbeten. ©tolj, tro^enb
beinahe ftebt er ba; etwaS feftwärtS gewenbet,
batb beletbtgt, tjatb »erwunbert über bte anfebei*
nenbe Sfrmltcbfeit beS 3*^/ 8U welkem ber ©tern
tbn führte, unb bod) ergriffen oon ber Slhnung be3
nahen ©otteS tn ntebrer ©eftalt. Unwtllfübrlicb
lüftet bte eine £>anb bte turbanartige ftopfbefleii
bung, währenb bte anbrenacb bem von einem weiß*
gefletbeten ^agen bargebotnett ©olbgefäfje greift.
Sluö ber gaujen Haltung ber eblen hohen ©eftalt
beS faum ben SrtnglingSjabren entwaebfenen gelben
38
fpvufyt fei)on ber nädhfte Moment, ber mich ih*t
ben $üf}en beö göttitc^ert Stinbeö nieberbeugen wirb.
Diefer MaurenFöntg tft in Gittern baS treue, fetjr
ähnliche Porträt $ergog3 ftati beö Duhnen, wahr*
fchetnltch fogar bis auf Soffen, Schmu cF uub 53e-
Fletbung, benu mentgftenS erinnerte mid? fein reib*
fammfner 3iocF, ber in Sutern nebft attberer ihm ab*
genommenen Krieges?3$eute aufbewahrt mtrb, bureh
$arbe unb gönn auf baö lebhaftere an fctcfcß ©e*
mälbe.
hinter Siarl bem Duhnen fcblteßen mehrere 93c*
gleiter ber Könige fleh an ben fchon ermähnten wetfj
gefieibeteit (Ebelfnaben; einige nehmen an ber
35erebrung, weldje ihre ©ebteter bem $tnbe be*
feigen, bennttbigen Ifntbetl, anbre brücken nur
<£rftaunen ober Sieugterbe auS» «Stumpf unb ge*
banfenloö ftarren einige gelbbraune orientaltfcbe
©eftebter heroor, tu ber $erne fteht man ben 3»g
mehrerer herannahenber Diener, Die bracht beä
jumelenreichen Orients berrfcht in Sd^mucF, Met'*
bung unb in ben blt^enben ©efehenfen, babei
eine gan§ eigne Sol'aitiat in ben fonberbar frembar*
39
tigen Baffen, in bei $uf?bef(etbung, beit 5topfbe*
bedungen; au3 5iHem teuftet et» ttefeS ©tubiuw
ber (Sitten beö MergeulanbeS ber»or. Smtge im
legten ^Befreiungskrieg auS bc» entfernteren rufft^
fcbe» ^romn^en berbet gezognen Dfftjteve legte»'
b(t»D» unwillkürlich baö 3eu3m'f* ai)· ©tcbtbar
freitbtg beim Slnbltck bcö SBilbeö ernannten unb be*
grüßte» fte bte »Dcb immer tn ibrem 93aterlanb
beftebenbeit gönnen, unb wtefen babet, laut «nb
fröbltdj ttttter etitaitber fprecbenb, batb auf btefeS
balb auf feneS SBaffe»* ober MetbwtgSfHkt Dtefer
Umftanb tft nidbt nur et» fprecbenber 25eineiö für
bte streue fcnbern aucb für bte Xveffh'cbfett einer
©arfteliuug, bte folcbe »»erfahrne, burcbauS an
ben Slnbltt von Äunftwerfen nicht gewohnte Singen
fo btö jur Xäufcbuug entzücken konnte.
StnkS neben ber göttlichen Mutter, mebr nach
bem QSorgrunbe (lebt Sofepb/ ihr unb beS
ÄtnbeS frommer, fcbü^enber greunb, mit ehrfurcbtS*
»oli entblößtem Raupte, beit fcbwarje» #ut in ber
#anb, b«lb »erwunbert, balb gebrückt von bem
prachtvollen 33efucbe. SluS feinen eblen 3l"13eit
f. .■■"-·■
A
-ocr page 45-40
ftm'cfyt (litte oorabneitbe Sebmutl). ©eitmärtS am
©emäuer über bern 33egen einer Xbüre, bie $u
einem tiefen ©emolbe $u führen febetut, flebt man
nadi) alter ©ttte ben Donator beö 53tibeö, einen
jiemltcb jungen Mann mit einem Siofenfranj in ber
£>anb j bte ©tabt, bte lebenSretdje ©trafje unb
ferne 93erge fcbließen ben -frtntergrunb.
3(uf ber jmetten, beut Mittetbilbe ftdf> an*
fdjliefjeitben ©eiteutafel, tft beö neugeborneu $ei*
lanbeö Darftettuug im Xempel abgebilbet; burd?
bie offenftebeub.e Xbnre beö bocbgemölbtcn, mit
©äulen, vielen $enftern unb in bie Xtefe flcb oer*
liercnbeit Bogengängen gefdjmücFten ©ebäubeS blicft
man nad) Stufen in bie »otfreidje, belebte ©trajje
unb auf grüne 33äume; im Xempet fetbft lehnen
troftfuebenbe Traufe unb Mübe an ben entfernten
©äulett. ©mit unb gebautem? oll, bett Haren
rubigen 93ticf bem |)obenpriefl:er jugemenbet,
meld)er, von ber Begeiferung beS Moments er=
griffen, baö Stinb auö tbren 3lrmen in bie feine
nimmt, ftebt Maria im SSorgrunb am 3lltar. Die
meiße ©tirnbinbe ber grauen, ber meite blaue
41
Mantel, verhüllen fte faft matronenarttg> ba§
fd)öue ebie ©eftcbt trägt ben Sluöbrucf ber Söefcbet*
bettbeti uttb be§ Söewußtfe^nS IMer Muttertwiirbe.
meh" zurück ftebt 3ofepb ihr zur «Seite, eine
bremtenbe ^erje tit ber #aitb, Gttntge anbere
^erfonett reihen fid) um beit Slltar her; gcmj vortte,
«eben ber heiligen 3il»gfrau, fleht fcblattk uub
fcböu ein febr jungeä Mäbcben, ba3 Körbchen
mit bett Xaitben in ber |)aub ; eine »du jenen ©e*
ftalten, bte man, einmal gefebett, nie wteber »er*
gißt ©te trägt ein grüneS, bett Körper btS an
bte «Ruften enge umfdjlteßeitbeS, unten in wette
galten fld> auöbrettenbeä ©ewanb, mit langen
engen Ärmeln j bte bionben zierlichen 3öpfe be?
ritbreit faft beu 23oben, fte hängen unter einem
gan$ burcbftdjttg feinen ©cbleter hervor, ber, gier*
lieb um baS fdjöne £>aupt gewunben, einen febr
retjeuben Äopfpitj btlbet ©anz unbekannt mit
beut ernfteren ©auge beä Sebent*, welcher auf ber
jungen Mutter fcl)on fdjwer ju laften beginnt, febaut
baS lieblicheÄtitb jum 33tlbe herauf, bemBufchauer
inS ©eflcht, uub nimmt mit bem natvften SluSbrucf
unbefangner Uufcfyulb uitb nach ilußen gemeitbeter
ftnbltcber SKcttgter an ber ernften $eter tm Xempcl
faj> gar fetnett Sintbert* 3e länger man bie gang
?tnfad)c ftompoftttoit btefeS foftltcbett BtlbeS an*
fcbaitt, je erfreulicher geigt fte ftdf> ; id) möchte
fagett, baß fetneS ben Bltcf fo uttabmenbbar feffclt
alö btefeö* 3um ©«bluffe btefer Befdjretbung fantt
td) nur (Sothel Sorte mteberbolen:
//Sßon ben $lecbtbreiten auf bem verwitterten,
„jerbröcfelten Siutngeftetn, von ben (Braöbalmen
//bie auf bem »ermoberten ©trobbad) madjfeit, btä
„ju ben golbnen, jumclcnretdjcn Becbergefdjenfen,
(Semanb gum Slutlij, vott ber Stäbe gur
„^erite, alleS tft mit gicicber Sorgfalt bebanbelt,
„unb feine ©teile btefer tafeln, bie itid)t burd)S
„SSergrößerungöglaS gewänne/'
£>ergog StarlS be§ Slübneit ^orträt auf bem
Mittelbilbe beftimmt glücklicher Seife bie £tit ber
Gtntftebung btefeS unfebä^baren Äunftwerf«. Uit*
»erfennbar äbnlt'd), gang ben Betnamen »erbtenenb,
ftebt bie jugcitbltdje |)elb eng eftalt in einem Sllter
von fünf unb jwangtg btSftebeuuub gwaitgtg
43
unb ba biefer Surft im 3<>br 1433 geboren warb,
fo muß baber baS 53ilb notbwenbig um 1458 ober
1460 in ber legten »otlenbetiten 3ebamt
»an StycfS gemalt werben fet)tu SfBar btefer, wie
SllleS unö benimmt ju glauben, ungefähr fünf unb
jwaujtg 3abre jünger als fein tm 3abr 1366 gebor«
tter 93ruber, fo faßt bte $ollenbung biefeS Meilter*
werfS jwtfcben fetn fiebert unb fedjjigfteö unb neun
unb fecbjtgfteS Satyr. S)aß ber Äünftler fo fpät
uoeb ft Hobes vermochte, barf unS m'djt befrembeit.
3n unfern Xagen überetit baS Sllter bte S^genb,
in ben feinigen war eS umgefetyrt. 3ln Xtyatfraft,
©et'ft unb ßebettSfrifcbe ftctö junge wenn gleid)
tyoebbejatyrte ©reife waren barnalS eben fo wenig
feiten, als jejt im grütyltttg beS SebenS fd)en
lebenSttfübe, altkluge, um baS ©lück tbrer fünftigett
Gtnkel ängftltd) beforgte ©reife im Swgenbalter.
Überbem war von jeber bte 3fiatur ben ilünfl·
lern, infonbertyett ben Malern, tyolb unb günftigj
fle ließ fte mit ungeftywäcbten ©innen lange leben
auf Arbeit. Sie $luuftgefd)td)te liefert bauen un*
44
5«l)itgc 33eweife, wie matt felbft im Verfolg btefer
Blätter »erbältnißmäßig finben wirb,
©aö Beftreben, beö 3obann van b^beS
SSerbienft anfdjaultd) in feilten Serfen barjuftellen,
fo gut biefeö tu bloßen Sorten gefcbebcn fann, bat
unö tnbejfen verleitet ber 3^it vorzugreifen j wir
febren jttrücf ju feiner Seriftatt, inbem wir beu
$abe»t ber ®efcbid?te fetneS ßebettS von Beuern
ergreifen.
Der gränjenlofe Siaurn, mit SlHem, ma§ ba*
rinnen blübt/ atbmet unb lebt, mar nun von t'bm für
baö ©ebiet ber Stunft errungen/ aber fein rafttoS
tbätiger ©etfl erlaubte tbm iucf>t r bier jteben ju
bleiben. Sßon Sieuem quälte tbn baä Unzulängliche
ber tecbntfcben Mittel, baö Siberftreben beS
tobten ©toffeS tn ber Sluöfübruug beffen waö er im
gerechten Vertrauen auf ftdh, fein gebilbeteS Singe,
feine fuuftgeübte $anb unternebmen ju bi'trfen ftdf)
bewußt war. (£r abnete bie Möglichkeit einer anbereu
SJarbenberettung, uitb wanbte fowobl SllleS waö
er von Sbemie uitb Deftillirfunft erlernt hatte, alö
überhaupt jebe Straft fetueö ©eifteS baratt, «m
45
btefe aufjuftnbetu Saufenbfältige Q3erfucbe, bte
mithfamflen Unterfucbungen ber »erfcbtebneu garben*
floffe, t'brer 3ufam»ienfe§uug / ihrer Bereitung,
befd)äftigten t'btt tauge biefem ebe er
glaubte am 3^ fe*)Jt*
Giubltcb erfattb er einen größtenteils au8
öligen ©ubflanjen jufammengefe^ten gtrntß, mit
weldjem er bte mit getmwaffer ober (Stwetß gemalten
Btlber gattj julejt überjog; bte größere Datteri
baftigfeit, bte erböbte griffe ber $arbett, ber
©tanj, ben btefe neue ©rftnbung feinen ©emcilben
mittbeilte, erwarb ihnen nod) großem Beifall, uttb
ber üiuhm beS Sobattn van ßfycf breitete ftcb immer
weiter auS.
(£tn berrltcbeö Btlb war fertig geworben, So*
banneö hatte rn'el 3eit, viel Mühe unb gleiß
baratt »erwenbet, Mit jener unnennbaren Äüitfls
lerfreubean einem oollenbetenwoblgelungnenBerfe
betradjtete er eS, währenb er eS nacb ber von thm
neu erfunbnen Seife mttgirniß überwog, unb flellte
eS bann btnattS att bte @Dime §um Xrocfnett, wie
er gewohnt war ju tbun, Dod) »ielteid)t brannten
4t)
tfjve ©trabte« btefeSmaf gu heiß/ »tettetcfyf «udj
mare» bte Breter, au3 betten bte Xafet bejtanb,
nicht forgfam genug gufammengefügt ; fte jerfprang,
uub baS föflitcije (Semälbe lag, ju Xrümmern »er*
nid)tet , umber.
Unmutbtg konnte »an ß:t)ck über btefett
Unfall woi)l werben, bod) nicht mutlos. ©o wie
er baé UnjuoerlafTtge unb Unzulängliche feiner (ir*
ftnbung etngefeben batte, fe£te er biefe bei ©ette,
unb unterfuchte »on neuem $arben, bitge unb
geiftige ^lüffigFetten j er fanb, baß Siußöl unb
getnol am fdjrtcÌÌftett trennen, er ftebete btefe, »er*
feilte fte mit aubernSugrebienjen, unb batte enblid)
bie $reube einen vollkommen geuügeitben firniß
ju beft^en, ber im ©chatten trocknete, obne ^u*
ti)un ber ©Mutenbt§e»
Der firniß war unuerfunben, br>d) jejt be*
fcbäfttgte tbn bte Bereitung ber färben, Siaci)
vielen 2ßerfucl)en fant er barauf, fte, ftatt mit
Setmwaffer ober ©iwetp, mit Öleit ju bereiten,
unb fab mit unauéfprecbltd)er Sreube tu (Erfüllung
geben, wa3 3al)re lang feinem abnungévoflen©ctfte
47
»orgefcbwebt hatte. Die garten ließen fiel)/ mit
Dl bereitet, weit beffer bebanbeln unb vertreiben,
fle gewannen nnenbtüb an ßebbaftigfeit, t'br natür*
lieber ©lau} machte jeben gtrniß überflitfftg, unb
bte Dauerhaftigkeit ber auf biefe Seife gemalten
5-afeltt wtberftaub bem 2Baifer mtb ben beftigften
Srfcbütterungen.
©o warb Sobamt »an G£t)(f, ber juerft bie
ßnfti unb ßtnienperfpective entbeefte, jejt and) ber
(Srftnber ber Ölmalerei, Die 3et't trt &er biefeS
gcfd?ab, wirb gewöhnlich um baö 3«br 1410 an*
genommen, bod) tft bteß nur eine $crmutbung
ol;ne befonbern ©ruub.
3obann »an (Sipcf fowobl alö Hubert hielten
biefe (£rftnbung in ber golge fortwährenb febr
geheim j feiner ihrer ©d)iiler burfte bie Slrt ber
Bereitung ber garbeit erfahren, bie SDietfler arbet*
teten nur bei »erfcbloßnen Xbüren j ntemanb betrat
ihre Serfftatt, auö ber von nun an ©emälbe ber«
»orgingen, weldje bte Seit tn immer neueö höheres
©rflaunen verfemten; um fo mehr, ba fte in red)*
«tfdjer £>tnficbt von allen »orhergefeheuen abwid)en,
48
urtb ntemanb bte $(rt tbreö Gmtjtehené ju begreife»
verm ßd)te,
SÖBte 3obawt van (£t)tf feine $arbett bereitete,
mit meinen öligen ober vielleicht aud) geiftigen
glüfftgfetten, bavon tonnte unö jegt, nach bet'nab
vier ^abrbwnberten, fetuc ©pur mebr übrig bletbem
©etvtß gt'ng auch im Sauf ber Betten itoci) maitcl)cé
anbre geheime Verfahren ber alten Meifter, mancher
bebeutenbe, ihnen befannt gemefene tedf)itifche
aöortbetl ihren Ginfeltt verloren; beult auch ber
Unfuttbigfle muß <tuf ben erflett Blicf bewerfen,
mie fehr ihre ©emätbe tu tecbntfdjer ^>irtficf)t ftdf)
von ber neuem Ölmalerei unterfd)?tbeit. Ste
Farbenpracht bereiten bat nod) fetn fpätererftünftlec
völlig erreichen föiutett uub eben fo mentg bte
beroitnberuömertbe Sauer ihrer färben, ©te glanjett
noch jegt in unveräuberter $rtfd)e mie bamalé ba
fle von ber ©taffeiet fanten, ohne uadjgebunfelt jn
feijn. Unretneä fottute jmar ihre Oberfläche »er*
fchleiern, jebodb ohne b.arauf fo gu haften, baß eS
nicht bem forgfältigen Bemühen funftretdjer £>änbe
hätte gelingen fömten, ben entftellenben ©djleter
49
weghieben unb fte tn ihrer ursprünglichen pracbt
uub Feinheit wteber berjuftclleu.
3m 3al)r 1420, gerate jur 3eit ba beö
3obamt »an ©eift uub latent am bevrlicbftett
ftcf) entfalteten, tarn Philipp ber ©üttge alö Herzog
»onBurgunb unb ©raf »ouglanbern jur Regierung.
Slbwecbfelttb hielt er feilten glanjenbcn Hof i" bett
citianber nah gelegnen ©täbten, tn ©ettt uub ttt
Brügge, wo ber berühmte Kante ber Bri'tber »au
baib btö ju ihm bringen mußte, (£r lernte
fte unb ihre 2ßerfe fenttett, uub btefe fowobl
ihre ^erfönltcbfett erwarben ihnen Sichtung unb
2EBoblwollen beö funftltebenbeu dürften, Hubert,
ber bamalS fdjott mit ftarfen «Schritten ftd) bem
©reifeualter nahte, erhielt bei näherer Scannt*
fdjaft jebe ehrenbe 3lu§zctd)nuttg feines Herzogs,
bie ein fo bebeutenber Äünftier nur immer »erhielten
uub erwarten mochte; bod) bie Slnmuth ber ©ttten
beS noch jugenblicben 3oh«ttneö gewann baS Herj
Philipp^ beö ©ütigen, bie Offenheit unb Milbe
fetueS SharacfterS feffelten ben ihm gletchgeflnnten
gitrjleu mit jebem Sage mehr, unb bie attdb ohne
4
-ocr page 55-50
|)inftd)t öuf ituntl feltne mtffenfcbaftlidbe Btlbung
beê jungen MaterS, fein burdjbrtngenb Flarer iBer*
ftanb, bte Sicherheit fetneö itrtbeifê, gewannen
tt)m nad) unb nad) baê unumfdjränftefte Vertrauen
fetneê fürflltcbett greunbeS. sge{ |ebet- ©etegeubeit
fucbte biefer tï;n an feine 9iäl)e ju feifein, jog feine
©efellfcbaft äffen cutfcevn vor unb befragte t()n bet
jebem bebeutenben Unternehmen um feine Meinung,
bte er auch oft befolgte. Start von Mauber nennt
bei ber Bcfchretbtutg btefeö fdjönen 93erbäL.Te§
3obann »an G:i;cF «fjerjogê Philipps heimlichen 9ïatb;
bod!) mar er biefeö mabrfdjeinltcb nie bem 9iamen
nach menu gleich in ber 2ßirFtid)feit.
©er Slnfentbalt an btefern gtänjenben £>ofe
mar fiW baS Stunfttalent beö Sobann »att ©pdf »on
nicbt ju beredbnenbem unfehlbarem Sföertb. Sdjone,
vornehm gefchmücFte grauen, ftattltcbe gürfteu mit
tbren geputzten ipageit, tn gtänjeuber äöaffenritftuug
fcfyimmernbe bitter unb mitrbtge ©cftaltcn bebeu*
tenber (Staatsmänner umgaben t'bn täglid?; er fab
fte tn ben manutdjfaltigften (Situationen ftd) beme«
gen, gebe»/ reben, hobeln, unb fetne ^bantafie
51
faßte 911ic3 auf, um tu ber heimlichen Serffïatt eine
neue febönere Seit barauê ju fdjaffen. £)a3 auS
allen Sänbertt, feïbft aué bem fernen Orient, her*
betgejogne perfouat ber £)tenerfd)aft beS Surften
trug nicht menig baju bei bem Hofe ein wunberbar
romanttfeheê 9(nfeben ju geben, baê man tu unfern
Xagett »teHeicbt tijeatraitfcf) nennen möchte. 3eber
mußte bte Xracht fetneS Saubeê treulich beibehalten,
unb baß 3ohcm» »cut (Stycf alle biefe »erfcbtebnen
itofhtme ju tenu^en mußte bemeifen bte wobige*
baltnen orientaltfcben Xrad)ten unb ©eftalten auf
feiner Slbbtlbung ber weifen Röntge beê Morgen*
lanbeS. 9fuch feine auffattenbe SSürltebe für (£bel*
ftetne unb ftletnobten, fo wie bie gefcbmacfsolle 2(rt,
mit ber er feine Bitbungen $war »erfd)wenbertfcb,
bod) nicht i'tberiabett mit biefen ju fdjmücfctt wußte,
rührt wabrfcbetnltcb auS jener glänjettben (Spodje
fettteê ßebenS her.
Kicbt lange nach Slntritt feiner Regierung,
wahrfd)etnltch um baê Sahr 1424 ober 1425, for*
berte Herjog Philipp bte Brüber »att ßtycf ju einem
Äunjtwerf auf, beffe« gleichen an Bebeutfamfctt
4 *
-ocr page 57-52
unb Umfang «odf> nie gefeben werben war. Gsr
übertrug t'bnen namiid) bte 5(u§fübrnng etneö auö
jwoif großen Xafefn beftebenben StttarbfattS tn
einer ftapetie ber St. SobarnttSfitcbe gu ©ent, unb
ijubert fowobl Sobantt »an Gst)cf ergriffen mit
freubiger Bereitwilligkeit btefe ©eiegenbett, tbrew
furfUtcben Befcbü^er unb fid> felbft ein bauernbeä
unb mürbtgeS Dentmat ju ftiften. Sie »erließen beS*
batb ibren felbjigemablten SSobnpIaii tn Brügge uitb
jogen nacb ©ent; frßblici) begaben fte ftd) bort tn
treuer gewohnter ©emeiitfcbaft an bte Sirbeit £>odj
Hubert erkrankte unb flarb, lange »or 5Öoflenbuug
be§ SBerfeS, am adjtjebnten September beS 3a(;re3
1426/ in einem Sttter »on fedjjig fahren, (£r warb
tu ber «(unlieben Sttrdje ebrenooll begraben ju
beren Scbmucf & bte legten Xage feineö Sebent
»erwenbet b«tte. ©tn Monument mit einer ©rab*
fcbrtft bejetdfjnete nod) gegen baS Grube beö fecbjebn*
ten3«bvbwnbertä ben Ort/ wo btefer große MetjTer
unfern fetner tbm »orangegauguen Sd^wefter Mar«
garetba beerbigt warb. 3lud) biefe batte tn ©ent
baS tb^S SebeuS erreid)t, beklagt »on bett
Siunflfreunben unb feierlich befangen öd« bett Steh«
tertt t'breö SattbeS unb ihrer 3ct't
(iinfam unb »ermatfet ftanb jeljt 3obamt »att
gpcf, boeb fein fürftltcber greunb unb feine Äunft
waren t£>m geblieben; in biefer »or attem fud^te et
Xroft unb fanb tijtt aud). Mutbig waubte er fld)
mit »erboppettem (£ifer t'br ju unb »ollenbete ba$
hohe Sßerf allein ba8 er fo freubig unter bem
Betjtanb fettteS Bruberö begonnen hatte. gertig
flanb eS ba, baS SBunber ber Seit, ju bem auS
ber Käbe unb gerne 2llle$ berbei wallfahrtete. Dod)
ber Metjler, ber eS »ollbracbt, jog fliCt unb be*
fdjetben ftcb wieber nacb Brügge in feine »erobete
Serfftatt, ju neuen Arbeiten jurücf.
Der ©egenftaub jeneS allberübmten Slltarblat*
teä in ©ent ift auS ber Offenbarung SobamtiS ent*
lebitt, bod) beffen Ausführung umfaßte eine ganje
SBelt. gürften unb Kitter, Beltleute unb ©eift*
liebe, Strieger, heilige pilger, Sremiten, stehen
tu alt ihrer Gngentbümltebfeit herbei, um »or bem
Samrne, biefem ©prnbol beS hofften ©ebetmntffeS
ber ©ottbeit, anbetenb nteberjufutfen; ja biefe
felbft erfcbetnt jtt beffeit aSerberrltcbuttg, begleitet
»Ott ben ^eiligen beS Rimmels unb ben bimmlifcbeit
$eerfcbaaren.
ber ober« 2lbtbeilung beö ©emälbeS, über
bem bebeutungSüollen ßamrne, ift©ott23ater fl^enb
abgcbtlbet, ba£ ©cepter tu ber £attb, bte päpftltcbe
trotte auf bem |>aupt, t'bm jur a^edjten Marta,
etit 93ucb auf bem ©d)00f?e, gur ßtnfen Johannes
ber Xäufer; alle bret lebensgroße gtguren.
Dtefer Xbetl beö urfprüugltcb auS gwölf Xafeltt
beftebenben ©emälbeS beftnbet ftcf> tu btefern Slugen*
bltcf mteber tn ©ent, über bem 3lltar einer Capelle tn
ber Strebe ©t Bavon. Saö ©anje mar nod) btS ju
bem traurigen 3ettpunfte betfantmen, ba raubfüd)*
tige plihtbernbe getnbe bte 2Belt überftromtenj ein
Äunftmerf »on biefer Bebeutung konnte tbrem
©päberbltf ntd)t entgehen, bod) gelang eö ber
©etjtlicbfett beS Domkapitels »on ©t Baoott, mit
#ülfe einiger »aterlänbtfd) geftnuter Männer, ad)t
biefer Xafeln, unb gwar' mdt?t obne SebotSgefabr,
ju »erbergen. SÄur »ter mürben nacb ^artS ge*
fcbleppt, von wo fle tm 3«br 1815 wieber jurück*
55
festen. ©ccbê ber früher verborgnen Xafel»
würben feitbem von ber ©eiftlicbfeit ber Ätrd)e ©t.
Bacon vertan ft; fte beftnben flcf> jetjt al$ Privat*
eigentbum etneé ^uuftfreunbeé tit Berlin, baâ
böcbfte ftletitob einer in t'brer 3lrt einzigen uufcbäj*
baren ©ammlung. £)α·3 ©cbtffal ber übrigen tft
mir unbekannt.
SUtf einem ber obertt ©eiteugemalbe batte
Sobann vait (ätycf mit unnachahmlicher Stunft 2ibam
bargeftellt, wie btefer, fämpfenb mit innerem
©raiten unbSllleê btugebenberßiebe ju feiner jungen
©attin, bte Unheil brtngenbe gruebt betrautet,
welche fie tbm beut. SÎuê Sichtung für bte Meinung
beê heiligen îlugnftinuê uub einiger anbern Streben*
väter batte ber ftünftter flott beê 3lpfelâ eine
frtfebe geige alâ 23eranlaffung beé ©ünbenfalleS
unfrer erften ©Item bargeftellt. £>tefe 58orftellung
bejog ftdb auf bett Kamen ber Capelle itt welcher
ber 3lltar ftanb, benn btefe würbe StCam unb (£va
geheißen.
Sßon bem, waâ biefeê wunbervotle Äunfiwerf
gewefen fepn muf, alê noch alle jwölf ïafeltt in
50
ttrfprüngltd?em ©lanj ben Slitar fcbmücften, baooit
geben bie fedjö tn Berlin beftnbltcben Settengemälbe
etile bödjft erfreute 2lbmutg. entftellt
ftc Staub unb Sterjenbampf, bod? be§
»an ©lorte flimmert burd? btefe Decfe ftrab*
lenb hervor. Möge nur ein freunbltcber ©eutuS
über btefe föftitdjenlleberbfetbfel ctneS unfcbajbaren
ftunftmerfeS ferner walten, bamtt feine ungefcbifte
ober voreilige |)anb eö wage ftc ju berühren unb
gu gerftöreu, tttbem fle beifern wiö.
3ebe biefer Xafcln fcbten mir etwa bret (Ellen
bod) unb balb fo breit; bte gtguren auf ben beiben
erfteu flitb beinahe Sebent * ©röße, bie auf ben
übrigen weit Flciner.
3(nf ber erften Xafel erblift man bie heilige
ßäctlie vor ihrer Orgel fi^eub, »du »ter ihr Or*
gelfptel auf »erfd)tcbnen ^nftrumenten beglettenben
©ngeln umgeben; ftc trägt etn meiteö, mit £>erme*
litt aufgefd)lagne§ föntgltcbeS ©ewanb mit großen
golbtteit Blumen auf bunfelem ©runbe. Dtefer
erfcbetnt fdjwarj, ift aber vermutbiid) urfprüngltd)
bnufelblan ober purpurfarben. £)a§ reiche helle
Haar fließt wellenförmig gebeft über bte <Sd?«ïtevtt
bin, »Ott einer auö 3'umeleu unb perlen gufami
mengefeipteu ©tirubtnbe ober Saette gehalten. Man
erbtift bte bobe ©eftalt faft ganj von i;iutett, aucb
baê fdjone ernfte ©eflcbt jetgt ftdi? nur im abge*
menbeten ^roftl, Die ©ngel ftnb in retcbe
getoanber ödu ©olbbrofat uttb hellfarbigen reidjett
©tojfeu gcflctbet, fle tragen, wie bie Heilige,
foftltcbe »Ott ©olb unb (Sbelfteinen ftrablenbe
Btnben nm bie «Sttrne unb urn baê fd)ön gebefte
Haar. Der, meldjer oben neben ber Orgel, halb
»Dit btefer verbeeft, ftel)t, fpteit bte Havfe, eiit
anbrer tm QSorgrunbe biebt btnter (Sactltett fptelf
baê Söiolonjell.
5fuf ber jmeiten Xafel, mclcbe baê ©egen*
ftücf ber erften btlbet, fteben ebenfalls tn retcbetr
Sborgemäubern mit juwelettretdjen ©tirnbtnben ocfjt
attbre QÊnget» Der©tan$, bte ipvadjt,, bte unauê*
fpredjltcbe naive Slnmutb betber ©ruppen, fomobl
ber betitgett Gtactlte alê befonberê btefer jweiten,
taffen ffcb-iiicbt in Sorte faffen. ©anj tm QSor^
grunbe balt ein ©nget baö mit fünftttcbem
5
werf versierte Notenpult in bei· eine« f)anb unb
gibt mit bev attbertt bett Xacft att, um bett ©efattg
feinet hinter ihm gruppirten Brüber $u leiten»
Uneracbtet ihrer großen, fcbtmmewben ginget ftnb
«tte btcfe hünmlifchen (Sänger bocb eigentlich nur
baS treue Porträt fdjoner ©borfttaben, mie fie ber
Äünftter nnjähltgemal fabj in SluSbrurf unb Be*
meguug ret'it menfchlich bargeftetlt, mit unübertroff*
ner 2Babrbett unb entjücfenber Naiöetät, «ber
himmelweit entfernt »on jebem ©ebanfen an
3beal. Sllle bitcfen fehr ernft in baö auf bent
^Julte liegenbe Notenblatt unb ftugen fo ei|.vg,
mit fo emfiger Slnftrettgung, baß man faft taub
ju fei;n glaubt, tnbem man fte fteht unb nicht
bort. Start »Ott CÜianberS natoe Bemerkung, baß
mau jebem oon ihnen beuttich anfehen könne, welche
Stimme er fingt, ob Baß, Xenor ober Sopran,
muß babei jebem einfallen. f«b btefeö (Be*
nialbe einft burd) bte offne Xhür beS 3tmmerS/
melcheö an baö ftößt wo bte Xafeln aufgeftellt
ftnb, in einiger Entfernung ; ein fd)arfer heller Son*
neuftraht beleuchtete eS, unb bie Änaben ftanbett
59
wie herausgetreten auö ben 9iabmett frei mib
iebenbtg tm3tmmerj fD täufdjenb ift bie Sföabrbeit
fciefeö munberbarett, big 5» jeber einzelnen |)a«r<
btfe aufgeführten ©emätbeS.
„Justi Judicis" ift bie Unterfcbrift ber britten
Xafel. 3n einem retten biübenben Xbal/ jrotfdjett
bol;en Bergen, bereit ©tpfel Xbürme unb feftc
Od^iöffer· frönen, ziehen mehrere 3iitter jur 3ln*
betung beS ßammeS bin. 3m iBorgrunbe rettet ber
(Stifter beö ©emälbeö, ^btltpp ber ©üttge, neben
ihm 3obattn unb Hubert van (£t;cf. Dtefc
Slbbilbuitg betätigt vollkommen ben großen Unter?
febieb beö SllterS ber Britber; Hubert, fafl febott
ein ©ret'S, reitet auf einem ftoljen prächtig ge*
fdjmücften ©cbtmmel, aueb er felbft ift ftattlicb ge«
fleibet unb trägt eine vorn aufgefcblagtte Unb mit
«peijmerf verbrämte £0?üi}e von feitfamer gornt auf
beut Ha»Pt j 3ob«ttn trägt über einem fd)tt>arjeit
$alar ein rotheö ^aternofter, mit einer baran bän*
genben golbnen Mebaitte, unb eilte Xurbauartige
iiopfbebeefung an ber hinten ein 3tpfel herabhängt j
er fdjeint fünf unb breißig bis ad^t unb breißig 3«bre
60
aft. ©îc fettteS @eftd)t3 itabcn md)tö auSs
gejetdjneteô, ftnb aber »o»t milbem ebiem Sfuöbrutf
imb tragen gang baé ©epräge fetneê iöaterlanbeä.
Nbd) fedjô anbere Neuter füffett ben £tntergrimb,
unter tbneu ein Stöntg, bte Ärcne auf bem $aupt,
ben man aber nur tm Siudfeit ftebt.
Siuf ber vierten Xafel, mit bcr Unferfcbriff
„Christi milites" reiten bte Strieger ©otteS , burd)
eine ber vorigen febr âbnltd).e Sanbfdjaft, junt
nebmltcbeu 3ieie. Vorauf, auf prächtigen, reid>
gefdjmucften jiebcn jmet mit Sorbeerfrättjett
gefronte junge gelben, mit bodjflatternbem panier,
in fUberbetter von ©otb unb Gtbelfteinen ftrabtenber
Lüftung; ftebett anbere bitter fofgen biefett, einer
èon tbnett tragt einen föfHtdjen reteben #eim, btV
ftnbern bftben jterltdje jum Xbeii mit ^etjmerf »er*
bramte Stopfbefleibungeu, bte ^Jferbe ftnb febr fdjön,
gauj ber Natur getreu, bte gauje ©ruppe ift von
uhauôfpted)tid)er ritterlicher ßebenbigfeit unb $obeit.
Die fünfte Xafel bat jur Unterfcbrift „Pegrini
sti." Sie bat mebr gelitten alö bte vorbergebenben,
un'b fdjetni au einigen Steifen burd) Staub unb
61
©cbmufc febr üerbunfelt. Die ßanbfcbaft (iettt eine
fdjöne ©egettb tm üpptgften ©lanj beä ©ubettS bar$
sptnten fcbmutfen fie, Gebern unb Orangenbäume,
gwifcben btefett taufenb frembartige btö in bte
fleiuften Details aufgeführte ©räfer, Äräuteruttb
Blumen. 2Ste Wiefel am 2Bege (eitlen »erftreute
Serien unb farbige (Sbelfteine auf bem ©rafe unb
ZWifcijett gelSftütfeit unter ben Süßen bcr Pilger
hervor. Diefe Rieben fit manntdjfaltiger Äletbuttg
unb ©eftalt auf allen ©täuben berbet, jum Xl?ett
attd) mit Mufcbelbut unb ©tab, mitten unter tbnen
eine eble aufbrucfövolle ©reifengeftalt mit langem
ebrtvürbtgen Bart. @an$ tm £tntergrunbe ftebt
eine feltfame ladjenbe gtgur, tu einer MöncbSfutte,
bettn tn fetter einfachen Bet't glaubte man baS
ntd)t burd) einen gutgemeinten ©d)er§ p entweihe«.
Sfitefengrof} fübrt tm $8orgrttnbe ber betitge (£briftopb
bie fromme'©cbaar an, bod) ebne bie fernere Saft
bef göttlichen &tnbeö auf ber ©cbulter jtt tragen,
Die feebfte Xafel trägt bie Uuterfcbvift „Hey-
remite sti." Durch ein engeS gelfetttbal von gan$
fübltdjem Äavacfter jtebt bie fromme ©djsar bet
62
(Etnftebler herb et, gmtfcben *jJtnten unb Orangem»
fcäumen; Kräuter unb Blumen, gleich benett auf ber
vorige« Xafel, Mühen uub grünen unter ihren $üßen,
unb aud) hier liegen perlen unb farbige Sumelen tn
iÖicttge um berg eftreut. 3met fcfjöite herrliche ©reife
führen ben 3»g <*n, einer von ihnen hält beit Diofen*
franj tn ber £>anb, ihnen feigen bte mürbigften
cbelften ©eftalten mit prächtigen langen Barten;
fcech auch hier mifcht ftd? ber Sdjerj bem ©ruft bei,
ibenn einige Stopfe von äd>t humoriftifchem-SluSbrucf
laufdhen bie unb bort et'njeln hervor. Magbalenct
mit bem Salbengefäß unb neben ihr noch eine heilige
»s
$rau befcbließen im £>intergruube beit $ug.
Die 2lu§führung, befoitberS ber $aare unb
Barte, fo wie ber fo naturgetreue Sluöbrucf jebeä
einzelnen Stopfeö, tft böcbft bemunbernömertb. Cßott
ollen biefen Xafeltt läßt ftdh nur baö über bie ©e*
mälbe beö StünftlerS in bcrBotfere'efcbcn Sammlung
©efagte mieberholen. Unerachtet ber verfebmeu*
fcertfcb überall verbreiteten bracht ber foftltdjeit
Stoffe, beö ^©olbeS unb ber 3umeleit fennte td)
boch nirgenb tu biefen eilte Spur wirtlichen Metalls
63
entbetfen, nur auf ben betben erflen tafeln, btntet
bcr betligen Giäetlie uttb hinter bem ftttgenben (in*
gelcbor flimmert ber @runb von wirklichem ©elbe,
wabrfd; einlief) um bie flrablenbe Herrlidjfeit beS
©anjen noch ju erhöhen.
Da ba§ ^>aui>tgemäilDe burcb biefe glügelbtlber
gewöhnlich »erfcbloffen gehalten warb, fo ift and) bie
Oiücffeite berfelben »on bef £Ü?etflerß £>anb $war
einfadjer bod? tttdfjt minber würbig gefdjmüdft. 5luf
jleber Xafel fleht nur eine einzelne gigurj favbioö,
grau in grau, jeigen biefe ft<h je|t, »ielleicbt wäre»
fte früher etwaö folorirt, wie einzelne ©puren bem
genau ffe beobad^tcnben Sluge anjujetgcn fd) einen,
bodb laßt ftch btefeS nicht mit (Gewißheit behaupten,
©o wie fie je£t fleh jeigen, tfl bemtoch ber b^b*
©etfl beö Meiflerä in foleber gülle über fle
ergoffen baß wahrlich bie ganje blenbenbe bracht
beö Ämtern baju gehört, um biefe eblen, einfachen,
alleö garbeujauberS beraubten ©eflalten $u »er*
bunfeln.
3m flillen fchntalen bochgewölbten 3immep
fnieet bte reinfle bolbfeeltgfle ber Sungfrauen twf
64
ber erften Xafel, vor.bem Betpult, unb »ernimmt
tu Demutb bte wunberbarfte aßerfüubtgung einer
utibegrciflid^en 3ufimft. Die betlige Xaube ritbt
mif t'bvem Raupte. Dte gauje Darstellung ber tu
£>ulb unb Slnmutb verklärten Jungfrau, farbloö mtb
verblieben wie fle tft, gebort ju bemSSortrcfh'cbften,
unb erinnert unwtberftebltd) an -3obann »<*«
23erfüubtgung in ber Botfereefcben Sammlung;
fogar bt$ auf bte Slnorbnung be$ ©emacbS. SluS
bern großen offnen genfter tm £tntergruub blickt
man tn eine weite, von fd)önen©ebäuben umgebene
Straße btnauS.
Die jwote Xafel geigt un3, als würbigeö
genftücf ju ber erftett, bett gi>ttlid)cn Boten; eine
Tblübenbe ßtlte tn ber |)anb febmebt ber jugenbltd)
febone Süngling, von mädjttgen Schwingen getragen,
leidet über ben Boben bin. Die Nückfet'te ber
brttten Xafel febmüdft bte bobe ernfte ©eftalt
banneö be§ XäuferS, .er trägt baö ßamm in feinen
i
2luf ber vierten Xafel bilbete 3obamt van
(£t;ck ttodjmalö feinen Bruber Hubert ab, bett
65
Sebrer feinet Sugeub, ben treuen ©ebülfen feiner
Sirbett , ben Mttgenoflfen feinet 5K»bmS. <£r fleht
mit gum ©ebet erbobnen Hänben · (eiber bat baS
Sßiib mebr als bie übrigen »Ott ber ©erealt ber
3eit gelitten, bie 3iig« beS ©eficbtS ftnb nicht
ganz beutltcb erhalten, aber fo mie eS ifl,
eS bureb Abel unb ©eifl in (Stellung unb gorm
unmiberflehlid) an. Sin rotbeS ©ewaub, bei übriger
garblofigfeit, jetcl>net btefeS Btlb fonberbar auf.
