35 on
V
Sojanna ©cfyopenfjauer.
ißeiSei, iget .ftunft twb ifjt ScOtn war
l'ci itynen in ein Sßerf eiltet 6Jnficö jui
iammengefifjmoljen, tin6 in tiefer innigen,
ftärtenten ikereiitigiitig ging ifjr ©<tfei;n
einen teflo fefieten, fixeren ©nng turd)
fit piidjtige umgebenbe SOScit (jintunty.
51'. ® a (f e n r c t> e r.
3rt)citer 33 a n b.
Drucf itnb SSeriag »on t>cinncfy 2iiiima 11«
-ocr page 2-Smaltò ? Sßcrjeicfjnif? bcé feiten ißanbeö
?ufa$ »an Seiten . .................1
gofyann non SRabufe, au ci) SDìaubeuge unb SOia*
boggiD genannt................................24
Sobann »on @d)oreei..............................39
f>ané ^elbein, bei* jüngere........................90
Sufaè Äranact) . . . ...............109
Martin £eméferf..................................133
Slnton Moro »on Utrecht..........................163
Jebann @d)»ar£, auet) ©»arte Jan genannt. . 171
Sobann »du Malfar................................175
<tari tfon Manber..................................180
-ocr page 3-J ο Ij a ti it ti a it (ß tj rü
tini)
seine Jiari&folger*
fiter Sani»,
-ocr page 4-£ufa$ von 2et)ben gehörte gtt bett (Seltnen, weldjen
bte DRatur baö Siegel t'brer Befttmmung auf ©rbett
beim erften CebettSbaud) beutlid) aiifbrütft, bet benen
fd)Dtt bt'e KnoSpe ber ittnbbeit bte gange , balb
prad)ttg ftd) eutfaltenbe Bliitbe t'brer 3»fünft beut*
ltd) geigt, bte himmelweit »erfdjteteit ftttb »on jenen
fraftleS tn bte Höbe gefcbofwen frattfltdjen fangen,
meld)e tu unfern Etagen bttrcb pcibagpgtfdje Xretbhau«*
fünfte jum fd)neilen (Entfalten gegmttngen werben,
eine 3eitiang alö SBunberftnber tbre armen Kiiufte
machen, unb bann wie taube Sölittben frucbtloö gu«
famtnett ftnfen. Sr war ein wtrfltd)eö SBunberfinb,
baö im Jabt 1494 , in ben testen 2,agen be#
Ii. 1
'2
9J?onatf Mai, ober ben erften beS Juni ju Serben
tn baS ßeben trat.
£>ugo 3«kobS, fein Vater, war ein. geachteter
Maler, nnb Malergerätb baS evfte ©pielmerf beS
Knaben. SufaS erfter Blick fiel auf Paletten nnb
ptnfel , auf Kreibe , Dtetßfeber unb iKabirnabel.
Mit fd)wad)er ktnbtfcbcr £)anb griff er nad) biefen
unb führte fte, beinahe ehe er fte nur gehörig feft
ju halten wußte. Der Vater hatte innige gretibe
ait beni natürlichen ©cfcl)tcfc, welches ber Knabe
babet geigte, er half ihm unb lehrte ihn, wirkltd)
fpielenb, ben ©ebraud) aller biefer ffierkjeuge; baS
Ktub kannte balb keine anbere ßuft als an biefen
Dingen / unb bie 2uft flieg fo wie eS heran wuchs.
Oft, wenn SufaS in fpater 9iad)t noch zeichnete,
fdjalt feine Mutter unb nahm ihm baS 2td)t weg,
weil fte fürchtete , feilte ©efunbheit möchte unter
ber unabläiftgen Slnftrengung leiDett, aber er lieS
benned) nicht ab. Er zeichnete nad) ber Statur SllleS
waS ihm oorfant/ Köpfe, -f)änbe, giiße, ©ebäube,
©egenben, r»or 2l(lem aber, unD mit auffalleuber
Vorliebe, ©ewanber von »erfd)iebettartigett'©toifcn,
'3
an benen et' beit auS btefer Verfehl ebenbeit tnU
ftebenben @baraifter ti?reö Faltenwurfs nnermiibet
nacbgubilben ftrebte.
Attgebenbe Maler, ©laSmaler unb ©olbfcbmiebe
waren, fo wie ber junge SufaS heranwuchs, fetne
liebftett ©efptelen, weil er mit ihnen treiben tonnte
waS et'njtg ihn ergötzte. Mit gleichem (£tfer, gleicher
$reubigfett unb gleichem (Belingen ergriff er in
friibefter Jugenb aUe 3wet9e Kunft; er malte
gefd)id)tliche ©egenftänbe, «Porträte, Caubfchaften,
mit 2Bafferfarben unb in Dl, malte auf ©laS, fchnttt
iuHolg, gravirte auf Kupferplatten, zeichnete mit
ber $eber, mit ber Kohle, vor Allem aber gerne,
unb in fpätern Jahren ganj vortrefflich, mit fdjwar*
jer Kretbe.
(£S flingt eben fo unglaublich als eS wahr ift,
baß ßitfaS von Sepben fd)on als neunjähriges Kinb
3etd)nungen von feiner eignen (Srftnbung fehr fauber
unb fein in Kupfer ftad). Man trifft noch juwetlen
auf etnjelne feltene Abbri'tcfe ohne Jabrjabl/ von
biefen feinen friihften Jugenbarbetteu.
Da er jwölf Jahre alt war, malte er bie
j *
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genbe »om ^ciitgctt DubertuS mit Safferfarbett auf
Setnwattb, unb erregte babtttd? bte Bewunberttng
Silier, weldje biefef ©ernälbe erblickten. Ein KunfU
freunb , Derr »on 2ocfborf?> gab bafür bem Kttabeit
fo »tele ©elbftücfe alf er 3abre jäblte, um tlnt gu
fernerem gleiß jtt ermuntern.
Kaum mochte ßufaf baf »ierjebnte $abr er?
reicht haben, alf er ein fyöd)ft aufgefüfjrtef, mit
ber Jahrjahl 1508 bejetd)netef Blatt uad) eigner
3etd)nung ttt Kupfer ftacfj, welcbef ben Mabomeb
barftellt, wie btefer in ber Xruufenhctt einen Mönch
ermorbet. 3m folgenbeit 3ahr erfebtenen neun
anbre Blätter tn gortn rttnber Mebaillonf, bte eben
fo »iel ©cenen auf ber ßeibenfgefebtebte Shrifti
barftellten. 9iäd)ftbem bte 53erfud)ung bef heiligen
Slntoniuf , bem ber Xettfel t'tt ©eftalt einer fd)öneu
grau erfcheint. 9iucb nod) im nämlichen 3<*br, bte
Befehrnugegefdncbte bef Slpoftelf Pauluf. Der
junge Künftler hatte ben Moment gewählt, ttt weldjem
Pauluf, vom (Strahl bef Dimmelf geblettbet, nach
DamaffuS geführt wirb , unb babei ben
biefer plöjlid;en Blinbhett gattj vortrefflich auSge*
♦
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brückt. Somobl bet btefen als allen ferne« Blättern
muf man neben ber vollenbeteu Ausführung, neben
ber Mannigfaltigkeit ber Kopfe unb (Stellungen, auch
ben burcbauS naturgetreuen AuSbruck böeblid) bemun»
bertt. 9ïtrgeitb erfdjeint Verworrenheit ober 3wang,
felbft in feinen ftgurenretcbften Kompoftttoneu; alle
feine Blätter tragen ben Stempel eineS hellen ortgt*
nellen ©eijteS , ber fid) felbft von jebern Strich,
jeber Stnie, 5Red)cnfd)aft gu geben mußte, unb frei
unb leid)t unter jebem BeDingntß feiner Kunft ftdf>
bewegte. Dt'e größte Mannigfaltigkeit herrfd)t in
feinen ©ewäuberu , atid? mar er utterfdböpflid) in
Crfutbungeu, um feine ben Xagett ber Vorjeit ober
fremben Stationen angebörenben ©eftalten fo viel
möglich ju cbaracktertfiren.
CukaS verlor fehr früh feinen Vater unb erften
Führer auf ber fo hoffnungsreich begonnenen Bahn j
unb kam gietd? barauf bei (SorneltS (£ngelbred)t in
bie Cehre, beffen Sohn, ein ©laSmalcr OiamenS
^Jeter SorneltS, unter bie 3ahl feiner Jugenbfreunbe
gehörte.
Meifter GiorneliS Gingelbrecht mar ein fehr guter
-ocr page 9-'6
3c{cbtter, ein »erftaitbiger »crbtetiftüDiiet* Maler,
befreit 2Öerfe »oit fetnett Mitbürgern fehr i>oct> ge*
galten mürben. Man fagte fogar, er fet ber Erfte
tn ßepbett geruefett , ber nad) Johann »an Epcff
SBetfe ber Ölfarben ftcb bebtente. Gn'ntgen feiner
»orjügltd)ften ©emälbe würbe eilt Ebrenplaj auf bern
©tabtbaufe jtt ßepben, bocf) hielt man ein @e>-
mälbe mit jmei glügelbtlbern, weldjef einen ©egett?
ftattb auf ber Apofalppfe barftellte, für feine befte
Arbeit. Diefeö hteng juerft in einer Kapelle, über
ber Familiengruft ber Herren oon ?ocfhi>vft, warb
aber fpäterbt'n »on einem Abkömmling btefeö
fcblecbtö nadh Utrecht gebrad)t.
Unter einem fo guten Sebrer madjte ber »Ott
ber Statur fo ret'd) begabte Jüngling in unglaublich
furjer 3eit bie größten gürtfdjrttte im 3eichncit uttb
Malen. Jm Kupferftecben hatte t'hm ein Künfller
Oiamenf Darttatfen ttod) befonbern Unterridjt erthetlt,
ber ihm gugleid) bett ©ebrattd) beö ©cbeibemajTerS
lehrte. Auch fagt man baß ein gcfchtcftcr ©olb*
fdjmteb t'hm bei fetner 93tlbung für bie Knnft ot'el
geholfen habe. Jm Jahr 1510 ba Sufaö »Ott ßepben
'7
fecfncint Jahre gäblte, erfcbieit abermals von tönt
etn allgemein bemunfcerteS 33latt, ein i cce Homo,
unb fo folgte tu fcbneller $olge etneS fetner Kunfti
werfe Dem auberit. ©ein Diutym warb groß tu feinem
Vaterlanbe, unb verbreitete ficb balb über bte ©rinje
beffelben tn Deutfd)lanb unb Jtalien; überall ftrebte
man ttad) beni 33efti3 ber Abbritcfe fetner 2öerfe,
unb mancher ttaliäutfcbe Meifter bennate, ohne ftd)
bejfen ju rühmen, bei ber ftompofttton fetttcr %tt
mälbe bie (Srfinbung beS nieberlänbifcben MeiftcrS,
ber nie fein Vaterlanb, faum feilte Vaterftabt ver*
laffen hatte unb ohne fretnbe ©tnwtrfung nur
feinem ©entuS unb ber 9ìatur treulich folgte. Va*
(
fari felbft ermähnt rühmenb ben Tanten SttfaS von
Set)bett, unb pretf't bte Attorbnung, bie 2Babrbeit
unb bie Ausführung fetner Arbeiten.
SitfaS van Sepbett mußte ben ^titfel mit nicht
mtnberm ©eltngen ju führen als bie 9letßfeber unb
baS SHabtretfen. ©eine ©emälbe maren ber ©tolj
fetner Vaterftabt, unb bie Bewunberung aller Kunfb
verftanbigen. DaS ©tabthauS jtt Seßben prangte
mit einer trefflichen Darftellung beS juugfteu ©e?
'286
rtcbtf von feiner £anb, an welcher befenberf bie
3etd)uung unb Karnation ber vielen naeften gtguren
bervunbert würben'. Ein fei>r fd)cnef Marienbt'lb,
ein Knieftücf , auf welchem baö KtnD eine Traube
mit einer oott btefer berabbängenben ißetnranfe tn
ber £anb hält, unb beffen, Drapperte befonberf
geprt'cfen wirb, taufte fpäterbtn bo- funftliebeitbe
Katfer 9tubolpb / unb lief ef nacb präg bringen. Eüt
öitberef febr bewunberteö ©emälbe (teilte bteKittDer
3frael vor, wie ftc baf golbne Kalb verehren, unb
bei Cuflgtlagen mit» 33anfetten beS £>m'J1 nnb feiner
©ebote vergeffen. Unb fo gingen in ununterbroeb?
«er Diethe mehrere treffliche Arbeiten in Dl unb tn
afßaifcrfarben auf ber Serfftatt beö fleißigen Mets
fterS hervor. Auch auf ©laf malte er mit hohem
©clinqett j unter anbern wie bte Xödjter 3frac^
bem König £>avtb tanjenb entgegen gtebn. £)od)
weber in feinen ©emälbett uod) in feinen anbern
Arbeiten befdjranfte er fid) etnjtg auf gctftlicbe Dar?
ftettmtgen, er mahlte oft unb gern auch anbere,
mitunter fogar humortftifdje ©cgcnftänbe; wie junt
Beifpiel jit bem Meinen , von ißafari gepriefenen
'9
Blatt, fluf »cid)cm ein Bauet' f?cb von einem Duacfs
falber bett 3flbn ausreißen laßt, währenb eine $rau,
»on tbm unbemerft, tbm bte Xafd)e leert.
Seilt von tbm felbft gegcidmeteS ^crtrat jetgt
tbit febr jugenbltd), ebne Bart, von etwa« fdjwäd)*
ltd)em Slitfcbcit , bod) mit bellen flarcn Künftleri
flugeti. Sr tragt ein mit Gebern gcfd)miufteS Barett "
auf Cent Kcpf, unb einen l£obtenfd)äbel im Büfett.
Von ©eftalt mar Sufaö von Sei)bett flettt, jterlt'd)
unb fd)indd)ttg. (£r verbetratbete ftcb febr jnug mit
einer eblen retdjen Jungfrau auS Dem abltdjen ©e^
fd)led)t ber von BeSbupfen, woburd) er t'n große
unb vornehme Faiutltenverbtnbungen geriet!), Jtt*
glctd) aber auch ju feinem Scibmcfcn veranlaßt
warb, mebr 3c*t bei ©aftmablen unb $eftltcbfeiten
jtt »edieren als ibm Iteb war. Sogar bic $eierlid)i
fetten, tv>eld)e fetne eigne Vermählung unter ben
Vcrroanbten feiner $rau herbei führten, preßten
t'hm Klagen auS, |o febr hatte er ftd) gewöhnt, jebe
Stunbe feiner 3ett einjtg ber Kunjt gu weihen, ©r
adjtctc fajt jebe Minute für verloren, bte er anfcerS
hinbringen mußte , unb arbeitete ftetp mit einem
10
Etfer, einer Anftrengung, als ob t'bm ein »orab*
nenbeS ©efüht bte ftürge feiner irbtfeben ßaufbabn
gewetffaget habe.
Eine etttjtge Tochter war bte gruebt fetner
gufrtebnen Ehe, Er führte mit feiner grau tu Ebre
unb Anfeben unter feinen Mitbürgern ein rubtgeS
glückliches ßeben. Sticht nur bureb feine -^ctratff,
fenbern aitd) burdf) feine Kunft war Cuf'aS von ßepben
balb febr woblbabenb geworben. ©eine ©taffeiet»
©emälbe würben von retdjett KunftfreunBen wohl
bejablt, ttnb feine febr gefuebten |)el$fd)nttte unb
Kupferfticbe ftanben fdjon bei feinem ßeben in nach
bamaltger Art ungewöhnlich hohem greife.
Um gattj fehlerfreie Abbrürfe ber le^tern war
" er fo beforgt, baß er jebeö Q3latt, baS nur ben ge*
rtngften Matfel trug, oerbrannte, bamtt bie Stöelt
nur Qßottfommneö von fetner £>anb erhalten möge.
Dierburd) hat er aber freilich auch ben Stacbfommett
bett 23eft£ berfelben febr erfebwert unb bte jetzige
große ©eltenbeit ber Abbrücfe »eranlaßt, ©eilt
Eulenfptegel, ein Kupferitich auf einem Duartblatt,
ben Albred;t Dürer für einen halben ©tüber taufte,
11
würbe fd)on gu ©anbrart« 3e^ct1/ w ber Mitte bei
ftebjebnteu Jabrbunbert«, für oierbunbert ©ulben
»erfauft , unb ift jeijt vielleicht im Original um
feinen ^rei« mehr ju haben.
Grubltd) entfd)loß fleh üufa« von ßepben eine
Steife nad) ©eelanb , $lanbern unb Brabant ju
unternebmen , um ficb felbft eine (Erholung von
angeftrengtem $leiß / unb feinen Xagen einige
Abwecbfelung ju gewähren. SKacb boltänbifcber
Art machte er bt'efe Steife ju SfBaifer, auf benett
ba« ßaub überall burdjfreujenben Kanälen, unb al«
ein woblbabenber Mann, in einem eignen @d)tff
mit einer wobtverfdjloßnen, mit ailen Bequemltcb'
feiten verfebeneit Kajüte ; vcrmutbltcb fo eine Art
von Xrecffcbupte, wie fie noch in ijollanb gebräucb*
lid) ftnb. Da Sufa« von Serben, wie wir au« Ali
brecht Dürer« lagebuch wiifett, mit btefem Metfter
in Antwerpen jufammentraf, fo muß er bt'e Dieife
im Jabv 1521, al« er flehen unb jwanjig Jahre alt
war, gemadjt haben, unb nicht fed)« Jahre fpäter
ttt feinem brei unb breißigften Jahr, wie Karl von
Manber unb nach ihm ©aubrart e« meinen, Auch
'12
ftubet fldf> ttt Atbrecbt Dürerft Xagebttcb »Ott bem
oft erwähnten Befucb bejfetben ttt beSMetfterä £ufaf
£>aufe ttt Sepbett felbft, fettte ©pur, e3 gebt »teU
mehr auf Aitern hervor, baß Albrecbt Dürer jene
©tabt nie gefehett hat unb baß er SttfaS »Ott
ßepben nur in Antwerpen juttt erfteu unb auch
mohl letztenmal erbltcfte.
Mit einem fettfam gemifct)tett ©efübt mögen
beibe große Metfter im erfteu Augenblick eiuanber
gegenüber gejtaubeit haben. Bette waren Jahre?
taug, mit beinahe gleichem ©cltttgen unb gleichem
Siuhm bie nämliche Bahn gegangen, hatten oft ttt
ben ©egenftänbeu threö fünftlertfchen Bemühens* bie
\
nämliche SBabl getroffen , ttttb waren gewiß auch
©ft genug jtt gegenfcittgcm-9cad)theil mit einanber
vergltdjen worben. Denn bie Seit hatte von jeher
bie Unart, i>ott ber fte and) wohl nie lajfett wirb,
ju glauben, baß fte feütett ihrer großen3eitgenojfen
nad) Qßerbienjt ehren fönne, ohne ihm einen jweitett
gegenüber ju ftetteu , auf beffett ftojten fte t'hn
erhebt, ©te wirb nie bebenfen , baß e§ bejfer
wäre fidj beö ©liicfö ju freuen, beibe in ihrer Mitte
'13
jit befreit unb babei jebett für ftcb auf ferne Seife
gelten 51t laffeiu
Albredjt Ditrerö Jftetfe gltd), wie wir wtffen,
einem Xrtumpbjuge ber ftunft, von bem baS @eri'td)t
gewiß ß id) biö 511 SufaS nach ßepben gebruitgen war,
unb tfjit vielleicht veranlaßt batte, gerabe in biefer 3eit
nad) Antwerpen ju fommcn. (£r erfannte ben boben
SBertb be§ großen Nürnberger Meifter« mit voller
Überzeugung, fo wie and) biefer ibm alte ©eredv
ttgfctt wtberfabren ließ unb überall jum Befife
feiner Arbeiten ju gelangen fud)te. Dod) CitfaS war
jünger, ehrgeiziger, von etwa« fränfelnber Scbbaf*
tißfeit, unb batte, wie behauptet wirb, wenn gleich
obne eö oic(letd)t jemanben aubcrä alö ftd) felbft z»
gefteben, oft mit Albrecbt Dürer abftd)tlicb in ber
53ebanblung be§ nämlichen ©egenftaubeS" gemett*
eifert.
Jebe aubere SHegmtg , außer bte berzltdier
Freube, wtd) inbeffett au« ibrem ©emütl), fobalb
betbe MettTer einanber erblickten ; benn Männer
von btefem 2Öertb tonnten ftd? nie ungered)t vers
fennen. <5te brachten in gegenfettiger $reuubltd)i
'14
Feit fcie für je 3ctt ihreS Betfammenfet)nS mit etiiatt«
ber 511 unb Jeber jetdjnete jule^t beS Attbern
53ilb, um eS als baS etneS geehrten unb geliebten
greuubeS unb ftunftöerwanbten mit ftdf) tu bte Dct;
math ju nehmen.
So tote Albrecht Dürer währettb fetner Dtctfe
überall eine höcbft ehrenvoll gaftfreie Aufnahme fattb,
fo jetdjuete ber bei gürftett unb großen -f?evrett
nicht fo perfönltcb befannte SufaS von Serben ftdj
feitierfeitS wieber bttrd) gretgebigfett unb gaftltd)eS
3uoorfommen gegen bte Küttftler attS, ttt bereu
SOSobnort er längere 3e,t weilte. Jtt jeber größeren
(Statt, burd) welche fein 2Beg ihn führte, gab er
ben bort einhetmtfdjen Malern tu ihrem ©tlbehaufe
ein ©aftmahl unb hatte für jebeS btefer $efte eitt?
mal für allemal fechjtg ©ttlfcen beftimmt. Sine
bamalS bebeutenbe (Summe, befonberS wetttt man
fid) Albredjt DürerS Benterfung bei einem ihm oott
rOtelfter Bernharb oott Dela» gegebnen $efte erttt?
nert , baS er als fehr oerfebmenbertfd) befdbreibt,
unb meint, eS fönne wohl au $ehn ©ulbeu gelüftet
haben.
3u Mtbbeiburg erfreute ftdfS ?ufa« oon Cewbeu
befottber« an bnt ©emälben bc« bantals bort
uenben Jobann von Mebufe; aud) ber Metfter
felbft, unb fein muntre« luftige« ißefeit jogen tl)tt
an. Gtt* unterließ nicht tu fctefev ©tabt fein gewobn*
teö Maler * ©anfet $u geben, wob et er febr fd)ön
ttttb attftänbig gefletbct erfcbtcit, tu einem gelblichen
Öiinf von feinem ©etben j bammelet, ber in ber
©ontte wie ©olb glänzte. Aber nun fam Mebufe
in einem ftletbe von mtrfltcbem golbiten Brofat;
btefe übergroße ^prad/t erregte Metfter ßufa« etwa«
übcrfpattnte Gsmpftnbltcbfeit, betn e« nun bebünfeit
wollte, al« würbe er wegen feiner einfacheren Xrad)t
von feinen übrigen ©alten weniger gead)tct. Hier*
au« mod)te wobl eine nid)t ganj angenebme ©patt?
nung in ber ©cfellfd)aft entftanben fet)n, betttt
fenft wäre biefer an ftd> unbebeutenbe Umftanb
fd)werlid) auf tie sDiadmelt gcfonimcn.
©d viel Vergnügen btefe eitle unb einzige
Kunftreifc bem Meiftcr 2ufa« wäbrenb ibrer Dauer
gemadit haben mod)te, fo gebadbte er t'brer nad)
feiner f)etmfebr bod) nur mit iKeue unb ©djmerj.
'16
(Er fünfte ftd), fo wie er wieber ju Haufe war / vott
etnem taugfatn fd)leicbeuben Übet ergriffen, welche«,
feine Kräfte untergrabend, i()tt allmäbltg bem Utt-
tergange zuführte, uub fant baburd) auf ben unfe«
Itgen ©ebanfen , »du trgenb einem üietber feine«
Siubm« ©ift empfangen ju haben, Freilich läßt bie
DRatur ftd) feiten ungeftraft in ihrem gewohnten
©ange vorgreifen. Früd)te , bie früh blühten,
reifen früh unb fallen ab, unb ber ©eift, ber fchon
ben neunjährigen Knaben fo mäd)tt'g befeelte, mußte
and) um fo früher bie gröberen Banbe jerftören,
weldje ihn an bie (frbe feffelten. Dod) bieß be;
bad)tc ßufa« von ?ei)beu nidit, fonbent quälte ftd)
Xag uub 9Zad)t mit bem peinlichen ©lauben an feine
Vergiftung, von bem fein 3«reben fetner Freunbe
ihn abzubringen vermod)te.
(£r lebte uub fränfelte fort wäbrettb einer
Ziemlichen Diethe von Jahren , uub behielt baö
©cbrecfbtlb be« langfant berannahenben Xobe« immer
im ©eftebt. Dabei jerftörte er burd) verboppelten
Fleiß alle tbm übrig gebltebne Kraft, ftatt burd)
fftuhe für feine längere Erhaltung ju forgen.
'17
Die legten fecb« Jahre feine« 5eben« mußte er
wegen feiner außerordentlichen Sd)wäd)e größten?
tbeil« im Bette Itegettb ^bringen, bod) feibft bieß
binderte it)n nicht, jebeu leiblichen Moment feinen
Arbeiten ju mt'bmen. (£r batte ftd) ju biefein 3»>ecf
nach eigner Erfindung SfÖerfjeuge unb befonbere
53orrid)tungen oerfertigen laßTen, die e« ihm möge
lieb mad)ten feibft in biefer Stellung ju zeichnen,
in Holz 5» fchneiben ober ttt Kupfer ju ftechen. Auch
malte er in biefer 3eit nod) fein legte« ©cntälbc tu
Dl, ein ißerf, wcldje« al« eine« feiner vorzüglich?
ften ttt btefer Art geprtefen wirb, und ju wclcbem
er mabrfchetnltd) jede Stunde benugte, ttt ber er
von feinem Sd)merjenlager ftd) erbeben fonnte.
Dtefeö ©emalbe mar mit zweien, dajTelbe ver?
fchließenden $lügeltbürcn öcrfebett, mit dcrjabrjabl
1531 bejeidjnct, und (teilte den Heiland bar, wie
er einem Blinden da« ©ejld)t wieder verleibt. Die
Blindheit de« von feinem Knaben geführten Armen,
ba« Mitleid und die btmmlifcbe ©üte im Slitgeftd)t
be« ßrrlöfer« werden al« böd)it vortrefflid) au«gei
brüeft geprtefen, So aud) die Manntcbfaltigfeii
II. S3&. 2
'18
unb ber AuSbrucf ttt bctt Köpfen bei* Umftebeubeu,
bte ©emänber, bic Bäume uiib ©ebiifdje tu bei·
beit £rintergrunb bilbenbeu ßanbfcbaft. (gilt Kunit-
Itebbaber tu hartem faufte fpäterbitt btefeS legte
£ü?etflerwerf 2ufaS oott ßepben um einen bebcitten;
beu pretö unb eS gebort oielletdjt nod) ju ben
wenigen, bte oon ihm btS auf unfere gefönt--
men ftnb.
Dtc allerletzte Arbeit mit ber er ftcb bis furj
vor feinem (£nbe befd)aftigt batte, mar ein
fdnutt, welcher Die ©ottitt ber 2ft$etSbeit barjtellte.
Dtefen behielt er immer bei ftd) unb fettt bredjen-
beS Auge betrachtete it)it noch mit SiBoblgefalleit,
als fcte fdjwacbe £>aub tbm jeDe weitere Anftrenguug
»erfagte.
Dceun Xage oor feinem tobe erfreute ihn nod)
fetne , währenb feiner Kranrhett oerbetratbete
Sochter burd) bte ©eburt etneS ßufelS, bod) legte
er babet aud) einen traurigen 33ewetS fetner, bitrd)
langes Selben auf DaS Docbfte geretjten Sntpftnb«
lid)teit ab. Denn als bte Patben mit bem Kinbe
von ber Xaufe jurücft'ehrteu, fragte er angelegcnt?
19
lid) tmd) dem Diameu, den matt dem Kinde beige»
legt habe, und alö matt antwortete, man t)abe dafür
geforgt baß ttad) tbm nocb eitt ßitfaö oott ßepden
btiibett fotle, warb er daburd) »erlebt, ftatt ftd)
darüber jtt freuen , ttnb nabnt e« fo, atö ob die
©einigen wünfd)tett, nur red)t bald ber täfh'gen
©orge für t'bn eutbobeu ju fetjtt.
2Bentge Xage darauf oerlaugte er ttDd) einmal
den blauen £>t»tmel ju fcbett. (£r warb au« dem
Bette att da« ^cttftcr getragen, fltll und finneub
oerwetlte er dort , ließ fiel) bantt wieder auf fein
2ager bringen, und attjmete jwet Xage darauf jum
letztenmal au« fdjwer beklemmter Bruft, (£r wurde
nur neun und dreißig 3'abre att, und ftarb tm
Jabr 1533.
©ein Gtnfel Cufa« ©ameffen wurde ein mittel?
mäßiger Mater und ftarb ju Utredjt ein und ftebjtg
Sabre altj ein jweiter ttad) feinem Xode gehonter
(Snfet 9ßamen« Jobann de f)o»9 jetebnete ftd) eben«
fall« ntd)t unter der Menge au«, war aber 11 od) ju
Karl oott Mattder« 3*'tcn ^cfmaier de« König«
0011 Frankreich.
2 *
-ocr page 23-'20
Die 3<*hl ber »o» CufaS von Sepbett bis auf
©anbrartS 3e^ett gefommnen-Kupferfttcbe gibt btefer
auf hunbert jwei unb fiebjig ©tücfe an , bie jebecb
fcfyim bamalS febr fd) wer jufantmen $u bringen waren,
fo baß man ein fletneS Blatt, Abraham unb £>agar,
mit fünft)unbert ©ulben bezahlte, ©ein in Kupfer
geftod?neS Btlbntß beS KatferS Maximilian, meldjen
er wahrettb beffeit Aufenthaltes tu Sepben jetebnete,
wirb als baS uortreffltdjfte geprtefett, melcheS ber
Metfter in btefer Art hervorgebracht.
iöon bett ©emälbett finD ebenfalls nur wenige
bis auf unferc Sage gekommen, bod) bewahrt bie
Botjfereefdje ©ammlnng von ihm ein föftltdjeS
großes Altarblatt, auf welchem fteben gtguren, fafl
uad) alter bpjantittifcber Art neben etnanber tu einer
Stet he fteben. BtS jur £älfte beS Mittelbüg
halten Engel einen Teppich mit golbnen Blumen
burd) wirft; über ihn biuauS verliert jid) ber Blt'cf
in bie blaue gerne, man fleht DaS Meer mit feinen
Jnfeln nttb Klippen, unC> Die floh ftd) erhebenben
ihürme einer großen ©tabt; AUeS liegt hell unb
'21
deutlich ün flaren ^>tmmci5fc()cttt. Vor bem "Ztp;
picl), in der Mitte, ficht der heilige Bartholomäus,
baS Meffer, als (Smbtem feiner Marter, in der
3fed)tcn, in der hinten ein Buch. SBürdcooller
Gtrnft, unerfchiitterliche D^uhe fprtd)t auS der hohe«
©eftalt, wie auS beut ooit bunfclem Bart unb
Haar umfloßneu efclcn ©efidit. (Jr tragt ein blaue«
©ewattd, unb über bemfelben, in lcid)te fd^öne
Falten geworfen, einen weißen, mit ©old cinge*
faßten Mantel. 3h'« Zur Seite fteht bie heilige
Gtäctlte mit ihrer Drgcl unb hordjt, ben reinften
AuSbrncf htmmlifd)er ©ecligfeit in ben leuchten*
beu 2iugcit, auf bie töne, meldte unter ihrer Hanb,
ihr felbft fajt unbewußt, ber Drgel entfebweben*
3ur anbern Seite beS Heiligen fteht bie heilige
Signcö, fd)ön, holb unb jung wie eine Blume, ge?
febmiirft wie eine Fürftin. Sang htnabwalicndcS
golbt'geS Haar umgibt baS rofig blühenbe ftbpfdKn,
ihr Auge ruht auf einem geöffneten Buche , weldjcS,
nebft bem bie Heilige bezeichnenden «Palmzwctg, tu
ben garten Hänbchen ruht, ju ihren Fußen fdjmiegt
fich ein fdjnceweißeS 2amm.
3litf beut rechten glügelbtlbe fleht ber heilige
Jaf'ob ber altere, mit ber Keule, alS bc$ctd)uenbem
Emblem fetneS MärtprertobcS, unb ebenfalls mit
einem 93ud)e ; ein berr(td)er get'flrctdicr Kopf »oll
lebenbigeu SluSbrucfS ; neben tiefem bie heilige
(Shriftitta; ber Müblftetn neben ihr, t'hr gewohntes
Emblem, ragt wirtlich halb jum Bilbe berauS. 2(uf
bem Kufen glitgelbilbe ficht Johannes ber Eoange*
Itfl unb bltcft mit ber 9iube beS über alleS Jrbtfdje
erhabnen -^eiligen auf bie (Schlange , bie unter
feinem ©cgenSfprttd) anS bem Kelch' emporfteigt,
beu er halt, Dieben Johannes erblicft mau bie bei?
lige Margaretha, ©d)ön, cbel, mit cntjücfeuber
greube ficht fte in ©eftalt eineS jornfpriibenben Un?
gcheitcrS ben Urheber allcS SB CS f c n ftd) fraftloS unter
thrent gufje wtubett , ber, wie bie Segcnbe er?
Jählt, ihr tu btefer ©cftalt tut Kerfer crfd)tctt, um
bte heilige Jungfrau $u fdjrecfett. Die heitere geter»
ltd)feit, bie ernfte ^radjt biefeS 23ilbeS laßt ftd)
burd) SBorte nicht barftellen, mau fleht baoor, wie
vor einem K«bterfüllten , heiligen Stempel. Die
ted;uifche iöollfommeuheit beffelben, bie Schönheit
23
ber Drapperie»!, beò reichen mannigfaltigen ©φηηιί*
feê, bie ^aare, baö lebenêmarme Kolorit, (teilen
eê ju bem Ijerrltcbften, maf je bie Kunft ber alten
Ìlììeijter hervorbrachte.
• 34
2>oi)mm üon Sflabttfe, mtd) SDfautbenge
itiiD iÜZaboggto genannt,
Sit Maubeuge ober Ma tut fc, einem Ort im
Hennegau, marb btefer Metfter ju (£ttbe De« fünf*
lehnten Jabrbnnbert« geboren, nnb nabm nad) ba?
maligem Künftlergebraud) ben Namen feiner Vater?
ftaüt an, Ser fetne Altern marett, tft eben fo un?
bekannt geblieben , al« ber Name beö Met'fler«,
unter bellen Leitung er juerft bie Künftlerbabn
betrat. Nur fo otel ift gewiß, baß er febon in ber
Jugenö al« feine bobe Metflert'n bte Natur aiter?
famtt baben muß, ber er auch tu ber $olge, bei
maneber Abweichung, beunoeb int ©ruttbe fletè treu
blieb, ©ein un'Iter ungeregeiter Octft, fetn leiben?
fdjaftlicbe« Sefen rtßctt t'bn fpäter jtt taufe ni) Ver?
irrungen bin , fo baß er , mäbrenb eine« wüften
ftuöfcbmetfettben ßeben«, tu ber Seit halb l>te= balb
bortbtn geroerfen warb. Da ber ift e« febr febmer,
ja faft unmöglich bem ©auge feiner ©cbtcf'fale gettatt
ju folgen. Aité ber auSgejetdjneten Vortrefflidifeit
feiner äBerfe gebt ittbeffett beroor, baß er mäbrenb
II &
feiner Cebrjabre treu uitb fleißig ber Übung feiner
Kuuft ftd) witmetc, Denn ebne bauernbeu ernften
©ebraud) alier Kräfte wirb Keiner ein Meifter wie
lOiabufe eö warb. Sind) ift bte ©ebulb, bie Xri
bte 3iei'ücbfeit , bereit er bei Aufführung feint
Arbeiten ftd) befliß, gerabe bei einem fonft fo raff*
lofen ©emütb jwtefad) bemunberitfwertb, unb be;
wetf't baß beituod) innige Allef überwtegeitbe Ciebe
jur Kuitjt ber ©runbton feinef pefenö war.
Jn ber erften febonften Sßliitbe feiner Jugenb
3Dg Mabttfe nad) Diom, um bort feine Btlbung für
bie Kunft ju vollenben. iÖtit rübmltdjem Eifer
nabm er bie großen italiänifcben 50?etflcr ftd) gum
IBorbtlbe, meldte jene wuitberretcbe 5U ber
er felbft aud) geborte , verherrlichten. (Sowohl
ihre SBetfe , alö ber Anblick ber unf gebltebnen
plafttfcben ©ebilfce einer großen Borjett, erfüllten
ben für bie Kunft glübeitben Jüngling mit Bewutu
berung. Höhere 2öünfd)c fliegen in t'bm auf, er
wollte eS ben großen Mctftern feiner urfprünglidjen
beimatbltcben Sdntle nicht nur gleich tbun, er wollte
fie wo uioglid) uoeb übertreffen, unb von ber
'304
treuefteu Nachahmung bei* lebenbtgen Natur ftcf> bt&
5um S'Oeal ber böcbften Schönheit binauffd)wiugen,
das tu bcm Marmor vor feinen wonnetrunfnen
Bitcfett jtt atbmcn festen. IDod) fein guter ©entu«
bewahrte ihn hier auf bcm Sdjetbewegc vor jenen
Srrgängen, auf weldien viele feiner Nachfolger unb
julelit btc bcntfd)c Kunft felbft ju ©runbc gingen j
Mabufe erfannte, t>a§ Sabrbeit emtg ba« erfte 33c-
bingnif} ber Sd)önbett fevtt werbe, unb wagte eS
bcöbalb nie, ftd) von t'br unb ber Natur jit entfer--
nen, obgleich er ftet«, unb oft febr glücklich, bar?
uad) ftrebte , fte mit bcm, feinem inneren Sinne
vorfebwebenben , tbnt böber büttfenben Dietj beß
^beeilen ju fcbmücfeu.
