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Dieses Buch ist der erste Versuch
in der Literatur über Pferde, eine
zusammenfassende marxistisch-
leninistische Darstellung der Do-
mestikation und der gesamten
weiteren Entwicklung des Pferdes
und der Pferdezucht zu geben.
Der Autor geht von den materiel-
len Bedingungen der einzelnen
Epochen der menschlichen Gesell-
schaft aus. Er zeigt immer wieder
den Zusammenhang zwischen der
Entwicklung der Produktivkräfte,
der Produktionsverhältnisse und
der Pferdezucht.

Sehr kritisch setzt sich das Buch
mit der Entwicklung der Vollblut-
zucht im imperialistischen Deutsch-
land auseinander und deckt die
Personalunion der Leitung der
deutschen Vollblutzucht mit den
reaktionären und militaristischen
Kräften auf.

Die 129 Abbildungen ergänzen in
hervorragender Weise den Text
und sind zum Teil Zeitdokumente
von besonderem Wert, die für den
Leser bisher kaum zugänglich wa-
ren.

Die Arbeit ist nicht nur allgemein
interessant und von hohem In-
formationswert, sondern sie wird
sicher zu lebhaften Diskussionen
unter den Experten von Pferde-
zucht und -sport führen.

VEB

Deutscher

Landwirtschaftsverlag
Berlin

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LENZ • Mit dem Pferd durch die Zeiten

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Helmut Lenz

MIT DEM PFERD

DURCH
DIE

ZEITEN

Bibliotheek Diergeneeskunde

Universiteit Utrecht

VEB

Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin

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1973 - Erste Auflage

Alle Rechte vorbehalten

VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag,

DDR - 104 Berlin, Rcinhardtstraße 14

Veröffentlicht unter Lizenz-Nr. 175/47/73

Graphische Gestaltung und Typographie: H. Albrecht, Berlin

Satz und Druck: Druckerei Markneukirchen, III/23/3

Buchbinderei: VEB Buch- und Offsetdruck Leipzig

ES: 22I Bestell-Nr. 558 333 4

EVP 12,-

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Für vielfältige Hinweise danke ich insbesondere Dipl.-Journalist Gotthard Be-
chert (Berlin), Erich Bischof (Neuenhagen), Dipl.-Journalist Günther Dahn
(Berlin), Journalist Rolf von Ende (Neuenhagen), Dr. Johannes Erich Flade
(Dummerstorf) und Karl Hoffmann (Neuenhagen) sowie meiner Frau, Gisela
Lenz.

Berlin, im Nov. 1972 Helmut Lenz

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7 Schautafel im Huftiersaal des Naturkiindemuseums in Berlin

och hatte sich der Mensch nicht aus dem Tierreich abgesondert. Die
Arbeit, als „die erste Grundbedingung alles menschlichen Leben", wie Friedrich
Engels es in seiner Schrift „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung der Affen"
präzisierte, hatte den Menschen noch nicht geschaffen. Aber schon seit Jahrmillio-
nen hinterließen die Herden der wilden Einhufer bei beschaulichem Ruhegang,
auf der Futtersuchc oder in panischer Flucht ihre Spuren im Sand. Zwar sorgten
Wind und Regen dafür, daß diese bald für immer verlöschten. Für die Wissen-
schaft verbarg die Erde genügend andere Beweise, um das Pferdedasein von
damals zu entdecken und richtig zu beschreiben.

mm-

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Die Equiden, die Pferdeartigen dieser vorgeschichtlichen Zeit des Pliozäns vor
sieben Millionen Jahren, ähnelten schon sehr den Urwildpferden, Zebras, Wild-
eseln und Halbeseln, deren Weg später der Mensch kreuzte. Für ihre Geschichte
in rund sechzig Millionen Jahren gibt es in den Naturkundemuseen der Deutschen
Demokratischen Republik und anderer Staaten reiche Funde fossiler Überreste.
Präparierte Exemplare rezenter Arten markieren den Weg bis in die Gegenwart.
Der Huftiersaal im Museum für Naturkunde in Berlin und das Leningrader
Naturkundemuseum vermitteln davon einmalige Erlebnisse. In den Zoos und
Tiergärten aller Kontinente finden wir die Vertreter der rezenten Equiden, wo-
bei vielerorts auch die Zucht der vom Aussterben bedrohten Arten betrieben wird.

Eohippus, seine Nachfahren und ihre Verwandten

Es hatte mit einem Tier begonnen, dessen Arten vorwiegend so schulterhoch wie
ein Fuchs waren, einige jcdoch in der Schulterhöhe mehr einem großen Hund
nahekamen. Von der Existenz dieses Tieres nahm die Wissenschaft anläßlich
eines Fundes in der Nähe Londons im Jahre 1840 Kenntnis. 1870 wurden in
Nordamerika weitere Reste entdeckt. Auf dem Territorium der DDR ist das
Braunkohlenrevier im Geiseltal eine Fundstätte der Fossilien des Hippus' des
Eozäns, des Eohippus, wie das artenreiche Tier von der Wissenschaft benannt
wurde.

Den 25 bis 45 Zentimeter oder auch 70 Zentimeter schulterhohen Eohippusarten
fehlten noch alle typischen Merkmale unserer heutigen Pferde. Auch der Gang

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Böhmzebraslute mit Fohlen im Berliner Tierpark
Kulane, eine Art der Halbesel, am Rande der Wüste Gobi

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auf einem Zeh, auf dem Einhuf, hatte sich noch nicht herausgebildet. Auf den
Vorderbeinen mit vier und auf den Hinterbeinen mit drei Zehen auftretend, be-
wegte sich der Eohippus auf dem Boden des fcuchtheißcn sumpfigen Urwalds.
Erst klimatische Veränderungen während Dutzender Millionen von Jahren des
Tertiärs, deren Folgen in der Vegetation die Lebensweise der Hippusarten ein-
schneidend beeinflußten, formten ihr Exterieur grundsätzlich so, wie es der
Mensch nie anders gesehen hat. Die Wissenschaft verfügt jedoch über alle De-
weise, daß der Eohippus, als ein relativ junger Sproß der Säugergruppe, mit
Recht als erster einer langen Reihe für sich den Namen hippus = Pferd beanspru-
chen kann. Rund sechzig Millionen Jahre alt, ist er der Urahn der noch rezenten
Pferdeartigen, einschließlich der Hauspferde und auch der Arten, die schon vor
Millionen Jahren oder erst in geschichtlicher Zeit ausgestorben sind oder aus-
gerottet wurden.

Nach dem Eohippus hatten für rund vierzig Millionen Jahre das Urwildpferd,
das Zebra, der Wildesel und der Halbesel die gleichen Vorfahren. Im mittleren
Miozän bildete der Meryohippus höchstwahrscheinlich die letzte gemeinsame
Stammform.

Für die folgende Zeit gibt es unter den Wissenschaftlern keine einheitliche Auf-
fassung. Von den vielen Standpunkten wollen wir nur zwei kurz skizzieren. So
sollen sich nach dem Meryohippus alle noch heute rezenten Pferdeartigen, auf
ihre Wildformen bezogen, parallel zueinander entwickelt haben. Es wird ledig-
lich für die relativ jüngere Vergangenheit die überprüfbare Tatsache eingeräumt,
daß sich mehrere Urwildpferd-, Zebra-, Wildesel- und Halbeselarten heraus-
bildeten. Als ein Argument, das jedoch gesicherten Erkenntnissen der Biologie
nicht standhalten kann, wird dabei ins Feld geführt, es gäbe keinerlei Beweise
für ein differenziertes Verwandtschaftsverhältnis. Alle Arten seien untereinander
fruchtbar, wenn die Bastarde in der Regel auch unfruchtbar blieben. Tatsächlich
jedoch gibt der Fruchtbarkeitsfaktor zwar Auskunft über enge Verwandtschafts-
verhältnisse, aber nicht über den Grad derselben.

An parallele Linien der Equidenarten von einer in Europa, Asien und Afrika
verbreiteten Art aus glaubte ebenfalls Frederick Zeuner. In seinem zuerst in
Großbritannien und später auch in der BRD erschienenen Buch zur „Geschichte
der Haustiere" entwickelte der Autor neben zahlreichen Pseudotheorien folgende
interessante Hypothese: Es zeige „sich die bemerkenswerte, aber wenig beachtete
Tatsache, daß sich die pferdeartigen Tiere der Alten Welt über die mehr oder
weniger offenen Landschaften wie die geographischen Unterarten einer Art ver-
teilen. Die echten Pferde verbreiten sich in den Ebenen nördlich der großen
Bergketten, die Halbesel bewohnen die Trockengebiete Asiens von der Wüste
Gobi bis nach Persien, einschließlich mancher Gebiete in Nordwestindien, Syrien
und Arabien, die echten Esel sind in Nord- und Nordostafrika und die Zebras
in Ost- und Südafrika zu finden. Diese Verteilung läßt vermuten, daß sich im
späten Tertiär eine Urform des Pferdes über die genannten Gebiete ausbreitete.
.. . Dieses .Urpferd' differenzierte sich in geographischen Unterarten, aus denen
sich seitdem die einzelnen Arten entwickelt haben. Für die verhältnismäßig enge
II Verwandtschaft unter den Pferdeartigen", so fügt auch Zeuner hinzu, „spricht

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Wildeselhengst im Berliner Tierpark

Züchterische Leistung des Menschen: Poitoii-Eselstute, langhaariger Typ, im Berliner Tier-
park, eine Haustierrasse aus Westjrankreich

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.

Das Nashorn, heute noch in fünf Arten in Afrika und Asien vertreten, gehört ebenso wie die
Equiden, die Pferileartigen, z"r Ordnung der Unpaarhufer. Breit/naulnashorn im Berliner
Tierpark

die Möglichkeit, zwischen allen vier eingangs genannten Gruppen Mischlinge zu
erzeugen . . ."

Nicht wenige Wissenschaftler nehmen dagegen eine stufenweise Aufspaltung an.
Daraus ergeben sich noch weitere gemeinsame Vorfahren für Zebra, Wildcsel
und Halbesel, die bis in das obere Pliozän hineinführen. Im unteren Pliozän soll
sich dann der Halbesel von der gemeinsamen Esellinie abgespalten haben. Ein
solcher Standpunkt wird zum Beispiel in dem vom VED Landwirtschaftsverlag
Berlin herausgegebenen Titel „Kleines abc Pferdezucht, Pferdesport", Stichwort
Phylogenetische Entwicklung, dargelegt.

Es bleibt neuen Funden fossiler Überreste und verbesserten Methoden zur Alters-
bestimmung bei osteologischen Untersuchungen vorbehalten, auch hier mehr Klar-
heit zu schaffen. Vergessen wir nicht, daß es um Antworten auf Fragen geht, deren
Ursprung Jahrmillionen zurückliegt.

Wie bei vielen Tierarten wird ein Kontinent kein Material liefern, um die stritti-
gen Fragen richtig zu beantworten. In Australien hinterließ als erstes Pferd ein
Hauspferd seine Spuren im Sand, von den europäischen Kolonisatoren vor noch
15 nicht 200 Jahren eingeführt. Für Eohippus und seine wilden Nachfahren war der

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australische Kontinent durcii die Weite des Pazifisdien Ozeans bereits unerreich-
bar.