Auf ber fünften Xafel fleht SohanneS ber
(£»aitgeltfl, mit feinem Attribut, bem teld), auS
welchem eine (Schlange emporfleigt; auf ber feebflen
enbltcb erbltcft man eine grau in ber geft-£racbt
ber damaligen 3«t. Aud) fle fleht in betenber
(Stellung wie Hilbert; mait gibt btefe,- leiber
ebenfalls febr »erblichene ©eflalt, für bie ©attin
etiteS ber beiben Brüber »an Gtpcf auS, ich aber
möchte fte lieber für ihre ©cbwefler, bie z« ihrer
3eit berühmte jungfräuliche Ätinfllerin Margarethe
halten, befenberS. ba, fo rn'el ich weiß, ntrgenb
ber SSerheirathung 3ebanniS ober Huberts erwähnt
wirbv
5
-ocr page 71-m
Hubert warb »ad) Jtarl von ManberS SSer*
fldjerung in ber 3tob«nni$ * Stird)e g« ©ent unfern
feiner ©cfywefter Margarethe begrabe». IDteß
läßt vermutbe», baß le^tere ben Brübern von
Brügge nach ®e»t gefolgt fei), vtelleid)t wm ftc
bei ber große» Arbeit mit ihrem Xalent nad)
Gräften jw unterftü^en,... ben» fic bebwrfte» mobl
bei bem t'bre» @d)itler» verborgnen ©ebeimniife
ibrer Stunft einer treiten verfcbwiegnen ©ebüljtn.
Margarethe ftarb befanntlid) vor Huberts Ableben,
nnb waS fann ungezwungner ttnö entgegen treten,
waö ftimmt beffer mit Johann van (Seift
unb ©emütb, alö bie SSermuthung, baß er beiben
thm burd) ©etft nnb Xalent noeb mehr als burd?
Banbe be§ Bluts vermanbten ©efdjwtftern hier ei»
©ebädjtniß ftiften wollte auf bem unter ihre»
Auge», mit ihrer #ülfe, begonnenen großen SSerfe,
weld)e§ er nun allein vollenben mußte.
9itd)t nur Gimmel unb Grrbe, Seben unb
i)offen be§ Menfdhen, umfaßte biefeS ungeheure
SQßerf; unter ber #aupttafel beifelben, a»f einer
Art von guß ober ©ejtell worauf tiefe ruhte, war
67
auch baS gegefeuer abgebilbet, beffen unglückliche
Bewohner tn gurd)t, peinlicher Cuaal
vor bern Karben beö SarnmeS bie Äniee beugen.
Doch biefer Xbeil beö ©emälbeS war letber nicht
mit Ölfarben gemalt, unb ba er ftetö offen jtanb,
ging bie Maleret barauf aömäbltcb burch bie bekannte
nieberlänbtfcbe 9?etnlid)kett3ltebe ju ©runbej utt*
verjtänbige SSerbefferer verfugten ben ©chaben
wteber gut p machen, unb fo war biefer Xbetl beö
Altar btlbeS fdbon im fechjehnten 3<»brbwubert burch'
auö »erborben, fo baß nur bureb Xrabttton feine
frühere Gwfteuj unS befamtt geworben tjt,
Kte warb et'n Äunflwerf höher geachtet / all;
gemeiner geprtefen, als biefeS ©emälbe, vom Mo*
ment an ba eS vollenbet in nte gefebner ^raebt ben
Altar fcbmückte. ©ewobultd) blieb eS »erfchlojTen,
nur an feltnen hohen gelten warb eS ben Blicken beS
SSolkS ^retS gegeben, aufferbem würbe eS nur mäd)*
tigen gürften gejetgt, ober Sletfenben, welche btefe
Begünfttgung mit fchwerem ©olbe erkauften.
Doch war einmal ein folcher feflltcber Xag an*
gebrochen, an bem bie glügel beS £etltgtbumS f«h
bs
«Heu Augen erfcbloffen / bamt vermochte auch bte
Spette, welche eê bewahrte, bie Menge faum 5«
faffeu, bte vom Morgen bis jur Nad)t ftd) ber^u*
brängte, 2Beit nnb breit waren bann bie Stßege um
@ent mit binjueiienbe» Sallfabreru bebecft; au§
gattj glanbern unb Brabant jogen^unjtfreunbe unb
StünfHer herbet, unb itmfcbwärmten baê SBunber*
btlb wie Bienen ben Blütbenbaum» Dtefe laute,
allgemeine Bewunberung fchwaub nicht mit bem
Neige ber Neuheit 3al)te folgten fahren tn langen
Nethen unb jebeö führte bie £age beS hohen
Triumphs ber Äunft in erneutem ©lang herben
ßttfas be £>eere, ein gead;teter $ünftler unb ^öoet
feiner 3ei*/ weihte hnnbert 3ahre nach ©utftehung
beê heben Metfterbtlbeö biefem ein eigneö ßebge*
bt'd)t unb erlebte bte ©hrtf folcheé an einem
Pfeiler in ber Capelle, bem Altar gegenüber, gc*
heftet gu fehen, wo Alt unb 3»ng an folgen feft*
lieben Xagen ftcb baratt erfreute
Mandjerlet Gefahren brohten btefem Ättnfb'
werfe in jener trüben 3eit, alê ber bilberftürmenbu
gauatismuö Streben unb ^löfter »erheerenb burdK
69
jog. Der UJerlujt, weiden bte fttuift bamaliS
erlitt, tft eben fo wenig ju beregnen als ju
eiferen, unb bte Errettung beä Gstttjelnen mitten
im allgemeinen Untergange gränjt oft an Sßunber.
©ocb nicbt nur üerblenbete Barbaren, aucb ^blltpp
ber $weite, Äönig von «Spanten, brühte bem ge*
fcbäfcteften Mein ob ber (Stabt ©ent (£r jtreckte
bett eifernen Arm, ber bte unglücklichen Ifttebcrlanbe
vernidbtenb beberrfdite, nacb biefent ffiunberbtlbe
auf, um eS nad) (Spanien ju führen, unb kaum
laßt eS ftcb begreifen, wie allgemeine Bitten unb
Sßorjteliungen t'bn enbltd) bewegen konnten bavott
ftbjuiteben. (£r begnügte ftd) mit einer 5?opte
von ber |)aub beä befonberS aud) in «Spanten
bod)berübmten Mctfterö Midjael GtorteS »Ott
Mecbelu. Dtefer arbeitete für bte bantalS febr be*
träcbtlicbe (Summe »Ott »iertaufenb ©ulbett mit
unermübltdjem gleiße jwet 3«hre lang baratt, Die
*ßracbt ber garben mag t'bm manche uni'tberwinbliche
(Schwierigkeit entgegeugefMt haben; unter anbern
»erjwetfelte er baran, baS Blau beS ©ewanbeS
ber heiligen erreichen |u können, unb
70
Philipp j5Ct. jWe{te »erwenbete fidi) feibfl bei bem
großen Xtjtan für tbu, ber tbm »du Qßenebtg auS
eine febr foftbare, auS ben ungartfeben ©ebirgen
fommetibe Ajttrfarbe fdf>icfte* SBabrfcbetnltcb mar
cS Ultramarin, beffen jener Metfler ficb bekannt*
lieb febr häufig bebieitte. $arl »on Maitber erjäblt
als etmaö merfmürbtgeS, baß Michael GwteS
allein ju bem Mantel ber betltgen Jungfrau für
gmet nnb bretßtg SDufaten »01t biefer garbe »er*
braucht b«be. Sie $opte marb enbitch naef) uufäg*
lieber Arbeit glücklich »otfenbet unb nach ©Ponten
gefanbt, nur batte ber Metfler eS ftch berauSge*
nommett, einiges barin ju »eränbertt, gum Betfptel
bie Stellung ber betltgen Quietile, bte ju febr »Ott
hinten gefeben, ihm nicht gierlich genug bünfte;
3it unfern Reiten tft biefe Arbeit Michael GtoxteS,
mabrfchetnltch als Beute trgenb eines franjoflfdhen
©eueralö, mteber itad) ben iJìteberlanben gekom*
meu, beim ein gelehrter Ihmftfreunb auS jenem
ßanbe, #err »du teoerberg ber ältere, »erflchert,
ffe im Sabre 1817 in Brüffel gefeheu gu haben,
mo fte »ielleicht noch tn biefern Augenblick ftch befinbet,
71
Doch febren wtr $urücf $n ber ©efcbicbte mtb
ju ber fhìlctt geheimen 2Berfftaii beê MctfterS,
auf welcher wabrenb ettter langen !RcH)t »0«
Sabren, nach SMcnbuttg btefer feiner größten
Arbeit, eine unüberfebbare Attjabl »»» ©emälben*
hervorging, bt'e t'br nur an Umfang, nicht cm innerem
SBertbe nachgeben burften.
3mmer lauter warb bie 93erFüubigung feine«
KubmeS, immer gekannter bie Auf.nerffamfeit ber
tfimftter, »or allem in Stalten, um bie Bereitung
von garben §u entbecken, beren große ißortbetle
Ade etufaben, ©ale unb ©alterten ber Surften
Italiens, wo bamalê auch bie Äuttft ftdf> mächtig
ju regen begann, prangten mit ben SBerfen be8
iDeutfeben, 3obamt »au S^cf, bort unter bem
Kamen Giovanni da Brugge bekannt ; letber bat
un§ bte Äunftgefchtchte nur Kamen unb Befchret*
buugcn »on wenigen btefer läugft ju ©runbe ge*
gangeneu ©emälbe aufbewahrt (£tn heiliger Htero*
nymuê wirb bc^gepriefett, ber fpäter baê Stgen«
tbum be§ großen ßorenjo »on 5D?ebictö warb j auch
eine iöerfünbigung, welche Alfons bererjte,
72
»Dil Neapel befaß unb bic ber Bcfd^retbimg nach,
toeldje utt3 gacctuä tit feinem Buche de viris ilJustri-
Lus baoon gibt, bie größte 2ibu(id)feit mit ber
er(ten £afel beö Slltargemälbeö tu ber Betffere'e?
fcbett Sammlung gehabt haben muß.
£)ocb ntd)t nur ber heiligen ©efcbidjte affem
weihte 3rbaiut »an ßtycf fein bol)e§ Talent; er
batte ja ber ituuft bie gange fidjtbare 2Öelt gu eigen
erworben tutfe achtete eS baber nicht feiner unwür*
big audf) anbete ©egeufitänbe gu malen, ober bie
©eftalt eingeiner 50?enfd)en ihren grennben nnb
feet Nad)wolt gu erhalten. (£r malte mehrere Btib*
«iffe feiner Bentgcnoffen nach bem ßeben unb
fdbmiufte biefe oft mit fcbönen Sanbfcbaften im f)ini
iergtuube, £>tefe Heiner« ©emäibe »du feiner
$aub würben fpater gu lobe« greifen gefud)t unb
»erkauft. Sie »erwittwete Königin »on Ungarn,
f
©d)wefter Statte be3 fünften, gßb einem Barbier
in Brügge, ber fo glücklich war burd) ©rbfchafi'
ober 3ufaÜ ein fDld)eö Bübchen gu beft^en, ein
3al)tgelb »on buubert ©ttlben auf ßettlebenä bafür,
<£,$> (teilte ttt einem kleinen Naum ein iörautpas?
73
»or, beifen fiatibe bte Xreue jufammen gibt
gaeciuS gebenf't bewurtbernb ber täufcbenbeu ^er*
fpecttee eineS öd» Sob«»» »an Gn?cf bargefteilten
iBtbliotbef ? 3l'mmerS / mtil fffc* bt»5» * //«»f
„ber äußern (Seite berfeiben Xßfci ift 33optifl·«
//?pmmei(muö gemalt, bem fie Cbie Biblictbef)
„jugebert batte, u»b bem nur bte (Stimme $u
„fehlen fcbetnt w»b fem. geliebtes 2Öetb, ge»au
„fo fdtjön abgebilbet als fte mar; jtmfcben betbett
„fällt et» «Sonnenftrabl, wie" bitrcb eine 9it§e
„herein, be» ma» für wahren (Smtenfdjetn halten
„mochte."
SSafart gebenft ber Ablulbitng eineS Babejtm*
mevS, mcid)e ebenfalls ftönig 3llfonfo »o» Neapel
teon ^Dbann »an (£i)cf erhielt, »ub bte ein Snnber
naturgetreuer DarfMung gemefenfet)» muß. 2Babr--
fdjcütltcb tft eS btefelbe, weldje gacctuS als baS
(Stgenfcbum beS S^arbinalS Dctaman folgenbermaßeu
befdjreibt: „Du fiebft fd)ö»e grauen, wie fCc
ftuS bem 33abe ftetgen, unb, merfltcb errötbeub,
fid) mit einem feinen Xudje bebeefen; eine bavon
ftellte er fo, baß nur ©eficbt unb S3ruft gefeben
74
wirb, bte entgeg engefeiste Seite beS 5türperS aber
fld? tn etilem barteben gemalten Spiegel bergeßtatt
geigt, baß man ben Nücfen eben fo fiei;t mie bte
Bruft. Auf bemfelbett Bilbe t'ft eine Campe ttt bem
JBabegtmmer, alö ob fte brenne; ein atteö Stöetb
welche^ gu febmt^en febeint; ein -?)ünbcben baö »om
SSJaffcr lecft; weiterhin fütb ^ferbe, Menfcben, febr
fletn, Berge, SBälber, IDorfer, ©rfjloffer, fo
fünfttieb aufgeführt, baß man meint, eS fei) jebeS
»Ott bem attberit funfgtgtaufenb Stritte entfernt.
Aber nichts tn btefem SBerf tft bewunbernSwürbiger
«IS etn Spiegel, auf berfelbett Xafet gemalt,
worin bu Alleö, waS bort abgebitbet tft, wie in
einem wahren Spiegel flebft"
3eber, ber nur etneS ber unö erhaltnen ©es
mätbe 3obamt »an ©pdfö fah/ wirb biefer 93es
febretbung ber für bte SBelt »ertönten ©tauben bei;
ttteifen. Uub auf welcher f)öbe, in weiter Macht
uttb ©roße muß bann ber gewaltige ©etft etttei
Manueö cor uuS ftehen, ber währenb eineS eingtgen
befchränfteu MenfcbentebenS btefe lebenbe, ge--
faltenreiche 2Belt beroorgurufen »ermochte!
Der Kttf jeber btefer Xafeln verbrettete fidfj
fogletd) buvcb bie ganje ttaiientfcbe ÄünfUertvelt, ft>
mte eine bcrfelbett über bte Alpen gelangte, ©cbaa«
reutvetfe eilten bte Maler ju t'brer 33erounberuttg
tyerbei. <5>ie nnterfudbten bie ©emälbe auf baö ge^
«guefte, fie bemerkten beit eignen fcbarfen ©erudj
ber ölgemifcbten garben, bod) ohne t'bn ju erkennen.
Xaufenb fßerfitcbe mürben gemacht, e$ bem großen
Giovanni da Brügge gleich ju tbun, feiner gelang,
btS ein einiger ernftlidE) vorwärts ftrebenber Mann,
Antouello von Mefftna beu (Sntfdjluß faßte, btefent
©ebetmuiffe an ber Duelle nachjuforfcbeu.
Sin glücklicher 3uf^ führte btefen ÄünfHer
mtf einer Keife von Meffuta, feiner 58aterftabt,
nad) Keapel an ben £>of ftiwtgS Alfons beS durften.
Dort erblickte er juerft etneS jener aligeprtcfnen
3Q3uuberbtlber beS beutfehen ÄünjTlerS. <£S mar bt'e
fdjott ermahnte SSerfünbigung, beren hohe ißoffen-
bung t'hn fogletch bemog, jebeS anbere Unternehmen
aufzugeben, fein fchoneS fonnenheßeS ©aterlaub ju
verlaffen unb jenfeitS ber Alpen ben hohen Meifter
öufsufuchen, ber folche Sunber vermochte.
I
-ocr page 81-82
Nid)t jugenbltcber GintbufiaSmuS befttmmtc
ben Antonello ju Antretung ber wettert ^Jxtgerfcfyaft
»on Neapel nad) gtanbern, welche bamatS weit
unbequemer unb gefährlicher war atS in unfern
itagert, fonbern vielmehr eine AiteS überwtnbenbe
Siebe jur Stunft. Gir war fcboit ein febr bebeuteu*
ber Mater in feinem ßanfce unb batte gewiß längft
baß reifere MannSalter erreidjt. SSafart berietet
uu5 von ihm , baß er von Mejfitn« juerft
nad) Nont ficb begab, wo er mele $abre binburd)
mir B^ten fidb befcbäftigte. $ou bort jog
er nach Palermo, wo er ebenfalls jahrelang
lebte, bis feine CanbSteute ibn wieber in t'brer
Mttte ju febeu wunfdjten. AtS bebeutenber, ge*
«djteter ifünftler febrte er barauf nad) Mefftua
gitrücf, malte bort meleS, unb fubrte, wegen fettteS
XatentS unb feiner übrigen guten lobenSwertben
©igenfdjaften von Allen geadjtet, -ein jufriebeneS
gtürfticbeS Äünftlerlebeit, bis eine ©efcfyäfiSreife
ibn nad) Neapel bradjte, von wo fein ftrebenber .
@ei)t ibn nacb glauber» trieb.
77
Slntottello fegte bte große Keife nicht nurglucfs
licb$urücf> foubern eö gelang ihm fogar auch im
Hanfe beS S'obdntt ran (£t)cf frSunblicb aufgenbm*
nteu ju werben. G£r fanb ben großen Meifler
jwar als hochbejahrten ©retS, aber noch immer
rüfttg, in gewohnter Xhättgfett nnb reger Xi)ei(?
mime au Slllem, wa§ mit ber Shwft, ber er fein
geben gewet'bt hatte, tu Berührung ftanb» Ante?
netto führte »tele italtemfcbe Zeichnungen unb artfcre
Äfrinftwerfe mit ftch, er legte fie ihm vor, erjagte
ihm von feinem fd)önen 93ater(anbe, von bent ßebeif
unb 2Bt'rfen ber bortigen ftüuftler, von ber hohe«
Sichtung tn weldjer ber große Käme Giovanni da
Brügge bort bei dürften unb Malern ftanb, votj
ber Bewunberuug, bte SWe ihm Rollten, unb wie
er ben weiten 2Beg zurückgelegt habe, einzig un»
ihn von Slitgepdjt ju Singeftcht $u feben unb von
ihm ju lernen.
Deö füblt'dben gremblütgS etunebmenbeS SÖBefen,
feine ^enntntife, feine beiße SllleS opfernbe Siebe
jur Äunft, gewannen ihm beö ebrwürbigen ©reifet
freunbliche Ketgung; er gewöhnte ftd) halb, i(ftt
78
gleich einem lieben, ju ihm geljörenben $>auSgei
noffen ju betrachten. 3pbanu »an ©pcf füllte bie
©«^wachen beS Alters, er wußte feine Xage -gejohlt/
unö hatte »ieiteidi)t lange fdjon nad) einem würbigen
©rbeit beS (SebeimntifeS fld? gefehnt, baS er, fo
lange er lebte, jwar heilig bewahrte, »ott bem er
aber gewiß nicht wünfehen fonnte, eS mit fleh "wS
(Stab ju nehmen. £>ie beifpiettofe Xreue, mit
welcher ber in »oller Straft ftebenbe jüngere S0?amt
t>cr Äunft fein ßeben geweiht hatte, erfüllte bie
alte bod) nicht erfaltete Bruft beS ©reifeS mit
ßtebe unb Vertrauen, unb Antonello fab tu weit
fürjerer 3eit als er gehofft hatte beit @i»fel aller
feiner 2öiinfd)e erreicht. 3cbann »an öffnete
ihm bte btSher Allen »crfchloffen gebliebne SÖBerf*
ftatt, theilte ihm ben gangen reichen <5d)a0 feiner
(Erfahrungen mit, fo »iel Antonello ba»on gu faffeit
»ermodjte, unb ließ m'djt nur unter feineu Augen
thn malen, fonbern erlaubte ihm auch 3euge
feiner eignen wunberoolleit Arbeiten gu werben.
SRogter »oit Brügge, ebenfalls ein ©cbi'tler Sobann
»an ©9cfS, theilte biefeS Olücf mit Antonello,
i
-ocr page 84-79
unb tiefer blieb »on nun an um feinen eblen Sehr er,
gleich einem vielgeliebten ©ob«/ in treuer uner?
mübeter Anhänglichkeit, btö ber £ob in einem febr
beben Alter bie Itchtbelien aber müben Augen beö
beben MeifterS auf immer fd)loß.
3obann »an (i^rf warb ju Brügge in ber
5tird?e ©t. Sonatt begraben. Sine ©äule mit
jt
» einer »on ilarl »en Mattber unS erbaltnen tateimV
feben 3»f<brift bezeichnete bte beilige ©tätte wo er
ruht, bed) weber btefe, necb trgenb eine anbre
ftdjre Kacbricbt beftimmt un8 baS $abr fetncS XöbeS,
I
2Babrfd)etnlid) jtarb er in ben jlebgiger Sabren beS
fünfzehnten SabrbunbertS, unb jmar im fünf ober
fedjS unb acbtjigften 3abre feineS Alters, wenn
er, wie fo »teleö unS $u glauben berechtigt, fünf
unb zwanzig 3abre fpäter als Hubert, um baS
Sabr 1391 geboren warb.
@be wtr unS »on Sobattn »an GsipcfS Sebett
unb SBerfen ijinmeg zu feinen Kacbfolgern wenben,
muß icb uod) ber ©arftetfung beö jüngften ©erid)t§
erwähnen, bte feit iiidf>t zu berechneter 3eit irt
Danzig, meiner Sßaterftabt, forgfältig aufbewahrt
80
warb> bt$ 1807 fvaftjDfifciK 9?auf>ft4* fiel) aucf>
btefeS ftleinobö bemäd)ttgte. Seutfcf)C XapferFeit
gewarnt eS wieb^r, eS warb itebft ben übrigen
wtcber eroberten $unflfd)ä£en tri Berlttt öffentlich
auSgefbllt tutb babitrcb unter bem Namen bc§
JDattjtger Sötlbcö allbeFamtt. ©eitbem babett ftdj
febr bebeutenbe ©ttmmen gegen feie alte £ta bitten
erbeben, weld)e btefeS »ortrefflid)e ©emälbe bett
Btübern »an ©pcF jufcbrteb. ©te ftnb ju bebeu*
tenb, als baß icb ihnen entgegen treten ntöcbte,
tutb bod) »erntag td) eS eben fo wenig, tbnen mein«
eigne Überzeugung bltnbltugS ju opfern. Seöbalb
bleibt mir nichts übrig als, neben ber 93efd)tetbuug
biefeS ©emalbeS einfach nnb wahr J« fagen, wa£
td) »ort bemfelben weiß, unb wie td) eS anfebe,
ebne mir bod) babei ettte entfdjetbenbe ©ttmme an*
gutnaßen.
2Öann btefeS 25tlb nach Öanztg Fant/ wetfj
matt btS je§t nid;t genau zM befttmmen, boefy
ging fett unbenflidjer 3^tt bie ©age »du Sftunb z«
5Ötunb, baß ein ©d)tffe'r eS ttt einem wel)l »erfcbloßf
iten haften auf offnem SOieere aufgeftfeht urtb tta<h
81
Danjig gebradjt babe, wo er eS ber bamaligett
Marten Strebe wetzte, ße^tere wirb jei^t bte
^farr ? ^trd)e genannt unb tft etttef ber impofatt»
teften, größten Denkmäler früherer Baukunft, baf
nod) fein Menfcfy ohne (£brfitrd)t unb Sewuttberung
erblickte. Die ©age vergaß ferner nte babet jn
erwähnen, baß zwei 33rüber Kamenf van ßfyck,
welche ntan jugletd) alö bte erjten (Srftnber ber Dl*
maleret bejctd)nctc, e§ gemalt hätten, unb fo lebte
btefer große Käme faft au ber äußerten norbtfebett
©ränge betttfeber ©pracbe noeb immer fort, felbft
unter bern Sßolf, unb mar aueb ttttr bekannt unb
befreunbet von ^ugettb auf, mäbrenb ti>tt bte übrige
SBelt, wenige Äunftverftanbige aufgenommen, bei?
nabe gänjltd) vergaß.
3u ber 3eit, wo bie fatboltfcbe Ät'rcbe tu
Dattjtg bie berrfebeube war, fcbmütfte biefef 95tlb
vietletdjt einen kleinen ©ettenaltar, bod) gewiß nie
bett febr großen beben Hauptaltar ber von ihren
Erbauern ber beiligen Jungfrau geweihten Äircbe,
weil ftcb ber ©egettftanb beffelbett, baf jüngfte
©ertd)t, nidjt htejn eignet, Senn man wählte
0
-ocr page 87-82
girnt ©djmucfe beö $auptaltar£ immer ein StunfU
werf, baS bauptfädjlicb auf ben ^eiligen Bejug
hatte, bcm ju ©brett bie Stirpe erbaut mar. Unb
fo enthält auch baö innere beö £>auptaltar£ btcfer
Strebe eine in -£>olg gefebnt^te unb reich »ergelbete,
faft foloifale Abbilbung ber von ber heiligen Sret;
eiuigfeit umgebenen Mutter ©ottcä, bie aller
9ßabrfd)einlicbfeit nach noch biefelbe ift, »on
welcher Sfrtrtfe in feiner Sironicf, alö im 3«br 1517
»du Meifter Michell überantwortet, fprtcbt. ©ehr
adbteuöwerthe Änrtjtfenner, welche aber biefe Sttrdje
nie fahen, fühlten fld) burdb biefe in ber Strentctf
enthaltne ©teile bewogen, ba§ Sangiger Bilb für
biefe Xafel ju halten unb e$ beShalb bem Meifter
Michael SBolgemut gugufchretben, ©otticher aber/
ber biö in« $abr 1615 bei biefer ftrehe ati tfir*
cbenoorfteber angefeilt war/ nennt in feinem im
Manufeript vorbanbenen ^tftortfc^cn Sftrebcnregtfter
ben löerfertiger ber Xafel auf bem $auptaltsir einen
^rtefter, Namenö Michael, unb bemerft, baß baS
Malwerf nebft bem QSergülben be§ Altarö 3386
Marf gefoftet ba&e, nnb ber Äontracft barüber mit
TT
einem Meifter Mtcbell gef^ioffen fei?, ben^rätoviuö
in einem anbent SÖ3erf SQitd^oet ©cbwarj nennt.
3wet gewaltige große glügeltbiiren, ebenfalls mit
gefebnifcten gtguren bebeeft, verfließen gewöhnlich
baö Snnere btefel SiltarS. äöabrfcbeinltcb waren eS
biefe gtgureu, beren Slnmalung ben Maler befebäf*
ttgte, wie man eS noch l;äuftg tri alten Ätrdjen finbetj
je£t fmb fte weiß angetrieben unb vergöltet j baS
@ange tft überhaupt alö Äunftwerf wenig erfreultd).
©eit ber lutberifebe ©laube in Danjig ber
berrfebenbe würbe unb man bte fleinen <BeitemU
tave wegnabm, bt'ng baö 23ilb in einem verfcbloß-
nen «Schrein, an einem ber gewaltigen Pfeiler
welche baö fcbwinbelnb bebe ©ewölbe ber ^Sfarr=
firdbe tragen. war gewöhnlich verfehl» Ifen, boch
fetneSwegeS verfannt ober vergeffen, im ©egeu;
tbetl warb wobl nie etu Äunftwerf höher geachtet
Unb allgemeiner bewmtbert, gerabe weil e$ in ber
großen ©tabt fo vereinzelt ba flaitb- 9ln beben
geften , wenn bie Ätrche mit i'brem foftbarfteii
5lltargeratbe prangte , pflegte aud) baö Btlb aufge*
fdjloffen gu werben, unb bann fhömte AlleS herbei
§ *
I
-ocr page 89-84
eß gu bcwuttberm 2)a8 ©ebränge war groß mtb
bie Äircbe warb nie leer fo lange baö 95tlb offen blieb,
benn baS SÖolf betrachtete eß alö einen ©egenftanb
ber ©rbauung, eß fcbauberte yor bem Anblick ber
£>ölle, unb gewiß flnb »on fonft robett ©emütbern
vor biefem 93tlbe mand)e gute Grntfd)lüffe gefaßt
werben-, bie ber ftrengfte Bußprebiger nicht bätte
erwecken können. Übrigen^ konnte man ba§ 35tlb
fiel) auffcbließen laffen wann man wollte j eß war bie
erfte Merkwürbigkeit, welche jeber ©tnwobner aitS
ben gebtlbeten Stauben fetneu fremben ©äften gu
geigen ftcb beftrebte. -^anögenoffeu unb aSorübets
geljenbe brängteit fldi) bann freubig binj»/ id) b«be
bei folgen (Gelegenheiten eß als Sttnb uugäbligemal
gefebeit unb barf wobl fagen . baß vor biefem
Bilbe baö erfte ©efübl für bie ftunft in meiner
Seele erwachte. 30t f1i« einer SeitenkapeUe
ber Kirche, bod) »ergeben wenige Xage im Sabr,
an benen eß nicht auf grember ober (£inbeimtfd)cr
Begehren gegeigt wirb. £)aö 33i(b felbft befiehl
ai\ß einem Mtttelbilbe uttb gwet gli'tgeb Bilbcvtt.
- «
Auf einem großen glängenben Regenbogen/ beffeu
-ocr page 90-91
Sireid Inf auf einen fietneu $beil unten, wo er ben
Horizont berührt, gan$ ficbtbar tft, thront ber
Hettaub ttt ernfter Diicbterftrenge. ßin gtübenb
rotheö ©cbmert, bte ©pi£e nach ihm gewenbet,
fcbwebt jur itufett «Seite btcf)t an feinem Haupt,
jur rechten eine ßtlte. ©ine in ber ßuft fcbmebenbe
golbne ftuget, in mel'cber ftdi) bie näcbften ©egen*
ftänbe fpiegetn, btent ihm jurn ©cbemel. (£r ift
mit einem rotben Mantel beftetbet; ber auf ber·
93ruft bnrd) eine reiche ©pange jufammengehatten.
wirb, bann von beibcn ©etten jurücffatlt, fo baß
ber nacfte Körper ficbtbar wirb, unb über bem
©cbooß in großem fcbönen Faltenwurf ficb auf?
breitet. Söier ©ngel in farbigen taugen ©ewänbent
fcbroebeit über ihm mit ben Emblemen feineö SeibenS
für eine fünbtge Seit. ©t'cbt hinter bem Kegen*
bogen, auf äBolfen fi^enb, bitben bie jwölf Apoftel
einen fld) biefem aufcbließenbett ßreiö, auf jeber
©eite fecbfej am (Eube biefeö Äreifeö fm'eet jur
Kenten Maria in betenber ©tetlnng, eine ©traten*
glorie um ba§ Hawpt/ in einen wetten bunfelgrünen
Mantel matronenartig verhüllt; ber AuSbrucf t'hreS
86
fd)Diten ©eftdhté ili mütterliche ©üte unb ocrluttenbe
Milbe. 3hr gegenüber, am anbernGrnbe befftretfeä
fnieet ^obanneé ber Käufer, ebenfalls eine ©fori?
um baè febr ebie fcböite £>aupt, mit einem eng
anfcbließenben ©ewanbe von feinen gellen befletbet,
über welche et'n grüner, rotb gefütterter Mantel
fällt. Sie btS tn bte fleinften ©injelbetten »ortreff*
iieb aufgeführten |>änbe erfcheinen etwaè mager,
bodb marm unb lebcnbtg, Unter bt'efer ©ruppe
fdjwebe» brei ©ngel, ebenfalls in langen, bie güße
beberfenben ©ewänbern, unb laffeit bie furdjtbare
$ofg»»e (Jrwecfung ber lobten jertotten. 31M
btcfeS gebt in ber ?ttf£ »or, auf ber f£rbe offnen
ftd) bie ©r^ber unb bie ^obfen fte(;en auf.
bem Slnftbauer ^ugewenbet, unb riefen?
groß gegen bie faft um i>te fjälfte feineren Slufer?
ftebenben, ftebt in ì>er Mitte bip bPbP $elbe»ge?
ftalt beé (£r$engelä Michael {« prachtöoller golbner
Lüftung, in welcher fleh oon bptfccit ©eiten bip
nachften Umgebungen fpiegeln, eben s^ie in ber
Sfrigel auf welcher bie gi'tße beö $eiianbS ruhen,
Sie prächtigen großen gli'tgel beö ©rjengelS flnb auf
87
fcbtmmernben spfauettfebertt gufammcitgcfe^t, ein
weiter Mantel, fcbarlacbrotb mit golbnett Blumen,
mit ^urpur gefüttert, mit einer Doppelreihe »ou
perlen ttub farbigen Gtbelfteinen eingefaßt, über
ber Bruft burcb ein großes juwelenreicbeä Mebattlott
jufammengebalten, fließet ju beibeit (Seiten von
feinen ©(bultern btö auf ben Bobeit herab, fo baß
ber ganje ficbtbar i>lei6t5 oben am Half«
erfcbeint baf ^anjerbemb von golbnem ©eftriefe.
Daö ernfte, vott golbigeit Socken umfloßite
fcbmücft eine fcbmale Binbe, auö welcher vorn ein
jumeleureicbeS Äreuj emporftetgt. Hoch in ber
rechten Hanb fyält ber (£ngel einen langen febwarjen
©tab, an beffen oberm G£nbe ein retdjer freujförmt*
ger ©rtff fchimmert, in ber linfeit, mit bem ©tabe
fleh freujenb, halt er bte furchtbare Saage. Die
rechte ©chaale, in welcher ein ©eeltger beteub fnt'eet,
rubt am Beben, bt'e It'nfe, mit bem ju leicht Be*
funbenen, fährt hoch in bte Hobe; bte Stellung
be§ faft herauöfatlenben Unglücklichen, ben ein nahe*
ftebenber Seufel fd^on beim Haar faßt, brückt baS
ganje (Befühl feine« SlenbS au$. KichtS fattn im*
88
pofanter, höher, größer gebaut werben, als
Michaels eble, glänjenbe, fdjlanfe ©eftalt, als ber
ridjtenbe Blick fetneS etwaS »orgebeugten ernften
d?eftdf>tö» ©eunod) tft gerabe bieS ntd)t mit »oll*
Fommner gretbett bebanbelt, bt'e garbe tft fo bünn
aufgetragen, baß bei genauer Betrachtung einige
33eranberungen beS mit Bletflift gejeidjneten Slott*
tnrS hittburch fcbtmmern, als habe bem Maler ein
ned) höhereö Bt'lb »orgefcbwebt. Auch bet einigen
attbern köpfen entbecft man fcbwadje ©puren foldjer
auSgetöfchten Monture. Sie ©rttppett ber Erwachen*
ben unb Erftanbttcu ju beiben ©etteu beS mägenben
Engels fhtb ju manntdjfalttg um fte alle ju befd)ret>
ben. 3n ber Nähe unb gerne fteigen bt'e Xobten
auS ihren ©räbertt, alle brücken baS aßorgefühl
threS nahettben ©d)tckfalS auS, fe») eS greube, fet) eS
Entfesselt. 3(uf einem ©rabftetn fteht bte 3<*bl
CCCLXVII, bod) mie mir fchetut »Ott fpäterer
$aub übermalt, fo mie auch bt'e ÄÖpfe beS©eeltgen
tu ber äöaage unb beS mittelften ber brei Engel
mit ber ^ofaune ftdjtbar aufgemalt ftnb.
89
Dtd;t hinter bem <£rjengel ftrciten ein (£ngel
unb etit Xettfel ftdj um ben einer ©eele. Die
nnau«fpred)lid)fte Augft, ©djmerj, an 2©abnftnn
gränjenbe Verzweiflung fprtdjt jur Stufen Michaeis
attö ben unfeeligen, auf ba« mannicbfalttgfte grup*
pirten, junt Xbeil bid)t jufammengcbräitgten ©e*
ftalten jebe« Alter« unb ©efdjlecbt«. Sßuttberbar
fautaftifcbe Xeufelffrafjett, zum Xbeil mit fdjönen
©djmetterltngöflügelu, mtfcbett (ich unter JDte 93er*
bammten ltitb treiben fte auf mannidjfalttge 2'ßeife
mit wahrhaft fatanifcber greubc bent Abgrunbe ju.
©elbft Dante« gewaltige ^bäntafte founte nidjt« er?
ftntten wa« biefe« überträfe. Auf ber redeten ©eitc
hingegen tft Alle« fromme Kube unb feeltge« 93nrgci
fiibt ber£tmmel«freuben, ba« in einigen/ befonber«
weiblichen köpfen fügar an faft finbifd) * füfjlädjelnbe
greubtgfett gränjt. Unter einer btdjt jttfamntett
gebräugten, ber £)immel«pforte ffd) juwenbenbeit
©ruppe, jcidjnet ftd) ber $opf eine« Keger« au«; iii
einer anbent, biefer gegenüber auf ber linfen ©eiter
wo e« auch an tonfurirten Moncb«föpfett nicht fehlte
ftebt ein ernfter ftiller ©ret«, bejfen ©eftcht mir
yo
tiefe -IfBebmutb , bocb weber Scbmerj noch Slngft
aufbrüeft unb ber wabrfcbetultch, im tfontraft mit
jenem getauften Neger, einen ber alten tugenbboften
Reiben barfteUt, bte, ohne eigentlich »erbammt j«
fct)tt, bennod) nad) bem ©lauben ber fatboltfchen
Slircbe, befonberf bem bamalt'gen, feinen Anfprucf)
auf bte Secltgfett bef Rimmels machen föttnen,
3wtfchen bebe»/ bunfeln, gaeftgen Reifen,
jtt welchen bie flammen bef tiefen Abgrunbef, »on
bem wir tnt iöorgrunbe nur ben Eingang erbltcfen,
boch berauflobertt, jeigt unf baf linfe glügelbtlb
alleS benfbare Entfetten, alle Qßerjwetflung, alle
Dual, atleu Sammer ber linfen Seite bef Mittel
bilbef, auf baf fürchterlichste geweigert. Noch
wilbere, eittfefclidjere Teufel, bte aber nie tnf
SBtberwarttg - Scheußliche aufarten, treiben bie
armen Seelen ben engen gelfenfteig hinunter,
jwtfchen £>ampf, flammen unb ©rauf, bem
Slbgrunb jtt. Sie ftürgen hinten über, fte fallen
unter etnanber, über etnanber, flammern fleh «n,
werben fortgefcbleubert mit entfeljlicher ©ewalt.
Sie SNannidjfaltigfeit ber Stejtungeu aller biefer
91
Itacften Stërper ift eben fo nnbefdjreiblüh,, öl« bet
oerfcbiebene A««brucf be« nämlichen ©efübt« i»
fitten btefen topfen. Dabei fmb bie (Stellungen
pft in ber wunberbarfte» 58erfür$ung, mit einer
SBabrbeit gebaat unb aufgeführt, bie man nur
^emunbernb anftaunen kamt,
Der rechte ginget bef ©emölbeê jeigt uit« exit
prächtige«, mit ©äuten gezierte« unb tm gotbifeben
.<Stt)l erbaute« portal, burdb welche« bie (Seeligen
§ur ewigen greube einrieben. Bilbwerfe *>on halb
erhabner Arbeit fd)mütfen bie gacabe unb ben
fjJlafonb ber becbgewolbten eintritt« - Hatte. Über
berfelben tn einem ©iebetfetbc tfl auf gleiche Seife
bt'e Schöpfung ber (£oa batgeftettt j im Innern be«
^Jiafonb« ßberubint unb (Seraphim 5 unter bem
flogen beffelben, tnwenbtg auf einem ^fetter,
(Sbriftu« at« ftönig auf bent Zfronc fi$enb, ju
feinen giißen ba« ßamrn, ring« um ihn bt'c Embleme
ber vier ©»augeliften, An $wei großen tburmäbnltcben
Pfeilern, 311 betbert (Seiten ber Hatte/ ftnb jebtt
©tatüen tbeit« ft$euber, thei'l« fnieenber Könige unb
heiliger Drbeuêfttfter angebracht, über ihnen er*
92
beben fïd) gierlid? gefémytc Balbachtne, genau wie
matt eS an ben i)errixd?fl:en alten Ktrdjen ftebt. Sllleê
bteö fchetnt nut folder täufcbenben Sföabrbett tn
Stein gehauen, unb tft von fo öolleitbeter 2luS*
führung, baß man fogar baê ©eäber beê &olgwerfê
an ber offen ftcbeuben Xtyüre, bte Befcbtäge ber*
felben, ja fogar bte etngelnen Nagel erblickt, ginter
ber btefeê ^racbtgebaube krënenben Baluftrabe
fteben flngettbe, muftjirenbe, jubflirenbe, Blumen
btnabftrèueube Engel, tn reiben SOießgemänbern $
ttwaê tiefer, auf gmeten bte Pfeiler umgebenben
Balkonen, aufjebem bret kleine wunberliebltcbe unb
fd)on befchmingte Engel, ebenfalls tu Meßgewän*
berit, meldbe von ©olb unb Juwelen ftrablenj bret
»ort ihnen fingen a»ê einem Budje, bret anbere
fptelett bte f)arfe, bie Bither unb bie @etge. SBolken
umgeben baê (Bebäube von betben Seiten, eS
fchetnt fogar auf btefen jit ruhen, obgleich bte leiste
ber krtftalli ähnltd;en Stufen, melcbe jn benfelbett
führen, ttod? bie Erbe berührt, auf welcher jwtfcben
Riefeln unb Kräutern Siamanten unb Nubtnen
umhergeftveut liegen. Sicht ©eiftlidie boten fchon
93
bte Stufen erfìtegen, uttb ztebett, fctd)t an einanber
gebräugt, $ur ^>imn;*iöpfDrtc et», fo baß man von
ben mebrften nur bte tonfurirten Hinterkopfe erblickt,
voran prangt einer mit ber Xtare, neben btefer
jetgt ftcb ein fta'rbtnalSbttt. 93ter febr fdjone
€ngel, tu reichen Meßgewänbern, mit hoben präcb*
tigen «Schwingen, befletben bie Sintretenben mit
getfHtcben ©ewänbertt, einem ber ie^tern wirb eben
bte Bifchop ? Mü^e aufgefegt Unten auf ber
^weiten Stufe, recht väterlich freunbltch uttb miib,
ftct;t bie würbtge ©eftalt beé betitgen Petrus 3 er
hält ben großen gclbnen Scblüifel uttb rcicbt einem
©reife bie £>aub, Weld)er bte erfte Stufe betritt*
Mehrere Seeltge nahen, Männer uttb grauen,
unb ein febr reich befletbeter (£itgel, unfern bem
heiligen^etru«, fleht, bei ihrem Empfange helfenb,
biefent jur Seite uttb winft ben (Erwählten bte
Stufen »ottenbö ju erffeigen.