Gr war eö , ber juerft bei feiner -£)etmfebr
au« Italien bie fpäterbtn auf ftcftcu beö guten ©e?
fd)tnacfö nur ju febr berrfdjettb geworbtten allegori;
febett Darftelluugeu tu baö ©ebiet feiner vatcrlcm--
btfd)en Slunft einführte, Orr juerft brachte btc ita?
Itauifcbe Seife ttt ber Kotupofttion fetner ©emälbc
au, unb and) jettc fübltcbe Slrt vorjüglid) nackte
Figuren $u ntalcn, wa$ bie jücbttgeu ehrbaren 311U
'27
väter fcn(t immer fo viel mD^tidf) ju vermetben
pflegten. Unb fo würbe er balb berühmt, faub
überall 33erctmberer nnb Anhänger.
Mabnfe lebte eine 3cl^ang "t Utred)t , im
Dtenfte be£ borttgen Btfcbofö, *pbiÜpp von Sur;
giutb, nnb malte viel nnb fleißig; aber er verfanf
juglet'd) aud) immer tiefer in AuSfd)wetfungeu, ju
melden bie fd)led)tefte ©efellfdjaft, bte er ftd) vor*
jugöwet'fe erwählte, ihn nur verleiten konnte. Die
©taffeiet nnb ber Aufenthalt tu ©cbeitfen bei wtlben
lärmenben (Belagen, theilten ftd) in feiner 3eit/ ntrb
es tft fd)wer ju begreifen , wie er bei btefer ßcbenS;
wetfe bett klaren 33ltck unb bte fefte (Sicherheit ber
•£>anb ftd) erhalten konnte, ober wie cf ihm möglid)
war, fo viel $letß auf bie hodjfte SöoHenbung feiner
©emälbe jtt verwenben.
5Öon Utrecht gog Mabnfe nad) Mtbbeiburg,
wahrfcbetnlt'd) auf Verlangen beö Abtä Maximilian
von Burgunb, ber bamalS bort lebte unb im Jahr
1524 ftarb. Diefer trug tbm ein grofjeö Altarge-
mälbe für bte Ktrd)e feiner Abtei auf, ein SfBerf
von gewaltigem Umfange, mit jwet glügeltbüren,
'28
bte fo groß unb fcbwer waren, baß man ftc jebeSmat
bei Eröffnung beS AltarS ftütieit mußte. Der
Meijter menbete viel unb faft unglaubliche«
Fleiß auf btefeS febr ftgurenreidje ©emälbe; e§
fteßte eine Abnahme »cm Kreuje bar unb marb
ton ben KimftöcrflänDtgen ber fc"ie
»ollenbetjte Arbeit hbd)ltch geprtcfen. Albrccht
Dürer , ber eS fab , al« er im Satyr 1521 nacb
Mt'bbelbnrg fam , wo er aucb Mab ufert in feinem
Hanfe bcfudf)te, fället inbeifen tu feinem Xagebudje
baS Urtbeil: baS Bilb fet) beifer gemalt als gejeid)?
net Späterhin fdjlug ber SöKtj in bte Ktrdje eilt,
in welcher eS ben Altar fd)mücfte, uttb btefe warb
unrettbar mit alten ©d)ä£ett welche fte enthielt
ein Dtaub ber Flammen.
Mabttfe fcbetnt ttt Mibbelburg Anfangs mit
großem Aufwände gelebt ju haben, wie bte ©e-
fcbid)tc feitteS gotbbrofatnen ©ewanbeS bet ßitfaS
con CepbenS ©aftmabt bewetf't. Dod) ließ er beS?
balb tttd)t »on feinem gewohnten Cebett unb mag
eS wohl jtcmltd) arg getrieben haben, bettn ber Ma*
gifttat fanb endlich für gut, ihn uneracbtet feines
'29
bell ieucbtenbcnKimftlerrubntä gefänglich einjugtebeu,
ob wegen ©cbulben ober fenft jträflidjer $anDhup
gen, ift nid)t bekannt. Mobufe wenbete tnbeffe«
btefe unfreiwillige Cnnfamfeit ju mehreren »ortreff*
lidjen 3etcbnuugeu cm, von tenenKarl von SÖianber,
ber fie uod) gefeben bat, mit greube unb 23ewun;
berung fprt'cbt.
ES fcbeint, alö ob Mabufe nad) wieber er*
langter grethett eine 9?etfe nad) Conbon gemacht
babej metteicbt jpg £>auS -£>olbctrt ihn bin, ber
bamalS unter bem ©cbut^e König i)einrid)S beS aditeit
bort lebte. Denn außer vielen, melieidjt nod) in
Eitglanb exiftireuben, trcfflid) gemalten BilDniifeti
»oit MabufenS £)anb , würbe tu ber febr bebeuten*
beit ©alterte beS alten ^allafteS von 2Bbttcball ttod)
infpuberbctt baS von t'bm gemalte ^orträt jweter
»Drnebni gefd)müifter Knaben bewunbert, bie wat^r*
fd)et'ulicb ju ber gamtlte beS KöntgS geborten. Doch
ber ^allaft felbfi , bie alte 3fefibenj ber Könige
»oit Englattb, von -£>etnrtd) beS ad)ten 3cit btS
auf bt'e ber Königin Anna , warb feitbem btl
auf einen fleinen £(ieil jerftört, teuere ©er
'30
bäitbe aller 5lrt erfüllen jet?t den wette» Scannt,
weisen biefe« ^radjtgebäube ebemal« »Ott bett llfcvn
ber Xbemfe att bt« 51t bent jetzigen ©t. 3ame«vavf
mit feinen weitläufttgcn 9iebcugcbäuben bebeefte.
Die ©emälbe barau« (tnb afie jerftreut ober fpurlo«
verloren, unb fD mögen bentt and) Mabufen« Sir?
betten fein beffere« ©cbtclfal gehabt haben.
Sitte 3eittaug , ob früher ober fpäter V ift
fdjmer auSjuintttcln, befanb ftcb Mabufc a(3 Hof?
maier im Dteitfte ettte« vornehmen Nteberlättber«,
beit Karl von Manber ben Marqiti« van ber Veten
nennt. Dtefer muß fehr retd) unb feht vornehm gc?
tvefett fepn , beim fettt £>att«halt mar gang auf
fürjtlicben $uß eingerichtet. @r hielt ftd) einen
^oeteu , einen Maler unb einen ^htlofophen alö
unentbehrliche Mitgltcbcr feine« $)offt«atö. Db et
btefett breiett aueb beit luftigen SKath bctgefcllte,
ftttfce tcb nid)t ermahnt, eS fdjeint faft, al« ob Ma?
bufe aud) btefen ©hrenpoften neben feinem eigens
thümltd)cn mitunter verfehett habe, mte auö folgen?
bem 3U9C ait« feinem £>oflcbeit hervorgeht.
Katfer Karl bev fünfte baebte etnft beut Mar«
-ocr page 34-'31
cfiit'ó van ber bereit bic hohe Ehre fctrteê 93efud)ef
ju unb btefer machte natürlicher ÏBeife fogletd) bie
aöervortrefflicbften Slnftalten gum würbigen Em?
pfange bef hohen ©aftef. ©ie gange Dieuerfcbaft
warb neu unb glänjenb gefleibet, befonberê aber
follten ber ^oet, ber ^htlofe^b unb ber Maler in
neuen ©ewänberu von präd)ttgcm weißen feifcneu
Damaft baf geit verherrlichen helfen. Die©dmetber
nähten Xag unb 9ïad)t, bod) Mabufe wußte unter
bem iBorwanbe , feinem ftleibe einen gang neuen
malerifd)eu 3ufd)nitt gu geben, ben t'hni beflinuntcn
Damaft unverarbeitet in bie £)anbe gu befommeu j
unb ba er, wie Alle fetnef gletdjen, tu ewiger
©elbuotl) war, fo verfaufte er tl)n hetmltd), trug
baf ©elb in bie <£d)enfe, unb mad^te fid) bafur,
um bie golgett gang unbeforgt, auf feine SSeife einen
guten Xag. Der Marguté erfuhr eê wohl / beun
wann wäre an einem fleinen £>ofe ein folcbeß ©e*
hetmniß verborgen geblieben? aber er fanutc feinen
SOiautt , ließ ihn ftillfd)weigcnb gewahren , unb
verließ ftd) auf beffen Xalent, ftd) auf jeber Q3er*
legeuheit gu giehen.
'32
Der große £ag tarn, ber Katfer aud?. Die
Majeftat warb gebübrenb empfangen, «ttb eubltd)
»on bem MarqutS auf einen Balfoit geführt, um bie
lange Diethe ber gefd)mücften Diener anjufeben, bie
*projeffiouSartig unten im -£>efe vorbei jogen. Der
ipoet unb ber spbtlofoph in t'bren febönen weißen
bamaftnen ©ewäubern ftoljirten an ber ©pitje beS
3ugeö, unb tn ihrer Mitte Mabufe in einem äbn;
itd)en, bodb weit feböneren Kletbe. Damaft von
fo(d)er «ßraebt, fo bleitbenb weiß, mit fo herrlid)cn
gefdjmacioollen Saubgewtnben unb Blumen batte ber
Katfer nod) ntd)t gefehen, aud) lobte er ihn über
bie maßen.
Bei Ber lafel enbtid) , mo ber ^oet, ber
sphtlofopb unb ber Maler in ihren febonen Kleibern
unter ber übrigen geputzten Dienevfcbaar jur 3luf?
martung bereit baftanben , fiel beS KaiferS Bltcf
abermals auf MabufenS »ortrefflieben Damaft; bem
Maler mnrbe gewinft, näher ju treten, ber Damaft
blieb aueb in ber Nähe fo febött, baß ber Katfer
einen 3tpfc* ©eroaitbeS ergriff, um ihn beffer
ju unterfueben , unb nun erft entdeckte er bte
'33
$,äufd)itng. DaS gange ©ewattb mar papier, übet
mito über mit Blumen unb 9ianfen, bcm toirflicben
©toffe fo abulici) , übermalt , baß mirfltcf) nur
baS @efül)l ben unglaublichen Jrrtbum eutbecfeu
fonnte.
Die Majeftät lad)te baß it)r bte Augen über?
gingen, als fte bte @efd)td)te beS munberfamctt
SiocieS je tòt »ernabm , bte gattje $,{fd)gefettfd)aft
lacl)te mit, unb fo lange ber Katfer regierte hatte
er feine fo frel)ltd)e Xafel gehalten. Um rn'el fyuv
bert Ellen beS berrltcbften DamaftS hatte ber
Marquif btefen ©d)manf feineS £>ofmalerS nid)t
mtffett mögen , unb btefer gewagte ©treid) befeftigte
ihn gar fehr in ber $>ulb feineS £>crrn, ber, minber
gefebteft ausgeführt, ihn mal)rfd)ein(id) oölltg ge*
ftürjt hatte,
Dod) Mabufe wußte aud) auf eblere Seife fein
großes Xalent im £aufe fct'neS Befd)ü£erS geltenb
ju machen. Er matte beffen ©emablin nebft ihrem
©ol)n, als Mabonna mit bem Kinbe, unb waubte
fo viel gleiß auf bte Ausführung biefeS fojtlidjen
BilbeS, baß fogar feine übrigen ©emälbe/ fo treffe
II. f»b. 3 ■
'34
Iii) geniftit fie attd> find, bagegett raub imb mmol*
ienbet erfcbteneu.
Diefe« aber ift oud? 2i(ic«, maö td) vom Cebett
fotefcö großen Metftcr« tu (Srfabrttng bringen tonnte,
bereit D'iatnr ba« >f>öd>fte mit bem Ntebrtgftcn entf
fo fcltfantc Seife vereinte. Man fagt, er fco im
3abr J 562 tu jtentitcb bobem äliter geftorben, bod)
ift fomobt ber Ort, tvo er ftarb, ai« bt'e 3(rt fettte«
£obe« unbekannt.
Da« ©rab bebeeft bic Vcrirrungett feine«
Sebcnö, bod) wa« er in Htnfid)t auf bic Kunft war,
bemetfett brei feiner ttnfd)ä£baren ©emälbe in ber
©ammiung ber Herren Beijfere'e. £>a« eine, eine
Krcujtguttg, ift ein große« 23i(b, von bem man ver*
mutzet, baß er e« vor fetttcr Dfetfe ttad) Jtaiien
gemait babett fonne, aber bemtod) fprtdjt febon
au« biefem fein lebhafte«, bem mannen ©üben flcf>
attnäbernbe« Sefcn. Sentger fromm, rubtg unb
innig, al« feine großen Vorgänger nttb 3ettgenoffcn
bei 93ebaubiung bt'cfc« ©egenftattbe« c« maren,
brachte er in bic ©arfteüitng ein böd)ft cffcctootic«
?eben, td) rnodjte fagett ein bramattfebe« $ort*
35
fdjreitcn; aifcd ijl iit SÖcmegun^, bodf? tmmev fern
ven atier Übertreibung, £>ie brei Krettje ttebmen
bic Mitte beé Bübeé etnj auf ber bcit £>intergruub
bübenbeu 2anbfd)aft erblicft man Jerufaiem uub
meie btn unb bet ^Banbetnbe unter ben Mauern bev
©tabt. 2Bunberfd)ön ift ber Kontraft $rctfd)en bent
flerbenbett f)etianb unb ben tn pctttitcbcr £hiat »er?
fdjeibenbett <8crbred)ern auögebriicft, niebt minbet
and) ber jtmfd)cu bt'efen bei'ben obwaltenbe Untep
fd)teb ber Karaftere. SSetber ©terben ift furd)tbar,
büd) fern oon grdfilid)er iöcrjcrrttug, tl)re ^bnftog-
nomtett gattjltd) »erfd)teben/ fo mie aucb ibve £>al·
tuitg tut Xobe.
Angefiammert au beu gttfi beS KreujeS,
wcicbeö ben Srlöfer tragt, tuit bent uoiiett iüuêbrucf
rcilben üerjroeiflcttbcn ©cbmerjeë , balb fnteenb,
balb aufgertd)tet, blieft Magbalena ju t'bm berauf,
faft jttrncub bem ^>imiiict, ber btejj Uugebeure
gefd)ebeit laf?t. ©eitinartS erliegt bic metuenbe
Mutter tbrem fttlicrctt, bod) ntd)t mtnber berber-'
retfjenben ©d)tucrj. Jobattneê unb Maria ©aiome
Miiterftü^eu, int eiguett Jammer faft oergcbeitb, tie
|)atbob«mad)ttge. Sabrbaft herzergreifend ift bic
©ottcrgebenbeit ber Alleö duldenden Mutter, int
©egenfafe mit bem letdenfd)aftlid)en ©türmen ber
mcit jünger« Magdalena, bte tnt Drange beö iüelt-
lebcnS uod) ittd)t lernen tonnte ftd) unter ben 2BtUeit
©otteö fromm ju beugen. Der Auöbrttcf, bte
©rupptritng, bte ©d)öitbett ber Köpfe, fo mte bte
Drapperte btefer Gruppe ftnb vor Allem bernim?
beinömertb/ befonberö t'it letzter £>infid)t baö butt;
felblane ©ernattb ber Magdalena uttb baö der
Maria ©alome; ein fel)r retjendeö mit einer Art
von goldnem Diel) »erbitnbncfl Haubdjen fd)müd:t da«
feböne Köpfeben der letzteren. Die um da« Krettj
verfammelteu ^bartfäer bilden einen jmetten Kentraft
mit den meinenden grauen ; Krteg$fned)te auf ftoljett
sßferben fcbltefjeit an btefe ftd) an, unter betten ftd)
ein vornehmer Mann tnt rothen ©emattbe aiiSjetd)*
ttet, mabrfd)cittltd) ^ontinö «pilatuS. Alle dtefe
©eftalten, dtefe Stopfe, vom oerfcbtcdenftcit Att$~
fcruef, ftttd voll ßebett und SBabrbett. & ift ein
93tld, da§ den Bltcf umvtberftebltd) feffelt, eö atb-
ntet, eö bewegt ftd) mentt mau e« langer betrad)tet.
37
Ein gwetteö, weit fletneref Bt'lb , welcbefl
Mabufe nad) fctncr ^etmfebr auf 9iem malte, erüt*
nert ein bte Sföerfe Michael Angebf, unb an allef
&crrltd)e ttalifdjer Kunft. Eö geigt uttf bte Ijetitge
Jungfrau tu hoher Anmutl), tu fttrfHtdjer 'Pradjt,
atf Königin bes Rimmels, Der tiefe Ernft bef
Ktnbeö tft wahrhaft göttlich $u nennen, baf prächtige
faltenreiche ©ewanb bet Mutter fließt weit über
ben Beben l)itt. Jch fann mid) bef ©ebanfcnö nicht
erwehren, baß btefef ©emälbe, bet aller (Schönheit
ber Mutter unb bef Kinbef, beitnDd) baf gerühmte
^orträt ber ©emablin beö Marqutf van ber iBere
fei?n fönnte. |)öher fenute weh* weber Mabufe,
ned) trgenb Jemanb bte Jtunft bef Malenf treiben,
wie auf btefem höchft oolleubeten flctuen ©emälbe
gefebab/ baö tu #iuftd)t ber Aufführung ber Xriitmpb
aller Malerei genannt 31t werben uerbient.
Daö britte Btlb Mabufeitö jetgt tu prad)tüoller
gpltner Diüftung beit Erjeugel Mid)ael, ben Über?
wtnber Cugtferö, weldjer fraftlos unter feinem guße
ftch winbet. $immclSglerie umftralt bte l>ol>e £)eli
beugeftalt bei gcttltdjen <2trcttcr3, wahreub fein
©cf)ü§ling auf Arbeit, ber Donator biefe« SStibcS,
bcmiitljtg unb fromm, feitmärt« ju feinen Süßen
fnieet. tft ein ©emälbe von wahrhaft blenben?
ber spracht, berritd) gemait, unb (lammt ebenfalls
au« ber fpätent 3ett be« 9D?ei(ter« , nacf) feiner
5Äücffei>v au« Jtaiien,
39
Ju ©cboreei , einem kleinen Ijotianbifd^ett
Dorf , vhnmeit Alkmaar , trat btefer feline,
von ber Diatur burci) ihre cbelfte ©aben auSge*
jeiebnete ©etil, am crftcu Auguft bcS Jabrö 1495
iit baö trbifd)e ßebeit. iXiatje Bermaubte nahmen fid)
mit mabt'baft väterlicher ©orgfalt beö verwaisten
Knaben an, ber in frühftcr Jugenb beibe Eltern
verlor, nnb nun fromm unb etnfadfj unter Jener
treuen pflege heran mucbS, ©obalb er baä baju
gehörige Alter erreicht hatte, mürbe er nad) Alk*
maar auf bie <Sd)ule gebradjt, mo er fidi? burd)
fittlidjeS Betragen unb fcbnellcS $ortfd)reiten in
Adern maS ihm gelehrt marb, bcfonberS in ber tatet*
uifdjen ©pradje, vor feilten Mitfcbüterit anzeichnete.
SÖaö er and) unternahm, begüuftigte ein feltueS
©dingen; feine natürlichen Fähigkeiten, fein großeS
gaffungSoermögeu, machten ihm aud) taS ©d)merfte
leid)t, bod) fein aitgeboruer Beruf gut btlbenben
Kunft trat vor Aiicnt auffatieitb vor unb äußerte
fich fogar in feinen finbifd;en (Spielen. Die ibm
40
äugangltcben ©emalbe, felbft bie damals allgemein
nett gemalten Fenfterfdjetbcn nachzuzeichnen und ju
malen, mar feine innigfte Freude, und bei feinen
Scbulfameradeit mad)te er ftd) befonberS dadurch
beliebt, baß er t'bre in der <®d)ttle üblichen Xtn?
tenfäffer »du mctßem -£)i>rtt mit allerlei artigen 23er-'
jteruugeu febmiirfte, indem er Menfd)cit und Xhtere,
Baume und Blumen fel;r fattber und erftndungSretd)
mit einem Febernteffer btneinfebnitt. 3um ©lücf
maren «SdjercelS ^flegeältern nitfjt nur fo ncrftändtg
biefeS AlleS gehörig $tt bead)tcn, feudern aud) liebe?
voll genug, um felbft mit eigner Aufopferung baS
auffetmenbe Xalent beS Knaben ju uuterftü^eu,
febatd fte elf erfannt hatten. (Sie nahmen ihn beS*
halb fcbßtt im vierzehnten Sahre auS der ©dinle, mo
er tndejfen ju feiner miffcnfd)aftlicbeu Ausbildung
einen recht tüdjtigen @ruub gelegt hatte , und
bradjteu ihn nad) £>arlem ju bem heften Maler ben
fte fannten, gtt Mcifter 2Ötll;elm (SortteltS,
Dtefer Sßtlhelm (SorueliS, der aber mit nteh»
reren feiner Kunftgcitoffen , die auch SortteltS
hießen, nid)t ju verwed;fe(u ift, mar in der Xbat
41
ein iucl)t ungefcbtcfter Maler, unb wohl fällig feinen
hoffnungsvollen Sehrling bent Anfange ber rechten
Bahn jujuleiten, büd) babei rohen harten ©emütbS,
eigennützig in hohem ©rabe, unb auch bent Xvunfe
ergeben. Er mad)te viel Einwenbung, ehe er ftdj
eutfdjloß, bett Knaben in bie £ebte $u nehmen, unb
willigte enbltd) nur unter ber Bebtnguug barcin,
baß bte iBormüuber beffelben fiel) fd^rtftlid) anbetfcbig
niad)ten, ihn brei 3<*bre tu feinem Dieufte
laffeit, ober, im gälte er bte 2öerfftatt feineä
MeifterS früher «erließe, eine bebeuteube ©elbbuße
ju jahten. ©djoreelö ^flegeältern , benen ba8
gortfommen beê verwaisten Knaben fehr am -fernen
lag , willigten in AlteS 3 baS ungefügige , aufge?
blaßue Sefen beS MetfterS brachte beit einfädelt
treuen Caubleuten nur einen um fo feftern ©lauben
an feine Kunft bei, tnbem fte meinten, baß, wo
fo viel geforbert würbe, and) vtcf geleiftet werben
muffe; fie unterfd)rieben baher waS man verlangte,
unb <5d)orcel jog fröbltd)en MutbeS als wohlbeftalli
ter iehrling bei feinem Meifter tttê $auS.
Daß es ihm bort mitunter übel genug ergehen
-ocr page 45-42
»nocete, tft tetcht ju erachten / aber er ertrug Atteé,
denn er durfte ja zeichnen und malen den ganjeu
Tat). And) mad)te er in furjer 3eit fo fdjnelle und
fo bedeutende $ortfcbritte, bafj er fdjoit im erfteit
Jahr1 im Stande mar, feinem eigennützigen Sehr*
herrn fcurd) feine Kunftarbeiten einen ©eminn 0011
mel;r alö hundert hoilandtfchen ©ulden einzubringen j
eine febr beträd)tlid)e Summe tu jener 3et'*·
arme Knabe hatte aber leider mit einem, jeder
guten (Empfindung unfähigen Menfcben zu tbuit;
denn ftatt daß, mie z" ermarten ftand, Fleiß und
Xalent ihm menigften« eine freundlichere Behandlung
feitteö MetfterS erworben hätten, jogcu diefe (Eigen?
febaften ihm nur Dvetd und Argwohn ju. SQBilhelm
(Eorueltö tonnte nid)t ohne inneren Verdruß den
Fortschritten deö Sebrltngö gufehen, der ihn in
furjem zu »erduufeln drohte, fand eö hinwieder
aber aud) gu bequem , müßig in der Sdjcnfe zu
fttj.cit , während dtefer daheim für ihn ©cid ver*
diente, als daß er nicht hätte dafür forgen fotlen,
(Ich einen folgen Arbeiter zu erhalten. Daß Ctebe
und freundlidjfeit bier AileS thuu fonne, fiel ihm
43
nicht ein itetiev bemaebte er ben armen Knaben
3ag unb 9iad)t auf bte nnieibitdjfte 2Bet'fe, über?
häufte ihn mit Arbeit, unb vermteß ihn, bei bem
flet'nften ,3etd)crt gerechten UnmttlcuS über eine
folche Bebanblttng, auf bte 23erfcbretbung, bte ihn
ttod) auf (attge 3?it ju feinem leibeignen mad)te,
unb ote ber Metfter von nun an immer bei ftch
trug.
„(Siebft bu Jean?7'' flammeite er oft, meun
er betruufen mar , unb ftopfte babet höhntfd) lad^enb
auf feine Xafdje, „flebft bu, ba hab ich bid), ba
flecfft bu feft betritt, ©ebft bu mir baoott, fo metß
td) fchon, maö tch mit beuten greuuben anzufangen
habe, bte fotlenö empftnben."
Den armen (Sd^oreel fdjmerjten biefe emtgen
Diecfereten unb Drohungen jebeömat tief t'n ber
(Beete, er begann fogar ftd) heim(td) barüber ju
härmen, unb ber (Bebaute, fo verlauft 31t feptt,
marb t'hm ettbltd) fo entfe^licb, baß er befdjtoß AtleS
aujumenben, um ber bet'iiefen Beitreibung habhaft
51t merbett. ES getaug t'hm atid) mtrf(id), tu einer
fehr ftürmifdhen bunfetn 9ta$t , ba ber Metfter
44
völlig betrunken wie ein Tobtet ba lag. Cetd)t tute
et» Vogel fprang ©d)oreet mit feinem JKattbc bavott,
lief auf bte Brücke, wd er baö Rapier, tn taufeub
©tückdjcu jerrtjfett, bem Stnbe ttnb bett Sellen
übergab, lehrte bann letzteren HcrjettS wteber
beim, ttnb ging rnbig jn Bette.
Jtt ber reinen ©eele bcö jetjt fünfzehnjährigen
Knaben war bei aiie bent ketttc ©pur beS ©cbankcuö
aufgekommen, ftcb auf btefe Seife burd) 3crftöruug
ber Haubfcbrtft »du ber gegen feinen Cebrberrn ein?
gegattgtten Vetbtub(td)keit befreien ju wollen. ©ein
treueö rebltcbeö ©emütb glaubte fid) hinfort niebt
mtnber att ba« für tbu getbane Vcrfprccben gebutt*
bett als zuvor, aber ber verhaßte Anblick ber £)anb;
febrift, ttnb baö ewige Droben mit btefee konnte
thtt nun bod) ntd)t mehr plagen ; er fühlte ftd) frei,
weil nur feine innere Überzeugung ihn banb, unb
ertrug nunmehr AllcS mit Oebulb, marb vielleicht
aber and) beffer gehalten.
^cbltd) unb treu, ohne einen Verfud) $tt ent-
fliehen, arbeitete er nun für bett Meifter tiacb beften
Kräften fort, lernte, fo viel feine jefctge ?age t'hm
45
erlaubte, ttufc Faunte fct'u {Bergungen als ©ountagö
unb geiertagö , wenn bte ©otttte unb bte warme
©ommerluft ihn lockten, et'nfam hinauf in baf nahe
<f)arlcmer fjolj 51t wattbern, Dort, unter ben
hohen herrlichen ßaubgewölbett , vergaß er 31(leS
maf fein ßebett beengte; lagerte fid) mit jeuer un<
nennbaren ©onutagSfreube, weldje bte Ktnber vor*
nehmer Eltern feiten kennen lernen, an irgenb einem
ftillen ^lät^en in baf grüne wetdje @raf, zeichnete
Bäume, Büfdje, Blumen unb Kräuter nach ber
9iatur, unb ergötzte fiel) babet an bem ©e$wttfd)cr
ber kleinen 33ögel unb bem geftgefang $al)Uofcr
9iad)tigalten , bie nod) alijährltd) im £)ar(emer
•£)olje ihre 5S3ol)nung auffcblageu. SBenn bann bie
©onne fanf, kehrte ber junge Künftler mit bereis
djerter Mappe wt'eber beim in feine unerfreuliche
Söohuung, unb war bod) innerlich vergnügt, wie
ein ^rinj ef nur immer fepn Fönnte.
Enblid) im Jahre 1512 waren bie brei fanern
ßebrjabre überftanben; ©ehoreel, jetpt ftebjehn
Jahre alt, fühlte Kraft unb Mutl) , ftd) ferner
felbft burd) bie Seit jit helfen, unb war Flug genug.
324
(ich burcf) bie ptöiiltd) eingetretne ^vcunbitci)fctt feiueä
ßebrberrn nirfjt 51t etnent falfdjeit (Schritte »erletteu
51t laffeit. (Er «ahnt gejtemenbett Abfd)teb »01t ihm,
unb wanberte leichten Mutheö «ad) bei' große«
fd)öite« HanbelSftabt Amfterbant, wo er balb ttad)
feiner Ankunft 1« ber SBobnung tmb ber Serfftatt
be« Meifter Jakob (Eorneltö, be« er mabrfd)et«ttd)
fdjo« früher hatte kennen geientt, fehr freunbltd)
aufgenommen warb.
Dtefer Meifter Gfornetiö war fowobt in ^>t'jiftcf)t
fetner Otiten als feiner Kunft »on betti (SomeliS
htmmetwett öerfdjtebeu, welchen Sdjoreel eben »er-
laifett hatte. Vott armen Bauern tn Doftfaucn,
eineut Dörfchen int Saterlaub geboren, hatte er
burch eigne Kraft, bittet) A»öbatter unb Mutb ftd?
bett 2Beg jtt ber Höhe bahnen muffen, auf ber er
jetjt ebrenoott ftaitb. (Er galt in ber £l)at nnt bie
3ett, wo Sdjoreel in feinem Haufe Aufnahme fattb,
für einen ber berühmteften Maler tn bett Niebet*
tauben, befottber« wegen ber ißahrheit fetner @e*
matbe. (Er malte Alleö, fo otel möglich nach ber
Natur, oor Altem bie ©ewättber, weld)« er! fehr
47
vorgüglid) üt aller Etgentbümltchfeit ber garbett unb
Stoffe barjuftelleu wußte, ©eine (Semälbe fd)mütf>-
teu Kirchen unb Altäre, fowobl in Amfterbam felbft,
als in beu benachbarten ©täbten, bed) würben biefe
faft alle fpäterbtn bureb bie Btlberftürmer jerftört.
Karl von Manber erwähnt befonberS einer Abnahme
»diu Kreitg, bamalS im Beft£ einer 2ßittwe DcameuS
von ©onnevelbt 51t Alfmaar, ©cfyoreel hatte ju
biefem Bilbe bie ßanbfcbaft , welche ben -$>intev-
gruttb btlbete, gemalt, unb eS war ein SBerf, baS
fowohl bent 5D?ctftcr als feinem ©djüler Ehre machte.
3afob EorneltS war and) wegen feiner Kuttft
tu >£>oij 51t fdjnetbeit berühmt, unb vielleicht finb
einige Abbrücfe btefer feiner Arbeiten auch bt'S auf
unfere gekommen. BefonberS follen neun
ruube ^afftonSfhtcfe, neun eben bergletchen Blatter,
welche Leiter jtt ^ferbe barftellen, unb eine größere
Darftellung beS CetbeuS Ehriflt auf einem Duart·-
blatt, itt ^inftcht auf 3eid)ituug unb Ausführung
als fehr vorjügltd) bewunbert werben fepn. Auö
allem biefem geht wentgftcnS hervor, baß ©djoreel
für bie AuSbilbung feineS XalentS m'djt leicht in
keffere H^nbe lf>attc fallen fonttett. Nicht mtnber
»ortbeilbaft war bte Veräitberung feine« Aufenthalt«
für -bte häu«ltci)en Verbältniffe be« angehenbeu
Küuftler«. Metfter Jafob war gan$ baö Bilb eine«
waefern HauS&aterö au« bem Bürgerjtaube ber ba*
maltgen ber mit ßtebe unb Verftatib in feinem
Haufe unumfdhränft berrfcbte, ohne baß e« einem
ber Mttglieber beffelbett je einfiel, $tt witnfebett
cber ju glauben, baß bieß anber« fet)u tonne, ©o?
wohl feine« tabellofeit SBattbel« al« feiner Kunjt
wegen, warb er auch im öffentlichen ßeben »on
feinen Mitbürgern hochgeachtet unb ftaitb in (Ehr*
unb Anfchcit bei ©roß unb Klein.
(Er hatte »tele Ktnber, aber fie waren alle
fd)on gattj erwachfen, unb bte ntehrften weit alter
al« ©d)oreelj nur ein fpät uaebgeborne« Xöd)terd)ctt
jählte erft jwölf 3«bre. £>a« holbfeltge Ktnb
war bte Freubc be« Vater«, ber Ctebltttg be« ganjett
Haufe«, nttb wud)« fo von ßtebe gepflegt heran, in
utiücrg(etd}ltd)cr Schönheit; retn unb flar wie ein
Xhaittropfen tm Frühroth, auf ber eben entfalteten
Sfofe, fauft unb gut, unb unbekannt mit ber Seit,
49
tute ein Q3ögeld)en im iftefte, unter fcett fdmfjenben
Flügeln fetner Mutter. Jtt tiefen Umgebungen
»erlebte <5d?oreel Die gtücl'lidjen Xage feiner Jüng;
ItugSjett. Mit ßuft unb (Belingen arbeitete er für
feinen Meifter, unter beffen Aufftdjt tägltd)ei(
nehmen in Der Kunft feinen Eifer belohnte, unb ber
ihm brnnod) nidit nur ein gan§ anftänbigeö Jabrgelb
für feine Arbeiten jablte, fonbern ihm babei auch
nod) bte Freiheit ließ, in Diebcnftuttben für feine
eigne Rechnung ju malen waS er wollte. 93iele
gelungne Arbeiten gingen fdjott bantalö itt tiefen
feinen freien ©tunben uuter beS jungen KünftlerS
fleißigen |)änben heroor uttb fanben balb Ctebbaber,
bte nid)t nur ©cboreetS frühen JRuhm begrünbeten,
fonbern aud) gut bejahlten, waö ße oott ihm erlauf?
ten, fo baß er ttt furjer 3eit ßd) etne ntd)t gattj
unbebeutenbe ©uittmc für bie nadhfte 3»f«"ft er«
werben hatte.
Mit allen feinen £>au3genoffen lebte ©eboreel
in griebe, Ctebe unb Vertrauen, »or Allem aber
entitanb gmtfd)cti ihm unb bem febonen <töd)terd)en
feitteS MeiflerS eitt unbcfdjreiblid) jarteö Berhältniß,
Ii. <8t·. 4
50
$it ber 93ruft beö «cf;ijchti ober neunzehnjährigen
Jüngling« mußte gar balb beiße innige Ctebe au«
bt'efem unfdiulbtgeu Vertrauen entfteben, aber ba«
jmolfjäbttge Mäbcben mar ftcb nur bemußt, t'bm
berjlid) gut ju <et)tt·, uttb üerbeeite ihm bteß eben fo
wenig, alö ob er wirklich einer ihrer Briiber gemefen
märe.
Sa« gtng eine Seite fo btn $ fuße Sorte,
liebe Verfpredjen nie etnanber ju oergeffen , mürben
gemedbfett, unb ©djoreel« gaitjeö Streben hätte
flcb »teitctcbt in ßtebe unb ©ebufud)t aufgelöf't, wäre
er nicht kräftig genug gemefen, fleh felbft au« bem
füßett Taumel empor ju reißen. Die 3l,kunft an
ber |)anb fetne« unbefcbreibticb b»tben Mäbdjen«
erfdjien tbm tm btmmlifcbett ÖHanj, aber aitci) bie
ßtebe jur Äuuft fpracb iaut tu feiner Bruft. (Er
bebaute fettte eigne große Jugenb, unb bie feiner
fautn beu erften Jahren ber Äinbbeit entmacbfenen
(Beliebten , unb befcbloß hinait« 51t geben in bie
Seit, flcb auf jebe Seife be« ©lück« mürbtg ju
mad)ett, baö ibni alö einzig wünfcben«wertb erfcbien,
uttb bautt erft heimzukehren, wenn er im ©taube
5Jl
fei), würbig unb ehrenvoll um bie £>anb ber Xodjter
fetneö iDict'uevö gu werben.
Metfter Jafeb (SorneltS mar ein ju verftän*
btger Mann , als baß er , fo lieb unb uütjlid)
©djereel ihm auch mar, nicht btefem Entfdjluß hätte
beifttmmen feilen', unb fe retßte btefer bann enbltch
mit fernerem £>er$en ab, begleitet von ben <Se?
genSwünfcben beS 23aterS unb ben bit'tern Xhränen
feiuef lieblichen McibdjenS.