Zu interessanten Ergebnissen gelangen wir, wenn wir uns nach der Verwandt-
schaft der Pferdcartigen umsehen. Als erste sind die Tapire und Nashörner zu
nennen, die gemeinsam mit den Equiden zur Ordnung der Unpaarhufer gehören.
Eine biologische Stufe zurück besteht für diese Unpaarhufer über die Urhuftiere
die Verwandtschaft mit allen noch lebenden Huftieren, wie dem afrikanischen
Erdferkel, den Schweineartigen, den Schwielensohlern, den huftragenden Wie-
derkäuern und anderen. Noch weiter zurück stoßen wir im unteren Tertiär auf
gemeinsame Ausgangsformen für die Ur-Huftiere und die Ur-Raubtiere.
Aus den heutigen Endformen dieser beiden Gruppen, dabei vorrangig der Huf-
tiere, nahm der Mensch im Neolithikum viele seiner Haustiere. Von den Ein-
hufern zuerst den Esel und dann das Pferd sowie zeitweise auch den Halbesel.
Ein Haustieralter des Pferdes von etwa 6coo Jahren zugrunde gelegt, zählt das
Hauspferd nicht zu der Gruppe der ältesten Haustiere des Menschen, wie Hund,
Ziege, Schaf und Rind.

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Jahrhunderttausende interessierte nur das Pferdefleisch

Über die Zeit, den Ort und die Umstände der ersten Begegnungen des Menschen
mit den Einhufern wissen wir nichts. Unbeantwortet mußte die Wissenschaft
bisher auch die Frage lassen, ob sich der Mensdi in einem Gebiet - im engeren
Sinne verstanden - entwickelte, zu dessen Fauna Einhufer gehörten. Ungelöst
bleibt deshalb auch das Problem, ob die Einhufer für den Ur-Menschen etwas
aus dem vorangegangenen Tierleben Altvertrautes waren, oder ob er ihre Be-
kanntschaft erst nach dem Übergang aus dem Tierreich machte. Es kann jedoch
angenommen werden, daß von den Einhuferarten zuerst die Zebras den Weg
des Menschen kreuzten. In der weiteren Reihenfolge könnten es dann der Wild-
esel (Nordafrika) und der Halbesel (Vorderasien) sowie danach die Urwild-
pferde in Asien und Europa gewesen sein.

Die Zebras werden hier nicht unbegründet an erster Stelle genannt. Bekanntlich
konzentrieren sich die Forscher bei der Suche nach den Vorfahren des Menschen
und dem Übergang der Menschenähnlichen zum Menschen in den letzten Jahr-
zehnten immer mehr mit überzeugenden Ergebnissen auf Ost- und Südafrika.
Als sich der Mensch vor mindestens einer Million Jahren - ein von vielen For-
schern und erst jüngst wieder von französischen Wissenschaftlern mit den Funden
über den Omomenschen viel weiter zurückgelegtes Datum - aus dem Tierreich
entwickelte, müßten in diesem Gebiet die Zebraarten schon heimisch gewesen
sein.

Hirnttil d»t Sc/wdf/i

Cmtichlsttil dtt Scr^

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Jahrtausende beschäftigte sich der Mensch mit den Einhufern nur als Jäger. Er
verfolgte und tötete sie und aß ihr Fleisch. Oft mag er sogar nur der letzte Nutz-
nießer von Resten einer Raubtierbeute gewesen sein. Pferdebraten kann zur
Nahrung des Menschen seit etwa 500 000 Jahren gehören, seitdem er das Feuer
kennen und nutzen gelernt hatte. In einem fortgeschrittenen Stadium seiner ur-
gesellschaftlichen Produktionsweise interessierte dann nicht mehr allein das
Fleisch, nun konnten auch Fell und Schweif, Knochen und Hornhuf für die viel-
fältigsten Zwecke verarbeitet werden.

Die Naturfalle von Solutre, wo am Fuße eines steil abfallenden Hanges Knochen
entdeckt wurden, die zu schätzungsweise 40 000 Skeletten von Urwildpferden
gehören, läßt ahnen, in welchem Umfang diese gejagt wurden. Das Verhältnis
von Mensch und Pferd charakterisieren auch die Höhlenzeichnungen in Frank-
reich und Spanien, die zu Kultzwecken entstanden und ein sorgfältiges, studien-
mäßiges Vorbereiten der Pferdejagd als möglich erscheinen lassen. Es sei jedoch
in diesem Zusammenhang davor gewarnt, die Ursache für den Rückgang und das
heute drohende Aussterben mehrerer Einhuferarten, darunter auch des Urwild-
pferdes, allein in der Verfolgung durch den Menschen zu suchen. Bereits vor dem
Zusammentreffen von Mensch und Pferd hatte der Schwund des Urwildpferd-
bestandes begonnen. Die inzwischen sehr einseitig spezialisierten Einhufer konn-
ten sich den neuerlichen Folgen klimatischer Veränderungen, dem Vordringen
des Waldes in bis dahin reine Steppengebiete nicht anpassen.

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Pries kleiner Pferde in der Höhte von Lascans, Dordogne. Einige Forscher deuteten die
Abbildungen als Tarpane und benntzten sie znr Unterstützung ihrer Theorien über die an-
gebliche polyzentrische Abstammung unserer Ilaustierrassen des Pferdes

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Wann wurde das Pferd zum Haustier?

Die bürgerliche hippologische Literatur hat die frühen Begegnungen des Men-
schen mit dem Pferd mystisch verklärt, um dann dem Hauspferd - von dessen
Besitz und kulturell-sportlicher Nutzung zu allen Zeiten der klassengespaltencn
Gesellschaft das Volk weitgehend ausgeschlossen blieb und bleibt - einen Platz
in der materiellen Produktionsweise einzuräumen, den es tatsächlich nie ausge-
füllt hat.

So geben sich viele bürgerliche Autoren große Mühe, aus dem mehr oder weniger
stark ausgeprägten religiösen Verhältnis zahlreicher europäischer und asiatischer
Völker in der Vergangenheit zum Pferd, die Religion zum Ursprung der Haustier-
haltung zu ernennen. Aber ein Haustier lebte zu keiner Zeit von der Religion,
sondern von den Ergebnissen der materiellen Produktion der menschlichen Ge-
sellschaft, für die es gleichzeitig als Produktivkraft wirkte. Wir gehen deshalb
auch nicht näher auf die in bürgerlichen hippologischen Werken immer sehr stark
betonten religiösen Quellen für die Haustierhaltung ein, da sie letzten Endes
doch nur über Umwege Material zur Klärung der uns interessierenden Probleme
liefern können. Manipulierte Stoßseufzer bürgerlicher Geschichtsbetrachtung fin-
den sich zu Dutzenden in dem 1969 vom Verlag C. J. Bucher (Schweiz/BRD)
herausgegebenen Buch „Das Königreich des Pferdes". Auf Seite 71 heißt es bei-
spielsweise: „Das Pferd tritt in die Geschichte des Menschen als Gottheit ein."
Und wenige Zeilen später wird daraus: „Ohne Pferde keine Menschheitsge-
schichte."

Ebenfalls wollen wir uns nicht bei der reaktionären Pseudotheorie einer soge-
nannten biologischen Sicht der Domestikation aufhalten, die Zeuner sogar als
„die einzig angemessene Betrachtungsweise für das Problem" bezeichnet. Am
Beispiel der Partnerschaft von Einsiedlerkrebs und Seeanemone sowie des Zu-
sammenlebens von Ameisenarten und ähnlichem versucht Zeuner, ein biologisches
Modell für das Verhältnis von Mensch und Haustier zu konstruieren. Aber mit
dem Übertragen von Existenzformen der Tiere auf Verhaltensweisen der Men-
schen leugnet Zeuner im Sinne des Sozialdarwinismus deren Heraustreten aus
dem Tierreich, negiert er die Spezifik der Gesetze der menschlichen Gesellschaft.
Seine pseudowissenschaftlichen Schlüsse degradieren den Menschen letzten Endes
zum passiven Erdulder tierischer Annäherung.

Warum stimmt das nicht? Warum stimmt das ebensowenig wie das leider oft
noch so gedankenlos publizierte Motto einer feudalaristokratischen Herrenschicht,
wonach das Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde liegen soll?
Über das Pferd als Jagdtier bis zur Domestikation wurde bereits das wesentliche
- soweit es der Platz hier zuläßt - gesagt. Eine neue Phase seiner Geschichte
beginnt, als der Mensch es domestiziert. Bis heute gibt es keine gesicherten wissen-
schaftlichen Erkenntnisse, wann und an welchem Ort das geschah und wieviel
Generationen daran gearbeitet haben.

In einem größeren geschichtlichen Rahmen wird das Bild jedoch schon klarer.
Der erste Pflanzenanbau und parallel dazu die erste Viehhaltung, als Elemente
des Neolithikums, wurden im 10. Jahrtausend v. u. Z. in den Bergländern Vor-

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dcrasicns entdeckt. Fast zum Ende dieser Agrarrevolution in Vorderasien, dem
qualitativ entscheidenden Teil der Übergangsperiode von der Urgesellschaft zur
ersten Formation der Klassengesellschaft, etwa 4000 v. u. Z., nimmt der Mansch
nach Hund, Ziege, Schaf, Rind und Esel auch das Pferd in die Hausticrhaltung
auf.

Die archäologischen Beiträge des DDR-Wissenschaftlers Burchard Brentjes zur
Zoologie führen zu dem Schluß, daß das Pferd im Ergebnis des kulturellen Ein-
flusses Vorderasiens auf das mittelasiatische und südrussische Steppengebiet dort
zum erstenmal domestiziert wurde. „Die Anregung hierzu", so schreibt Brentjes,
„mögen die Jahrtausende zuvor nach dem Norden gedrungenen Hausrinder ge-
geben haben. Jedenfalls wurde das Pferd, als es im 3. Jahrtausend nach Mesopo-
tamien gelangte, nach Rinderart geritten, und es dauerte noch Jahrhunderte, bis
man eine biologisch richtige Schirr- und Zaumweise für das Pferd entwickelte."
Die Hausticrhaltung des Pferdes ist also nur eingeordneter Bestandteil des struk-
turbestimmenden Elements Ackerbau und Viehzucht auf dem Weg zu einer
sozialökonomisch höheren gesellschaftlichen Formation, aber nicht ihr struktur-
bestimmendes Element selbst. Und das auch noch nicht einmal überall, wie unter
anderem die ursprüngliche Entwicklung Amerikas beweist, worauf wir noch ein-
gehen werden.

In Vorderasien war die Keramik längst bekannt und die Verarbeitung von Kupfer
und Blei allgemein verbreitet, die Erfahrung in der Domestizierung von Wild-
tieren bereits Jahrtausende alt, als das Pferd vom Menschen dazu benutzt wurde,
19 das schon relativ stabile Mehrprodukt noch zu vergrößern.