Mit berfelben Sahrheit, wie auf ber linieri
Xafel ber Sammer ber böcbften OSergwetflung, ift
auf btefer bte Sfube bei Himmels, baS freubtge
unb boch bemiitbtge Gsrftaunen beim erften ©eft'tbi
94
unftuSfprecfyitcber «Seeltgfett KuSgebrücft. $eber voti
tiefen Köpfen fcbeint ^ortr1· gu fet)n, ölte fm&
aufgeführt wie bie fetnjte Miniatur, alle leben wie
bie SBirflicbfeit felbft,
Sie melen nackten Körper finb in 3e"fynung
Mnb garbe tabellof, bocb etmaS bager, befonberf
an Armen unb Beinen, Man fiebt, baß ber
Stünftler ntcbt ©elegeitbeit hatte, in btefer $inftcbt
fo bie Natur gu ffubiren mie in beu Köpfen,
Rauben, ©emänbero unb aßen artber» bargujtelle«*
ben ©egenftänben.
2Bie auf ber iafel ber beiiigen (£aci(ie unb
ber fingenben Engel bef ©enter Bilbeö gu Berlin/
ift aud) auf feiefen ber ©runb' ober bte £uft »on
wirklichem ©olbe; Wabrfcbeinlief bie* mie bort weit
ber ©lang bef ftd) öffnenfeen Rimmels bärgejMt
»erben feilte, unb feine irbtfdje Atmefpl/ärc/
inbem bie Erftebenben unb ^eiligen ibrer 31(11*
Atbmen «ici>t mebr bebürfen* AlleS anbre ©olb, in
©cbnuick, (Stickereien imb ©toff, mie überhaupt
alleä Metall, ift et'njtg butcbgarbeit bt'S gur böcbftert
Xäufcbttng hervorgebracht. And) bie gelbne Kugel
95
unter bem guße beä £etlanbe3 unb bte Lüftung
♦
beS Srjengetö Michael. Die Art wie fich tn
betben bte äußern ©egenftänbe. abfptegelu erinnert
lebhaft an ben ©piegel, beflfen gacctuS ttt ber Be*
fcbretbung bcr »on 3»b«tttt »an gemalten Bah*
ftiibe ermähnt.
Die HimmelSpforte, in allen ibreit Xb eilen,
in allen ihren Verzierungen, gleicht auf baö genauere
ben arcbiteftcnifcbert ©egenftänben, ben stempeln,
©äulett, uub bem erhabnen ©cbni^werf auf ben
©emälben »an G^cfS tn ber Botffereefcbett ©amm*
lurtg. ©» auch bte Bebanblung ber ©tiefereien,
bcr Staffen, beö ©efcbmeibeS, Dte »or ber Htm*
melSpforte geftrenten Juwelen uub farbigen Sbcl*
ftetne flub genau bte nämlichen wie bte, welche
unter ben gi'tßeu bcr jur Anbetung bcS SammeS bin*
Ztehettben Kitter uub ^tlger auf ben ©euter Xafcln
in Berlin her»orftrablen.
Die ßrttgel, in t'hrer prächtigen Siletbuttg, ftnb
ebenfalls bis in bte fleinften (Stnjelhetten ber &öpfe,
beS ©cbmucfcS, ber ©olbftoffe, ber ©chwtngen>
ber ganzen Bebanblung ber Sitgel auf ben ©euter
96
Söilbern aufbaS »ollfommenfte aijuttd?; ja bie kleinen
fingenben unb muftctrenben Engelcben auf bett Bai*
fönen gleichen fo fet>r ben Engeld)en auf bem ©enter
Bilbe, baß mau fie für Miniatur * Porträte ber
nämlichen Eborfnaben halten könnte, bie bei jenen
großen giguren gum $orbtlbe bleuten.
Sie uttbefcbreibttd) frönen Kopfe ber Slpoftel,
ber Mutter ©otteö, beS heiligen ^etruö unb
bannef beö XäuferS ftnb in garbe, AuSbrucf,
gorm, Bebanblung ber $aare ganj fo, mie auf
beu Xafeltt 3o&ann »an Ei;ckö in ber Boiffercefcben
Sammlung, befonberS erinnert hier 33ielef an bte
j»£afel beö heiligen ßukaS. So tft eö ferner mit
beut galtenmurfe ber ©emänber, ber Behandlung
ber »erfcbiebenartigeit Stoffe unb beö ©olbbrokatS.
Unter ben Köpfen ber Seeligen fanb td) mehrere,
bie td) auf beu ©enter tafeln, unter ben Gittern
unb Eremiten gefebcn ju h«be glaube. Die fßradjt
ber garben ift übrigens gang fo fhrablenb mie mir fte
tu allen mir bekannten ©emälbeit »an Et)ck3 be-
munbern muffen.
97
Ai« td> im grübltng beS 3«breS 1820 nach
einer langen Keifte »pit fahren meine iBaterflabt
mteber befugte, eilte icb, fobalb td) eS fonnte,
and) biefeS ©entälbe mteber ju feben. Sem'ge
Sage »orber b«tte icb bte ©enter Xafeln in Berlin
aufmerffam betrachtet, im£erbfte beS^abreS juoor
mid) in ber BotfFereefcbett (Sammlung an ben Met*
fterrcerfen Sobattn *>«n aufs neue erfreut,
unb alle btefe ©entälbe fcbmebten noch bell unb
beutltd) »or meinem innern Auge, Die Ähnlichkeit
beS Danjiger BtlbeS mit jenen mir unvergeßlichen,
befonberS mit benen in Berlin, trat mir im erfleu
Moment auf baS beflimmtefte unb erfreultd)fle ent*
gegen. Die tteberjeugung-, baß bt'efeS Daujtger
Bilb unter »an GfycfS fcbbpferifd)en |)änben ent*
ftanb, begrünbete ftcf? immer fefler, je öfter unb
je länger icb eS betradjtete , unb td) glaube in
ber Xbat baß auch bei Anbern jeber 3weife*
fdjmtnbeit mürbe, fobalb man nur bie ©enter
tafeln tu Berlin btefem Bilbe gegen über ftellen
konnte , um fte mit eittanber genau ju »ergleid)eit.
Übrigen« flammen biefe tafeln gewiß attS ber
7
-ocr page 103-93
frühere« 3ett ber »an Gs^df, unb mürben lange vor
bent ß^ftuö auf bem Seben ber heiligen Jungfrau,
ben bte Boiffere'efcbe (Sammlung beft^i, gemalt;
mabffcbeinlicb turj vor bem großen Altargemälbe in
(Scnt, über meinem Hubert im 3<*br 1426 ftarb.,
Kenner mögen entfcbeibcu , ob td) irre, mentt id) tu
Manchem, vor Allem in ben ßrftanbnen unb in ben
£eufelSgeftalten, bin unb mteber £>ubertö Mitmir*
fung ahne. Beftätigt fid) bief, fo märe btefeS
herrliche ©emälbe ein Meiftermerf ber vereinten
Kräfte beiber SSrüber unb babur^ für bie ©e-
fchtd)te ber Kunft von um fo größerer SSebeutung.
99
Antonello eilte gletcb nad) bem Ableben feine«
gvofjeit Sebrer« nad) Stalten jurücf, unb begab ftd)
nad) Venebig, wo er burd) feine in ben Kieberlauben
erlernte ftunft allgemeine Bewunberung ftd) erwarb,
Viele feiner 3eitgeuofTen bemiibten fid) auf ba« an«
gelegentlid)fte, ba« ©ebetmnif} be« Giovanni da
Brügge »Ott tbm ju erforfdjen ; er mibcrjtanb lange
uttb nur einem ©tnjigen gab er ftd) julejt btn. Dtcfcr
btep Domenico j fein Käme ift jcjt faft »crfd)olieu,
feine 2Öerfe bat ber Strom ber 3e^tt fortgeriffen,
bod) war er in feinen Xagett ein bodjberübmtcr
Meiftcr ber faurn im Gcntftefyen begriffenen oencjias
ntfdjett Sd)ule. Söte AtttottcHo ba« |)er$ bc«
Sobantt »an (£i)cf gewann, fo wußte Domenico ba«
•£>ers Antonello« ju gewinnen unb biefer »ertraute
t'bm nacb Verlauf weniger Mottbe, au« uneigen*
nüfjtger Siebe, ba« ©ebetmntß, welche« er für
feinen anbern *prei« »erfauft babett würbe.
55eibe greunbe arbeiteten »on nun an mit
bober greube tutb Stift 3 ibr Kubm warb groß im
7 *
-ocr page 105-100
Jöaterlaube, bocb Antonello erfreute fleh beifen mc^t
lauge, vielleicht uur wenige Söhre«. Er erhielt
ben ehrenvollen Auftrag, einen großen ©aal im
^Jallaft ber ©tgnortft von 33enebig mit feiner neu er«
»crimen Kunft ju fdjmücfen, bod) er erkrankte unb
ftarb im neun unb vterjtgfteu Sahr fetneS Alters,
.vT"'"' *
noch ehe er baS große 3ßerf beginnen konnte. Auel)
Somentto erfreute flcb nicht lange beS mit £>ülfe
fetneS greunbeS erwerbnen NuhmS. Ein Maler,
NamenS Anbrea bal EaftagnO j. wußte fein 58er*
trauen in fo hohem (Brabe ju erfcbleicbeit, baß er
fldh julejt bewegen ließ, t'hm baS von Antonetlo
von Mefflna erlernte ©ebetmntß ber Dlmaleret mit--
* "
jutheilen. Serßohn btefeS treuherzigen aßertraueitS
war ein gewaltfamer, graufamer Xob, von ber |)anl)
beS meuchelmörberifcben Buben.
.·.. · ■ i.
©o waren Antonello unb iDomenico beibe in
ber Blütbe ihrer Kuuft bem Untergänge geweiht,
boch bie Ölmalerei war für alle nachfommenben
3eiten gerettet; fie verbreitete ftch von nun
an burch «He Serfftätte ber Maler in ganj Stalten,
4?.
-ocr page 106-101
wo balb barauf bic herrlichen SOïciftcr aufftanben,
beren unterbliebe 3Berfe eine bewuttbentbe SRacb-
rocft atè unerreichbar »erebrt.
iÖon Sintonettoê ©emalben ift tn Stalten wenig
ber jerftörenbett ©ewalt ber 3c^en entgangen;
»ielleicbt baê eindige, weldjeê tn ben Kteberlanben
erhalten warb, beftnbet fleh in ber ©ammtnng be$
Herrn »on Kotterbamm, ^rofefforê ber fbntgltcben
Uni»erfität jtt ©ent. Dtefeê ©emälbe trägt bte
Unterfcbrtft: „1477 Antonjllus Messaneus me
pinx.", unb tft für bie ©efd^icbte bcutfcber Stitnfl
»Dtt uttfdbä^barent SÖertbe, weil burcb bie bent
Btlbe beigefügte Sabrjabl gewtffermaßeit bte 3ett
»en Sobattn »an tobe befttmmt wtrb. (Si
ift alle SBabrfcbetnlicbfeit »orbanbett, baß Slntoitelio
btefeê Bilb nocb tn Brügge malte, »ielleicbt furj
»or Sobann »an Cïtjcfê Xob; bod) märe btefeê
auch nicht, fo ift bocb fo »tel gewiß, baß er feinen
großen Sebrer nur wetttge Sabre überlebte, ba er
fcbon weit über bte Sünglingêjabre btnauS war,
all er nacb ^Brügge fam, bort mehrere Sabre »er?
102
weilte ttttb im neun uttfe oiergigften 3obr bte SBelt
»erlief?, SlntonrtloS ©emalbe ftellt ben £>etlanb
gwifeben ben beiben mit ibm gugletd) gefreugigteu
Verbrechern bar. An einem Baum, gut Rechten
beö ÄreugeS, au welchem ber reuige Verbrecher
bangt, lebnt bte Mutter, tief »erfunfen in laut*
lofem Sommer; tbt gegenübet ftebt 3ol)anneö, au*
betenb in Siebe uub Semutb. Ser Slufbrutf ber
©ejtalt be§ tobten SbrtftuS tft burebauä ebel unb
ruhig; bie Verbrecher ftnb augeufd)ctnltcb in peilt?
lieber Ouaal »erfebteben, ber gut ßinfen in gemalt*
fönten .Bübingen, bie ber Künftler gmar furchtbar
barftellt > bod) obite in baf ©tätliche gu fallen, 3m
Mt'ttelgrunbe erblicft man einen £betl ber ©tobt
3erufalent, im £>intergrunbe baö mtlb empörte
' Meer, 3» ber $orm uub bent burebfiebtigen
©chtmnter ber Sogen wollen aufmerffame Beobadj?
ter ben (Sbarocfter beö mittellänbifchen ober abriati*
feben Meerö erfettnen, aud) bte warmen £öue ber
ßnft geboren bent leuebtenben ©üben. SlntoneUo
hielt mit Siebe unb treue an ben Vorgügen fettteS
fchönen fßaterlanbeö, ober alleö Xed)utfd)e in btefern
103
augcnfehci»ltd) in Di gemalte» Söilbe gehört unwiber*
Γρνεφίίφ j»r ©«buie Sohan» »a» (Spciê, »üb fe ijt
btefeö Btlb, gleidjfam alä 5öeret»tgu»göp»»Ft ber
bcutfdje« unb ttalie»tfche» (Sch»le, von hoher Be*
beutfamfeit.
104
9?ogter »au Brügge , ber gweite fetner
©djüier, welchem Sobann »an Etjcf baf ©ebetmniß
ber Ölmalerei entbeefte, warb ein großer allgead)*
teter iOieijter fetner 3eit. Er malte nad) ber Art
feitteö hohen ßehrerf tn Eiweiß, ßetmfarben unb
•I
£>l; le^tere Art bie garten ju bereiten war »oit
nun au fein ©ebetmntß mehr, unb »erbreitete fld)
balb allgemein in ben Nteberlanben wie tu St^ie»·
Rogter war ein trefflicher 3eid)iter ber AuSbrucf
unb bie Anmuth, weldhe er feinen ©eftalte« ju
geben wußte, »erfebafften ihm bie allgemeine Be*
wunberuttg feiner 3eti9cttDfirert- malte meiften*
theilö fehr große ©egenfteinbe in SebenSgröße unb
war »erntuthlicb einer ber erften, bie ftd) ber Sein*
wanb, (tatt holjerner Xafeltt, bei ihren ©entälbett
bebienten. Senn bie auch in jenen Sagen allge*
wältige Mobe brachte große bemalte Seelen als
einen feltnen ©egenftanb be§ CuruS auf, mit benen
bie SÖättbe großer ©äle in ^JaUaften unb tn offeut*
liehen ©ebäuben gefdhmücft würben, ftatt ber fenft
05
üblich gctuefeiten teppid;arttgen Xopetctt »t>n man*
djcrlei ©toffeu, SRogier »an Brügge jeidjnete ftdf)
befottber« in biefer (Gattung »on Maleret au«, tutb
»tele ©tabtbäufer, Ätrdjen unb sprt»fttgebäube in
bett ©täbten ber Kteberlanbe prangten nod) lange
nacb fetner l'oftbarett ©ebilben »du fetner
fuuftreteben £>anb. Da« 3abr feine« £pbe« ift un-
befauut. Starl »cit Manber erwäbut eine« $erüd;t«
r»cld;eö tbn fegar in ber Mitte be« fecbjebnteit
3abrbunbert« al« nod) lebeub »erfüitbigte, bed)
büuft ibnt biefe« felbft ju unwabrfcbetttltd), unb
er jiebt »or, biefe ©age, ttad) Art ber bamaltgett
3ett, auf bie unterbliebe Äuuff be« Metjter« atte=
gcrifd) ju beuten.
106
SeScampS, unb gucStt nad) ihm, ermähnen
etneS Sdji'tlerS »an GttycfS unter bem Namen Negier
»an ber 3fßet)be ober Nogter BrurellenftS, bejfen
©eburtSjabr fie aber munbertid) genug auf baS 3«hr
1480 befttmnten, mäbrenb fic Sohamt »an Stjtf,
bei bem er nad) ihrer SluSfage gelernt haben foll,
fdbon im 3abr 1441 fterben laifen. Sine faft bei*
fpiettofe UnacbtfamFeit, bie zugleich bte Möglichkeit
beS ^rrtbumS bezeugt, ber fte verleitete, utter;
ccbtet aller oben fdjon angeführten Bemeife für eine
mett fpätere Seit, baS Sahr l44l als baS Sterbe?
jähr Sobamt Et;cfS beftimmt anzunehmen,
Sßabrfd) einlief) irrte fte ober ihre Vorgänger bie
gorm ber alten 3al)len. Sic 3<*bl fiebert marb ttt
früherer ^cit mte eine umgekehrte römtfebe günfe
gefcbrt'eben, unb 14a0 fattn in alten »ergelbten
unb ftaubbebeeften Manuffripten »on Unfunbtgcn
»ber Slcbtlofen leicht für 1440 ftatt 1470 angefehen
»Sorben fet)n.
Oh»c ihn genauer als -Sohctnn »an (£t)cf$
Stüter ju bezeichnen, ermähnt Kart »on Manber
/
-ocr page 112-107
btefeS Diogter »an ber Sevjbe, als eineS mit fjoi)cr
Äunjt rctci) begabten alten -JDieitterS auS ber legten
Hälfte beS funfjebnten unb ber erfreu beö fedjjebn*
tcn SabrbunbertÖ, bev »tele bebeutfanie ©emälbe
»on r et dl) er (Srftnbung unb bemunbernömertbem SlttS*
brucf in Dl malte. Vier große ht'itortfcfye Xafeltt
»on fetner Hanb fd)mücften beit ©ertcbtöfaal bei
alten prächtigen 3iatt)baufeö ju Brüflfel, melcbe alle
bte (treugfte Ausübung ttnbeugfamer Kecbtöpflege
btlbltcb barftellten. Sluf einer berfclbett fab man
einem Vater unb feinem ©ebne, jebem eilt Singt
ausreißen, roetl einer »Dn ibnen megen eine« Ver*
brechen« beibe Slugen ju verlieren »erurtbeilt mar,
unb bte« furd)tbare Urtbetl nur baburcb gemilbert
rnerbeu fonnte, baß bte ©erecbttgfeit ftcb bemegen
ließ, beibe burd) innige Siebe Verbunbene mte
(Sine Herfen anjufeben. Sluf einem anbern btefer
©emälbe morbet eilt flerbenb auf bem Äranfenbette
hütgeftreefter Vater mit eigner Hanb ben »erbredjci
rtfd)ett ©obn, jur ©übne beö ®efe£e«. 2Öie
btmmlifd) flar unb rein erfebetnt bagegen 3obann
»an®ncf, beffen ewig ijettre ^bautafie fotcfyc ©rettet
108
bilber nie aufgufaffeu vermochte! iDennocb erwarben
biefe ©emälbe 3iogterS oait ber äöe^be burch
SBabrbett beS 5luSbrucfS allgemeine Bewuitberung,
obgleich ©cfjauer unb Entfe|en von ihnen auSgtng.
SSefottberS würbe ber gelehrte SampfontuS wäbrenb
fetneS Aufenthaltes in Brüffel niebt mübe fle gu
betrauten unb gu pfeifen, Ein Altarblatt für bie
Marienkirche in ber ©tabt Söwen warb für baS
größte Metfterwerk Rogterä »an ber SBeipbe ge*
halten. ES ftellte bie Abnebmuttg com Krettge bar.
5Üf gmeien an baS Kreug gelehnten Settern flehen
gwet Männer unb laffen ben in ein leinenes Xucb
gefaßten tobten EbrtftuS t'tt bie Arme SofepbS »on
Sfrimathia unb etneS ©ebülfett hinabgleiten, währen*
bte heiligen grauen unb SobamteS bte tu £>bu*
madjt hingefunfne Mutter beS |>ei(attbeS unterftü^en.
©o wie *>«» Ei^ckS berühmte^ 3lltar = @e?
mälbe tu ©ent, fo erregte auch bt'efeS bie $abfucbt
«Philipps »on ©panien, er ließ eS ebenfalls bnreh
Mtdhael EorteS kopieren, nahm aber bteSmal baS
Oiiginal unb ließ ben Bürgern von Söwen bie
Kopie, s
109
£>a3 Schiff, welche« bte ©emötbe nad) Spanten
führen follte, fdjextcrte cm ber fpantfcben Äüfle,
unb ba« 23tlb fiel in« Meer, warb aber wieber ge*
borgen, unb war junt ©linf fo gut »erwabrt, baß
ibm ba« Seewaffer nur wenig hatte fcbaben tonnen,
(iin Umftanb ber bte Möglichkeit beffen bejeugt,
waö bie Sage »on bem Danjtger Btlbe erjäblt.
logier »an ber 2Öe»)be warb enblicb febr reich
burcb feine Siunft Einige feiner heften ©emälbe
für bie Äöuigiu »on Spanien würben mit einem be-
beutenbett lebenslänglichen Einkommen belohnt,
unb er erwarb auch fonft noch »iel »Ott ben ©roßen
feiner 3eit, bie feine Slrbeiten fürftlicb bejahten.
($v wanbte feinen Steicbtbum auf bie ebelfte SBeife
jurUnterftü^uUg Armer unb Diotbleibenber an, warb
allgemein geliebt unb »erehrt bt« an feinen Xob, unb
ftarb im &erbtt be« SabreS 1529, an einer peft*
artigen Äranfbeit, welche bamal« in ben Siieber^
lanben wüthete unb »tele taufenb Menfchen hi»-
wegraffte. Man nannte biefeö Uebel ju jener ßeit
bie englifche Krankheit.
110
/
3obamt »an Ei)cfS eignes unabtäffigeS Vor*
wärtSftreben auf fetbft gebrockter Balm mad)te t()it
wabrfcfyeinlief) gur Annahme einer großen Angabt »oit
©cl)ülern mentg geneigt. ES febeint, atS ob nur
ein befh'mmt beroorragenbeS Xaleut ibn bewegen
mochte fiel) ber Mühe beS SebrenS gu untergieben,
benn auffer AntoneHo »on Mefftna unb Nogter
uan Brügge fettnen mir mit einiger ©ewtßbett nur
noeb £>ugo »an ber ©oeS unter bem ebrenoolten
Spanten fetueS ©dntlerS.
Nur wenig auS bem ßebeu biefeS $ugo tft bis
auf unfre 3eiten gekommen; man weiß nur, baß
er um baS 3«br '1480 bte »on Sobann »an Et)cf
erlernte Stunft mit großem CÜliuf unb feltnem ©C*
»
lingeit in beit Nieberlanben, befonberS in ©eut,
übte, unb ftd) als beffen würbiger Nachfolger Nuhm
unb Ehre erwarb. SBabrbeit in 3ei<b«i>ng / 3Ui
fammenftellung unb AuSbruci feiner gtgüaeu, Bol*
lenbung tm ©roßten mie im Äleinften, geidinetett
I r
feine Arbeiten auS, unb erhoben ihn 51t einem ber
-ocr page 116-117
crflew Metfter feiner feine« Vater*
lanbe«.
Seine Sebreriit in her ©arjtellung weiblicher
©ejtalten, in welcher nadj bem llrtbeil ber bamali*
gen Siunftfenner e« niemanb ihm gleid) tbat, war
bie beiße innige Siebe ju 3afob SSepten«, eine«
Bürger« oen ©ent, fdjoner Siebter. Diefenr ge*
liebten Mabdjen 511 (Ehren umjtralte olle feine
$r«uenbilber eine nur t'bm eigne unbefcbretblidje
Anmutb/ neben ber jüd)tigften Befcbeibenbeit in
Stellung unb SluSbrucf. (Sin tu Dl auf einer 2Banb
int $aufe be« Vater« feiner ©eliebten gemalte«
Bilb jeidjnete üt btefer £>tufid)t befonber« ftd) au«.
(£« (teilte bie finge Abtgatl bar, wie fte, begleitet
von ihrer wetbltdjett i>au«genojfenfd)aft, bem hoch*
erzürnten, auf einem ftoljen Sftoife einher reitenben
Slönig Da»ib mit fanfte.r Uberrebung entgegen tritt
^nb bureb weibliche Milbe feinen ftrengen Sinn be*
ftegt. Auf biefem Btlbe prangte auch ba« nad? bem
ßebett gemalte febr ähnliche «porträt ber fdjeuen @e*
liebten be« Maler«, unb ber ©lüeflicbe empfing
bafi'tr mit ihrer §>aub bett lang erfebttten Seh«*
r ' '·*'
-ocr page 117-112
ßufafi be $eere, welcher »an (£»)cf4
SOieifterwerf in ©ent befangen i)ittte, weihte auch
biefem Söti&e einige nad) Art feiner ftnnreithe
9ietme, in welchen er bie grauen »on ©ent auf
$ugof »an ber ©oef ©emälbe »erweift, um An*,
mutb unb Befcbeibenbeit 51t lernen, unb gule^t be*
bauptet, baß bfefef äfleifterf grauenbtlber nur
einen einigen bei t'brem ©efcbledjt feltneu gebler
befäßen, ben, nicht p fprecben.
Ein fletnef, faunt anbertbalb guß bobed
lötlbdjen $ugof »an ber ©oef, in ber 3afobö?
ftrcbe ju ©ent, ftellte bie heilige Jungfrau mit bent
Ktnbe in aller ihrer #olbfeligfett bar, unb war
bis auf bie fleinften 93lümd)eit, Kräuter unb Kiefel
im Vorgrunbe mit unauffpred^lid) jarter VoHenbung
aufgeführt. Ein anberef feiner ©emälbe im Ma?
rten ? Klofter gu ©ent flammte auf feiner früheften
3ettj ber ©toff baju war auf ber Segeube ber
heiligen Katharina entlehnt, unb audj btefe feine
"Sitgeubarbeit erwarb ihm fchon allgemeine Bewun?
berung. Von allem btefen Bilbern tft unf letber nur
bie Kuube ihref ehemaligen £>afes;nf geblieben,
uitb überhaupt-mögen wohl mir wenige btefeö alten
Metfter« bi« auf uufre Xage gefommen fet)n ; bod)
beflißt bte S3oiflrcreefd)c Sammlung eine« ober mehrere
berfelbeu, »01t beuen mir aber nicht« nähere«
bekannt ift,
£>err Refrath £>trt erwähnt mit großem Sobe
eine« ©emälbe« »on 'f)ugo »an ber ©oe«, weld;e«
er tu $lorenj fanb, uttb beffen Attfcbauen t'hn bewog
ba« erwähnte Sandiger Büb mit Beftimmtbeit für
eine Arbeit beffelben ju erklären. Ohne hierüber
entfebetben jit wollen, kann bt'efe Anftdjt eine6 fo
berühmten ftunftfeunerS wenigften« al« Beleg ber
hohen 23ortreffltd)feit fowohl jene« Florentiner @e*
mälbeö, al« überhaupt ber Arbeiten £>ugo« »an ber
©oe« bienen, unb jugletd) bt'e täufchenbe Ähnlich*
feit feiner Art $u malen mit ber feine« heben Sebrer«
bewetfen. Sine« ber »orjügli'chften ©emälbe i>ugo«,
etite Ärcujigung, welche ben Altar ber 3akob«*
Ätrd)e in ©ent nod) ju 5larl »ou Mauber« 3eiteu
fdjmückte, warb bamal« wie burd) ein SBunber »ont
gänzlichen Untergänge gerettet. Sange war
e« gleid? einem föftlichen ftleiitob fehr bod) gehalten,
114
unb felbft bie Btlberftürmer jener Söge hatten n(d)t
gewagt eö ju berühren, ES ftanb ruhig uub ftdjer
ait heiliger Stätte, btS man juiejt beit Entfcbluß
faßte, bie Kirche aifeö fatbolifdien ScbmucfS jtt
\
berauben unb fte für trgenb eine ber proteftanti;
fdjett Seiten einzurichten, meld)e bamalö mit threit
«prebtgten baö Sanb burchjogen. Selbft ba§ 311*
tar ? ©emälbe burfte bießmal fetttett Stanbort nicht
behalten, e$ warb berabgenemmen, unb ein
Maler, ein Kunftoerwanbter, beifen Namen Karl
»Ott Manber auf ju großer Schonung »erfebwetgt,
gab bei btefer ©elegenbeit ben unbegretfltd) betffofen .
3?atb / bt'e fd^Dite gmljtafel beS feftlicben ©emälbeö
ju bettu^en unb baä S5ilb mit febmarjer garbe ju
überziehen, um t'n golbtten Q3ud)ftaben bte jebn
. bete barauf ju febreiben. Der greoel warb wirklich
vollbracht, bod) gum ©litcf hatte £>ugo gemalt wie
er cö »on feinem Metfter gelernt batte j bie garben
waren febr fetn unb bi'mne auf einem febr feflen,
glatt abgefcbltffnen ©runb aufgetragen, unb bte
mit fetten Dien bereitete fd)marje garbe vermochte
eben fo wenig, alö baS ©olb, auf btefer fpiegelglat*
115
ten, oen ber mehr gehärteten ^Ìacf>e
haften 3 ba« Bilb rowrbe halb barauf »cn beffer
©efmnten mit großer (Sorgfalt mteber gereinigt,
nnb trat ηαφ fnrjer Verftnfternng *>on neuem heö
unb unöerfehrt beroer.
122
§emltng, pweiien aitcfy S^em^
meitng genannt,
SGßobl «od) nie retate fld> ber Name beö
Süngerf mit befferm Neckte an ben fetneö ihm »or?
angefchriitnen Metflerf , alf ber Name £)auö
-fjemltng an ben Namen 3<>bannef »an (£t)cf. Nur
ber 3eitfdge ttac^ er Jweite nad) jenem,
fouft fleht er überall bid)t neben ihm, ja man
möd)te fageu, gumetlen über thm, menn eö bern
Xalent mögltd) mare, ftd) höheren $lugf ju erbe?
ben alf jeuer Niefcngetft, ber erjt ben Naum ftd)
fdjaffen mußte, tu melcbem er ftd) nachher fo fühn
unb frei bewegte. Siöahrheit, Einmuth, pünftltcbe
Xreue bei böcbfter Freiheit, tief gefühlter Aufbruch,
VoUenbung im $i>d)iten mte im Kletnften bei liebt?
heller Klarheit, ^oefte ber Erftnbung ohne eine
©pur »du ^bemtaiterei ober gefugtem Stßefen, fur$
Slllef, waf mir bei Johann »an (ipef ftaunenb be?
tomtbern, ftralt auch auf £>anf £>emliugf Serien
unö blenbenb entgegen. Mit allem biefem »ereinte
er nodh bte auf ber tn)jantinifd)en 3ett ftammenbe
117
höhere ftorrefthett ber Stompofitton, welche 3ohann
van (£t)of / l)tugeviiTen vom eignen Schöpfung«*
triebe, utd>t immer beachtete.
Pentling« gange« Siöcfen mar ^oefte / öurch
fie warb jebe« fetner ©entälbe jum lebcttbaucben*
ben ©ebtcbt, nnb »tele berfelbeit ftnb gemalte (^po*
peen, wie nur bte erjten Säuger aller 3eiten flc
in SSSorte ju faffen vermod)ten. Selten genügte
ihm bte (Gegenwart be« Slugenbltf« ben er barjtelien
wollte, er fnd)te Vergangenheit unb ihm
anjuretben, unb benu^te baju beit bamaltgen Slunfk
gebrauch, bte nämlichen ©cftalten welche bte i)aupt?
gruppe eine« ©ernälbe« btlben, nad) ÜftaaSgabe
ber Ferne verkleinert, unb tu ben vevfcbtebcHartigi .
ften Situationen, auf ben entferntem ©rünben feiner
£afei wteber anzubringen. Sin weite« uttabfeb*
bare« Fcib, ba« er freubt'g jtt benutzen wußte,
warb ihm bterburch geöffnet , unb viele feiner
großem ©entälbe wimmeln von foldjeit eptfobeuatv
tigen Darftettungen. Der geläuterte ©efdjmacf
unfrer verwirft btefc bamal« burchau« üblidje
Freiheit ber alten Maler, unb jwar mit 9ied)t;
118
aber gewiß wirb feiner im Angefügte ber (Schöpfun-
gen $emitngö fte unbarmbergtg gu »erbammen »er;
mögen, benn mer mottte bem wahrhaft Schönen
ba§ Nedjt gu ertjtiren ftreitig machen, eä fei) in ber
SirfKchfett ober in ber Kunft.
93on ben Scbtcffalen, weichen $anf £em(iug
wäbrenb ber Saufbahn fetnef Sebent begegnete, ijt
nur wenig @efchicht(icheö auf unfre 3eiten gefommen j
war ja boeb fetn Name bis »er wenigen fahren
unter unf faft »erfebotten! Dod) feine Arbeiten,
beren eine »crbäitntßmäßtg große Angabt unf erbat?
- ten matb, gewähren un§ Anbeutungen fetneS
Sebent, weiche, »ergiidjen mit bem, waö wir
beftimmt oon ihm wiflfen , wentgftenS bt'e ^aupt*
epoeben unb merfwürbtgften Begebenheiten beffetben
mit einiger «Sicherheit begetebnen.
Nad) Einiger Behauptung warb 'i)anö -fjemltng
tn bem ohnweit Brügge liegenben Orte Samm
geboren, ttad) Anbern in jener att berühmten Stabt
fetbjt j boch eine »om $errn »on ßaßberg gu Ep?
ptfhöufen, ohnweit Äenftang, aufgefunbne unb ben
Herren Boifferöe mitgetheitte &anbfcbrift macht eS
119 ,
v
ì
neuerbingS wabrfebeinlicb, baß er fein 9Web erlaubet
war, fonbern eigentlich aué Sionftanj ftammte.
JDiefe £anbfd)rift, eine um ba« 3abr
gefdjrtebne Gilfaffer donici, warb »or furjem »on
i)erra von Faßberg in Äonftanj gefauft, nnb er
fanb auf ben legten Blättern beö Bud)« baö »on
fpäterer f)anb gefebriebne ©tammregifter eine«
43an« Pentling nebft $amtlienereigniffen, wie man
biefe in jener 3eit gewöbnlid) in Bibeln ober anbern
mertbgeaebteten Biicbern aufzeichnen pflegte,
IDtefe« (Stammregifter beginnt mit bem ©roßöater
Stnbin Reinting, geboren 1342, geftorben 1424.
!Dem folgt ber Vater Gtonrab i)emling, geboren
1394, geftorben 1448 . «nb beffen (Sbefrau,
Margaretb Brufen, geftorben 1448. Auf btefen
folgen fecb« Äiuber btefe« dibepaar« , unter benen
■f)an« $emling ber vorlebte, im 3«br 1439 ge;
boren ift. Die Famtlieneretgniffe finb bié in ba«
3abr 1490 fortgefegt, in welchem ber Xob eine«
ber ©efdjwifter angezeigt ift, unb nad? £>errn »on
Caßberg« Verficherung war ba« ©efcbledbt ber
120
Mutter Margaretb Brufdmt uub baS beS ©alten
einer ber Siebter, *£)äuS £mbfcbltn, tn ber ©egenb
»du Stonftaug ctnbetmtfcb; le^tereS blüht bort fogar
nod) btS auf ben heutigen Xag. Die in tiefen ©e?
fcblecbtSnacbrid)ten enthaltnen 3ci^eftunmungen
paffen übrigens red)t gut gu bem, waS wir fünft
noch vott bem Sebett $>emltngS wtffen, . fo auch
ber NamK 2luf gweien fetner tn Brügge be*
ftubltdjen ©emälbe, von betten weiterhin ausführ-
licher bte SKebe fepn wirb, fchrieb er, opus Jo-
hannis Pentling, anno 1479, unb ntd)t ^emme*
linrf, wie 2>eöcamp, mit feiner gewohnten frangö*
ftfeheu glüdjtigfeit, eS berichtet j fetn eignes 93ilb,
welches er auf einer btefer Xafeln anbrachte, hat
augenfd)etnltd) baS Anfehen et'neS bödjftenS viergig
Saf)r alten MautteS, waS ebenfalls mit bem @e?
burtSfahr 1439 vollkommen gufammentrijft. Sluffer
btefett gamiliennadjrichten ftnbcn fiel) in her Krontcf
mehrere von bem Sßerfaffer bcrfelben Jtid)t äuge?
führte Denfwürbigfeiten ber ©tabt Konjtang, von
berfelben £vanb, n>eld>e jene Nad)rid)ten febrieb,
..hinzugefügt, and) eine Aufgäblung ber Btfdjofe von
121
Stonftanj, bt« auf i)cinrtd) »on &oewen, weicher
»du 1439 btd 1475 biefe ©teile befieibete,
©tu gweiter 3ufa£ kommt in ber Sironick bei
Frtebvtcb »Ott Blankenheim »er, mit welcfjem
5töntgöbo»en, ber Verfafier berfelben, bie Diethe
ber ©traöburger Bifdjöfe fd)lteßt. Diefer ge*
laugte um baö 3abr 1393 zum BtStbum Utrecht,
weldjem er biö zum 3abr 1423 »orftanb, unb
jener 3ltfa^ bat bauptfächltd) Bezug auf biefe
Vcränberitng, £rierau« fowobt, al« baburd) baß
bevfelbe in nicbcrlättbifäjcr ©pradje gefchrteben ift,
gebt ber»or, baß biefe« (Sremplar ber Strouick eine
ßcitiang in Utrecht war, unb fo wirb e« erklärt,
wie ba« Buch felbjt in bte |)äube beö in ben 9fiie-
berlanben lefceuben Maler« i)an« |)emltng kommen
konnte.
©o wie je£t junge Äunftler nadb 9tom geben
um tbr Xalent au«zubilben, fo wauberten in altern
3etten bie Sebrlinge nad) ben SKieb erlauben, wo
fd)Dit im bret'zebnten 3abi'bunbert in $eltt unb
Maftrid^t bie bevübmtcftcn Malcrfchulen Deutfd)*
i
lattb« blühten. 3m fünfzehnten 3<*brbunbert $og
-ocr page 127-122
ber.große SKubnt 3ob<*ttn »an EpcfS atteé att fleh,
um fo mehr ba ber Neicbtbum unb bte spradjt ber
nieberlänbifcben ©täbte ber Ausübung btibenber
tfunft bte günftigften AuSftcbten beten. ES ift alfo
um fo letebter erklärbar, wie $anS i)emltng gerabe
nad? Brügge kam, ba beffen Cebvjabre eben in bte
3eit fielen, tn melier 3obonn »an Et?ck bte bödjfte
Stufe fetner Äunft unb fetneS überall verbreiteten
JftubmeS erretdjt botte. Db £>emltng mtrfitcb
beS ©lückS tbeilbaftig marb; unter bte kleine 3abl
ber eigentlidjen Schüler beS großen MeifterS auf?
genommen gu merben, läßtftcb fretitcb ntd)t mit biplo?
matifeber ©emißbett behaupten, «ber baß eS mehr
aiS mabrfcbetulicb ift, bavon mtrb jeber, ber £>em*
lingS ©emälbe mit betten von 3<>b«nn »<*n S«
vergleichen ©elegenbett batte, fogleicb bttrd) ben
Augettfcbetn überzeugt.
Der gelehrte Jacopo Moretto, Auffebet'ber
Bibliothek St, Marco $u SÖenebtg, gab im 3«hr
1800 baS Xagebud) eineS anonymen Netfenben auS
bem feebjehnten Sahrhunbert heraus, unter bem
Xitel: Notizia d' opere di disegno della prima
123
meta del Secolo XVI esistenti in Padova, Cre-
mona , Milano, Pavia, Bergamo, Crema e Ve-
nezia. Scritta da un anonimo di quel tempo,
publicata e illustrata da Jacopo Morello. IDÌefer
Sietfenbe erwähnt mehrerer trefflidjer ©emälbe
eine« ultramentanifcben Äiinftier« , bie er t'n
Ipabua unti Venebtg gefehen, unb ben er Memeltno
ober Memeltngo nennt, ©aß htemtt fein anbrer
al« |)emltng gemeint fet)n fann, leibet feinen
3metfel ·, benn felbft ftarl wen Manber nannte tl)n
SOZemmeltncf, inbern fetn att bie nieberlaubifd)e
Sprache gewöhnte« Ohr/ fowobl ben Anfang«?
bucbftaben al« ben legten feine« tarnen« »erwedji
feite. Sine« btefer ©ernalbe, welche ber Dietfenbe
alle näher befd)reibt, trug bie 3«l)rjahl 1470, ein
anbere«, unb jwar ba« Porträt Sfabcllen« ödu
Portugal, war fetner 3lu«fage nach mit ber Sahrjahl
1450 bejeidjnet. Dtefe« wäre bentt freiltdj ba«
ältefte »Dn biefem Meifter, ba« wir fernten, unb
fein Däfern wäre ein wichtiger (Srunb gegen bie
fenft wahrfd^einliche 93ermuthttng, welche fein (Se*
burtöja&r auf 1439 befttmmt, wenn ftch hier nicht
124
eine abermalige Vermecbfelung bef im fünfzehnten
Sabrbunbert üblichen 3cicbenö A für fteben, mit
ber römtfcbett V oermutben ließe, fo baß matt 1450
fhtt 1470 laf, meldje 3a£)rgai)I mit atiem Übrigen
maß mir von £)emlittg miffett, vollkommen übereilt?
fHmmt.
Dtefe (Semälbe finb mabrfcbeinlicb alte längft
untergegangen / menigftenf ntd)tmebr an ben Orten
guftnben, mo jener Netfenbe vor mebr alf jwet?
bunbert Streit fte antraf. !DDcb auf tbrern einftt?
geit nid)t gu bejmetfelrtben S5afet)n, auf ben Äbtt?
h'djf'eiteu mit beit antiken ^ferben bef SOiarfuf?
plafjef von Venebig, auf ben Abbtlbuttgeit bef
Koltfäuntf unb aubrcriDmifcben Altertümer, melcbe
mir tu $emlingf fpatern Arbeiten antreffen, gebt
menigftenf bte böcbfte Stöabrfcbeiultdbfcit beroor,
baß er t'it feiner Sugenb Stallen gefeb'en babe, mo
freilief) bamalf felbft Diapb«elf 2el;rer, ^ietro ^5eru?
gtno, mobl faunt geboren mar.