Der allgemeine JKuf, welcher Johann oen
Mabufe als einen ber erften bamalS lebenben
Metfter verfünbete, jog ben lehrbegierigen Jüngling
juerft nach Utrecht, mo jener im Dtenfte beS bor*
tigcn BifchofS, «Philipp von 95urgunb, lebte. Ma?
bufe empfing ben jungen (Sdjoreel auf baS freunb-
Itdjfle, mieS ihm eine 2Bobnung in feinem £aufe an,
öffnete ihm feine Sßerfftatt, unb Beibe begannen
eifrig mit einatiber ju arbeiten. Sin ber Staffelet
ging SllleS vortrefflich , aber nicht meiter. DaS
wiifte ßeben beS MeifterS fcmtte bem eblen , an
ftreuge (Sitte gewöhnten Jüngling nicht gefallen.
93$lb mußte er Mabufeu ju feinen Xrinfgelagen be*
4*
-ocr page 55-52
gleiten, unb wenigsten« bie foftbave 3eit bort »er--
geuben, balb in Der ©d)ent'e für ihn bejahleit, balb
gar, wenn jener mit feinen ©pieögefellett über ben
Sed)ertt ober Sürfelit tu 3wi(t geriet!), für i()n fieb
herumfd)lagen. ©d)Dreel hielt btefe« ßebett nid)t
lauge au«, fonbern nabm bei ber erjten ©elegenbeit
böflieben 2lbfcbteb unb wanbertc weiter.
(Er wenbete ftcb »Ott lttred)t nad) Köln, unb
»oit bort ttad) ©peier. £>ter weilte er eine 3ettlaug
bei einem fnnftrcid)cn ©etjtlicbcn, für bett er einige«
malte, unb ber ihm bafür in ber Siutenperfpcftttte,
in ber ßehre oott ben Verfitrjungen, unb in ber Be?
banblung ard)tteftotitfd)cr ©egenftänbe Unterriebt
ertbeilte. Dann 50g er weiter nad) ©traäburg, oon
bort nad) Bafel, ©o 50g er währenb fetner San?
berfebaft öurd) nod) trtebrere ©täbte, fttd)te überall
nach bamatiger Künjtler ? ©ttte bie ©ilbehäufer ber
Maler auf, unb bemühte ftd) überall, bei ben btc
vübmteften Meiftern 3"tritt ju erhalten, bei ihnen
gu arbeiten uttb oon ihnen ju lernen. Sohin er
fam , fah man il)tt gern , alle Serfftätten (tauben
ihm offen, bie größten Meifter feiner 3eü beeiferten
ftci), ihn jum ©ebülfett ju haben, unb bciobittett
ihn auf baö fretgebtgfte, benn fcttt gleiß unb ferne
Kunft ^feiten immer gleichen Schritt. Er brachte
in einer 23oche hervor, woran Anbere fid) Monate
laug abquälten , ohne baß fie bennod) bie febon
bamalö feltne Bortrefflicbfeit feiner Arbeiten hätten
erreidjen Fönneit. Doch blieb er in feiner Stabt
länger al3 e3 ihm für feinen 3roecf nöthtg fd)ien,
beim all fein Denfeit unb Streben war ber Kunft
unb feiner jungen ©eltebten ju eigen; bte Ciebc ju
Beifceit vereinte fid? ju einer einzigen hellen fltflett
glamme in feiner Bruft , bie fein ganjcS 3£öcfett
burd)glül)te, unb ihn unaufhaltfam jum BormärtS*
ftreben btö jum 3iele trieb, an welchem ber SSeflfc
fetuef holben StebdjenS ihm entgegen wtnfte.
Albrecht Dürerö großer allgefeierter Käme
bewDg ihn enblich, auch nach Dürnberg ju jtebeu.
Er fam an, unb ber eble Meifter nahm ben jungen
talentoolleit ftünftler mit greuben in feiner SiBerfflatt
unb in feinem fJaitfe auf. Beibe etnanber fo nah
verwanbte (Seiftet· würben fld) wahrfdjetnltd) balb
gegenfeitig erfanitt unb bann auf ewig gefuubert
54
haben, wäre md)t ba« bamal« allgemein berrfdjenbe
Streiten über 9ieltgton«mcinungeu and) jwtfd)en fte
getreten. Albredjt Dürer hing, wie wir au« feinem
ßebeu wiflett, mit »oller fiarer Überzeugung an
Cutbern unb feiner Sehte; wa« feine Seele erfüllte,
bavon wußte er auch ju beuen ju fpredjett, bic er
feine« Vertrauen« wertb hielt, unb fo famett oft
jwt'fcben tbm unb Stboreel, wäbrenb fte mit einan?
ber arbeiteten, ©efprädje auf, tu beuett Albrcdjt
feinen jungen $reunb über ba«, waö tbm baö Sßidj·'
tigfte war, erleuchten ju wollen fd)ten, bte aber
btefer ntdjt ohne Sd?auer unb SfBiberwillcn 51t er?
tragen oermoebte. Unwanbelbare Treue war ber
©runbton »on Sd)oreel« innerftem äöefett; wa« er
einmal fürsmabr hielt, woran er glaubte, wa« er
liebte, ba« »ermochte er nie wteber ju lajfen,e« fd)ieu
ibnt fogar freoelhaft nur ju unterfucheit, ob er redjt
thue fo beharrlich zu fet)n. Daher trennte er fid)
lieber nad) einem fürjerett Aufenthalte al« er An«
fang« gewünfd)t hatte, »on bent eblen Mann, bett
er in jeber attbern £tnftcbt lieben uttb ehren mußte,
nur um fld) uidjt länger ber ©efabr auSjufeljeu, tu
:>5
cem ihm ebrwürbigeu ©laubeu fetner iöater geirrt
ju werbe»,
Mehrere Jahre waren ittbeffeu wäbrenb
©djereelS balb längerem, balb ftirjerem Aufenthalt
in ben ©täbteu, wo er arbeitete, an ihm vorüber»
gejogeit, uttb er niedre ungefähr jwet unb jmanjtg
Jahre jähleit, alê feine fernem Säuberungen, baib
nad) ber Xrcnnuttg von Albrecbt Dürer, ihn nad)
Kärntben führten, wo er tu einem ber abligften unb
retd)jtcn Beßrer bebeuteuber (Bittet in biefem ßanbe
einen warmeu Kunftfreunb fanb, ber gaftfrei auf
fein ©d)loß ihn eüilub, unb bet bem er längere 3^it
»erweilte.
Jn 3iuhe unb Freiheit malte er bort »tele«,
tbeité für bett Freiberrtt fetbft bei bem er wohnte,
thcilS für beffen funftliebenbe greunbe, unb warb
mit retdjeit ©efebeufen , mit ßob unb Ehren »on
atteit ©etten überhäuft ; bed) warb ihm aud) ein
Sohn tit bem |?erjen ber Xochter beS ebleu £>aitfcS,
weldbeS ihn fo gaftfrei empfing, beffen bloße Mög?
ltd)feit bem anfpruchSlofen Jüngling nie tu beu ©tun
gefommcu war. ©choreelS ßiebenSwürbtgfett im
56
Umgang, feitt angenehme« Außere, fem gelüfteter
©ctft machten auf ba« Fräulein einen 511 tiefen und
lebhaften Gtudrucf, al« daß ihr Vater lange darüber
hätte im Dunfein bleiben fönneu, und der b^bbet*
$tge Mann ehrte die Kunft und den Künftler, den
er felbft liebte," 51t fehr, um hier iKang, ©eburt
und Vermögen ju berechnen , da e« tted) überbem
ba« ©lücf feine« Kinde« galt (Er felbft bot dem
jungen Maler bt'e £>anb be« Fräulein«, um bie,
wte er mobl mußte, be« Jüngling« SBefdjetbenheit
ihm nie erlauben mürbe ju merbeit, uub mit btefer
ein fo glänjende« £oo«, mie e« faunt im Traum
©choreelen »orgefdbmebt haben fonttte. Doch da«
rofige füßlächelnbe Btlb ber Tochter (Sorttelt«
lebte ttod) immer in beut treuen ©emiith, melche«
Alie« eher fonnte al« oergeffett, uttb fo blieb © ein-
reden benn nidjt« übrig al« ba« gaftfret'e ©ebloß ju
»erlaffett, in bem er unter biefett Umftänben nicht
langer jtt metlen »ermochte, ttnb mit bettt ttefften
©efithl fehmerjltcher Danfbarfett »Ott neuem bett
2öanberftab ju ergretfett»
Mit bem »ollen 23emußtfe»n, noch nicht ba$
-ocr page 60-ju fepn, waf er jtt werben itrcift unb Mutl) in ftd)
fühlte, lenfte er feine ©cbritte inuuev weiter »on
fcer $etmatb ab, wo, wie er hoffte, ber fi'tßefle
Cohn inbeffen für t'hn heranblühte, Er $og nach
ißenebtg. £)ter gefeilte er ftd) mehreren Malern
unb Kuuftfreuttben auf Antwerpen ju, unb wanbte
frtfchen Mut Ii 3 auff neue jebeit Augenblick feiner
3eit mit gewtifeuhafter Xreue für feine Kunft au.
Daf regere Ceben ber reichen glaujerfüflten Statt,
bte große Attjabl grember auf allen Kationen bte
bort ftch vereinten, baf Kommen unb ©eben ber
vielen reichbelabnen Sd)tffe, befdiaftigten neben
ber Kunft feinen ©eift, unb erweiterten feine An*
ftd)t ber 2öelt. 5Bor Adern aber 50g ihn bte Bekannt;
fcl)aft eittef fehr unterrichteten unb funftverftänbigeu
Sanbfmanuef att; biefer war ein Klofterbruber auf
einem ber 2öebltbätigteit geweihten bollänbifdjeu Dr?
benfftifte, unb hielt ftd) üt 93enebtg auf um mehrere
spilger ju erwarten, bte von bort auf mit ihm ftd)
ju einer 2Badfahrt nad) Jerufalem etnfcbtffcn wollten.
£>af 3urebett fetnef frommen greuubef, mehr
vielleidjt noch ber ihm inwobnenbe Xrieb recht viel
öDit ber Self jit febett, beren (Stnjelbetten nacf^u«
btlben er ftcf> berufen fünfte , bewogen ©cboreelett,
ber frommen ©efellfdjaft ftcb anjufdjlteßen , nnb
wirklich ging er, ba Alle« jttr Abreife bereit war,
mit t'br unter Segel. Üötub nnb Setter begiin?
ftigten bie ^a^ft, fo baß ©djoreel felbft auf bem
©d)tffe ber gewobnteu Übung feiner iìuuft nid)t
entfagen Durfte. (Er malte wabrenb ber Netfe
mehrere feiner Begleiter , unb zeichnete alle il;m
»ovfommenbe merfmitrbige ©egeuftanbe febr fauber
unb treu in ein fletne« Buch, welche« er jit biefem
Bebuf fteté bei ftcb führte. And) auf ben 3nfeln
Stanbia unb 3*)pertt, wo feitt ©d)tff eine f'urje 3dt
»er AttFer ging , bennate er ben Aufenthalt ju
©tubten it ad) ber Natur ; er jetd)ttete bte Herbergen
wo er öbbacb fanb , ©tabtd)en , fefte ©d)löffer,
Auflebten ber mit einer fübltcbett Pflanzenwelt ge?
fcbmi'tcften ©egettb, unb fammlete fo unfehlbaren
Vorrath für künftige Arbeiten int fernen Vater?
lattbe.
(Enbltd) gelangte er nacb 3erufalent, bem
feiner Netfe, wo ihm fein frommer $reunb uub
337
9tcifegefäbrte in beni «Pater ©uarbiait beS KiofterS
Sion eine eben fo nit§ltd)e als angenehme Befani^
fd)cift jufiibrte ; bentt bt'efer nahm ti)ii nicht nur
freuubltch auf, fonbern luì) thu and) jur Begleitung
auf feinen Beruföretfeu burd) bi'e Umgegenb non
Jerufalem ein. Scboreel lernte auf btefe Seife
baS Caitb weit beffer fennen als eö ihm feitjt möglich
gewefeu wäre; er jetd)itcte aud) hier vteleö nad)
ber Dìatur, befonberö bte Ufer beS Jorbauö; eine
3etd)tiuug/ bte er fpater in ben Dtteberlanbeit ju
einer Darfteduug beS Durdjgangeö ber Jfraelitcn
bnrd) btefen Strom bennate. Sind) gcidjncte er
Auftritten ber Stabt Jernfalem von vcrfdiiebeueit
Seiten, baé heilige ©rab, unb alle nterfwürbigen
Steden jener beni heiligten Anbeuten geweihten
©cgettbetu
Kad) feiner i)etmfehr im Baterlanbe bennate
SdjDreel fpäterbin ade btefe Stubten ju herrlichen
£anbfd)afteit, weld)e, befonberS für feine Beitge*
itoffen, baé Jntereffe fetner vielen Darfteilungen auf
ber ©efcfjtdfjic beé neuen XeftanientS ungemein er?
böl)ten. Denn bamalS war noch nicht bte gange
00
Seit tu Btlbetbitdjern für ©roß und Klein jit ftnben,
e« gab nod) Dinge tu ihr, mcld)e tttcf)t jeder ©d)itU
fuabe ju feinten glaubte , und feie Ceute betrad)teten
mit um fo ebrfurd)tSöeiterer Bewunderung <2>d)oreel«
Metftermerfe, auf welcl)cu er dieBergpredigt/ oder
den |)etlattd am Dtberge abgebildet hatte, da fie
jugletd) bte ©egenben treu itad) der Natur oor ftd)
fahen, bte ba« Anbeufen jener Begebenheiten ihnen
Zum Hetligthum fd)itf. (Eine« feiner »Drjiigitcbften
©entälbe in dtefer Art mat'd tm Safobö-Kiofter ju
Hartem aufgeteilt, auf meld)em er fettt eigne« Bild
mitten in einer ©ruppe »du ^tigern angebrad)t
hatte, bte im Begriffe ftttb, jum Xhore oou 3e«
rttfalem eiitjujiehen.
Der ^ater ©uarbtait hatte ©d)orceictt mahrettb
feine« Aufenthalt« ttt Serufalent fo lieb gemottneu,
baß er ihn nur ungern sott fld> taffen motlte, uttb
Alle« anmanbte, um ihn mentgften« für ein %xl)v
bem Klofter ©ton $tt gemimten. VteÖetcbt hatte
biefer , angezogen durd) die Neuheit fetner Um?
gelungen, ftd) aud) ju dtefem Auffd)ub fetner Heim?
reife bereden taffen, dod) der hotlänbifcbe Ktojter?
(ü
brubet, ber auf guten ©rünbett ihn ungern in tiefen
Rauben laffen wollte, Drang fo lange mit Bitten,
»crflembtgen Sßerftrliungen, unb mitunter notbigen
Slöarmmgeu in ihn, bajj er fiel) enblid) bewegen ließ
fciefen ^lan aufzugeben , unt) mit feinem erften
Sieifegefabrten jurücf nad) beliebig gu fRiffen. !Ood)
brang ber ©uarbtan tbm nod) beim 3lbfd)tebe baf
Berfpredien ab, wäbrenb ber O^eife ein Btlb für
fein Klofter ju malen, ©djoreel hielt 2öort, unb
malte auf bem ©cbiffe ben Slpoftel Xbomaf, wie er
jwetflenb bie ©ettenwunbe bef £>eilaubö berührt.
Eö war im Jahr 1520 , unb ©d)oreel fünf unb
jwaujt'g Jahre alt, ba er auf bem heiligen ßanbe
jurürffehrte. £)af ©d)iff lanbete biesmnl unterwegf
auf 3ihi>buf , wo bamalf bie Johanniter; Dritter
nod) ihren ©tfc hatten, tnbem ©ultan ©oliman ber
jwet'te erft jwei Jahre fpeiter burd) bt'e Eroberung
ber Jnfel fle jwang folcbe ju »erlaffeit unb ftd)
nad) Malta ju begeben. ©d)oreelf glücflidjer ©tern
begleitete ihn and) hierhin, benn ber bamaltge
©rofjmetfter bef Orbenf , Qßillierf , nahm t'hn
nid)t nur febr freuubltd) auf, foubern oerhalf ihm
62
oud) jut' mogltd)fl:en Benutzung fexueê furjeu Siufent-
haltö, tubem er il)m ©elegenbett fd)affte, oud) bier
»tcleê üXfterkmürbtge uod) ber Natur ju jetd)tten.
Unb fo langte ©djoreel, belabett mit Vorarbeiten
für bic 3ufuitft, nad) einer fe£)r glücklichen Steife
enblicf) mieber in Venebtg au.
©eine evfte ©orge mar bier, baê Söilb, baè
er auf bem ©d)iffe gemalt, juriicf nad) Serufalcnt
au feinen borttgeit getftltcben $reunb abjttfcnbeit.
(£è langte wohlbehalten an unb erhielt einen fel)r
ehrenvollen ^la^ au ber burd) bie ©eburt beë
lanbè geheiligte« ©tatte y »iele JKeifenbe baben eè
bort gefebett uitb mabrfcbeittlicb beftnbet eê fid)
«ocb tu biefem Augenblick am nämltd)ett Orte.
Von Vettebtg retßte ©djoreel balb nad) feiner
Anfunft mteber ab , um jc^t Stalten kennen 511
lernen. Gr befud)te bte für feine Kunft bebeutenb*
ftett ©tobte btefeö Sattbeê unb gelangte enbltd)
nad) 0iom. 2öeld)eit (Etnbruct ber Anblick btefer
Königin ber ©tobte auf ein ©emi'ttb mie baê feine
machen mußte, läßt ftd) beffer empftnben, alö be?
fchreibett, StopbaelS hoher ©eift hatte (Ich, »iel«
63
leicht nur metitgc Mettben früher, bet' ewigen
i)etmotl) jugefdjwungen, bed; Mtdjael Angele lebte
unb wirkte ned) in voller Xbatf'raft fetueS ©eifteë,
unt> Suü'uö Komano, unb fe viele Met (ter, bereit
große Kamen bamalä ber Unfterbiid)teit juftrebteu.
Umftrahlt vom jwtefadjen ©lattj ber heben
(Gegenwart unb ber herrltd)|ten Vergangenheit,
burd)wanbelte nun ©d; er eel bte wetten Käume tiefer
ber Kun ft geheiligten ©tabt; jeber ©d)ritt, jeber
Blick brachte t'hm unfäglt'cben ©ewitttt. SfBte er
biefett Aufenthalt in 9ïom benutte auêfübrtidicr
ju berichten, wäre unnütze 2Bieberbolung beê eft
fd)D»t ©efagtett; er athmete hier in feinem eigent?
lichen Element, unb weihte jeben Augenblick fetnee
Sebeuê bent ttnabläffigen ©treben, ju erringen, waS
erven Anbern fe glorretd) errungen fab/ währenb
bte feinem @emütb tnwehnenbe Xreue ihn babet
immer fefter an bte Katur banb, unb ihn vor glan?
jenbett Abwtgen bewahrte. Ber Allem jogen
Üflaphrtelê Serfe tb» an; verloren in ihrem Attbitcf,
brachte er vor ihnen bt'e fcltgften ©tunben bin; er
fühlte ftcb tief im ©emüthe bem hohen einfachen
64
©ctfle »ermanbt, ber au« ihnen, Sehen atbntcud,
tfjm entgegen trat, unb 90>?utb und ^»offniutg (oder*
ten immer heller in ihm auf.
i
GS mar ihm nicht möglich, bte iüionbeu feitteS
Aufenthalts tn 9iom ju jäblen ober abjufitrgen, ob*
gleich baS Sötlb feiner fernen ©eliebten ihm hier
faft flcbtbar »orfcbmebte , wo er in taufeubfacher
©eftalt überall fte mieber ju erfennen glaubte. Doch
er fühlte , wie jeher Tag beut 3*ele ihn näher
führte; bteß gab ihm Kraft, bi'e tiefe Sebnfud)t
31t beherrfchen, bie ihn oft jurücf über bte Alpen
jog, unb fo metlte er nod) in 9iom, als im 3abr
152? ßeo beS jehnten 9cad)folger, Adrian ber
*
fechfte, ben päpftlidjen Thron beftieg. ©lücf unb
Talent hatten biefent auS bem Staube beS tt'efften
DunfelS ben Üöeg jum bantalS böd)ften ©tpfel trbt?
fcb'er ©röße gebahnt. Gr mar, mte Scboreel, tn Hol?
lanb geboren, ber Sohn etneS armen SeberS auö
Utrecht; eS mar fogar möglidj, baß er tn fetner
Sttgenb nod) bte Gltern ScboreelS gefannt hatte,
menigftenS ehrte er tit biefent wahrfcbetnltd? ben
SanbSmann nicht weniger als ben Künftler, uub
65
überhäufte ihn mit »telen unb großen Bewetfen
feiner £>ulb unb ©nabe. Biete bebeutenbe Arbeiten,
bie ©cboreel mit großem ©dingen für feinen hohen
Bcfd;ii§er aufführte , festen ihn immer fefter in
beffen ©unft. 3U btefen gehörte auch baf »orjitg*
ticb gelungene Bilbniß bef «JJapftef, wetcbef biefer
einem »on ihm in Soweit geftifteten Kollegium »er*
ehrte. Snbltcb trug Abrtait feinem futtftreid)ett
Canbfmann aud) bie Aufgebt über Betoebere auf,
unb fdjtcn fo beffen ©litcf für fein ganjef f'ünftige*
Ceben ju gri'tnbeit.
Dod) waö ift »»anbetbarer atf menfd)iid)e «ptäne
unb trbtfcbe ©röße! Abrian (tarb am »ierjehnten
©eptember bef Jabref 1523, nad)bem er nur
wenige Monate über ein Jahr bie päpftlicbe Krone
getragen, unb ©cboreel btieb plöjltcb »erwaifet
juriicf, tu einem ßanbe, wo fein fdjnetlef Empor*
fteigen in ber ©unft bef heitigeu Baterf gewiß nid)t
unbenetbet geblieben war. Er gab »on nun
an atte ©ebatifett auf, feine ©eitebte nad) 9iom
heimzuholen, bie wobt früher, »on ben Umftänben
begiiuftigt, in ihm aufgefliegett fepn modjteu. ©ein
II. 5
344
SBewußtfepn fagte ihm: er bürfe je£t e« magert, um
bett Itebltdjett Sohn feine« uttermübetett ©treben«
ohne (Erröthen ju merbett, unb fo verließ er benn
9iom, überftteg bte Alpen, glübenb von ©ebnfuebt,
Siebe unb frohem (Ermarteu, unb eilte unaufbalt*
fani ber SSobnuttg beö geliebten Mabdjett« 31t,
bte jefct, in völlig erblühter ^radjt ihrer fdjott
in ber Kinbbett fo munberbareit ©dbönbeit, feinem
monneerfitlltett ©etnütl) mte etn ©ötterbilb vor?
febmebte.
©ein 2Beg führte t'hn burdj $ranfretd), mo
barnal«, mitten im wtlbeften ©etümmel be« Kriege«,
$ran$ der erfte burcb Siebe, Kunft, ^oefie unb
treue pflege ade« ©djönett feinem lturubvollen
Sebett unfterblidje Krättje etnjufledjten ftrebte. Der
JÄubnt ©djoreel« mar mit fetnett Meiftermerfen bt«
ju bent Könige gebrungen unb btefer fattbte ihm
beöhctlb bie vortheilhafteften unb glänjcnbften An?
erbietungen entgegen, um ihn für feinen Dtenft ju
gemimten. Dod) ©eboreel moebte je§t feinem
dürften btenen; er gehörte etnjig feiner lieb*
lidjett Herrin, unb eilte, alle Vortlage bei
67
ftöntgS »oh ftd) abwetfenb, unaufbaltfam weiter,
btö et* Utvedtjt erreichte,
£>ter, Slmfterbam , tbrem Siöobnort, fo nabe,
wagte er eS juerjt ttacb tbr $u fragen. — ©te war
»erbeiratbet an einen ©olbfdjmieb tn Slmfterbam.
©ein langef Ausbleiben , bte weite Entfernung/
il;re große Jugenb, ba er »Ott ihr febieb/ bitten
fein Anbenfett »erlöfcbt, ffe batte gemeint, er fäme
web! nie wteber. Xreue, wie er fte übte, ijt ja
fo feiten wie ber Bogel «Pböut'r, niemanb giaubt
mehr baratt, fie flnb betbe fdjon längft tnS gabellanb
»erwtefen, unb tbetlen aueb mit etttanber baS ßooS/
einfallt tn ftcb felbft ju »erglübeit.
SaS ©efübl ©djoreelS bei btefer Kacbrtcbt ju
befdjretbeu / wirb hoffentlich mir erlaffeit. Kur
will tcb noch btnjufetzeit/ baß er eS nie »ermed)te/
baS Btlb, welcbeS er in treuer Bruft Jahre lang
burch ferne ßänber/ über baS Meer unb über bie
Alpen getragen, auS feinem ittnigft bamit »erflodjte?
neu Sebett ju reißen ] eben fo wenig gewann er eS
über ftcb, ein uttenbltcb fdjmerjltcbeS SBteberfebeu
ju ertragen, Die fdjonfte Hoffnung feineS Sebettl
68
war untergegangen, unb fo warf er ftcb mit ver?
hoppeltet Kraft ber Kunft in bte Arme, bte mit
fetner Siebe fo ganj etn« in ihm geworben mar, baß
er beibe nte mteber tn feinem H^jen von einattber
ju trennen vermochte.
©djoreel blieb, nadjbem ihn btefer (gd)tag ge?
troffen , mo er mar , in Utrecht, im gaftfreten
f)a»fe etite« $reunbe«, ber btefe ©uiift von ibnt
erbat. Unb marum batte ber Künftler fte t'bm nidjt
gewähren feilen? Die wo w Sebeu«ptäne bit?
bete, war vorüber*
äBa« Siebe tbnt verfagte, fcbteit wäbrenb fetne«
ganjett Sebett« treue Anhänglichkeit würbtger $reun*
be ihm fo viel möglich erfetjen ju molten. Sie Nähe
be§ Manne«, tn beffett H^ufe er jetjt lebte, war
ganj fcaju geeignet, feinem wunbett ©emütbe wohl
$u tbttn. Gr bteß von Socfborft, war bamal«
Dechant De« alten Münfter« ju Utrecht, geiftreid},
unterrtd)tet, liebte unb fattnte bie Knnft. Dtefe
feine Siebe ju berfelben fowohl / al« feitt Name
madjett e« wahrfd}einltd), baß e« berfclbe Herr von
Socfhorft war, ber fiebjebu Sabre früher ba« auf--
69
blubenbe îalent beS bamal« zwölfjährigen fiufaS
von Serben aufzumuntern ftrebte, t'nbem er ihm für
fein erfteê bebeutenbeê ©emälbe nach ber3abi feiner
Jahre jwëlf ©elbjtütfe gab. Denn bie Einmob-
ner biefer beöänbtfcben ©täbte lebten, bei ber ge?
ringen Entfernung , von jeber in einer Art »on
Kadi)barfcbaft, melcijc bie vielen, baô ßanb burdf)'
freujenben Kanäle fef)t begünstigen, nnb SOîaler
unb Kunftfreunbe finben ja noch immer in ber ÏBelt
ben 3Q3eg jn etnanber.
Jm £>aitfe btefeê feineö eblen greunbeê malte
©eboreet auf beffen Verlangen viel BebeutenbeÔ
in Dl nnb mit SBafferfarben ; unter anbern beu
Et'njug Ebrtfti in Jerufalem, ein großei (Semälbe
mit jwet Xbüren. Auf btefem batte er jene ©tabt
auf baâ treufte nacbgebtlbet/ uub »tele ©ruppen
ber Einwohner unb ihrer Kinber angebracht/ wie
fte ben 993eg beé £>eilanbeê mit ihren geftge?
wänbern, mit Blumen unb ^almjmeigen beberfeit.
Die greuitbe beé ebleit BefUzerf {teilten nach feinem
Xebe btefj ©emälbe ju feinem ©ebäcbtniß über
feinem ©rabmal in ber Dom ? Kirche auf.
70
Nftdf) iÖcrföuf einiget 3abre, mäbtenb «jcicijc«
©djoreel ftd) fortmäbrenb tit Utredjt aufhielt, ent«
ftanben bort bebeutenbe Unruhen $ bte ©tabt tbettte
fid) in $met partbeien, »on benen e« bte eine mit
ihrem 33ifd)of, bte anbete mit bent Herjog üon
©elbern hielt, bte betbe mit etnanber megen gegen*
fettiger Aitfprüd;ie tu ©trett gerathen matett. Alle
©räuet eine« bürgerlichen Aufruhr« tobten Tag
tmb 9Zad)t tn ben fonft fo ruhigen ©trafen, bte
frtebltch geftnitten Bürger entflohen , unb auefy
©djoreel fühlte ftd) bemogelt feinen SBohnort eirtft^
metiett ju »etänbern.
(Et jog nad) Hartem, mo ber Konttbur be«
3ohaitntter;Orbcn«, ©tmon ©aen , etu marmer
Verehrer ber Kunft, ihm mit offnen Armen unb
großer ^rcttbe entgegen fam, unb ihm fogletcfy
mehrere bebeutenbe Arbeiten auftrug. (Einige von
biefen befanbett ftd) noeb ju Karl »Ott DDiattber«
3etten tu Hartem, unb Septem gebeult ihrer mit
großem ßobe; ror Adern einer ©arftetlung ber Taufe
be« Heilanbö im 3»rban , auf meldet ©eboreel,
gattj tm ©eifte Raphael«, eine uneubtidj anmutige
71
©nippe fcboner grauen angebracht !)ätte , bte ju
beni ttt ©eftalt einer Xaube nieberfcbwebenbeu
gen ©eift hinauf blicken.
ScbcreelS 9tuf verbreitete fid) je^t immer
weiter, immer heller ftrablte fein Kenne im ©ebiete
ber Kunft , unb er würbe beShalb »on fo vielen
Seiten mit Bitten tun Annahme von Schülern ums
lagert, baß er fid) enblich entfebloß ju btefent
ein grofjcö £>auS in hartem jtt mtethen, tu melchem
er ftd) eine geräumige Sßerfftätte etnrtdjtcn ließ.
AuS btefer gingen von nun an feine bebeuteubften
munberoollfteu Sd)öpfungeu hervor, unter anbern
eine fehr berühmte Jtreujigung für bett &edjaltar
ber alten Kirche ttt Amfterbam.
So lebte unb arbeitete er fort, geliebt, ge*
ehrt unb bewunbert von Allen. Die (2belften fetneS
SattbeS, auSgejetchnet burch ©eifr unb SBiffenfcbaft
cber hohe ©eburt, fudjtett fettiett Umgang. Senn,
abgefehen »Ott fetner Kunft, war er aud? einer ber
ItebenSwürbtgftett unb babei miffenfcbaftlicb gebib
betften Männer feiner 3ett, ber latetntfdjen Spradje
»ollfommen mächtig/ etn vortrefflicher Diebtter, unb
72
babet Meifter tit Allem maß baS Seben erheitert
unb oerfdjDttt. Mttfif war feine $reube, unb er
mußte aud) Attbere bttrd) feine ^ertigfett in btefer
fcbönen Kunft ju erfreuen. Gr fpracb franjoftfcb,
tialiäntfd) unb hodjbeutfcb , mit gleicher, mährenb
feiner Steifen ermorbner Fertigkeit, unb »erbattb
mit btefen gefelltgen Tatenten aud) bte ©abett beä
.Dietger«. Uttjähltge traurige unb frohe Cieber,
Refrain« unb üionbelatö nach bamatiger Art, fang
er tit trüben unb frohen ©tunbeit, ober bidjtete
fteine ©djerjfptete unb bramatifirte ©djmänfe für
bte ©efettfd)aft, in ber er lebte. Denn feine ge*
täufebte Hoffnung hatte ihn meber gegen bte Men*
fdjett noch gegen ba« ßeben erbittert, er mar unb
blieb btö attö Gnbe heitern unb mtlben ©eifteö, unb
»erfchmähte feine gefcötge Freube, bte ftd) in ben
©ebranfett ber ©ittltdjfeit hielt, ©o mar er auch
unter anbern als ein trefflicher ©d)ü§e mit ber
Arntbruft unter feinen Freunben berühmt, bt'e nach
bantaltgem 3c^3ebraud; mit ihm hierin oft mett*
eiferten.
Vor Vielen , metche in näherem Verhältnis
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mit ihm lebten, jeicfenetc ©cboreelS Ketguttg befeit<
berS beit jungen Johannes Sverarb auS , einen ber
geiftretebften , anmutbigfleit £>td)ter feiner 3ett,
unb and) ber unfern unter beut Kamen Johannes
SefunbuS adbefattnt. Dtefer mar im Jahr 1511
im £>aag geboren, unb von feinem Vater, einem
großen KedjtSgelehrten, ber unter Katfer Karl bem
fünften tu Medjeln bie Stelle eineS «praftbeuten
beS fouveräuen KathS von $odanb unb Seelanb be?
Fleibete, fdjon früh ber KechtSwijfenfdjaft geweiht
werben. 2Btrfltd) hatte er fid) in berfelbeit attd)
fchon im ein unb jmanjtgften Jahre ben Doctor;
i)ut erworben , boch fein innerer 53eruf führte
ihn ber ^oefte unb ber bÜbenben Kunft jtt, über
welche er gern bie ^anheften unb ben Kaifer Ju?
ftinian vergaß, ©elungne Verfuche im 3eid)nen,
im Kuvferited)en, vor Adern aber in fletnen Arbeit
ten auS Alabafter füllten btc ©tunben feiner SMitfe
auS. SchoreelS Aufmerffamfeit warb burd) btefe
vielleid)t juerft bem Jüngling jitgewenbet , boch
fein (Steift, feine lieber, vor Adern fein in treuer
Siebe glüheitbeS i)erj mußten ihm in furjer Seit
74
bc« eblen MetjTer« ttod) innigere etwer=
ben. (Er fab tu beut um fecbjcbn 3<*bre jüngern
$rcunbe feinen eignen Frühling wieder erblühen.
Denn fo wie ©cboreel ba« 33ilb ber fdjonett Tod)tcr
feine« Metftet«, fo trug Staune« ba« feiner
3ulta ttt treuer 23ruft, fettt Sebett, alle feine SfÖün;
febe unb Hoffnungen waren ihr geweiht, unb feine
fiteber führten ihren Namen neben Petrarca« 2aura,
Dante« S3eairtce unb Taffo« Seonorc fommenben
3abrhunberten ju. SUeibe Freunbc wanbclten nur
fttrje tteben etnanber ; Spanne« ©efunbu«
ging jur ferneren 3(n«bilbung feiner Talente nach
Stalten, unb »Ott bort nach ©panten, wo er al«
©efretär be« Grjbtfdjof« »Ott Tolebo angcftcllt
warb, ©djoreel malte fein 33tlbnifj furj »or btefer
Trennung. (Eitt ftupferjtid) nach btefem ©ernälbe
jetgt un« ben Dichter in tiefer 58etrad)tung eine«
Mebatöon« mit bem Btlbuif} feiner 3uha / neben
ihm etn Tifch, auf wekbem jwei flctne Metfei feine
S3efd)äftigung mit ber btlbenben Äunft attbeuten.
3m Mai be« 3abrc« 1533/ furj ehe 3<>'
banne« ©efunbu« Sölten »erließ um nach ©panien
75
reife», fcijrieb er noch an ©cboreet, unb jwar
nach bem ©ebraucb bev bamaligcit elegant gebilbcten
2öelt in lateiuifdjer ©pradje. Eine ©teile auf
biefem Briefe gewährt ein gu anjiebeubeö Bilb feiuef
vertrauten Berbältnijfef ju ©cborcelen , alf baß
man ihr ntdjt gern hier einen «piai^ einräumen jDllte.
//Sd) fd)eue mich f'einefmcgef ju fagcn,"
fd;rteb Jehannef ©cfunbuf, „baß bie Katur mir
„etwaö ©emeinfantef mit Dir gegeben. Jd) meine
,,jenef geheime ©ebet, mebiircb fte mich getrieben,
„bie Künfte ber 3stchmm9 Malerei ju beroutt*
„bem unb ju erfajfeit. Slußerbem habe id) mit
„leichtem Jugeubfinu mid) tu ber Bilbncret verfucht,
„unb ba id) uad) Deinem fehr gültigen Urtbetle
„hierin nicht ganj unglücklich mar, fo überlaffe ich
„mich nod) ferner btefem angenehmen ©piel, Damit
„Du jebod) fehen mögeft, ob id) gortfdhritte ge«=
„mad)t, fo überfd)tcfe ich Dir baf Btlbntß bef Er$f
„bifcboff von «Palermo, welches id) in ber legten
//3eit gemeißelt, ©age mir barüber Dein offneS
„llrtbetl. Denn fatim fann id) mich Überreben,
„baß Deine Meinung vom Bilbe meiner Julia gan|
76
„unbefiocbett gewefen. Vielleicht bat tbr Bifbntj?
„eben fo Deine Augen wie fte fetbft bie meinen be*
„Zaubert."
3obatiue« ©efttnbtt« fernere« ©efebtef umfaffett
wenige Sorte. Gr gltd) jenen Blumen, weldje weit
unb breit feie Stifte mit beraufebenb? fügen Düften
erfüllen, in benen aber innerhalb menigen ©tnnben
tbr ßeben babtn ftrömt. Der Duft webt noch lange
att ber ©tättc wo fie blühten, bod) fte felbft neigten
int Morgenroth ihr Haupt, unb fehren nimmer
wieb er.
Von betn Grjbifcbof »on Tdebo baju über«
rebet, feblog Johanne« ©efttnbu« »on (Spanten au«
fleh Kaifer Karl« be« fünften 3l'ge nad) Xuttt« an.