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Was bleibt da von der Behauptung, ohne Pferd keine Mensdiheitsgeschichte?
Tatsächlich gibt es nur einen zeitlich und territorial begrenzten Abschnitt der
Weltgeschichte, für den in der Entwicklung der materiellen Produktionsweise
das Pferd als ein entscheidendes Element sichtbar wird. Bei den Pferdenomaden
Eurasiens, den Saken, Skythen, Sarmaten und anderen bis zu den Mongolen
bildete das Pferd die Lebensgrundlage. Diese Völkergruppc ist die einzige, die
ökonomisch vom Pferd abhing und ihm zugleich ihre große historische Rolle als
mobile Reitervölker verdankt. Als etwa im 8. bis 6. Jahrhundert v. u. Z. die sibi-
risch-mittelasiatischen Steppenbewohner zum Nomadisieren mit Pferdeherden
übergingen, bildete das auch für die Dauer von rund 2000 Jahren den Beginn
jener Reiterangrifïe, die Vorderasien, China und Europa immer wieder an den
Rand des Abgrunds brachten. Dabei kamen zeitweise Reiterheere mit 300 000
bis 400 000 Pferden zum Einsatz.

Noch klarer wird das Problem, wenn wir nicht nur aus dieser Sicht nach dem
Platz des Pferdes im System der gesellschaftlichen Produktivkräfte suchen, son-
dern auch noch die Entwicklung in Amerika berücksichtigen. - Dabei ist die in
der hippologischen Literatur weit verbreitete Auffassung zu korrigieren, bei der
Besiedlung des amerikanischen Kontinents hätten die sibirischen Nomaden-
stämme in der Fauna das amerikanische Urwildpferd nicht mehr vorgefunden.
So gehören zu den auf 18 000 bis 19 000 Jahren alt geschätzten Funden in der
Sandiahöhle im Las-Huertas-Canon im USA-Staat New Mexiko auch Knochen
von Pferden. Die Vertreter der Folsumkultur, für deren bedeutendste Fund-
stätte bei Fort Collins im USA-Staat Colorado ein Alter von 11 000 Jahren er-
mittelt wurde, müssen ebenfalls das Urwildpferd Amerikas noch gejagt haben.
Auch auf ihren Rastplätzen wurden Pferedeknochen gefunden.

Wir wissen noch nicht, warum und wann das amerikanische Urwildpferd aus- " 20

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Bild eines Pferdes im Winterfell ans der Höhle Niaux bei Tarascon (Süd-Frankreich). Wnrde
von O. Abel als Tarpan klassifiziert und ebenfalls dazu benutzt, die Theorie einer poly-
zenttischen Abstammung unserer Hanspferderassen zu stützen

gestorben ist. Das Haustierstaclium hat es mit Sicherheit nicht erreicht. Die frühen
Hochkulturen der Azteken, Maya und Inka entwickelten sich ohne das Haus-
pferd. In der historischen Erscheinung des amerikanischen Neolithikums jeden-
falls fehlt das Hauspferd. Es hat keine Rolle in den auch hier primär neuen und

Farbige Höhlenmalerei des späten Magdalénien, Höhle von Lascaux, Frankreich.
Von Pfeilen getroffenes Wildpferd

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entscheidenden Produktivkräften von Ackerbau und Viehzucht gespielt, die bei
den progressivsten Völkern Mittel- und Südamerikas in der staatlich-politischen
Entwicklung bereits zu Formen patriarchalischer Sklaverei und des Frühfeuda-
lismus führten, ehe die europäische Kolonisation begann.

Wer wollte aber leugnen, daß die Geschichte der indianischen Ureinwohner
Amerikas ein Teil der Menschheitsgeschichte ist?

Wenn wir uns aus vielen Gründen für das Pferd in seinen heutigen Existenz-
formen begeistern, so sollte das nicht den Blick für eine sehr wesentliche Tatsache
trüben: Das Pferd war zu keiner Zeit seiner bisher rund 6000 Haustierjahre die
im gesellschaftlichen Produktionsprozeß wirksamste und damit wichtigste „Natur-
kraft". Das blieb bis zur industriellen Revolution des Kapitalismus der physi-
schen Kraft des Menschen vorbehalten. Die Handarbeit wirkte bis dahin als der
bestimmende Faktor für den Grundcharakter der Produktion.
Nur zu folgerichtig erwies sich dann der „Hafermotor" in historisch kürzester
Frist den von der industriellen Revolution des Kapitalismus hervorgebrachten
Produktivkräften eindeutig unterlegen.

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Die Hippologie von Kikkulisch bis zu Griso

Der praktische Umgang mit dem Haustier Pferd schuf nach und nach über Jahr-
tausende die Grundlagen für die Hippologie, die wissenschaftliche Lehre vom
Pferd.

Ihre uns bekannten Wurzeln reichen bis ins zweite Jahrtausend v. u. Z. zurück.
Aus dem 14. Jahrhundert v. u. Z. ist auf Tontafeln in hethischer Sprache das Buch
des Kikkulisch aus dem Churriter-Reich Mitanni überliefert. Kikkulisch behan-
delt darin die Dressur des Pferdes und äußert sich auch zur Pferdezucht sowie

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zum Training für Wagenrennen. Aus dem zweiten Jahrtausend v. u. Z. können
heute dem Mitanni-Text auch assyrische Texte zur Seite gestellt werden. Die
erkennbare äußerliche Ähnlichkeit der modernen Trainingssysteme mit den Rat-
schlägen aus der altorientalischen Pferdegeschichte zeigt sich noch deutlicher beim
Vergleich mit der Reitlehre des Griechen Xenophon, geboren etwa um 430 v. u. Z.
Der athenische Heerführer hatte seine Erfahrungen und Gedanken zur Reitkunst
nach einem lebenslangen Umgang mit Pferden niedergeschrieben. Dem um das
Jahr 365
v. u. Z. entstandene „Hipparchikos" folgte bald die „Hippike", die

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„Reitkunst", in denen er vor allem den Epheben aus den begüterten Kreisen
Athens Anweisungen für den Umgang mit Pferden gibt. Gleichzeitig versucht er,
die von einem Mann namens Simon schon früher verfaßte Schrift zum gleichen
Thema ergänzend zu vervollständigen. Bemerkenswert ist, daß Simons Werk,
von dem nur ein Kapitel über Aussehen und Auswahl der Pferde in zwei Hand-
schriften erhalten blieb, auch veterinärmedizinische Fragen behandelt haben soll,
die Xenophon nur am Rande erwähnt-

In der literarisch belegten Spur der Hippologie führt der Weg nach Europa von
Vorderasien über Griechenland weiter. Das spiegelt nur wider, was sich in der
Entwicklung der Produktivkräfte zuvor auf dem gleichen Wege vollzogen hatte.
Der Balkan wirkte in Ackerbau und Viehzucht als Vermittler zwischen dem
Vorderen Orient und Mitteleuropa. So ist die Pferdezucht in Mitteleuropa unter
dem Einfluß sozialökonomisch höher entwickelter Kulturbereiche entstanden.

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Demgegenüber vertritt Kurt Erdmann in seiner „Einführung in die Zoologie für
Landwirte und Tierärzte", erschienen 1965 in Jena, den Standpunkt: „Die Do-
mestikation dürfte vor etwa 5000 Jahren in Sibirien, Südosteuropa und Mittel-
europa unabhängig erfolgt sein." Einschränkend zur gleichen Ansicht weiterer
Autoren anerkennt er nur das Urwildpferd vom Typ des Equus przewalski als
Stammform aller unserer Hauspferde, ob nun Kalt-, Warm- oder Vollblut. Es
gibt tatsächlich keinen Grund, die proße Vielfalt der Hauspferde nicht als züch-
terische Leistung des Menschen zu werten, sondern eine polyzentrische Herkunft
anzunehmen.

Ebenfalls wird noch darüber gestritten, ob der Hauspferdeeinsatz im Gespann-
dienst oder als Reittier begann. Archäologische Dokumente mehrerer Jahrtau-
sende geben Brentjes und anderen Forschern recht, die die Hauptnutzung bis in
das erste Jahrtausend v. u. Z. im Gespanndienst sehen. Das geschah mit leichten
und schweren Pferden, je nach Bedarf bei Renn-, Jagd- und Kampfwagen oder
relativ schweren Lastenwagen. Die Arbeit vor dem Pflug gehörte noch nicht zu
den Hauptaufgaben des Pferdes.

Schon früh wird der Wert des schnellen Pferdes in den großen Zentralreichen
Asiens und Europas für die Nachrichtenübermittlung geschätzt und genutzt. Die

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Perser und Römer lassen schriftliche Nachrichten durch Reiter überbringen. Spä-
ter verfügt die Kalifendynastie der Abbasidcn, 750 bis 1258 u. Z., über 950 Post-
stationen im arabischen Großreich. Dschingis-Chan sichert sich, nachdem seine
Mongolenheere große Teile Asiens und Europas erobert haben, mit Hilfe von
ig 000 Poststationen die Grundlage für die zentrale Führung.
Herausragendes Ereignis im Altertum in bezug auf das Pferd sind die Fahr- und
Reitwettbewerbe der olympischen Spiele. Zu den Programmen gehörten seit dem
Jahre 680 v. u. Z. Wagenrennen mit Vierergespannen. 648 v. u. Z. erlebt das
Wettreiten seine Premiere. Im
5. Jahrhundert v. u. Z. werden dann Rennen mit
Maultiergespannen vorgeführt. Wagenrennen mit Zweiergespannen erfreuen die
Wettkämpfer und Zuschauer seit der 93. Olympiade 408 v.u.Z. Im Jahre 256
v. u. Z. wird das vielseitige pferdesportliche Programm noch durch Wettreiten
auf Hengstfohlen ergänzt Aber 68 v. u. Z. ist es mit den Pferderennen zunächst

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zu Ende. Sie werden bis zum Verbot der olympischen Spiele im Jahre 39}, das
auf Betreiben der christlichen Kirche durch den römischen Kaiser Thcodosius
erfolgte, in Olympia nur noch zeitweilig zugelassen.

Viel Schweiß wird von den einfachen Menschen, Sklaven, Leibeigenen und Lohn-
arbeitern, für die Zucht von Militärpferden vergossen, die in privilegierten Ka-
vallerieverbänden geritten werden. Manches edle Roß geht im Schlachtengetüm-
mel elend zugrunde, ohne jemals einen Beitrag für eine noch bessere Pferde-
gencration leisten zu können. Persönlichkeiten, denen der geschichtliche Nachruf
ein ewiges Andenken erhält, erwerben ihren Ruhm mit durch die Siege ihrer
Kavallerie. So zählt auch Alexander von Makedonien zu den größten Kavallerie-
generälen aller Zeiten.