Vielleidjt ftanb £>emltng mit Antonetto t'tt Ver?
biubung, beffen Befamttfdjaft er in Brügge gemacht
baben mußte, uitb kehrte nacb einem Bcfucbe bei
125
ihm wieber nach Brügge jurütf, wo er nad) täugft
überftanbneu Sehrjahren , jünftig nttb anfäfftg
war. iföenigftenS fpricbt ber Umftanb für biefe
Vermutbung, baß MorelloS anonymer $etfenbe
£)emlingS Arbeiten nur in Venebtg unb spabua
antraf, unb fonft in feiner italienifcben ©tabt.
Die Miniaturmalerei, btefer jetjt fo fehr ver--
nacbiafftgte unb gefunfene 3wetg ^unft, ftanb
bamalS fo hoch, baß fetbft Meifter wie Pentling ihn
nicht »erfchmähen burften; ber anonyme 9ieifenbe
liefert unS einen Beweis bauen in ber Befchrcibuitg
eine« feftbaren lateintfdjen MauufcrtptS, welche«
ned) gegenwärtig in Venebig aufbewahrt wirb,
©o wie wir beu prunkvollen ©otteSbienft ber fatho?
lifcben fttrdje überhaupt als beu Duell ber ©rhal#
tung moberner ftunft anjufehen haben, fo verbanfte
bamalS befonberS bte Miniaturmalerei uuenblich viel
bent SuruS unb ber *prad)t, welche in jenen 3e«ten
dürften unb vornehme ©etftlicbe mit ihren ©ebet*
bücbem trieben. Mehrere bebeutenbe Meifter
vereinten ftch gewöhnlich um einige Blätter ^Jerga?
meut burch ihre ftunft ju einem unfdjäfcbareu Äleinob
s
126
gu erhebe«, unb ein folcheS Buch ging bernacb »tele
©enerationen binbureb , in gürftenbäufern unb
Älöftern alf ein föftltcber ©cha£ 0051 einem Erben
auf ben anbern. Eine furge ©efebtebte be§ ©ebet*
bu^ö/ »Ort bem eben bte Nebe tft, mag bier gunt
Belege ba»on bienen. üüiorelloö anonymer Netfenbe
fanb e3 im Befl|j bei Starbinal ©rimano, ber e3
con einem ©ictltaner, Meiser Antonio, für bte
barnalé febr beträchtliche ©nmme »on fünfbuttbert
3ecbinett erfauft batte. Bei feinem Ableben hinter*
lief} berKarbtital biefeS Buch feinem Neffen, Ma=
rtno, Patriarchen »on Aqutleja, boch mit ber Be*
binguttg, baß e§ nach bejfen Xobe beni ©taate
gufalten unb in ber ©chaßfammer aufbewahrt
werben folle. Martnoè Nachfolger, ber patriarci)
©to»anni ©rimalbt, erhielt tnbeffen »on ber ©ig*
noria bte Erlaubniß, eö ebenfalls 3eitleben3 be*
halten gu bürfen, unb übergab eö erft furg »or
feinem Xobe bem ©taat ttt einem befonberé bagu
»erfertigten, mit Ebelfteinen unb ©emmen reich
»ergterten Ääftdhen »on Ebenholg. Sange warb
baranf baé Buch tn ber Bibliothek ©t. Marco mit
127
großer (Sorgfalt bewahrt, bod) fam e$ fpäter in
bett 5?trd)enfcba§ von St Marco, wo eê ftd) nod)
beftnbet, aber letber nicht mebr ganj unbeföä«
bigt erhalten. £>enno<h weiß Moretto fclbft nocb
je£t faurn 2Borte für beffen gracht unb |)crrlicbfeit
ju ftnben.
iDtefeê Buch ift in fletn F»lto auf bem feinften
Pergament gefcbrieben. Sitte große Budjjtaben
beffelben flnb mehr ober weniger mit ©olb unb
fletnen Ftgürdjett oerjiert, alle 9tänbcr bcr Seiten,
ber Sange uacb, mit munberfdjonen Slrabeéfen,
Blumengewinbcn, Früchten, 93ögeln unb ähnlichen
©egenftänbcn. (Sinjelne Blätter, welche bie 5lb«
i
fcbnitte bejeichnen, flub ganj mit Darftettungen
auö ber Segenbe ber |)eiligen in ber feinften Minia*
tur angefüllt, auf anbcrn flnb bie jwölf Monate
abgebilbet, unter benen ber Februar alê »orjügltch
fd)ön bewunbert wirb. Sanbfchaften unb ©cbaube,
auch bte ©eftalten fetbft tragen augenfcheinlich ba§ -
©epräge beö Flammänbiftben Sfiationai- ©haracfteré,
unb ber SluSbrucf, bte Stompofltion, bie richtige
3eid)iiung bcr fleinen i?tflorifcijen ©emälbe flnb in
128
btefcm feijr verjüngten Maafjftab nur um fo bewun*
bernSwertber. Nach bem Beruhte beS anonymen
Netftnben beftnbeit ftch in btefem Buch einbunbert
fünf uub jmanjtg Miniaturen »Du@trarbD ba@uant,
mabrfcbeiniicb ©erbarb »an ber Metre, einem mit
Reinting gleichzeitig lebenben »orzügltcben Maler auS
@ent; ein bnnbert fünf unb jmanjtg aitbre ©e?
mälbe ftnb »on einem Maler, ben ber Ncifenbe
ßiettino b'An»erfa nennt, mit bem eigentlich wohl
£te»er be 2Bitt auf @ent>,! ober auch £>ugo »du
Antwerpen gemeint ift, unb mehrere fmb »on
3uan Memelin, Johann Memeling, bereu
aber, mabrfcbeiniicb megen einer Unbeutlichfeit im
Manufcript, in MorelloS Aufgabe biefef tage*
buchf nur mit fünften auf gebrückt ift.
Ein anberef, biefem völlig ähnliches, lateini*
fchef ©ebetburf), »on ungefähr · einbunbert unb
ftebenjig Blätter in SÜnart, beftnbet ftch in ber
fchöiten unb merfmürbt'gen ©emälbe* (Sammlung bef
#errn ^aftorf gecbem t'n Köln. ES warb ju Eitbe
beS fünfzehnten 3<*hrbwnbertS ebenfalls auf ^erga*
ment geschrieben, uub flammt, mte ber Beft^er
m
beffelben mit hoher <sf)vfei)etnitd)fe11 »ermuthet,
auS bern 9fiad)laffe Katharinens von Meßtet«, meldte
fid) jule^t tit $öltt aufhielt. 3n biefem Buche ftnb
*tid)t nur ade große AnfangSbud)ftaben, fonbern
aud) bte 3mtfd)cnräume ber abgefegten 3eilen ÖWf
baS allerjierltdjfte mit ©olb unb Farben ausgemalt;
ben äußern 9ianb jeber Seite fdjmücft ein »tereefu
geS $elb, fo lang al« bte gefcbrtebne Äolonne unb
etroa ein Drittel fo 'breit. biefem Selbe ftnb
auf mattem ©olbgruttb in glänjeuöen Farben
mancherlei Blumen , Vögel, ^rüdtjte unb Ära*
beSfen höcbft jierltd) gemalt. Die Anfänge ber
Kapitel unb ©ebete ftnb mit großen btftorifcben
©emälbctt gefebmürft, 51t melcben Die btbltfcbe ©e*
fdf)tcf)te nnb bte ßegenben ber ^eiligen beit Stoff
boten. Dieicbtbum ber (irftnbttng, ^Babrbett unb
Anmutb ber Anorbnuttg, ber Bebanblung Der ©e?
mäuber unb ßanbfcbaften geben allen btefett im
©etfte unb Stpl Pentlings ausgeführten Miniaturen
einen hoben 233ertb. Aber bte 9iamen ber Met'fTer,
meldje mit thm ju biefem 2ßerfe ftcb vereinten,
flnb eben fo ferner auSjumitteln, als cS ftcb be*
9
-ocr page 135-130
fttmmen läßt, weiche Blätter auSfcblteßenb von
feiner £>anb ftd) unter ben vielen behüben mögen.
Nur einem biefer ©emälbe, ber Krone von allen,
bat er unverkennbar ben Stempel feinef ©entuö
aufgebrückt, unb jwar einer Darfteilung beö ^ftngft?
fefteö. i)änbe unb ©ewänber ftnb auf btefem
Btlbcben vorjitgltd) fcbön. Die Köpfdjen alle, un?
erachtet beS kleinen NaumeS, voll @eift unb 3lus?
brück, unb einige ber Slpoftel gleichen auffallenb
benen auf einer Darfteilung be$ nämlichen (Segen?
ftanbeä in ber Boiffercefdjen Sammlung, weldje
jeboch in ber Slnorbnung von biefer völlig abweicht.
3n einem altbeutfch versierten Betfaal mit Kandel
unb Betftüblen fleht man auf btefem Bübchen bie
Apoftel verfammelt. Die Xaube fd)webt mitten
tut Saat; Maria, 3obamte§, unb noch gwet 3lpo?
ftet knteett tut QSorgrunbe vor einem kleinen ^ult,
tu einem Betftubl jur Seite bret anbre Apoftet,
unb biefett gegenüber auf ber aitbern Seite nod)
einer. 3m |)intergrunbe unter ber Kantet fUtb
noch jwet Apoftet, ein brttter, ber ftdf? verfpftete,
kommt eben erjt bie Xreppe herab; in ber geöffneten
131
Xbüre, weiche bett Blut tu« $rete gewährt, flehen
nod) einige jünger, unb alle« bteß tfl tn bem be?
fdbränften 9£aume eine« fletnen Pergament s Blatt*
djeu« höd)fl »oöenbet, wahr unb au«brucf§ooll Dar*
geflellt.
Ob Pentling tn 5Tötn felbfl jum ©djmucf
btefe« felttten Budjc« beitrug, (aßt ftcb nid)t mit
©ewtßbett behaupten, wohl aber-gebt au« fernen
anbern Söerfen beroor, baß er in jener ebrwürbtgett
(Stabt, ber 2Ötege unD beut @t£ altbeutfdjer Kunfl,
ftcb 'ange aufhielt unb SSßtlhelm« »on Köln 95?et*
flerwerfe für feine ftunft fleißig benu^te. Ueber*
baupt muß er geraume 3^it an ben Ufern be«
Sihettte« oerwetlt haben; bte treffenben Abbtlbun*
gen »ott Streben, itlöftern uttb alten ©ebäuben
au« Köln, bie wir in feinen SfÖerfen antreffen , be*
weifen bteß eben fowobl/ al« fetne otelcn ßanbfdjaf*
ten, in welchen man bie Ufer be« Dibetnö burchau«
wteber erkennt. 2luch bte Urbilber gu bett (BeftaU
ten auf bem großen 2öcrf, tn welchem er ba«
geben ber heiligen Urfula bilbltch barftellte, unb
welche« tn btefen Blättern fpäterhttt au«führlich
g *
-ocr page 137-132
erwähnt werben foll, flnb augenfcheinltch weber
in Stalten nod) ttt glaubern / wohl aber noch K1?t
an ben Ufern beS NhetneS etnheimtfd) jn ftttben.
|)emltngö Ceben fiel in eine trübe, wtlbe 3eit/
voller ©trett, 3wtetracht uttb Unheil aller 9lrt, nttb
aud) er fonnte ihrer fürdjterlichen Einwirkung nicht
entgehen. Söahrfch einlief) 50g er, im (Befolge Karls
beS Kühnen, alö Maler mit ttt baö gelb gegen
bie ©chwet'jer. Sohanneö von Müller gtbt uttö tn
fetner @efd)td)te ber ©chweij eine 33efd)rcibuug ber
faft unglaublichen spracht unb <£)errltd)fett ber 3»'
rüfluttgen jeneS gürflcit ju btefern Kriege, jufolge
welker ber größte Xheil fetneS |)ofeS unb feine
ganje IDtenerfchaft ben Herzog bamalS begleiten
mußte, ©ewtß befanbett ftch mehrere Maler barunter,
beun ftc burften in jener 3ei* in feiner Hofhaltung
großer Herren fehlen. Unb waS wäre betttt wohl
natürlicher anzunehmen, als baß ber pradjtlt'ebenbe
gürft ben in feiner £auptftabt anfäßtgen, uad) bem
Xobe Johann »an EmfS, größten Meifter in allen
Oberbeutfchen unb Nieberbeutfchen Sänbern, für
feinen Dteuft ju gewinnen wußte ? Vieiletdjt fudjte
133
$>emltng, «té Krteger gefleibet, nach ber $lud)t
bei ©raufen ober Murten bie $ctmatb mteber
auf, vielleicht tbat er auch mirkltd) ftriegètuenfte,
naebbem er bte iftteberlage fetneS $ürften gefehen,
«nb fiel) erft nad) ber unglücklichen <5cf)tad)t bte im
Sabr 1477 am fed)ften Januar bei SKancp gefdjlagen
warb, t'n 9iotb unb Ungemadj mitten im b«rteften
SBtnter nach &aufe. ©ewtß t'ft eé, baß um btefe
3ett von Damm au§ ein Krteger, krank unb ent*
ftellt, in äymltcbc Sumpen gehüllt, bureb bte Xbore
von Brügge beretnwantte unb baö Mitleib ber
Bürger tu Anfpruch nahm, bie in t'bm t'bren ehema*
iigen Mitbürger unb 3unftgenoffen erkannten. (Sie
führten ben Armen in ba« »du bem (Stifter $u
folgern Bebufe errichtete ^obanuté -£>ofpitaL Dort
marb er verpflegt unb geheilt; ber ©enefene ergriff
«pinfel unb palette, um baè $au§, baé ihn aufge*
nDmmen hatte, jum Bewet'fe fetner Dankbarkeit
mit fetner Arbeit ju fd)mückeit, unb mit frohem
©rftaunen erkannte man je§t in ihm ben großen
Pentling wteber.
BewunbernSwertbe ©ebilbe gingen von nun
-ocr page 139-m
an tit btefcrn feinem SfBebnort unter be§ Met'fterf
fdjöpfenfcben £>änben hervor. Viele bavott ftnb
in ber golge ber 3eiten jerftreut, verloren, unter?
gegangen, bod) Vteleö warb aueb bort erhalten.
3(»ffer bem Bilbe ber ©tbpffe 3<*mbetb, meld^eö
ber faum vom Krankenlager Evflanbne mit noch
fcbwacber $anb matte, bewahrt baS ^ohaumS*.
£>Dfpttal noeb gwet feiner größten, ijerritdjftert
Sföerfe. DaS erfte von biefen ift eineö ber mit
ber Sabrjaht 1479 bezeichneten unb befielt auf
einem SDcittetbilbe unb gwet glügeln. Daß £>aupt?
gemälbe ftettt bte heiligen Könige gu beu güßen beö
neugebornen £>etlanbe3 bar; bte gange Anorbuuug
beifelben erinnert uumiberjtcblicb an SOietfter 2Bit?
belrnS von Köln berühmte Abbtlbuttg btefeö an
lieblichen Kontrajten überreichen ©egenjtanbeö, ben
bte alten SDietfter ber beutfehen ©cbule fo oft unb
gern mit vorzüglicher Siebe unb unermüblicbem
gleiße fleh erwählten. Der burd) bobeß Alter
ebrwürbigite König füßt, hingefunfen in Demutb
unb Anbacbt, baf güßeben beö Ktnbeö; neben
ihm fnteet ber zweite König mit feinen reteben
135
©aben; ber,brttte frebt tn bewunbernbem Anfcbauen
verloren, Gittter ber 3«f'bauer/ in einiger (int*
fernung, mit ber Mü§e auf bem Raupte, meldbe
fonfr bte ©enefenben in btefem f)efpttale trugen,
ifr, nach einer in bemfelben bt« auf unfre 3^tten
bemabrten Xrabttton, ba« fdjon ermähnte Porträt
be« Maler« felbfr, fo wie ber neben ihm frebenbe
£>emltng« Freunb / t,cr fttofrerbruber Floren« von
Dtyfr, melcber ihm ju btefem ©emälbe bie erfre
Sßeranlaffung gab.
Stuf bem erfreu ber ju btefem 23tlbe gebörenben
©ettengemälbe beten (jngel ben neugebornen
i)eitanb an; auf bent jweiten tfr bte Darfrellung
beffetben tm Xentpel abgebtlbet; tn hoher 2Bürbe
freht bie göttliche Mutter am Altar, neben ihr bie
heilige Amta unb ber böchft fräftig unb ebet gehaltne
i)obepriefrer. Kenner, metche ©elegenbett hatten
bte größten Metfrerwerfe ttaliänifcher Kunfr ju
bcmun&ern, rechnen bennoch biefe au« fünf ^er*
fönen befrehenbe @ruppe ju bem Atfervortreffltcbfren,
ma« je ber chrifrticben (fpocbe ber Kunfr fetne &t\U
frehuug verbanfte. Auf ber Auffenfeite eine« ber
136
glttgelbtlber ift 3oi)att«ef ber taufer, baS Samm
int'Arm, abgebtlbet, Auf ber gmeiten ctite i>Dd>fi
liebliche Veronika; fie l>ält baß munberbare tud)
mit bem Abbrucf beö ebleit AntUgeS beß ErlöferS.
DaS Zmeite ©emälbe im Sobaunt'S * Hofpttal,
mit ber nämlichen 3<>br$abl mte ba§ »ortge
bezeichnet , tjt eine ber größten KompoftttDiien
$emltug6. ES beftebt tn fünf tafeln, »du benen
bte mittlere bie Vermahlung ber tltgen Katbarina
vorjtcllt. Die gange Anorbnung ber Hauptgruppe
auf biefer tafel gehört augenfcbetnltcb ber bpjani
tinifdben ©djule an. Maria mit bem Kinbe ft£t tu
ber Mitte auf einem »ouSäuten getragenen throne,
beifen Verzierungen biß au beit obem üftattb beS
©emälbeS emporiteigen. 3mei Heine Engel w
grünen ©emänbern tragen ihre Krone. NecbtS
bem throne fleht bte beiltge Katharina, neben
biefer ein Engel tn 3üngltugö?©eftalt, mit einem
reichen Ehorgemattbe betleibet, fo mte aud) Sobann
»an E»)ck biefe S3emohner beö ^tmmelö abjubtlben
pflegte; neben bem Engel, ganj im Vorgrunbe,
fleht Sohaunef ber taufet*.. ßtntS neben bem
137
trotte fleht et» gwetter (£ngcl, neben btefent bie
heilige Barbara, unb ganj vorn Sobanne« ber
Givangelifl. Cetebe Stoffe, ©Dlb, perlen, @bel*
fleitte febmitefen in einer nur bureb Sobann »an
Gn)cf übertroffenen ^raebt bie ^eiligen unb Grngel auf
bt'efem berrlicben Btltie.
Die Säulen am throne geben ju betben
Seiten beffelbett in einer Äolonabe au«, bereu
offne 3wifcbenräume freie 2Xu§firf)t auf eine vetcfje
Sanbfcbaft gewähren. 3n fdjönen SBtnbuugen
fd)längelt fieb bort ber 3orban burdb grüne Oeftlbe,
ferne Berge begränjen bie ©egettb, Seifen, Bäume
unb febone ©ebäube, unter betten ba$ Kolltfäum
bemerkbar wirb, verleiben ihr mannigfaltigen
Sdjmuct Die nämliche ßanbfcbaft gebt aud) auf
%
bie Seitengemälbe über, welche fie auf tiefe 5ßetfe
mit bem Mittelbtlbe ju einem großen (Battjen »er*
btnbet.
3n biefer ßanbfcbaft ließ nun |)emltng feinen *
iibcrretdjen @etfl tu ungebunbuer Sißführltchfeit
frei walten. Saff unjähltge , jurn Xhetl ganj
flehte Figuren beleben fte, bereu einzelne hemmt*
144
bernfwertbe ©rttppen gufammen etit eptfcbef ©ebidjt
btlbltd) barftellen. Der Naum gut Neckten bef
Xbronf tft beut ßebeit Sobannef bef Xäuferf
gemeint , meldjer auf btefer Seite, wte oben
erwähnt warb , im Vorgrunb ber £>auptgruppe
fleht.
©ang oben, faft am Nanbe ber Mitteltafel, jur
redeten «Seite hin, liegt ber £>etltge tm ©ebete cor
@ott; etwaf tiefer fiet)t man ihn alö ^rebiger in
ber ©üfte, »om flarften £>tmmelöltd)t beleuchtet/
auf einem greifen flehen, uttb oor ihm mehrere treff*
lieh grupptrte 3"hörer. Noch tiefer führt tbtt ein
römtfdjer Krieger nad) ber rechten Setteutafel jum
!£obe, unb nur gmei fetner 3nborer folgen ihm, eon
Mitletb bewogen, ein ©reif uttb ein Mann mitt*
lern 2llterf. ©egett bte Mitte bef 53tlbef,-immer
nod) auf ber Mitteltafel, liegt ber enthauptete ßeieb*
natn bef ^eiligen auf einem brenttenben Sdjeiter?
haufeit, unb ein Krieger auf einem metfjett ^ferbe
treibt bie Manner an, welche baf geuer fchüren.
3egt gebt bte Hanblung auf bie gur red)ten
#anb ftch aufdjliepenbe Settentafel über; ber blu*
139
tenbe Körper be« ^eiligen Hegt im Vergruube auf
ber (£tbe, unb neben ihm (lebt bie fd)öne, reid)
gefd)mücfte Xod)ter be« König« Aerobe«. ©d)au*
bernb, erbletcbenb, mit gefenftem 93licf empfängt
fie ba« $aupt be« ©emorbeten, beffen ebte 3üge
felbft fterbenb nod) ben Sluöbrudf ber erhabensten
9lube bernährten. Mehr feitmärt« ftcbt man bie
nämlichen beiben Männer, in ©cbmerg »erfunfen,
meld)e früher ben ^eiligen auf bem 2Bege gum
tobe begleitetem
Über btefer |)auptgruppe be« ©ettengemälbe«
erblickt man im Mtttelgrunbe ber ßanbfdjaft ben
«pallaft be« König« Aerobe« unb groet gu foldjem
gebörenbe terraffenarttg fleh übcret'nanber erbebenbe
£>öfe. iBerfdjtebne au« mehreren ^erfonen hefte»
benbe ©ruppen fd)einen fid) in tiefen &öfen über
bie eben »orgegangne |)inrid)tung be« -^eiligen gu
unterhalten 3 etn Ktnb befinbet ftd) mitten unter
ibnen, melcbe« »on einem ^ferbe herab berfelben
»du bort au« gugefehen gu haben fcbeint. Sinei) ba«
3itnere be« ^allafte« tft unfern Blicken aufgethan}
in einer offnen &alle flgt Aerobe« neben feiner blut*
i4o
türftigen ©emaltn f)erobia$ an ber tafel, fettwarti
ein Eher Mnfifanten, nach bereit ©attettfptel bte
junge prtngefftn ihre Eitern burcb anmutbigen Xang
erfreut.
Dte vom Mittelgemälbe auögebettbe herrliche
ganbfcbaft fehltest bett Hitttergruttb unb man erblickt
bort nochmals Den Heiligen/ wie er ben Etlöfer
ber Sfßelt im 3prban tauft; bte kolken tbeüen ftcb
über feinem Haupt uttb ber ewtge Vater blickt
ouS ber Klarbett feiner Himmel auf fbn unb ben
©Dbn herab.
<So wie bte rechte (Seite btefeS SStlbeS ber
©efcbtcbte SobatuteS beS täuferS geweiht tft, fo
tft eS bte Itnfe ber beS Eoangeliften gleiches NamenS,
ber aud) in ber ©ruppe beS VorgrttnbeS auf bt'efer
©eite »Drau fleht. 3eue geigt unS ben klaren
ßebenSgang ettteS heiligen frommen ManneS, in
biefer fcbtmmert ber gebetmntjj»Dlle ©lang höherer
Offenbarung auS bent unbegreiflichen Dunkel ber
Slpokatypfe mipfttfcb ber»er.
3n ber Sanbfchaft auf ber Hawpttafel, gegen
bte Mitte berfelben, erblickt man $ur Sinken ben
141
(£vangeltfîen mit gum ©ebet gefalteten Rauben, in
bem ©efäße voll ftebenben £lé r in melcfyeê er
auf Befehl beê Katferê Domitian geworfen warb,
baê aber jufolge ber Segenbe, ftatt t'hit gu verleben,
ibm mfe ein linbeê erqutcfenbeê Bab bünfte. Fünf
^erfonen, tbeiB genfer, tbet'lö 3ufcbauer/ fteben
um t'bu ber. f)öber hinauf erblickt man einen
Btfd)of im offnen portal einer Ktrdje, wahrfcbettt«
Itcb ber (Svangelift felbft; vor t'bm fnteet etn SReube*
febrter, bte taufe ermartenb j tiefer hinunter jtebfr
ein römtfdber Krieger ben f)etltgen bem ©trom
wo baê Boot feiner harrt, baê, weil ©ewait ibn
nicbt gu tobten vermag, ihn in bte Verbannung
auf bte wi'ifte $elfeninfel spatbmoê tragen foll.
©an$ tm£tntergrunbe laßt ftcb noch ein febr flet'neê
wunberbar* forreft gejetcbneteê $tgürcben erfen*
nen, unb am linfett äußerften Dianbe biefer tafel
tft ba« fd}ön unb FraftvoE gemalte Porträt bei
Donatorê berfelben angebracht.
Die Itnfe ©eitentafel führt unS jur $nfet
«PatbmoS, wo btmmlifcbe ©eftcbte ben Slpoftel jum
Siteberfcbreiben ber Slpofatypfe begeiftern. Sr
142
felbft, gang unten tmVorgtunbe, erliegt faft ber©e?
«jittt beS AugenbiicB unb bem Anfdjauen ber hoben
SButtber, welche feinem entjücften Auge oorfcbme?
ben. DaS böcbfte Erjtaunen feifelt bie eble, fcfjone
©eftalt, baS 2Bort erjtarrt auf ber Sippe uub bie
gehobne £)anb »ermag eS nidjt, bie begonnene ©e*
berbe ju »ollenben. SBunberbare Sufterfdjeiuuugen,
Nebel, S&olken, verbüßen auf ber rechten ©ette
biefer tafel bie Sanbfcbaft, welche nur bem Mittel?
btlbe nahe nod) ftcbtbar bleibt. Ein gebeimitiß?
reicbeö Nunb, auS Sid)t, ©lanj unb wunberfam
verfchlungenen Negenbogen gebtlbet , umgibt ein
weiter KreiS auS Engeln, heiligen flammen, unb
noch einem AöeS abfchlteßenben Regenbogen jufam?
mengefejt· Der ewige Vater, in ber Mitte beS
SidjtkretfeS , auf einem auS Säulen erbauten
throne, hält in ber Sinken baS Scepter; bie
Krone liegt tu feinem ©cboße, auf meldjen baS
Camm ftd) ftü£t. Die gebeimnifmoUen Seucbter ber
Apokatypfe, mit wunberbar gemalten, tn mannig?
faltigen garben glübenbeit flammen flehen vor ihm,
unb neben btefen bie bebeutungSretcben, fechSfadh ge?
143
Äugelten, ©eltalten beö Menden, beS AblerS, be$
©tterö unb beS ßowen, lauter mpftifcbe ©elulbe
ber Apcfalppfe. B^f gefreute Könige in weißen
©ewänbern btlben ju betben ©etten beS XbroneS
einen £>albfret$; bte ©eftalt beö legten unter ihnen
ftebt man nur bureb bie transparenten Farben
beS Diegenbogenö bmbttrebfebimmern. 9iDcb inner*
halb beS KretfeS , boeb am äußerften 3?anbe,
ftebt ein (Engel »er ©ott; ein gmetter, aufferbalb
beffelben-, mit lang berabmallettben ßoefen, im
reiben Meßgewanbe, opfert oor einem Slltar, ben
iffiethraucbfeffel fd)wingenb. Der htmmltfcben (Er*
fdjetnung gut Stufen, näher bem £)auptgemälbe ju,
tritt nun bte Canbfd)aft mieber hervor. Man
erbltcft bort baö Meer, von hoben Reifert umgeben,
beten Bilb, fo mie ber f)immel über bem Meere,
auS ber friftallbeilen ^i(id>c miberfdjeint (Er*
fdjrocfette Menfdjen flüchten hier ängftlid) ju ben
FelSflüften, um ftd) vor bett graufenbaften 2Bun*
bent gu verbergen , bte an btefett Ufern häufen,
bem iumntelplaj ber unerflärlidjften ©eftalten ber
Slpofafypfe, Der ©efrönte auf bem weißen SKoß,
144
ber bett Bogen trägt, baS fcbwarge mit feinem
Netter, ber bte 2öaage in ber £anb hält, ber ©e?
hanttfcbte auf bem rotbeit Nof?, unb enbltdf? ba$
bern flammenben Nabelt etneS 'JQicerungehcuetS ent?
fprttngene fahle Noß , baS bett tob in ber abfcbref*
fenbjten ©eftalt auf feinem Nmfen trägt, tofen
$ter wie fieberhafte traumgeftalten. Haltung unb
©eroaub ber fleinen gtgitrcben, befonberS beS
KönigS, ftnb bewttnbernSwertb, bte fcbönen, äugen?
fcbeinltcb ben fortntbtfcben ju Sßenebig nacbgebilbeten
spferbe athmen unb leben. Die gange mttnberbare
Kompofttton vernichtet burcb ihre VoUfornmeubett
im Einzelnen jeben Säbel, ber fld? gegen baS ©auge
melteicbt mit Necbt erheben Föttttte. Sanft 3afobS
»Ott Kompoftella unb beS heiligen Antonius eble,
ruhige ©eftalten auf bem einen ber gulegt ftcb an?
fcblteßenbett glügelbtlber, fo wie bte fcbönen heiligen
grauen, AgneS unb Klara, auf bemanbew, reihen
flcb, gleidjfam beruhtgettb, bem gewaltigen ßeben
auf ben brei anbern tafeln att, bte, mit tiefen
»ereint, ein etngtgeS grofeS ©emälbe hüben. Der
fcböne fräftige Kopf beS heiligen Antonius, bte
145
fauften lieblichen 3üge bet heiligen Sfiata, fo mie
«Uc figuren auf tiefen munberoolten Xafeht, vont
größten btS gum fleinften, tragen baê ©epräge ber
ebelften Söabrbeit unb beften Voïlenbung. Figuren
»ou alten Dtmcnftoueu, fü ftein baß fte baö unge*
maffnete Auge faum ju entbecfen oermag, btê jur
batben Sebenögröße hinauf, tonnen bet bet ge^
naueften Betrachtung butcb etn Vergrößerungsglas
nur gewinnen, weit butcb baffelbe bie ©roßbeit ber
£)vapperieit, ber AuSbrucf ber Köpfeben tu btefen
oft faum einen 3°^ beben Figuren, erft recht
ftcbtbar m'trb.
Die föntgltcbe Afabemte ju Brügge bewahrt
bte in ihrer beben (Einfachheit höcbft bewunbernä*
merthe Abbtlbung beS heiligen (SbriftopbS, eine*
OegenjtanbeS, ben f)emling ofterS unb ftetS mit
großer Siebe behanbette. ©eftüfct auf ben Baum,
ber biefem liefen * fettigen bekanntlich gunt Stabe
btente, tragt er ben f)errn ber Seit in KtubeS*
geftatt burch bte im Morgenroth glänjenben SfBogen
eine« breiten von hoben Feifenufent umgebnen
©tromS. Oben auf bem Fetfen tinfer £anb ftebt
1U
-ocr page 151-m
ber ben belügen ®brtfbpb gemèbnltcb begieitenbc
Etnfiebler mit feiner Scudate, unten ganz im Vor?
grunbe auf ber einen ©ette ber heilige Beitcbtct,
eine rapbaeltfcbe ©eftalt, auf ber anbern ber heilige
Qjgibiuè, ben burd)bDbrcnDett Pfeil im 2lrm, neben
ihm fein Neb. Die mtlbe treuherzige greunbltdjs
feit im (Beliebte beé bureb bie glitten nur mühfam
unter feiner munberbar fcbmereit Saft fortfebreiten*
benNtefen, baé fttlle gelfenbett beö breiten ©tromS,
bte ©cböttbett ber betben jugenbltcben Heiligen, bie
2öahrbett be§ ©aitgen, gem< breit einen unbefd)reib?
(td) mobltbuenben Einbrucf von 2lbgefd)tebenheii
unb frommer Nube. Beibe zu btefern ©emälbe ge«
börenbe glügelbilber zeigen bie BtlDntffe beé Dona*
torö unb feiner gamtlte. Den Vater unb feine
©öbne begleitet als ihr ©d)u§patron ber heilige
SÖtlbelm, glänzenb gemapnet im prächtigem |)arutfcb,
ein Ärteger ©ottef. Neben ber Mutter unb ihren
Siebtem fteht freunbltd) unb aumutbtg bte heilige
Barbara. Etite munberfeböne, vom Mittelbtlbe
aufgehenbe Saubfdjaft bilbet aud) bter ben Hinter*
jjrunb, grün Mnb frtfd; mie bie Natur felbft; bie
147
©ebäube, bte Vegetation, bte Seifen, alle« erin*
nert hiev auf ba« lebbaftefte an bte fd)Dticn Ufer
be« D^betn«. 3Db<*»tne« ber Xäufer uttb ber (Erj*
enge! Michael flnb grau in grau auf ber 3lußenfette
tiefer tafeln gemalt, uttb megen ber eblen Kor?
reftbeit ber 3etcbttuug be« beben Metfter« auf
alle 2öetfe mürbtg.
(£tn anbete« Meifterwerf Pentling« teffnbei
ftd) unbegreifltcljer Seife tn Brügge felbft in
einem gerftücfclten 3wilattbe, tnbem bie Slfabernte
bte betben ju bentfelben geborenten ©eitentafeln
bewahrt, mäbrenb ba« Mittelbtlb im »JKatbbaufe
aufgehellt ift. Der ©egenftanb beffelben tft bte
Xaufe be« i)etlanb«. 3ltt bem ßbriftu« im Vor*
grunbe »ermißt- man jmar bett 5lu«brucf erbabiter
©öttlicbfett, ben £>emltng auf aubern ©emälben
glücklicher aufjufajfen wußte; bte eble »out ©efübl
feine« beben Beruf« begetfterte ©eftalt Sobanne«
be« Xäufer« ift weit gelungner, wunberfd)ön aber
ein febr reich befletbeter (Engel mit lang berabflte«
ßenbem blonben $aar, ber mäbrenb ber heiligen '
ijaublung am Ufer be« S^rbatt« bte einfadjen
148
mänber beö £etlanbfl bemacbt, Die fcfyone £anb*
febaft, welche ben £>intergrunb btefer -f)aupttafct
biltet, erftreeft fldf> aud) bier, wie wir ef bei btefem
öfteifter öfter ftttben, burd) beibe giügelbilber,
ttnb Pentling bat aud) tiefe ju bewunbernfwertb
gruppirten, fletnen epifobenartigen Darfteltungen
benu^t. Sinff gegen bie Hauptgruppe tritt Ebrtfluf
auf ben mit grünen Nafen bebeeften gelfeit auf
beut ©chatte« feböner mit Epbeü retcb umgogner
Bäume beröor. Stnnettb lenft er feine Sdjrttte
ber Süfte ju, mo bie Stimme fettteS ^ugettbfreuni
bef erfdjallt, mer feiner jünger folgen ibm tit ebr*
furcbtf&oller Entfernung. Nedjtf auf ber ttäm?
lieben Xafel oerfünbet 3ob«nnef ber Xäufer, alf
fprebiger in ber SBi'ifte, auf einem moefbebeeften
getfenftücf ft§enb, bte Anfunft bef Herrn. Nenn*
gebit 3llbörer jebef @efd)leebtf unb Alterf fammein
fld) um ibn unb bett gelfen, nod) »ier anbere naben
jmtfeben ben Bäumen. Alle tiefe »etfebiebnen
fleinen gtgüreben flnb mit unnennbarer 90?anntcbfal*
tigfeit, mit Sabrbett unb Aufbrutf gebac^t, ju*
fammengefteöt unb aufgeführt»
149
Die Fortfefcung ber fcbonen reichen Sanbfc^oft
be« MittelbtlteS füllt ben |)intergrunb ber betbe«
I« biefem ©emälbe geborenben Flügelbtlber, meldbe
man letber, rnte fcbon ermähnt marb, tn einem gan$
anbern ßofal anffudben muß. Auf bem erflett ber*
felben fnieet ber Donator unb er bebt bie fcbön ge»
formten |)änbe jum frommen ©ebet. (£r trägt
ein fcbmarjfamtneö mit ^eljmerf aufgefd)lagtte4
ftletb unb fdjöneö braune« $aar umgibt bie angeneb·
men 3"ge be« biebem ©ejlcbt«; feiner ber berübnt*
tejten fpätew Siiteberiänber bat in Anmutb unb
SBabrbeit btefe« fo »ollenbete^nb babei fo lebeitbtge
Porträt übertreffen. Sieben bem Betenben ftebt
beffen ©cbu^betitger, ber (Eoangeltfl Sobanne«,
himmiifcbe @üte in bem ftbönen geiflreidben ©ejtdbt*
©etn meißer Mantel fällt »on ber fechten jur
ßinfen in herrlichen Falten über ba« graue (Semanb,
fein f)aar fließt tn fdbönen Cocfen t'bm über bie
Schultern bin. (Sanj im -f>tntergrunbe ber ßanb»
fdbaft fleht man nodb ein gang fleine« Figürcben bem
^rebxger in ber Süfle auf bem Mittelbilbe juetlen.
Auf bem jmeiten Flügelbtlbe fnieet im 9Öor»
-ocr page 155-150
gruttbe bte ©atttn jettcS MamteS, eine flotte gra»
mittlem SllterSj fie betet auf einem Budje, meldjef
mit täufdjenber Sabrbett auö ber Xafel hervortritt, ·
Sßter gang junge Mäbchen, ihre Söttet, ftnb im
lieblichen Kreife um fte »erfammlet, anbäcbttg betenb
mte fie, in ftnb lieh er Einfalt, Eltfabetb, bte
©cbu^betltge ber frommen ©ruppe, biteft freunbltcb
/
auf fte bi»t/ eine Krone fcbmücft baö Hanpt ber
Heiltgettj eine gmette rubt auf bem Buche, meldjeS
fte itt ber Hanfe trägt.
Betbe glitgelbtlber brebeu fleh auf 5lngeltt,
nnb bte Nücffette berfelbett bietet eine melletd)t noch
ongtebenbere Darftellung. £)urd) bie großen Bogen
einer offnen HaUe titelt man auf ber erften Safel
in ben einen Halbkreis bilbenbett H^f etneS mit
©äulen gefdjmürften pallafteö, über melcben noch
bobere ©ebäube gu ben Sölten emporfteigen, 3«
ber Halle fnteet eine grau neben einem gang jungen
50?äbcben, bod> febeineu beibe burd) baS Aufbauen
trgenb eineö äußern ©egenftanbeö vom ©ebete ab*
gegogem Saö Ktnb befonberö tjT ftcbtbar gerftreut,
unb in fernem ©emütb gleicbfam mtber Stilen nach
151
ttußen gemenbet. hinter ben Betenb.en ftef)t ihre
©cbu^betitge, Magbaleua, tn bev |)anb baö ©ai«
bengefäß, einen Xurban, unb eine ©ttrnbtnbe »on
perlen gum Kopffcbmucf. 3hr fcböneS <55efid>t geigt
eine Slbulidbfeit mit O^apbaelö Eiliger Säctlte, bie
eb«e ben gefenften Bltcf ber Magbalena nod)
auffaftenber erfebeinen würbe. £>a3 ©egenftüdf
gu btefer lafel geigt unS tn ber heiligen 3ung*
flau bie l)immlifd)e (Jrfcbetnung, meldje bort bte
Slufmerffamfett ber Mutter unb tbrer Xecbter fo
uumtberfteblicb rege mad)t. Sie beilige Jungfrau
Maria ft£t neben einem Bette mit grünen Vors
bangen, fte trägt ein rotbe« ©emanb, über meldjei
bie langen blcnben aufgelösten $led)ten in f'leinen
Sellen retcb unb fetben herabfliegen, unb hält,
recht mütterlid) fergfam, ba3 liebliche Äinb auf
ibrem ©djoefje beim red;ten Ärmcben feft, mäbrenb
biefeS mit ber linf'en f)cnb ben Betenben auf ber
anbern Xafel eine Xraube entgegen reicht. Pentling
felbft bat nicht« Aumutbtgere« unb VoltenbetereS
gemalt, al« tiefen alierltebften ©egenftanb, bie
bolbe jungfräuliche Mutter unb btefeö Äinb mit bem
158
Köpfte« »oft retcber Socken unb bem lebenbtgen
Auöbruck btmmiifcber @üte.