Doch feine ohnehin febwaebe ©efnnbheit erlag ben
Mühfeltgfetten be« Krtegerleben« nttb bem afrifa*
ntfd)ett Hünmet; fie zwang ihn bie Heimath fo fcbnetl
öl« ntögltd) wieber aufjnfudhett, in ber balb baranf
etn bösartige« $teber ihn im blithenben Atter »ott
fünf unb zwanzig fahren ht'nwcgnabm. Gr ftarb jn
Utrecbt, wahrfcbeinlt'cb tu ben Armen feine« ebten
Freuttbe«, am adjten Dctober be« 3<*bre« 1536»
77
(Sût febr ehrenvoller Auftrag hatte um tiefe
3ett ©cboreelen juriuf nad) Utrecht gerufen. St
foilte mit lebensgroßen gtguren bie vier glitgel*
thiiren fd)mtufeu, meldje'baS mit fiinftlidjem Bitt?
werf versierte Junere beS £auptaltarS ter »du
Kat'fer £)einrtd) bem vierten in jener ©tabt erbauten
Marteul'trcbe verfcbleifen. Auf einer berfetben malte
er bte heilige Jungfrau mit bem Kittbe unb ben heili-
gen Jofeph; auf berjmetten bettKaifer <$)etnrtd) felbjt
im vollen Drnate, fnt'eeub ben giißeit fetneS ehe?
maligen SebterS, beS 33tfcf)ofS Konrab von tttred)t.
Die beiben aubern Xl>üren, welche taS Dpfer
Abrahams barflellteu, vollenbete ©d)oreel einige
Jahre fpätet/ unb malte tnjmtfdjen jtvet große ©e?
malbe mit Siöafferfarben auf Setnmanb, welche
eiuftmeilen ihre ©teile erfefetett. Die feltne Vor?
trefflidjfeit btefer beiben ©emälbe betvDg ben König
Philipp / fte nad) Vollenbung beS ©anjen, wäbrenb
feiner Anmefenheit in Utrecht tnt Jahr 1549/ ber
Ktrdje abjufaufen unb mit ftd) nad) ©paitten ju
fuhren / wo fte ben Kamen beS hohen MetfterS auch
in tiefem ftiblichen Canbe ehrenvoll bekannt machten.
78
Dorf) and) int i)ci>eit Stürben fannte mtb ehrte
man ihn. Der König »on Sdjmeben meitbete fidj
mit ber Bitte au Scboreeteu, t'bm einen Baumeifter
ju empfehlen, unb ©cborcel benutzte biefe ©elegeni
beit, um bem Könige burd) bett Architekten, melcben
er ihm fanbte, etn Btlb ber heiligen Jungfrau über*
retcf?en ju taffen. Der König nahm bteö ©efebenf
fo hoch auf, baß er bent Meifler m'd)t nur in einem
»Du ihm eigenbänbtg unterjeidjneten (Schreiben bafitr
banfte, fonDeru t'bm auch einen fojtbaren Stiitg,
einen febr frönen Marberpelj unb fetneu eignen
G?i3fd)litten nebit »oliftänbigem ©efd)irr für ein
pferb bafür fanbte. Diefem wirklich königlichen
@efd)enfe fügte er aud) nod) einen rtefengroßen,
jmeihunbert pfunb fchmereit fd)mebifd)eu Kafe hinju.
Doch letber farn »on alten biefen Herrlidjteiten nicht«
aiö ber erbrochne Brief in Schoreel« Hätibe, alte«
Übrige hatte untermeg« einen aufcertt Herrn gefunbeu.
Körperliche Uebel mancherlei Art, ©tdjt uttb
Steiufcbmerjen trübten ba« fpätere Alter be« ebten
SOietfterö unb machten ihn, lange »Dr bem gewöhn*
lidjen Saufe ber Natur, $um frühen ©reife> Doch
79
fein fräfttgef ©emütb, fet'it reineS 93et»ußtfei)u,
halfen il)m jebeS ©efcbtck in ftiiier Ergebenheit mit
©ebulb unb mit Diube ertragen. Er ftarb am fed)fteu
December beS JabreS 1562/ in einem Alter von
fteben unb fed)jtg Jahren , vier Monaten unb fed)S
Sogen. B^et Jahre vor feinem Xobe, malte einer
feiner Itebften Schüler/ Antonius Moro, fein fehr
ahnltdjeS Btlbntß, boch weiß tcb nid)t/ ob biefeS
bis auf unfre 3etir gekommen ift, Ein Zeitraum
von etnhunbert Jahren liegt jwifcbett Johann van
Epck unb Johann von Scboreel, aber keiner, von
allen Kachfolgeru beS großen Stifters ber alten
beutfdjen Schule war jenem im ©etile näher »er?
tvanbt, als btefer, fogar nicht ber tu feuriger 93egct;
fterung gliibenbc $emltng. SchoreelS wie van
Etjtfö 2Berke umgibt btefelbe ltd)tbeile Klarheit,
auS betbeit fvrtcbt ber nämlidje heitre, ruhig erhabne
Sinn. IDtefelbe unübertroffne garbenprad)t ftrablt
von 33etberXafe(n unS entgegen, btefelbe Jßahrhett
beS Kolorits, beS AuSbrnckS, ber Auorbnnng, ber
3ctchnung, btefelbe gerabe jum f)er$en brtngeube
Jnnigkeit. 3Bie »an EyckS ©ejtalten, fo fteben
80
euch bic ©cboreel« tm reinen Sichte be« Himmel«;
entfernt »Ott unnatürlicher Künftelei ober gemaltfam
erjwungnent bleubenbem ©cbetttett, uub tu ber Sittös
fitbrung aud) ber jarteften (Einzelheiten, tonnte er
öieiteicht nur burd) »an (Epcf übertroffen werben,
©te ftnC in ntd)t« unterfdjiebeu, al« in jenem ttnauS*
fprecbltcbett 3auber, ber »Ott ben ©cbtlben »an
(Et)cf§ ausgebt, unb ihn al« ben (Stnjtgen bezeichnet,
bem hierin fetner feiner Nachfolger »eilig gletcbfam,
ttnb bennod) ftebt felbft hierin ©choreel ihm neben
Hemltng näher af« Sitte,
Die bltttbe 2öuth mabnftnniger $auatifer, bte
td) letber fcbott fo oft t'n btefen Blättern auflagen
mußte, hat un« auch um »tele ber unfd)ä^barfteit
■EQietftermerfe ©choreel« gebrädrt. 3m 3ahr J 50(5,
nur vier 3abr °ad) feinem Tobe, »erbrannten,
jerbrachen, jerftorten bte furchtbaren Btlberflürmer
betnahe alle fetne ttt Kirchen ttttb Klöftem aufbe--
mahrten ©emälbe, »ott Denen bte mebrften gerabe
au« feiner beftett 3eit flammten; auch bte foftbaren
fthüren be« ^)ocf>altarö ttt ber Martenftrcbe ju
Utredjt, unb bte berühmte Kreuzigung in ber alten
81
Kirche ju Amfterbam gingen bantalS mit $u ©rtinbe.
Dorf) würbe aud) mand)eS gerettet, befonberS waS
in fürflltdjen Käufern, ober in reicher Kuitftfreunbe
«Prtoatfammluitgcn, ober außerhalb fctneS Vater?
lattbeS fidf) eben befanb.
Die Botflereefcbe Sammlung beflißt oter fetner,
bem lintergange entronnenen Xafelit, alle vier von
unfehlbarem 2Berthe. Von tiefen miß id) juerft
etneS fletnen etwa brittebalb $uß boben BtlbcbenS
erwähnen. ES ftettt bte fdjonfte, ttt wunberfrtfeber
grühltngSprad)t grünettbe 2anbfd)aft bar, von melen
fletnen gtgurett belebt, burd) bte Sdjoreel, nach
|)cmlingS 2Eöetfe, eine Scette attS ber KinbbeitS;
gefd)td)te beS |)cilanbS bramattfd) unS »or Singen
ftellt. Krieg unb ^rieben jt'ehen auf biefem Bilbe
tm wunberltcbften Verein burd) bte 2Belt. Blaue
Berge fchlteßen bett |)tutergrunb ber herrlichen ßaub?
febaft j etwaS näher thront £>erobeS Burg jtattltd)
auf einer |)ohe über ber blühenben Ebne, burch
welche ber Jorban fld) winbet; Bethlehem liegt
an feinen Ufern unb etwaS näher, unfern ber
Statt, ein Dorf. SQforblujttge Krieger ftiirmen auS
.Ii <8b. 6
82
t>cr Burg berttor, ein |)t'rte bcr btd)t neben ihnen
auf grünem Hügel feine ©cbaafe leitet, aebtet tbrer
ntd?t, unb aud) fte jtehen au ihm »Drüber, betu
Drte jtt, wo febott ber blutige Morb ber itnfdjulb
begann. QSerjwetflenbe Mütter wollen bort tl/re
Ktnber oerthetbigen, anbere fudjen ftd) mit ihren
(Säuglingen bureb fdjlcunige $lucbt 5» retten, ©ine
oon ihnen entflieht mit beut Kinbe burd) bic Hinter*
tt)üre be« Haufe«, währenb bte Krieger fdjett bt'e
oerbere Tbüre beffelben erftürmett, eine anbere
ringt oerjweiflettb bte Hänbe über bte fletne ßetdjc
welche »or ibr t'm @rafe liegt. 3nzmtfd)eu gebt ba«
Treiben ber Mcnfd)cn in bcr Umgegcnb biefc« un-
glücklichen Drte« feinen gewohnten @ang ; eben wtc
ttt ber iBirfltcbfett, wo aud) oft neben bent bödjften
Sdmterj ber tiefjte fiv^c wohnt. Die Ccute
crnbtett, fäen, tragen Kern ^ttr 9Diüf)le, flcifnge
Bienen fdjwärmcn, einige Krieger bte »on bem
blutigen Tagewerk jurücfi'omn cn, befd)enfen einen
Armen bem fte begegnen, ein anberer Krieger (tebt
neben einem Bürger, unb guckt mit ihm red)t für
bte Satt$ewetle itt einen Brunnen hinein. Alle«
Q'-i
CJ
biefef geht in ber Entfernung vor, bocb im Vor*
grünte, am Saum etneS munberfdjönen 2Balbeö
fitjt Maria im Schatten herrlicher Bäume, mit
bem Siuöbrucf btmmlifcber Siube unb füßer Mut*
terfreube. 3hr Bltcf ruht auf bem fdjetten Kt'ttbe
in ihrem Arm, baf liebevoll ju ihr hinauf fleht,
unb feilte Ahnung ber Sdjrecfett, betten fte ent*
gangen tft, trübt ihren Sinn. Ein fleiner £hieH
riefelt feitmärtö ben gelfett herab, Jofepb tritt auf
bem ©ebi'tfch heroor, mo er ben fernem 2ßeg er*
forfd)te , unb im fühlen SOBalbe grafet baf treue
Xhier, melcbef Mutter unb Ktttb ftcher hieher trug,
£)te Aufführung ber Kräuter im Borgrunb, ber
Blumen, bef Setjenfelbef mit feinen Klatfdjrofen
unb blauen Et)anen fattn man fld) nid)t vollen*
beter benfen. £>af ganje Bilb macht einen ttnbe?
fdjretbltd) anmutbigen Etnbrncf, benn jene Sd)ref*
fenffcenen bei aller ihrer S33ahrhettfinb ju fem, um
tiefen ju ftören. Man fteht bie fd)öne Mutter mit
betn Ktnbe , man freut ftch , fic hier im ftdjertt
Sd)atten ruhig ju rotffen, unb vergißt baritberumvill*
führltd) ben Bltcf weiterhin in bte gerne ju tvenbett.
6 *
-ocr page 87-84
Die bret anbere weit größeren ©entälbe, ein
Stltarblatt mit jmet ©eitentafeln, gehören 31t fcen
berrlicbften Kletnofeen biefer überreichen Sammlung
altbeutfdjer Meiiletmerfe. Die Mitteltafel führt
unS jum Sterbebette ber Mutter beä (Erlöferö;
nie fab ich ben ^ob fr aller feiner Schrecken
beraubt, nnb boeb fo heilig, fo rühreitb fromm
bargeftellt. Mitten in einem heitern, feftltcf) ge*
fcbmücften 3tmnier, mit bem $ußenbe gegen Den
Sinfcbauer gewendet, fteht ba§ fd)öne umhangene
Bette, auf weichem Maria hmüberfd)lummernb
ruht. Die Segenbe, melcber ©eboreei, ju $clge
fetner Steligtcn, »ollen ©lauben betmeffen mußte,
belehrt unä, baß Die 3eit niad)tloö att ber ©eftalt
ber Mutter beö $>etlanbeö »orübergtng. Stebenjtg
Sahre iaug manbelte fie auf (Erben, und blühte
immerfort ttt unoermelflicber Schönheit, bie holb*
feltgfte ber $rauen. ©0 ruht fie aud) hier, unb
man famt ftd) bei ihrem Anblicke nicht fceä ©cbatt*
fenS ermehren, baß ber Metfter tu ihr bte fdjönen
3üge ber jungen ©eltebten »eremigte, bte er mit
fo unbelobnter Treue lebenslang im £>er$en trug.
MartaS ©efld)t gleicht etncr meinen Sicfe / bie ein
äthertfcber rötlicher £>aucb faurn ftd)tbar färbt- Eilt
letfeS feltgeS Sädjeln umfdjmebt bt'e noch tm Xobe
fitfdjblübenben Sippen beS fdjcnett MunbeS, unb
bte gewölbten Augenlieber fd?etneu rote vor Sonne
über baS blenbenbe Sicht beS «ßarabtefeS gefdjloffen.
Allef bvücfenbe, beängfttgenbe tft aitS btefem Sterbe*
jtmmer verbannt ; tm £unteigrunbe , jur red)ten
Seite beS BetteS, gemährt eine offne Xhüre bte
AuSfidjt tnS greie; jur linfen ftebt ein Altar, mit
bem Btlbe MofeS unb AaronS. Ehrfurchtsvolle
Stille berrfd?t unter ben , um bte Mutter tbreö
^errn verfammelten Apofteln ; Hoffnung erbebt
ihren Scbmerj jur feligften Sehmutb. 3rcet ÜCltt
ihnen beten leife am genfter, bte übrigen flehen, tn
mannicbfaltige ®ruppen georbnet, bem Bette näher,
an beffen |)auptenbe jur 9fed)ten befTelben «PetruÄ
fo eben einige erhebenbe Sorte an feine Briiber
gerichtet ju haben fdieint. Johannes fleht tn Seh*
mnth »erfüllten, einer ber Apoftcl fchmingt ben
Söet'hrauchfeffel ju ben giißen beS BetteS. Der
manmcbfalttgfte AuSbrucf tiefen SdjmerjeS belebt
86
jebe btefer ©eftalten, bocb beutet Alle« babet auf
ba« ©cfühl heiliger (Ergebenheit in @ott, welche«
jebe laute Klage jurueibrängt, Auch un« ergreift
»or btefem Anblick ein ©trab! ber (Empftnbung,
welche bie 3ünger »erftummen läßtf letztere ftehen
mit foleber lebenbigen Sabt'bett »or un« , baß wir
un« mitten unter ibnen glauben. £aut unb heftig
»pr btefem wahrhaft heiligen Btlbe ju fpreeben,
fantt tu ber Xhat tttemanben möglich fepn, fo wenig
wie »er einem wirflieben (Sterbebette, uttb bod)
gebt r>Dtt bemfelben ein ttttbcfd)retbltd)e« (Sefitbl
ftißer Seligfett unb erhabner JKube att«, ba« alle
Sdjrecfett be« Tc-be« uernidjtet.
Die betben ju btefem ©entcllbe gebörenben
Seitenbtlber jetgen tut«, wie gewöhnlich» ben Stifter
beffelben nebft bett Seilten , att ber Seite ihrer
Sdju^beiitgettj neben tiefen fettmartS bte Sappen
ihrer eblen @efchlcd)ter.
Auf bent erften Seitenbilbe fnieet im fräftig*
fteit Mattneöalter ber bitter, beffen fdjötte 93urg
in ber ßanbfdjaft be« i)tntergrunbeS bod) »om Reifen
in« ßanb fdjaut; neben ihm, bent man eö weht an#
87
ficht , baß fetitc Kniee nur »or ©ott fleh beuge»
femten , lettt Sohn / ein Jüngling tut blübenbett
grübltng beö Sebenö. Sanft Dtonpftuö ftebt hinter
bem Vater. £>eö Sd)ut3betltgen, ber Segenbe nad)*
gebtlbeter, balb abgehauener Sd)äbel ift ein neuer
Bercetf, mte febonenb ächte Äunft and) einen a»
ftch abfehreefettben ©egenftanb ju behanbcln weiß.
Jm «JJarabiefe blutet feine 2ßunbe, baber ift and)
an tiefer feine blutige Spur mehr ju erbltcfen, unb
ber vfjctltgenfchein, ber baö fo wuuberbar »erfiirjte
£>aupt umgibt, »erfcbmüjt fo funftretch mit bem*
felben unb bem hellen £intergrunbe, baß allefl
SiBibcrlicbe, fogar faft alleS Auffallenbe bef Anbltcf«
»ermtebeu ift. Kebcn bem Sohne fleht tm glatt*
jenben Saffenfdjmucf ber ritterlidje ^eilige,
Sanft ©eorg , mit bem Stnbwurm unter feine»
güßen.
2Def Dfttterö treue |)auöfrau , tm fchwarjen
geftgewaitbe, mit golbitem ©ürtel unb reichen Span*
gen gefd)miicft, fnteet auf bem ^weiten 53ilbc, itt
einer fehr heitern blühenben Sanbfcbaft; neben ihr
ihre Xodjter, baf retnfte 93üb ftttfamer uitb an;
88
fpvucf>(ofcr Utifcfyulfc» Die heilige ©ubttla, ihre
©djulibctitge , legt etwa« »orgebeugt bte fel)r fcböne
Hanb bem jungen $räuletn auf bte Schulter, ihr
fromme« flare« @eftd)t trägt ben ocllftett Aitöbrmf
herzlicher Mtlbe uni) ©iite. ©te tft retd), aber
bod) einfach gefletbet, unb trägt ihr Attribut tu ber
Hanb, eine ßaterne, att weldje ein Heine« brad)ett*'
artige« Ungeheuer ftch flammert ; benn mie bte Se--
gettbe erzählt, pflegte (Subuia , al« fte nod) auf
(Erben lebte, oft noch ut fpäter 5Kad)t bte Armen
unb Kranfett ju befuchen , uttb ber Teufel ftrebte
bantt oft, jebod) immer »ergeben«, fte auf biefett
frommen Segen ju irren, inbent er menigften« ihre
Seitcbtc att«zulöfd)en fld) bemühte. 3ur Sfótterfrau
läcbelnb herabgebeugt, ftebt bte heilige Shrifttna,
bte retjenbfte Heilige bte C« geben fanti. Sie aller*
licbft bte altbeutfche golbne ©cbtteppenbaube btcfem
freunbltchett witnberfdjonen ©efid)td)eu ftebt, tft
eben fo nnbefdjretbltd) , al« bte Aunmtb ber ganjen
©cftalt. |)ieber follten uttfere jungen Künftler
unb uttfere ©djaufpteler mallfabrten , um att
btefett betbett Btibertt ju lernen, wie fte ihre
89
#
bittet unb altbeutfcfye Ebclfrauett $u foftumtren
haben.
Sitte btefe Dritter unb grauenbitber , fo wie
ber Gharafter ber Caubfcbaften im £tntergrunbe,
finb unoerfennbar in Deutfcbtanb ju &aufe. Die
garbenpraebt, ber ©tanj ber SBaffen, ber Ebet*
* (teine unb bef ©otbeö, 3eicbuung, ©rupptrung,
Kolorit unb Kompofttton bt'efer brei Xafetn wären
»an <£wcfé wiirbtg ·, Sitteö erinnert hier bei möglich*
fter Originalität bennoeb unwtberflebticb an ihn.
Jet) wetp nicbtè f)Dbcreé unb 23eiTereé weber
ihrem 2obe noch ihrer Sharafteriftif hi»éuèuf"9ett·
90
Die allgemeine Sage nennt gewöhnlich Bafel
öl« den @eburt«ort diefe« berühmten Meifter«,
doch wabrfdjetnlicber tfl eS SlugSburg, wo beifen
SBater, Han« ^>olbetrt ber altere, al« ein bedeu«
tenber geachteter Maler unb anfäffiger Bürger uod)
nad) bem $ahr i498 lebte, bern ©eburtSjahr de«
berühmten jungem Hau« HDlbetn. Sfiamen unb
3ahrjahl auf mehreren ©emälden Han« Holbein« be«
Sßater«, bte ftd) ju Sanbrart« 3etten in Augöbnrg
befanbett unb üteüetrfjt ttodj bort befinden, beftä;
tigett bte«, unter andern auf einem, wo matt neben
bem Tanten be« Metfter« auf einer ©leefe bte
^abrjabl 1490 angejeidjnet findet. SBabrfcbetnltcb
jog der QDater Halbem bald darauf mit feinen drei
Söhnen SltnbreftuS, Bruno, und Han« H°lbcttt
nadj Bafel. 2lÖe drei fud)te er dort für die Jtunft
jtt bilden, doeb nur der letzte lohnte t'bm durd) über*
wiegende« Talent und wurde groß und berühmt.
Der alte Hat'« H^lbetn hatte aud) einen febr
fuuftrctdjeu Bruder Ütantcn« Siegmitnd, weldjer
Ol
ihm bei ber Srjtebung feiner ©ebne Beiftanb teiftete.
£>tefer mar eigentlich ein @olbfd)mtb, bocb bat er
»ielef in Kupfer geftocben unb tu gefcbnitteu,
uttb jmar fo oovtrefflid), baß fetne Arbeiten mit
benen feittef berühmten Keffett fpäterhtn jumetieti
»ermedjfelt mürben, unter attbem etn großeö Alpha?
bet mit •twljfdjuitten, weld)e etnjelne ©reuen auf
ber bibltfcben @efcbid)te barflelleu.
Ob £auf >£)oibetn, außer feinem Vater unb
feinem Oheim ned) einen attbern Cehrer in ber Kitnjt
gehabt habe, ift unbefannt; man meiß nur, baß
er nie jtt feiner ferneren Btlbiutg Jtalten, ober
überhaupt baf Auflanb befudjte , fiMtbern biefe
einzig feinem ©entuf »erbanfte, unb bem Orte,
an meldjem er feine Jugenb verlebte.
Jm Knabenalter fdjen ermarb ber junge
betn bureb gleiß, Xaleut unb bßbef (Belingen, auf
ber »du ihm betretnen Bahn ftd) allgemeine Bemutv
berung. 2öie fel>r er biefe »erbiente, jeigen bte
von ihm im Jahr 1512, mo er »terjehn Jahre alt
mar, nacb bem £eben gejetdjueten Bübntife feiuef
Vaterö unb fetuef Oheimf, melcbe ©anbrart, ber
92
btefe 3ctcbmm3ett befaß/ tm jmeiten Tbetl feiner
beutfdjett Afabemte in Kupfer flehen ließ,
£)olbeinö immer herrlicher ftcf) entfaltende« Ta*
lent erwarb tl)m fd)ott früh tu Bafel einen bebeu*
tettben tarnen , bod) wußte er e« aud) juwetlett
auf etite ffieife ju üben, die »Ptt unferen feigen
Auflebten der Kunft fel)t abwetd)t. 3" jener, an
bedeutenden, rubmwürbtgett Metftern fo iiberrcicben
3ett, pflegte man fegar aud) die Außenfette ge*
wohnlicher Bürgerbäufer durdb t'bte Kuttft ju
fcbmücfett, wa« jet^t den Tündern itberlaffen bleibt,
und £>olbetn mußte ftd) aud) btejit tn fettter
Sugettd bequemen. Der (Einfluß der Witterung
^erftörte btefe Kuuftmerfe natürltcberweife tm Saufe
weniger 3abre; nur trübe, l)alb »erlofdjne Uber?
refte und die Sage haben ihr ehemalige« Dafepn
bt« auf un« gebracht. AI« au«gejetd)net ODrtreff*
ltd) mürbe ettt Bauerntanj »Ott £>olbetn« 3eitgenoffen
febr bemunbert, bett er auf btefe 393eife au bt'e
Mauer eine« am Bafeler $ifd)marft belegtten (Ecfs
häufe« gemalt hatte; bod) fowobl »on bt'efent, al«
»du £>olbein« berühmtem Tobtentanj, ben er tn
93
bem Jnnern ber nach ©cbwetjerart über bte große
Brücke angebrachten beljernen Bebauung malte,
tfl uuf nur bte Knute nebjt einigen nad) tiefen
©emälben verfertigten £>eigfd)nitten geblieben.
Dennoch bewahrt bte Bibltotbeck ter Statt
Bafel «od) immer einen fel)r bebeutenten Sd)a$ an
(Porträten, l)iftortfd)en ©emälten nnt 3c,d;nungen
von £olbetnf f)anb; ihre ift 5» bebentent um
fte hier alle aufzuführen, unb jetef au ftd) gu vor*
trefflid) um eine Auswahl ju mad)en. Sllf fcte
Krone oon Stilen werten inteifen allgemein ad)t
flehte Dlgemälte aiterfannt; fte gehören ju einans
ber unb ftetlen ©cenett auf ber «PafTionfgefdjtdjte
bar. Sttte finb böd)ft vollentet tn ber Stufführung,
bab'ei lebenfretcb, aufbrueffoott, groß unb e'oet
getad)t; unerad)tet tef kleinen iKaumf ber fte be*
fchränft, bitten fte für ftd) allein eine ©alterte, von
ber man nur mit Mühe ftd) wegwenben mag, unb
in ber man bei längerer Betrachtung immer neue
©d)önbetten entbeeft.
Jm häufltdjen Cebctt war &otbetn anfangs
nicht glücklicher atf fein großer Albrecht
94
Dürer. $3te btefer hatte aud) er fci>r jung (Ich
oerbeiratbet, mit) fettte 2ßal)l mar ungiücfitefjcrs
weife auf eine $rau gefallen, bereu $anffüd)tige«
bößarttge« SBefett feine Tage »erbitterte. 53öfeileidjt
märe ancb er tu btefent traurigen Verhältnis ju
©runde gegangen, aber ba« Sd)icffal erbarmte
fid) fetn, unb führte ihm einen $reuub jtt, beffen
Diatb unb thätige Hülfe ihn veranlagte, ftd) balb
lieber »du btefen unmürbtgen Ueffeln ju befreien.
Der berühmte @ra«mu« »du SKetterbam, mel;
djcr bamal« in Bafel fid) tttebergelajfen hatte , mar
btefer $reunb, ber frühe fomohl be« jungen Kiinftler«
bebe« Talent, al« fetn traurige« Ceben erfannte,
unb tbn betebete, nad) Snglanb ju reifen. Sr felbft
hatte lange 3eit ttt btefent Sanbe gelebt unb bort be*
beutenbe Verbiubungen gefchlofjett, bte tl)n in ben
Staub fejten, Holbetn« erjte« Auftreten bafelbft
mäd)tig ju begünfttgen.
Die Vorbereitungen ju btefer Sßeränberung
fettte« 2öohnort« begann Halbem bamtt, baß er ba«
Bilb feine« eblen ftreunbe« malte. C£r manbte alle
feine Äunft baran, e« ju einem Metftermerf $u er*
'95
heben, unb ef gelang ihm in fo hohem ©rabe, fo*
»uehl in $)inftd)t ber Ähnlichkeit als ber Aufführung,
baß (Sraömuf bie glänjenbjten Hoffnungen für bie
3ufunft bef SOfetfTcrö barauf baute, ber Solcbef
vermocht. Aufgeftattet mit btefcm ©emäibe, unb
einem Briefe an ben ©roßtanjler Xbomaf SOtoruf,
Erafmuf »ertrauteften greunbe, bem baß Bilb jum
©efdjenf beftünmt war, reißte -fjolbettt nad) ßonboit,
gerabe jum ©roßtanjler bin. Der Brief bef Erafniuf
war allerbtngö barauf eingerichtet £)olbeinf Ber*
bt'enfte im glanjenbften £id)te ju jetgen, tnbem er
ben jungen Künftter fogar über Albrecbt Dürer erhob,
heften 3eid)uung, wie Erafmuf verfld)erte, mit
btefem ©emäibe, fogar tu £>inftd)t ber Ähnlichkeit,
burdhauf nid)t ju oergleichen feo.
|)olbcin, ber Brief unb baf Btlb fanben bei
Xhomaf SOioruf bie freunbtidjfte Aufnahme, vor
altem lejteref, beifen fettne Vortrefflich feit beit
©roßfanjler ju bem Sntfcbtuß betvog, ben äfteifter
fogletd) bei ftd) in feinem £>aufe ju behalten. Drei
Jahre lang lebte |)olbeiu bafelbft atter Jßelt mibe?
tannt unb in tiefer Verborgenheit, befonbcrf burfte
'96
König Heinrich ber cicute ooit feinem Däfern nidjté
erfahren, metl XbomaS Moruè überzeugt mar, baß
btefer einen Metfter foldjer Art nid)t lauge tu feinem
IDtenft laffen mürbe. ^>pitctn mar bannt mohl ju;
frteben, er freute ftdb ber forglofen (Stiften^, unb
meitbete atte feine f"** feinen buhen Befdjüf^er
ttttb fettte Kunft an. Mit Suft unb $reube malte
er tu lang entbehrter 3Ruhe bett ©roßfanjler, beffen
©emabltn, Vermanbte unb $reunbe> audb gingen
mehrere btftortfcbe ©emälbe, nach beö ©roßfanjs
lerê eigner Angabe, auê ber fttöcn Sßerfftatt ber;
»er, fo baß biefer, nad) Verlauf ber bret Sabre,
ftdb einer 3ftetbe »on Meiftermerfen erfreute, beren
23efl£ thn mit jebern Tage mehr eittjücfte.
3ejt ettbltd) bünfte eè ihm ben feltnen
Meifter an« Siebt treten 51t laffen, beffen Safepn
er ebne Ungeredjttgfeit gegen ihn unb ben König
nid)t langer »erborgen halten jtt fönnett glaubte.
(Er lub $u biefem 3WC(f ben König ttttb bett ganzen
Hof ju einem großen $efte ein, unb führte bann
feine ©afte ttt einen ©aal , wo Holbetttê
mälbe alle, nad) ber iReibe georbnet, tat bödjften
'97
©lang ihrer fn'fdbett garbeupracbt ihnen entgegen
leuchteten,
Der König ftauute beim Anblick fo vieler iÜ?et*
jterwerfe etneS ihm fogar bem Kamen nad? unbe?
fannten Künjtlerö. Er wanberte unermübet von
einem jum anbertt , überall traten Bekannte t'bm
wie lebenb auö bem Kähmen entgegen. Die Sabr?
beit, bte Sanne bef Kolorite ber AuSbruck ber
oerfdjiebenarttgflen Köpfe festen ihn in immer ueueö
Erjtaunen, Die Einmuth ber febönen grauen, bte
er hier bargeflellt fah/ entzückte ihn, Der ©ammet,
ber AtlaS, ber ©cbmuck, bte golbnen ©tickereten
glänjten ihm «sie in ber Sirkltcbkeit entgegen, er
war außer ftdf? »er greube unb Bewunberuug.
Mit acht bofmänntfeber ©efebmeibtgteit bot
je^t Xhomaf MoruS feinem Könige alle biefe
©entälbe jurn ©efebenke, unb ber Erfolg biefer
anfdjctnenbeu gretgebigfett, bte natürlicher Seife
abgelehnt warb , entfprad) »olllommen feiner Er?
Wartung, benn ber König fragte nur nad) bem
Metfler, ber fo ©roßeä oermochte, unb äußerte
laut ben Sunfd), tiefen Mann in feinem Dienfle
u. m>. 7
'98
jtt rctffetu gelbem warb au« feiner befcbefbnen
(Entfernung herbei ge.ufen, unb war od» btefcm
Tage an nid)t nur ber Hofmaler be« König«, fott;
bern and) fein ©i'tuftling, um ben alle ©regen unb
Vornehmen be« £Keid)« ftd) brängten. Von nun an
gab e« fetne fd)öne retdje $rau mehr tu (Euglanb,
bte ntd)t ODn ihm gemalt fepn mollte; bte oornebm?
ften Familien ftritten ftd) um bte (Ehre ihm ju ftfccit,
unb aud) feine hiftorifdjen ©emälbe mte fettte Hattb;
jetdmungen mürben mit ©utnceit aufgewogen. IKocf)
bt« biefen Tag merben feine ißerfe oou ben reichen
(Englänbern al« ber fd)önfte <3d)mucf ihrer ^aUcfte
unb Kunft-Sammliingen betrad)tet, bte ganje Nation
hat ftd) gewöhnt, ihn, ber fo lange in ihrer Mitte
lebte, al« ihr au«fcblteßettCe«(Eigenthum ju betrach-
ten, unD feinen Ceutfd)ett Urfprung ju »ergeffcn,
bem er etgeittlid; bcd) fettte Kunftbilbuug »erbanfte.
Dag er unjahltge Aufträge be« König« oolli
fuhren mußte, bte btefer auf ba« $reigebtgfte be*
lohnte, bebarf wohl feiner befenbern (Ermahnung.
Oft malte er ihn felbft int föntglicben (gd)tnitcfe nach
bent Sebett, aud) mußte er mit SBafferfärben bte
'99
Sanb etnei! ©aalef in fcem je^t jerftorten ^allaft
von Shitehall mit aöegortfcf)en Darftelluugen
fchmticfen , btc fegt letber nicht mehr ftnb, <Ste
(teilten bte Xriumph§üge bei Keid)thum3 unb ber
Annuii) in jwet fcl)v großen Kompofttionen Dar,
»oll allegortfd)cr ^erfonen, uad) bem bamalö immer
mel)r ftd) ocrbreitenben @efd)macf, Aud) malte er
in Dl mehrere große Darftetfungeu öffentlicher Ver*
hanblungen, in weldjen er bte fortreite ber merf*
wiirbtgften amvefeuben «perfonen nad) bem ßeben
anbrad)te, eine Art von Verewigung beé SDiomenté,
welcher bte ettgltfchc Katton uod) in btefem Augen*
bltrf fehr jngethan ift,
£)olbetuè nuermübltcher $letß, befonberè wenn
man bte, bié in bte fleinften Einzelheiten auf*
geführte Vollenbung feiner ©emeilbe betrad)tet,
givnjte an bai Unglaubliche, bajn malte er, wie
man behauptet, ftetö mit ber linfe» £>anb. Außer
feinen vielen ©emälbett in Dl unb in Saffer*
färben jetdjnete er aud) noch Vt'eleö, felbft für
@olbfd)miebe, $ormfd)netber unb Kupferftedfier. Er
erwarb ftd) auf btefe Seife ein fehr bebeutenbef
'100
Vermögen , unb ftanb überall in (Ehre unb Sin»
febcn,
2Bte bod) ter fonft gegen alte Sföelt übermüthige
unb tpranntfcbe ^)etn\'tcf) ber ad)te ben Metiler
fd)ä§te, bavon erfuhr ein vornehmer ^atr beö
einen febr unangenehmen Beweis, ben td) inbeffen,
fo bekannt bte ©efdjidjte aucb tft, bter nid)t über-
gehen barf.
Holbetn hatte, wie alle Portrattmaler , ju?
wetten Bilbniffe ju malen, bic er al« ein ©ebetnv
ntß bcbanbeltt unb jebem bajtt unberufnen Auge
verbergen mußte. (Er mar eittfl gerabe mit einer
foldjen Arbeit befdjäfttgt, als ein junger ßerb bei
ihm 3"tritt verlangte, um feine SBerfftatt ju fehen.
#olbetn trat ihm ganj tjöfltd) auf bem Vorptaj ent*
gegen unb bat ftd) jur gelegneren ©tunbe bte (Ehre
vottihmauS, Mpbrb hingegen meinte, jebe ihm
felbft beliebige 3eit fep gerabe bte gelegne. £ot;
bettt proteftirte gegen biefe Behauptung, anfangs
jiemlid) gelaffen, bernad) heftiger, ber «Streit er*
hti5te fld) von betbett Seiten, uttb ba Mplorb enb;
lieb mit ©ewalt bte Treppe jur SBerfftatt hinauf
'101
wollte, faßte ber Maier ihn beim Kragen, unb
warf tl)n fo nnfanft hinab, baß er feiner unten*
jtebenben erfdjrocfnen Dtcnerfdjaft mit einem ©djrep
bef ©cbnterjcf »er bie giiße fiel.
Mit einem 93ltcf überfab gelbem baf Unheil
melcbef er geftiftet, nebft allen, für t'bn möglicher
Seife barauf entftebenben geigen. ilbrtgenf be*
baci)te er fiel) ntcfjt lange/ fonbern flieg ctlenbf bte
Xreppe hinauf/ ju einem Dacbfenfter herauf, itub
fuchte feinen Seg über bie Dädjer.
Die Dienet* bef Cürbf mareit nod) lauge um
ihren jämmerlich jugerid)teten $errn befdjäftigt,
alö£olbetn feben atbemlof »er feinem Kenige ftanb,
uttb beifen Vergebung erbat, ohne tbnt iufceffen
fein Vergehen ju nennen btf er berfelben gemtß
mar. Kad) angehörtem 53efenntniß erfolgte freilich
eine tüdjtige ©trafprebigt, unb febr ernflltdje (£v-
mahnungett jur fünftigen beifern Mäßigung in ähn*
Ud)engäHen, boch wief t'hm ber König and; ju--
glcid) ein Kebenjimmer au, mo #olbein btc Q3cen*
bigung ber @efd)tchte abmarten feilte.