Unübersehbar ist dabei in den Heeren der sozialökonomisch fortgeschrittensten
Staaten Europas der Trend zu einem immer schwereren Pferd. So verbindet sich
der Name Karl Martells mit dem Sieg in der Schlacht von Poitiers, 732 u. Z., als
eine reguläre Kavallerie mit gepanzerten Reitern und Pferden schlachtentschei- 28

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Bronzetorso eines galoppierenden Pferdes aus dem z. Jahrhundert v. u. z.
Gefunden im Norden von Euböa, Griechenland

Reiterstandbild des römischen Kaisers Marc Aurel in Bronze. Um ijo in Rom

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dend der arabischen Invasion in Europa ein Halt gebot. Die Zucht schwerer
Kavalleriepferde für Panzerreiter läßt sich jedoch schon im 8. bis 7. Jahrhundert
v. u. Z. in Mittelasien nachweisen.

In der Zucht des Militärpferdes bis hin zum schwersten Ritterpferd realisiert sich
ein gesetzmäßiger Prozeß. Die Militärpferdezucht folgt hierin der Kriegstechnik,
die sich - wie Friedrich Engels es in seinen militärthcoretischcn Arbeiten als
erster nachgewiesen hat - mit der materiellen Produktionsweise verändert und
entwickelt. Dazu im Widerspruch finden wir in der hippologischen Literatur oft
den Versuch, die Zeit zwischn dem Griechen Xenophon, 4. Jahrhundert v. u. Z.,
und dem Italiener Griso, 16. Jahrhundert u. Z., als eine Periode der Fehlentwick-
lung der Pferdezucht sowie von Reit- und Fahrkunst darzustellen. Wie wir noch
sehen werden, ist ein solcher Standpunkt auch in anderer Hinsicht falsch.
Sicherlich wird nicht nur der passionierte Pferdefreund verstehen, was das Huf-
eisen für das Pferd und die Reit- und Fahrkunst bedeutet, jener notwendige
Schutz für den Hornhuf des Steppentieres, das dem Menschen auf allen Wegen
folgen muß. Seine Erfindung im Vorderen Orient, handgearbeitet und aus dün-
nen Blechplatten in den verschiedensten Formen, glückte vor mehr als 2000 Jah-
ren. Als nicht minder wertvoll erwies sich die Erfindung des Kummets im 10.
Jahrhundert u. Z. Der Technikhistoriker Friedrich Klemm, er wird in dem 1969
im Dietz Verlag, Berlin, herausgegebenen Werk „Die Produktivkräfte der Ge-
schichte" zitiert, charakterisiert den Wandel des Pferdegeschirrs mit den Worten:
„Die Antike schirrte ein Pferdepaar unter Verwendung eines auf dem Nacken
der Pferde liegenden Doppeljochs an den Wagen. Das Joch wurde bei jedem der
Pferde durch einen Hals- und einen Unterbrustgurt festgehalten. In der Mitte des
Jochs war die Wagendeichsel befestigt. Beim Anziehen drückte der Halsgurt
unweigerlich auf die Luftröhre des Tieres, wodurch es an der rechten Zugleistung
gehindert wurde." Durch das Kummet mit seitlichen Strängen wurde der Druck
des Zuges auf die Schultern des Pferdes verlegt, womit man eine drei- bis vier-

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fache Zugleistung erreichte. Das schnellere Pferd vor dem Pflug mit dem eisernen
Schar brachte gegenüber dem langsamen Zugochsen eine spürbare Produktivitäts-
steigerung.

Auch ein in dieser Zeit wurzelnder kulturhistorischer Aspekt sollte nicht unbe-
achtet bleiben. Viele Reiterspiele, heute im Zeichcn einer humanistischen Tradi-
tionspflege von militaristischen Tendenzen befreit und volkstümlich ergänzt,
wurden im Mittelalter geboren.

Doch das alles wird durch eine tierzüchterische Leistung des Mittelalters von
Weltformat überragt, der Züchtung des arabischen Vollblutpferdes. Friedrich
Engels rühmt in seinem Beitrag zur Geschichte der „Kavallerie" für „The New
American Cyclopaedia" als Eigenschaft des arabischen Vollblutpferdes „große
Schönheit, Schnelligkeit, Gelehrigkeit und Ausdauer". Seit dem 13. Jahrhundert
genießt es Weltruf und dient zum Ausgang des Mittelalters dem Aufschwung der
Pferdezucht mehrerer Staaten. Generell kann für die Jahrhunderte zwischen
Antike und Renaissance als Bilanz gelten, daß auf diesem Boden sehr sicher der
Schritt zu einer qualitativ neuen Militärpferde- und einer variantenreichen Wirt-
schaftspferdezucht gegangen werden konnte.

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Theorie und pferdezüchtcrische Praxis im fcudalistischcn
Deutschland

Die hippologische Forschung und Literatur sowie die Bahnreiterei erhalten ihren
Glanzpunkt in der Renaissance durch den Italiener Federico Griso. Das war kein
Zufall, ebensowenig wie die baldige Verlagerung des pferdezüchterischen Zen-
trums nach England, wovon noch die Rede sein wird. Auch hier war der enge
Zusammenhang mit den Veränderungen in der Produktionsweise gegeben. Die
kapitalistische Produktionsweise hatte sich zuerst in Italien entwickelt, wenn es
auch bald seine führende Rolle einbüßte. Von Italien ausgehend verbreiteten sich
in der Renaissance bürgerliche Ideologie, Wissenschaft und Kultur, erhielten
Pferdezucht und Reitkunst Impulse für eine neue Richtung.
Griso hatte zu Beginn des i6. Jahrhunderts in Neapel, mit regem Zuspruch aus
den europäischen Adelskreisen, eine Rciterakademie eröffnet. 1550 gibt er die
„ordini di calvalcare", die „Reitrcgeln" heraus. Grisos Schüler Pignatelli bildet
dann drei große Reitkünstler heran - Antoine de Pluvinel und Salomon de Broue
in Frankreich und Chevalier de Saint Antoine in England -, die im Geiste der
Griso-Tradition Bahnbrecher moderner Turnierreitkunst werden.
Das erste deutschsprachige hippologische Werk „Von der Gestüterey", sein Ver-
fasser ist Marxen Fuggcrn, Herr von Kirchberg und Weissenborn, erschien 1577
in Frankfurt am Main, verlegt von Nicolaus Rothen. Ihm schließen sich die
Arbeiten von Georg Engelhard von Löhneysen „Zäumungslehre", 1588, und
„Neu-eröffnete Hof-, Kriegs- und Reit-schul", i. Auflage Remlingen 1609, an.
In den nächsten 200 Jahren sind in der deutschen hippologischen Literatur, wie
auch in der anderer Länder, aber sehr zum Unterschied von England, vor allem
die verschiedenen Details der bahnmäßigen Reiterei, einschließlich ihrer betont
militärischen Aspekte, Gegenstand der Veröffentlichungen. So bietet zum Bei-
spiel Georg Simon Winter von Adlersflügel ein vielseitiges Programm hippolo-
gischer Schriften an, zu denen die „Reit- und Zaumkunst" (Nürnberg 1673), die
„Reitkunst" (Ulm 1674), ein „Wohlberittener Chavalier" und der „Roßarzt"
(beide Nürnberg 1678), ein „Kurioser Stallmeister" (Nürnberg 1691), das „Stu-
terei Buch" und andere gehören.

Das höfische Schaureiten drückt der deutschen Reitlehre seinen Stempel auf,
worüber unter anderem bei J. B. von Rohr in seiner Einleitung zur „Ceremoniel
Wissenschaft" (Berlin 1729) nachzulesen ist. Weitere Titel des 18. Jahrhunderts
verraten, daß die deutsche hippologische Forschung und Literatur unter dem
Druck der rückständigen politischen und ökonomischen Situation noch viele Jahr-
zehnte in dieser Position verharrt. So veröffentlicht Zehenter 1753 den Titel
„Unterricht zur Anweisung eines jungen Kavaliers im Reiten", dem J. B. von Sind
mit „Unterricht in den Wissenschaften eines Stallmeisters" (Gotha 1770) sowie
von Hünersdorf mit der „Anleitung zu der natürlichsten und leichtesten Art
Pferde abzurichten" (Marburg 1791) folgen.

Dieser Situation entsprach auch die pferdezüchterische Praxis. Die Kavallerie,
aus Mangel an Remonten mit ausländischen Pferden und dabei besonders aus
Rußland auszurüsten, war an der Tagesordnung. Und mancher der absoluten 32

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Die Maler der Renaissance gaben dem Pferd seine Stellung in der Kirnst zurück. Pjerde-
studien von Leonardo da Vinci. Zeichnung in der Bibliothek Turin

5 Mit dem Pferd

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Herrscher setzte sich am liebsten auf ein englisches Pferd, so auch der von einer
chauvinistischen Propaganda zur preußisch-dcutschcn Symbolfigur erkorene Fried-
rich II. Bei den nationalistischen Conde-Storics wird meist die Kleinigkeit ver-
gessen, daß es sich hier um ein Pferd englischer Zucht handelte.
Überhaupt hatte dieser Preußenkönig nichts für die Pferdezucht übrig. Das ihm
gehörende Gestüt Trakehnen fristete so recht und schlecht sein Dasein. Erst nach
seinem Tode begann, wenn auch von den Iniatoren ausschließlich den Zielen des
preußischen Militarismus untergeordnet, nach und nach der pferdezüchterische
Aufstieg Trakehnens.

Womit die Preußenkönige ihre Pferdezüchter noch zum Ausgang des 18. Jahr-
hunderts beschäftigten, macht folgende Textstelle über Trakehnen aus dem von 34

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Pjerdestudien.

Albrecht Dürer, 'Zeichnung aus dem
.Dresdner Skizzenbitch',
Sächsische Landesbibliothek

.-O A

Bewaßnete Bauern

im Großen Deutschen Bauernkrieg

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Brandenburgische Dragoner
(Bild oben links)

Kesselpaiiker

der brandenbnrgischen Reiterei.
1. Hälfte des ij. Jahrhunderts
(Bild oben rechts)

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37 Reiterkampt. i. Hiilfle des /y. ]ahrhuuderts

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Friedrich II. auf Conde

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Obcrlandstallmcistcr Groscurth herausgegebenen Buch „Die prcußischc Gcstüts-
vcrwaltung" deutlich. „Mit . . . verschiedenen Hengsten . . . war bunt durchein-
ander gezüchtet worden, ohne irgendeiner Rasse den Vorzug zu geben. Wie Zufall
oder Laune der vorgesetzten Beamten diese Tiere ins Gestüt brachten, so wurden
sie benutzt. Diese Launen waren mitunter sehr sonderbarer Natur. So wurde
unter anderem 1787 von Berlin aus befohlen, daß in Trakehnen Versuche ge-
macht werden sollten, Kühe mit Hengsten und Stuten mit Stieren zu paaren.
Zwar erlaubte sich der damalige Landstallmeister, Herr von Brauchitsch, ganz
gehorsamst dagegen Vorstellungen zu machcn, es half aber nichts : ,Ich habe ein
solches Tier in einer Menagerie in Cassel gesehen, es hat mir sehr gefallen, und
ich will, daß Trakehnen auch solche Tiere producicre', so lautete der sehr be-
stimmte Bescheid des Herrn Obcrlandstallmeisters, und dieser war der sachver-
ständige Graf Lindenau . . . Nach Lage der Akten sollen solche Paarungen vor-
gekommen sein." Und tatsächlich wurden von 1787 bis 1793 i" Trakehnen
Paarungen von „Stier mit Stute und Eselin, von Pferde- und Eselhengst mit Kuh
mit je sechs Individuen versucht, um ein fabelhaftes Geschlecht sogenannter
Jumarren zu erzielen".