3« ber ©t. ©al»ater3--Ktrcbe gu Brügge befttv
bet ftd) ein (Semälbe Hemltitgö / befielt graufeit»
bafter ©egenjtanb mit beit meiften feiner bekannten
SfBevfe, befenberf mit bem oben befebriebnen, ge»
maltfam fentraftirt. @emtß mar er nid)t be8
Meijterf freie 5öabl, unb bte Art, mte er ben
mibermartigen ©toff nttlbernb gu bebanbeln mußte,
tjt ein neuer Bemetö ber tbm tnmobneuben poefte,
welche aud) bem Emporenbften eine »erfd)önerte
©eite abgugemtnuen mußte. Daß ©emalbe ftetlt
bte Marter bef heiligen Hippolyt uuS »er Augen;
3ufolge ber ßegenbe mar biefer Heilige ein römi*
feber Krieger, ber gur 3ett bef Katferö Valert'an
Od) gunt ßbriftentbum betebrte unb »on btefem
furd)tbaren Verfolger beffelbett »erurtbeilt marb,
lebenbtg »oit Pferbeit gerrtffen gu merben. Hemling
bat gart uitb fd)Dnenb nur bte Vorbereitung gur
Vottgtebung btefeß graufamett Urtbetlf gemäblt, unb
btefe bot tbm, abgefeben »on bem ©ebanfen an
ben gunäd)(tfoigcnben Augenblick, eine gülle fd)öner
159
malertfdber Kentrafte, irt bcn milb fcbttaubenbert
^ferben, tl)ren nod) mtlberen Treibern, unb bem
^eiligen, ber, ttod) unserle^t, tit frommer 95er
gcifterung unb rubtger Gsrmartung, mit Armen unb
©einen an bte wilben JKoffe gefeffelt, ba liegt
Aud) bet btefeit, fo mie bet benen auf ber QSifton
be« ©oangeliften 3obanne« , fd)einen bie oene«
tiantfcben antifen Dioffe bem Meifter »orgefcbmeb*
ju babcn. An bem alten Gahmen biefeö ©emälbel
beftnbet flcb abermal« bte 3abrjal)l 1479.
(£ineS ber alleranjicbenbften äöerfe -fjemling«
ift ein fleine«, nur au« jmei tafeln beftebcnbeJ
BtlDcben t'm 93erfammluttgSfaal ber jur 93eforgung
ber -£)ofpitäler beftellten Kommtffion. Die erfte
btefer Xafetn jetgt uu« bte beilige 3utt9frau/
bcn blonben Sellen tbre« über bte ©cbulter hinab*
roöenben $aare« umfloffen, in all ihrer bolbfeltgen
Anmutb unb i)errlicbfett. 9ieid) gefcbmiicft, mit
©olb, perlen unb Gfbelfteinen, einen .rotben
Mantel über ein glänjenb blaue« ©emanb, ret'djt
fte freunblid) bem Kinbe auf t'brem ©d)oof? eine»
Apfel. Dtefe« fl$t auf einem Kiffen »on ©olbbrofat
154
mit grünen Blumen, et« ©toff, ben ^>emititg vor*
gugfmeife oft iräülte.
£)aö ©egenftitcf gu btefer tafel, mekbei
gugletcb als Decfel bieut fte gu »erfdjlteßen, jetgf
I4iiö beu frommen ©ttftcr biefeö BÜbef in fntcenber
Anbetung, einen ^uncfer »on Neuenbooen, ber
hier, mte eine $nfd)rift aujr j>cm mtg
im 3<*br 1487 in feinem bret unb groangtgften 3«bre
öbgebtibet marb. -Obgleich man biefe btetdje jugenb«
liebe ©eftalt burdjanf nid)t fd)ön nennen fann, fo
tft eö boeb unmöglich, ffe obne bie tnnigfte tbet'l*
»tabme gu betrachten. AüeS an ibr fpriebt gum
Hergen, biefe ftitte trauer in Haltung unb ©e^
berbe, biefeö erbletcbeuDe ftdjtbare Hinfcbmtuben
in eben erbliibter 3ugettbu_ Die nnau3fpred)ltd)e
SOftlbe etneö frommen ©emütbf leud)tet auf ben
braunen frommen Augen, au§ Haltung unb ©eberbe;
man möd}te ibm helfen, t'bn trollen, aber man
fühlt gugleid) , baß btefern in ©ebnfucht unb
©lauben »ergebenben Jünglinge ber troft nur au$
böbern Negt'oneu zufließen fonnte.
DaS legte ber Meijterwerfe |>anS f)emling$,
-ocr page 160-155
tveicfye bte ©tabt Brügge bewahrt, stfi ber berühmte
ifteltgutenfaften ber heiligen Urfula, im Beft£ ber
Sfiomtett beö 3obaunt«if)ofpttal«. Siefen Kalten,
tu Form einer kleinen Kirche, (einer fogenannten
Baftltfa) fchmüdfen »terjehn größere uub kleinere
SOiiniaturgemälbe beö großen Metfter«, alle in Begug
auf bte @cfchici)te ber ^eiligen, bereu Überrcfte er
aufzubewahren bcjttmmt warb. £>eu Beterinnen
beffelben würbe fd)on öfter in frühern 3eiten ein
ähnlicher üon gebiegnem©t'lber für biefeö Kunjtwcrk
geboten, weldje« bte berübmteftenMaler uub Kunfti
fettner fletöal« ein unübertroffne« Kunftwert bewun*
bernb betrachteten.
211« im 3ahr 1794 bte Franjofen Kirchen uttb
Klofter ber SRteberianbe plünberten, »erbanften bte
Tonnen bejfen Erhaltung nur ihrer Stuf alt, weiche
etit glücklicher 3ufaH Su ihren ©uttften wettbete.
£)e«camp« Befchretbung ber Sftieberlanbe , al4
Führer jtt bett niebcrtänßifcben Kunftwerten, tn ber
£)attb, ermangelten bie frattjöftfchen Kommtffarten
nicht, aud) tn baö fh'tte £etligthum ber frommen
©d)we(tertt ju ftürmen. La Chässe riefen fte, la
162
Châsse ce'lèbre, unb bie «rmen »ernüchterte*
Können »erflcberten lange umfonft, baß fie ga*
«tctjt einmal wüßten, maê man forbere j bte mwer«
fennbare Sßabrbett, melcbe in ihrer Slngft felbft
Betätigung faub, trug inbefien enblt'cb ben ©teg
ba»on ; bie piunberer glaubten fleh »on DeêcampS
trre geleitet unb jogen mit leeren |)anben ab.
ÎKïur erft nacb geraumer 3el* erfuhren bie Nonnen,
baß mit biefer geforberten Châsse nichts mebr unb
nichts mtnber gemeint gemefen fety, als baS Äletnob
t'breS £aufeS / ber Neltgutenfaften ber heiligen ilr*
fula, ben fle in ihrem glaubrifcben PatotS la Ryve
ju nennen gemohnt waren, ein Sfßort, für baS ftc
ben richtigen franjöflfchen AuSbrucf bis bahin nie
gehört hatten.
Sie ßegenbe ber Märtyrer unb ^>etitge« fennt
betnahe feinen an heitern malerifchen Mottfen reich*
baltt'gern ©toff, als bte ©age »Ott ber fchönen bei*
benmüthigen Urfulaunb t'hren ©efäbrttnnen, welche
f)emltng hierzu einer Net'befolge »on Darfteilung et»
fehr glücflidb ju benul^en wußte. Urfula war, wie
bte Segenbe erzählt, bie îocbter eineS Königs, ber
157
ju Anfang be8 brüten Sabrbunbert« eine« ber
fiebcn Cetebe beberrfebte, in welche bamal« ba8 jegt
t'n feiner (Sinbett fo mächtige Sngianb ftdf? gertbeilte.
(£r fowobl al« feine (Semaltn , obgleich »on Reiben
umgeben, hatten fchon früher jum ßbriftentbum fld)
bekannt unb erjogen aud) t'hre Tochter in tiefem
fte beglückenben ©lauben. Fromm unb gläubig
wudjö bie *prtujefftn heran, bt'3 in ihrem fecbjebnten
3ahre ihre fldf) immer herrlicher eutfaltenbe Schön*
heit bie Aufmerkfamkett ber benachbarten heibnifchen
Könige auf fleh 50g unb £etratb3anträge fle »on
allen Seiten ju verfolgen begannen. Dem frommen
Küthe fdjauberte cor einer 23erbinbung, bie fte in
Übung ihrer iKeligtonityflicbten froren konnte; ängft*
itd) um Rettung flebenb maubte fte ftch ju ©ott,
unb eine btmmltfcbe (üirfcbet'nung marb ibr jum Xroft.
Diefe forberte fle auf, in weit entfernte Sättber
$u jiebett, unb bort in frommer (Ergebung Die (SnU
wtckelung ihre« Scbtckfal« ju erwarten. Urfula war
mit Freuben bereit, bern ernften 9fufe unbebingt
Folge gu letfren, unb ihre frommen Sltern, weit
fntfernt, ihr irgenb ein |)inbernif tn ben Seg ju
158
legen, machten fogletch alle Slnflaltett jur Erfüllung
beS göttlichen Befehls. Bäume »ut-beu gefällt,
©cbiffe barauS erbaut, uub ein Aufruf erging an
bie ebelften Jungfrauen beS ßanbeS, um fle jur
Begleitung ber tochter tbreS KönigS wäbrenb ber
gefahrvollen Reife etnjulabett. 3brer fanben fidj
eilftaufenb auS ben angefebenften ©efcbledjtern ein,
alle jung unb lieblid? wte ber Mai, uub uid)t nur
wie bie prinjeffin felbft, »cm glübeubfteit Verlangen
befeelt©ott ju btenen, fonbern aitd) bereit in feinem
Diettft mit ibr bie Märtyrer?Krone ju erringen.
Der fromme Eifer ber Jungfrauen erweckte
äbnlidjeS Empftttbeit tu ber Bruft ber männlichen
^ugettb. Ritter unb Knappen, alle im grübltng
beS CebenS, jogett »Ott allen ©etten berbei, ge*
lobten, heilig unb rein tl)r ßeben unb ihre Saffen
etnjtg bem £)tmmel Su weihen, uub gewannen bamt't
bie Erlaubnis, bie Köuigötocbter unb ihre Jung*
frauen auf ber langen Reife begleiten unb befehlen
ju bitrfen.
Die $fotte war nun bereit, auf welcher bie
Blütbe beö SanbeS unter frommen Siebern ftch ein*
159
fcbtffte; fie überließ ftcfy ohne eigenmacbtfgeS Cenfen
bem $aud)e beS Rimmels, gelangte fo ju er fr an
bte bollänbtfcbe Kttfre, unb fcbwamm bann weiter
ben Dibetn berauf btS Köln, bem bamatigen römifcben
Agttpptttum. Ateranber ©eoeruS berrfcbte bantatS
mit milbem ©inn gegen bie Sbrtfren, unb bte
fromme ©cbaar fanb beSbalb in tiefer römtfd^en
Kolonie eine fo freunblicbe Aufnahme, baß fie ftcf)
am Biete geglaubt trotte , wenn nt'd)t ein jwetteS
tlraumgeftcbt bie ^rinjefftn nach JKom ju ben Füßen
beS heiligen QSaterS gerufen hatte. Site Siitter uttb
Jungfrauen fcbifften ftcb bem 31t $elge abermals
ettt, unb lanbeten bei Bafet, »Ott wo fie ben wetten
b efd) w er Ii d)en ißeg über bie Alpen ju Fuße
traten.
Freubtg empfing fie in S^om ber Sftacbfctger
?petri, — ßtrtafuS nennt ihn bte ßegenbe,— unb
»erfünbete ihnen batb nad) ihrer Anfunft, baß audj
ihn eine unmittelbar 00m f)tmmel gefanbte Offene
1 -
barttttg berufen habe, ber frommen ©d?aar ftd) an*
jufcbließen, unb ftegitriicf an ben9ibetn ju begleiten/
wo ihrer Atter bie Märtyrer? Krone $um£ohHe ihrer
160
grömmtgfeit b<*rre. Abermals matten ftd) Alle auf
ben Seg, ben heiligen Vater tu ibrer Mitte. Die
Aipett mürben mteber erliegen, Bafel erreicht, mo
tbre ©cbtffe fle ermarteten. ©te fdjifften fld) ein,
fte erreichten Köln mteber, bod) Aleranber ©eoerud
mar tubeffen burcb ben Meucbelmörber Marimtatt
gefallen, btefer bcrrfcbte jejt, unb eilte , eon
feinen barbartfcben -f>orbeu begleitet, ber ßbriften«
fdjaar mit tiegermutb entgegen. Unter ben Keulens
fd)lägen, ben ©cbmertern, ben Pfeilen ber Reiben,
auf bem gelbe oon Köln ober aud) tn ben falten
Sellen beö Nbet'nS (tarben Alle freubtg unter Abfln*
gung beiliger pfalmen ben felbft ermäblten tob für
ben ©tauben; bte Ritter, bte 3»ngfr<*uen, ja ber
beilt'ge Vater felbftj bte fd)öne Königstochter burd)»
bohrte ein Pfeil »Ott Maximian felbft gefenbet.
©o erjäblt bte fiegenbe, beren glänjenbfte
Momente i)emling mit acht poetifcbem ©tnn ergriff,
um fte mit geübter £anb auf bem ber f)elbtn berfeU
ben gemet'bten Heiltgtbume in »terjebn ©emalben
barjuftetlen. ©ecbS ber gröpern ftnb, oben bogen?
•rttg abgerunbet, auf ben beiben langen ©eiten bei
161
fivcbcuförmtgen SfoltqutenFaften« angebradjt , auf
jeber Seite breij gwet ähnliche an betben ©tebel*
cnben beffelben, unb ben oben baebförmtg febräg
gufammenlaufenben Decfel fchmücfen feeijö Mebatl*
Ion«, auf jebet Seite etn größere« jmtfeben jwei
Fietncn. Sa« erfte ber ©emälbe tn ber ©efcbtd)tS*
folge, eine« von benen an ber langen Seite beS-
Äaften«, jeigt un« Köln an'ben Ufern be« Dibetne«,
mit feinem Dom unb feinen vielen Stürmen; ein
Sbeil be« febon auögefdjifften ©efolge« nebft vielen
eblen grauen unb Bürgern erwarten am Ufer bte
König«tocbter, welche eben berrlid) gefcbmücft ben
Kabn verlaffen will, ©ine ibrer Jungfrauen trägt
ihr ein Scbmucffäjtcben vor, jwei anbre halten bie
im dachen ft<h auäbreitenbe Schleppe ihre« &erme^
lin^JEftantel«. Alle« iftSeben unb frifche jugenbliche
i) eiterfeit.
©ine« ber bet'ben ©tebelbtlber fehltest fieb hier
ber Segenbe an. (£8 jeigt un« bie ^rtnjefftn üt
ihrem ftitten 3iwmer ju Köln bei nächtlicher 28etle,
Dieben ihr futeet eine ihrer Sungf^»««/ ba« ©eftch*
11
-ocr page 167-162
mit beiben H«"ben »erbergenb; Urfula felbft, halb
aufgerichtet auf ihrem Säger, heftet bett begeifterten
Blick auf bie htmmlifche Erfdjeinung, welche ihr
burch baS meit geöffnete genfter t'breS ©emacbS
entgegen ftrahlt ©te fteht tu bett Sollen beu
heiligen Vater, ihre Jungfrauen, ihre Ritter tm
himmlifdhen ©lang, eine unabfebbare ©cbaar wer?
Härter Heiliger, unb unter allen btefen ihre eigne
©eftalt tu einer Alle überftrahleuben ©lorte, genau
fo, wie bte katbolifcbe&trdje fle ttod) heute als Heilige
»erehrt, mit bem Pfeil tn ber Hattb. Ein anbereS
©eitengemälbe geigt unS bte fromme ©cbaar, wte
fle bei Bafel anlanbet. Überall herrfcht baS frohe,
rege ©efi'tbl beS AuSfdjtjfenS, beS AnkommenS,
beS SettergebenS. Einige Jungfrauen unb Ritter
flehen fcbott gelanbet am Ufer, anbere gehen eben
gum Xhore ber ©taöt ein, nodh anbere erblickt man
bereits jenfett berfelben, ber Aipenfette guetlenb,
welche ben fernen Horizont begrättgt. ^Ddhctufge^
richtet ftebt bie eble ©eftalt ber gürfttn Urfnla tm
Nachen,- fte fdjeint baS AuSfdjiffen mit ihren Blicken
ju leiten, mährenb fowohl in ihrem als in gwei be*
163
nacbbarten Schiffen tijve ©efäbrtinnen, ruhig ba
fl^enb, ben Aufgang erwarten.
Da« uäcbfte ©emälbe, eine« ber »orjüglicbften,
jeigt un« bie jugenblicbe ^Jtigerfchaar in Diorn an?
gelangt. Urfuia nebft einigen ihrer Jungfrauen
fnt'een in Demutb htngefunfen au ben (Stufen be«
Xempel«, auf weichen ber heilige 93ater mit feinem
geiftlichen (befolge berabftetgt, um fle würbig unb
freunblicb ju begrüßen.
Auf bem fünften Btlbe tft ber weite 2ßeg über
bie Alpen jum jweitenmal wieber juritcf gelegt,
2fötr ftnben llrfula unb ihr (Befolge abermal« vor
Bafel, im Begriffe fleh J»r 9ietfe nach Köln einju?
fchtffen. Der heilige 5Öater hat fchon im dachen
fernen ^la^ jwifchen jween feiner Karbinäle etnge?
nommen, unb tm anmuthigften Kontraft mit ben
ehrwürbtgen ©reifen?©eftalten fifct ihnen gegen?
über bie «prinjeffin gwtfcbett jwo ihrer lieblichften
©efpielinnett. Unabfehbare Scbaaren »on Gittern
unb Jungfrauen kommen noch jienfeit« ber Stabt
»Ott ben Alpen herab unb jtehen bem Scheine
wo mehrere ©cbtffe ihrer warten.
11 *
-ocr page 169-164
£><*$ fechte Btlb jetgt un3 ben Untergang
alles btefeö jungen, freien unb frommen gebend.
{Ritter unb Jungfrauen , auf baö manm'cbfalttgjte
gruppirt, in unenbltdjer Abmecbfelung ber ©tellim*
gen, falten, rote Blumen »or ber öerntd^tenben
©enfe, unter ben blutigen SÖaffen beibnifeber· Bar*
baren. Hier will ein Ritter bie Jungfrauen oer*
tbeibtgen, bort finft eine odh einem Pfeil im Arm
getroffen, eine anbere oerbirgt baö @efid)t, um
ben tob ntebt $u feben, bem fle bod) niebt gu eut*
geben wünfebt, anbere ermarten ober empfangen
ibn tn fltlter Ergebung.
■->«.·' - · -·, \\ ■
Auf bem flebenten Btlbe enbltd), bem legten
ber ©ettengemälbe, erbtiefen mir bie Königstochter
in Maximians 3elt; bod) unb furcbtloS rote ein Helb,
febön unb fromm wie ein Enget ftebt fle ba. Da*
riefenartige Ungeheuer Maximian fpannt ben Bogen,
ber Pfeil fuebt fein 3iet/ aber mir feben ibn nidjt
fliegen, wir feben bie Helbin nid)t finfen. Hemltng
wollte wtiö ben Anblick beS Untergangs ber frommen
fonigltdhen Juugfra« erfparen, nnb begnügte fleh.
'465
nur bte näd) fte Stäbe be3 fcbmerjltcb fc^onett Augen»
bltcfÖ anjubeuten,
Auf bem jweiten ©tebelfelbe erblicken wotif
Urfula, wie bte fatboltfcbe Ktrdje fte als ©djugi
heilige ber Ktnbbett unb ber retuften Uttfd)ulb noch
je$t »erebrt Jn btmmltfdjer ©d)önbett unb b^ber
Anmutb ftebt fte ba unb breitet ben KonigSmantel
weit über tbre Jungfrauen au«, bte vertrauensvoll
ju betben ©etten fidf) tbr anfcbmtegen. Jn jebem
ber vier kleinen Mebaillonö auf bem bacbförmtgen
Decfet be£ Diettgutenfaftenö tft ein munberltebltdjeif
©nget abgebtlbet, ber mit ©aitenfptel baö Sob ber
fettigen feiert, bereu Apotbeofe etneS ber großem
Mebatllonö barftetit Auf gotbnem ©tubl im Siebt*
gemanbe tbronenb feben mir bte Verklärte. ' Die
Xaube febmebt über tbr, unb ber ewige iöater
nebft bem göttlidjen ©obn brücken bte Krone be&
Märtertbumö tbr auf baS lid)tumftratte
Da« jwette btefer MebatllonS jeigt uttö bte ■
Königin beS f)tmmelS, Maria, mit bem Ktnbe im
Arm, wetdbeö einen Apfet unb eine Blume ben
ibren Füßen fnieenben llrfulinernDunen btnreidjk
166
Jebeê btefer ©emalbe, tm ©anjen rote tu be*
Einzelheiten, vereint in öcrbctltnißmäfjtg feljr ftetnem
Rannte bte tmbefci)vetbttc()flc Anmutb , bte voilen?
betfte Aufführung, mit unübertroffner Siöabrbeit;
unb ber Reicbtbum ber Erftnbung in atten btefen
mannigfaltigen/faft unzählbaren ©rttppen übertrifft
atten ©tauben.
Auffer tiefen ©emätben Hemtingë in Brügge,
bemabrte uttê ein günftigef ©efcbick nod) maudjef
feiner unfehlbaren Serfe in anbern Stäbten. So
befl^t |)err von Bettenborf in Aachen in fetner
reid)baltigen Sammlung beren jwet, mcldjen bte
frühe 3eit ihrer Entftebung ein um fo bobereê Jn*
tereffe gibt, ba rotr in ihnen bef Meifterf Begiit?
iten auf fetner fpäterbin fo glorreich «oltenbeten
Bahn beutlid) erkennen. Die erfte tiefer Xafetn
getgt unf tn einer'von f)emltngf foftltdjften ßattb*
fdjaften beit Propheten Eliaô, einen kräftigen
(ebenen Alten mit langem ehrmürbigen Bart. Jn
tiefem «Schlummer »erfunfen ahnet er jeijt nicht bie
©egenmart bef meifjbetletbeten fd)ön gelockten
Eugelf, ber neben ihn baö ju feiner Erhaltung
167
notinge Brcb hinlegt. 2öetterf)tn, tn einem ent«
fewterett ©runbe ber ßanbfcbaft unb burd) bte
Ferne »erfletnert , erblicken wir ben Propheten
erwadjt unb ben fernen ©ebtrgen guwanbernb.
£)te Feter beö OfterlammS tn einer ifraeltttfcf>e«
Familie xjt ber ©cgeuftanb beS gmeiten ber oben
ermähnten ©emälbe. 2ln bent gebeerten $,tfcbe, auf
metchem nach bem jübtfeben @efe£e neben bem Öfter*
lamm aud) Brob, grüne Blätter, unb einige Becher
(Id) beftnben, ftebt ber in ortentalifd^er bracht vors
nehm unb prädjtig gefletbete ifraelittfcbe -£>auSöater,
im Begriff baä Ofterlamm ju jetlegen. Sfleben
ihm ein nicht minber reidj- gefcbmütfter ©retS mit
langem cbrwürbtgen Barte, ©in jüngerer Jfraeltt,
ebenfalls tn reicher feftlid)et Kletbung, fleht neben
btefem, ben Sieifeftab in ben täuben, nad) bem
SiituS ber Jubett bei biefern jum Anbenfen ber
Siuäwanberung auS ©gtjpten geftifteten feierlichen
Mahl/ welche« ftehenb unb gleichfam retfefertig ge*
noffen werben muß. Frauen flehen noch auf
ber anbertt (Seite neben bem $auSoater; betben
fteht ein hinter ihnen ftehenber Mann über bte
168
Schultern weg, unb ein bt'e Aufwartung bet ber
Xafel beforgenber Knabe tritt gur halb geöffnete«
itbüre bin ei«, bnreb weiche man hinaus inf greie
blickt.
Herr von ßtewer&berg in Köln beft^t in feiner
Sammlung act)t alte auf @olbgrunb gemalte Dar?
fteliunqen ber 2etbenegefd)td)te Gihrtftt, auf ber
ttieberrbeinifeben an 2öilbelm von Köln ftcb anfd)lte*
ßenben 3eit, in welcher ber ftarre ftetnerne Styl
ber bi)ganttntfd)en Sdjule vor bem warmen H<*ud)
ächten ßebenö ftd) aufgulöfen begann. Slitß einigen
biefer Xafeln gebt nun HemltttgS frühere StlCung
nad) ben Muttern biefer Schule auf baä beut«
iichfte hervor. Vor allen auö einem, welches bt'e
©efangennehmung Sbrtfti barftellt. Jubaö fleht
etwaS hinter feinem Herrn, als wolle er felbft im
Momente, ba er ben verrätberifeben Kuß ihm gibt,
fleh «od) oor beffeu Augen verbergen. Ein ©ertd)t3*
btener ergreift benHeilanb bei ber Bruft, ein anbrer
faßt fern ©emanb um ihn- fortjugteben, währeub
Petruö über Mald)nö baS Schwert fchwingt. AtleS
fctefeS geht im Vorgrunbe gtemltd) auf einer Cittie
m
»et; hinter berfelben erblickt «tan ba§ empörte, mit
Schwertern unb Stöcken bewaffnete 93olt. ©tue
gleiche Anorbuuttg beS nämlichen ©egenftanbeS,
nur freier unb mit größter SBabrbett bebaubelt,
fmben mir auf einem ©emälbef)emlingS beibehalten,
welches, au« feiner früheren 3eit ftammenb, ftd) je£t
ebenfalls tn Köln in ber (Sammlung beS |)errn
*ßaftorS Fiebern beflnbet. $retltcb finb iJemltngS
©eftalten ebler, lebenbtger, grattbtofer, baS Ko*
lorit mahrer unb kräftiger, (Schatten unb Sicht auS*
gefproebner unb beffer oerfcbmoljen, als bei bem
ölten nieberrbeinifd)en Maler, bod) bte Kempofltiou
ift augenfcheinltch jener nacbgebtlbet.
Jn Soweit, wo Reinting fpäterbüt böd)jt wahr*
fchetnltch längere 3eit lebte, beftnbet ftd) noch eine
auS mehreren Abteilungen befteheitbe 9?etbefelge
feiner ©emälbe. Sie Anorbttung beS mitteilten
ffiilDeS, einer Sarftetfung ber ©tnfe^ung beS Abettb*
mahlS, gebort mieber urfprünglid) einem jener acht
©emälbe beS $errn StewerSberg in Köln. (SbriftuS
(It^t an ber Mitte, ber Xafel, ihm gu betben (Seiten
jwei Apojltel, gegen ihm über noch gwei, unb brei
170
an bett beibc« fcbmaien Ecke» beö ttfdjeS. Jn ber
ober» Ableitung über biefer tft ber Märtyrer ?Xob
beö ijeiftgctt SraSmuf bargefteßt, ein ©egenftanb,
ben ber Metjter mabrfd)etnlicb eben fü wenig alö
ben bef Xobeö be§ beütgen -fjtppoltt freiwillig
wäblte; bod) wußte er btefe Aufgabe ebenfalls mit
iticbt mtnberem (Belingen ju lofen. Die untere Ab?
tbeiiuug ift mieber breifacb jertbetlt. Jn ber Mitte
finb bte Jünger von EmauS abgebtlbet, jn beiben
(Seiten / betenb auf ben Kuteen, bte gamtlte beS
£)onatorö.
©tefe ©ernälbe bangen fo bo<b, baß e§ ferner
mirb, fie »on unten beutltcb genug ju erkennen, um
tu alle ibre Einzelheiten einzugeben j bod) ber £>t«
reftor ber3eid)ettiAfabemte in ßömen, Herr ©uetö,
bat e§ ftd) möglich gemacht,' fle ttt ber Sftäbe
gu feben. Sftacb feinem Urtbetle tft bte 3ei^nung
febr lobenSmertb unb in Adern ber Sftatur
geireuj bte Kopfe auSbruckSooll, ber beö JubaS
befonberS d)araftert|tifd), ber ebleKopfbe§|)eilanb8
böcbft »ollenbet, unb mabrbaft göttlich ju nennen.
£)a3 Kolorit tft frifdj, angenebnt, unb ber Ratur
171
gemäß, bte ©chatten ftttb flar ttnb »erfd)moljett·,
bte Ausführung gleist üt allen ©injeltyeiten bèv
fetnjten Miniatur, unb nirgenb jeigt ftd) eine ©pur
ängjtlicber Kleinlichkeit ober manirirten SefettS.
DtefeS Urtbeil gilt »ttd?t nur »on btefett, fon*
bern »on allen Serien £)emltngS, nur bte Jünger
»on (SmauS, in biefer Oietljefolgc von ©emälben,
machen hierin ettte Aufnahme. Dtefe ftnb febwach,
unb tragen feine ©pur feiner gewohnten Mctfter*
fcbaft, Sahrfcheinlid) mürben fte oon Pentling nur
angelegt, unb er mußte otclletdjt bei feiner fdjnetten
Abreife oon Sowen nad) ©pattten baS Btib unvollen*
betlafieit, weichet bann einem-anbern Künftler jur
93ollenbung übergeben warb.
Freilich läßt eS ftcb nicht mit (Gewißheit bebaup*
ten, baß t>emling in einem fd)on jtemlich hohen
Alter nach©panien gereifet fet), unb bort baS Otnbe
feiner $age gefunben habe, bod) flnb viele (Briinbe
»orhanben, bte eS als bod)ft wabrfchetnltch anfehen
laffen, unb tdf> fenne feinen etnjtgen, ber bt'efe
Sahrfchetultcbfeit wiberlegte. Den bebeutenbften
BewetS für Pentlings Aufenthalt tn ©panten gewährt
172
un§ Dott Alottzo Pong, ©eFretär beS KöntgS unb
ber Afabemie oon ©anct gerbtttanb, in feiner
Viage de Espano, en quo se da noticia de les
cosas raus apreciables y dignas de saberse gue
baj en ella. !Bon biefer Retfebefcbreibung erfebteu
ju Mabrtb tn ben Jabrett 1776 bt§ 1794 eine zweite
Aufgabe tn Detern in adfjtjebn Bänbeit mit Kupfer«
fliehen,
Don SiionjD pong fpriebt ttt bt'efem 2Öerfe mit
ziemlicher Ausführlichkeit »du bemKartbäuferiKlofter
SOttrafloreS nahe bei BurgoS. 3U btefem Klofter
lieferte, jufolge fetner Erzählung, ein beutfcberBau«
meifter im Jahre 1454 ben plan, unb erbfeit bafür
3350 CQfaraoebt'S, Dtefer Baumeifter bteS Johann
von Köln, «nb mar mit bem Btfdjof »Ott Kartbagena,
Don Sllonjo, bet bejfen Rückkehr »om Bafeler
Konzilium ttadb ©pantett gekommen. Jbm folgte
©arctaS gernanbez be SOiatienzo alS Baumeifter,
Mnb btefem ©tmon, ber ©ctm Johanns von Köln.
Jtt bem (£bor biefer Kartbaufe fattb Don
Alonjo ponz einige febr alte ©emälbe an einem
Altar, berett bobe Söortrefflichkett feine ganje Auf*
173
«terfjamfett rege machte, ©te jteßten <£pod)en
au« bem Seben Jobamte§ beS Xäuferö bar,
mel(f)eö |)emiing, mte befamtt, oft unb mit aus!*
gezeichneter ßtebe bebanbelte, mabrfcbettiltcb meil
er btefett feinen 9ftamen6betltgen befottberö »er*
ehrte. Don Atonjo ^onj fühlte ftcb burcb ben
eblen SluSbrucf ber ©ejtatten, bie hohe iöettenbuug
jeber (Sinjetbett, unb bie feitue ^racbt ber noch
ganj frifcb erhaltnen Farben btefer ©ematbe ^od>ftcf>
angejogeu. (£r bemühte ftd> um Siiacbricbt von bem
Metfter, ber in früher fa S)obe3 vermochte,
mtb fanb baib maö er fudjte in bem Strebte be§
Klojterö Mtrafloreö..
€in Mater, Juan Ftamenco, (Jobann ber Fla*
mänber), beißt eö bartn, bat btefe ©emalbe im
Jabr 1496 begonnen, unb im Jabr 1499 »ölten*
bet. (£r erhielt bafür, aujfer ben bagu nötbtgen
f)otjtafeitt, bie ibm vom Klofter getiefert mürben,
noch 26735 Maravebt'S für fldb unb feine ©e*
hülfen.
9?un aber tft auffer $anS £emltng in jener
3eit fein meberlänbtfdber Maler befannt/ ber bte
4
174
gobfprücbe »erbietten konnte / weid£>e Don Alonjo
fpong jenen ©emälbett tn MtrafloreS gibt; ber Vor?
narnen beö Metjterö, bte 2Babl beö ©egenftanbef,
bie Eigenfcbaften meldte »orgugSmetfe an jenen
tafeln gerühmt werben, 2llle3 bient baju, unS in
ber Vermuthung ju beftärfen , baß Hemltng fte
wirklich malte. Vielleicht haben felbft bte eben
ermahnten beutfcfjen Baumeifter, Johann , ober
beffen So|n Simon »Ott Köln, £>entling früher ge-
kannt unb feinen Ruf nach Spanien »eranlaßt.
Auch tft e§ fehr benfbar, baß ber junge Philipp
#
»Ott Spanten bei ferner £)ulbtgung als Herjog »Ott
Brabant, melcbe ttt ßöwen felbfl im Jahr 1494 »or
fid) ging , ben berühmten Hemltng bort kernten
lernte unb ihn mit ftd) nad) Spanien führte, einem
ßanbe, mo aucb fpäterht'n bte Meifter feiner Schule
tn hohen Ehren gehalten würben.
©ewtß hatte ber um baf Jabr 1439 ge*
fcorne Hemlittg fcbon ein bebeutenbef Sllter erreidbt,
alf er bte Reife nach Spanten unternahm, um
tort im Jahr 1499 »ielleicbt fein letztes 2BerF in
ber Karthaufe »on Mirafl»re$ ju »»Ifenben? Seine
175
Stürffebr trt bic i>eimatb ift ntc^t benfbar, unb
TOrti>rfci?etnltrf? fanb ferne Afc^e unter ben finten
oon MirafloreS ihre Siubeftätte, neben beit ©räbern
ber ftummen Söri'tber r beren ewigem (Schweigen
geweihten 2Bobnfi§ er fcbmücfte. Audi) feine ©c?
mälbe ertfttren fdbwerltcb noch in Miraflore«; spiüu?
berung, $euer unb «Schwert haben feit £>on Atonjo
Dietfe oft bort gewütbet, man weiß gewiß,
baß ein franjöftfcber ©euerat im testen Kriege ton
Befehl gab, baé Klofter anjujünben, unb wenn
gtetcb bie feftcn atten Mauern oiettei^t bamatS
wiberftanben, wie »ernicbtenb mögen nicht bennoch
bte legten t'nnern Unruhen in ihren Ruinen ge*
waltet haben.
Btê je^t war in biefcn Blättern »du @e*
mätben Reintings bte Oïebe , welche theitS b.te
Bfïiebertanbe , thetlS fiibltcbere ©egenben be«
wahren, boch auch bte Botffereefche (Sammlung
beft^t eitf Xafetn bt'efeS hoben Meifterê, beren An?
bltcf Jebem bieïBabrbeit altcê beffen oerbürgt, waS
jum Sobe ber übrigen gefagt werben fann.
3wet $lügetbitber in btefer (Sammlung,
-ocr page 181-17(5
betten baf $?ittelbilb fehlt, bilbeten mit btefem
wabrfdjeinlid) einen auf baö AbenbmablBegug haben?
bett 3»)tluö. Auf bem erfteu berfelben erblicken
mir ben Patriarchen Abraham, ftolg unb kühn tritt
er an ber ©pit^e fetneö HauSbaltf bem Könige Mel*
djifebeck entgegen; Kinber unb KtttbeSkinber, ein
unabfehbarer 3»g/ btlben gu Roß unb Sföagen fein
©efolge, einer feiner ©ohne, reich gewapnet, fleht
neben ihm. Abraham, noch in kräftigem Mannet
alter, mit braunem £>aar unb fchöttem Bart, in
reicher kriegertfdjer traebt, berührt nur mit ber
i)aub ben belmartigen Kopffdjmuck, uin ben König
ju begrüßen, ber, gtänjenb itt orientaltfcher Pracht,
vor bem frommen gelben baö Knie beugt, inben?
er ihm jum Pfattbe freunbltcher ©eflnnungen Brob
unb Söein entgegen bringt. Die jmette tafel geigt
unö ben bie Jfraeliten »pm £ungertobe errettenben
Manua?Regen, bcch febeint ber ÜJfetfter mit poettV
fd)em (Seift bt'efef Sunber mehr fpmboltfcb ergriffe«
ju b«ben 5 benn ntrgenb auf bt'efem Btlbe ift eine
©pur oon einer burch wirklichen Mangel erzeugten
Begier ju erblicken, nirgenb bräugt unb flößt fidj
177
ba« fammcittbe 33olf, wie matt wohl fottft e« auf
£)ar(Teilungen tiefe« 28unber« $u feben gewohnt
ift. Die Überzeugung, ftcbtbar unter bem unmittel«
baren ©cbufe be« Kö-tttg« ber Könige ju ftebeu, oer?
brängt für ben Moment ba« ©efübt trbtfeben 53e*
bürfen«. ©ebnen unb fürchten, llnmutb nnb ©orge
ftnb oerfcbwunben unb fromme« Vertrauen erwärmt
jebe« friiber troftlo« yerjweifclnbc £er$. Darum
gleicht ba« ©attje ebev einer *eitgtöfen $eicr al«
bem Abhelfen einer britcfettben 9Zotb, beim ber An?
blick be«2Bunber« allein erbebt fcbon btefe Menfcbet»
über ftd) felbft unb über ta«Seben aufarten. ^lanti
menb bridjt bfe Morgenrötbe auf tiefer £afet über
ber glübenb heißen Söüfte beroor, in einem, jeben
fonft nur benfbaren F<*rbeueffeet übertreffenbe»
©lang; unb bocb erbleicht tiefer @lanj »er bem
©tuten?Meer, au« weichem auf tiefem nämlichen
SBttbe Jehooa ftralenb »om Gimmel auf fein 2)oIf
herabbltrft. Der gffect be« Sicht« ift blenbenb
tm befh'mmtejten ©inne be« Sort« , unb id)
jweifle ob je eilt Maler etwa« Ahnliche« her?
»orbradjte. Der |>iutergrunb ber füblichen Sanb*
178
fcfyaft erhebt ftcf> terraffenarttg unb überall ttt ber
gerne treten bte Jfraeliten auf Hahlen unb ©e?
büfeben beroor, bte ihnen bei nächtlicher 3ctt ein
Dbbacb gewährten. Jit feierlicher (Stille fammlett
einige ben (Segen beö Himmels, anbre oergeffett
in frommem ©ebet ber ©abe, um beut ©eber jit
banfeit , beffen ©(orte fte umftralt. Q3ter baö
Manna faminelnbe gtguren tm 23orgruube fünbett
fiel) bureb Xradjt, Anftanb unb ©eftalt aß Surften
beS Volfeö an. Die eine von ihnen, eine reich
gefletbete grau »on fehr eblent Anfehen, fleht hoch
unb febern jur Itnfen Hanb beö ©emälbeö; fte trägt
ein rotbeS golbgefticfteS ©emanb, barüber einen
burebftebtigett glor, auf bem Haupt einen wetf?ett
turban, beffen Enbe fcbleterartig herabfällt, unb
unter bem Kinn burdjgebeub mteber an beit Xurbatt
befeftigt tft. Etn neben btefer grau ftebenbeS Ktnb
bebt btttenb bie Häubchen ju tbr auf, bod) fte,
»du ber geierltchfeit beS Moments ergriffen, fchetnt
thm Schweigen ju gebieten. Ein fehr ebler fchöner
Mann, in reichem ortentaltfchen ©djntucf, fammelt
neben t'hr, tief jur Erbe gebücit, baS -f>imnielä^
179
bvob; neben tl)m ftet;t eine anbre febr aumutbige
weibliche Figur, »ut einem gcfdjniacfoDlt georbneten
turbanartigen ftopfpu^. Jn einiger ©ntfernung im
Mittelgrunbe getgt ftcb eine tiefer ähnlichen ©ruppe,
meld)er ftd) bte gang kleinen Säuren im £>inter*
gutnbe aufstießen.
©in große« ©emälbe £>emltng« in tiefer ©amm*
luug, eine feiner ©popeen, »ieöetdjt bte reidjhali
tt'gfte meicbe er je malte, pflegen bte Beft^er gerne
nur nacb unt ttad) tljcilmetfe ten Äunftfreunben gu
geigen, unt felbft fo tft eö fdjrcer, jete ter vielen
mannigfaltigen ©ruppett auf tiefer Xafel »oltfem«
rnen aufgufafftn , obgleich ade« flar unt folgerecht
neben etnanber ftel)t, ntrgenb Verworrenheit ba«
Singe blenbet.
Dtefe« SStlb für ftcb allein bittet eigentlich
eine gange ©alterte, meld)er man »tele Xage weihe«
mödjte. ©« tft eine mabre Abgrübe für Mater,
welche um (Stoff uttb Kompofttion gu t'bren ©emäl?
ben oerlegen ftnb, bettn au« jeber biefer ©ruppen
könnten eben fo »tele Metfterwerfe entfteben, obne
<
etwa« anbereö al« beu MaaSftab berfelben $u »er*
-ocr page 185-180
änbern. Man fagt bajj funfjebnbunbert »erfcOte^
bene ©eftalten auf tiefer tafel ftd) entbecfen laifett,
ber Augenfdjetn bekräftigt bte Möglidjkeit ber
Behauptung, bod^ wer »erniöcbte bier nad)ju*
jäbteu!