Jclpt fam ber 2orb, »du jmei fetner Diener
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geführt, unb, meöetcfyt etwa« mehr al« nötbig,
mit pflaftern unb Banbagen bebeeft. Klägltd) itub
jorntg jugleicb fragte er ben frevler an, unb brang
auf beffen fd)leuntge Beftrafüng ; boeb entging
^einrieb bem 9ld)tett ntd)t, wie ber Kläger forgfät*
ttg jebeu Untftaub wegließ, ber jur (Entfdjttlbü
gung be« Maler« bteucn tonnte. Der König hörte
beöhalb ben eblen 2orb mit einer ©elaffenhett an,
bte bt'efer nicht erwartet hatte , unb bie ihn fo
empörte, baß er $ule£t bte Mäßigung gättjlid) »er?
gaß, weldje bte ©egeuwart feine« Herrn ihm auf?
legen mußte. (Er begann mit eigenmächtiger 9iad)e
beut Xhäter jit brohen, tnbent er laut auöfpradj,
baß er wohl fäbe, wte wenig bte Majcftät geneigt
fet), felbft bie gerechte ©träfe über ihn ergehen ju
laifett.
3et5t ergrimmte ber König, befcbulbtgtc ben
ßorb eine« (Eingriff« in feine geheiligten Diechte,
unb enbete jule^t mit ber QSerftd)erttng: ber ©treit
gelte md)t mehr bem Maler, fonbertt feiner eignen
geheiligten ^erfott. — „Meint 3br benn," fprad)
er, faft wte Katfer Martmilian ju bem (Ebelmatiit,
10.3
ber fld) metgcrte 3llbted)t £>ürern bie Setter ju
halten ; „Meint 3hr Denn, ein Metfter mie
„bettt fet) fo nnbebeutenb? Bringt mir ftebeu
„Bauern, uttb td) mad)e eud), menn td) miti, in
„einer Bierteljtutibe ftebeu feldje ©rafen, mie Jbr
** „fepb , baraué ; aber auf fteben fßlcber ©rafen
„vermag td) nimmermehr nur einen einzigen i)auf
„i?olbetn ju fdbaffeu."
Die ganje femt* tragtfdje ©efd)id)te enbete ju*
(elpt mit bem hetltgen Berfpredjen bef Sürbf att
bem Maler meber perfonltdje Kadje fetbft ju
nehmen , ned) burd) Anbere nehmen ju taffen,
unb mit beò Stònigf fehr ernftlicber Berftd)erung/
baß er jebe, £>olbetn jugefügte Beletbigung, atf
ihm felbft mtberfahren, aufnehmen unb beitrafen
mürbe. 2Btc boflid) ftd) ttt ber golge ber ganje
hohe unb ntebere Abel von Englanb gegen £>olbeiu
betrug , tft letd)t ju erad)ten , unb gemtß hat
feiner mehr gegen beffen 2ötßeu ftd) in feine 2öerf*
ftatt ju bringen gefud)t.
Bei alter btefer £>utb unb ©nabe beö Mo*
ttarcben mar £>otbetnö Güriftenj an btefeut &ofe
'104
bod) gemtß nicht burcfjcittd erfreulich. £)te (Ent*
fernung allein, üt meldjer er »du poltttfcben uub
Hofbänbeln fid) hielt, tonnte Seben unb Freiheit
unter bem ©cepter biefeS furdjtbaren Despoten
ihm frtften, beut er freilich AUeS »erbanfte, »Dtt
bem aber bte ©räuel, bie biefer täglid) unter
feinen Augen »erübte, ihn bennod? gemaltfam ju*
rücffdjretfen mußten. (Er fah ein gaujeS $anb
unter ben Bebrücfungen beS graufamften engher?
jigften unb blutbürftigften SiöollüftlingS erliegen.
Taufenb blutige Verbrechen feine« BefdjüijerS gingen
an ihm vorüber. (Er fab feinen ebleit $reunb,
Thema« MoruS, ben ©riinber fetneS ganjen
©liicfS, jitm Blutgerüjte fd)leppen, fah Anna Bo*
iepnS fd)öneS Haupt, bejfen eble 3"3C er
jur>or mit Aufmanb aller feiner Kunft in ber »ollen
©lorie einer Königin ber iftacbmelt überliefert
hatte, unter bem Beile beS £enferS fallen. Sind)
Katharina Homarb ging »or feinen Augen ben
nämlichen 2ßeg, »om Throne jum ©djaffot; jeber
Tag brachte ncueS (Entfelden, neue ©ebtaebtopfer,
neue Thvänctt, btS ber königliche Mißethäter unter
'105
ben entfe^ltdjften Duale» be3 enbltd) ermad)ten
©emiffettö int Jaljr 1547 fo fcbrecfltd) enbete wie
, et gelebt Ijatte. ©teben Jabre fpäter, mäbrenb
meldjett £)otbetn rubtg tu ßo«bon fortlebte, man*
beitc im Jabr' 1554 ei»e f»rd)tbare peftartige
Kranfbeit bte ga»je lebenfretdje ©tabt jur febref*
fenoollften Eüiöbe um. Xaufeube fielen tbr jum
Opfer, unb uuter tl)ne» aud), im fcd)ö unb fed)«
jtgften Jabre feines SebenS, ber cble -JJieifter
£)anä $olbein felbft. SBabrfcbetnltcb ftarb er »er*
laffe» uitb allein, tu einer 3eti:/ bte allge*
meine entfetjHdje Kotb alle 53anbe auflof'te, uttb
Jeber nur ftcb felbft ju retten bebaebt mar.
©ein entfeelter Körper marb mit anbern an ber
«Peft Verftorbuen in eineö jener wetten ©raber
geworfen, bte bamalf immer offen ftanben, Dbne
Uuterfcbteb Alle aufnabnten , unb SKtemanb weiß
bett Ort wo fetne ©ebetne ruben.
©raf Arunbel mar $u Anfange be3 flebjebn*
ten Jabrbunbertf einer ber märmften Verebter
ber Kuuft, befonberö aber iJolbeinS, beffen 2Berfe,
10f>
fercoli ßetcbnuttgcn «tè ©emälbe, er mit großem
Aitfwanbe »on Mut)e unb Soften fammlete. Dtefer
müufct)te Dem großen Meifter ein mitrbtgeö Dettf?
mal att ber ©tette , mo er begraben warb, ju
fc§ett. Dorf) »ergebend (teilte er bte mi'tbfamften
9fiad)forfd)ungen an, ber burd) |)olbetné ©taubge*
geheiligte Ort bleibt ewtg »erborgen.
HolbetnS ©emälbe flnb ju allgemein befatutt
«nb bewunbert, als baß td) hier otel jn ihrem,
ßobe über $ti ihrer (SbaraFteriftif fagett Dürfte.
2ÖaS er mar, »od) ehe er Bafel oerlteß, bcmetf't
fetn @emälbe, auf welchem er iit unauéfpred)licber
5lnmutb unb Roheit bte Mabonna barftellte, ju
ihren $iißett bett Burgermeifter »on Bafel, als
©tifter beö ©entälbeö, itebett fetner £>auSfrau
unb feinen blübcubett ©öbnen unb £öd)tern. 5Ber
fetiut ntebt btefeö Bilb als etueè ber berrlicbften
Klciuobe ber Dreébner ©allerte, wenigftenS auS
Kupferftid)cn! Ketneè »on Allen bte td) in (Englanb
»oit ihm fah, übertrifft biefeS an 2Baf)rbet't, Aug?
bruti, unb Ausführung. AIS »oöeitbcter Meifter
'107
fam er 51t ben Britten hinüber; er tft unfer,
baö bürfen mir mit ©tolj unb ©emtßbeit be*
baupten.
Bon feinen vielen fortreiten bewahrt bie
Boiiferc:efd)e (Sammlung etitef ber allervertreffi
(td)ften 5 ei lebt unb blieft unf an mit uuauf;
fpredhttcber SBahrheit. Der ©egenftaub beifelben
ift ber nämliche Erjbifdjof von «Palermo, beffen
Btlbntß Jebaunef (Sefunbuf feinem greunbe ©ebo*
reel, alf einen Bemctf fetneö gortfebreitenf in
ber ftunft ber Btlbnerei auf 3talien fehiefte.
Diefer Erjbifdjof hieß Johann von Earanbolet,
mar auf Brügge gebürtig, unb lebte alö Kaujler
von glanbern unb 9Q?itglteb bef hohen Katbf ju
iOiedjelu tu beit Kieberlanbeu. Er mar einer ber
vertrauteren greunbe bef Eraömuf von Diotter?
bam, ein Umftanb, ber gemiß ben biefent fo er*
gebnen £)anö £>olbein vermochte fein Btlb mit fo
großer Siebe unb (Sorgfalt anzuführen, ber aber
aud) zugleich bemctf't, baß e§ ebenfalls vor feiner
Keife nach Englaub vollenbet marb.
Überhaupt tfl mohl wenig von feinen tu jenem
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Sanbe eelteubeten 50?eiftcrrccrfeit ju und über baô
ÎOîeer gelaugt, benn 3eDermami weiß, une bte (Eng.-
tauber atte t'bre jeber Art gern für fid) atietn
ju behalten pflegen.
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£nfaê ^ranacf),
Diefer berühmte alte Metfter warb in ftranacb,
einem fränftfdjen, gum ehemaligen 93ißti)ume Bant*
berg gebörenben ©tcibtcben , int Jahr 1472 ge*
bohren, ©ein gamtlten * Käme mar Müller, über,
mie Anbere nad) alten >£)anbfd)riftett behaupten
mollen, ©unber; beibe Kamen finb jebod) fD gänj*
lid) in bem untergegangen, meld)cn er nad) barna;
It'gcm Künftlergebraud) oon feinem ©eburtê * Drt
annahm, baß eê fehr fd)mer hält ju entfd)eibcn,
ob er eigentlid) Müller ober ©unber geheißen.
Vott feinem Vater erhielt Cufaê Kranad) beu
erften Unterriebt in ber Kuttfl, hauptfad)lid) im
nett, bantt trat er bte 2öanberjabre au, uub 50g,
mte bamalê faft alle angehenben Maler, nad) beu
Kteberlanben. 2ßer eigentlich bort fein ßehrer
gemefen, tfl nicht befaunt, mahrfcbetnltd) maren
eê mehrere, unb er beretfete nad) etnanber »tele
©täbte, unb fuchte Eingang t'n ben überall burd)
bte Kieberlanbe jerftreuten SOBerfftatten ber be*
rühmteften Maler feiner 3eit.
'110
9Zad) Vollendung feiner aöanderjahre feerie er
juriicf ittè Vaterland, wo er bald Darauf in Sit*
teitberg ftd) niederließ. (Er hatte die oon
Johann »an (Epcf auf die Metfter der altdeut?
fcf)cn ©d)ule »ererbte Behandlung der färben,
und überhaupt alle tecbutfcben Vorjitge derfelben,
tu fofertt fte auf die Ehrung deä ptttfel« Bejug
haben, ftd) ju eigen gemacht, und übte »on nun
an feine Kuttjt, jttr prende und Bewunderung
fetner 'Mitbürger, unter denett fein edler (Seift,
feine feline ©iite bei großer $ejttgfeit de« Sharaf-
terö ihm allgemeine 3ld)tung und Ctebe erwarben.
©etite $rau, mit der er ftd) bald nad) fetner
3»rütffunft auö den Niederlanden »erheirathete,
hieß Barbara, und war die Tochter ettteä Bürger?
nietfterS »on @otl)a, 9iamenö Brengbter. (Segen
die gewöhnltdje Slrt der Maler, hatte er. ftd) bei
der äßabl einer ©atttit nicht durd) den (Slanj
äußerer Schönheit leiten laffcn. Matt fagt, feine
Barbara fet) fo wenig hübfch gewefett, daß er ftd)
nie entfchließeit mochte fte fo ju malen, daß man ihr
(Be{icbt fehen tonnte -, dennoch lebte er mit ihr in
'111
jufrtebner, glücklicher C?bc, beren Banfe bte @eburt
unb (Srjiehung von jmei <Scl)tten unb jmct Xöchtern
mit jebem Jahre fefter fnitpfte.
griebrtcb ber 2Betfe, meiner int Jahre 1502
bic jetjt aufgehobene Unioerfttät gu Wittenberg
ftiftete unb bcch^ib biefer Stabt feine befcubere
Aufmerffamfeit fd)enfte / tonnte uatürltdjer SfBeife
einen Meijter mie CufaS itranad) mar, nicht über*
fehen. Sr überhäufte ihn mit Bemetfen feiner $ulb,
übertrug ihm bie (Stelle etneS £)ofmalerö, unb um
ihn noch auffattenber ju ehren, bered)ttgfe er ihn
im Jahr 1508 oermtttelft etneS Abelbriefs, baö
2Bappen ju führen, meld)eö feitbem faft alle @e*
uiälbe Sufaö Kranacbö bejetd)net; eine fchmarje rotl)
gefrönte ©d)lange im gelben (Sd^tlbe, mit einem
golbnen Kubinringe im lOiunbe. S)a§ Original
biefer Urfunbe bemahren bte im Branbenburgtfd)ett
lebenben Kachfommen ßufaf Kranadif noch biß auf
ben beutigen Xag. Jm (Sommer bef Jabref J5ü9
befuchte ßufaf ftranad) auf Befehl feineö £>errn jum
jmeitenmale bte Kieberlanbe, mo er in lÜiechelu ben
nachmaligen ftatfer Karl ben fünften atö bamalf
'112
neunjährigen ^rtnjen malte, unb überall megen
feiner großen Kunjtfertigfett Achtung unb Bewuu*
berung fiel) erwarb. Unter anbern zeichnete er einft
im Betfeptt mehrerer Kiinftler beit Katfer Ma.ttntu
iian mit einem ©tücf Kohle fo fprecbenb ähnlich
auf bie 2Banb hin, baß Alle, aud) bie melche ben
Kaifer nur einmal gefeheu, ihn fogteid) wteber
erfannten. Dtefe burd) unermiibeten $teiß erworbne
gerttgfeit, jebe oon ihm aufgefaßte 3bee fchnell in
bie 5H5trflid)feit treten gu laflien , mar überhaupt
eine ber auägejeichnetften (Sigenfcbafteu ßufa« Kra*
nad)«. 931« in fein fpätefte« Atter »ermeubete er
babetrn mie auf Reifen, beinahe jebe ©tuube feine«
SebenS, auf Übung feiner Kunft. 2öaö er einmal
gefeben, hielt feine (EtnbtlbungSfraft auf immer
feft, unb feine fertige Hanb (teltte e« in tinglaub*
lid) furger 3eit auf bie Xafel hin. ©etbjt menu er
nicht matte befchäfttgten (Entwürfe gu künftigen
Arbeiten feinen @ei(t, baber xft bte 3abt berfetben
fajt unüberfehbar; fte befchränfett ftd) nicht auf
(Bemätbe ober 3eich"»ngen j ßukaö Kranad) ftad)
aueb in Äupfer, unb man jäblt baneben nod) an
'13
breibuubert Blätter, bie er, mitunter redjt fauber
unb kräftig, tu f)olj fdjnitt. Er fdjmucftc mehrere
auf Pergament abgebrucfte Bibeln mit foldjen f5olj=
fdjnitteu, bie er hernach mit (Selb unb febr leb*
haften garben aufmalte, ©eine große Xhätigfeit
erleichterte ihm Alief unb fd)uf ihm 3?it 3» Allem
waf er unternehmen wollte.
3tßir ftnbett in «JDtüllerf fäcbflfchen Attnalen, ju
benen ber Berfaflfer ben Jnhalt vieler Archive bureb*
fudjen mußte, baß ßufaf Kranach ben Kurfitrfleu
grtebrid) ben 2Betfen auf feiner SBallfahrt nach bem
gelobten Sanbe alf Hofmaler begleitete, um fo*
wohl untermegf alf tn Jerttfalem bie merfwürbtg*
ften (SJegenftänbe ju jetdmett 5 boch wirb biefe Dtetfe
mteber baburch etwaf zweifelhaft, baß tn bem Ber*
jeichniffe berer , weldhe ben Knrfürften auf feiner
Sföallfahrt begleiteten, Sufafi Krattacbf Kante utd)t
ju ftttben tft, unb man nt'rgcnb eine ©pur fetner
Arbeiten mährenb berfelben antrifft. IDaf ©efolge
bef Kurfürfteit war tttbeffen fehr groß 5 ef beitanb
auf acht ©rafen, fünf unb bretßtg Ebeöeuten, neun
«Prälaten, (Belehrten unb ©eiftlidKU, ohne bie
11. <8t>. 8
'114
SMetter ; ba fonnte bei- 3iame beS einzelnen MalerS
wobt übergangen werben, ber beuttod) fcbwetltcb in
einem fo fürftltcben 3uge fehlen burfte, ©etite
wäbrenb ber Dicife gefertigten 3e^11ul1Sen Hegen
wabrfd)etnlicb noci) trgenbwo tu ©taub nnb Duttfel
»erborgen, un£> »ie(letd)t gelingt eS etnft beni je$t
überall regen ^orfcbuttgégetfte, fte wteber anfjnftrt^
ben, ober überhaupt uitS über bte Sftetfe felbft auf»
juftären.
é
3m 3ahr 15J9 würbe ßttfaS Krattacb bte
ehrettooöe ©teile etneS BürgermeifterS oott iföttten*
berg übertragen, bte er neben feinen Kunftbefcbaf*
tigungen, jur allgemeinen 3ufriebenbett »erwaltete,
bié er eintge Sabre »or ber Belagerung ber ©tabt
«uS eignem Antrieb fie nieberlegte. 5iöabrfd)cintid)
fdjtoß ftcb and) bamatS baS fefte Banb inniger ^reunb*
fdjaft, baS ihn »Dtt ttuit an lebenslang mit Martin
Cutber »eretntc, ber in jener 3ett ntutbig unb traft*
poti ben großen Kampf öffentlid) begann. ßuf'aS
Kranad) war ber Vertraute aller ^läne uttb Hattb*
Jungen biefeS belbenmüttngen ©etfteS , er »or Alten
beförberte burd; 3tath unb Xhat ÖutberS Verbin*
115
Dung mit Katharina ooit Bora, unb mar auch bei
bev Verlobung unb Vermählung btefeS feituen «paareé
alê Beuge jugegen. ßutber hingegen nahm bafür
aud) fetnerfeitê beu bijlichtten Autbeil an allen
trüben unb freubigen Eretgntflfen in SufaS Kranad)$
bäuöltdjem Ceben j fein 3ufPrucb mar bem gebeug*
ten Vater oor Allem tröftlicf), als Johann, 2ufa3
Kranad)S ältefter ©ol)n, im Jahr 1536 in Jtalien
ftarb, wohin er nad) bamaltgem ©ebrand) auf eine
ber borttgen hohen ©d)uleti gefanbt werben war.
Unb fo ftrebten betbe eble Männer etnanber gegen*
feitig tn ben ©türmen beS CebenS aufredjt ju erbat*
tett. Jn ber Entfernung fucbten fte burd) oertrau*
ten 33rtefwed)fel tn ununterbrochener Verbtnbung ju
bleiben, unb immer fanb jeber ben anbern ju
größern ober fleinern ©tenftleiftungen tu freubt'ger
Bereitfcbaft. ©o junt Betfptel »erfcbaffte CufaS
Kranad) Martin ßuthern auf bent furfürftltd)en
©ehalte alle ©attungen farbiger Ebelfletne jut* An*
ficht, beren btefer bei feiner Uberfe^ung ber Offen*
barung Johannis beburfte unb bie er nachher wieber
nad) Altenburg jurüdffd)icfte.
12 *
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«Hiebt« bat Cufa« Krattacb fo oft mit folcber
Ctebe unb mit fo bobem au« btefer heroorgebenbem
©elingen gemalt, al« Martin ßutber« fräftige $tU
bengeftalt, Balb (teilte er t'bn in voller £eben«gröf?e,
bald in DU Miniatur bar, am bfterften mit ber Bibel
tu ber £anb unb im ^rieftergemanbe, 'ba« er trug,
naebbem er bem Mönebtbum entfagt batte, boeb
bat er tbn aueb in ber Möncb«futte, ober ai« Dritter
Sorgen, in ber Tracbt bie er auf ber SBartburg
trug, mitunter gemalt.
Kacb bem im Sabr 1525 erfolgten Tobe
fyrtebrtcb« be« Sßetfen behielt beifen Nachfolger,
Sübauu ber Befto.nbige, beu Hofmaler Sufa« Kra*
nacb in feinem Dtertit. Dtefer ^ürjt batte tbn oon
jeher begünfttgt unb aueb fci)Dit früher jtt feiner
©eitbung in bte Nteberlanbe mitgemirft. (Er ftarb
fieben 3abre nact)bem er Surfiirft geworden mar,
im Sabr 1532, unb nun trat Sufa« Kranacb in
ben Dienft feine« britten Herrn, be« Kurfürjten
Sobantt ^rteörtcb be« ©rofjmütbigen, bem er »Ott
nun an fein ga^e« Seben hmbureb mit faft beifptel*
lofer Ciebe uttb Treue anhing, unb ben er felb(t im
'117
tieffteit Unghie?, als alle feine ©etreuen fld) öd« tbm
abwenbeten, nimmer verlteS.
\
Jebermann fennt baS traurige ©efcbtcf jenei
unglücffeltgen gùrften. SllS Johann grtebrtd) nad)
ber «Schlacht bei Müblberg im Jahr 1547 gefan*
gen war, unb Kaifer Karl nun Wittenberg belagerte,
verlangte ßufaS Kranadf) vor btefen geführt ju
werben. Karl ber fünfte lieg ben Maler, ben er
wohl fannte, in fein bringen, unterhielt fld>
eine 3«it lang fehr gnabtg mit ihm, t'nbent er fid)
jugleicb erinnerte , als achtjähriges Kinb in ben
Sßteberlanben von ihm gemalt werben ju fet>n, unb
forberte ^bn jule^t auf, (Ich eine ©nabe von ihm
ju erbitten.
Da fiel ber ebrwürbige fünf unb fiebjigjäbrtge
©retS, ber wohl noch nie anberS als vor ©Ott ge<
fnteet hatte, vor bem Katfer hi"/ "»b bat mit
heißen Xhränen um bie Freiheit fetneS gefangenen
gürjten. — Du follft erfahren, baß id) beinern
f)errn ©nabe wiberfahren laifen werbe, erwteberte
Karl ber fünfte fehr gleidjmuthig / unb wanbte
ßd) ab.
'118
SÌBte fatferltcf) Stari 2Bort ijtcìt r weiß bte
SBett. Der ungliicfltd;e Kurfiirjt würbe von einem
©eridjt, bei welchem ber furchtbare £>ergog Alba
ben Vorftl batte, jum Tobe verurtbeiltj er mußte
bte ©djmacf) erbutben, begnadigt $u werben, unb
würbe bann fünf 3abre taug in fcbmäbttcber ©efatti
genfcbaft üd« Sand ju ßanb gefd)leppt , bt§ eS
getaug, fein bartgebcugteS ©emütt) jur (Eutfagutig
be« ihm unb feinen Ätnbern angebornen 3icd)tcS ju
bewegen, ©d mußte er benn Seben unb $retl)eit
enbltcb bureb ein Opfer erfaufen, ba« ibm gewiß,
härter febten all ber tbm angedrohte Tob auf dem
©dürfet, den man ihm ju geben nicht wagen durfte,
und defen Anfüitbtgung er früher beim ©cbacbfptel
mit großem @letd)mitth augehört hatte. Dem Maler
ßufaß Äranadj blieb ber Katfer nad) wie vor in
©nabelt gewogen , bod) biefer modjte von einer
fotdjen Hutb feinen ©ebraud) machen. (Er feblug
bte ©tette eine« fatferltd)eit ^ofmatcrS au«, bte
ihm geboten wurde, und al« Karl der fünfte ihm
eine ftlberne ©d)üffel voll Dufaten jum ©efd)cnf
überfanbte, nah»" er nur fo viel baoon al« er mit
'119
jwet gingern faffen tonnte,unb fcf?icftc baf Übrige
gurücf,
3« feinem beben Atter »erließ Cufaö Kranad)
Allef, waf er in ber Welt befaß, um freiwillig
baf ©efätigntß fetnef unglücklichen &erru mit biefem
ju tbetlen. ©eine grau war fdjon »er fed)ö 3«bren
geftorben, aber er batte in Wittenberg Kittber unb
Enfel, grettnbe unb Berwaitbte, £>auf unb £of.
Atief bteß adjtete er ntdjt, fein ganjef Sehen war
jeljt etttjig bem Beßreben geweiht, baf unglückliche
SodS bef »du Alten »erlaßnen Kurfürften nach Kraf»
ten ju erleichtern. Er »erließ ihn »on nun an nie,
ließ ßd) mit ibm »du einem ©efängntß jum attbern
fd;teppen, betete mit tbm, laö mit ibm bie Bibel
ober Sutberf ©Triften, unb-führte ihn tu heitern
©tuuben bureb Übung feiner Kunfl weit über bte
beengenben Mauern hinauf, bte Beibe umfdjloffen
hielten. ©o führten ße tbr ftifteö frommes trübeS
Seben unzertrennlich mit etnanber fort , biß im
3at)r 1552 tbr Kerfer geöffnet warb unb Sufaf
Krattacb ber ©ette fetnef fürftltchen greunbef
unb beßett älteiten ©obnef in Weimar eiitjeg.
'120
Doch nur etn 3abr genoß er «od) ba« tbeiter
erfaufte ©lücf, fetnen geliebten Herrn tu Sreifyeit
gu feben, unb tu feiner Nähe, von Allen geehrt unb
geliebt wie er eS verbietitc, ju leben. (Ein leben«*
müber, aber noch frafttger ©ret« von ein unb achtzig
Sabreu, ging er am fecb$ebnteuDctober be§ Sabreö
1553 tu eine beßre $öelt.
(Er marb auf bem ©otte«acfer ber ©auet
3afeb«s Kirche in Söetmar begraben. Der Seiden*
ftetn, mit bem fein $ürft beu Hügel bezeichnete,
unter bem feine ©ebetne ruhen, ftet?t je§t neben
bemfelbett ber KtrcbbofSmauer eingefügt. Der alte
Mcitfer tft tu £eben«gtöße , bte Palette in ben
Hauben, barauf abgebtlbet, unb eine lateinifdje Um«
febrift verfünbet feinen Namen, fein Alter, fein
Sterbejahr , unb bte wohlerworbne Siebe feine«
Herrn, ber wenige Monate fpäter im nädjftfolgen*
ben Sabre mit ihm bort wieber vereint warb, wo
feine Thränen Unterbrücfter mehr fließen.
Sufa« Ärattad)« feltue Treue unb ^eftigfeit be«
©emi'tth«, fein retne« flecfenlofe« Sebett, machen
ihn, felbft abgefeben von allem Übrigen, ber innig?
'21
ßen Berehruitg feiner Kacbfommen mertb, unb
auch feinen wohlerworbnen Kiinftltrrubm wirb Diie*
manb wagen ihm fcbmälern ju wollen. Dennod)
mit 3eber, ber feine ©emälbe unb bte feiner großen
Borfabren kennt, baß eS wahrhaft fcbmerjltd) fepn
müßte/ fle neben benen »an SpckS, Pentlings, ober
ancb fettteS 3e^3enc>ffen ©djoreelS aufgehellt jtt
erblicken / nnb jwar um fo fd)tnerjltd)er, ba Dcie;
nianb fein großes Xalent neben bem ernften, jum
Xbetl aucb gelungnen Beftrebett »erkennen kann,
gleich jenen an 9iatur unb Wahrheit fejt ju halten.
Aber ihm fehlte, bei auffallcnbem Mangel anKeunt=
tttß ber ferfpeftioe, jene hohe poettfdje Begeiferung,
jeneö innere Vermögen, ein Wert, ehe eS nur noch
im Kontur auf ber Xafel fteht, im ©eiftc als »ollen*
bet ju überfcbauen. llnb burcb btefeS allein nur
fann ein »oüfommneS lebenbtgeS (Üattje ber»or*
gebraut werben, baS unS mit tciufd)enber Wahr*
heit tn bte Mitte ber £anblung »erfeijt, welche
wir bargefteilt fehen. Alle ©ejtalten CufaS KrauacbS
flehen im heßftcn Ctdht, bte wenigen (©chatten, bie
er als un»ermeiblich anbringen mußte, (lub oft um*
m
vtd)ttg eingegeben/ unb feine ©emälbe machen be3i
halb feiten eilte gefällig s malertfcbe 2ötrfuttg j auch
war er in der 2Babl feiner Mottoe nicht glücfltd), unb
wtcb oft tu btefer oott ber Bahn beS guten
fdjmacfS ab. Denn od) war er fetneSwegeS arm an
©rftubungSoermögett, wtc auS ben Stellungen unb
ben naturgetreuen Bewegungen ber mebrften fetner
Figuren beroorgebt. Seine Umrtffe ftnb mebr ftreitg,
unb pünftltd) alS rid)tig ju nennen, beim er wanbte
wäbrenb ber Arbeit feine Aufmerffamfett mebr ber
Ausführung etnjelner Xtjcilc als ber Darftellung
etiteS barmontfeben ©anjett ju. Daher baben faft
alle Kopfe, bte er malte, etwaS SSerfcbobneS, ob-
gleich jeber Xhetl berfelben einzeln betrachtet mit
mufterbafter Treue ber Natur nadjgebtlbet erfdbetttt.
Sit ber Bebaubluitg ber färben, bte er tn ben
Nteberlanbett erlernt hatte, erfd)eittt er aUerbtngi
aB einer ber »orji'tglid)jten Metjterj biefe glättjen
noch ttt einer, burd) bte 3e,t utwerminbertenSchön«
heit, frtfeh unb lebenbtg. Ntrgenb erfchetneit fie
ju ftarf aufgetragen, uitb bei ber aöerforgfälttgften
Ausführung, ctud) ber fleinften Gsinjelheiten, tritt
'123
auf feinem feiner ©entälbe ängflltcber gleiß ober
gegwungene iO?üt>feitgfett hervor, ©ein Kolorit ift
bte Wahrheit felbjt, befonberß in ben Cofaltinten
beß gleifdjeß, eß i(t warm unb fräfttg, blübettb
nnb gart, wie eß jebeßmal ber bargeftellte (^egen*
ftanb erforbertj jebod) fallen bte Schatten juwetlen
ein wenig inß @raue; feine oft fcbucibenb ftrengen
llmriffe ftnb ebenfalls burebauß nicht unangenehm,
weil fie auf Bcbeutmtg abjmecfen unb fetneßwegß
fteif ftnb. ©eine ©ewänber, wie aller babet an--
gebrachte Sdjmucf von (Bolb unb Ebelftetttcu,
prangen in glanjenben garbett, unb ftnb mit Xreue
unb Sorgfalt gemalt, aber bte galten erfdjeinen
größtenteils in fanften weichen Biegungen unb
Brüchen, man vermißt faft burchauS ben großartigen
weiten fd)Duen galtemvurf, ben wir bei ben erften
iOieiftern ber alten beutfehen Schule fo oft bewun*
beru müffen. Selten jtrebte er, baß Koftum
früherer 3ett ober frember Kationen beizubehalten,
er moberniftrte baß Slltertbum, unb hielt ftd) faft
immer an baß, maß gerabe gu feiner 3cit U|tb in
feiner Kähe gebräudjltd) war, ohne ftd) um aitbere
J 24
Votier ober frühere 3eiten jtt befümmern. 5ludj
»ermtffett wir bei ibnt ben wahren lebendigen
Sluébrucf tnnern (Gefühls. Den 3uftanb »olt*
fommner 3tube ftellte er bagegen febr glücfltd) bar,
unb be«balb flnb feine Porträte oft fo vortrefflich/
baf} mein fld) lebenbeit ^erfonen gegenübergeftellt
glauben mochte. Heftige Bewegung de« ©eniüth«,
letdenfcbaftlicbc« (Empftttben auSjubritcfen, vermochte
unb uerfud)te er nie. $cb erinnere mid) hiebet be*
fonber« eine« , übrigen« febr fchön gemalten Btlbe«,
weldie« ftd) je^t tu ber oft erwähnten (Sammlung
in Berlin beftnbet, auf weldjem er bte alt? tefta*
mentaltfd)e Heldin 3ael abgebildet hat, wie fte
dem fcblafenbett ^elbljerrn Siffera, ber auf ber
glucbt in ihrer SBohnung Sd)u§ gefucht hatte, einen
Nagel burd) bte Schläfe fd)lägt. (£« tft ein Knie*
ftücf, uttb ber Kopf be« Siffera, von bent man
beinahe ntd)t« weiter fleht, nimmt fd)on auf dem
Schoofe der 3<*el ftd) übel au«. Sie felbft ift in
^urpur * Santmet, mit golbttem ©efd)nteibe, gattj
wie etite ^riitjeffttt au« ben 3eiten ßufa« Kranad)«
geileibet, Sin hübfebe« Becfermabdjen au« 3£ßeimar,
r>5
Da<3 er oft Mb at§ VenuS, batb in attberer ©eftatt
matte, bat aucb btcr tl)tn gum Mobell gebleut, imb
baß artige Ktnb ftebt bei Der blutigen Arbeit fo ge*
mütl)ltcb unb unbefangen auf bemBtlbe berauö, unb
fiibrt ben Jammer mit einem fetdjen ©teiebmutb,
als flopfe fte Küffe auf.
DaS grüße Attargemätbe in ber f)auptftrd)e
ju Weimar ift obnftreitig eine ber größten fo mte
ber »orgügltcbflen Arbeiten SufaS 5?ranad)S. Die
Mttteltafel beffetben bat eitf guß fed)S 3otl Höbe,
bei einer 93rette oon neun guß unb eitf 3°tt, nnb
bte betbeit bajn gehörigen ©eitentafeln ftub bei natu«
lieber ^öbe balb fo breit. Jn ber Mitte ber
Haupttafel feben mir ben Hetlanb am Streuge, ntd)t
uttebel bargeftellt, menu gleich etroaS bager, be*
fonberS an ben Armen. Did)t neben bem K^uctftr,
jur Siechten beßelben , erblicfen mtr ibn noch einmal
gang in SebenSgröße , alö auferftanbnen ©teger
über Xob unb teufet, bie unter feinem guße fld)
fraftloS mtnben, tnbern er fte mit ber flrablenbett
Sange oon Krijtatt oollenbS »ernid)tet. Diefe gtgur
iftweit oorjüglicber atS ber ©efreujigte, befonberS
'126
find eS bie ebleit heitern 3üge be« 5iutli§c«, welche«
man den gelungenften SbriftuSföpfen beigäben Darf.
3ur hülfen be« KrengeS, tiefem gunäd)ft, fleht
Sebanne« der Täufer, mit einer £aud jeigt er gunt
Heiland bwauf, mit der andern hinunter auf da«
fymbolifche 2amm am $uße de« Kreuge«. Dtefe«
war nrfprünglid) gewiß febr gart unb forgfälttg au«?
geführt, hat aber bureb die 3eit fehr gelitten; bie
Stellung de« Heiligen tfl etwa« gegwungen unb un-
bequem, bie ftt'guv felbft febön folorirt unb trefflich
ausgeführt, bod) »ermißt man in ihr bett ernften
edlen 2lu«brucf , ber bei den beften Metftern fie
»orgug«wetfe bezeichnet. Neben 3ehanne« fleht
Sufaö Kranad) felbft mit 5um ©ebet jufammen ge*
falteten Hänben, neben btefem, gang im Vorgrunbe
Martin» ßutber, mit ber Stufen hält bt'efer bie auf*
gefdjlagene Bibel, unb geigt mit ber Nedjten auf bie
in berfelben te«bar aufgegeichneten Stellen, bie alle
auf bie grlöfung burd) Shrifti Blut Begug haben.
T>iefe betben ©eftalten fmb unftreitig bte gelungen»
ften auf bem gangen ©emälbe, unb feffeln ben
Blitf uuwiberfteblich. Befandet« wahr uui) fd)ön
'27
fint) CufaS KranadjS |)anbej ber mürbtge Kopf bef
eblen ©reife?, mit lang herabfließenbem Bart, ift
ebne alle Miihfeligfeit, btS in bie fleinften Eintel*
ijetten Der Qaave aufgeführt j nur ber Blutftrahl,
ber in einem metten Bogen auf beS gefreugigten
f>eilanbeS redjter (Seite ihm auf ben (Scheitel niebev«
fällt, mad;t einen etmaf mibermärtigen GEtnbrucf.
ilttbefchretblicf) ebel unb groß fleht Martin ßuther
felfenfeft ba, in ruhigem Ernft unb flarer Befon*
nenheit. Jeber 3ug biefeS @eftd)tf, fo mte bie
gange ©eftalt beuvfunben auf baf beutlid)fte ben
umfaffenben mädjttgen Berftanb, ben unerfd)Utters
lidjett auSbauernben Muth beS ManiteS, ber im
Bemußtfepn beê Dïed)tS fclbft ben Kampf mit
ïenfeln ntdjt fd)eute, unb mären ihrer fo oiel alf
3iegel auf ben Dächern gu 2BormS. ^Sutherf Kopf
ift faft noch aufgeführter alf ber oon Sufaf Kranach,
id) möchte fagen mit Dettnerfcbem gleiß, menn ich
mtd) nidjt fcheute, baburch an allef baf SBibermär*
tige jeneS Meifterf gu erinnern, »ou bent hier feine
©pur gu ftnbett ift.