In diese Zeit fällt auch die Gründung einer Institution, die von bürgerlichen
59 Historikern ebenfalls mit einem Glorienschein reiner pferdezüchterischer Lei-

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stungen bedacht wurde, der preußischen Gcstütsverwaltung. Einer, der es genau
wußte und auch ausgesprochen hat, der schon erwähnte Oberlandstallmcister
Groscurth, charakterisierte ihre Ziele kurz und bündig mit der Zucht von Re-
monten, von Militärpferden.

Maßnahmen einzelner Landesfürsten - wie der württembergischen Kurfürsten
und Könige - aus irgendwelchen Gründen die Pferdezucht grundsätzlich zu ver-
bessern, stießen auf die Barrieren politischer und ökonomischer Rückständigkeit.
In einem zeitgenössischen Bericht finden wir über die preußische Rückständigkcit
folgende Einzelheit: „Gestütknechte, die nicht die genügenden Hemmungen ge-
gen ihnen zugewiesene .douceurs' aufbrachten, konnten sich des Anspruches auf
eine Strafe von 50 Prügel für jeden Übertretungsfall nicht entziehen."
So weist die Chronik zwar das 18. Jahrhundert und manchmal auch schon das
17. Jahrhundert als Gründerzeit zahlreicher deutscher Gestüte aus. Ihre Wirkung
in der Landcspferdezucht blieb gering, denn sie verdankten ihre Existenz ur-
sprünglich nur der Absicht, die Marställe der Hofhaltungen mit geeigneten Pfer-
den zu versorgen. Eine leistungsfähige deutsche Pferdezucht gab es noch nicht.
Die Änderung dieses Zustandes sollte und konnte erst die sich verstärkende
kapitalistische Entwicklung in der Landwirtschaft bringen.

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Das thorough bred horse wird geboren

Hier ging seit rund 200 Jahren die englische Pferdezucht der gesamten Entwick-
lung in der Tierzucht voran. Ihr hervorragendstes Produkt bildet das thorough
brcd horse, das vollkommen durchgezüchtete Pferd, wie das englische Vollblut-
pferd bei wortlicher Übersetzung korrekt heißen müßte.

Es entstand als Kreuzung von immer wieder auf Rennlcistung ausgeiesenen eng-
lischen Landstuten, den sogenannten Galloways mit bereits starkem orientali-
schen Blutanteil, sowie orientalischen Stuten und Hengsten verschiedenster Rassen
bis hin zum Vollblutarabcr. Ab 1709 erfolgte in England der Ergebnisnachweis
durch Rennkalender. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Zucht
rein weitergeführt, was man mit dem General Stud Book Band I, 1793 heraus-
gegeben, auch öffentlich beurkundete.

Es mindert nicht den Wert des englischen Vollblutpferdes, einer Perle tierzüch-
terischer Leistungen, daß zu seiner Züchtung Pferde mit benutzt wurden, deren
Abstammung wohl für immer unbekannt bleiben wird. Forscher ermittelten, daß
für den jetzigen Weltbestand von 400 000 englischen Vollblütern mütterlicherseits
lediglich 40 Stuten als Ausgangsbasis in Frage kommen. Geprüft an den Renn-
leistungen, wurden die Nachkommen schließlich nur mit Hengsten gepaart, die
in den Hengstlinien auf Beverley Turk, Darley Arabian oder Godolphin Barb
zurückgeführt werden konnten. Soweit der äußerliche Rahmen. Aber warum
wurde der englische Vollblüter gerade zu dieser Zeit gezüchtet, was veranlaßte
die englischen Pferdezüchter dazu?

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Ausgangspunkt einer richtigen Analyse kann nur sein, daß diese Pferderassc in
einer Periode der englischen Landwirtschaft entsteht, von der Karl Marx in sei-
nem Hauptwerk „Das Kapital" schreibt: „Der antagonistische Charakter der
kapitalistischen Produktion und Akkumulation bewährt sich nirgendwo brutaler
als in dem Fortschritt des englischen Landbaus (Viehzucht eingeschlossen) und
dem Rückschritt des englischen Landarbeiters." Das englische Vollblutpferd ist
also ein Produkt grundsätzlicher Veränderungen der Produktionsweise. Mit dem
thorough bred horse erreichte die Pferdezucht den für die kapitalistische Produk-
tionsweise notwendigen Fortschritt. Damit entstand die Leistungs- und Konsti-
tutionsreserve für den allgemeinen Aufschwung der Pferdezucht in der ganzen
Welt, derer man sich zur Verbesserung der Pferdezucht bediente, wenn die Zeit
in den einzelnen Ländern dafür reif war.

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Die Anfänge der deutschen Vollblutzucht

Viele bürgerliche Autoren lieben es, die Bekanntschaft der deutschen Pferdezucht
mit dem englischen Vollblut als großes Verdienst des mecklenburgischen Junkers
Gottlieb von Biel und seines Bruders Wilhelm darzustellen. Weil sie, so wird
behauptet, die Vollblüter bei den Truppen des englischen Verbündeten im Be-
freiungskrieg gegen Napoleon kennengelernt hätten, wären sie auf den Gedanken
der deutschen Zucht dieser Pferderasse gekommen. Andere Äußerungen möchten
wieder die englische Gattin Gottlieb von Biels in die Konstruktion einflechten.
Das bleibt wiederum nur an der Oberfläche des Problems. Wenn man auch mit
manchen Ansichten über Vollblut oder nicht Vollblut in Deutschland in vielen
Fällen bis zur Einführung des „Allgemeinen Deutschen Gestütbuches" im Jahre
1847 leicht aufs Glatteis gerät, so steht doch fest, daß der Import des englischen
Vollbluts nach Deutschland nicht die erstmalige Tat der Biels war.
Schon im gesamten 18. Jahrhundert gibt es eine verstärkte Einfuhr edler Pferde
aus England. In den 80er Jahren beginnt dann der Import des auch urkundlich
belegten Vollbluts in Deutschland. Allerdings findet manches als Vollblut von
Gutsbesitzern und staatlichen Gestüten erworbene Pferd später diese Anerken-
nung nicht. Nach vielen Untersuchungen können wir heute den seit 1788 in Neu-
stadt aufgestellten und 1770 geborenen Alfred als ersten Vollbluthengst in
Deutschland einstufen. In den nächsten dreißig Jahren benutzen von Farenhaid-
Angerapp (seit 1805 J. Buzzard und 1806 J. Trumpator), Gestüt Neustadt (seit
1806 Saxony und 1818 The Cryer), Graf Plessen-Ivenack (seit 1816 oder 1817
Y. Dick Andrews), Gestüt Trakehnen (seit 1818 Amber, Mungo und Scrapall)
sowie Gestüt Graditz (seit 1818 Elektor) die genannten Vollbluthengste als Bc-
schäler vor allem in der Halbblutzucht. Lediglich Y. Dick Andrews diente im
Einklang mit den 1822 aufgenommenen Rennen der Vollblutzucht. Auf Grund
der fehlenden Leistungsprüfungen bleibt es bedeutungslos, daß auch J. Buzzard
und J. Trumpator vereinzelt Vollblutstuten deckten. Dieser Strom edler Pferde
nach Deutschland wurde nur für den Zeitraum der Kontinentalsperre Napoleons
von 1806 bis zu der faktischen Aufhebung 1812 unterbrochen.
Ab 1790 können auch die ersten Vollblutstuten in Deutschland registriert wer-
den. In Neustadt werden sie, sechs an der Zahl, für die Halbblutzucht verwendet.
Erst 1818 mit Oracle (geboren 1815) bringt Gottlieb von Biel seinen ersten Voll-
bluthengst nach Deutschland. Wenn die Gebrüder Biel und andere mecklenbur-
gische Großgrundbesitzer dann das thorough bred horse in großem Stil einführ-
ten, folgten sie damit jenem Zwang zur verbesserten Pferdezucht der kapitalisti-
schen Produktionsweise, die sich in ihren Wirtschaften mehr und mehr durchsetzte.
Nicht umsonst verlangt Göttlich von Biel in seinem Buch „Einiges über edle
Pferde" immer wieder ausdrücklich die freie Konkurrenz in der Pferdezucht, die
durch die feudalistischen Gestüte in ihrer vollen Entfaltung behindert wird.
Das Geschäftsstreben der Biels - mit besten Verbindungen zur britischen Firma
Tattersall sowie als Hauptimporteur und Vermittler englischer Vollblutpferde
in Deutschland - läßt sie gleichzeitig die irrige These propagieren, daß in der
45 Landespferdezucht ein Vollbluthengst in jedem Falle ein besseres Produkt brin-

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Offizier des Garde du Corps (iSio), eine der exklusivsten und reaktionärsten preußischen
Elitetruppen. Von der Novemberrevolution auseinandergejagt, sammelten sich viele An-
gehörige des Garde du Corps in den Freikorpsbanden. Garde-du-Corps-Offizier Franz Chales
^de Eeaulieu engagierte sich dann 1919 beim Unionklub

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gen würde als ein anderer Beschäler. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts
präsentiert sich das Ergebnis im Ruin der ursprünglichen mecklenburgischen
Warmblutzucht, die sich schließlich völlig neu auf das hannoversche Zuchtziel
orientieren muß. Die sich über Jahrzehnte hinquälende Entwicklung der Voll-
blutzucht in Deutschland, ehe ein einigermaßen sicheres Fundament einer boden-
ständigen Zucht vorhanden ist, mag nicht zuletzt seine Ursache auch darin haben,
daß der Ausgangspunkt in einem mecklenburgischen Kleinstaat liegt, der an
Rückständigkeit manchen anderen noch übertraf. So war hier auch erst zwei Jahre
vor dem Bad Doberaner Rennauftakt die Leibeigenschaft aufgehoben worden,
was in der Form geschah, daß der Großherzog von Mccklenburg-Schwerin nun-
mehr fast alle Bauern des Landes zu seinen Pächtern zählte.
Der Siegeszug des englischen Vollblutpferdes in Europa übte einen tiefen Einfluß
auf die deutsche hippologische Literatur aus. Es erschienen bürgerliche hippo-
logische Werke ganz neuer Art. In den Vordergrund traten Fragen der Pferde-
zucht und der Rennleistungsprüfungen. Besonders in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts trugen diese Arbeiten den Charakter von Streit-und Werbeschriften.
Dazu zählen unter anderen Hazzis ,,Über die Pferderennen als wesentliches Be-
förderungsmittel der besseren Pferdezucht" (München 1826), W. von Burgdorfs
„Versuche eines Beweises, daß die Pferderennen in England kein Beförderungs-
mittel der Pferdezucht in Deutschland werden können" (Königsberg 1827),

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In ;4 Rennen in Ungarn, Österreich, Denlschland, Frankreich und England blieb die in
Ungarn gezüchtete Stute Kincsem, geb. ij. j. 1S74, ungeschlagen

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Klochs „Über Wettrenner und Wettrennen" (Breslau 1835) und von Halbys
„Über Pferdezucht, Reitkunst, Wettrennen und Rennpferde" (Berlin 1836).
In der Praxis war der Streit aber bereits am 22. August 1822 entschieden, als in
Bad Doberan das erste deutsche Galopprennen von Vollblutpferden englischer
Herkunft gestartet wird. 1829 findet in der preußischen Hauptstadt Berlin das
erste Rennen statt. Die mit den Anfängen der deutschen Vollblutzucht verknüpf-
ten Legenden über die Vollblutzüchter aus adligen Kreisen halten Quellenstudien
nicht stand. Die sachkundige Leitung der Vollblutzucht und ihres entscheidenden
Bestandteils, des Trainings der Rennpferde, oblag englischen Fachkräften. Gott-
lieb von Biel hatte zum Beispiel für diesen Zweck als ersten Stallmann, der
Trainer und Jockey zugleich war, den Sohn eines berühmten Hufschmiedes aus
Newmarket namens Webb engagiert. 1830 sind die Engländer auch in den Ber-
liner Ställen.