DtefeS Btlb tfl faitm eüte Canbfcbaft ju nennen,
të ijl bte treufle Abbtlbung beê Sebenö ttub ber
Sßelt, t^rer i>errïtd)feit uub praebt, tbrer Mübe
Hub Arbeit Dem ungewaffueten Auge faum flcbt?
bar ftebeu bte weifen Könige beö Morgenlanbeé
wn fernften £>tntergrunbe, jeber auf feinem Berge,
ben wunberbaren ©tent beobadjtenb. ©te jteben
$erab, fle fommen näber ttnb ttäber ju Canbe, auf
Strömen, mtr febett t'brett ganjen 2öeg, tbr ganjei
reicbef (Befolge. Auf bem Kabartberg feben mir fle,
wte and) bte SegenDe eö erjablt, alle brei, mentt
and) auf oerfdjiebnen 3©egen angelangt, tmuamltcben
Moment jufammen treffen, ©te erkennen etnanber,
fle erblicken Jerufalent ju tbrett giifjen liegen, unb
eilen nun »ereint weiter. 2ötr febett fte auf
Brücken über breite ©tröme jtebett, wir feben fle
bei £erobe8 einkehren, ber ihnen beu 2öeg nach
'181
Bethlehem bezeichnet. Dagwtfcben gebt bei« Seben
ber Bewohner be« Sattbeö, webte« fte burebgteben,
immerfort ben gewohnten ©ang ; bte Sente feien,
ernbten nnb tragen ba« Korn jnr Mühle. San*
berer beleben bie Straßen, Birten nnb ihre beerben
bte gelber; wir feben Stäbte, Dörfer, Ströme,
^atlcifte, in einer tn Frühling« ? Dietj grünenben
unb blübenben ©egenb. Jrn 93orgrunbe enbltch
erblicken wir bie Könige am 3^1/ fett wärt« eine
unbefcbretblicb retgenbe ©ruppe oon Birten, beneti
©ugel ba« £>etl ber Seit »erkünDen. Dann erblicken
wir bte heilige Familie auf ber Flucht nach Egypten,
wir febett bte Krieger be« Aerobe«, welche öd«
ben Sanbleuten, benen fte begegnen, ben Seg ber
Flüchtigen ju erforfchen fueben; e« folgt ber Ktn*
bermorb gu Bethlehem, unb fo nach unb nach «He
-gjauptepoeben be« Seben« unb Seiben« (Sbrifti bifl
gn bem Momente, wo er »or ben Augen ber «nbe*
ienben Jünger von einem $ügel «ufwärt« gum
SBater fchwebt. S^un folgt bte bei ©elegenbeit beft
tu £>errn *Pàft$r Fß<bem« Sammlung beftnbitchen
Manuftriptö erwähnte Au«gteßuug be« heiligen
'182
©eiftef übet bte um fcte Mutter t'brcf Herrn »er?
frtmnteiten Jünger, unb feitmdrtf gur rechten Haut)
mehrere ^aupt^ucje auf bem ßebett berfelbett, mte
bte Segettbe unter bent Ramen t'brer fiebert greubett
ttttb fteben Scbntergen fte auf ttttfre 3eitett brachte 3
guleljt t'br frommer fdf)öner tob, tu ber Mitte ber
Jünger tbref göttlichen Sobnef. Man müßte biefem
9$übe ein etgttef 93ttcb weihen, um jebe fettter gabt?
reichen unb mannigfaltigen ©arfteffungett gehörig
gu mürbtgen unb gu befcbret'ben. Alle btefe »tele
hunbert, oft faum einen 3eü hohe gigüreben be?
wegen ficf>, grttpptren fieb , in unbefcbret'bltcber
iffiabrbeit, feinem fehlt ef an Sbenmaaf unb Auf?
britcf, äffe, btf tn bt'e fieinften Stngelbeitcn, ber
©ewänber, ber Haare, fmb aufgeführt mte bt'e
feinfte Miniatur. Rtcbtf ift bunt, verworren ober
fleinlicb unb baf @an$e btefef muttberbarcu 95tlbef
reine Harmonie unb unauffprecblt'cbc 2Bahrheit.
Mtnber ttmfaffenb, aber nicht mt'nber erfreu?
tidb tft ein auf bret tafeln bejtehenbef flet'nef Altar?
gemdlbe Hemlittgf tn biefer Sammlung, beffen
Hauptfiguren böcbftenS eine Elle hoch fintf. £>af
'183
Mtttelbtlb geigt unö ebenfalls bie brei Könige gn
ben Füßen beS göttlichen KtnbeS. Die Mutter ft£t
in ber Vorhalle eine« oerfaÖnen eblen ©ebäubeS,
von Xaitben umflattert, »Ott Blumen unb bufttgen
Kräutern in fttbltcber Fülle umblübt; vor ibr bt'e
mürbtgen bärtigen ©eftalten ber in Demutb anbeten*
ben Seifen beS MorgentanDeS. Dod) fo febr biefeS
fd)öne ©emälbe, allein gefeben, Jebett entgücfen
müßte, fo mirb beffen bennocb »on ber
böberen unauSfprecblicben Schönheit ber beiben gu
bemfelben gebörenbeit Flügelbtlber übertreffen.
Johannes ber Käufer, eine febr eble, leicbt
mit Fellen befleibete ©eftalt, ftebt auf bent erften
. 4 ' J ■
berfelben, baS meicbe fcbneemeiße ßamm im 3lrm,
ernft vorwärts blickettb, am JKanbe eineS bell unb
flar burcb üppig macbfenbe Blumen unb Kräuter
binriefelnben FelSbacbeS. Man bört baS ^lätfdbern
ber kleinen frt'ftallbeilen Sellen, man ftebt auf bem
fanbtgen ©runb bt'e F>fcb<ben grotfcben bunten Kiefeln
fpielen. ©ine fdböne Silte fproßt neben bem f)eili-
gett aitS bem ©rafe auf, unb überhaupt trägt jebe
^flattge, jebe Blume beS SöorgruubeS ben eigen*
184
m*
tf)itmitdf»eit Ebaracfter. Stein ßttg btcfeS föiHtcbett
©emdlbef, i?er nicht voll garter unb erufter Anbeu?
tungett einer nahen, bte Seit begltufenben 3uf»ttft
wäre. abnenbe Erwarten berfelben fprfdf>t
fldf) vor Adern tu bem fd)önett, ebleu, auöbntcff?
eoöeu Kopf bef Heiligen auf, bocfy auch allem
Übrigen lieb bier ber begeisterte Kttuitler eine
jjebem QSolfe verftänblidje ©prad^e.
Rod) tft Die ©einte nicht aufgegangen , nod)
fel;lt ihr belebeubef Sicht, aber bte gange bcrrltdje,
reich blübeube ©egenb febwimmt im rofigen 3d)tm?
wer einer Morgenrötbe, bt'e bett fd)önjtcn beiterften
Üag verfprtdjt j neben beut Heiligen auf einem gel?
feuitiief flt.it et'tt Et'foogel, ber 93erfünbtger guter
3eit. Jm 33ad)e, btebt atn Ufer, eilt ettte febone
fletne ©cblattge hinter et'tter Eib.edjfe her; tn vielen
©egenbett ijt btefef flettte Xhier alf Vorläufer ber
©drangen allbefattnt, unb mettn man, von bett
fcbäbltcbeu Etgenfdjaftett einiger ©drangen abge?
fehett, ftd) erinnert, baß aud) im alten Xeftameut
(Shrtftuf bureb bie erhöhte eherne ©cblange vorge*
bilbet warb, bereu Anblick ©terbenbe gefuub mad)te,
'185
twb baß Jobattne« feüt SÖerfüttber ift, fo erfcf>ctnt
tiefe gang natürlich herbeigeführte Allegorie fo fittn*
reich, alö eine beS Altertbumê. Unb biefeê Btlb *
gewährt beren nod) »tele.
Auf beut jweiten Jlügelbtlbe, bern berrltd)ften
unter btefen breien, warb baè flare S8äd)letn ber
»ortgen Xafel gum breiten retßenben ©trom, ber,
«uS bem -^tntergrunbc gwtfcben hohen $elfcnufern
baher ftrömenb, unb imQöorgrunbe gu betben©eiten
»Ott nod) gewaltigem Reifen begrängt, ben größten
ïhetl beê Dïaumeê aitêfitilt. Der fromme Dftefc
©anct (Sbrtftopboruö fcbreitet faft mitten in ben
fd)äumenben Sogen mühfam fort; im purpurroten
oufgefd)ürgten ©ewaitte, auf feinen mächtigen ©tab
gelehnt, blieft er nad) bent wuitberfamen fttttbe auf
fetner ©d)ulter um, beffen unbegreifliche Schwere t'hn
betnahe nieberbri'tcft. ©anct ßhrtftopb ift fetneS
jener aufgebunfenen Solfenbtlber, wie fte bie aller*
neufte ftunft unê juwetlen geigt, er ift ein wirflidjer
S^tefe, mädjtig unb ftarf, unb 3eber ftcht beutlich,
baß feine nati'trlid)c Saft foleber Art btefen fräftigen
©ebnen unb Muêfeln gu fchwer werben fouute.
'186
'©er Aufbrucf freunbitcber 93erwuttberung in bem
frommen treu bergigen ©eftcbt bef Riefen ift böcbit
angtebenbj bod) wahrhaft göttlich groß, bei aller
ftnb Itcben Einmuth, ift ber junge, etwa bret' Jahr
alte Ebrtftuf. £>af lichte Köpfchen »du bimmlifcber
©lorte umfloffett, hebt er bte erhobue Rechte gen
Himmel, tnbem er bte ernflenSBorte auffpriebt: —·
„bu trägft ben Herrn ber 2Belt." — Dbett auf bem
hohen gelfenufer fteht eine Etnftebelet, ber fte be?
wohnenbe Eremit »ernahm baf ©eräufcb auf bem
SBaffer, er eilte hinauf unb ftebt über bte Reifen*
wanb gebogen, fein fcbwacbef Sämpcben binaufbal*
teub. Aber im nämlichen Moment fteigt bte «Sonne
tn ftegenber Pracht auf bem unabfebbarett SfÖellen?
bette. ©er Strom wirb gum Sichtmeer, unb bte
erfreute Sßelt, ftralenb im ©lange bef Himmelf,
bebarf nicht mehr bef fünftltcben fchwachen Std)tf
bef in ber Dämmerung SBohnenben.
Kein Miniaturbilb, fein berühmtef Kabinetf?
flücf ber fleißt'gften nteberlänbifchen Meifter fpäterer
3eit, fantt bif trt bte fleinften Etngelheiten garter
unb »ollenbeter feyn alf biefe «nbefchretblich berr*
'187
itcfyen Btlbet bei niögiidbfter ©roßbeit ber 3eicbnung
uub beöAuöbrucfC unb bei Der blenbent>iteu Farben*'
pvaebt e3 ftnb. ©te ftnb ein Jumeet, ein Kleinob, $
beffett ©lang man gefebett baben muß um baran ju
glauben.
ätuffer biefeit fcd)§ ©emätbeit $emitng§ beflißt
bie Bct'(fevf;efcbe ©ammlung »du biefem Metfter noch
eine Auferftebnng (grifft, bret F»ß fünf 3Dti boeb,
einen Grvaugeliften Johannes von berfetben ©röße,
unb, grau tu grau gematt, eine heilige Katharina
unb eine heilige Barbara. JebeS berfelben tft feiner
miirbt'g, bodb eile tcb an ihnen vorüber ju bem gött--
Itcbften erbabenften (ShrtftuSfovf, ber je einem
©terbtieben vorgefdbmebt hat unb von ihm bärge?
ftetlt mürbe.
Mtnber jugenblicb aufgefaßt, fötmte er für
einen ©Ott Vater gelten, becb ten Auöbrutf beffet?
ben, biefen innigen Verein göttlicher Roheit unb
unenbltthen ©rbarmenS ber emigen Siebe fpreeben
tffiorte nidbt attö. ©brfurcbtSootle ©cbauer ergreifen
Jeben vor biefem wunberbaren Bilbe; ilnebteö ober
©emetneö in feiner Sftäbe nur $u beuten, muß un?
'188
möglich fetyn, benn bte munberflarett leucbtenben
Augen bitcfen ttnS tit bte ttefften Xiefert ber Seele,
mit faft ftrafenbem Ernft. Sie böcbfte Schönheit
beS guin »ollfommenften Manu herangereiften Jung?
ItitgS tritt hier unS entgegen, obgletd) mir babet bte
Unmöglichkeit fühlen, biefer ©eftalt trgenb im
ßcben ju begegnen, benn fte tft bte etneS jugenb*
lieben @otteS, für menfdjltdje ßeibett uttb greubeu,
felbft für menfdjltcbe Xugenb ju erhaben.
2Bte btefeS munberbare 35ilb gemalt tft, bleibt
ein Rätbfel; je länger man eS betrachtet, je leben?
btger mtrb eS; man lobt ja baS Sfßaffer etneS £>ta*
manten, tcb möchte btefett AuSbruck borgen, tttbem
tdj von ben Augen btefeö SbrtftuS fpredje; nie,
felbjt nicht tn ber Ratur, meine td> ähnliche^ ge*
fehen ju haben.
ÜbrtgenS glet'djt btefer (SbriftuSfopf auf ba8
genaufte bem hunbert unb fünfzig .Jahre nach
ßbrifto bereits in ber Kirche angenommenen
Xi;puS beffelben. £>aS Bilb über melcbeS ber
fpapft ttod) alljährlich in Rom bte 2Q5eibe auSfpricbt,
fp mie alle alten Ebriftuöbtlber ber neugrtedjtfdjen
'189
©djule tragen biefelben 3"ge> fe^ft baé bttnfle
furchtbare -£)aupt ouf bem ©cbweißtucb jener beili*
gen Verontfa, weiche ©cetbe unS alö ben Ì)Déjteti
©tpfel bttjanttnifcber Kunft t'm erften $eft feine«
SÖerf« über Kunft unb Altertbum fo anfdjaultcb bar?
iteKt, Jcb babe btefe betben ©emälbe mit etnanber
lange unb aufmerffam verglichen, unb eö läßt ftcf>
ntdf>t wegleugnen, jene« mebufenarttge braune
i)aupt, tu aller fetner wunberfamen Verlogenheit,
geigt benttocb bte böcbfte Ähnlichkeit mit btefer
fehlten ©eftalt tu ber böcbften Q3lütbe jugenbiidier
Kraft
Die XrabittDnen von ber eigentlichen ©eftalt
be« #ctlanb« ftnb vielfältig unb auf mannigfache
SBetfe bi« auf unfre Xage gekommen. Die merk*
tvürbigften berfelben bat Jobann Sfetéke, 9ìector
31t Solfenbüttel, im Jahr 1685 gefammelt, unb
ihnen unter Bern Xitel de imaginibus Jesu Christi
ein gelehrte« unb grünbltche« Serf gemtbmet.
©tntge btefer ®efd)retbungen fcbeinen mit fo äcbt
pb^fiognomtfcbem ©inn unb mit fü inbivibuellen
3ügett aufgefaßt/ fte flammen au« fo grauer, ben
'100
Sagen Ebrifti naher ^orgelt, fte tragen fo ganj
ben ©tempel einfacher ïöabrbeitöliebe , baß eê
beinahe unmöglich wirb, ihnen in ber Hauptfacbe
allen ©lanben ju verfageit, wenn gletd) ftcb ©rünbe
ftnben, bie eö mehr alê zweifelhaft machen, baß
gum Beifpiel fol^enber Brief gerabe oom Eonful
Sentuluê gefchrteben fep, welcher fünf uub jwanjtg
Jahre nach Ebrifti ©eburt lebte, unb thn perfönltch
gefannt haben konnte. Jd) laffe btefen Brief um
fo lieber bier folgen, alö er bie Hauptzüge beS
Hemlingfd)ett Ebriftuêtopfeê weit beffer beschreibt
alö id) eö vermöchte.
«Brief beè (Jonful Sentuluê.
ES bat fid) bei unS bervorgetban unb lebt
«pdj ein iOïenfd) von vielen Xugenöen, ben man
JefuS nennt, welcher von vielen Öeuten ein ^rpphet
ber SBabrbeit, von feinen Jüngern aber ©oh«
©otteS genannt wirb. Siefer erwecket bie Xobten
unb heilet bie Kranken. Er tft anfebnltcb, lang
von £ÖucbS uitb von folcbent Slnfehen, baß ihn
Jebermann liebet uub fürd;tet. Er hat bräunlich«
'191
|)aare, wie bie Farbe einer reifen .f)afelnuß, oben
glatt iinb bunfel, bed) unten ju etwa« frauS unb
heller um bie Schultern, auf bem Raupte getbeilt,
nach Art ber SRagarder j eine freie Stirn unb mun»
tereS Angeftdjt, ohne Tungeln unb Flecfen, niit
einer mäßigen 9iöthe gegiert 3 9iafe unb Munb ftub
ohne Xabel, fein voller Bart, bem Haupthaare
ähnlich, tft nicht lang mtb in ber Mitte gefpalteu.
(£r tft aufrid)tigen unb beftänbigen ©eftcbtS, von
großen flaren Augen, entfe§ltch wenn er beftraft,
liebreich unb fanftmüthig wenn er ermahnt, fröhüd),
bod) mit einem anftänbigen (ümtft; man hat ihn
niemals lachen gefehn, wohl aber gum öftern weinen;
er fpricht wenig, aber AlleS mit Anfebn; feine @e*
ftalt tft »ortrefflid? vor allen Menfcbenftubew,
Auf hochft überrafchenbe Seife fanb ich tu
Berlin, in ber nämlichen reid)en Sammlung meldte
auch bie unfchäl^baren Seitentafeln beS ©enter
©emälbeS von »an G^cf beft§t, ben beutltcbften
Beweis, baß f)emltttg burch jene alte Befchretbun*
'192
gen gefettet, feinen munberbaren CTbriftuS malte,
giir btefett Bemct'S nämlich mußte tdf> einen EbriftuS?
fopf anfeben, ben ich bort fanb mit folgenber Unter*
fd)rift. Johes (le ejk me fecit et apicivit anno
'1438. 31. Jannary A/VE. IXH. XAN. Primus
et Novissimo.
IDiefer Kopf, ber aud) ohne bte Unterfcbrift
für eineS ber Meiftermerfe Johann oatt EpcfS gelten
müßte, fdjten mir jenem oott Hemltttg fo burchauS
ähnlich, baß tch ihn für bett nämltdjen gehalten
hätte, ohne bte Krufte von Kerjettbampf uttb
©taub, melcher thn nod) ocrbuitfelt, ba hingegen
ber, melchen bie Herren Botiferc'e beß^en, oon
allen jenen Unbtlben befreit, tn blenbenber grtfebe
ber garben ftralt, als fame er eben »on ber
Staffelet. SSJahrfcbeinlid) mürbe ftd) mancher Unter*
fchteb jmtfcben betbett (BemalDen entbeefen laffen,
märe eS möglich fle neben etnanber-ju ftellen, boefy
fo bünfte mir bie Àbnlicbfeit täufchenb, nur baß
mir baS Berliner ©entälbe bei genauer Betradjtung
mtnber groß porfam alé baS ber Boiffere'efcben
Sammlung. JebeS biefer ©emälbe ift ju »ortreff*
'193
ltd)/ ju ftcbtltcb unb unwtberlectltcb eon SOïetfter*
haut) , atê baß mau etneê für bte Kopte bei< aubern
galten konnte, unb fo tft benn nur bcnfbar, baß
taê nämltdje Jbeat, auê alten Xrabittenen unb
93tlbern gefd>ëpft, bctbe große Metfter ju böd)ft
«bnltcber Sarjteitung t'bre« aöttltdjen ©egenjtanM
begeisterte.
Λ- l'y '■ im
-ocr page 199-'194
Stt^tttut üttePt*.
Äcttt freunblicber ©tern leuchtete ber ©eburt
«Mb ber ftinbbeit beS armen JQupntin; Sunfelbeit
unb Armutb empfingen ihn, als er um baS Jahr
1450 ju Antwerpen tnS Ceben trat, ©ein s$ater,
ein armer fjanbmerfer, ftarb, ba Gnpnttn alö m*
münbigeöKtnb btefen iOerluft nod) nid)t 511 empftnben
»ermoebte, unb feine Mutter erjog ihn unter
Stummer, Mangel unb ©orgen, bt'S er fräftig genug
febten, um bet einem -£>anbwerfer bte Cehrjahre
antreten ju fönnen. ©te bradrte ihn in btefer Abftd)t
0u einem ©djmieb, mahrfcbetnltcb weil aud) fein
Später biefeö (Bewerbe betrieben hatte; bort wud)4
er üpßenbS heran, bei fdjwecer Arbeit unb grober
Äoft, -"heilte, fobalb er eS vermochte, bett fauer
erwor^nen kärglichen Sehn mit feiner Mutter, bfe
mit tinn £au$ hielt, unb bi.e er herjltcb liebte unb
ehrte, unb führte fo ein bunfleS, kümmerliches CebenA
tiS in fein gmanjigfleS Jabr.
©te febwere Arbeit am AmboS mochte bem
»wt ber Statur einer bityew SJeftimmung geweihten
195
Jüngling wenig gufagenj ba$ mühevolle Sebett, bie
gewaltige fövperitcije Anftrengung, ju welcher ktnb®
lidje Siebe ihn trieb, griffen t'bn heftig an, feine
Kräfte erlagen unb er fiel t'tt eine töbtltdje KranfV
beit. Sange lag er fdjwer unb gefäbrltd) franf tn ber
ärmlichen glitte feiner treftlofen Mutter, bie nun,
ba fte ihrer einzigen Stülpe beraubt war, titelt mehr
wußte, wie fte für ftcf? uitb ihren ©ob« »wr baö ^etb*
bürftigfte berbetfdjaffen füllte, fo baß Betbe Mangel
unb DZotb litten. Jugenb unb etne uuverborbne
Sftatur halfen ibm jwar enblicb bie XobeSgefabr
überwtnben, bod) mußte er nod) Monbenlang baS
Bette büten, unb ber Anblick feiner barbenben
Mutter, baö ©efi'tbl t'br noch lange nicht helfen J«
föntten, quälten ihn unabläfftg, mehr als Krankheit
ober ©djmerj, unb brachten ihn faft jur Vergwetf*
lung. $reunbe / Verwanbte, Bekannte, bie feinem
©cbmerjenSlager mitleibig nahten, bat er unab*
läfftg, ihm einen ©rmerbSquell anjuweifen, ben
er tn feiner gegenwärtigen Sage jur ©rletcbterung
häuSlidjer 9ßotb ergreifen könne, bochniemanb wußte
iRath.
13 *
-ocr page 201-'196
(B war eben um bte (uftige gaftnacbtSjeit, unb
mancherlei @ebvä«cf>e unb ßuflbarkeiteu waren tu
jeuett Xagen, befonberö bei ben unteren ©tänben,
tnt ©djwange, »on beneu unfre verfeinerte ©itte
nidjtS mebr weiß. ©o mar eö benu aud) bamald
<n ben nieberlänbtfcben ©täbten ©ebraud), baß in
tiefer 3eit allgemeiner gröblid;keit bte Armen unb
©d)macben, meld)e in ben f)ofpitälem verpflegt
Würben, in ben ©traßen von Hauö ju £)auö jogen,
eine große aut> £olj gefcbnifcte unb mit bunten
fiappen bebangene Puppe mit fld) herumführten,
unb ben Ktnbern buntbemalte Btlber^en febenkten,
»on beren Eltern fle bafür mit mandjerlet ®aben
wieber erfreut mürben. £)tefe 93ilbd)en, beren
man jur Sßertbeilung eine febr große Anjabl be?
burfte, beftanben auf illuminirten £oljfd)ttttten,
unb glücklicher 2ßetfe fam enblid) einer von SupnttnS
greunben auf ben Einfall, t'bm jum Anmalen biefer
Holjfcbnitte , alö ju einem ErwerbSjwetge ju
ratben, beut aud) wobl ein Kranker vorfteben könne.
Um ju begreifen, wie Qupntt'nä greuub gerabe auf
biefett, beut Hubwerk beä £>uffd)mieb$ fo entgegen?
'197
gefegten ©ebanfen verfallen konnte, muffen wir
wohl annehmen, t>aß Du^nttn ohnehin fd)ou in ge*
funben Xagen fidf> unb feüte $reunbe burcb rohe
Kunftoerfucbe ju ergoßen pflegte, eine VorauSfej-
jung, bie überbem febr natürlich fcbetut, ba ange«
borneS Kunfttalent, and) bei bern fdjwerften Drucf
ber Äußerlichkeiten, ftcb immer aitS Siebt bringt,
gietd) bem auf harten $elfengrunb gefalltten Samen*
forn, baS im $rüblingStbaue wentgftenS Keime
treibt, wenn gletd) fpäterhin fein gitnftiger Boben
bie febwadjen Surjeln ber ebleit ^flanje in Sd)u$
nimmt.
£5er fcbmad)e, faurn genefenbe Jüngling folgte
banfbgr beS $reunbeS wohlgemeintem Sftatbe, unb
bie leichte Arbeit gelaug ihm über fein (Smarten
unb hoffen. Seine Fertigkeit in ihr wudjS mit
jebem Xage, bie Sßilbdjen geriethen jufebenbS immer
beffer, fte gemauuen immer ausgebreitetem Abfa§,
uitb iJioth unb Sorge waren balb auS feinem fleiitett
Haushalte verbannt. Beffre pflege unb Siuhe beS
©emiithS beforberten mächtig feine gäitjlicbe Her?
ftellung, fo baß er nach einiger 3eit wieber völlig
'198
/ v
3« Kräften gelangte. £>och wäbrenb bem waren
mich bte frDbitdfjert gafcbingStage vorübergezogen,
«tan beburfte ber Bilbdjen vor ber £anb nicht
weiter/ unb Hlnpnttn mußte ftd? mteber, menu
gletdf) mit febwerem Herjeu, bent Slmbofe juwenben,
unb ber met't liebem Befdjäftiguug eittfagett , ju
ber bittre Roth ihn geführt batte.
Er lebte uttb hämmerte nun mteber eine SÖBetTc
fo fort, im bumpfbeflemmeuben fehnfiiebtigen
fühl, baö fo oft bett grübltng talentrefdher Jüugs
Itttge umbüftert/ bte ohne Mittel unb Sege baju
gu entberfen / bennoeb ben Xrieb jum Höheren
feringenb in fleh entpftnben. £)od) enbltd) ging ein
beller ©tern feinem ßebett auf / ber ihm mirflid)
ter rechten SSahn juleuchtete.
IDiefer ©tern jtralte tu bent Sluge etueé febr
fdjönen MäbdjenS, unb bem armen ©d)mtebejungen
gerabe tné Herj: !Daé hübfdje Ktttb mar nidjt von
fo hohem ©taube/ baß &uipntin ftd) ihr nicht hätte
f
nahen bi'trfejt, e§ fdjien ihm auch fogar, als ob er
nicht ungern mürbe gefebett werben / wenn nur
nicht feine fchmufctge ArbeitSjatfe, feine »om führen
'199
be« Hammer« geartete« H®ttbe, fern »du Konten*
jlaub gefd)wär§te« ©efici/t, ba« in nieberlänbtfcber
Sieiulidjfeit erjogne Mabcbett jurücfgefdjrecft hatten,
bem e« obenbretn an feiern unb Verehrern ntd)t
mangeite. Der arme Qupnttn mußte feiner iftotb
»ollenbö fein ©übe, als ein artiger gepikter ©efelf,
ein Maler feine« H*"bwerf«, ftd) ernftltcb um Ca«
Mabcben bemarb. ©r n>ar ber Verjmetflung nahe/
al« eine Äußerung ber Jungfrau, bie er burcb bie
brttte |)aub »ernahm , ihn plbjltd) mteber ermu*
thigte: 5öäre bod) jener ber Hufföwteb, unb
jQuqnttn ber Malerhatte (te gefagt, unb bieg
mar ihm genug, ©r ließ ben Simbo« fteben, marf
beu |)ammer meg, unb fld? ganj ber ftunft in bie
Sinne, gu ber fdjon längft fein innerer ©eutu« ihn
gejogen hatte.
Mit bem ©ifer ber Jugenb, »on beißer Siebe
getrieben, Durcb fcbnelle« feltne« ©elingen begetftert,
arbeitete er nun Xag unb 9iad)t, unb, mie bebaup*
tet mirt>, ohne bie Seitung eine« Metfter« gu H"ffe
$u nehmen; wa« ihm mabrfcbeinlicb meber feine
Sirmuth «otl) ber Sßunfdj/ bie ©eliebte feine«
'200
i>ergenS balb heimzuführen , ertaubte». £>enn
nad) beut ©„brauche bantalt'ger 3eit/> in ^er ÖUCh
bte Kitnft junftmäßig betrieben warb, hätte er
m'd)t nur ein ßebrgelb jabten, fonbern ftcb aud) auf
mehrere Jahre bei einem Scbrherrn »erbtugen
muffen , bie er ju opfern ntrf)t SWenS mar.
£)urd) fleißiges ©tubtum ber Ratur unb ber
»ieten herrlichen Serie großer 'Üi elfter, melcbe
feine, ju jeuer 3eit lebenSretdje unb practjtvotfe
Äfoterftabt Antwerpen fchmiicften , machte er t'it
furjer 3ett bte bewunbernSwürbigften gortfcbritte in
ber Kunft, unb warb um fo eber berühmt, b<1
Jeberinaun auch burcl) bte fctjnette Entwicfetung
fetneS XatentS, unb bie wunberbare Umwanblung
etneS HnffcbmtebS in einen Mater in baS größte
(grftaunen oerfe^t warb. ©ein fd)öiteS Mäbdjen
belohnte ihn, wie billig, mit ihrer £>anb, er führte
mit ihr unter feinen SanbSlettten ein tangeS glücfi
licbeS ßeben in £(n*e unb Soblhabenheit, uttD auf
alten feinen (Bemühen , wo eS nur irgenb ber
gettftanb ertaubte , liebelt un§ nod) immer, nach
mehr als brethunbert Jahren, ihr freunblicfyeS an*
-ocr page 206-'201
mutbtge« Köpfchen entgegen, benn er liebte fie
immerfort mit unwandelbarer Xreue. Sinei) bt'e
Xonfunft oerfebonerte fein Ceben ; er übte fie mit
großem ©einigen , unb war beSbalb unter feinen
CaubSleuten ebenfalls befannt unö geliebt, ©r
ftarb 15211 im neun unb ftebjigften Jahre feine«
Alter«. 3Bte boeb feine Vatevftabt ihn ehrte, be*
weift fern in Stein gehauene« 4|Jreftl , an ber
Außenfeite Der Marienf'trcbe ju Antwerpen , mit
ber Umfcbrift be« befaunten Verfe« „Connubialis
Amor etc."
Jn ber Ausübung feiner Kunit war Oupntin
Meßt« fein blinber 5Kad)al)mer be« fd)on Vorgefunb*
neu. Sein fräftige« beharrltdieö ©emiitirbabnte
ftd) einen eignen 2L'eg unb feine ©ebtlbe tragen
beit Stempel einer ihm gong angebörenben Drtgtna*
lität, bie ntebt obne Armüth ißt. (£r »erfd)mähte
bte jterltdje unb ausgefüllte Vollenbitttg ber üOieifter
fetner 3ett , »ermuthlid) weil feine burd) febwere
Arbeit in ber Jugenb minber gefügig geworbne
£anb ihm ntd)t erlaubte, e« ihnen hierin gletd) j«
tbuuj bafür aber erfanb er ftd) eine etgenthümlidje
'202
Art, auf ben Effekt (;ttt gtt arkttc», bte »Dt* ihm
Siitcmaü'b weber kannte ttod^ übte, ©ein Kolorit ift
j»arm unb kräftig, obgleich eS fiel) mit »an Epck4
«nb Hemlt'ngS garbenglut niebt mefiTen kamt. Mtt
feftem herzhaften ptnfei ftellte er waS er wollte auf
bie Xafel bin; in einiger Entfernung gefeben, er«
fd)tenen feine (Semälbe fogar febr fleißig gearbeitet,
wenn gleich etwaö troefeu uttD fcharf gezeichnet
©er warme Xon, bte anfdjetnenbe Ausführlichkeit
geben t'bnen einen gang eignen Retj, boeb in ber
Rabe fd)winbet ber 3a»ber, ben t'bnen bt'e gerne
»crlteb/ ttnD manftnbet fie im QSergletcb eber etwaf
raub unb bart.
Einef feiner oorjüglidhften ©entälbe, »ielletcbt
baS befte unter allen, eine Abnahme »om Kreuj,
befanb ftd£> ju Karl »on -JOiattöerö Reiten tn ber
Marten ? Ktrdje ju Antwerpen, ©en tobt baltegen*
ben EhriftuS hat er, wie man glaubt, nach ber
Sftatur gemaltj ber AuSbruck beS ©chmerjeö ber
Mutter, ber heiligen grauen, unb ber übrigen
Umftehenben , fo rote auch bte Behanblung ber
Starben, wirb als febr vortrefflich gepriefen. ©t'e
m
-ocr page 208-'203
eine ber ©eitentafeln fteCfte ben heiligen Johanne«,
bie gwette bte £od)ter £)erobcö tm Xanje bar, unb
obgieid) ba« ©anje ebenfalls auf ben (Sffeft gemalt
war, fo erregte e« bod) wegen fetner übrigen Xreff?
Itcbfett ntd)t nur allgemeine Bewunberung, fonbertt
warb aueb von Kennern febr boeb gehalten. DtefeS
©emälbe geborte urfprüngltd) ber Xtfcblergtlbe ju
Antwerpen, für bte Qu^nttnMeßt« e« gemalt hatte.
König Philipp ber jweite von ©panien ftrebte eifrig
nach beffe« 25eftt3 ; bte £)enott« mögen bamal« bodj
uod) ntdjt ganj üblich gewefen fet;n, bettn er begnügte
ftd), große ©ummen bafi'tr ju bieten, ebne baß
jebod) bte Xtfd)lerjunft fleh bagu bewegen ließ, ba«
Kitnftwerf bafür hittjugeben. SReue (Gefahren
brobten bem Meifterwerfe balb barauf, al« bie
Btlberftürmer »ernichtenb herumzogen , boch e«
warb forgfälttg »erborgen unb gerettet, wo fo
»tele« 51t ©runbe ging, ©itbltd) im Jahr 1577/
jwangeu bte ilmftänbe bte Beft^er e« an bte ©tabt
Antwerpen felbft ju »erlaufen, welche ihm ben
<£breupia£ tu ber Marten?Kirche einräumte, ©te
erhielten bte bamdö beträcbtlidje ©unirne »o«
'204
funfjehnbuubert ©»(ben bafür, bte fle jum Anfauf
einef 3unf^aufe^ »emenbeten , beffen fle nöthig
beburften.
Die Botffere'efchc (Sammlung beflißt ebenfalls
ein fetjf »orgitgltdjef ftgurenretdjef ©emätbe btefef
Meifterf , beffen ©egenftanb mir tnbeffen nicht
mehr gegenwärtig genug ift um eö hiev näher ju
befdjretbett. Auch habe ich in anbern Sammlungen
mandie feiner Arbeiten getroffen, alte »on fröhlichem
hetterm (Stttbrucf, boch mögen fte tut ©attjen jefct
fetten fepn.
Johann Meßtö, £htt)ttttnä Sohn, war ju*
gleich beffen ©d)üler, unb galt ju feiner 3eit für
einen über bte Mittelmäßigkeit ftd) erhebettben
Maler, ohne bet wettern ben Rubm fetnef 93ater3
ju erreichen. Jebod) machte er fleh beffen Art ju
malen fo ju eigen, baß manche feiner Arbeiten für
bte fettteê 9ßaterf gehalten würben, unb »iettéid)t
eê noch werben. Die ©alterte tu Schiesheim befaß
»on btefern Johann Meßtf eine Abbilbttng bef (£»an*
geliftcn Matthäuf tu halber gtgur, W ftd) wahr*
fdjetultd) jefct itt ber Münchner ©allerie beftjtbet
'205
©tu« feiner gelungenften SfÖevfe war eine 38ed)«(er*
ftube, tu welcher nach bamaltger Art, @Dlb gewogen
unb gejählt wirb. £>tefe« Bilb malte er für einen
Kunftltebbaber tu Amfterbam, unb tch glaube e« ju
Berlin in ber oft fcbon erwähnten «Sammlung gefehn
ju haben, wo man eS utt« alö ein S33erf feine«
Vater« geigte. Sind) befanben ftd) ju Antwerpen
mehrere gute Arbeiten bt'efe« Meifter«, bte jetjt
wohl größtenthetl« gerftreut fuib.
'206
latent wn SBruflci, auci) 33ernf)arb
Don Deia^ genannt.
Seit freunbltcber alf bent armen £üutjnttn
iWeßtf läc^eite baf ©lück ber ©eburt btefem Meifter,
ber fcbon in früher Jugettb nad? Rom tarn, wo er
unter bie ^^bt von Raphaels ©djülern attfgenom»
meit warb, ©o »om ©djickfal begünstigt, bilbete
er fein angcborneS unb aufgejetdjnetef Talent auf
baf aller melfeittgfle auf 3 er malte in Dl, mit
■EBaffer färben, auf ©laf, allef mit gleichem ©e*
fingen, unb kehrte enbltd) als »offenbeter Metfter
uadb 93rabant jurücf, "wo Katfer Karl ber fünfte ihn
«nter bte $abl fetner Hofmaler aufnahm. 33efon<
berS erwarb er fld? bte ©unft biefeS gürften burd)
mehrere große Jagbflücke, nach welchen ber Katfer
in bett funflretdhen ^abriefen »on Brüffel koflbare
unb prächtige Xapeten weben lief. Sie ©egenb
unb bie Haltungen um 95rüfcl roarett in btefen ©e?
mälben auf baf treufte koptrt, fo baß Karl ber
fünfte bett ©cbaupla^ feiner ehemaligen ßuft in ihnen
wieber erkennen konnte} and) war bejfen Btlbntß
'207
tmb ba« ber Fürittnnen unb dürften feine« Haufe«,
bte bei ben Jagbfeften gegenwärtig gewefen, in
biefen ©emälben vottfemmen cibnltd) bargefteßt*
Au« bem Dienfte Karl« be« fünften trat Bern*
»
batb von Delat) in ben ber ©tabtbalterin ber
SKteberlaitbe , Margaretha von ^arma , Katfer
Karl« natürlichen Xocbter. Aud) tiefe $ürfttn getcb*
nete nad) bem Beifptel tbre« Vater« ben Künftler
auf ba« ebrenvoßfte au« unb belohnte äße feine
Arbeiten mit königlicher Freigebigkeit, fü taß er
fid) ntd)t nur ©bre fonbern aud) ein beteutente«
■Vermögen erwarb. $ür tiefe Fürfttn, fo wie
früher für t'bren Vater, malte er auger vielen
«nbern bebeutenben Serfen aud) noch mehrere große
Vorbtlber, Karton« ober Patronen ju gewirkten
Xapeten, bamal« ein -^aui-tgegenftant be« Sujcu«
in ben ^attäjten ber ßkoßen. ©ecb«jebn von btefen
würben fajt hunbert Jahren nach ihrem ©ntftehen
im Haag wieber an« Siebt gebradrt; auf jebem ber?
felben fah man eine Fürfttn ober einen Fürft au«
bem öiaffauifchen Haufe ju Uferte abgebilbet, unb
aße waren von fo feltuer Vortrefflicbfett , baß ber
'208
bamalige ©tätigtet: ber Rteberfanbe, !0?ovi^ von
Raffau, ftd) bewegen füllte, fte burcb ben tu Delft
wobnenben Maler, £)anö Jorbaen von Antwerpen,
foptren ju laffett.
Dtefer Metfter war bamafö hoch berühmt, ntd)t
nur wegen fetner Jtunft, fcnbern and) wegen fetner
feltnen gerttgfeit unb ber wenigen beren er
jur SßoKenbung etneö ©emälbeS beburfte. 3«
Jtalten, wo er fld) lauge aufhielt, pflegten feine
Kuuftgenoffen beSbalb ju fagen: er fd)i>pfe feine
gtguren mit bem Söffel auf ben garbentöpfen
berattä, unb von btefem ©djerj trug er aud) fpäter?
bin tn feiner ben Ramett ^otlepel (Xopf*
löffei) baoon.
Reben ben Arbeiten für ben £>of, fdjmitcfte
SSerttbarb von Oelap aud) viele Kirchen unb öffent?
ltd)e ©ebäube tn ben Rieberlanben mit großen ®e#
mälben von bebeutenbem iöerth. EtneS ber be*
rühmteften unb fd)önften berfelben befanb ftd) in ber
Kapelle ber AÜmofenpfleger ju Antwerpen ; ef flößte
baf jüngfte ©ericbt vor. £)te iafel, auf welche
tr btefeä SÖilb malte, ließ er vorher ganj übergol*
'209
bett, woburd) feine Farben an ©lang unb Durd);
fidjtigfett itnenbltd) gewannen , befonberS tu beu
Suftpartbteen, tn welchen Der golbtte ©runb ftcbtbar
hervorschimmerte ; wabrfdjetnltd) um, wte auf bem
Danjtger ©entälbe, bie übertrötfcbe Sltmofpbäre beS
geöffneten Rimmels anjubeuteu. DeScamp gibt
btefeS ©entälbe für eine grüße gemalte Fenfterfdjeibe
an«, rnetl er wabrfdjetnltd) mit gewohnter Flüchtig?
feit ftd) nicbt bie -Diübe nahm, Karl von MattberS
93efd)retbttng beffelbett recht gu verfteben , ttnb
FueSlt ließ ftcbbaburd) verleiten, eS in feinemKünft?
ter - Serifott ebenfalls als feld)e anzuführen, DtefeS
gu miberlegett bebarf eS faum mebr als bcr 25e?
merfung baß eine ftarf mit ©olb belegte Fünfter?
fdjetbe unmöglich burcbftd)ttg bleiben fann, maS bocb
ein Haupterforberntß ber alten ©laSmaleret mar»
»
UbrtgenS mar 93ernbarb von Oelat) , wte fcbon
früher ermähnt warb, aud) in btefer, feinem 3eit?
alter eigeutbümltdjen Kuttft ein großer Meifter, Unb
viele Kirchen in Brüffel prangten mit foldjeit fchtm?
mernbett SBerfett von fetner |)anb.
gi'tr bie ber Malerjunft eigene Kapelle ju
-ocr page 215-'210
£0?ecf>eiit malte Bernbarb von Delap eine febr ge*
priefine ©arftellung ber heiligen Jungfrau mit bcm
Ktnbe ·, »or ihr tft ber heilige SufaS im Begriffe, bie
himmlifche Erfcbetttung auf feiner Xafel ttacbjujetd)?
nen, Die ©ettenbilber btefeö Altargemälbeö maren
von Michael EorctS, »oit bent in bett näcbft folgen?
ben Blättern ausführlicher gefprocbeu werben wirb,
Jn unfern 3eiten f*tt& Bernharb »on DelapS
(Semälbe fehr feiten gemorben, bod) beflißt bie
Boiffere'efcbe Sammlung etneS berfelbeit, beffett
feltne iöortrefflicbfeit in ber Ausführung , getft?
reiche Kompofltton uub hohe Raturmahrhett itt 51 uS*
brucf uub gorrn, ben 2ßertb biefeS alten MeifterS
auf baS anfchaulidhfte beurfunben, SS ftellt ben
heiligen SiiorbertuS »or , ber im Anfange beS
zwölften JabrbunbertS Btfcbof »Ott Magbeburg
würbe unb furj »orber nach Antwerpen gerufen
warb , um mit einem bamalS berühmten Ke£er
«ber ©laubenSartüfel ju biSputtren unb ihn wo
möglich ber Stöahrheit jujuwenbett.