Die Blumen unb Kräuter, bie üppig im Bor*
-ocr page 131-10.3
grttnbe unb an einem $etfen hinter bem auferftanb*
nen fjeitanb entfprießen, ftnb fo mabr, fo frifdj,
fo »otienbet ttt ber Ausführung, baß biefer Tijeil
beS S3tlbeê ju bem atieroortrefftid^ften auf bemfetben
geregnet merben fann ; bod) ber Reifen fetbft geigt
non Sufaê KranacbS tlnbebütflidjfett bei tanbfdiaft«
itdjen ©egenftänben; fo aud) tm Ht'ntergrunbe baS
Sager ber um bte eherne ©dränge »erfammelten
3fraeltten, unb bte Hirten auf bem $elbe, meidien
bte ©eburt beS f)ctlattb3 verfiinbet mirb. 93et alten
biefett fleitten Figuren barf matt ja ntebt an ben
3auber beuten, ben Hemting bet ähnlichen ©arftel·
futtgen ju üben mußte ; fie flnb roh in ber ^arbc,
bte Umrtffe hart unb fdjmarj mie mit ber Jeber ge?
jogen. £>td)t hinter bem Reifen, an metd^em ber
auferftanbene ShrtftuS ftebt , tobert bte Holte
empor, unb Tob unb Teufet jagen einen naeftett
Mann ihrem Abgrunbe ju ; ühnfern baoott ftebt
_ MofeS mit ben ©efeçtafeln ; noch erblicft man m'er
©eftatten unter benen eine in Purpur unb Qevmte
(in mahrfebeintid) ben König Dautb »orftefft.
Diefe Spuren flnb etma einen $uß bo«b/· unb weit
'129
beffer gejetd)uei unb folortrt al$ bte Heineren int
Htntergritnbe. Die Köpfe ftnb ohne Aufnahme
tabellof j befonberf ridjttg gezeichnet unb fd)ön
gemalt tjt ber Unglückliche, welcher ber Hölle jn»
gejagt wirb.
So fleht baß gattje Oemälbe alfl iDhtfler
aller Werfe btefef 9D?etfterf ba j vortrefflich im
Einzelnen , mangelhaft im ©anjen , unb nicht
frei von jener Verworrenheit, bte auf ßufaf
ftranad)f Unf'unbe t'n ber Behanblung ber gerne
wie ber Beleuchtung entfleht j ein gehler, welcher
hier noch burd) baf »on betben Seiten flatternbe
lange Xud) um bte Hüften bef ©efreujtgten, unb
burd) allerlei paniere mit ©priidjen vermehrt wirb.
Martin ßuther ftarb am achtzehnten gebruar
1546, baher tft ef wahrfchetnlid), baß bte mitt-
lere iafel btefef Altarblattef nicht fpäter ge--
malt morben, benn ßutberf forträt ift ju auf*
geführt Inf tu bte fleinften Etnjelbeiten, alf
baß bte Möglichkeit benfbar wäre, Cufaf Kranad)
habe eS bloß nad) Erinnerungen fo Seben-- athmenb
barflelleu fönnen. Die betben ©eitentafeln hi«'
ii. 9
J 30
gegen flnb augenfdjetnltd) auS einer fpätertt 3eit.
Die erfle berfeibett geigt unS ben Kurfürften
3obann $riebrtd) nnb fetne ©emabltu; betbe fnteett
in betender Stellung vor einem ^ulte, über mel*
d)ent etil mit äöappen nnb Borten reid) geflickter
Xepptd) ausgebreitet liegt 311 gleicher Stellung
als ihre Giltern erblicken mir auf ber jmeiten
Tafel brei Sohne btefeS ^aareS; ber oierte, im
Februar beS 3abreS 1553 »erftorbne *prfnj 3obamt
Srnft, tft uid)t mehr in ber Netbe feiner Brüber
mit abgebildet, unb tiefer ttmftanb fomobl, als bie
Narbe ber in ber Müblberger Schlacht empfangenen
SBunbe auf ber SiBange beS Kurfürften, machen eS
mebr als mabrfdjeinlicb , baß tiefe Tafeln bte le^te
Arbeit beS etn unb ad)tgtgjährtgen SufaS Krattad)
maren, ber im Dctobcr beS nämlichen 3'abreS von
ber Sffielt febteb, Daß er bte erfte berfelbeu noefj
mäbrenb ber ©efangenfd^aft fet'neS Herrn gemalt
habe, ift ihrer ©röße megen, bte ben Transport
febr fdjmer gemacht hatte, faum ju glauben, ttod)
meniger möd)te man beide Tafeln etttem andern
Meifter jufdjretbett, denn in der damaligen 3eit
'131
lebte fetuev, weber in Weimar noci) in beffen Urnge*
Innigen, ber btefeS »ermodjt hätte.
Möglich, fogar ivabrfdl;etnlidf?, ift eS inbeffen,
baf? StifaS KranadjS »Ott ihm felbft für bie Kunft
gebtlbeter ©Dhn, Sufaê Kranad) ber jüngere, nach
beni Xobe beS VaterS flc »Dllenbet habe, fo wie
er anch fdjon bei beffen Sehen ihm bei feinen größern
Arbeiten bebülfHdf) war. Alle biefe fünf lebensgroße
Btlbniffe ftnb trefflich gemalt unb folortrt, befoit?
berS baS beS mittelften ^ringen j obgleich bie Köpfe
nicht fo gang ausgeführt erfchetnen, als bie Martin
CutberS unb SnfaS Kranad)S auf ber mittlem Xafel.
Ein gelbbrofatner Vorhang bilbet ben |)intergrunb,
ber bent (Sangen etmaS fehr hettereS gibt 3 bie |)änbe
ftnb wahr unb fd)ön bei aller Einförmigfett ihrer
Haltung, unb baS ©ange betber Xafeltt gemährt
einen fehr freuttbltchen Etnbrucf.
SttfaS Kranad) ber jüngere, ber etngtge ©ob»
beS mürbtgen alten MeifterS nad) bem Xobe fetneS
tn oerftorbnen BruberS Johann, erretd)te
gmar bet metterti nicht bett 0?uhnt fetneS VaterS, mar
aber ein guter Maler, befonberS im fJJorträt, babet
'132
ein febr uorjüglidber JtolDviflr. Man flutet npcb in
SBetmar, IDreöbett, unt antern fäd)ftfd)en (Stätten,
befonterS aber in Wittenberg , mehrere feiner @e?
mälte. (Er lebte an letzterem Drt, mo er ebenfalls
bte ©teile eine« Q3ürgermeifterÖ befleitete, ttttb ftarb
tafelbft, ein nnt ftebenjig^abre alt, im 3abr ] 586.
©ein Monument mit einer lateinifcbeu 3nfcbrtft tjt
nod) in ter torttgen ^Jfarrfircbe gu feben 3 er mar
jmeimal »erbeiratbet nnt ift ter Slbnberr ter tu
Brandenburg nod) lebenten Herren von Kranacb-
Von feinen betten ©djmejteru mar tie ältefte,
SflamenS ttrfula , an einen ßijentiaten »erbet?
ratbet, tie jüngere, 2lmta, an einen Bürgermeifter
»on Wittenberg , NamenS KaSpar brennt. 3d>
meiß nid)t, ob oon tiefen nod) 9tad)fommen leben.
'133
Hemöferf, et» unbebeutenbeö f>oCtänl>tfci)e«
Dorf unfern Hartem , tft ber Ort, wo btefer
iDtetficr im Jahr J49S geboren warb unb beffeit
Kamen er fpaterijin annahm. ©ein Vater hieß
Jafob SBittemf van Veen unb war ein ganj ge*
wöhntidjer Bauer, ber ftcf) burd) feinef ©obnef früh
auffetmenbcß latent $war bewegen ließ, ihn nad)
Hartem ju einem Mater Kamenö Eornettf Vittenif
in bi'e ßehre ju geben, bod) aber aud) btefen ©cbritt
batb wieber bereute, tnbem er ben Vortbetl bered)*
ncte, ben ber bcraitwad)fenbe ©Dhn ihm in ber
äBirtbfcbaft bringen tonnte. Er nahm befbatb
ben armen Martin lange vor Vottenbung ber Sehr*
jähre wteber jurücf auf baf Dorf, unb hier mußte
er nun graben, hinterm pflüge gehen, bie Kühe
rnetfen unb taufenb Dinge treiben, bte ihm täftig
waren. Dod) Martin ergab ftcb barein , wenn gteid)
mit SBtberwiCten , benn Wtitemö van Veen war
ein harter roher Mann, ber feinen ©obit bei jebem
Verfehen feine fd?were Haub fiihten tief, Daä
'134
trübfelige Ceben be3 armen Jüngling« mährte fo eine
jtemlidje Weite fort, bt« er eine« AbenbS, ben
vollen Milcheimer auf bent Kopf, vorn Metten
heimkehrte. ©eine ©ebanfeu mochten wohl feijr tu«
Weite fcbmetfen , benit er vergaß einem Baume
auö bern Wege ju gehen, an ben er mit bem (Eimer
fo heftig ftteß , baß ihm btefer vom Kopfe fiel.
Xraurig fah er bie meiße Mild) bie fcbmarje (Erbe
tränten, unb gug(eid) in ber $erue ben Vater mit
einem fo tüchtigen Knittet herbei eilen, baß ihm
fegletcb bie Cuft verging, beffeu Anfunft vottenbö
abjnmarteu. (Er lief bavon, mar fo glücflid) ftd)
bie 3cad)t über in einem Hcufdjober vor bem ihm
brohenben llngemitter verbergen jn fönnen, unb
fd)lt'd) erft am Morgen beim ju feiner Mutter,
alö Der Vater, mie er mohl mußte, (ich fdjott
längft auf bem Selbe bei ber Arbeit befanb. Die
Mutter mar eine gute, vernünftige $rau, metdje
beit höheren Beruf ihre« ©ohne« mohl einfab, unb
gern feinem ©lücf bie $reube, ihn um ftd? ju
haben, aufopfern ntod)te. ©ie hing ihm einen mohl?
gefüllten Kuappfacf über bie ©djultern, gab ihm
(Oe
I oJ
einiges SÄetfegelb auö tbrer Sparfaffe tn bte Xafdje,
baju thron Segen, unb bief? ihn nun nut ©ott ftd)
auf beu Weg madjen, gut unb brau bleiben, unb
jufeben, wie er eS anfangen tonne, um tn ber
Welt fortjufomnten uitb ein orbentltdjer Maler ju
werben, woju er bod) nun einmal etnjig Suft unb
@efd)icf babe.
So wanberte Martin fort, tam gliicfltcb, obne
etngefangen jtt werben, burcb Harleni burd), unb
gelangte uad) Delft, wo er tn ber Werfftatt unb
bem H^nfe etneS MalerS, KantenS Jobann SufaS,
Aufnahme fanb. 93et btefem Metftet blieb et
mebrere Jahre, jeicbnete unb malte febt fleißig
unb mad)te, oon feütent talent unterftiitst, bebeu»
tenbe gortfd)ritte in ber Kunft, btS SdjoreelS weit*
»erbretteter Kuhnt tn thm beu lebhaften Wunfd)
erregte, unter bic 3^hl ber Schüler biefeS grof?en
McifterS aufgenommen ju werben, waS ihm and?
enbltd) gelang, ba Scboreel einige Jahre nach feinet
Kütffeht auf Jtalten fld) tn Harlem jur Annahme
mehrerer Sebrltnge einrichtete. Kmt erft war Martin
fjemSferf att bem fla^e, wohin et gehotte, beun
'136
unter ber Seitttng eine? MetfterS btefer Art unb bei
feinem ausgezeichneten gleiße mußte in Furjer 3e't
baS t'bm angeborne große Talent fleh auf baS Herr*
Kcbfte entfalten. (Er lernte von ©choreel bie Natur
in ailen ihren (Etujelbetten beobachten, unö machte
in Furjem bejfen Art fte aufjufaffen unb barjuftcüen
ftd) fo ganj ju eigen, baß man oft bie Arbeiten beS
MetfterS von betten beS Schülers faunt ju unter?
fdjetbeit vermochte. Daß ©djoreel ben Werth etneS
CebrltngS btefer Art mohl erfannte, ift letd)t ju
eradjten, uttb Betbe lebten einige ^ahre im frettnb*
lidjften Verhäitntffe gegen etnaitber, btS btefeS fid)
ganj unermartet unb plötzlich wteber auflößte, Martin
£emSferf ©cboreelS f)attS unb Werfftätte verließ,
unb ju einem ©clbfdjmteb NamenS ^eter
$opfctt jog, itt beffett Haufe er von nun an für ftch
alietti arbeitete.
(ES ging tu jenen Tagen baS ©erüd)t, meldjeS
fld) auch in ber (Befd)td)te ber Maler jener
erhalten hat, baß ©djoreel bie gewaltigen ^ort«
febrttte feineS SehrltngS mit Uumuth unb Mtßgunft
anfah unb ihn verftteß meii er ftch in fur|ent von
'137
t(?m »erbuufelt ju feben befürchtete5 beitnod) ftimmt
btefeS fo menig mtt Allem, waö wtr von bem Seben
uttb bem Ebarafter btefeö fo auSgegctcbnet guten
uitb ebeln Menfcben wtffett , baß eê unmöglich tft,
bergletdjen »on tbm ju glauben. 2Öabtfd)ciulicb
ftammt bteß @erüd)t von >£)emöfevf felbft her, ber
vtelletd)t wegen etneê tbm unbebeutenb fdjeineuten
Vergebens entlaffen warb unb felbft glauben
modjte, waê er Anbern flagenb erjagte; beun,
alé golge feiner erften Erjtcbung unter ber 31,cht
eineS barten robett Vaterö, jctgte er 3c't feineS
CebettS ftd) auffallenb argwöbnifd) unb furcbtfam.
Unb fo ware benn biefe gaitje ©efcbidjte nur ein
neuer Beweiß baß bte Welt gern bem 33ößen'
©lauben beimißt unb eine wobl erfonnene Klät;
fdjeret ßd) burd) eigne Kraft Jabrbuuberte biuburd)
ju erhalten vermag.
Jm Hanfe bel ©olbfd^mtebê befattb Martin
Hemöferf ftd) eine 3ettlang febr wobl/ befonberS
ba bte vf)auSfrau Jan gopfenë t'bm ganj befonbcrg
gewogen war. <Ste ereiferte ßd) gewaltig, wenn
man bet tbr uacb bent Maler Martin fragte, ber
'138
ihrer fet)r richtigen Meinung nach woht »erbtente,
Metjter Martin ju heißen. Dafür aber matte ihr
auch Meifter Martin an ihre 33ettftette tu einer Hüt--
terftube ©et unb ßuna tu SebeuSgröße, auch 9lbant
unb (Eoa, unb $war, wie man fagt, nach (ebeuben
Möbelten, wa« bamatö ttt bett Ntebetlanben wenig
üblich war. Doch fetjeint er fich eubltcf) auch mit
btefett feinen HauÖgeitoifen entzweit ju haben, benn
er »erließ ihre Wohnung unb jog ju einem anbern
©olbfchmteb tu Hartem, Namen« 3en« ßorneli«.
Martin Hemöferf wohnte mehrere 3ahre tu
Hartem, er matte »tel, unb fetn Nubm »erbreitete
(ich immer weiter mit jedem Tage. 2litd) gingen
wahrhaft bewunbernöwerthe ©ebtlbe unter feinen
fleißigen Hauben beroor, bie bem Herrltdjften ber
alten (Schule »au (St;cf« mit Nedjt jnr (Seite geftettt
werben können j Natur unb Wahrheit leiteten feinen
(pinfet. Dabei btett er feft an ©choreetö Weife,
unb wußte, wie biefer, 3lnmuth, Sehen unb ©etft
feinen Werfen mitjutbeiten. 3»« 3flhr 1532, ba
Martin Hc,"«ferf »ter unb brctßtg 3abre alt war,
entfehtoß er ftch enbltcb, eine Kunftreife nad) Stalten
m
g» unternehmen 5 vorher aber malte er nod) Den
Apoftel Sufaf , mte er tue heilige Jungfrau mit
bem Sbrijtuffinbe abbilbet, unb fdjenfte biefe Xafel
ber Harlemet Malergilbe jum Angeheilten. Dt'efef
93tlb, von beut Karl von Manber unf mit großem
ßobe beifelbeit eine Befdjretbuug mittbeilt, lvurbe
ju beffen 3eit von ber Dbrigfeit ber Stabt alf etit
feltnef Kletnob bod) itt Ehren gehalten 1111b auf
bem Kathhaufe aufbewahrt, mo ef vielleicht noch
ju fitiben tft. Maria, umjtrahlt von Schönheit
unb Anmutb, mit bem lieben freunbltdjeu fttnbe,
baf auf einem über bie Kuiee ber Mutter gebreite*
ten reichen Xepptd) ߣt, mar ganj nach Sdjoreelf
Seife gebadjt unb aufgeführt ; jum Apoftel Öufaf
hatte etit mobigeftalteter 55äcfer auf Harlem gefeffen,
beim Martin Hemfferf mar bamatf burchauf ge*
wohnt, bie Katur überall, mo er ef tonnte, jum
Vorbtlbe ju nehmen. X)ie Palette bef Scbufcpa*
tronf ber Maler mar auf biefer Xafel mit fo tau*
fchenber Wahrheit gemalt, baß fte mtrfltd) hervor*
juftehen folgten, unb überhaupt baf @anje mit mög*
Itchiler Xreue aufgeführt. Hinter bem Apoftel
'140
ftand eine grt'tit betränke Figur, einen ^oeteu »er?
ftellenb, tu welchem HemSferf ftdf; fclbft abgebildet
hatte, unb nicht weit davon war aud) ein (Engel mit
einer Facfel in den Händen atigebradjt 2öabt;
fdf)et»ncf> lag ttt diefett beiden Surren irgend eine
allegortfcbe Bedeutung, die jeijt ferner ju entziffern
tft. (Ein ^apaget tu einem Kerbe hing oben an der
SfBattd, und unten an derfelbett war ein wie mit
2öad)ö angeflehter 3ettel gemalt, auf weldjem die
Harlenter Maler mit red)t gut gemeinten , in
ntederländtfd)er Sprache abgefaßten Neimen Martin
HemöfetfS Namen, ihren Danf für fein ©efdjenf,
und den drei und jwaujigften Mai deö ^abreS 1532
alö den Xag, da dtefeS vollendet ward, der Nach*
weit »erfiinden, Bei allen Vorzügen, die dtefeS
©entälde gewiß befaß, bei aller Schönheit und 2ln?
muth der Köpfe, der Farbenpracht und dem treffe
liefert Faltenwurf der ©ewänder , die Karl von
Mauder uuS befchretbeud anrühmt, diinft mir doch,
als leuchte febou auS der Anordnung deffelben der
Keim der Verirrnngeit hervor, ju weldjeit der Meifter
tu fpätern tbrett ftdj hinreißen ließ. Dtefer (Engel
'141
mit ber gacfel, btefcr gefrönte foet, von bejieu
Ktemanb begreift, maf fie ba motten ober fotten,
mie »crfcbt'eben ftnb fte von bem heben etnfad)en
©etfte, in welchem Johann »an Epcf ben nämlichen
©egenjtanb fo flar uub bennod) fo augtebenb barju*
ftellen mußte!
Ju Korn, mo Martin Hcmeferf nad; »ollen*
beter Keife glücfltd) anlangte, fanb er im Hanfe
etiteS Äarbtnalf, an ben er Empfehlungsbriefe mit*
bradjte, Wohnung unb Unterhalt» Mit glübeufcem
Eifer marf er ftch je£t auf baö (Stubium ber Sin*
tife, entfagte faft aller ©emetnfd)aft mit feinen
Canböleuten, um nur feine 3ei* bei ihren ßuftge*
lagen verlieren ju muffen, unb malte unb geiebuete
ben gangen Xag nach ben Überbletbfeln antifer
Baufunft, ttad) "Statuen unb BaSrelteff unb nach
Michael Slngeloö Werfen, ben er allen anbeut mo*
beuten Küuflleut »orgog. Die Keuheit ber ©egen,*
ftänbe blenbete ihn, er ergriff fte in mtlber eifriger
Haft, ohne ftd) felbjt 3eit gn laffen, ftd) mit ihrem
etgentltdjen Wefen gu befreunben, ober ihren ©eift
in feinem Jnnern aufgufaffen. Die glängeube Ober*
'142
flädje btefer ihm frentb erfcbetnenben Kunfhvelt ge=
nügte ihm, ohne baß e« ihm eintet ihre Ttefc nur
ju ahnen, unb fo verlor er darüber ttad) unb itad)
bte Natur faft gättjltd) au« bem ©eftdjte, bie fo
lange in feiner 2Berfftatt befreunbet ibm gur Seite
geftanbcn batte.
3nbeffen ging tiefe traurige Veränberung mabr*
fd)einltd) hiebt gleid) vor ftd) ·, Martin Hemöferf
mar ju melt auf red)ter Bahn vormärt« gefd)tttten,
um ntd)t and) jum Nücfrvege einige 3elt ju braunem
Seine erjten Arbeiten in Nom, beren tbm mehrere
aufgetragen mürben, ermarben ihm ben allgemein;
fteit 33etfatl bei Künitiern unb Äunftfennern, Aud?
Vafari gebeult rübmttcbft fetner unter bem Namen
von Martin Tebe«co, unb lobt vor Allem bte ©e?
mätbe, bte tiefer grau in grau für ben (Etitjttg
Kart be§ fünften in Dtom matte, bodb »ergißt er
aud) ntd)t babei be« guten grtecbtfdjen Seine« ju
ermahnen, ber bem Metfter unb feinen beutfeben
©ehütfen im ilberftuffe gereicht marb, um fte bei
ber Arbeit ju beg etilem,
Martin -^emöferf mar jebodj meber an«*
-ocr page 146-'143
fcbwetfenb tu feinen Sitten, nod) ein Xrunfenbolb,
fonbern vielmehr mäßig , bebaebtfam unb baufhäU
terifd) mit feinem ©elbe wie mit feiner 3eit unb
mit feiner ©efunbbeit; er fannte fein anberef Oßer*
gitügett alf, wenn er ftd) ju Haufe mübe gemalt
hatte, hinauf tnf greie ju wanbern, unb bie Um?
geger.b, alte Kuinen ober merfwürbtge ©ebäube
ju jetd)tten.
Mit unfägltcbem Erfcbrecfen fanb er etitft, ba
er von einem fold)en ©ange nad) Haufe fant, iit
feinem 3immcr $lvet feiner ©cmälbe auf bem
Q3lenbrahmett gefdjnitten unb mitgenommen j äugft*
lid) öffnete er feinen Kaften, unb audj hier fehlten
fehr viele fetner 3ftcb|1uligen unb anbere Kunft*
fachen. Der Verluft war im ©anjett ju bebeutenb
alö baß er ihn in ber Stille hatte »erfebmerjen mögen;
er begann bem Käuber nacbjuferfdjen , entbeefte
fvldjett in einem t'hm befannten Jtaltäncr, ber ihn
früher juweilen befuebt hatte, unb war fogar
glücklich genug, ben größten Xbctl bef ©eraubten
juritcf ju erhalten. Knn aber begann bem armen
Martin erft oor feinem fftauber ju grauenj alle
'144
Morbgefcbidjten bie er je »ott 9iad)e bürftenben
^taltanern erjähteit gebort, fielen ihm mit einem«
male ein, er glaubte fdjon ben falten Dolch in ber
Bruft ju fühlen und dngftigte ftd) über feine eignen
(iinbtlfcungen bermaßen ab, baß er ftd) enbltd) ent?
fcbloß, lieber Alle« aufzugeben um nur baS ßeben
ju retten. (Er paefte fdjnett ein uitb vergaß vor
allen Dingen nicht, eine jtemltd) bebeutenbe Summe
©elbeö mitjunebmen, bie er, obgleich faum brei
oolle 3abre in 5Kom, ftd) bort ermatt nnb mit bau«?
t)ältertfd)er Sparfantfeit jufammengebatten hatte.
So fd)uetl atö er eö vermod)te eilte er nun über
bie Alpen jurücf nnb hielt ftd) für ftdjer ba er tiefe
im 9iücfen hatte, ohne ju ahnen, baß er im eignen
Q3atertaub einer weit brtngenberen Cebenögefabr
entgegen gehe, als eö bie vielleicht *mr erträumte
tvar, bie ihn fo fd)tteli auS Nom vertrieben hatte.
Gtr mar glüeflid) in ber hoitänbtfcben Stabt
Dorbrecbt angefontnten, unb fehr fveuublid) von
einem ©afhvirtb empfangen morbett, bem er einen
Brief von beffett in Otom tebenben Sohne mit*
brachte. Man hatte ihn fogar burch Bitten unb
145
3urebeit bewogen/ bie Etnlabung feter Jafobé,
etneö warmen Kunftfreunbeê auéjufdjlagctt, unb tin
©aftbofe über ïiaebt ju bietben, alê eine noeb am
Stbenb fld) uuoermutbet btetenbe ©cbiffêgetegen»
beit ibn bewog, gletcb ttad) Hartem aufjubrecben,
obne, wte er erft Wtllettê gewefeit, bei bem freunb*
Itdjett ÏBtrtb bté jutn folgenben Xage ju verwetten,
Dtefer 3uf<*tt rettete t'bnt, obne baß er eê wußte,
baê Seben, beun baf Hauê, tn weldjem et bleibe»
woltte, warb wettige Monate frater von ber Dbrtg*
fett für eine Morbberberge erfannt, berett Beßrer
fdjott Jabre tang etttfebrenbe Dietfenbe, wetdje @etb
bet flcb führten , umgebrad)t ttttb tnt Ketter oer*
graben batten. Matt fattb bort eine große ©rttbe
»ott Überrefte btefer Ungliuflt'djen, berett 3«bl
Hemêfetf gewiß ju oermebren befttmmt war, beutt
bent ©obne btefer Verbreker fonnte baê fürd)ter*
ltdje ©ewerbe feiner Gittern ntebt unbefannt fet)n,
ba etne feiner Sdjwejtern febmt fritber mit einem
jungen Mater nad) Venebtg geflüchtet mar, weil
fle weber bte @räuel tm väterlichen Haufe länger
anjufcbeu, noch tl>re Eltern anjuflageu vetmodjte,
ii. ?üt>, 10
'146
HemSferf war bei bem (Einpacken fetner tn 9font
erworbnen Schätze wahrscheinlich nicht »orfld)ttg
gegen eilten CanbSmann gewefen itnb batte btefen
baburd) bewogen, ihn mit jenem UrtaSbrtefe feinen
(Eltern alö eine gute Beute gujufeubett.
Mit ber Ankunft iit Hadem, feinem 2Öobn*
Drte »on nun an, beginnt tn Martin HemefctfS
Sehen ein netter Abfdjnitt, weldjer juförberft eine
Bcfd)retbung ber tn ber Botffereefcben Sammlung
aufbewahrten ©emälbe auS fetner beften 3eit notb?
roenbtg mad)t, um auf btefe ißetfe footel als mög*
lieb bem Sefer einen Begriff »ott bem jtt geben waS
er mar. Dann wollen mir ju beut übergeben, waS
er nad) fetner Ni'uffebr auS galten mürbe. DaS
erfte btefer ©emälfce ftellt unS Kaifer Karl ben fünf;
ten ttt nod) jugenbltd)em 2llter bar; er ftebt als
^elbberr, ben Kommanboftab itt ber Hanb , t'n
»oller Lüftung, über welche ein rother Mantel tu
freien fd)önctt galten geworfen ift; ber eble febr
auSbruckSoolle Kopf jeigt ftd? im fproftl, (ES tft
ein fo tebenbigeS Btlb, ba§ man gar nicht mübe
wirb , eS anjufebauett ·, ntd)tS fattn wärmer unb
'147
naturgemäßer gemalt fei)n a(3 tiefer Kopf, ntd)t8
ctler u:it magrer alö tiefe Stellung tcr fraftoollen
Helbengeftalt teö oollenbeten Mannes, in blühen«
tcr grt'fcbe ter Jugenb,
Jn einer von allen Seiten offnen Halle, melcber
ter beitre blaue Himmel jurn Hil,tcrgrunbe tient,
ftebtauf einem antern @ ein eilte ttc Kaiferin Helena,
tie beilig gefprodjne Mutter Konjtanttnö; taS
mahre Kreuj teö Heilantef, teiTeit SÖteterftn?
ten tie Ccgcnte jum Xbeil ten Bemühungen tiefer
frommen gitrfltn jufdjretbt , lehnt ihr im Arme.
Sie ift faft nonnenartig gefleitet uut tu einen
burd)ftd)ttg * feinen mctßen, in fdjönen galten fte
umfebmebenten Sd)letcr gehüllt, über meld)cm fte
tie goltne Kaiferfrone auf tem Raupte tragt, Dtcd)t
munterbar mußte ter Maler tie Äatfertn uttS tie
Heilige tu ter Darstellung tiefer hoben, ernften,
etmaö ältlichen grau 51t oereinen; auf ten bitten*
ten Augen , auf ter gangen Hürnig ter etlen
(Beftalt, fprtd)t fo otcl gcitigfcit, fo rncl ftdieref
Bemußtfeon, fo viel Strenge gegen eigne Scbma*
eben, baß man unmtllführltd) bei ihrem Anblick
'148
»ctt (Ehrfurcht ergriffen wirb unb gletcbfam ihren
Jfticbterfprucb erwartet.
3hr gegenüber fleht in wahrhaft fürstlicher
Haltung unb ©eftalt ber ebenfalls heilig gefprocfjne
Katfer Heinrich ber jweite. Die 3üge beS etwas
fcttwärtS gewenbeten KopfeS baben Ähnlichkeit mit
Karl bem fünften/ ber AuSbrucf berfelben tfl ebel
unb ftolj, fübn unb mtlb zugleich, Bart unb Haare
befonberS fdjön gemalt. (Er trägt einen reichen
Wappenrocf über ber glänjenben Lüftung, unb bält
olS Stifter beS BiStbumS Bamberg baS Möbelt
beS DomeS biefer Stabt tu ber regten Haub. 3U
ben Füßen tiefer beiben Heiligen fuieet in fdjwarger
fefttidjer Kletbuitg, in ganj fleiner Miniatur bärge*
fteöt/ ber Donator beS BtlbeS mit feinen Söhnen,
lauter äd)t beutfebe , fromme, ruhige @efld)ter.
DaS ©egenftücf ju btefem Btlbe jeigt unS itt einer
ber vorigen ganj ähnltdjen offnen Halle bie eble
©eftalt beS (Eoangeltften 3<>banneS , in einem
hellfarbigen, in febönem Faltenwürfe ihn umgeben?
bett (Sewanbe j tn ber fechten hält er, faft als
wolle er ihn fortfdjleuberu, ben fdjäumeuben
'427
Kelch, weisen, »te bte Segenbe erjaljlt, fetc
bet einem ©aflmaht vergiftet ttjm retdjteu, tutb auf
welchem, bteß Verbrechen bezeichnend, etti Meiner
Drache jtfchenb emporfleigt; bie anbere £anb ift
wie jum (Segnen erhoben. Stuf beut wunberfebö*
uen, von rötbltcb golbnen Socfen umgebenen jugenb*
ltdjen ©efiebte fpridjt flammenb ber ebelfte 3DVi1
über bie Untbat, ber jugteid) tn Mttteib übergeht,
baf ihn »erhtnbert, bte Verbrecher ju vernichten.
3hnt jur (Sette fleht, fürftltd) gefchmücft, bte
hetltge Katharina , bte fdjöne Braut (Sbrtflt, unb
blieft tbeilnebmenb auf ihren erzürnten greunb.
iSie halt iti einer ungemein anmutbigen (Stettung
ber Strme unb Hänbe ein Bud), unb ju ihren
güßeu fnteet, ebenfatlf tn Miniatur bargeflettt,
bie (Sattin bef (Stiftcrf ötefer Btlber mit ihren
Xöcbtern. Sitte btefe heiligen ©eflalten, in ihrer
eblen Einfachheit , gewähren burch bie über bem
©anjen fd)webenbe Heiterfett einen l)öd)fl erfreu«
liehen Etnbrucf. Jener (Strahl tnnern Sebenf, ber
bte ©ebtlbe ber böchflen Metfler btefer (Schule ver»
herrlicht, umleuchtet aurf) fle. Stuf Slltem, auf
'150
ber 2Baht bet ©tettungen, bent tebenSootlcn Kolorit,
ter 3etd)ttung, ter ©cbönhett ter Drapperten, unb
ter »oltenbeten Ausführung, geht taö hohe Talent
beê Metfterê. beroer, bte Natur nut jartem etlen
©tun aufjufaffeit, mit gewtffenbafter Treue tarju?
fielten, unt nirgeub erbltcfen wir eine ©pur oon
SDtrtiuer unt erfünftcltem ÏBefen.
Auf tem nun fotgenben Attarblatt, ju welchem
jmet ©eitcntafeln gehören, fleltt taö £>auptge*
malte eine Kreuzigung bar; ter oielletd)t ntd)t ganj
tett genug erfcbctttenbe (ShrtftuS hängt, umgeben
oen ben ©einen, am ©tamme beê Kreujeê, beffen
oberer Theil im Nahmen bed Btlbeö oerfebwinbet,
SOïaria tfl tn lautlosen jammer »erfunfen, 3ofepb
»on Arimathta mit noch einem $reunbe flehen etwa«
juri'uf, nod) meiterhtn eine Dienerin, in welcher
ber 10? et ft er mit bewunbernSwürbtgem Auöbrucfe
bte S3erfd)tebenheit ber (Sntpftnbung einer $remben,
unt bes jerreißenben ©d)merjeS ber Angehörigen
beö ©ntfeelten barfletlte. 30 o btefe, überwältigt
»Ott Jammer unb 3Behmutl), fa ft oergehen, empfut;
bet jene nur äugittid)e ©d)cu unt battgeö ©djref;
'151
fett, Seitmärtß lehnt an einem Hügel Stufen
btc heilige Magbalena, baß feine Hebe @efid)td)en
ift bleich / uub attß allen 3"3C» beffelben fprtdjt
völlige (£rfd)öpfung aller Kräfte ; fte faitit nicht
mehr meinen, unb bie miibe gernngnen Hänbe unb
Slrme ftnfen in febr anmutiger natürlicher Stellung
Freujmetfe über etnanber bin. 3br ©emanb tfl von
rotl) unb blau fchtllernber Seibe, mie Kapbael unb
überhaupt bie ttaliänifcben Meifter eß fo oft malten.
9luf ber erften ber beiben Seitentafeln fleht
ber beilige Stephan, mit gefebornem HauPte, im
reichen priefterlid)en ©emanbe von ©olbftoff. Sein
ruhig ernfteß @eßd)t trägt bie Spur früheren
Kampfeß, man fleht eß ihm an, baß eß nicht immer
fo fltll unb ruhtg mar, unb baß ber Heilige in feinem
Snnern manchen Sturm beftegen mußte , ehe er
bahin gelangte, mo er jetpt fleht. 3luf ber
jmeiten Xafel ift ber heilige Maurtttuß in glättjenber
Lüftung mit barüber gemorfnem rothett Wappen*
rorf, muthtg uub fromm, in fühner vorfebreitenber
Stellung abgebtlbet, unb auch biefer Kopf trägt
bie 3üge Kaifer Karlß beß fünften.
'152
©o matte Martin -^emöferf atS er im 3a br
1532 uad) Nom jog, unb auch wol)l nod) tn ber
erften 3ett fetneS bortigen Aufenthalts, ehe er gang
von ber Natur unb ben ßebrett feineS MetjterS
©d)oreet fid) abwanbte*
(Er warb tn Hartem bei feiner Hetmfebr von
Äünftlern unb Kunftfreunben fehr ehrenvoll empfan*
gen, aud) übertrugen ihm feine Mitbürger bie
©teile eineS Kirchen* NatbS, welcher er gwet unb
jwangtg 3al)re taug btS au feinen Xob vorftanb.
(Er verheiratete ftd) mit Maria (EonittgbS, einem
ber fchönfteit unb liebenSwiirbigften Mäbchen ber
©tabt/Unb feierte feine ^odjjeit mit großem ©lang;
fogar bie bamalS fehr feltne QSorftettung eitteS
©d)anfpt'etS, wetdjeS bie Nhetortfer ber borttgen
hohen ©d)iite ihm gu (ihren aufführten, verherr?
lichte baS $eft. Setber aber war fein bäuSltcbeS
©lücf nur von furger Dauer, beun feine junge
fdhone Frau ftarb uad) anbertbatb fahren im erften
Wodjenbette, aud) baS Kt'nb überlebte bie Mutter
nicht.
3u Hü'ftd)t auf feine Kunft trat HemSferf jefct
-ocr page 156-'153
mit einer Selbftgufricbenbeit auf, in ber bie vielen
unberufnen, rem Ketj ber Kenheit geblenbete«
93ewunberer, welche er let'ber überaß antraf, ihn
nur ju febr beftärften, mäbrenb ächte Kunftver?
ftänbtge mit Bebauern bemerften, wie fehr feine
neueren Werfe gegen feine früheren jurüefftanben.