Die ersten Jahrzehnte der deutschen Vollblutzucht und Rennen geben ein ge-
treues Spiegelbild der politischen Situation in Deutschland. Jede Rennbahnleitung
gab ihre eigenen und meist von den Bestimmungen anderer Bahnen abweichenden
Rennordnungen heraus. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts werden etwa fünfzig
deutsche Rennplätze gezählt.

Englische Vollblutstute. Gemälde des Malers Ferdinand von Rayski, der die realistischen
Traditionen in der Tiermalerei fortsetzte. Das Bild entstand um 1860

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Marx und Engels über Pferde und Reiten

Wenn schon mehrere Male von der Entwicklung der hippologischen Literatur in
den verschiedenen Epochen die Rede war, so wollen wir in diesem zeitlichen
Zusammenhang die Aufmerksamkeit auf das Interesse von Karl Marx und Fried-
rich Engels für Pferde und Reiten lenken.

Es ist Friedrich Engels, der am 31. Dezember 1857 in einem Brief aus Manchester
an seinen Freund Marx in London das Problem des Reitens zum Gegenstand
ihres Briefwechsels macht. Und wie wir später sehen werden, nicht zufällig- Den
Mitteilungen über das militärische Vorgehen derEngländcr gegen aufständische
Inder und die Wirtschaftskrise dieses Jahres fügt er aus der persönlichen Sphäre
noch etwas über das Vergnügen einer Fuchsjagd an. Er schreibt: „Am Samstag
war ich Fuchsjagen, sieben Stunden im Sattel. So eine Geschichte regt mich immer
für ein paar Tage höllisch auf, es ist das großartigste körperliche Vergnügen, das
ich kenne. Im ganzen Feld sah ich nur zwei, die besser ritten als ich, sie hatten
aber auch bessere Pferde. Das bringt meine Gesundheit schon auf den Strumpf.
Wenigstens zwanzig Kerle fielen vom Pferd oder stürzten, zwei Pferde wurden
ruiniert, ein Fuchs getötet (ich war beim Schuß dabei) ; Pech passierte sonst keins.
Übrigens waren die echten Fuchsjäger nicht mit, die reiten natürlich viel besser
als ich."

Kurze Zeit später, am 8. Februar 1858, nimmt Engels seine schlechte Gesundheit
zum Anlaß, Marx wieder etwas über seine sportliche Betätigung als Reiter zu

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Marx und Engels

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berichten. Die offene, derbe Art entsprang nicht nur der Vertrautheit der beiden
Kampfgefährten, sondern spiegelt gleichzeitig deutlich den Charakter Friedrich
Engels' wider, dem - wie Karl Marx - jedes Philistertum verhaßt war. Er be-
merkt: „Diese Lumpereien, die sich apropos von Erkältungen zeigen, werden
mich wohl ab und zu plagen, bis ich wieder ins Seebad gehe. Jedenfalls muß ich
mich inzwischen noch in acht nehmen. Als Abieiter dienen mir übrigens meine,
seit meiner Rückkehr ziemlich verwickelten Hämorrhoiden, das hilft jedesmal
auf dem Fleck, aber macht mir dann auch auf ein paar Tage jedes andere Sitzen
als auf dem Gaul unmöglich. Daher mein Stillschweigen vorige Woche und mein
Mangel an Lieferung seit Montag. Ich konnte nur liegen die meisten Abende.
Indes ist die Erkältung jetzt am Nachlassen dergestalt, daß ich gestern wieder
28 Meilen reiten konnte, und so können wir morgen wieder anfangen."
Doch das veranlaßt nun Marx, Besorgnis anzumelden. Sechs Tage später, am
14. Februar 1858, schreibt er Engels nach Stellungnahme zu aktuellen Problemen
in Frankreich und Südamerika: „Ich gratuliere Dir zu Deinen Reitkünsten."
Dieser Gratulation folgt der freundschaftlich besorgte Rat: „Nur mach nicht zu
halsbrecherische Sprünge, da bald wichtigere Gelegenheit den Hals zu riskieren
kommt. Du scheinst dies Steckenpferd etwas zu arg zu reiten. Jedenfalls glaube
ich nicht, daß die Cavalry die Spezialität ist, worin Du am nötigsten für Deutsch-
land bist. Ich erlaube mir ebenfalls ein leises Bedenken, ob Überanstrengung in
jeder Beziehung Deiner Gesundheit zukömmlich ist. Mir wenigstens ist von
ärztlicher Seite versichert worden, daß die goldene Mitte in allen Arten von
Anstrengungen für Dich einige Zeit Norm bleiben muß."

Friedrich Engels wartet nicht lange mit Argumenten, um Marx' Bedenken zu
zerstreuen. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir auch, was neben dem persönlichen
Spaß am Reiten der tiefere Grund für die so intensive Beschäftigung mit Pferden
in dieser Zeit ist. Schon im Brief an Marx am 18. Februar 1858 schließt er Be-
merkungen zu ökonomischen Fragen die Zeilen an: „Uber die Reiterei schreib'
ich Dir ein andermal. Die Sache ist im Grunde die materielle Basis meiner
Kriegsstudien, was willst Du?" Hier wollen wir das Zitat unterbrechen und er-
klärend hinzufügen, daß Marx und Engels in den Jahren 1857 bis 1860 eine Reihe
von Artikeln für das bürgerlich-fortschrittlichc Konversationslexikon „The New
American Cyclopaedia" geschrieben haben. Wir finden sie zusammengefaßt in
Band 14 der Marx-Engels-Werkausgabe. An erster Stelle stehen die Arbeiten
Engels' über militärische Fragen und dabei besonders der Aufsatz über die
„Armee" sowie der schon erwähnte Beitrag zur Geschichte der „Kavallerie". Sie
enthalten - ausgehend vom Stand der Kriegstechnik jener Zeit - unter anderem
auch Einschätzungen zur Zuchtgeschichte des Pferdes.

Seine Kriegsstudien leistete Friedrich Engels als einen wichtigsten Teil der Vor-
bereitung des internationalen Proletariats auf verstärkte Klassenkämpfe und zur
Unterstützung der antifcudalistischen und nationalen Volksbewegungen. Die sich
ankündigenden revolutionären Ereignisse, die spürbaren Gefahren großer krie-
gerischer Erschütterungen (die sich dann schon 1859 mit dem Krieg Frankreichs
und Piemonts gegen Österreich entluden und im folgenden Jahrzehnt bis zum
deutsch-französischen Krieg 1870/71 immer mehr steigerten), veranlaßten Engels
5 3 zur Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten des bewaffneten Kampfes.

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V- X-

H

Zeichnung von Fred Westphal zu einem Brief von Friedrich Engels an Arnold Riige
vom
z6. 7. 1S42

Als großer Kenner der Kriegskunst, wie Lenin ihn nannte, zeigte Engels in seinen
militärtheoretischen Arbeiten die Entwicklung des Pferdes im Rahmen der be-
waffneten Streitkräfte als einen gesetzmäßigen Prozeß, der durch die Verände-
rungen in der materiellen Produktionsweise bestimmt wird.
Engels' Wertschätzung genießt vor allem die englische Pferdezucht. Und wenn er
auch nicht den Begriff Vollblut gebraucht, so läßt sich unschwer aus den Zusam-
menhängen erkennen, daß er sich der Wirkung des starken Vollbluteinsatzes in
der englischen Militärpfcrdezucht bewußt war. Die britische Kavallerie reite die
feurigsten Pferde, hebt Engels hervor. Kritisch dazu schränkt er unter militäri-
schen Gesichtspunkten ein, daß dies für die Einhaltung taktischer Formationen
zum Nachteil werden kann. Die britische Kavallerie sei bei Angriffen besonders
leicht der Führung entglitten und habe fast überall schwer dafür gebüßt (zum
Beispiel bei Waterloo und Balaklawa). Bekannt aus der englischen Geschichte ■ 54

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Zeichnung von Fred Westpbal zu einem Brief von Friedrich Engels an Karl Marx in London
vom
22. I. iSs7. Engels bedauert den Pjerdekanf, da er die Mittel z'ir Unterhaltung des
Rosses lieber Marx zur Verfügung stellen möchte

ist auch, daß sich Cromwclls Baucrnrcitcrci der königlichen HcrrenLxitcr-Kaval-
lerie, die sehr edle und schnelle Pferde ritt, als überlegen erwies.
Ebenfalls begeistern Engels die Pferde Vorderasiens und Nordafrikas, denen er
schon in den einleitenden Sätzen von „Kavallerie" einräumt, ursprüngliche Quelle
aller am Pferd zu schätzenden Eigenschaften zu sein. Er urteilt: „DieVerwendung
des Pferdes zum Reiten und die Einführung berittener Truppen in Armeen
stammt naturgemäß aus jenen Ländern, in denen das Pferd beheimatet war und
wo das Klima und der Graswuchs die Entwicklung all seiner physischen Eigen-
schaften begünstigten. Während das Pferd in Europa und im tropischen Asien
bald zu einem plumpen Tier oder einem im Wachstum zurückgebliebenen Pony
degenerierte, erzielte die Zucht Arabiens, Persiens, Kleinasicns, Ägyptens und
der Nordküste Afrikas große Schönheit, Schnelligkeit, Gelehrigkeit und Aus-
5 5 dauer." Für die Geschichte des Pferdes ist auch der sich daran anschließende

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Hinweis interessant. „Das Pferd scheint jedoch zunächst nur als Zugtier verwen-
det worden zu sein ; zumindest tritt in der Geschichte der Streitwagen viel früher
auf als der bewaffnete Reiter."