©er heilige Btfcbof fleht in btefem ©emälbe
auf ber nicht fehr hohen Kanjel einer fd;önen, mit
'211
meuteren 3«höreru belebten Kirche, ©t'nbringenbe
Berebfamfett, fefte Überzeugung, unb ernfteê i)tn*
ftreben jum 3wecf fwb bcr Auêbrucf fetueè eblen
(SJefidfjtê unb fetner $mar mannen bocfj gemäßigt
ten 3iebnergeberbe. (£r fcbeint eben ein febr ein?
brtngenbeê Argument vorgebracht ju haben, unb
beobachtet ben ©inbrucf beffelbett auf feinen t'bm
rechts gegenüber (tebeuben ©egner, Mit bem
AuSbrucfe tnnern Kampfes, halb erfreut , halb
betrübt, achtet btefer mit gefpannter Aufmerffants
fett auf bt'e Sorte beS 3îebnerS, mabrenb fetne um
ihn »erfantmelten Angehörigen, von einer Art innerer
Benommenheit ergriffen , ben AuSgang ermarten.
Siteben bem Keiner bat ber Maler fein eignes Btlb
unter ben 3ubörern angebracht, an beffen Ähnlich*
fett mit befannten Abbtlbungen beS MeifterS bt'e
Beft^er juerft btefeS ©emälbe für eine fetner Ar*
betten erfannten. Unter ber Kandel ft£t eine febr
fcböne Frau mit ihrer faum ber Kinbbeit ent*
machfenen Xochter \ baS junge Mäbchen fühlt fleh
mit jugettbltcher ©cbmârmeret von ber et'nbrt'ngenbeif
Sftebe ergriffen, mährenb bie Mutter mit bem
14 *
-ocr page 217-212
©rufte ber Erfahrung unb bem rubtgen Abrorttrteit
beS reiferen AlterS nur ftttt ftnnenb bem Vortrage·
be$ -fjctitgen aufmerffam gu fotgen fcbeint. £)a£
gauje ©emätbe tft nicbt groß, bDch baö ßeben,
ber AuSbrucf in biefen fletnen gtgureu, fo rate and)
bie gange Anorbnuug unübertrefflich. SSernbarb
»du Delai) erregte , wie faft alte Mater feiner
3ett, ein bebeutenbeS Alter. Er ftarb, flebenjtg
Jabre alt, tm Jabv 1560.
'213
IDtefem Meifter warb , wte in Jobantt »<ut
€i)cf« geben früher erwähnt tft, bte ©hte,- ba$
berühmte Altarbtlb tn @ent für König ^btltpp »on
(Spanten ju foptreit. Jm Jahr 1497 ju Medjeln
geboren, jetgte er fdjon tn früher Jugenb bte au§*
i
gefprocbenften Anlagen für feine Kunjt, welcbe er
alê ©cbüier BernbarbS »Ott Delap burd) ben rühm*
Itdjflett $letß auêjubilben ftrebte. Mit unermübe*
tem ©tfer menbete er alle feine 3eit auf bte Befol*
guttg ber Sebren feine« Metfter«, fanute fein anbre«
Vergnügen al« ba« ©eltngen fetne« (Streben«, unb
»erlebte fo feine Jugenb in Mäßigfeit unb Arbeit,
ohne ftcb »on feine« ©letdjen ju ber Verberbtheit
ber (Sitten bttttetfien ju lajfen, bte in ben SWteber*
lanben gerabe ttt feinen Jugenbtagen nur jtt aft*
gemein berrfcbenb murbe.
Sfiadb »olienbetett ßebrjabren jog er, mie früher
audb fetn Sehrer gethan batte, nacb Dtom, mo er
geraume 3ett »erweilte , unb unermübet ber
Äwtft lebte, (£r jeicbnete unb malte »iel nad)
'214
/
Raphael «ttb anberit großen italtantfcben Metfiern,
«ahm Rath uttb ßebre an, uttb warb balb aud) burch
Übertragung bebeutenber Sirbetten ehrenvoll aufge?
jetcbnet. ©o malte er unter anbern tn ber alten
Peterfftrcbe ju Rom eine Auferftebung (Sbrtftt al
Fresco auf ber Mauer ; auch bte Kirche ©t. Maria
della pace unb anbere prangten mit feinen
Serien.
5ln ber |)anb «Her ttaltäntfcben ©attin febrte
Michael Eorctö enbltcb mteber tn bte Hctmatb jurücf.
£)tefe mar eine eben fo »erftänbige als geistreiche
grau, meldte bttrcb tbr flttlicbeö Betragen ftcb uttb
tbnt allgemeine Sichtung erroarb. ©ie ijteit fomobl
burch Xbetlnabme an feinen Kunfl wer fett als burch
Bitten unb Ermahnungen jtt ftetem gleiße ihn an,
ititb »eranlaßte baburd) nach unb ttad) bte Erwer?
bung etneS bebeutenben Vermögens. Rad)bem fte
mehrere Jahre glücfltd) mit ihm »erlebt hatte, ftarb
fle, unb Michael SorciS mahlte balb barauf unter
feinen ßanbSmänntnnen eine jwette ©atttn , bod)
»on minber auSgejetdjneten Etgenfcbaften, Siefe
zweite Ehe blieb fütberloS, auf ber erften aber
215
ijatte Michael einen ©ob« / ÌftamenS Raphael,
ben er für tic Kunft bilbete,
£)tefer warb jwar ein gan$ guter Maler, boch
gewiß fein Raphael, woju ber Vater ihn bod? in ber
Xattfe befttmmt ju babeit fdjetnt. Wenige feiner
Söerfe ftnb auf bie 9fìad)welt gekommen , bennoch
erhielt er fpäterbtn etite Art *>on Berühmtheit burdb
feinen ©cbi'tler (£aSpar be (SrapeS, weldjer ju Alt*
fang beS ftebjebntett JabrbuubertS unter bie banialS
»orjügltcbflen in $lanbern lebenbett Maler gewählt
warb,
£>aS erfte ©ernalbe, woburch Michael (SorciS
ttad) feiner ^ücffunft auS Stalten ftcb berühmt
machte, war ein großes Altarbilb, ein gefreujtgter
©brtfluS, int ©d)loß £>alfeuberg, wenige Meilen
von Brüjfel, ju welchem alle Kunftoerftänbtge ttnb
Künftler auS Britffel btnjogen, um eS mit freubtger
93ewunberung ju. betrachten. ©ine Darftellung beS
XobeS ber heiligen Jungfrau, auf bem Aitar ber
Kirche ©t, ©alluS in Brüjfel, war ebenfalls ein
herrliches aßbewunberteS 2Berf uuferS MetfterS,
boch letber fam btefeS, fo wie auch baS »orer*
I
-ocr page 221-'216
malmte , fpäterbin wäbrenb ber «tebcviänbtfdf?e"
Unruhen in bie Haube etiteö gewiffett Xbomaf
Sern), einef Kunftbänblerf , ber in jener traurigen
3ett bie allgemein l)errfd)enbe 9taubfud)t unb Utt?
Drbuung benutzte , um btefe unb »tele anbere berr?
ltdjen Kunftwerfe umfonft über für ein ©pottgelb
ju erhalten , unb fie bann ttad) ©paniett führte,
wo man fte mit @olb aufwog. Unzählbare Kunft?
werfe würben bamalf auf btefe Seife beit unglücf?
Itdjen Rieb erlauben entführt, auch bie betben ©ei?
tengentälbe, weld)e Mtdjael Sorct'S 311 93ernbarb
»on Delapf Abbtlbung bef Evangeliiten Sutaf unb
ber heiligen Jungfrau tn ber Kapelle ber Malergtlbe
$u Mecbeln gemalt hatte, unb bte ju ben beften
feiner Arbeiten gejäblt würben.
Säbreub etitef fehr langen glücklichen 2e?
benf gingen »tele größere unb kleinere (Semälbe
auf ber Sertftatt bef fleißigen Metfterf beroor.
©0 hatte er unter anbern für bie Marten? Kirdje in
Antwerpen einen heiligen ©ebafttan oon feltuer
Schönheit gemalt, unb eine Einfettung bef heiligen
Abenbmahlf/Weldje ben Altar ber Kirche ©t. ©alluS
'217
tit SSritjfel fcbmücfte. Überall fltebte man nacf>
bem 23eft£ fetner 2öerfe , bod) wollten Künftiger?
ftättbtge fetner ^cit feinen früheren Arbeiten vor
ben fpäter entftanbnen tn mancber H"tftd)t ben Vor*
jug geben, (£r felbft hatte bte tmttgfte Freube an
feiner Kuttft, ttnb bewahrte mehrere fetner ßteblingS*
Arbeiten, bte er um feinen ^retß wegjugeben ent«
fdjleffen war, in breten ^allaft; ähnlichen Häufern,
weldje tn Mecbelu fein Gsigentbum waren, uttb
einen Xbetl fetner großen wohlerworbnen Dffetcb*
tbümer ausmachten.
Mit leichtem feinen ^tnfel wußte Michael
(SorctS feinen ©eftalten etmaS bod)ft gefälliges unb
fyettrcS ju »erlethett, uitD obgleich man baS fräftige
naturgetreue Kolorit feiner großen Vorgänger wohl
juwetlen oermtffen fönnte, fo tft eS bod) unmöglich,
bem 3<mber fetner leicht aufgetragneu bellen fchÖnen
Farben ju wtberftebctt. 3öte uttbefdjretbltd) retjenb
er feine weiblichen ©eftalten barjuftellen , wie
föftltch er fte ju fchmücfen wußte, beweifen jwei
©emälbe tit ber Botffere'efchen Sammlung. JebeS
»on biefen enthält nur eine einzige Figur; baS eine
'218
bte Slbbtlbung ber heiligen Katharina, baê anbere
bte ber heiligen Barbara, betbe fiirftlich gefdhmncft,
mit Juwelen, @olb, perlen unb hellfarbigen glatt*
genben ©ewanbern, RicbtS fanti lieblidher fepn
alö btefe beiben jugenbltd)cn Köpfchen, befottberS
halber heiligen Barbara ; ein jarter burebftchtiger,
leicht gefdjlungtter (Schleier bilbet ihren höchft ge*
falligen Kopfpu£. Eigne Erftnbung bei ber £)arftel*
4
lung bebeutenber Momente in feinen großem Korn*
pofittoneit mar tubeffen nicht bie glängenbfte (Seite
btefeê fonft fo trefflichen 93?etfterê. Dft bet ber
3ufammeuftellung feiner ©ruppen tu Verlegenheit,
half er ffcb mit feinen auê Jtalten gebradhten
(Stubien, mit Erinnerungen auf ben Serien feiner
bortigen berübmteften Kunftgenoffen. SDeêtjalb mar
er höchft unjufrieben als HteronpmuS Eocf eine
(Sammlung Kupferftiche nach Raphaels Serien ber*
auSgab> meil baburch offenbar mürbe, mie febr er
biefe, befonberS bei fetner ©arftellung ber fterben*
ben Maria, benutzt b«tte.
Bei feinem großen Retdhthum warb Michael
EojcciS bennod; nicht leifftg im Erwerb unb »er*
'219
fcbmabte ihn feifcft im Kleinen nicht* ©o ^atte er
eine ihm eigne 3lrt, etne metge -iBanD von oben
luS unten nut alteriet artigen Verzierungen ju be«
becfen, bie er febr bebenbe mit Der Kohle hin $u
Zeichnen wußte, unD ließ ftd) Durcb fletne tbm attge*
oebrne ©efcbenl'e leidet Daju bewegen.
Den Mangel an innerer, Alle« belebenden
®}Joefte, Der auS feiner Verlegenheit bei Der Kompo*
fttion größerer ©emalbe hervorgeht, erfet^te bei
ihm, wie bet fo vielen fonjt getftreicben Männern,
ein leichte« fdbnelleS Sluffaifung« * Vermögen, unD
eine große Fertigfeit, zwei ganz entgegeugefe^te
©egenjtänDe mit einanDer z» vergleichen. ©ein
heitrer Umgang warD Deshalb von Vielen gefucht,
Doch «weh von Vielen gefürchtet, Denn er verlebte
oft Die, welche ihm nahten, Durch fchorfe beißende
Sieben unD wiiitge ©infälie, Die niemand fchonten.
Dteß erfuhr unter anDern ein junger Maler, Der,
ferner belaDen mit ßeiebnungen unb anDern Kunft*
werfen, au« Jtalt'en zurücf'fehrte, unb Die einbei*
mtfdjen Kunftverwanbteu unD Freunde einluD, fte
«nzufeben. 211« er nun bei Vorzeigung feiner ©cha^e
'220
mehrmals über bie ©dbmere ber getragenen Saft
klagte, unb mte wunb fte tbm auf bem langen Sege
ben Rücken gebrückt habe, maitbte ftcb COitdjael
gorciö plögltd) mit ber grage au ibn: 2Barum er
fle ntdjt lieber unb bequemer tut 95ufen mit ftd>
getragen babe? ©er junge Meufd) erklärte tbm mit
großer Raivetät: mte baö Paket bajtt m'el gu groß
gemefen fei), ©o. äufferltcb batte eö ber -Üietfter
freilich nicht gemeint, mte bie Aumefenbett gur 93e?
fdjäntung beö jungen Malers teiebt etnfaben.
Michael (SorciS erreichte in ununterbrodjener
ilbätigkeit, in ©lück unb äßoblleben, bie äußerfte
©ränge beö menfeblicben SebettS. 3llS gefunber
rüfttger ©reiö arbeitete er nod) im fünf unb neunjtgi
ften Jabre an einem ©emälbe im ©tabtbaufe gu
Antwerpen, batte aber baö Unglück um biefe 3ei*
«ine Xreppe beruntergufalleu , unb ftarb an ben
folgen bavon im Jabr 1592.
227
©tu günfttgeS ©efd)üi bewahrte unS red)t ölt*
Ztebenbc 3vottjen über bte (Eltern imt> bie Jugenb
beö großen eblen Metfterö, »on fetner eignen £>anb
ntebergefcbrteben , nnb td) freue mich um fo mehr,
mit fctttcn eignen Sorten biefe feinem Anbenfen
gemibmeten Blätter beginnen ju fönnett, ba er felbjt
iit ihrer riibrenben treuherzigen ©tnfalt gletd)fant
mte lebettb oor unö fleht, fromm nnb gut, einfad),
@ott ergeben uttb arbeitfam, mte er eö mar un'o
blieb , btö an fein ©nbe*
//3S Albredjt Dürer, ber jüngere, bab
„famra engetragen auS metneö Vater« ©cbrtftett,
,,»on mannen er gemefen fei), mte er bekommen
„unb blieben, unb geenbet feltglicb, ©Ott fep ibme
„unb un$ gnäbtg, Amen/'
„Albrecbt Dürer ber ältere tft au« feinem ©e<=
,,fd)lecbt geboren im Königreich ju ^umgarn, nicht
„fern von einem ©täbtlein, genannt Jula , acht
/,Meilen äßeg« weit unter Harbern, au« einem
'222
„Dörflern, babet gelegen, mit Ramen
„SptaS/ unb fein ©efdjledbt bat ftd) gendbret ber
„Dcbfen nnb Pferbe, aber meines VaterS Vater
,/tft genannt gemeft Antoni Dürer, ift ÄnabenmetS
in baS obgebaebte ©täbtlein kommen ju einem
©olbfd)mtbt, nnb bat baS fjaubmerk bei t'bm ge*
^lernet Darnad) bat er ftd) »erbeiratbet mit
„einer Jungfrauen mit Ramen Eltfabetb, mit ber
„bat er eine Tochter, Eatbartna unb brer ©ohne
//geboren/ ben erften ©obn, Albred)t Dürer, ber
„tft mein lieber Vater gemeft, ber ift aueb ei»
//©olbfcbmibt werben / ein künftltcber reiner
z/Maun. Darnach ift Albred)t Dürer, mein lieber
Vater/ in Xeutfcblanb fommeu/ lang in Rieber*
lanb gemeft/ bei ben großen Künftlern, unb auf
bie legt ber gen Riirnberg kommen , alS man ge*
jeblet bat nacb Gbriftt @eburt 1455 Jabr, an
Sotten Xag / unb auf benfelben lag hatte
PbiÜPP Birkbeimer Hocbjett auf ber Veiten, unb
mar ein großer Xanj unter ber großen ßt'nbeu;
//
//
//
/f
//
//
ff
tf
„barnacb bat mein lieber Vater, Albrecbt Dürer,
„bem alten Jeronpmuö Heller, ber mein Ahnherr
'223
„gewefen ift, gebtent eine fange 3ett/ btä baß
„man ttacfy ©brtfti ©eburt gejeblet bat 1467
„Jabr / ba bat t'bm mein Slbnberr feine Xocbter
^geben, eine bübfdje gevabe Jungfrau, Barbara/
z/15 Jabr alt, unb bat mit tbr £od)§ett gehabt
„acht Xage »er Vitt. 2(ucb ift ju mtffen, baß
z/meine Slbnfrau, meiner Mutter Mutter, ift be3
„Delltngerg Xocbter »du SSetffenburg gemeft, bat
„gebetffen Kuntgunb , unb mein iieber Vater bat
„mit feinem ©emabl, meiner iieben Mutter, btefe
„nacbfolgenbe Ktnber gejeugt, baö fe$td), wie er
„baS in fein Bud? gefebrieben bat, »on äßort ju
„Bor t."
Hternäcbft folgen bie »om alten Dürer aufge*
jeicbneteit Familien ? 9fiad)ricbten , ©eburt« * Xage,
9iamen unb Rathen jmeier fttnber, bann fäbrt er
r
Wetter fort ben ©eburtö^Xag unferS 3tlbred)t Dürer
anzeigen.
„Jtern nacb ©briflt ©eburt 1471 Jabr in
„ber feebften ©tunbe, an ©♦ sprubentten * Xag,
„an einem Freptag itt ber (Ereujwocben, gebabr
//mir meine Hausfrau meinen anbern ©ob«/ jw
'224
„bent war ©eoatter Antoni Koburger, unb uannt
„tl)it Albred)t nad) mir."
Run folgen wteberunt Ramen , Rathen unb
©eburtê?£ag oon nod) funfjebn ©efdjwiftern, anf
bic nämliche 2Betfe von bem Vater Albred)t Dürerö
treulich ntebergefdjrteben, etn langeê RamettiRe?
giller, nad) beffen Beenbtguttg Albred)t Dürer ber
©obn wteber bte geber ergreift,
„Run finb btefe meine ©efdjwifterigt, metuef
„lieben Vaterê Ktrtber, alle geftorben, etliche in
„ber Jugenb, bte aubertt, fo fte erwad)fen, allein
„leben wtr bret 53rüber uod), fo lang ©ott will,
„nämlich td) Albrecbt, unb mein Bruber AnbreaS,
„beögletcben mein Sßruber |>annê beê RamenS,
„metneê Vaterö Sïtnber."
„Stem btefer Albrecbt Dürer, ber ältere, bat
„fein Seben mit gr offer -Jftttb, unb fcbwerer barter
„Arbeit jugebradjt , unb »oit ntd)ten anberè
„Rabrung gebabt, Benn roaê er oor ftcb, fetn ÏÖetb
„unb Ktnb mit feiner £>attb gewonnen bat, barunt
„bat er gar wenig gebabt. Er bat and) mancherlei
,,Betriibung, Anfechtung unb Siberwärtigfeit
'225
„gehabt, <£v b<*t «u<h *>orr mänm'gltdb, bte ib»
„gekannt böben, ein gut 2ob gehabt, benn er hielt
„ein erbar ßbriftlid) Sebeit, war ein gefcultig Mann
„unb fanftmütbtg, gegen jebermann frteDfam, unb
„er war feft banfbar gegen ©ott. ©r hat OS auch
„nicht viel weltlicher $reub' gebraucht, er war aucf>
„weniger SBort, hat nicht viel ©efeöfdjaft, unb
„warb ein ©otteöfürcbtiger Mann/'
„Dtefer mein lieber Vater hat großen $leig
„auf feine Ätnber , bte auf bie ©br ©Dtte« j«
„gießen, benn fein böcbft Begehren war, baß er
„feine Ktnber mit 3ucht mohl aufbrächt, bamit fle
„vor ©ott unb ben Menfchen angenehm würben,
„barum mar fein täglid) ©pracbju un«, baß mir ©ott
„lieb folten haben unb treulich gegen unferm
„Sfiächften hanbeln, unb fonberlich hatte mein Vater
„an mir ein ©efatten, ba er fahe baß ich fleißig in
„ber Übung ju lernen mar, Darum Ite« mich mein
„Vater in bie ©d)ule geben, unb ba ich febreibe«
„unb lefen gelernt, nahm er mich wieber au« ber
„©chul, unb lernet mich ba« ©olbfcbmtb; 2Berf,
„unb ba ich nun fäwberlich arbeiten fonnt, trug
m
„mich mein Cuft mehr gu ber Maierei bemt gu bem
„(S o lb fdjmib * 5©er f. £>aö hielt id) meinem Vater
„für, aber er mar nicht wohl gufrieben, benn ihm
„reuet bte »erlerne 3eit, &ie ct* ^it ©olbfcbmib*
„Sehr hatte gugebradjt, bod) lte§ er mirö nad), unb
„ba man gablet nad) Ehriflt ©eburt i486 an
„AnbreaS«%ag »erfprad) mich mein Vater in bte
„Sehr?Jahr gu Michael Solgemut, brei Jahr
„lang ihm gu btenen. Jit ber 3e'* »erliehe mir
„(Bott gleiß, baß ich mohl lernete, aber »tel »oit
„feinen Knechten leiben mu{te» Unb ba td) auöge?
„bient bat, fehteft mid) mein Vater hinmeg, unb
„blieb »ier Jahre auffen, btö baß mich mein Vater
„wieber forbert. Unb ald ich im 1490 Jahr
„hinmeg gog nach Dftern, barnach Fant ich wieber
„<xlö man gählt 1494 nadh ipfingften. Unb als id?
„anbeimS kommen mar, banbelt £an3 grep mit
„meinem Vater, unb gab mir feine Xod?ter, mit
„namen Jungfrau SlgneS, unb gab mir ju ihr 200
„(Bulben, unb hielt bie i?DCh$eit, bte mar am
„Montag, »or Margarethe im 1494 Jahr. Dar*
„nad; begab fld) 3Hf^ mein Vater franf
'227
„warb cm ber iftubr, alfo, baß ihm bte ntemanb
„ftellen mocbt, Unb ba er beti Xob vor feinen
„Augen fabe, gab er ftd) milltg bretn, mit großer
„@ebulb, unb befahl mir meine Mutter unb befahl
,,un« göttlid) ju leben/''
Jn btefein treuherzig ? etnfadjen Xon fährt
Albrecbt Dürer uod) eine Seile tu feinen Familien*
9f?ad)ricbteu fort, bertd)tet nähere llmftciube von beut
fecltgenHmfdjeiben feine« frommen Vater«, ermähnt
einiger XobeSfälte in feiner Vermanbfcbaft , unb
erjählt julet^t, mt'e er feine alte arme Mutter jmef
Jahre nad) bem Xobe fetneö Vater« gu ftd) in5
|)au« genommen , unb fte treultd) gepflegt habe,
befonber« in ihrer legten langwierigen Krankheit,
ba fle ein gange« Jahr ba« Bette hüten mußte/
bi« aueb fle fanft unb felig entfcblief.
Albreebt Dürer hatte, ba er tu feinem fecbjebn*
ten Jahre bie SBerfftatt feine« Vater« mit ber
Meiiter« Micbael SBolgemut« »ertaufd)te , ftd)
fdjon große @efd)icfltd)feit ermorben in ben bamal«
unter beu @olbfd)mteben üblichen fünftlidjeu Arbei*
ten, mt'e mir fle noch je(?t an benen mit getriebne»
'228
gtguren gezierten Bechern unb Anbetern foftiteben
©ilbergerätbe ber Vorgett tit Kunftfabtuetten bemun*
bern. Er hatte, jnr großen greube fetneS VaterS,
«nb jur Bemunberung alter Vermanbten unb Be*
fannten, febon bte feeben gälte beS Sctbenö Ebrtflt
tn getriebner ©tiberarbeit febr febön unb fünftitcb
aufgeführt, fo baß ef bem Vater allerbtngf leib
fetjn mußte , ben boffnungöootlen ©obn von ber
fo wobl betretnen Bahn abgeben gu feben, unb gemtß
geborte febr brtngenbef Bitten fetttef Stebtingf baju,
um feine EtnfHmmung jtt btefem bebenflidjen ©ebrttt
gu erb«lten. !Docb ergab er flcb enbltcb, unb trat
mit feinem alten greunbe, bem berühmten Meifter
Martin'©cbön ju Colmar, bem er am liebsten feinen
©obn anvertrauen mochte, befbalb in fcbriftlicbe
llnterhanblungenboch biefer jtarb vor Vottenbnng
berfelben, unb fo entfdhloß ber alte Dürer fiel),
feinen Wibrecht bem bamatf berühmteften Mater in
Dürnberg / Michael SfSoigemut, ju übergeben,
»abrfcbeinitch um fo lieber, ba er ihn auf btefe
Sßeife unter feinen Augen behielt.
Auf ber SBanberfcbaft, bte Albrecht Däret
-ocr page 234-'229
«ad) votfeitbetenßebrjabren antrat, befugte- er bte
berübmteften, bamatS icbcnbe« Mater, nicht nur
in Deutfcblanb, fonbern auch in bett SKteberlanbett,
lernte von ihnen mit bem Fleiß, ber btS anS ©nbc
feiner Xage ihn auszeichnete, nnb ftubirte mit befott*
berer Vorliebe bte äöerfe Martin ©chönS nnb Jfraeti
von Mecbeltt,
Sfiad) vier Jahren febrte er beim, auSgebitbet
att Setb nttb ©etft, fromm, rettt nnb gut, mie er
vom väterltdjen Haufe ausgegangen mar. ©eine
^robejetebnung, bte er nacb ber |)etmfebr in
Dürnberg mit ber $eber zeichnete, um nacb barna*
tigern ©ebraud) unter bte Meiner aufgenommen ju
merben, erhielt megett ibrer feltnen unb voltenbeten
Ausführung von aiten Kunflver(tänbigen großes ßob,
unb erregte atigemeine Bemunberung , befonberS
in £tnftd)t auf fcie ben Htntergruub (nfoenbe Sanft*
fdjaft. £)tefe 3etdjnung ftettte einen DrpbeuS bar,
bem, freilich profatfeb genug, von ben rvütbenben
5J3adbanttnnen mit Änitteln übel mitgefptelt mirb.
fieiber tft bte 2Babl btefeS MotifS als eine fetjr un*
gtürftiebe Vorbebeutung auf feine balb fcarauf ge*
'230
fctyloßne Ehe mit AgneS gret) anjufeben, beren
Vater, Hanêgrep, ftd) burcb ebett btefe 3etcbnung
bewogen fühlte, tijm feine Xodjter jujufübren, ba
er fte bet einem jungen Künftler, ber fo ju beginnen
wußte, für WDbl verforgt adjtete. Daé böêartige,
geijtge, janffücbtige SEBefen btefer grau vergällte
Silbredjt Dürerê ganjeê ßebeit unb führte jttle^t
baê frühe Gtnbe feiner lage herbet.
2Benn wtr ben 3ettraum ven ein unb vterjt'g
Jabreit, »om evften itage an, ba 5ilbred)t Dürer
ber Kunft ftcb wtbmete, btë an feinen £ob, mit ber
iDZettge ber ttnö von t'bm erbaltnen Kunftwerfe
vergletdjett, unb babet bebenfen, wie Vteleö nod>
int Sauf »en breibuubert Jahren für unö verleren
geben mußte, fo wirb ber gleiß beê eblen Metfterê
i\id)t mittber ttnfre Bewunberung erregen, atê bt'e
Stunftwerfe felbft, beren feltne Vortrefflidjfeit ben
hoben ©entuS beurfunben, ber, vom ©lücf beffer
begünftigt, unb ohne bte traurige Befdjränfuitg ber
Umgebungen, in benen er leben mußte, wabrfdjetiti
Ucb neben Sftavhael unb Jobann van Epcf ju bett
bödbften Höben ber Kunft fld) erhoben hotte.
'331
©d)on tu ber erfleit Hälfte be« flebenjehnten
Jabrbunbert«, faum Rimbert Jahre nad) Wibrecht
Dürer« £ob , war e« febr fcbwer, alle noch vor*
battbnen Blätter jufammen ju bringen, bte er in
Holj gefcbnttten, in Kupfer geftocbctt, einige fogar
in ©ifen geäjt, ober in 3ütn mit ber Spatel geriffen
hatte, bettn er verfugte flcb gern unb ebne ju ermü*
beu in Allem woburcb er fetne Kunft ju vervotf*
fommnen hoffte* ©einer bamal« nod) vorbanbuen
Holjfcbnitte jäblt ©anbrart bretbuubert unb jwolfe,
ebne Katfer Maximilian« große (Ehrenpforte uttb bte
vier Xrtumpbgüge jum Xbeurbanf; von Kupferfttdjett
gibt er etnbunbert uttb fedjfe al« ibm bekannt an*
Unb wie viele HaitbjeiSttungen bereichern nicht nod)
bte Mappen ber Kunftfreunbe, wie viele Krujtfire/
Heiligen ^Btlber unb ähnliche SBerfe von Wibrecht
Dürer an« HßlS «ttb ©Ifenbeitt metfterhaft gebtlbet,
werben nicht nod), gletd) Heiligtümern , in unb
außer Deutfdjlanb ttt retchen ©atumlungen aufbe*
wahrt! ©eine, jum Xbeil gro.ßett, figurenreichen
©emälbe flnb noch ber ©tolj vieler ©alieriett unb
privat - ©ammlungeu, bei un« wie im AuSlanbej
'232
gewiß fattb etne ntd)f minber große Sinja^i berfelben
im Saufe ber 3etten ihren Untergang , unb mabr*
fcbetnltdb liegt aueb nod) manches nnerfannt, in
©taub mtb Sunfel »erborgen.
äiuffer ber Übung feiner Stunft befdbäfttgte er
fldb aud) mit ber geber, unb ermarb ficbalS ©ebrift*
ftetler ebenfalls Sichtung unb Ehre, fo baß feine
2Berfe in franjöflfcben, latetuifdjen unb ttaliänifcben
Überfettungen aueb im SluSlanße gar balb bekannt
würben. Er fcfjrteb mehrere 2ßerfe über (Geometrie,
^Jerfpectioe, Proportion beS menfdjlicben Körpers,
fogar über einen feiner Kunjt ganj frembeit ©egen*
ftaub, über gortiftfatton j melcbe ©cbrtft 1527
unter bem Xitel: „Etliche Unberrtcbt, ju SSefeftt*
gung ber ©tätt, ©d)loß unb flecken," im £>rucf
erfebten , nebft einer 3"cig«wng an ben römifeben
Äönig gerbinanb. ©eine oier Bücher oon ber Bt'lbs
unb Maler ? Stunft mürben »on ^aulo ©alluti au«
bem latetnifcben inS ttaliänifdje überfe$t, unb um
ein fünftes Buch vermehrt. 5Diefe Überfe£ung warb
tm Jabr 1594 ju SJeuebig in golio * gormat
gebruckt.
'233
SfBtc hoch Albredjt Dürer« Kunftwerfe auch in
Jtalien gefdjä^t würben, wo bamal« mit ihm gleich'
jettig Midjael Attgelo unb Raphael Alle« übcrjtrals
ten, beweifet be«, gewiß gegen bie Deutfcben
nicht nnpartbeüfcben Vafart eigne« Bekenntniß, baß
ber berühmte Kupferjtecber Marc Antonio fed)« unb
breifig »on Albredjt Dürer in £>ol$ gefchnittne kleine
®Paffton«ftücke fogar mit beifert bekannten Flamen«*
jeichen nachahmte , unb fte at« bejfeit Arbeit »er*
kaufte. Atbrecht Dürer verklagte ihn be«halb, unb
bradjte e« babin, baß er auf Befehl ber ©tgnorta
wentgften« ba«3cid)en in ben Holjftöcken weglöfchen
mußte.
Albrecht Dürer war t'm Umgänge mit $reunben
unb Bekannten einer ber lteben«würbigflen Mens
fdjen; noch je§t gewinnt in feinem Bilbc fein eble«,
fromme«, von langen, liebten, fanft gekräufelten
Haaren umüoßne« Antlt§ alle Herjen,
ber Milbe unb Feinheit be« ©eilte«, ber etnft btefe
3üge belebte. (Er war ber ©tolj feiner Vaterjtabt,
bie tbn jurn Bemetfe ihrer Achtung jum Mitglteb
be« großen JKath« erwählte. Alle feine Mitbürger
'234
»cm größten gum fteinften liebten ihn, bte getflretcb'
flen Männer fetner 3eit fachten feine Befanntfcbaft,
feine aftä^e^ unb Katfer ttnb Könige zeichneten ihn
ehrenvoll auf. Der König von Englanb unb viele
gürjtctt unb @roße belohnten freigebig bett gleiß,
ben er ctuf ihre Btlbntjfe vetmenbet hatte, vor
Allem aber hielt Katfer Marimiltatt ihn tu hohen
Ehren, ernannte t'hn mit einem Jahrgelbe von ein*
bunbert ©ulben ju feinem Hofmaler, unb belohnte
überbeut and) reichlich jebe feiner Arbeiten tn biefem
feinem Dtettft, tu meinem nach Maximilians Ab*
leben attd) Katfer Kart ber fünfte ihn betätigte.
Alf Atbrecht Dürer cttift in Katfer MartmtlianS
©egenmatt auf einer Mauer etmaS bezeichnen
moltte, manfte bie Setter, auf melier ber Metfter
ftanb, unb ber Katfer hieß einem feiner naheftehen*
bett Ebelleute bte Setter ju hatten. Dtefer aber
gog fleh etmaS ^uviuf, unb mtnfte einem ttt ber Ent*
fernung ftehenben Diener, an feiner ©teile btefett
Dtettft zw verrichten, bett er unter feiner Sißürbe
hielt. Der Katfer marb bieß gemahr, unb ftettte
fogletch ben Ebetmann beShalb jur Siebe, unb als
2.35
btefer einige auf feine« 9?attg Be$ug babenbe
©ritnbe verbrämte, erzürnte ftd) ber Äatfer ttod)
»nebt/ — „Albert ift wobt mebr al« ein ©beimann
megen $ürtrefTltd)fett feiner Knnfi, " — fprad) er,
— „benn ich mebl au« einem Bauern einen ©bei*
mann, aber nid)t gletd) oün einem ©beimann einen
Künftler machen fann." — Sind) gab er von Stunbe
au bem 9Ubred)t Dürer ein abliebe« Sappen, bret
ftlberne Sd)tlbe im blauen ftelbe, ^ mifc, fet'nc
3unft
Mebr aber al« alle ©brenbejeugungen, bte
ibm entgegen famen, tröftete 2ilbred)t Dürer bte
treue Anbänglid)fett t'bm berjltcb ergebner $reunbe,
bei feinem , mtrflid) febr fcbmeren bättölicben Unge*
macb, an ber Seite ber unerträglichen $rau, mit ber
er in ftttberlofcr ©be leben mußte. Mehrere bureb
"£)erj unb ©eift ftcb auSjeidmenbe Männer fcbloffen
im traultcbften Verein ftd) ti)nt an, unt> fud)ten jebe
Sfiotb unb Sorge ibm mentgften« ju erleichtern.
Unter biefen befanb ftd) Doctor Jobann AegtbtuS
Anrer, ein marmer $reunb ber Kunft, bem Albrecbt
Dürer feine greunblidjfeit unb mandje ibm erzeigte
'536
©efälltgfeit babttrcb beiob«tc, baß er ihm bei Anle*
gung unb Drbitung feiner bebeutenben Sammlungen
fräftig betftanb. Doch ber eigentliche,, bis an feinen
$ob ibm ergebne greunb fet'nef Herjenö war ber
geiftreiebe nnb gelehrte Sfiürnberger JKatbfbrrr Btli?
balb ^Jirfbeimer. Dtefer befaß fein ganjef Vertrauen,
unb batf tbm auch auf mancher beHemmenben Ototb;
benn uueraebtet aller feiner Arbeit mar bennodh im
Haufe beö burchauö unetgennü^tgen MeifterS nie
Überfluß, mobl aber zuweilen Sorge unb Mangel ju
finben. 3™ »ertrauten Umgange mit btefem feinem
greunbe, mar e§ auch mobl, baß Albrecht Dürer auf
fiutberä bamalö bertfortretenbeErfcbeinung juerft auf*
merffam mürbe. 95etbe lafen alle bantalS »on btefem
erfcheinenbe ©dbrtften, welche ganj Deutfcblanb in
Bewegung festen , tbetlten eirtanber t'bre Bemer«
Jungen mit, unb gelangten mit etnanber ju einer
Überjeugung, bte betber burch Übermutb bef
?)Jfaffentbum§ aufgeregte^ ©erniitb ber neuen ßebre
enblich jumenbete j ^trfbetmer ergab fleh ihr mit ber"
Überlegung beö SBetfen , ber JebeS »on allen
©eiten betrachtet ebe er e3 für gut erkennt, «nb
'237
fatit fpäterbtn ttt mancher Hfttficht auf attbre ©ebatt*
fen, wie auö einem »du ihm balb nach Albrecbt
Di'trerö Xobe gefcbrtebnen merfwürbtgen Briefe
hervorgeht, aber Albredbtö ftünftler = 9?atur ergriff
mit feuriger Begeiferung, waS feinem bellen Auge
im ftraienben ©lang ber 2öahrhett erfcbietteu mar,
ohne fidb je mteber bavon abmenben ju laffen.
Jrn Jahr 1506 unternahm Albrecbt Dürer
eine Kunftreife nach Venebtg. ©r warb bort von
Vielen freunblich empfangen, unb führte mehrere
Kunftaufträge, bie er erhielt, ehrenvoll auS. 2Bte
fröhlich er, fern von rinem häuslichen (£lenb, unter
einem fchonen Himmel fepn founte , beweif't eine
Steibe Briefe, welche er an feinen $reunb spt'vff
heimer von Venebig auS fcbrteb, beren mitunter $u
berb luftiger Xon aber freilich nicht mehr in unfere
3eit paffen will. 3ur belfern Darftellung fetner
Sage, fowohl babetm als in feinem bamaltgen
Aufenthalt, hebe ich nur ein paar ©teilen auS btefen
Briefen attS, -· ·..·
" „Sollt ©ott baß ich euch großen Dt'enft fönnt,
z/benn b«S wollt ich mit Stuben ausrichten, benn
'238
„tcb erfenn baß Jbr nur »tel tbut, unb ich bitt
„eucb habt Mttleiben mit meiner ©cbttlb, id) ge?
„benf baran öfter benn 3hr, Alöbalb ©ott mir
„beim hilft fo miß id) eud) erbarltd) jahlen mit
„großem Danf, weil id) l)ab ben £eutfd)en ju
„malen ein Xafel, baoott geben fte mir 110 ©ulbeu
„rheint'fcb. Darauf gebt mit fünf ©ulben Koftung,
„Die werb ich nod) in acht Xagen oerfertigen mit
„weißen (grünben) unb fcbaben, fo rnill id) fie
„von ©tunb anheben ju malen, menn fte mag, fo
„©Ott miß, ein Monat nach Dfteru auf bem Altar
„ftebn. Daö ©elb hoff id) / wenn ©ott will, aß
„ju etfparen, wenn td) gebenf td) bürf Cer Mutter
„noch bem 2öetb alöbalb fein ©eli> fcbtcfen u. f, w."
„Venebtg an ber beil. bret Konige Xag tm
„Jahr 1506»"
Die in b4efem Briefe ermähnte Xafet war ein
heiliger Bartholomaus*, für ben bamaltgen Verein
beutfdjer Kaufleute in VeneDtg, unD fcbmüifte einen
Altar tn ber Dem bentfcbcn -faule gunäcbft liegen*
ben Kirdje. Mit großer Mübe fanr KaiferjKuiolph
fpäterhin $um Beft§ biefeö ©emalbef, inbem er fidj
'245
erbet, jiebe Summe, welche bte Kirche uur immer
bafür forbertt mijtte, ju jableu. Auf baS forg«
fälttgfte eingepackt, warb eS hierauf nach beSKatferS
eigner Veranftaltung burcfy vier ftarfe Männer auf
bett Sd)ultern ven Venebig bis ^Jrag getragen,
bannt baS feftbare ©emälbe nid^t burd) baS Rütteln
et'neS SBagenS uutermegS Schaben (itte.
Jn einem anberü Briefe fd)retbt Albrecht Dürer
an Bilibalb ^Jirfbeimer:
„Jcb wellt baß 3br bie ju Venebig märt <£S
„flnb fe viel artiger ©efellen unter ben SBelfcben,
„bte ftd) je länger je mehr jtt mir gefellen, baß eS
„einem am Herjen fanft feilt Denn vernünftig
„gelehrt gut §antenfd)leger , Pfeiffer, verftänbtg
„im (Bemale, uttb viel ebleS ©emüth / redete
„XugenbS von Ceutett, unb thun mir viel (£br unb
„$reunbfcbaft Dagegen ftnb 3br aueb ber untreu*
„ften verlegen btebtfd) Böfewtdjter ba, Jch glaub
„baß fle auf Srbreich nit fe leben , unb wenn«
„einer nit müßt, fe gebäht er eS mären bie artig«
„ften Öeut bie auf ©rbreieb mären. Jd) muß ih»
„felbft lachen, wenn fle mit mir reben, fte rniffen
'240
„baß matt folcb 95o0^ett oott ihnen weiß , aber fle
„fragen nie barnad). 3<b bab »tele guter greuitb
„unter ben 2Belfd)en , bte mtd) warnen, baß id)
„mit ihren Malern nt'd)t eß unb trtnf, aueb ftnb mir
„ihrer »tel fetnb, unb ntadjett (foptren) mein Ding
„in Ktrcben ab, unb wo fle eö mögen bekommen;
„noch fcbelten fle eö, unb fagen eö fet> ntt antiftfd)
„Art, baju fei) eä nit gut; aber ©ambetltnufi
„(©tan BeHtno, auf nenettanifcb Beltn, ZU
„jtanS großer Cebrer) ber bat mieb »or »tel ©en*
„ttlomen faft febr gelobt. Er mollt gern etwad
,,»on mtr haben unb tft felber ju mir gefommen unb
„bat mtd) gebeten, er roellö mobl jahlen, Unb
„fagen mtr bie ßeut alle, rote ei fo ein frommer
„Mann fei), baß icb tbm gleich günftig btn. Er ift
„febr alt unb ift noeb ber 93efte tnt ©enteile u. f. w.