Eine unbegretfltd)e, mabrfcbeinltcb auf Eitelfeit, auö
bem Wunfdje ftd) auöju$etd)i*en, entftanbne Ber*
febrtbeft beS (SeifteS bewog ibn, fid) balb gäujlid),
niebt nur von Sdjoreelß ßebre unb 53etfptel, fonbent
and) »du bei· Katur abjuwenben, unb eine burdjauf
frembartige Manier anzunehmen. Er fud)te von
nun att feiner früheren alten beutfeben Sdjule,
weldje einzig bie Katnr atö Vorbilb anerfannte, in
Affem entgegen ju arbeiten, ohne ftd? beßhalb bod?
beit, mehr bem Jbeeßeu höherer Schönheit nach-
ftrebeuben italiänifcben Metjtern, weldje t'hm vor*
fchwebten, nähern ju fönnen. Seine in ben ver--
fehlleiten übertriebenften Steßungen ben antiefen
Statuen nicht nadjgebitbeten, fonbern uachfoipirten
(Sejtalten verloren mit ber Wahrheit aßen Eharafter,
aßen (Seift, aßef Ceben; trüber Schein mußte bie
'154
Wtrftidjfeit erfeijen, unt> fogctr bt'e tl)tn fonft eigne
$rad)t feiner Farben ging in fciefer feiner Verwcr*
renljeit mt't jit ©runde.
De« ÄontrafteS wegen bewahren bte Herren
Belferte etn ©emälbe , meldte« vf)emöfcrf ttad)
biefer traurigen Umwandlung matte; Ntemaub, ber
eö erb tieft, wirb »on felbft auf ben ©ebanfeu fönt;
inen, baß btcfelbe Ha»b, derfelbe ©eift, weldje
jenen eben befebrtebneu Meiftcrwerfen baS Dafepn
gaben, aueb btefeS, t'bnen tn Aitern fo entgegenge?
feipte 3errbttb entfteben ließen. (Eö ift ft> flacb wie
ein ittuminirter Kupferfticb , uub (teilt einen Heiligen
ober Apoftel, ber etn befeßueö M<ibd)cu betlt, auf
eine Weife bar, baß mau betttabe glauben fönnte,
bte Kraute babe fewobt t'brem Arjte alö allen Um?
ftebeuben tl)r Übet mitgeteilt. Daß ©anje i(t
dtjne alten (Sbarafter, uub bte Anorbnuug beffetben
burd) bte gefpreijten übertriebnen Stellungen ber
Figuren burdbauö un»erftänbltcb. ltnerad)tet btefeö
feineö auffaffenbett Übergang« vom 2ßortrefflid)en
jutn TabelttSwertbcn, vom ßebett 511m bürftigen
wefeutofeu ©djetu, gewann HewiSferf tägtid; nidjt
'155
nur Bewunberer, fonbern aud) Kad)abmer tu Menge,,
ja man barf wol)t behaupten, baß »cn tt?m ber 3(n=
fang bef balb barauf mit fd) nettem Schritte herein*
bred)cnben Untergangs aller ächten beutfd)en Slunft
juerft aufging. Denn bte attgebcnben Stünftler be*
gannen von nun an nad) feinem Betfptele, nur fcem
äußeren Sdjetne, ben effeftmad)enbeu Künfleleten
uad)jufireben, ohne ftd) um bte wahre ©eftalt unb
baf eigentliche 2öefen ber ©egenftänbe, weld)e fte
barftetten wollten, weiter ju bemühen.
Vergebens oerfud)ten ef oott jeher bte Beffer*
wtifenben, ftd) ber, »diu bethörenben Keige ber
Keuheit beraufd)ten Menge ju wtberfel^en, ober
ben allgemeinen Beifall ju bekämpfen, welcher baö
Sd)led)tere btf in ben Himmel erhebt, fobaib ee
nur neu unb auffallenb erfd)eint, unb barttber bao
längft für gut unb red)t Anerkannte gebaufenlof tu
ben «Staub tritt. Die, welche .von fötaler Ber*
blenbung ferne bleiben, werben nad) unb nad) ef
wentgflenf mübe, ungehört unb uuijleS für Wahr^·
heit gu fämpfen, fte fdjwetgen, btf julel^t αιιφ fte
bte gewaltige Madjt ber ©ewohuheit beftegt, unb
fo geht nad) unb nad) mit bcm ©uten uub Schönen
fogar aud) bte (Erinnerung et« heften etnfttgen 33eft§
verloren, btä etn glücflicber 3ufflH c« wieber att«
£id)t bringt, unb ihm $um jwettenmal ben bejau*
berttbeit Neig ber Neuheit verleiht.
HemSferf malte auf btefe feine neue Wctfe
unenbltcb »tele«; ©elb, (ihre uub Sd)iiler ftröm*
tett vott aUen Seiten ihm ju , unb machten t'hu
taub gegen jebeu Tabel von Außen, vielleicht aud)
gegen bt'e Stimme, bte ftd) bcrf> wobt jumetlen tn
• feinem Innern gegen feilt jefjigeö Treiben erheben
mochte. (Einer feiner Schüler wagte etnjt bte Außer*
uug, baß einige Kunftfenuer HetnSfcrfS frühere,
nach Schoreelö Weife gemalte Bilber feinen in ber
neuen Mauter weit vorjögen. &ent3ferf erwteberte
ganj gelaffett; „Mein Sohn! alö td) jene 93tlber
matte, wußte td) gar ntd)t waö t'd) tbat." Wohl
hatte er hierin 9ted)t, mehr als er felbft e3 bantalS
glauben mochte , bettn gerabe in btefer Uttbefaitf
genhett, btefer burd)att« mit fetnett Nebenabftd)ten
verhuttbuett treuherzigen (Einfalt , mit welcher bte
alten Mater fleh ben (Eingebungen tbreö ©em'uS
'157
überließen, unb, bei mögitcf>fler Xreue im Dar--
fteflen ber äöirflicbfett, eß nie unternahmen, bte
Katur nod) übertreffen ju mollett, liegt ja baß ®e*
beimnifj ibrer , mit tiefer metteiferuben ©röße.
Ktcbtß aber ftebt achter Kunft mebr entgegen alß
Künftelet, 5lbßcbtltd)fett unb oberfläcbltcbeß Haften
nacb glanjenbem Sffeft.
£>emßferf begnügte flcb ntd)t, nur tit feinen ©e*
malben biefe Abirrung von ber rechten Bahn immer
metter ju verbreiten j er jeichnete and) viel, unb
ba er fetbft meber ttt £ol$ fchnitt, nod) in Kupfer
ftach, fD mürben viele bunbert Blätter nach feinen
3eid)nuugen von attbern Metftern, befonberß von
einem, Kamenß (Soornharbt, rabt'rt, in £ol$ ge*
fd)uitten , unb geä£t. £>tefe ftub jum Xbetl biß
auf unfere 3eiten gefommen, unb ganj im@efd>macf
feiner fpätem ©emälbe; etnjelne ßidjtpunfte, melche
in biefe« wie in jenen bezeugen maß ber Meifter
vormalß mar, betrüben ftatt ju erfreuen, benn fie
erfchetnen mte ltd)te Momente etneß tu trübem
Sabnfutn uutergeganguen, etnft hoben, eblen unb
reichen ©eifteß.
Veit afien ©eiteu ftromten HemSferfen Befiel
luttgeit bebeutenber Arbeiten für Ät'rcben, ^aÖdfte
unb ©amnilungen von Kunftfreunbett guj große
©ummen, gum Tbeil aud) lebenStäugttcbe 2etbren*
ten rociren fein Sobn. (Er brachte gang itngemöbn;
Hebe Kunftftücfe unb Verzierungen auf tiefen feinen
Arbeiten an; fo malte er gutn Betfptel ben poltrten
Marmorboben einer Verfünbtgung für bett Altar
einer fttrebe in Hartem fo auö, baß ber barauf
ftebenbe (Enget ©abriet ftd) t'n bt'efem abfpt'egelte,
atS fti'tnbe er auf ftarem (Etfe. (Ein retd)er Kunft*
frcuuD, 3afob Naumaart, jog fogar gu t'bm tttS
Hau«, unb ließ ftd) unter bt'e große 3at)t feiner
©d)i'tler aufnehmen. Diefer nämtidje $reunb jät)tte
tl)tn für eine Darftettung beS jiingften ©ertcfytö
bettXtfd) fo tauge oott gotbener Doppelbufateu, biß
HemSferf felbft auörtef, e£ fep nun genug, maS
gerniß fel)r fpät gefebat), bettn ber Met'iler mar
nid)tö meniger al« unetgeunü^ig ober freigebig.
©eine große ßtebe gunt ©etbe oerleitete t'bn
fogar ment'ge 3abre ttad) bem Xobe feiner erften
jungen fd)ötten grau ein alte« febr bäßltcbeö,
'159
habet getftlofeß unb gatij ungebtlbeteß 50?abci>en ju
beiratben, baß ihm aber ein bebeutenbeß Vermögen
jubracbte. £>tefe gnoettc ©atttn verbitterte ihm
ittcbt nur tm Haufe baß Sebett, fcnbern braute ihn
unb ftcb and) außer bemfelben burd? ihr Betragen
oft tu fd)tmpfltd)e Verlegenheit , tnbent fte bei
Kaufleuten theilß SfÖaaren aufnahm, bie fte ntdit
bejablte, tbetlß mandjeß heimlich mit gehen hieß,
fo baß fte juleljt burd) bie Entbecfung btefer 55e*
trügereten in beu Augen ihrer Mitbürger für völlig
ebrleß galt.
So war beim Hemßferf nach unb nach ju einem
fehr großen Vermögen gelangt, aber er »erftaub
nicht bte Kunit, fiel) feineß Sietchthumß auf mürbtge
SGßetfe ju erfreuen, vielmehr lebte er immerfort
mit ängftltd)cr Sparfamfett, fühlte babet ftetß eine
hetmltdje Angft , einft tm Alter Dcoth leiben ju
müffen, gitterte immer vor plö§licben Unglücfßfälleu,
bt'e über ihn hereinbrechen leimten, unb trug beß*
halb ftetß eine bebeuteube Angabt ©olbftücfe mit
ftcb herum, bte er etgenhänbig in feine Kleiber ein*
genäht hatte. Überhaupt mar er unglaubltd) furdjt*
160
fant, ängftttd) unb fletnmütbig, fo baß er/ wenn
bte Sd)ü($eugefelifd)aft mtt®cpränge ju tljrem $efte
.burd) bte -Straßen von Hartem geg , ftdf> auf bte
Spitze beé tjödjften XburmÖ flüd)tetc , um ntd)t
fcurd) ein jufätttg loögebenbeö ©ewebr erfdjoffen 311
werben, itub fetbft bort glaubte er ftd) nod) itid)t
ganj ftdjer ttitb außer bem Sdjuffe,.
Bet btefer fetner großen Mutbtofigfeit war er
natürlicher Wetfe aud) einer ber erften, welche im
Satyr 1572/ ba bte Spanier Hartem belagerten/
attö ber bebrobten Stabt flüd)tetcu. (ir jog uad)
Slmfterbam ju fetttem Sdjüler unb $reuttbe 3afol>
Nauwaart, unb fctyrte erft nad) oötltg bergefteiiter
9iul)e tu feine H^at jttrücf. ^nbeffeu hatten
bte Spanier beim Übergange ber Stabt eine große
Singabi fetner ©cntälbe unter beut 33orwanbC/ fte
Fattfett 51t wotlen/ mit ftd) ttad) Spanten genont*
mett ; viete gingen fpaterbtn burd) bte Bitbet*
ftitrmer ju ©ruttbC/ unb fetbft fcbott gu Kart von
MattberS 3ettett mar nur wenig von ihm nod) tu
Hartem uttb ber Umgegenb gu ftttben.
Martin Hetiöferr war nun vier unb ftebeugig
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Jahre alt, fettte grau tobt, er FtitberloS unb frei,
baber backte er jetpt mit Kedjt ernftltd) baratt, feilt
■£)auS ju beftellen.
Mit jener Art fradjtliebe, bie man fo oft
bei fonft getjigen Katurett antrifft, lief? er vor allen
Dingen auf bem Kirchhofe beS Dorfes HemSferf
feinem 33ater, bem alten Bauer, ber ihn mit bem
Knittel ber Kunft jngetrieben hatte, ein prächtiges
Monument feigen, unb befttmmte in feinem XejTa*
mente bte3infen etneS ttid)t unbebeutenben Kapitals
ju beffen Erhaltung auf emt'ge 3eitetT* Bruft*
bilb beS alten JaFob Willems »an Veen mar barauf
att einer ftetnernen fpramtbe im Mebatllon ange*
brad)t j aud) fehlte eS ntd)t an Xobtenfopfeit, meinen*
beit ©enten mit umgekehrten garfein, beutfcben
unb latetitifcben Jitfdjriften , unb einem großen
fd)önen Wappen mit Ablern, Stirnen, unb auf bie
Kunft Bejug habettbeit ©tmibtlbern. Die 3infen
etneS anbern Kapitals befttmmte f)emSferf jttr AuS*
ftattung einiger jungen It'ebenben faare, bt'e noch
gu Karl oott ManberS 3e,ieit/ f° rote jencr e5 111
feinem Xeftameute »erorbnet hotte, auf beffen
Ii. <üi>. i 1
162
©rabe alljährlich getraut würben. £em8ferf orbnete
fonft noch manche fromme wohltätige (Stiftung für
künftige 3c*ten an, fd)teb enblicb am erften Df*
tober beS 3ahre3 J 574 als ein fedjö uub ftebenjtg?
jähriger ©rei« au« biefem Seben, unb marb oon
feinen Mitbürgern in ber Kapelle an ber SJiorbfette
ber großen Kirche ju £?arlem ehrenvoll unb feier-
lich begraben.
'163
Aud) btefer im $abre 1510 ju Utrcdfit ge*
borne Metfter wtbmete ftdf> unter ©d)oreelö Leitung
ber Malerei unb mußte burd) gleiß, Xaieut unb
guteö Betragen ftd) bte 3»frtebenbeit fetueö großen
ßebrerS tu fttrger 3eit ju erwerben. Daö Betfptel
©cboreele, wekbeit Anton Moro etnjtg burd) feine
Kunft ju Ebre unb Vermögen gelangt fab, feuerte
ben ebrgeijtgen unb lebenSlujttgen Jüngling an, ihm
mit Kraft unb Aufbauet nad)guftreben; er bteit ftd)
genau an ßebre unb Betfptel fetneS Metfterf, blieb
wie btefer, ber Katnr uttb ber SBabrbeit getreu,
ebne ftd) burd) bie Blenbwerfe neuerer Srftubuug
irren ju laffen, uttb retßte gulegt ttad) bamaligem
©ebraud) auf einige Jabre nad) Stalten, von wo
er alf votienbeter Meifter wteberfebrte unb ßd)
befonberf burd) feine fortrate allgemeine Bewuu*
berung erwarb.
Dtefe wußte er mit kräftigem markigen finfel
unb febr vollenbeter Ausführung nt'd)t nur fprecbenb
äbnlt'd), fonbern aud) mit einer gang eignen Anmutb
11 *
-ocr page 167-'164
glefdjfam wie lebenb barzttfteÖeu, fo baß bei* Kar«
btnal (Sranoella ihn vor allen Attbern bent Katfer
Karl bem fünfte« empfahl, al« btefer einen qefdfjtcf^
ten Maler megen be« ^ortrat« ber erften Q3raut
feine« ©ohne« ^ijtlipp, ber ^rtngcfftn Marie von
«portugall, nad) Ctflabon fenben mollte.
Anton Moro fam glückltd) in Ctßabott an, warb
ebrenooll empfangen, berrltd) bemtrtbet, unb malte
nicht nur bte ^prtnjejftu, foubertt aud) tbre Altern
jur allgemeinen 3ufrtebenbeit, Außer fecb«bunbert
Dukaten , meldte Katfer Karl bem Maler für btefe
bret Porträte gab, marb er nod) »otn König von
<Portttgali mit toftbareu ©efd)enfett überhäuft, unb
baö portugiefifdjc 93olt ließ bem glücklichen Maler
itod) obenbrem eine fd)were golbne (Ebrenkette,
taufenb ©ttlben an 233ertb, überreichen. Nädjßl·
bem malte er noch »tele Vornehme be« ßtifaboner
Hofe«, erhielt für jebe« S3tlb hunbert Dukaten,
für manche« nod) obenbreüt reidje ©efchenke an
golbnen Ketten unb anberen Kletuobten, unb kam
auf btefe 3Betfe, überhäuft mit (Ehrenbezeigungen
unb belaben mit Netchthümertt, bei feinem Katfer
'165
an, tu beffen ©teuften er von mtn an verweilte. Er
malte aud) baê forträt flnltppê beê gwetten, alö
btefer fünf unb jwattgtg Jahre alt mar, unb mürbe
bann uad) Englaub gefenbet, um baä forträt ber
Königin Marie, fbtltppê jmetten Braut, ju fer*
tigeu. IDaê Btlbniß btefer Königin, etneè feiner
gelungenfteu, mürbe febr freigebig belohnt. Er
erhielt bafür, auger einer fd)meren gotbnen Kette
unb einhuubert ffunb Sterling, itod) gtne jährliche
ifteute von ebenfalls etnhunbert ffunb, unb über*
bent nod) bebeutenbe @efd)enfe von mehreren fürft»
lidjen unb vornehmen ferfonen, benen er Kopten
von btefern Btlbe überretd)te.
Jn feinem Baterlanbe, mohtn er von Eng*
lanb jurüeffehrte , blieb Anton Moro, naebbem
Karl ber fünfte bent Xbrott entfagt hatte, int £)tenfie
von bejfen Sohn, fbiltpp bent jmetten, unb ging
uad) bent mit granfretd) im Jahr 1559 abgefcbloß*
neu grtebeu, mit biefem feinem Herrn nad) Mabtib,
wd er eine 3ettlang att beffen Hofe vermeilte.
Anton Moro mar nid)t nur etn vorjüglid)er
Maler, fonbern auch geiftreid), gebilbrt, ange*
'166
nehm im Umgänge, ftatttid) unb gefällig in feinem
Stußern, uttb hatte baS ©lücf, fleh burd) btefe (Ei*
geufcbaften bei bem Könige in gang befenbeve ©unft
jtt fetjen. Dtefer fürchterliche DeSpot, bei beffen
bloßem Namen fonft StlieS gitterte, würbigte beu
Maler einer i8ertraultd)fett im Umgänge, btc
Stilen, befottberS aber ber SttteS beacbtenben 3ni
quifttton auffalten mußte, (Er fetbft fühlte ftd) burdb
beö König«»Benehmen oft ju einer (©orgloftgfett
uttb iöergeffenhett htngertjfen, bte auf bem Bebe»,
auf welchem er ftanb, ihm böcbft gefährlich werben
fonnte, bemt oft bachte er gar nicht baran, baß er
bem unumfchränften -f)errfcijer über Sehen unb Tob
gegeuüberftänbe.
(Etnft , als Anton Moro im Betfepit beS
KötttgS malte, flopfte ihm tiefer im freunblicben
©efpräd) ein paarmal auf bie Sid)fet, unb ber utt*
gtücffelige Maler fühlte fidj enbltch gu einem folgen
©rab eon Sßergeffenbeit btngegogett, baß er biefe
53ertraulid)feit erwteberte, unb gwar mit bem
Materftocf, bett er eben tu ber £>anb hielt. 2Bun?
berbar genug fchteu ber König btefe« unoor*
'167
ßchttge Benehmen feüteß Siebltngö gar nicht ju be*
merfen. Vermutlich betradjtete er ihn wte etn
rooblgetittncd £außthter, bem man fetner gefälligen
Künfte wegen wohl einmal eine fletne Unart über»
fleht, aber ber taufenbäugtgen Jnqutßtton war eß
nicht entgangen, Diefe traf fchon bte ernfttid)(ten
Anftalten, fleh beß grevlerß an beß Köntgß gehet«
Itgter ferfoit ju bemäd)ttgen, nnb ber arme Anton
Moro wäre felbft feinem hohen 93efd)ü£er unrettbar
verloren gewefett, hätte ntdjt ein ©roßer beߣ)ofeß,
ber thm wtrflid) wohl wollte , bte ©efahr, in
metdjer er fdjwebte , nod) bet 3e^en entbeeft.
Unter trgenb einem paffenben Vorwaitbe wußte
biefer braoe Mann vom Könige einen Urlaub für
beu Maler ju erhalten, ben btefer mit bem 03er*
fprechen, balb wteber jit fehren, fdjnetl benutzte,
ein Sd)iff beftteg uttb feinem Vaterlanbe jufegelte,
che bt'e Jnqutßtton 3eti: hatte, ihn mit ber fchon
außgeftreeften Kuv.de ju fajfen.
3Dtefeß muß um baß Jahr 1560 gewefeit feint,
uub Anton Moroß Aufenthalt in Spanten folglich
faunt ein Jahr gewährt hauen, benn er fuchte nach
feinet Hetmfunft feinen alten ftreunb unb ßehrer
©djoreel mteber auf, helfen febr ähnliche« Btlbntß,
obgleich er ibn fel;r letfcenb faub, er nod> jmet 3abre
vor beffen int 3abr 1562 erfolgten Tobe mit auêge*
Zeichnete: (Sorgfalt unb ßtebe malte.
Anton 50?oro baebte tu Utrecht, mo er fleh
niederließ, fel;v oft mit (Sebnfucbt feineö »erlernen
glanjenbett Cebenê, bté eine Botfd)aft beè Herzog«
Alba, ber ihn ju fid? nach Brüffel berief, tbit btefer
unfreiwilligen (Etngejogenbett mteber entriß. (Er
mar fo entzückt über btefen Diuf, baß er alle« fein
Hauêgeratb »erfdjentte, an« feinen (Staffeleien ein
$reubenfeucr ntadjte , unb bann , fo fchnetl er
tonnte, feinem hoben ©önner entgegen jog.
(Er muß eine ganj eigne ©abe befeffett haben,
bte milbeften blutbürftigften ©emütber ju jähnten
unb ju gewinnen, beun mie König Philipp/ fo mar
aud) beffen nicht minber furd)tbarer Alba bem Anton
ÜÜ?oro jugethan. (Er überhäufte ,·« mit 93ewetfett
feiner H»lb, madjte ihm ittdjt nur bebeuteube ©e?
febeute, fonbern übertrug thnt auch ettte ©teile bet
bem (Steuermefen tu SBeftflaubern, bei ber eS viel
'169
ctnjunebmen, unb menig ju tl)un gab, fo baß ber
Maler mie ein fleiner gürft leben fomite, unb
immer mit einem ftattlidjen (befolge unb vielen
febeuett fferben in Brüfifcl etnberjog. Sind) feine
Kt'nbcr, beren er viele hatte, mürben alle burd)
Kauontfate, fräbenbeu unb auf aubere Weife febr
reich tid) unb anftänbtg verforgt.
Dafür matte Anton Moro AlleS maß fein 23e-
fd)ü§er von t'bm verlangte, befonberé alte fd)öne
Damen, meldte ^Jergpg Alba nacb feiner Art liebte
unb beren nicht menige maren. Oft ließ König
fbtltpp feinen Mater jitr JKücffebr nach Mabrib
ermahnen ; bod) ber Jnquifttion burfte Ktemanb,
ber ihr einmal gtürflid) entgangen mar, jum gmeiten*
mal ungeftraft nahen. Dteß bebaebte Anton Moro,
unb mar fo glücflid) mit Hülfe beö Herjogö Alba,
ber ihn auch nicht verlieren mochte, ben Anforberun*
gen be§ KönigS immer burd) gefdjicfte Wenbungen
auèjumetdhen.
@o lebte Anton Moro in greube unb Hcrrtid)*
feit ein gettußretd)eö aber nid)t tangeö Ceben; er
ftarb fchon im fed)ö unb funfjigften Jahre feine!
170
Atter« im 3abr 1575 ju Antwerpen , wohin er
berufen mar, um ettte 33efd)ueibung für bte dortige
$rauenftrd)e gu malen. Denn er mar aucb tu ge?
fd)td)tlid)eu Darftellungen ein großer geachteter
Meifter unb batte bereit »tele für feinen König
unb aucb fonft gemalt, unter andern eine meiner?
hafte Kopte ber Danae »oit Ttjtan, wetdje nach
SJiabrtb fam.
Da« ©emälbe in Antwerpen blieb nad) dem
Tobe be« SDieiftcr« unoottenbet. Überhaupt fhtb
feine (Semätbe jetjt fo fetten, baß man ergäbt,
ein Kaufmann in ^ariö babe et'tte große Summe
(Selb bamtt erworben, inbem er et« 23tlb »on ihm
auf bent ^abrmarfte »on Saint (Sermain öffentlich
jetgte, meldjeö ben £>eilanb jwtfd?en ben Apofteln
Detruö unb ^aulti« barftettte.
'171
3of)<mn (5cf)war$, attcf) ©marte ^an
genannt
Johann ©d)mar£ warb gegen baS Gfube beô
fünfzehnten JabrbunbertS tu ©rontngen, ber
Hauptftabt DftfrieêlanbS geboren. Von feinem
frühem Ceben metß man nur, baß er tm Jahre
\$T2 um bte 3eit , ba ©dfjoreel auf Jtalien
mieberfebrte, tn ©ouba lebte, uub baß ber all*
gemein ausgebreitete Kitf jetteS großen MeifterS
fehr fetjueö btS ju bent falten nebligen Wohn*
orte beö jungen getjtooÖen MalerS brang, ber
fld) atfobalb bttreh bt'efctt bemegeit fühlte, ©d)o-
reeln aufjufuchen, unt oon ihm ju lernen, ©päter
ging er nacl) Jtalien, mo er feine Bilbung roU
leubete , boci) aber fcincSmegeS ©djoreelett ttnb
ber 3Ratur untreu marb. Jtu ©egentheil hatte er
©cbereelè 2lrt ju malen fld) burdhauê angeeignet,
befonberS in bett lanbfdhaftlidhen Htntergrünben,
melche biefer fo metfterbaft barjujtellen »erftanb,
unb mar uub blieb ein fehr auSgejeidjueter ehren»
'172
weither Metfter ber alten »Ott »an Qspcf flammen*
ben beutfd^ett Sd)ute.
Settie ©entälbe fittb in unfern Tagen fetten
anzutreffen/ bocfy beflißt bte S3otffercefd)e Samm*
lung eine« baoon ·, ein fleine«, l)od)ft anmutbtge«
58tlb, wetctje« fewobl bttrcb bte 2Bat)l beö (Segen-
ftanbe«, at« bttrcb bracht ber Farben, bitrd) forg«
faltige 2lu«fübruug unb naturgemäße, böcbft leben«
btge Darftetlung au bte berrltd)fle 3ctt ber alten
beutfdjen Kituft auf ba« ßebbaftefte erinnert.
(£« fteöt bte heiligen brei Könige ju bett Füßen
be« (Sbriftfinbe« bar. Maria fi£t, ba« Ktnb auf
bem Scbooß baltettb, tu ber Mitte be« ©emätbe«,
uttb £>utb unb Aumutb umftrabten bte ebte ©eftalt
ber bolbfeitgett Mutter. Der ättefte ber Könige
bietet futeenb bem llettteu (Sbrtftu« ein gelbne«
ipracbtgefäß, unb btefer bebt, ftnbltcb fptetcnb,
bett Decket baoon ab. Die Sinmutb be« wunber*
febötten Ktnbe«, ber Kentraft btefe« anmutbigeu
Spiele« mit beut wahrhaft göttlich ernften 33lüf,
mit welchem e« bett futeenbett König betrad)tet,
gibt bem "Silbe etwa« unnennbar Aujichenbe«, (Ehr--
'173
furchtSvoll gu bent Kinbe hingeneigt, bietet ber
gwette König feine retdje ©abe, mäbrenb von ber
anbettt «Seite bei* Mobrenföntg mit fübnent Schritt,
jebocf) entblößten £aupteS, herantritt. Dießmal tft
ev ein wirfitcber Mohr »du fletner, faft gwet-gäbn*
lieber ©eftalt Die übrigen Umgebungen ftnb un*
gemein vollenbet t'n ber Aufführung, unb geben
bem ©anjen etwaf Heiteres, wogu bt'e grtfebe bef
blübenben Kolorits nicht wenig beiträgt.
Mehrere von Johann ©cbwar£ tn |)oi$ ge--
febnittne 3eicbuungen , baben ihm aud) in btefem
3wetge ber Kunft unter ben Metftern feiner 3eit
einen ehrenvollen flaj erworben; vor Allem eine
Darftellung bef i?etlnttbci<, ber von einem Kadett
itt ber Mitte beö ©tromef bent Volle prebtgt,
wobei ber Künftler viele bebeutenbe, geiftretd)
gebadete unb gezeichnete ©ruppen ber am Ufer
vcrfammelten 3»hörer anbrachte. Auch einige mit
*j3feil unb Bogen bewaffnete dürfen jit fferbe,
von ihm auf bte nämltdje Weife abgebilbet, werben
fehr gelobt.
©ein übrige« Ceben eerbülit ba« Dunfel ber
3ett. 9Q?an femit nidfjt einmal ben Ort wo er
ftarb / ηοφ ba« 3<*br feine« Tobe«.
Johann ö'on Ealfar warb um baß Jahr 1500
tu ber im £>er$ogthum Eleoe itegenben ©tabt, beren
Kanten er führt, geboren, unb aud?) »Ott biefeS
MeifterS Jugenbgefcbtdjte unb feinem Beginnen
auf ber Bahn ber Kunft tft nur mentg biß auf unfere
fetten gefommen. Er »oiienbete feine Btlbuttg in
Jtaiien, unb fönnte, als einer ber »orjügitdhften
©dijüier Xtjtatt§, eher jtt ben italiäntfdjcn Meiflern
alß ju ben Kacbfolgern »an EpcfS gejal)lt merbett,
5)od) feine ©eburt eignet t'hn unS att, er nimmt tu
ber Ket'he ber großen Meifter jebeS CanbeS einen
fo ehrenvollen flaj ein unb hielt bei allen Vor*
jügett ber ttaltäntfd)ett ©djule, weld)e er ftcb att*
guetgucn mußte, bennod) fo fc(t an ber Kattir,
blieb fo. ferne von allen erjmungnen Künfleleten,
baß mtr billig unS freuen, t'hn ben Unfern ju nennen,
unb unS fetneSmegeS btefeS KecbteS begeben bürfett.
5Bahrfd)Ct'nlid) fam er auf feiner 2Banberung
nach Jtaiien in jene Morberherberge ju IDorbrecbt,
beren tn HemSferfS Seben Ermahnung geflieht,
'176
und bte Tochter fettcö £attfe§ rettete fidf? ttttb t'bn,
inbem fte mit ihm nad) Venedig entfloh. Denn al«
im 1536 bte bort »erübten ©rciuel enbltd?
»Ott ber Dbrtgfett entbeeft mürben, lebte btefeö
unglückliche Mäbcben bei 3obann »on (Salfar, tn
feinem f)aufe jn iöenebig, wo btefer bamaB fd)on
ctnfäfftg war. Sie warb auf Verlangen ber Dbrtg;
feit oott Dorbredjt, tn 33enebtg »or ©ertdjt gejo*
gen, bod) ba fte ihre Unfcbulb an bett Verbrechen
ihrer (Eltern bemetfen, ttnb man fte boeb nid)t bafür
beftrafen tonnte , baß fte btefelben »erfebmtegen
hatte, fo ließ man fte balb wieber frei ju ihrem 33e*
fd)ü^er jurüeffehren.
3obantt »ott Otaifar hatte fleh XijtanS Art
jn malen fo ganj angeeignet, baß e3 oft fdjwer
war, bte Arbeiten be§ Sd)ülerö oon benen be5
Meifterö ju unterfdjetben. Man fagt, baß bt'e
größten Kenner nttb bebeuteube Künftler feiner
3eit fidj bttrd) bte große Ähnlichkeit jwtfchen betbett
jttwetlen für bett Moment irre führen ließen,
«nb eine Mater Dolorofa »ou ihm ttt ber Botf*
fereefdjen Sammlung ift ttt ber Tb«t »on fo hoher
'177
©djönbeit, baß man bie Moglicbf'ett eineß folcben
Jrrthumß leicht begreift.
Ein weiter bunfelblauer Mantel umgibt tm
t)errlicl)ften Faltenwurf bie fd)Öne ©eftalt, wahr»
fdjeinlidh baß forträt einer eblen nod) jugenbltcben
gvau. 9ctd)tß fann einfacher unb babei bod) l)crj*
ergretfeuber gebad)t werben, alß ber tiefe 3lußi
bruef unenbltcbeu ©cbmerjeß in ben fdjönen 3ügen
biefeß ©eftebtß, Unb bod? ift über bem ©anjeu
eine fo unbefd)reibtid)c Slnmutl) verbreitet , baß
wir babet eine 3lrt wehmütiger greube empftnben
ein foldjeß Setb fo getragen ju feben. ©te weint
md)t mehr, benn alle ihre Xhränen ftnb läligft
vergoßen, fte flagt nicht, benn il)r ©djmerj ift
ju groß für jebe Klage. ©ie weiß, eß gibt
feinen Iroft mehr für ßc auf Erben, aber ße
hat ßd) baretn ergeben , nicht auf weid)!td)er
©cbwäd)e / fonbent im feiten Vertrauen in ©ott
unb feinen Willen. Die ßtnfc ber fdjönen <£>äube
ruht auf ber itod) fdjmerjltd) wogenben Bruft, bie
öiedjte ift erhoben, alß beute fte auf einen ©egen*
ftanb außerhalb bem Btlbe, ju weld;em baß ©egeu»
Ii. 12
'178
ftiicf , wabrfdjetnltcb ein (Ecce Homo / »erloren
9»>g·
•ffiie bed) Johann »ort SalfartS ©emälbe, auch
tu fpätern 3c^en/ ben bebeutenbften Kennern
gefdjäfct würben, bewetf't bte große Vorliebe, mit
ber NubettS ein fietiteö, faunt über eine «Spanne
große« Biibdjen »Ott ihm bewahrte, baS er überaß
mit fieb fübrte. iE« {teilte bte i)trten »or, wie
fte 3ofepb an ber Krippe beS neugebornen 3>etlan*
beS freunbüd) empfängt, unb ber Künftler hatte
babet, wie (Eorreggto tu feiner berühmten Stacht,
baS Siebt »Ott bent Ktttbe ausgehen laßen. Sanbrart
erfaufte bteß ©emätbe nad) Nubettö Tobe in beffen
Nfldjiaß = Verweigerung. (Er überließ eS fpäter
bem Katfer $erbittattb bem britten, ber eS mit flcb
ttad) ^rag führte, »Ott mo eS nach SBtcit fam, unb
flci? jel^t mahrfd)ctttltd) bort in ber ©aßerie »on
93el»ebere beftnbet.
Johann »on (SalfartS 3ctcbuuttgen mit $eber
unb Kreiße ftnb »oit ntdjt miuberem Kunftmerth
als fetne ©emälbe. $aft aße Btlbntffe ber Maler
in VafariS 93efcbretbuug oon bereit Sebeit ftnb
179
»on feiner £attb gezeichnet, fo auch btc Xafeltt
ju Dem anatomifcbeu Werf beß berühmte« Arjtef
Vefaltuß. Er jog jule^t »Ott Venebig nach
Neapel/ »ielletcbt weil bie ©efebtebte be§ un«
glücklichen Mäbcbenö »on ©orbrecht bort jn »tel
Auffeben erregt hatte, ftarb aber wenige Jahre
»tadh btefer Veränberung fetneö Aufenthalte^ im
Jahre 1546, unb in ber Blitthe fetner Jahre,
leiber »tel ju früh für bie Kunfl, bereu 3'erbc
er war.
12 *
-ocr page 183-*
Diefer burd) betten ©etft , unermübltcben
gleiß, und feften ftet« frtfdjen SebenSmutb au«*
gezeichnete Mann , »erbient eä wohl, baß wir
ibm unb feinen manmcbfaltigen ©cbtcffalen am
©cbluffe be« Budje« einige Blätter weihen, welche«
ebne fein treue« Verarbeiten gar uiebt hätte ge*
febrteben merben tonnen. Denn t'bm allein »er«
bauten mir ben größten Xbeil beffeu, wa« mir
von bem Ccben ber alten Meifter noch mt'ifen.
Mit unfäglicber Mühe unb OebulD forfebte er
betn nach, wa« er baoott in (Erfahrung bringen
fonnte, zeichnete e« treulicb für bie Nachwelt
auf, unb warb fo ber eigentltdje Urbeber aller
alten beutfeben Kunftgefd)id)t,e.
Auch tu f)inftcht auf bie Maleret felbjt iit
Karl oon Manber merfwürbtg, wenn gleich ntd)t
olö treuer Nad)folger »an (EpcfS unb ber Natur,
fonbern al« Beifpiel ber unglaublichen Verbleu;
bung, weld)e in jener 3e't fid) and) ©elcber be*
mäcbttgte, bie mit ben retdjjten Anlagen au«ge<
1S1
fluttet waten unb früher gewiß in ber Jfteihe bet:
pretßmürbfgften SOietftet einen ehrenvollen, flaj
eingenommen hätten,
Karl »on Manber marb geboten im Mai beß
Jabreö 1548 jn Meulebetf, einem großen Dorf
in eiltet bet anmutbigiten ©egenben »01t glattbcrn.