Im Artikel „Kavallerie" begegnen uns - beginnend bei den Reitervölkern der
Perser und der Meder bis zur Kavallerie des 19. Jahrhunderts - noch mehrmals
sachlich fundierte Urteile über Pferderassen, von denen wir eines noch nennen
wollen. Zum Berberpferd, das nachweislich nicht ohne Einfluß auf die Entste-
hung des englischen Vollbluts blieb, schreibt Engels aus der Position des Jahres
1858: „Die Berber Nordafrikas, zumindest aus den Ebenen, sind bis zum heuti-
gen Tage ein Reitervolk, und das herrliche Berberpferd, das Hannibals Krieger
mit einer bisher unbekannten Geschwindigkeit und Vehemenz in die tiefen
Massen der römischen Infanterie hineintrug, trägt noch heute die besten Regi-
menter der ganzen französischen Kavallerie, die chasseurs d'Afrique, und wird
von ihnen als das beste Kriegspferd überhaupt anerkannt."
Engels' genaue Kenntnis der alten Quellen leistungsfähiger Pferdezucht und der
Reitkunst verrät auch die Bemerkung zur Geschichte des römischen Reiches: „In
der östlichen Hälfte des Imperiums behielt die alte Leidenschaft für Pferde und
Reitkunst jedoch ihren Einfluß und Byzanz blieb bis zur Eroberung durch die
Türken der große Pferdemarkt und die Reitschule Europas."
Doch lesen wir jetzt im Brief vom 18. Februar 1858 weiter, in dem Engels die
Besorgnis seines Freundes Marx über einen möglichen Unfall zu zerstreuen ver-
sucht. Dabei erfahren wir gleichzeitig Näheres über das gesellschaftliche Ansehen
des Reitens in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mitten hinein in die damalige
aktuelle Politik richtet Engels eine ironische Spitze: „Lause-Boneparte kommt
den Philistern als ein Held vor, weil er passabel, aber hübsch reitet, und dabei
gibt es hier Zeugen genug, die wissen, daß er ein sehr mittelmäßiger Springer ist
und vor manchem Hindernis ausgebogen ist, über das meine Wenigkeit, ohne sich
zu besinnen, wegreitet. Es ist das Reiten außerdem die einzige körperliche Fertig-
keit, in der ich es wenigstens bis zur Mittelmäßigkeit gebracht habe, und dabei
beim Jagen und Setzen gerade so ein geringer Beisatz von Gefahr (Prohabilitât
i : 10000), daß der Reiz unwiderstehlich ist. Übrigens sei unbesorgt, mein Hals
wird anders gebrochen als beim Stürzen mit Gäulen."

Hatten wir bisher schon zahlreiche Beweise für die Aktivität von Engels als
Reiter nennen können, so folgt nun ein Dokument, das auch Karl Marx' direkte
Teilnahme am Reitsport bestätigt. Am 21. September 1858 äußert er mit Bezug
auf seine schlechte Gesundheit und die niederdrückende wirtschaftliche Lage
hoffnungsvoll: „Außerdem sind viele Aussichten vorhanden, daß ich mit Hilfe
meiner Mutter die häuslichen Verhältnisse ganz regeln kann und auch Reitsport
wieder beginnen. Letztres wird das erste sein, sobald Regulierung der Geschäfte
erfolgt."

Mit diesem Schreiben verschwindet das Thema Pferd und Reiten aus dem Brief-
wechsel zwischen Marx und Engels. Die Beschäftigung mit der Arbeit „Kavalle-
rie" hatte sicherlich angeregt, auf dieses persönliche Anliegen stärker einzugehen.
Andere Probleme treten stärker in den Vordergrund, und erst fast zehn Jahre
später werden wir wieder aus der Feder von Friedrich Engels ein Lob über den
Reitsport lesen können. Als er einen Brief, den er am 8. und 20. November 1867 - 56

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Zeichnung Friedrich Engels aus einem Brief an seine Lieblingsscbwester Marie Engels in
Mannheim vom iS. g.
1S40. Er kommentiert dazu: „Wenn der Fuhrmann fährt, so setzt er
sich ohne Sattel, Eügel und Sporen aufs Pferd und hackt ihm die Fersen fortwähernd in die
Rippen."

In das Lob Friedrich Engels für die orientalischen Pferderassen sind auch die Achal-Telkiner,
eine seit 2^00 Jahren nachgea-iesene Zuchtrasse, eingeschlossen. Hier ein Bild aus der Gegen-
wart: Training mit Achal-Telkiner Rennpferden in der Turkmenischen SSR

Srf-V:.

W

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an Ludwig Kugelmann in Hannover schreibt, zu Hinweisen benutzt, wie das ge-
rade erschienene Marxsche Hauptwerk „Das Kapital" popularisiert werden kann,
da empfiehlt er im persönlichen Bereich dem treuen Mitstreiter, für seine Ge-
sundheit ebenfalls zur Medizin des Reitens zu greifen. Dieser Brief, ergänzt
durch die Mitteilung über den jungen Engcis in der vom Institut für Marxismus-
Leninismus beim Zentralkomitee der SED herausgegebenen Biographie, daß er
das Reiten leidenschaftlich liebte, liefert den Beweis, daß zumindest Engels über
Jahrzehnte hinweg dem Reitsport treu bleiben konnte. Und in einem Brief an
Johann Philipp Becker in Genf vom 15. Oktober 1884 heißt es nochmals aus sei-
ner eigenen Feder, „vielleicht kann ich aber doch wieder in einigen Jahren zu
Pferd steigen".

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Eine Zentrale nach reaktionärem Konzept Bismarcks

Fast parallel zu dem Engels-Bricf an Kugelmann und selbstverständlich völlig
unabhängig davon, kam es am 15. Dezember 1867 zu einem Ereignis, das über
Jahrzehnte im deutschen Pferdesport seine Spuren hinterlassen hat und in der
BRD heute noch hinterläßt. In dem vornehmen Berliner Hotel de Rome ver-
sammeln sich 36 Männer. Unter ihnen ein Prinz, Fürsten, Offiziere, Gutsbesitzer
und Großunternehmer. Diese 36 fühlen sich ganz und gar als die Repräsentanten
der sportintcressierten Kreise in Deutschland. Allerdings verstehen sie unter
Sport allein und ausschließlich den Galopprennsport, die Leistungsprüfung der
auf englischer Grundlage gezüchteten Vollblutpferde.

Diesen Augenblick haben sie sehnlichst herbeigewünscht. Der Unionklub, offiziell
der Verein für die Rennbahn in Hoppegarten bei Berlin, soll aus der Taufe ge-
hoben werden. Die reaktionären Machthaber in Preußen haben es damit sehr
eilig, denn auf dem Spiele steht für sie viel mehr, als nur den Weg aus dem von
Pferdeseuchen heimgesuchten Charlottenburg zum neuen Berliner Rennsport-

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Zentrum Hoppegarten mit der Gründung des örtlichen Rennvereins zu Icrönen.
Blieken wir ein Jahr zurück.
1866 - der Unionklub existiert noch nicht. Trotzdem
besitzt dieses Jahr für die Klubgeschichte eine große Bedeutung. Es ist die Zeit,
da der Kampf zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutsch-
land entschieden wird. Bismarck gelingt es, den österreichischen Rivalen durch
Krieg machtpolitisch auszuschalten und damit seinem Ziel, Deutschland auf
reaktionärem militärischen Wege unter der Hohcnzoilern-Dynastie zu vereinen,
ein großes Stück näherzukommen. Damit ist auch die demokratische Volksbe-
wegung dieser Jahre niedergeschlagen, die eine einige deutsche demokratische
Republik erstrebt, aber mangels zielbewußter Führung und Organisationskraft
resultatlos verpufft. Diese Situation nutzt Bismarck geschickt aus, um auf allen
Gebieten die Vorherrschaft Preußens auszudehnen und zu festigen.
Den Staaten bis zur Mainlinie wird die Zwangsjacke des Norddeutschen Bundes
angelegt. August Bebel charakterisiert in seiner ersten Rede im Konstituierenden
Reichstag diesen Bund als „ein Großpreußen umgeben von Vasallenstaaten" und
„deren Regierungen als Gcneralgouverneure der Krone Preußens".
Aber gerade der Norddeutsche Bund nimmt einen hervorragenden Platz in der
Vorgeschichte des Unionklubs ein. Zu dieser Schlußfolgerung kommt auch Franz
Chales de Beaulieu, der wichtigste Chronist des Unionklubs, seit 1933 General-
sekretär des Unionklubs und von 1945 bis 1967 auch Generalsekretär des Wei-
denpescher Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen in der BRD, in seinem
1942 erschienenen Buch „Der klassische Sport". Er bekennt, daß den letzten An-
stoß zur Gründung des Unionklubs „der Zusammenschluß der norddeutschen
Staaten im Dezember
1866 im Norddeutschen Bund, eine Folge des vorausge-
gangenen Krieges" gab.

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Darum findet man in einer der bedeutsamsten Anregungen zur Gründung des
Unionklubs in der Zeitsclirift „Sporn" aus der Feder von Fedor Andre auch den
vieldeutigen und vielsagenden Satz: „Preußen hat in Norddeutschland für die
Entwicklung oder den Untergang des Sports einzustehen."

Was besonders in den Artikeln von Fcdor André begonnen wird, erhält mit dem
„Vorschlag zur Konstituierung eines General-Sekretariats für alle deutschen
Rcnn-Vereine in Berlin" in einem Zirkularbrief durch den Präsidenten des Bres-
lauer Rennvereins, Graf Johannes von Renard, eine wirkungsvolle Fortsetzung.
Denn Renard ist nicht irgendwer, sondern ein Mann großen politischen Einflus-
ses und bester Beziehungen zu Bismarck und damit zum preußischen Königshaus.
Der Renardsche Zirkularbrief an alle deutschen Rennvereinc, dessen Inhalt der
Ruf begleitet, sich wohlwollender Zustimmung der preußischen Krone zu er-
freuen, führt zu einem Gründungskomitee mit den Mitgliederen Prinz Nicolaus
von Nassau, Baron Breidbach-Bürrisheim, Senator Adolf Godeffrcy, Kaufmann

Die erste Bertiner Straßenbahn wurde am 22. Juni iS6i von der Berliner Pferdeeisenbahn-
Gesellschaft E. Sesekow mit der Strecke z^'iscben Berlin und Charlottenbnrg erößnet

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^W 34.

3n(ialt: grgrn tir tiritiriniirfj^rüdifa ^fflrrtuni^ni fret «c^i^iIbnnrfrAtir. <5. 3it.

(?ït. 1271.) ffi{f((ï fltflf" tif actiicingtfiilitlidicn StftïttninGf» ter Sojialtcmcfictit. SJcm
l'l.CEtobct l.s7.-<.

ÏÖir mmrn, lUMi ©Dttc§ Ö5nnbm 'Dcutfd^cv Staifev/ Sïónifl

ODU TU'CUfKU K.

tcrovbncit im ?îùn!cu bfi< ?)(cid)ó', nad; crfof^ttr 3"flii"i""ni3 bc8 2ïunbc^rat[)ê
unb bes umss folijt:

§.1.

aïctfinc, UH'ldif biivdi fojialbemctratifdïc, fo^inliftifdic cber foiiiimmillifdie
3}cfirclnm{ini beu HmOurj bcv Icflclicnbcn Stant^» obct (^efcUfc^aftsovbmmg
bcjipccfcn, " fmb 511 wvbictcn.