„©eben ju Söenebig neun Ubr tn bte Stacht, am
„©amftag nad) Lichtmeß im 1506 Jabr."
Von Venebig auö machte Albrecbt Dürer eine
Kufflud)t nad) Bologna j ,, Um Kunft willen,"
fdjretbt er, „t'n heimlicher ^erfpeftioe , bie mich
„einer lernen will, ba werb i<h ungefehr in ad)t
'241
„ober $ebn Xagen auf fctjit gen Venedig wieder ju
„reiten, darnach will tcb mit dem nädjften Boten
„fommen. D wie wird mich nad) der Sonne
„frieren! hier bin id) ein Herr, dabeim ein Sd)ma?
„ro^er."
3n Bologna ward er oon den dortigen Malern
wie juoor tu Venedig ebren»Dll empfangen , unb
langte wabrfdjetnlid) erft im Spätberbft befietben
Jahre« mieder in Dörnberg an, mo er in ununter*
broebnem $teiß baö gewohnte Seben von neuem
begann. Sange gefühlte Siebe und Bewunderung,
noch erhöht durch bte unfterblichen Serie Raphaels,
welche thnt mabrfcbeinlich in Venedig und Bologna
ju ©efldjte gekommen, trieben t'hn je£t unwiderfteh*
lieh / dtefem hohen Metfter ju fchreiben und ihm
fein eigne« Btlbniß ju überfenden; eine 3eicbMUt,8/
die er höchft funjtreich, ohne alte« aufgefegte Sicht,'
mit täufebender Sabrbeit ausgeführt. Beide«
langte glücklich in 3tom an, und Raphael erkannte
mit $reuben den t'hm »erwandten @eniu«, beffen
JKubm gewiß fchon früher bi« ju ihm gebrungen mar.
©r nahm ba« Schreiben wie bie @abe banfbar
iÖ
-ocr page 247-'242
unb freunbltcb auf, unb ermieberte betbef, mit
einem liebevollen Briefe ttnb mit 3eicbnungen 0Dn
feiner i)anb gurn ©egengefcbenfe.
JnntgeS Verlangen , bie großen Metfler ber
JKteberlanbe unb ihre Sfßerfe gu feben, bemog
Sltbrecbt Dürer »tergebn Jahre fyater nochmals feine
ijeimatb gu oerlaffen unb baf 2anb gum gmeitetu
male gu befucben, mo er früher mutbtg nnb forgloö
ben SSJeg gum 3^* begonnen. Je^t mar baö
freilich »tel anberö, fein Söeib begleitete tbn mit
tbrer Magb ©ufanne / nnb fo ging SllteS otel fcbrner*
faltiger al§ barnalä, ba bem fröblttben, lebrbegiertgen
Jüngling 2Bett nnb Kunft im Morgenrotb beö
Sebenö entgegen lächelten.
Von btefer feiner iftetfe ift ber größte Xbcit
fetneö febr forgfältig geführten £agebud)ö btf auf
unfre 3eit gekommen, auö melcbem ich hier bie mir
am merfmürbtgften fdjetnenben ©teilen bem ßefer
mittheile, ba baf ©ange, bei aller fetner naiven
Slnmuth unb bergltdjen Einfachheit bocb mohl gu
»tel 9?aum erforbew möchte. £>err von Murr
bat ti im fieberten Xbeit bef Journals jur ftunft*
'243
gefcbtdjte und allgemeinen ßttteratur, welche« et
tut Jahr 1779 s» Dürnberg berau«gab/ abbrucfen
(äffen.
„Am «pfingfttag nach SKliani bab tdf> Albrecbt
,/Dürer auf metn Verfoft unb Ausgeben mich mit
,/meinem 2Bcib oon Dürnberg hinweg tn ba« SKie*
„berlanb gemad)t, uttbia mir beffelben Xag« au«?
„jogen burd) (Erlang, ba behaupten mir ju 9iadit«
„ju 93aier«borf, unb »erjebrten bafelbft brei 53a£en
z/minber fed)« Pfennig u.f. m."
//Darnach fuhren mir gen Antorff (Antwerpen),
„ba fam tdf> in bie Herberg, jum Jobft ^lanf'felb/
/,unb bettfelben Abenb lub mich ber ftugger Factor
„mit 9iamen Bernbarb ©tecber, gab un« ein föft*
„lieb Mal. Aber mein SÖBeib aß in ber Herberg,
,/unb bem Fuhrmann bab td) für unfer brei «per*
„fönen ju führen gegeben brei $1. an @olb."
//Am ©onntag mar aud) ©anct Démalbtag/
„ba Juten mich bie Maier auf ihr ©tuben, mit
//meinem 3S>eib unb Magb / unb hatten allettng
„mit ©ilbergefdjirr, unb aubcrn föftltcben (Öejt'er
'244
„mtb überföftltdb Effen. ES waren and) ihre Sßctber
„alle ba, unb ba td) ju Xiffbe geführt warb, ba
„ftunb baS Volt auf betben ©ettett, a(S führe man
„einen großen -!perrn. ES waren auch unter ihnen
„gar trefflich ^Jerfonen, 0011 Mannen, bt'e fid> alt
„mit tiefen Steigen auf baS allerbemütbtgft gegen
„mir erzeigten, unb fte fagten fte wollten alleS baS
„thuu, als »iel möglich, *»aS ße wüßten baS mir
„Iteb märe. Unb als ich alfo faß, ba fam ber
„Herren »du Slntorff JKatbSbotb mit jweten Änecb*
„ten, unb febenfet mir oon ber Herren oon Antorff
„wegen vier Kannen 2öein, unb ließen mir fagett,
„ich falle htemtt oon ihnen oerehret fepn, unb ihren
„guten SEBtllen haben. Deß fagte ich ihnen unter?
„thänigen Danf, unb erbot meine untertänige
„Dtenfl. Darnach fam Metfter peter, ber ©tabt
„3immermann, unb febenfet mir jwei Kannen
„äöetu, mit Erbietung feinen willigen Dtenft. Sllfo
„ba wir lang fröhlich bei etnanber waren, unb fpat
„in bie Stacht, ba belaitben fte uns mit Sinbltcb?
„teru gar ehrlich beim, unb batest mtd) fcf) foll ihren
„guten Stilen haben , unö annehmen , unb follt
'245
„machen maö tcb mofilt, barju mottten ftc mir
„aöbebülfiid) fepn. Alfo banfte ich ihnen, unb
„legte mid) fcblafen/'
„Auch bin ich gemeft in Metfter äDuinttneS
„(Quintin Meßt«) £)au$. Aber td) btn gemefen
„auf ihren großen bret (£>d)ießplä£en, td? bab geffen
„etn föjtlid) Mal , mit bem ©taber. Aber ein
„anber mal mit Dem $actor spertugaU , ben
„hab tcb mit ber Koblen fonterfett, rnebr bab ich
„meinen 2Birtb fonterfett, item Jobft ^lanffelb,
„ber b«t mir gefcbenft ein metß Korallen/'
„Jtem ©ebalbt ?5ifct>er bat mir ju Antorff ab?
„fauft fecbjebn fleiner faßten pro 4 fl., mebr 32
„Bücher pro 8 fl./ mebr ii geftocbne ^ajftoit pro
„3 fl. / mehr 20 balbe Bogen aller (Gattung gleich
„burch etnanber pro i fl. Jtem meinem Strtb b«b
„ich J« faufen geben auf ein Xüchlet'n ein gemalt
„Martenbtlb um 2 fl. rbeinifch u. f. »."
„Jtem am ©onntag nach Bartolom« bin ich
„von Antorff mit Herr Xomaftn gen Mecfjeln ge*
„fahren , ba lagen mir über stacht , ba lub ich
,,Metfter Konvab unb ein Maler mit ihm, ju9ftau)t*
'246
„effen, unb biefer Mcttëer Konrab ift bet gut
„©cbntßer, ber bleuet grau Margaretb bef Katfer
„Martmtltauf Rechter, beögletcbett td) fein gefeben
/,bab* Von Medjeln fuhren wir burcf) baö ©tabt*
„lein SJBtlßtoart, unb famen am Montag gen
„Britffel.ju Mittag u. f. m."
t
//3d) bab gefeben ju Britffel im 3iatbbauö üt
„ber gulben Kammer, bte ot'er gemalten Materien
„bte ber groß Meifter 3ïubiger (Regier »an ber
„äöepbe) gemacht bat/'
,,$lud) bab id) gefeben bte iDtng bte man bem
„König aujj bem neuen gulben Sanb (Merico) bat
„gebracht, eine gang gulbene ©onneit, einer ganjer
„Klafter breit, befgletcben ein ganj ftlberner Monb,
„auch alfo grog , befgletdjen »on allerlei tbrer
,,Waffen, -^arntfcb, ©efcbütp, unb allerlei wunber*
„barltd)er Ding ju menfd)ltd)en Brauch , baf ba
„»iel fchöner ju feben ift atf Sunberbing. Dtefe
„£)tng ftnb alle föftlich gercefen baß man fte befdjäjt
„buubert taufenb ©ulben rcertb. Unb td) bab aber
•r
„all mein ßebtag m'djtë gefeben baf mein $erj alfo
erfreut bat, alf btefe Ding. Denn td) bob barin
947
„gefebett munberltcbe fünftttdje Ding, unb Hb nitcb
„vermunbert ber fubttlett Jugento ber Menfcben in
„frembett Canben/'
„Stent Mabonna Margarethe ( bie ©tattljal*
„tertn) bte bat ju 23ritffel nad) nur gefd)ici't, unb
„mir jugefagt fte moti meine Beforbertn fepn gegen
„König Karl, unb bat ftcb fonberltcb ganj tugenb*
,,lid) gegen mtd) erzeigt. -£)ab ihr mein geftodjnen
„Rafften gefcbeuft , beögletdjen ein fotdjen ihrem
„Pfenning*Metfter mit tarnen Jan Marini, unb
„bab tbn audb mit ben Kühlen konterfeit. Jtern
„als tcb bin gemeft tn beS »ott Staffati £auS, ba
„bab tcb gefebn baé gut ©emäbl tu ber Kapellen
„baS Metfter £mgo (Hugo »an ber ©oeé) gemalt
„bat/'s
„Stern Metfter Bernbarbt (Bernbarb »cn
„Detap) bat mtcb gelaben, ber Maler, unb bat
„ein folcb föftltd) Mabl jugericbt , baö td) nit -
„glaub baß erzeugt fei mit j?b« ©uibett. £)aju
„baben fldj oon ihm felbö gelaben mir gut ©efell*
„fcbaften ju teilten, ber $rau Margareth
„metfter ben tcb konterfeit bab, unb beè KönigS
I
-ocr page 253-'348
„fjofmetfter mit Tanten t>cr Metern', unb ber ©tabt
„©cba$metfter mit tarnen »en «puöflabtS , bem
„febenfet tcb ein Rafften in Kupfer geftodjen, unb
„er bat mir mteber gefebenft eine febmarje fpantfebe
„£afcben brei (Bulben roertl). Unb Eraömo iftot*
„terbammo bab td> audf) ein ^ajfton gefebenft in
„Kupfer geftochen , ber tft beS Bont'ftuS ©efre*
„tariuS."
„3tem bab Meifter Bernbarbt (oon £)elap)
„ber grau Margaretb Maler mit ber Kohlen fonter?
z/feit. habe ben EraSmum 3ioterobam nodh
„einmal konterfeit. Jcf) bab bem Coreng ©tarfen
„gefebenft ein fl^enben i)terpnpmum unb bte Me«
„lancbolep , unb bab mein Strthin ©eoatterin fon*
„terfeit. Stein fed)ö ^erfon haben mir nichts geben
„bte ich ju Brüifel bab fouterfeit. 3d) bab auö*
„geben für jmet ^tiffelhörner bret ©tiiber, ein
„©tüber für jmeen Eulenfptegel." ( Ein je§t faft
unbezahlbares Blatt »on CulaS »on Sepbeit.)
„Sllfo bin tdh am ©onntag nach ©. ©ilgentag
„mit $err Xomafln gen Mecheln gefahren, unb hab
„Urlaub oon £errn £anS Ebner genommen, unb
'249
„er hat »or bte3ebrung, feiang tdf> bei ihm gemeßt,
„nicht« motten nehmen, ftebcn Xag, oon be« Han«
„(Seuber« megen. ©tu Stiiber hob ich be« 2öirtb«
„Knecht $ule£t geben. Jet) bab mit ber $rau
„oon Siieuftrchen ju iXiad^t geffen, nnb bin »on
„Mecbetu früh am Montag gen Antorff gefahren,
„nnb ich aß früh mit ^ortugate«, ber fchentet mir
„bret *porgoiana (Ma je tifa Schalen) unb ber 9Ìu*
„bert'go fchenfet mir etltd) Gebern, (Satefutifcb (in*
„bt'anifch ) Ding/'
„Jtem be« Raphael« von Urbin« Ding tjt nach
„fein Xobt atte« eerjogen, aber feiner Dtöciputn
„einer mit 9iamen Xborna« ^Jotonier, ein guter
„Maier, ber hat mich begehrt ju feben, fo i(t er
„ju mir fommen, unb hat mir ein guiben Dftng ge*
„fchenft, antica , gar mit ein guten gefchnitten
„«Stein, tft fünf (Süthen merth, aber mir b«t man
„jmtefach ©etb bafür motten geben/'
Die Sprache be« Xagebuch«, ift »on hier an
burcb Herrn »on Murr etma« mobernffirt.
„Verehrte $rau Margareten, Karl be« fünf*
„ten ©chmefter, ein ©remptar atter meiner Kupfer*
'250
„ftid)e 1Mb £ol$fcbnitte. Verfertigte tbr giro ^eicb'
„nungen auf Pergament, unb für ihren ßetbarjt
„einen 3jn einem £>aufe/'
„Dem Xbomaö polontuS alle meine SiÖerfe
„gegeben, bte nad) 9iom gefcbidft mürben nm bafür
„Siapbaeltfcbe «Sachen ju bekommen. poloniuö
„verfertigt mein Bilbntß nm eS mit nad) iftorn jn
„nehmen."
„Am Donnerftag nacb Michaelis fuhr icb nad)
„Aad)en. Am 23. October fab td) bte Krönung
„Katfer Karte, Am $ret)tag vor Simon unb Juba
„verließ tcb Aachen unb fam nad) Söivenj am ©omt?
„tag nach Äöln, mo td) ein Xractat Doctor SutberS
„um fünf Setfjpfennige taufte, unb gab ich ein
„iöeißpfennig für bte (Sonbemnation Sutbert beS
„frommen ManneS. Jn Bri'tifel, Aad)en unb
„Köln b«tte td) fret Quartier bet ben bret SWürnber?
„gtfdjett Herren Krongefanbten, Seonbarb ©rotanb,
„Dan§ Ebner unb SKtfolauS Datier. Jn Köln fab
„td) am «Sonntage nach Aflerbetligen Katfer Karls
„gürftentanj unb Banquet (barnach machte er eine
„3etchnung bte tit £ol$ gefchnitten tft). Am Mon--
'251
„tag nach Martini erfetett id) »Ott Jtaifer Karin tote
„Betätigung alö fatferltcber Hofmaler/'
„An unfer grauen Abenb retfete td) nach ©ee*
„lanb. ©ebaftian Jmbof liel) mir fünf ©ulDett.
„Sir mußten bie erfte Diadjt oor Anfer liegen,
„©amftag konterfeite td) ein Mäbcben in ihrer
„Xrad)t. Kam nad) Mittelburg, fab in ber Abtei
„Johann'S be Mabufe große Xafelj tft beffer ge;
„malt als gezeichnet."
„Kam am $reptag nad) Sucia mteber nad) Ant*
„merpen $u Jobft ^lanffelb."
Anno 1521.
„Am ©amftag nad) Ottern mit Han§ Cteber
„»du Ulm unb Jan ^lo«, einem guten Mater oon
„Brügge gebürtig, nad) Brügge gefahren/'
,,©al) in KaiferS Haufe 9tiiDiger$ (DiogierS
„»an Brügge) gematte Kapelte, unb (Bemälbe oon
„einem großen alten Meifter (mahrfcbetnltd) Hem*
„Itng). Bei ©t. Jafob föftltdje ©emälbe »on
„JKiibtger unb H"ge (»an ber ©oeä) ben großen
„Metftern. ©ab baö Martenbtlb »on Alabafter
„ju unfrer grauen, baö Michael Angelo gemacht
'252
„hat. ©ah alle gute ©emälbe beS Johannes (watt
„Spcf) ttnb auberer tn ber Kirchen, unfc tri ber
„Malerfapelle. ©aben wir ein großes Banquet
„auf ihrer ©tube ju Stacht, unb befebenften mt'd).
„Jafob utib Peter Moftaert , bie ^atbSberren
„fd?enftett mir jmölf Kannen 933etn, unb bte gange
„©efellfdjaft »on fedjjig perfonen begleiteten mich
„mit äßtnblicbtern heim/"
„Kam nach ©ent. ©er ©eebant von ben
„Matern unb bte oorberften empfingen mich herrlich
„unb aßen mit mir ju Stacht. 3im Mitmocbe frühe
„führten jte mich auf ben hohen ©t Johanm'St&urnu
„©ahe beS Johannes Xafel ( oan EptfS berühmtes
„©emälbe) baS ift ein überföftltcb, bocböer|tänbig
„©ernätb, unb fonberltcb bte (£»a, Maria, unb
„@ott ber Vater flnb faft (fehr) gut/'
,,©ah bte ßomen , unb jetchnete einen mit
„bem ©teffte. ©te Maler mit ihrem ©eebant haben
„mich nicht »erlajfen, haben gu MorgenS unbStadjtS
„mit mir geffen unb alle ©ing bejahtet, gubr am
„©t'enftag frühe mteber nach Antwerpen.
golgenbeS ift mteber gang unoeränbert im ©tipl
-ocr page 258-'253
Sllbrecbt Stirer«. Der gan$e 2luffa£ aber fo
rübrenb ttnb berjergretfenb, baß td) mtdf) nur mit
Mühe entfd)(teßen tonnte, tbu, al« bocb ntdjt gauj
bieder gehörig, nur tbetlweife mttjutbeilen,
„3tem am $re»)tag nad) ^ftngflten im 1521
„Jahr fam mir Mähr gen Antorff, baß man Marti«
„ßutber fo oerrätherltd) gefangen hätt, benn ba
„ihm be« Katfer« Karül« £>erolb mit bem fatfet'i
„Heben ©eteit marjugeben, bem mar er oertrauet,
„aber fo batb ihn ber ^>eroib bracht bei ©tfenacb tn
„ein unfreundlich Ort, fagt er borfte fein ntt mehr,
„unb ritt »on t'bm, 5ll«balb maren jebn ^ferb ba,
„bte führten »errätherltch ben verkauften frommen,
„mit bent belügen (Seift erleuchteten Mann hinweg,
„ber ba mar ein 9<iad)folger beö wahren chrijb
„liehen ©tauben«, und lebt er nod) ober haben
„fie t'hn gemörbert, ba« ich ntt weiß, fo hat er
,,ba« gelitten um ber dbriftlicben SBabrbett willen,
„unb um baß er gejtraft hat ba« unchrtjtliche
„«papfttbum/' —.--
„Und fonberlicb tft mir noch ba« fd)wereft,
„baß un« ©ott vielleicht noch unter ihrer falfchen
'254
„bltnben fiebr will lafFen bleiben, bte bod) bfe
„Menfcben, bte fte23dter nennen, erbidjt unb auf«
„gefegt haben, baburcb unf baf foftltcf) Sort an
„viel Enben fälfdjttcb aufgelegt wirb, ober gar nit
„fürgebalten." .
„Darum febe ein jeglicher, ber ba Martinuf
„Sutber Sebre lieft, wie fein Sehr fo flar burdjftd)?
„tig tft , fo er baf beilige Evangelium führt.
„Darum ftnb fte in großen Ehren ju balten, unb
„nit ju verbrennen, ef wäre beim baß man fein
„Siberpart, Die allezeit bie Sabrbett wtberfed)?
„ten, tnf geuer würf mit allen ihren Öpinionen,
„bte ba auf Menfd)en ©otter machen motten. Aber
,,bod) tjtf gut, baß man wieber neuer lutberifcber
„Bücher Drucf batt. D ©ott tft Sutber tobt, wer
„wirb unf bittfür baf heilig Evangelium fo flar für«
„tragen? Ach ©Ott, maf bätt er unf nod) in jel)tt
„ober jmangig Jahren fctjreiben mögen! D ihr alle
„fromme Ebriftenmenfcben , belft mt'r fleifftg be?
„weinen btefett gottgeifh'gen Menfd)en, unb ©ott
^bitten baß er unf einen anbern erleuchten Mann
„fenbe. O Erafme Sioterobame wo mtlt bu biet*
'255
„ben? fleh, wa« vermag bte ungerechte Xirannei
„ber-weltlichen (Bematt, ber Madjt ber $iufterntß?
„Hör bu bitter (Sbrijtt, reutb hervor neben bem
„Herrn ©brtftnm, befd)i't§ bte Sabrbeit, erlang
„ber Märttrer Krön , bu btft bocb fonjt ein alt
„Mennifen (Männchen). 3d) b«b von btr gehört,
„baß bu btr felbft noch gwet Jahr gugeben baff,
„bte bu nod) tügeft etwa« gu tbun, btefelbeu leg
„wohl au, bem (Evangelium unb bem wahren djrtfl--
„Udjen ©tauben gu gut. — — — D Gsra«me
„halt btcb bin, baß ftd) ©Ott bettt rübme, wie vom
„Davtb gefcbrieben ftebt, benn bu magftö tbun,
„unb fürwahr bu magft ben ©oliatb fällen."
9iacb btefer (Erleichterung feine« frommen,
£ ; U, 'tillZ tpfj-j i. ■ . IS· K V v i: Iii
forgenerfültten H^gen« führt Stlbrecht Dürer nach
gewohnter Seife fein Xagebud) weiter fort.
,/Stent am achten Xag nach ßorpu« Sh-tti
„bin td) gen Mecbetn mit bett Meinen gu ^rau
„Margaretb gefahren. Bin gur Herberg geweßt
„gum gotben Haupt, bei Meifier Heinrich, Mater,
„ba haben mich ju ©ajt gelabeit in meiner Herberg
'256
„bte Maier unb Btlbbauer, haben mir große Ehre
„getban in ihrer Verfammlung."
,.2ßar bei grau Margaret!)/ ließ tbr meinen
„Katfer feben, unb mollt tbr benfelben verehren,
,,fte nabm ihn aber burcbauö itit an. 2lm greptage
„geigte fle mir alle ibre fcböne ©adjen, barunter
„fabe tcb bet »iergtg fietne Xäfeletn oon Ölfarben,
„fo fd)ön/ baß tcb bergietcben nie gefeben bab. Bat
„grau Margaretb um Meifter Jafobö C 3«kob (£or=<
z/neltf, ©cborrelö Cebrer) Büd)lettt/ fte fagte aber
j
„fle bätte ef ihrem Maier (Beruharb oon Delap)
z/jugefagt. ©ah aucb eine fcböne Bibliothek."
„Bin am ©amftag oon Mecbeln gen Slntorff
//fomtnen. Mtd) hat ju ©ajt gelaben Metfler ßucaö,
/,ber t'n Kupfer (tidht/tft ein klein Männlein unb biir?
„tig von ßepben auf Doltanb, ber mar gu Antorff."
//Den Bernharb ©tecber unb fein 2ßetb fouter*
„)At, unb Meifter Sucaf mit bem ©tefft."
z,3d) bab in allem meinem Macben, ^ebrun*
z/gen, Verkaufen/ unb anberer f>anblung Sriadjtheil
„gehabt in 9iteberlanb, t'n all meinen ©acben, gegen
//großen unb niebern ©tänbeny unb fottberltd) hat
'257
„
mir Margaretb für da« tcf) ihr gefcbenft unb
„gemacht b^b / nid)t« geben."
„ättexanber Jmboff Itcb mir b«ttbert ©elb«
„gulbeu, att unfrcr Tratten Abenb alö fie über Da«
„©ebtrg gebt, 1521, barum bab ich ihm geben
„mein »erftegelte |)anbfd)rtft, baß er mir bte j«
„Sfiürnberg antmerten laß, fo miß icb tbm bte
„mteber ju Danf jablen."
9ln unfrer grauen Hetmfucbung , ba td) gleich
meg von Slntorff moßte, ba fchtdfet ber König »on
„Dännemarf ju mir ((Sbrifttan ber jmette), baß
„td) etlenb ju ihm fdm, unb t'bn konterfeiet, ba«
„tbät td) mit ber Kohlen, unb td) fonterfeiet auch
„fein Diener Antottt), unb ich mußt mit bem König
„efiTen, erzeugt ftd) gnäbtgltcf) gegen mich/'
„3lm Xage nach unfrer grauen |>etmfuchung
„nach Srüffel gefahren auf bem @d)tfF be« König«
„»on Dannemarf, bem ich bie bejten ©tücfe meine«
„Kunftbrucf« oerebrte."
„Stern hab gefehen wte ba« SSolf ju Antorff
„ßid) febr »ermunbert hat, ba fte ben König »on
„Dännemarf faben, baß er fo ein männlich fchön
17
„
'258
„Mann war, unb nur feto britt burcb fcüict geinbe
„Sattb fommen. Jd) hat aud) gefeben, rote tijm
„ber Katfer »du Druffel entgegen geritten, unb ihn
„empfangen, c^ritd? mit großem prange, JDamtad)
„bab tcb gefeben baf ebrlid) föftlid> Banfett, baf
„ihm ber Katfer nnb grau Margaretb gehalten bat
„am anöern Xag."
„3tem am ©omttag »or Margaretha hielt ber
„König »Ott Ddnnemarf etn groß SSanfett bem
„Katfer , grau Margarethen nnb Königin »on
„©panien j unb lub mich, unb id) aß aud) barauf.
z/3d) hab jwölf ©tüber für bef Köntgf gutteral
„geben, unö id) hab ben König »on Ölfarben fon?
„terfeit, unb er bat mir breißtg ©ulben gefdbenft//
„3tem am greitag frühe »on morgenf bin t'cb
„»on Druffel aufgefahren , fuhren am ©onntag
„frühe gen 9ld). u. f. m."
3cb habe mir beim Slbfdbretben biefer ©teilen
auf 9llbred)t £>ürerf Xagebucb nur einige 93erätt*
bernng ber Orthographie erlaubt, bte mir bef leid)*
tern Verftebenf megen nothmenbtg büufte. 9fitd)t
nur bef Verfajferf wegen, fonbern aud) alf merf«
'259
würbigeö Btlb beß bürgerlichen SebenS jener 3eit,
mitjfcn jene Blatter Aufm erffamf eit unb Xbeilnabme
erregen. 2ßtr fcbelten bie ©ttten jener Xage roh
unb ungebtlbct, fie waren eö and) tn »teler •fjtnfidf)^
unb bod) fprtd)t bte regfte Xhetlnabme an allem
©roßen unb ©d)önen auS ber Art wie dürften,
©bedeute unb Bürger bte befd)etbtte anfprucbSlofe
©rfcbetnung beS großen Metfterö überall aufnahmen/
unb tbm felbft fogar fürftltcbe ©l)re erzeigten.
3Bte gern er lebte, welcbe wahrhaft ftnbltcbe
$reube er an allem hatte, waS ©uteö unb ©d)öneö
tbm wtberfubr , geht auS bem ©anjen nod) otel
beutltcber beroor, als btefer AuSjug eS barfteße»
fann. Mit großer ©emüthlicbfett führt er »tele,
größtenteils ihm ju ©bren gegebne Banfette, audf)
einige MaSfenjüge an ; aud) fommett mit unter
einige tm ©ptel gewonnene ober verlorne ©Ulbert
uttb ©tüber vor, benn über ©innahnte unfc Ausgabe
hielt er fehr orbentlid) Rechnung. Demtod) war
er gern freigebig, wie alle heitre Staturen ; fafl
verfchwenbert'fd) theilte er überaß feine Äunftwerf«
nach aßen ©eiten auS, boch heißt eS auch einmal;
'260
//Sei) machte mel ©acben, bett beuten gtt gefallen,
aber baf roentgft warb mir begablt." Da feine
grämliche grau ftcf) gleich bäuSlid) in Antwerpen nie?
berltef, Sffiafdbjuber , Blafbalg unb ©cbüffelnapf
fld) taufte, für ftd) unb t'bre Magb felbft föchte unb
mufch, unb ihn nad) ber bamaltgen ©ttte wenig
aufferbalb bem £>aufe ju ©aftmalew unb geften
begleitete , fo behielt er greibeit unb fröblidjeu
Mutb j machte auch all bte fletnen Reifen »on Ant*
werpen auö , ebne ihre läjttge Begleitung. @e?
fd)enfe an Sein, Konfitüren, unb foftbarem ©ei?
benjeuge, bie fle fetnetwegen erhielt, unb bte er
alle forgfältig in feinem Xagebuch aufjeidjnete,
mod)ten fte auch wohl bei guter Saune erhalten; boch
mod)ten auch fleine bäuflidje Unglücksfälle juwetlen
fle wieber »erjtimmen, als jurn Betfptel, baß t'hr
einmal auf bem SÖiarft $u Antwerpen ihre (Selbtafche
abgefdjnitteu warb.
3» D.aufe, nach vollbrachter Sieife ging freilich
baS ängftltdje treiben beS bäuölteben Uufriebenf
wieber au, ja e£. nahm bermaßen ju, baß eS an
fcern Cebeu Düverö nagte, unb nad) unb nach feine
'261
©efuttbbett jerftèrte. <£tit heitrer ©trabt brach tn=
beffen bod) nod) tn ba« Sunfet fetner Xage, al«
Metancbton, im Jabr 1526 jum brttteumal, megen
ber ©tnmetbung be« ©pmuafutm« »en ©t. Ägtbien,
Sfiiirnberg befucbte. Bei feinem $reunbe ^Jtrfbetnter
lernte Albredjt Dürer ben Mann fennen, ber fdjon
um ßutber« mitten ibm tbeuer fet)n mußte, unb »er*
tebte bort mit t'bm manche berjerbebenbe ©tunbe,
tn troftreicben frommen ©efpräcben unb gegeufeitiger
erfreulicher Mitteilung tl;rer (Bebauten.
3met Jahre fpäter, im Jahr 1528 , am 6.
Aprit, tn ber ßbarmedje, tmftebenunb fünfzigsten
<
Jahre feine« Atter«, entfcbmang ftd) fein entfeff elter
©eift, unb ein metattner ©arfopbag mit einer lateint*
fdjen Jnfcbrift bezeichnete bie ©teile, mo man auf
bent Kirchhof ber ©t. Jobanniöi'irdje fetne fterblicbe
£ütte jur 9iube bradjte.
Von feinem Sebett in ber legten Bett unb
feinem Xobe, mie auch »Ott feinem Verbältntß ju
feinen $reunben, gibt Bittbalb «pirfbetmer im Aue
fange be« fchon ermähnten merfmürbigen Briefe«
ein ju rührenbe« unb treue« Btlb, at« baß man
'262
nicht gern einer bis auf bie Orthographie getreuen
Jlbfcbrift biefer ©teile hier bett 3iaum gönnen feilte,
©er Brief felbft tft an Schämt £fd)erte , Kaifer
KarlS Bau ? unb Brücfenmeifter tn SBten gerichtet,
unb »otlftanbig im gehnten Xbetl beS febon erwähn^
ten 3»urnalS beS i)erw von Murr, nad) pirfbetmerS
eigner £>anbfcbrtft, abgebrueft.
„Mein freunbltd) tmlltg ©teuft flnb euch bevor,
„mein lieber f)err Xjerte, mir bat unfer greuttb
„£err 3Drg £>artmann ein Schreiben bureb euch an
„ihn getban angezeigt, in welchem ibr mein tut
„allein tm ©uten gebenft, fonbern me§t mir auch
„mehr ßobS unb Ehre ju, benn ich mich felbft
„würbig erkenn. 2BtU aber folchen guten SBtHen
„unfer betber tn ©Ott oer^vrbnen greunb Wibrecht
„©ürer jurechnen; benn btemetl ibr benfelben um
„feiner Kunft unb Xugettb willen geliebt, flnb euch
„ohne 3weifel auch bte fo t'bn geliebt hoben aud)
„Iteb. ©olcbem will td> euer Sob, unb gar nit
„metner ©cbicfltcbfeit jumejfen."
„3ch hob roarltcb an Wibrechten ber beften
„greunb einen, fo ich auf (Srbreich gehabt hob »er*
'263
„loren, unb bauert mich nicht« höhet, af« baß er
„eine« fo bartfeligen XoDeö geftorben ift, meinem
„ich nach bem Vcrbängntß ©otte« ntemanb benn
„fetner f)au«frauen jttfagen fann , bte t'hnr' feiti
,,£>er$ etngenagen, unb bermaß gepeintget hat,
„baß er ftch befto jcbneller »on binnen gemad)t hat,
„benn er mar auögeborrt wie ein ©cbaub, burft
„nienbert feinen guten Muth mehr fudjen, ober ju ben
„Ceuten gehn. Alfo bat ba« bofe Seib fein ©org,
,,ba« ihn boch mahrltd) ntt Diotb gethan hat. 3U
„bem hat fte ihm Xag unb 9iacbt ju ber Arbeit
„härtigiieh gebrungen, allein barum baß er ©elb
„»erbtent unb ihr bac< ließ, fo er ftarb. Senn fie
„aßmeg »erberben hat wollen, mte fte bann noch
„tbuet, unangefehen baß ihr Albred)t bt« in bte
„fed)ö taufenb ©ulben SBertb gelaffett hat. Aber
„ba ift fein ©eniigen, unb in ©umma ift fie aUettt
„feine« Xobe« ein Urfacb."
„Jch bab fie felbft oft für ihr argmobnig (traf*
„lieh Sefen gebeten unb fte gewarnet, auch ihr vor*
„hergefagt, waö ba« (£nbe hteoon fepn wirb, aber
„bamtt hab ich ntt anber« benn Unbattf erlangt."
'264
„Samt wer btefem DO?ann wohlgewollt unb um
„ihn gemeßt, bern ift fte fetub werben, baS wahr?
,,ltd) ben Albred)t mit bem £öd)ften bekümmert,
„unb tbn unter bie Erben bracht bat."
//3cb bab tbr fett fetneS XobeS nie gefeben, fte
„auch ntt ju mir motten laffen , wiewohl tcb tbr
„bennod) in viel ©adjen bülflidf) gemeßt bin, aber
„ba tjt fein Vertrauen. 2Ber tbr 293tberpart hält,
„unb nit aller ©ad) 3^ecf)t gibt, ber tft t'br »erbäcbt?
„lieb, bem roirb fte aucb alSbalb fetnb, barum ffc
„mir lieber weit »on mtr benn um mich tft/'
„ES finb ja fle unb tbr ©djmefter nit Sübinn,
„fonbern wie td) nit jweifet, ber Ebrett fromm unb
„ganj gottSfürcbtig grauen. ES füllt aber einer
„lieber ein Q3übtun, bt'e ftcb fonft freunblicb hielt,
„baben , benn fold) nagenb, argwöbntg , unb
„feifenb fromm grauen, bei ber er weber $ag noch
„Stacht 3tube ober grt'eb baben tonnt. Aber wie
„bem, mir müffen bte ©ad) (Bett befehlen, ber
„wofl bem frommen Albrecht gnäbtg unb barmbergig
„fet)n, benn er bat wie etn frommer Btebermann
„gelebt, fo ift er auch ganj chriftenlicf) unb feeltglich
'205
»erworben , Darum fetrteS £etl« ntt ju fürchten
ift. @ott verleib un« fein ©naß, baß mir ihm ju
-feiner 3ett feeltgltd) uadjfolgen/'
Sßon Albrecfyt Dürer« vielen un« noeb erbaltuen
©emälben, miß tei) nur eine« ber aßervortreffltd)-
ften anführen. Die Boifferc'efcbe Sammlung be*
mabrt btefe« berrtiebe 23ilb/ e« jetgt beutltd) fomobl
aße Vorjitge ber Sdppfungen Albredjt Dürer«/
tute ba«, ma« ihnen jur bödjfteu 93oßfommenbeit
nod) abgebt.
Da« 93iib fteßt bt'e Abnahme be« ßetebnam«
©hriftt vom Kreuje bar, 2ßte mahr, mt'e fd>ött,
unb boeb mit tvte großer 2)crfd)iebenbett ift ber
Außbrucf be« nämltdjeu ©cbmerje« in ben Köpfen
unb ©teßungen ber umftebenben ftreunbe be« ©r*
blaßten, in bem vor Aßen von ihm geliebten Jünger
Johanne«, in ben heiligen $rauen/ bte innig unb
treu ihn verehrten! Sßabrbaft erhaben unb berger--
greifenb ift bte gottergebne S'römmigfeit ber Mutter,
mitten im tiefften ©eelenletben auögebriicft, Die
'266
SÖabrbett beö Koloritf, ber ©ewdnber, ber 3eicb*
nung , tft bewunberufwertb , eö tft ein föftltdjef
©emctlbe, baf matt §tt befrachten nt'djt ermübet,
ait bent man immer neue Vorzüge entbeckt, aber eS
tft ein ©emälbe, ©djoreel, ^>cj.nltitg ^ »or Alien Jo»
bann »an (£\)d ftelien unf mitten in tbre ©djöpfun*
gen, t'bre ÖJebtlbe ftnb bte SBirt'iicbfeit felbft,
bte Albred)t Dürer unf nur mit großem gleiß nach*
gebtlbet jetgtj t&nt mangelt bte Jugenbfrifdje, bte
unauffprecblid) feelenwolle Heiterkeit, ber ©trabl
bef SebettS, ber bei ben alten Meiftern red^t auf
bem Jmtertt beroorbricbt. Vor ihren Safein »er?
gißt man oft über bem 2Berfe beit Meifter, hier
muß man ftetf , menn gleich bewunberub, feiner
gebenfen. Diefe fcbmarjett fcbarfen Umrtife, bte
er fomobi im Kontur ber Köpfe, alf in ben galten
ber ©emänber untermalt fteben lief, fo meifterbaft,
mit fo fefter £>anb ftc aud) gezeichnet ftnb, kennt
bte 0catttr eben fo wenig alf tbre obengenannten
treuften iJiacbfolger fte kannten, Auch Albredjt
Di'trerf garben, bei aller ibrer (Schönbett, erbiet*
eben vor ber brennenben Pracht feiner Vorfahren,
2Ö7
, ' v
unb bei manchem feiner 3Berfe fpuven wir recht
fcbmerjltcb bte beengenbe Sebenöluft, tn meldber
btefer, »on Der Siiatur fo hochbegabte Meifter
unter bern Keifen fetneä bößarttgen SfBeibeö wie jur
$robne arbeiten mußteer, ber fldb in anbern 93er·
bältntfTen frei, ebel unb leicht im ©ebiete ber
Kunft gewiß noch weit beeren $lugä erhoben
hätte,
£öcbit bewunbernöwertb tft inbeffen bte Saftig»
feit, mit ber Wibrecht Durer in 3etci)nung «üb 2itt*
orbnung feiner ©eftalten an ber Statur btelt. ©tnb
biefe gleich nicht immer ebel unb fcbött ju nennen,
fD fmb fie benitocb ftetö von unübertrefflicher 2Babr*
betr. Dtefe« tft um fo hoher $u achten, ba feine
3eit, obfehon noch immer überreich an trefflichen
Metftern, bemtod) fd)on begann, fld) jener Manier
jujuwenben, weldje beit ©d)etn ber Dinge ftatt bei
SBefett« ergreift, burch btenbenbe Sicht * Heftere,
buvd) ttefe ©chlagfchatten , wo bte Siiatur feine
fennt, unb bitrcb taufenb ähnliche Künfteleten, baS
Singe 51t feffetn, unb ihre innere Armfeligfeit jtt
verbergen fudjt, ©ehr batb nad) thm führte biefe
268
neue, grogentbettè burefy faifcbverftftnbneâ ©tubturn
ber ttctïtântfd}ett Metfïer tmb ber Sinttïe entftanbne
Hftanter, ber balb ntemanb ntebr rotberftrebte, bte
«ebte beutfebe Kunji: wtaufbaltfam bem Unter?
gange $u.
£>mtffejjieri$erçeici)iug btê erjïen
@ette 10 3eile 15 fieé : „ber" ftatt fcen.
— 25 — 12 fel>tt ftnnentfîelienb, ein Äomma
tinter bie SGBorter ,,eê unb baè."
— 34 — 19 Itcè : „buniefblauen" fiait bunfef-
braunen, "
— 92 — 19 lieé : „bemfef&en" fiait benfeffcen
— 135 — 7 fetyft jmnentftelfenb, (nnter „jte--
ijenbe" ein Äomma.
— 170 — 15 lie« : ,,@eetô" flatt ©neté.
— 202 — 7 fie«: ,,erfct>einen" flatt erfd)ienen.
— 2o7 — 1 «Bavent »on SBrûffef, aud) SBern-
tyarb »on Defat) genannt, mttf
burctyroeg, it>o festerer 9?ame irn
SBudje »orfommt, „SBernfwrb
»on £>rlat> " Reifen.
— 207 — 18 fie«: „Satyvt" fratt Sauren.
— 225 — 5 Iieé: „faft" flatt fefl.