(5t flammte auS einem altabeltgen ©efdjlcdjt, nnb
mebtete feiner Ahnherren befieibeten febon im biet*
jebnten Jaljrbunbert hohe getftlid)c Würben unb
bebentenbe Ehrenämter itt ihrem Sanbe. ©ein
Vater Eorneltä »Ott Manber, war ein ftattlicber,
fet)t oerftänbtger Mann , bet mit fetner ©attüt
Johanna »ott ber Becf, unb feinen Äinbern auf
fetitem eignen ßanbgute in Meulebetf ' t Wohlhabend
beit nnb Attfeben ein angenehmes länbltd)cß Seben
führte, Aujfer feinen eignen 33eߣuttgen »erwaitete
er noch fehr große ©üter, mit welchen er »on ber
Jftegteriing fetneS CanbeS belehnt war, unb galt als
Amtmann unb Einnehmer bet fürftlichen ©efällc
für einen ber bebeutenbften Einwohner ber Um-·
gegenb feineö -OrteS.
Karl »on Manbet hatte nod; einen altern
-ocr page 185-'182
53ruber, Namen« CtorneltS, einen jungem ber
Abam hieß, unb jmet Sdjmeftern. (EortteltS mav
von 3u9c"b auf ein fttller orbentltdjer Knabe, Kail
aber fdjon als Kinb febr lebhaften ©etfteS, »otl
müßiget (Einfälle , unb täglich allerlei luftige
Knab enftr eid)e iibcub, bte aber nie tnö bögartige
fielen. Dabei jeigte Kart fdmelle ^afTutigögabe,,
hellen Q3erftanb , unermübltcbeö Streben ttad) geiflts
ger SluSbtlbung uttb etit erklärte« Talent fiir
-Malerei unb ^oefte. Ttfdje, 33änfe unb 3öänbe
bebecfte er mit 3c'cb"l,1,9ctt wllb allerlei Neimen
»du feiner ^abrief, and) feine Scbretbebiicber blieben
ut'd)t frei ba»on, unb fD befcblofjen bte (Eltern enb*
lieb ben otel üerfprecbenben Kitabett nad) ber nahen
Stabt Thtelt in bte latetntfcbe Scbule ju bringen.
(Er mad)te bort tu allem, maö ihm gelehrt marb,
fcbnetle unb bebeutenbe $ortfd)ritte, jeboeb ohne
ba« Malen unb Neimen ju unterlaffen. Später«
hin febtefte matt ihn itacb ©ent, ju einem frattjö*
fifd)eit Spracbmeifter, wo fein itt jener Stabt
lebenber -Dbetm bte 3lufftd)t über ihn hatte. Diefj
mar Fran$ »on Manber, ber al« ein auf Netfett
'183
\
tu frentben Säubern oielfettig gebtlbeter Mann,
(icfj »ollfommen baju eignete, bie Erhebung feine«
lebhaften getjtoDiien Steffen $u leiten.
JDeö allmabltg gum Jüngling beranwadjfenben
Knaben unwiberftebttcber Hang foeße unb
Maleret, ber ßcb immer bentltcber geigte, beweg
nacb einiger 3ett ben Dbetnt, ihn mit Q3eifltm*
mung ber Eltern ju CufaS be £eere förmlich in
bte ßebre gu geben. £)tefer marb bantalö in @ent,
feinem Wohnorte , nicht nur als ein bebeutenber
Meister tn ber Maleret, fonbertt auch als ettt finn*
reifer foet tit großen Ehren gehalten. £)aS Cob*
gebtcht auf »an EpcfS Meiftermerf gu ©ent,
melchef legerem gegenüber in ber Kirche aufge*
ftellt warb, war »Ott ihm, unb Karl von Manber
mußte ßd) bei btefem Manne völlig t'tt feinem Ele*
mente beßnben, ba er thnt Malen unb QSerfemacben
lehrte. Auch hing er bafür 3ettlebenS mit
ganger <5eele att feinem Metjter unb bradhte tn
ber golge tn feinem Malerbttcbe befielt Seb
bei jeber einigermaßen fcbtcfltdmt Gelegenheit
au.
'184
Nacf> einigen fo »erlebtet! Sabrett tiabm Karl
»Ott 'JÖZanberS Vater tiefen »Ott ©ent fort, unb
brachte ihn nad) ber ebenfalls nab betegnen ©tabt
ßourtrap gtt einem anbern Metfter NamenS ^eter
lllrtcf, unter bejfen Leitung er imd) etwaS über
ein 3al)r bte Knnjt übte, unb bann als ein unb
Zwanzigjähriger Jüngling int 3abr 1569 wieber tm
Ȋteriidjett Haufe etnjeg.
SS febtett beinah, aiS ob er je£t bte biU
bettbe Stunjt aufgeben woCCte, um fieb ganz bett
febönett äBtjfenfdjaften , »or Allem ber ^oefle z«
treiben. (£r matte Anfangs nur wenig , taS,
fcbrteb unb bietete aber um fo mehr, unb fattb
befonberS große $reube an theatralifcben Darftets
Utngen, bte er bttrei) feine ©efcbwtfter unb fetne
nädjjteu Umgebungen tm »aterltcben Haufe auf«
führen ließ. Bei btefett mar er Siebter, SefD«
rateur unb Direftor in (Einer ^erfon, unb jetgte
babet Talent unb bebeutenbeS (ErftnbuugSoermögeu.
3ene Kunft mar bantatS uod) gang t'tt ber Ktnbbett,
»Ott Theatern, wie mir fte je£t beft^en, nod) fetne
©pur »orbanbeu. Nur Fürftett unb große Herren
'185
ließen jitmetlen bei fefTitdf?ctt ©elegenbeiten atfego*
vtfcije Slufji'tge, bei benen gefprod)en marb, in ihren
falläften aufführen, mäbrenb baS Boll nur foffen*
fptele fanttte, bte um $aftnad)t ober auf Jabrntärf*
tett, gemöbnltd) uuter freiem Himmel, auf breter*
neu ©eritftett bargeftellt mürben , ober geiftltcbc
Komi>bten, meldje bte ©cbi'tler unter ber Settung
ber @etftlid)fett jumetlen itt ber ©cf)ute aufführten.
Jung unb alt ftrömte baber auf ber ttmgegeub $u*
fammen, alö Karl odh Man ber etite IDarjtellung ber
©ünbflutb »erauftaltete j ber Beifall mar unermeß*
lieb, nnb matt artete e§ ntdjt, baß ein großer
Xbeil ber 3»fd)auer, bte fid) bem Xbeater ju nahe
gebrangt, naß bis auf bte Haut, fitf) etltgft juritcf*
jiebett mußten. Denn um bte ©adje reebt natür-
ltd) ju macbett, hatte Karl xwtt Manber eine Menge
Waffer mit Hattbpumpen tn ein ttal>eö Hauö bringen
laffen, melcbeö , als bte ©ünbflutb hereinbrach, »Ott
bort mit großer ©ernalt auf baö Xheater herab*
ftürjte. Berber fah man, mte SRoab feinen fi'tnbtgen
3cttgenoffen Buße prebigte, bann bte Slrdje baute,
unb fie mit bett ©einen bejog. Matt fah alle Spiere
'186
paarwetfe tftm folgen, matt fal) bte Arcbe auf beti
Weite» treiben, ben Naben unb bte Tauben au«*
fliegen; ein großes mit Srtrtnfenden über unb über
bemalte« Tucb mürbe habet an ©trtclett qucer über
ba« Tbeater gebogen, unb fteltte bett lintergang
ber ©ottlofeu fo aufcbaultcb bar, baß otete ber 3«*
fcbatter bei bcm Anblick tu Tbränen getfloffen, unb
ftcb »or Jammer unb Ni'tbrttng ntcbt jtt taifcn
mußten, Kurg bte gange Darftellung ging fo rot*
treffltcb, baß ber jüngere Soweit« oon Mattber,
ber fonft mit bem Treiben feine« Bruberö Kart
wenig gufrtebeu mar, uttb e« lieber gefeben batte,
wenn tbm btefer bei fernem ßctnwanb ? Raubet ge*
botfen bätte, ftcb bennoeb »Ott tbm bereben ließ,
bte Koftett be« ©djaufptel« gtt begabten. Dafür
aber erftärte tbu aueb bte Mutter für einen nod)
größern Narren at« Karl, weil btefer obne fein
@elb fold)e ^offeit ntcbt b^tte ausführen föititeit.
Dtefetn ©dbattfpiele folgten ttoeb »tele anbete,
bte Kart oott Mauber attc fctbft tici)tetc 5 Nc«
bufabttegat« (Sefd)td)te, ©atomo« Urtbeti unb ber*
gtetdjett , lieferten tbm bte Mott'oc bagu. Da«
'187
präcbttgfte aber, webet funfjfg fetfonett mitfpieli
ten, Kameele nebft »tele» anbern fremben Xbicren
auftraten, würbe am ffingjttage aufgeführt, unb
ftcüte bett Befud) ber Königin »ort ©aba bei bem
weifen ©alentD »or. Der 3l'*cu,f ^abet war m,i
geheuer, ^>aufenwetfc jogen bie Seute auf Brügge,
©ent unb anbern benadjbarten ©täbten herbei, unb
Karl von Manberf Sftante warb baburrf) berühmt
uub bekannt tn ber gerne wie tu ber 9Zabe. Er
galt aber auch nod) überbief für einen tüdjtigen
foeteit wegen feiner melett Steber geiftltcben unb
weltlichen JitbaltS, fetner Xafel * Sieber, iftefratnf
unb 50?initelteber. Bon allen ©etten erhielt er Auf*
trage *u ©etegenbeitf * ©eb(d)tett, unb erwarb burcf)
feine Meinte mehrere ber in bamatiger 3eit
gefeilten Ehren* fretfe, bte aber tn feinem Saitbc
nid)t wie tn Xouloufe auf golbnen Belleben ober
fllbernen Stlteit , fottbern auf gutem brauchbaren
3tnngeräthe beftanben. Daneben bichtete er auch
manches ©pottlteb unb luftige gaftuacbtSftücf, welche
er burd} bte Bauern in Meulebecf ju aller Welt
Ergoßen aufführen ließ.
'188
©o »erlebte er fünf 3atyre fröhlichen MutheS,
lint) malte juleljt and) wieber febr fleißig für
Kirden, Natbbäufer unb sprioatfammlnngen, bt'8
int Satyr 1574 bte (Eltern feinen Bitten nachgaben
unb ttym erlaubten nach Nom 511 reifen. Der Vater
»erforgte ihn mit ©elb, ber »ielgereißte Otyetm au3
©ent, ber aueb etnft in Stalten gewefett mar, gab
itym allerlei nützliche Nottjen unb (Ermahnungen mit
auf ben Weg, bte Mutter forgte für feine ®ar«
berobe, unb fo jog er beim freubtg unb erwartungS«
»oll im bliibenben 2llter »on fedjê unb jmanjt'g
3atyren auê bem »äterltcbett |5aufe in bte meite
Welt.
Einige junge Sbetteute , mit bettett er bte
fKeife antrat, »erließ er balb untermegeö, betttt
biefe wollten immer oerwärtS , er hingegen hielt ftcb
bei allem itym unterwegeê »orfommenben Merfwür«
btgeit auf, befonberê üt ben ttaliänifcben ©täbten,
bureb welche fein Weg fittyrte. befuebte er
alle Werf flattert ber berühmten norf) lebettbett Maler,
unb betrachtete mit (Entjücfett bte hoben Metier*
werfe ber jitnächft »ergattgnen 3eit, bte itym überall
'189
nod) frifcben ©lanjeê tn Kirchen unb fatläften ent*
gegen ftrablten. 9Racf) fetner Anfunft in 3iom be*
nu$te er jebe ©tunbe mit getvißenbafter Xreue fiir
feine Kunft, nebenher zeichnete er Atleö, was tl)m
bemerfenêtvertb erfolgten, in feinem Xagebucbe auf,
befonberè bte 23efd)retbung ber vielen Feierlich*
feiten, von welchen er im Jahr 1575bet ber feltnen
Feter beê päpftltdjen JubtläumS Augenzeuge war.
Auê ail' btefem btlbete er fpäterbtn eine 3ieife-3?Ci
fdjretbung, welche aud) tm £)rucf erfcbienen tft. Er
geidjnete viel nach ber Antttfe, malte febr fleißig,
unb that ftd) befonberö burd) große Cantfd)aften
hervor, bte er auf frifcben Kalf tn bett falläßeu
einiger Karbtnäle matte, betten er befannt gewor*
ben war.
©od) letber fanf bte Kunft tn feinen Xagen
immer tiefer unb tiefer, artete immer mehr uttb
mehr tn Manier uttb Kiinftclet auê, ©te über*
triebenfte Unnatur tn gorm uttb Auêbrucf, über*
fpannt hervortretenbe Muffeln, munberltdje Ver*
brehungen ber mcnfd)lid)ett Körper , erfünftelte
Farbenreftere, verbrängten altmältg Statur, Wahr*
'190
()ctt unb äd)te ©cböttbeit gattgltd) auö tbrem @e*
biete. Der bloße ©cbeitt gewann immer mebr
ben lauten Beifall ber oerblenbeten Menge, nnb
fo tief? aueb Karl oon Manber »om ©tronte fui)
binreißen, um fo mebr, ba fein lebhafter ©etjt
obnebttt fdjon il)tt allem Neuen gewaltig gutretben
mußte, ©ein in Antwerpen gebornet Saiibömann
Bartbolomäu« ©pranger , ben er alö Hofmaler
9Jtu« be« fünften tu (Ehre unb Anfeben tn Norn
(ebenb fanb , trug oor Allem bureb ßebre uttb
Beifptel bagu bei, jebett $uufett ädjten Kunftgei
fühl« oollettb« tn ttynt gu erfltcfen, unb bte ebleu
alten Mctjter feine« Vaterlanbe«, ttebjt tbren,
ber Natur uadjgebtlbetcH herrltdjen Werfen, au«
feinem ©ebäcbtmife gu tilgen,
Bartholomäus ©pranger war tn ber bamalt'gen
3ett einer ber berühmteren Verbreiter be« überbattb
nebntenben falfcben ©cfdjmacf«, unb würbe, ohner*
adjtet ber tn feinett Werfen berrfdjettben Utmatur,
bettttoeb felbft oont ^apfte unb oont ftatfer Nubolpb
bem gweitett bod)geebrt. Beibe ernantttett t'bn gum
Hofmaler, ber 'papft räumte ihm eine Wobnung tn
'191
Belvebere ein, ber Kaifer erbob it>n tu bett Abel*
ftanb unb verlieb ti>m eine bretfadje golbne Gcbren*
fette» iDiefer allgeebrte Metfter ttaljrn nun ben
jungen Karl »du Mattber tu feinen befonbcm
©cbu§, verfdjaffte tbm vom fapfte bte Erlaubnis
einen Degen tragen ju bitrfen, maß bamatS in Siem
eine feitue Aufzeichnung war, unb fo tft eö moljt
begreiflich, wie ber von all' bem ©lanj geblenbete
junge Kiinftler ftcb mit £>erj unb ©tun tbm völlig
31t eigen ergab.
Siiacb bretjübrigem Aufenthalt tu 9?om, im
Jabr 1577, reißte Karl von Manber ber ^)ctmati>
mieber ju. Jn Bafel malte er untermegö auf
bem bortigen großen ©otteöacfer ben Auöjug
Jafobß mit feinen ©ebnen, völlig tn ©prangert
Manier, mit bem er tn 2Bten mteber jufammeu«
traf. Denn ber Katfer batte btefem vom fapfte
bte (frlaubntß verfcbafft, nad) fiebett unb bretßtg*
jabrtger Abtvefeuljett fein Baterlanb befucben ju
biirfen. Jn 2Bien arbeitete Karl von Manber
einige ,3ett mit ©prangern unb bem Btlbbauer
Hanf Manbt an bent großen Triumphbogen, ber
'192
ginn nahen Singuge beö Katferä errichtet würbe.
Dann retfete er, belabeit mit 3eül)nuugeu tinb
©tubien, bod) letber für bte Kauft ganj üerbtl·
bet, bem uäterltcben Hanfe wieber gu, wo (Eltern
uub ©efcbwtfter mit ©ebnfud)t fetner harrten»
©ettt Bruber Abänt ging ihm fogar, fobalb er
»du fetner Annäherung Nachricht erhielt, mit allen
Hauögenoffen unb att ber ©ptt^e fetner ©d)ulgei
fahrten eine weite ©treefe entgegen, fo baß feine
Anfimft baheim einem fietnen Trtitmpbguge gltd).
Karl «ett Manber führte nun einige 3atjre
htnburd) ein beueibeugwertbeS ßebett in ländlicher
©ttlle. (Er malte, fdjrteb, dichtete, unb fal; ftd>
babet unter bett Töchtern in ber Nad)barfd)aft und)
ettter ©efäbrtttt für feine fünftigen Tage um, btö
bte ttt glaubertt immer mehr iiberhaub nehmenben
bürgerlichen Unruhen fein unb ber ©einen bäuöltd)eä
fttlleö ©litcf »eilig »ermd)teteu. ©efe^lofe
perung brach überall aitö, bte tängft tmgufrtcbiten
Wallonen überfd)rittcn ihre ©ränge, bemächtigten
ftcb ber ©täbte, Dörfer uttb glecfen tu ber Umge*
geub ueu Meulebecf , bereit Bewohner au fünf
'193
taufettb Mann ftarf, metflenS bewaffnete Bauern,
cjegen fle rctebet aufkauften; ber alte EoructtS »on
S0?aitber mußte einigemal fein Eigentum an ber
©pt'l^e feiner Knechte unb Bauern gegen bte Auf*
rührer »ertbeibigeu, unb baß ganje etuftfo gefegnete
Canb warb balb ber mitbeften Unorbnung jum 9?aube
unb altem Elenbe eineS Bürgerkrieges fretS ge*
geben.
Bei ber immer mehr überhanb nehmeitben Uns
orbnung flüchteten bie angefehenften Einwohner be5
fladjen CanbeS, unb auch Karl »oit ManberS Eltern,
t'hre befte Habe, ©tibergefebtrr, Oelb unb Ju*
weten ttad) Brügge , Eourtrap unb in anbete
benad)barte ©täbte, jute^t führten fte felbft ein
wanbetnbeS rafttofeS Cebett, ftetS auf ber gtucht,
um nur ftd? vor ©efahren ju retten. An Schreiben
unb Malen tonnte Kart »on Manber itt foleber
fiage je£t nicht beulen, alt' fein Xbuti unb ©innen
ging et'njig nur barauf auS, ftd) feinen Eltern hülf*
reich ju bewetfen. ©ein jtetS frtfebet CebenSmutb
»erließ ihn nid)t, er bietete mitten im atigemeinen
Etenbe noch manches Ciebchen, unter anbern eineS,
Ii. 13
'194
in weldjem er alle tue Mäbcbctt öu« ber Nachbar*
fcfyflft bcflngt, bie auö $urd)t »or ben ©olbatett au8
bem Haufe ihrer Sltent tu bie ©täbte flogen. 3»
biefem ßiebe beißt eS unter onbern;
„Norf) weis td? Sine,
„Artiger Keine,
„linb bie tjt geblieben ju Hau«,
©iefe Sine war ein fehr bübfebe« acbtjebn*
jährtgeö Mäbcben , $war »ou nteberer Abfunft uub
ebne Vermögen, bod) fo liebenSwürbtg unb gut,
baß Karl von Mauber« treue reblicbe Siebe ju tbr
ihm ben Mutb gewährte, fte mitten in allen btefett
Unruben §u beiratben. Sr führte fetue junge grau
tiad? Sourtrat), wo aud) feine ältefte ©djwefter mit
ihrem Manne lebte, unb war nun faft immer auf
bem Wege jmtfdben jener ©tabt unb Meulebecf,
um hter wie bort ben ©einen beijufteben.
Am Vorabenb be« heiligen Dretfonig« ;Xage4
fuhr er einft mit bret Wagen »ott Mettlebecf ab, bie
er, mit (Betreibe unb aßerlet ©erätbe belabeh,
uad) Sourtray für feine Sltern in ©icberbett bringen
wollte; bettn ba$ Saub wimmelte oon ©olbatett, ein
'195
mattontfdjeS unb ein beutfdjeS Regiment lagen tu ber
iftaebbarfebaft, bte größten greoel mürben utige*
ftraft »erübt, unb ber ßanbmann erlag unter ben
fnrcbteritd)ftcn Saften. Kaum mar Karl »du Mauber
junt Dorfe hinauf, fo ftel eine Diette pliinbernber
Wallonen tn baö Hauö feiner Eltern. Der alte
5ßater lag gefcil)fltd) franf, unb ber jüugfte, bamalS
acbtjebnjährige ©obtt Abam fat? mol)l ein, baß er
allein' bem Unheil nid)t mehren fönne. Mit großer
(SeifteSgegeumart griff er alfo nad) einem Degen,
ben er oerborgen hatte, unb mifebte ftd) unter bte
flitnberer, bte ihn, ba er fel)t geläufig ihre ©prad)e
rebete, fi'tr einen »ott ben Jhrtgen hielten. Slbam
madjte unfägltcben Särrn, fluchte mte befeßen, brach
Ktftett unb Kaften auf, mo er mußte baß bte beften
©adjen »erborgen lagen, unb madjte fo bte retebfte
-Beute, mehr alö ertragen tonnte. Dann manbte
er ftd) jur Mutter unb jmang ihr mit ben entfe^
lichftett Drohungen baS (Selb ab, melcbeS fte mit
oerftelltem Wiberftanbe ihm gab, unb ßd) babet
im Herfen ber mohlgelungnen ßtft t'hreS ©obnef
freute, burdh welche biefer jugletd) feine vermein*
'196
ten Kameraden bewog, fleh um bte grau nicht $u
bekümmern,, bte fle bet ihm in guten täuben ju feben
glaubten. Dem armen Kart »Ott Manber ging e«
unterbeffen beinahe noch fcbltnimer al« ben ©einen
babetttt. Kaum mar er jum Dorfe btnau«, fo über*
fielen auch tbtt Wailottett unb raubten tbm Ade«/
fogar feine Kleiber. Aud) er fpracb ihnen tn ihrer
Sprache jtt, aber fte fdbtangen tbm bemungeachtet
einen Strick unt ben Hat«/ führten ihn gu einem
nahen Baum, unb trafen alle Anftatten ihn aufju«
hängen, mährenb fte mit ihm um bte Summe han*
betten, mit ber er fich au« ihrer ©ewatt to«faufen
fottte. (Ein Staltätter, ber eben be« Wege« ge«
ritten fam , fab btefein Treiben eine Wette ganj
»ergnügltch ju, bt« Kart oon SOianber ihn gewahr
warb unb ihn in ttaiiäntfdjer Sprache um Betftattb
bat. Der 3tatiäner, fehr »erwunbert, baß ein
Bauer, für welchen er Kart »on Manber tn feiner
jetzigen ©eftalt hatten mußte, feine Spradje rebe,
fragte ihn, mo er italiänifcb gelernt hätte? 3n3iom!
war bte Antwort. Waö er ba gemadjt habe? er*
wieherte ber 3taltätterj gemalt, fprad; Kart »on
'197
Mattber. Sfun faßte ber Jtaliätter lfm recht tnè
Auge, feerie bann rote tDÖ: Saßt nur meinen greuub
loS! nehmt ben »erbammten ©trief ihm vom Hälfe!
gebt ihm feilte Kleiber wteber! unb theilte babet
rechts unb ItnfS vorn Dioffe herab flache Klingenhiebe
unter bie Wallonen auf, bte jtt guße bem SKeuter
wenig anhaben fonnten ober mochten. 2WeS gefebah
wie er eS befahl; gern hätte er auch Wagen, fferbe
unb aöeS Übrige wieber erflatten laßen, aber bai
Getümmel war groß, unb er am Eitbe felbfl froh/
als bte Wallonen, ühne fidi? viel ju beftnnen, mit
ihrer Beute baoott jagten.
Sffun gab eS eine ErfennungSfcene jwifchctt
Kart von Manber unb feinem Befreier, ber ebemalè
im Dtenfle eiiteS KarbittalS geflanben hotte, bei
bem Karl oon Maitber als Mater auS unb eilige*
gangen war, unb fict) bureb mancherlei flet'ite @e*
fdfjenfe beS DteiterS 3unc,9utt9 erworben hatte, fo
baß er bei ihm in gutem Slnbenfen geblieben war.
Der Jtaltäner wollte feinen ©cbü<?ling je£t bttrchauS
inS Sager führen, um ihn nach überflanbnem
©djrecfen bort herrlich $u bewirthen, boch Karl eDW
'198
Maitber entfcbulbigte ffc¥> mit feinem franfen Vater
fu Meutebecf, unb feiner jungen gran, bte unlängft
tl;m in (Eourtrat) tbr erfte« Ktnb geboren batte, uni)
fo begnügte jener ftcb bamtt, ihn ju begleiten bi« er
ityn in Meulebecf tu völliger ©tcberbett fai).
JJm väterlichen Haufe faub er bie leeren Wänbe,
unb laute Klagen ber ©einen ftrömten von alten
©eiten ihm entgegen. Dori) Bruber Abarn führte
ihn vor allen Dingen an einen von hohen Herfen
umgebnen troefnen (graben , attö metebem er mit
Kart« Hülfe ihre jüngfte ©cbmefter 3<*nnefe heran«*
gog, bie er vor ben ©otbateu borthiu glücklich »er*
borgen hatte. Dann geigte er ihm triumphtrenb bie
reiche Beute, bte er at« Wallone von bem väter*
liciteti (Eigentbum gemacht hatte. Der frante Vater,
bem bie ^tüuberer Betten mtb Kleiber genommen,
marb nun für« erfte au« bem geretteten Vorrat!),
warm gefteibet, unb bann »ott feinen Kütbern brer
©tunben weit bi« (Sourtrai; getragen, benn im
gangen Dorf war weber ^ferb noci) Wagen mehr.
Dort fanb ber @rei« bie nethtge pflege unb freuitb*
lict)e Aufnahme tm Klofter ber barmbergtgeit Briiber,
'109
betten er tu früheren 3etten »tele SiGobftbateu ermtefett
hatte. Auch bte ©einen mürben bei greuitbctt utt*
tergebradjt, ttttb fo waren alle eittftmeilen nneber
ttt iftube ttnb «Sicherheit.
Karl von Mauber erhielt ein 5(ltarblatt jtt
malen, baß ihm fünf ttnb jmanjtg ffutib flämtfd)
etnbrad)tej feine grau bcfdjettfte ti;n tm Saufe bei
Jahreß mit einem jmetten Ktnbe , nttb er märe
gemtf? bei fetner heitern ©emütbßart tu btefer be*
fdjränften Sage wollig jufrtebeu geblieben, mentt
nicht bte f eft , btefe furchtbare Begleiterin beß
Ärtegeß, ihn »Ott nettem auß feinem 3uflucbt^Dit
vertrieben hätte. Jeber Xag jählte neue Dpfer
btefeß enife§ltd)ften aßer Übel, Karl von Mattberß
in CEourtrap »erhetrathete <Sd)mefter mit allen fcen
3hrtgett gehörte unter bte erfreu, mcld)e ben Unter*
gang fauben, ttnb fo blieb biefem utd)tß übrig, alß
grau nttb Ätnber bttrd) fd)leuntge gludjt ju retten.
Mit einigem (Sepäcfe uttb wenigem ©clbe manberteu
fte auß ben Xborettber unglücklichen ©tabt, um ftd>
nad) Brügge ju begeben; feine grau trug, in manne
Deelen eingebüßt, ihr neugeborueß 5ünb, bod) fte
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famen md)t wscft, al« abermal« raubfücbttge ^tütt*
beret fte überfielen, bte ihnen 2llle« nahmen, fogcnr
bte Kleiber mtb bte Hüllen be« armen Heilten Ktnbe«.
Da (tauben fte nun auf freiem gelbe, bte grau
fuctjte meiuenb tbrKtitb in bte biirfttge faum fte felbfl
bebecfenbe Befleibung jtt hüllen, bte man tl)r ge*
laffen. Karl oott Manber felbfl hatte nicht« al«
eine alte Decfe, meld)e bte Solbaten meggemorfen
unb in bte er fld) einmirfelte. Doch ba feine grau
ited) ein ©olbftücf entbectte , melcbe« bte Näuber
in ber Tafcbe be« etngtgen arntfeligett NöcFcbett«,
ba« fie behalten, nicht gefunben hatten, marb er
plbjltch mieber guten Mutbe«, mte t'tt feinen glttcf*
Itchften Tagen; er trbjtete bte grau, ittbern er ihr
erzählte, mte er tn Brügge frtfch an« Malen gehen,
uttb Kleiber unb ©etb balb mteber ermerbett molle;
bann nahm er ihr ba« Ktttb vom 3lrm, tattjte bamtt
vor ihr her uttb fang mit lauter Stimme ein frohe«
Cteb, fo baß fte mitten in ihren Thronen über ihn
lachen mußte. So tarnen fte ohne fernere SBiber*
märttgfeiten glücfltd) tu Brügge an.
Hier fanb Karl oon Manber in bem Mater
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faul 2öei)t$ einen ölte« Bekannten, ber tf>m Arbeit
»erfd)affte, burcf) bte er batb fo mei erwarb, alf
er 511 feiner unb ber ©einen Erhaltung beburfte.
Docb aud) in Brügge begann bte f ejt ju wütben,
wäbrenb bte getnbe »du Außen bie unglücFltcbe
©tabt in ewiger Unruhe hielten. Karl »du Mattber
fühlte, baß er meltetdjt auf immer jeber Hoffnung
auf eine ruhige Ertftenj tn feinem bcm Staube, ber
f ejt, ber Berwüftung htngegebuen Baterlanbe eut*
l
fagenmüffe, unb faßte enbtid) bett Etitfcbtuß, eS
ju »erlaffeit unb nad) Hottanb J» gehen.
Er fd}iffte ßcb im Jahr 1583 mit grau unb
Kröbern ein, unb gelangte glütfltd) nach Hartem,
wo er, von Alten gead)tet, jwanjtg Jahre taug
lebte. Er matte bort »tele Oemalbe für Ktrcben
unb Kunflfreunbe, unb bilbete viele ©d)üter. Jn
freien ©tunben bietete er eine Menge Sieber, über*
fe^te bte Jltaö, Bttgtlé Bucolica uttb ©eorgica,
unb Dvibè Metamorphofen, aud) begann er hier an
feinem Matcrbudje ju arbeiten. Dtefeß »oltenbete
er tn ©iebenbergeu, einem ©d)toße jwtfcben Alf*
maar unb Hartem, wo er ein Jahr lang ftcb wegen
'202
einiger ü)m aufgetragner ©emalbe aufhielt. 3»
biefent feinem Wohnorte erwad)te ltoci) einmal feine
alte tfyeatralifcfye ßuft. Gsr ließ bureb feine ©d)ü(er
ein »on ihm felbft gebiebtete«, auf bie Kunft Bejug
babenbe« ©ti'ttf aufführen, jtt welchem er alle
Kiinftler unb Kunftfreuube au« ber Nacl^barfcbaft
etnlub. Wabrfcbetnlid) war biefe« ©titcf, ba« aud)
ein geuermerf »erberriid)te, allegorifcber Art. Da«
Theater mar babet nadb feiner Angabe mit Kränjen,
gefton«, unb au« Malergerätb fünftltcb gebtlbeten
Trophäen gefcbmücft, unb ba« ©auje fanb bei beu
jjufcbauern fielen Beifall. Q3on ©iebenbergeu jog
er im 3abr 1604 nad? Amfterbam. Hier fiiblte er
balb ftd? körperlich letbenb, unb obgletd) er lange
bureb innere ©cifteSfraft ba« Krankheit« * ©efühl
ju beftegen ftrebte, fab er flcf? enbltd) boeb gejwun*
gen, einen Argt jttr Hülfe berbei ju rufen. Selber
ftel bie Wahl Deffelben nidjt glücklich au«, alljufehr
ihn fd)mäcbcnbe Arjuet jerftorte gäitjltd) aüe ßeben«-
fraft, er ftarb an bett folgen biefer Bebanblung
ad^t unb funfjig 3al?re alt, im 3abr 1606. ©eine
Brüber maren bei feinem Tobe gegenwärtig, unb
'203
fucbten feine Wittme ju tröffen, bte mit feben
Kinbern nm tbu meinte, Ein Sorbeerfranj fcbmiicfte
fein int Sarge, bett breibunbert Verehrer
tntb greuttbe beS Verfterbnett jur testen iftubeftätte
begleiteten; unjähltge 2obgebtd)te »erfünbeten ben
Verlitjt beS a(lgefd)ä|$ten SDietfterö nnb foeten, nnb
fein Sftanie mnrbe noch lange, in feinem Vater (ante
mte üt Hotlaub, tu beben Ehren gehalten.
Jtt feinem Malerbudje, btefent bebeutenbften
fettter Werfe, folgt einer in Neimen gefcbrtebnen
Anleitung jum Malen, erftltd) baß Seben ber anttfen
Maler, footel er baoott ttt Erfahrung §u bringen
mußte, bann geht er jn bem ber ttaliduifdjen Meifter
über unb benutzte habet bauptfäcbltcb baS befannte
Werf beS Vafart. £)Dd) ben legten unb bebeutenbi
ftcn Xhetl feines 53ud;eS füllt baS mitunter febr auS*
führltd) befcbrtebne Sebett ber nteberlänbtfdhen unb
hocbbeutfdjeit Meifter , von ben ©ebrübern »an
Epe? bis auf bte bamalS noch lebenben 3eitgenoffett
KarlS oott Mattber. AitS jeber 3etle beffelben geht
nid)t ttur bte »ertrautefte Befanntfdjaft mit ben
alten Meiftern unb ihren Werfen heroor, foubern
'204
cud) flare« Slnerfenneit ihre« hohe» ^Berthe« imb
innige Siebe jttr oateriänbifcben Kunft. Überall
feben mir, wie er mit wahrhaft rübreitber Treue,
oft mit unfägltdjer !J0?iibe, ben fleinften (Etujelbeiten
att« bem Sebett feiner großen Vorfahren uadjforfcbte.
Unb bennod) tonnte er bte »Dn ihnen fo glorreich
geöffnete Bahn oerlajfen, benn mahrenb in feinen
©emälfcett feine ©pur ihre« etttfad)en ©et'fte«, ihre«
Beftreben«, ber Natur treu ju folgen, blieb, er*
fannte er e« bennod) in feinem Buch mit Bernim*
berung an. (Er felbfl tabelte bartnnen ^f>emöferfd
Vertrrungett, unb fattf nod) tiefer al« btefer. Dteß
bemetf't feine ©arfteliitng ber ©itttbflittb, eine«
feiner beriibmteften ©emälbe, meldte« bte Herren
Botffere'e al« traurige« Senfmal be« Verfall« ber
ftunft aufbemabren.
Stefe« Btlb tft nicht unrichtig gezeichnet, aber
fladb, tobt, feelenlo«, ohne Verftanb gebaebt unb
au«gefübrt. Xbeatraltfd) Verjmetflenbe , unter
ihnen ber Borgbeflfd)e Rechter, fleben an Reifen
bte au« bem Waffer ragen, hängen auf Dächern
unb Bäumen , in ben unmöglichsten »erjerrteften
'205
©tellungen/ wäbrenb (te tn ber nahen/ auf ein et
Anhöbe liegenden ©tabt nod) ganj troefen bleiben
fönnten, nnb ntrgenb tjt eine ©pur von Wahrheit
tu bem ganjen Jammer/ tu allen gehäuften @räß*
lichfeiten ber qualvoll ju ©runbe ©ebenben.
Dtefe Berblenbung ettteß von ber Statur gewiß
fetefy begabten ebleu ©et'fteß ift ein trauriger Be»
weiß/ wie fdjwer eß fep, fld) »om Jrrthum rein
ju halten, wenn Betfipiel unb Autorität geadjteter
ferfonen btefert unterftii^en, unb bte nad) Steilheit
bürftenbe Welt ihn mit lautem voreiligen Beifall
begünftigt* Daher trachte jeber vor Allem nur bar*
ttacb / ben reinen wahren 3wecf feineß ©trebenß
nie auß ben Augen $u verlieren/ ohne ftd) burd) 2ob
cber Xabel ber baju Unberufnen irren ju laffen*
Daß Dfied>te ftegi bennod) am Enbe/ wenn eß aitdj
für ben Angenbltcf »erfannt wirb. And) bie alten
SWeifter, bereit 9fiameit biefe Blätter febmüdfen,
lagen lange veradjtet, in ©taub unb 9iad)t »er*
borgen, unb je£t umitrahlt fte frtfeber jugenbltdjer
©lan$; ihr Anbeuten ift bei uuß erwad;t/ unb bof*
'206
fentltd) werbe« nadjfommenbe 3«l)rl)u«berte ihren
hoben Werth anerfennen tmb ihre Werfe mit
frommer Sorgfalt von gcuijlicfyem Untergange ju
fehlen fit φ en.
£rutffel;leri$ßer$etcf>mf fetten 23ant>eö,
©eite 5 3eüe 15 fe^It ba* Sßort: „«l«."
— 13 — 18 fehlt/ ßnnentftellenb hinter „die/'
fcaS jiontma.
~ 27 — 11 lte$: „feine" ftatt feinen.
— 30 »erlebte 3eile, feilte heißen:
//3uge feine« Hefleben«."
— 35 — 17 muß heißen: „hinauf" ftattberauf.
— 72 — 6 IteS: feinen" ftatt feiner.
— 106 — 6 baS lefcte Sffiort getrennt ju lefen.
— 124 ~ 13 lie6: „teftamentarifche" ftatt tefta-
ntentaltfche.
— 137 — 14 Ite«: „SBofen" ftatt »Öfen.
— 150 — 14 iicö: „lautlofen" ftatt lautiofeu.
— 154 — 11 feil beißen: „ließ" ftatt liefen.
— 181 — 17 lies: „mit" ftatt »it.