C.i^Mte flilt.i'on 2?cvcim'ii, in U'cldicn fcuaibcinctratifdK/ fcjiiilillifdic ober
fonimuniltifdH' iuif ben lliiiftm^ bcr bcllfhciibcn (ïhiiitó» ober C^kfclIfdiaffJ*
oytiimui iicriditcte ikltvcbuiisjcit ni ciiu-r bm öffentlidn-ii Àvicbcn, iiu'l'cfonbcte
bic tintviidit brr ikvölfmnujc-fliifTen iiefiïhvbfnbeii Steife ju
ShUJC treten.
Seil 23i-ieiuen flehen ijleid; S?cvbiiibungen jebcr 5lrt.

Stuf einjetra^ene CBfnofrnifd)iifteu finbet im beS 1 2 bcr
§. bea (SefeÇeo vom 4. bctreffenb bie piiuatrivlitlidif Stdluii.^

bcv enmb0. unb Kivtl)fd,i,iftt!;^cnoffenfi1;,nfien, (ÏMinbcà.Ci^cfeijbl. S. 415 ff.)
Sinwcnbuuiv

'îluf fingcfd)ïifbcnc .(^ùlfsfafîcn finbet im gleicfien 5al(e btv 'i'J bei!
Gefetico ütev bie einiKldiviebenen öiitfjfülfen uom 7. Stpril 1876
<2. 125 ff.) -Jlnuienbung.

§

Selbilänbiqe Stofîenvîfvcine (iiid)t eingcfduiebene), ir'fld}c nodi i[)rcn ©lo'
tuten blf cjegenffltißc Untcrfiiit\uiç( ihrer iWitf^licbür be3U)fifcn, finb im Jallc be?

5)fiit;4.6t(ftbl. 1878. liT

Vlu§9»9(b(n 5U -Berlin fc»n 22. Ottuber 1878.

Maßgebliche Vertreter des Uniondubs in den höchsten Regierungsstellen gehörten z" den
Exekiitoren des am 21. Okiober iSyS im Reichsgesetzblatt veröffentlichten Sozialistengesetzes 62

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Wilhelm Herz, Graf Lchndorff-Stcinort, von Prillwitz, Graf Renard, von Tres-
kow-Grocholin und Graf Wilding-Königsbrück.

Dieser Graf Renard, der Gestütsbesitzer von Groß-Strehlitz, exponiert sich auch
als Reichstagsabgeordneter und bei allen prinzipiellen Entscheidungen, wie in
den Abstimmungsprotokollen nachzulesen ist, als ein Gegner von August Bebel
und Wilhelm Liebknecht, den Vertretern der wahren Interessen des deutschen
Volkes. Als er zum Beispiel am 5. März 1870 spricht, geschieht das zur Begrün-
dung einer Interpellation, „betreffend ein Gesetz über die Bildung von Aktien-
gesellschaften", wie es in dem Reichstagsprotokoll wörtlich heißt. Er tritt als ein
Verteidiger des kapitalistischen Konzentrationsprozesses auf und wendet sich
gegen „die schwerfällige Procedur, die weitläufigen und zeitraubenden Formali-
täten, welche das gegenwärtige Konzessionsverfahren in sich birgt". Renard will
alle Hemmnisse bei der Kapitalkonzentration beseitigt wissen. Es ist deshalb
nicht uninteressant, daß der Rennverein Unionklub zuerst auch als Aktiengesell-
schaft auf den Plan tritt.

Und sollten irgendwo noch Zweifel daran bestehen, daß es etwas anderes war
als die Liebe zum edlen Vollblut, was die Gründer des Unionklubs im Hotel de
Rome vereint, so sei darauf verwiesen, daß zu den ersten Klubmitgliedern Bis-
marck zählt, der damalige Bundeskanzler und Graf und spätere Reichskanzler
und Fürst. Alle zeitgenössischen Berichte betonen die Förderung, die besonders
Bismarck der Idee angedeihen läßt, im Unionklub eine „staatlich anerkannte
Zentralstelle" unter der Hegemonie Preußens zu schaffen. So resümiert Chales de
Beaulieu in „Der klassische Sport" beifällig, „daß mit der Gründung des Union-
klubs Preußen auch im Rennsport die Zügel in die Hand nahm".
Für den Kenner dieser politischen Zusammenhänge ist es deshalb nicht erstaun-

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lieh, daß am 15. Dezember 1867 im Hotel de Rome ausgerechnet die Vertreter
aus Bayern fehlen, obwohl München schon als süddeutsches Rennzentrum bekannt
ist. Wie es in starkem Maße politische Aspekte sind, die den Hintergrund der
Klubgründung bilden, sind es sicherlich auch politische Gesichtspunkte, die die
nicht weniger reaktionären süddeutschen Interessenten veranlassen, dem Grün-
dungstreffen in der Hauptstadt Preußens und des Norddeutschen Bundes fernzu-
bleiben. Schließlich gehört Bayern auch zu den Verlierern des Krieges von 1866.
Der Krieg von 1866 hatte zur vollen Aussöhnung der Bourgeoisie mit dem re-
aktionären Preußentum geführt. Die entscheidenden Teile des deutschen Bürger-
tums gehen fortan konsequent mit den preußischen Junkern - zum Unglück für
das deutsche Volk und zum schwerwiegenden Nachteil auch für die deutsche
Pferdezucht und den Pferdesport, die immer wieder spürbar und opferreich unter
den Auswirkungen der preußisch-deutschen Kriegsabenteuer zu leiden haben
werden.

Die Verbrüderung von Feudaladel und Bourgeoisie, ihre Einigung auf gemein-
same reaktionäre Klassenziele, bestätigte sich auch, wie wir gesehen haben, in
der Geburtsstunde des Unionklubs. In geradezu idealer Weise verwirklicht sich
hier für die Hohenzollern-Dynastie jene Allianz von Feudaladel und Groß-
bürgertum, die zur Niederhaltung der sich stürmisch entwickelnden Arbeiterbe-
wegung angestrebt wird.

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Und so sah Henri de Toulouse Lontrac den Probegalopp des Jockeys

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Zwar gibt es in der von der Gründungsversammlung beschlossenen Satzung einen
Paragraphen i, der schlicht und klar bestimmt: Der Unionklub ist eine Vereini-
gung von Männern, welche die Förderung der Pferderennen und der Pferdezucht
in Deutschland zum Zwecke hat. Aber diese Männer haben zu jeder Zeit größten
Wert darauf gelegt, ihre Tätigkeit als staatserhaltenden Faktor des deutschen
Imperialismus gewertet zu wissen. Hier sammeln sich nicht die kleinen Chargen
der Macht, hier treffen sich viele derjenigen, die selbst an den Schalthebeln der
Macht sitzen und denen die Mitgliedschaft im Unionklub dafür eine zusätzliche
Legitimation ist. Die Zahl der Mitglieder des Klubs, die sich in den folgenden
Jahrzehnten in politischen und militärischen Funktionen schwerster Verbrechen
des deutschen Imperialismus schuldig gemacht haben, ist deshalb sehr groß.
Es überrascht nicht, wenn die Chronisten des Klubs immer wieder den Grund-
satz der Exklusivität hervorheben. Dies verbrämen sie meist mit dem Hinweis
auf die Nützlichkeit eines kleinen, aber hochprozentig fachlich versierten Kreises.
Man ist zu keiner Zeit auf eine große Zahl von Mitgliedern erpicht, man will
unter sich sein.

Die frühe Mitgliedschaft Bismarcks weist den Ministern und der obersten Mini-
sterialbürokratie sowie zahlreichen politischen Persönlichkeiten reaktionärster
Provenienz den Weg zum Unionklub. Diese Tendenz setzt sich dann zu allen Zei-
ten durch. So findet später auch die Führungsspitze des deutschen Faschismus dort
ihren Platz. Eine zweite bedeutungsvolle und tonangebende Gruppe von Klub-
mitgliedern rekrutiert sich aus dem deutschen Hochadel. Darunter finden wir bis
1918 Landesfürsten und Angehörige regierender Fürstenhäuser: So Könige von
Sachsen, Württemberg und Bayern, Großherzöge und Herzöge von Schleswig-
Holstein, Oldenburg, Mecklenburg, Hessen und Baden, samt vielen Prinzen. Die
Generalität, Aufsichtsratsmitglieder großer Konzerne und - als besonderer Ak-
zent - das Diplomatische Corps vervollständigen den Verein.

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Reaktionäre Machenschaften des Unionklubs

Mit dem Generalsekrctariat schafft sich der Unionkiub die Exekutive für seine
Führungsrolle in der Pferdezucht und im -sport, die Schritt für Schritt durchge-
setzt wird-

Dabei beschränkt sich die Tätigkeit nicht nur auf die Vollblutzucht und die
Galopprennen. Von 1888 bis 1918 leitet das Generalsekretariat auch den Traber-
sport, für den erst dann die organisatorisch getrennte Oberste Behörde für Tra-
berzucht und Rennen (OBT) gebildet wird. Durch Personalunion sichert sich der
Klub weiterhin seinen Einfluß. Noch deutlicher wird die beherrschende Stellung
in der deutschen Pferdezucht auch dadurch, daß bis zum Jahre 1900 die gesamte
Warmblutzucht über die Landespferdezuchtkommission direkt vom Generalsekre-
tariat des Unionklubs geleitet wird. Als dann 1900 das Kartell für Reit- und Fahr-
sport und der Reichsverband für deutsches Halbblut gegründet wurde, sichert
wiederum Personalunion in den Führungsgremien den Einfluß des Generalsekre-
tariats. Unter dem Eindruck der Revolution von ig 18 versucht der Unionklub,
sich etwas im Hintergrund zu halten. Außer der OBT wird auch eine Oberste
Behörde für Vollblutzucht und Rennen geschaffen, deren entscheidende Positio-
nen Mitglieder des Unionklubs besetzen, mit einer Exekutive einschließlich des
Generalsekretärs, die mit dem Union-Generalsekretariat identisch ist. In Wirk-
lichkeit bleibt also alles beim alten.

Es wurde bereits auf die Verbindung von Unionklub und Trabersport hingewie-
sen. War der deutsche Auftakt des modernen Galoppsports 1822 vollzogen wor-
den, so vergingen mehr als 50 Jahre, ehe es zu den ersten Trabrennen kam. Wäre
es nach den Unionklubkreisen gegangen, dann hätte es diesen Termin nie ge-

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geben. Die vom Klub gelenkte deutsche Pferdesportpresse, ausschließlich am
Vorbild der tonangebenden englischen Sportzeitungen orientiert, hatte bis dahin
den hochentwickelten Trabersport in Frankreich, Rußland und den USA einfach
mit Stillschweigen übergangen. Zudem war dieser Sport in Rußland eng mit dem
Orlow-Traber verknüpft, der nach dem arabischen und englischen Vollblutpferd
eine der bedeutendsten pferdezüchterischen Leistungen ist. Sie wurde 1867 und
1900 in Paris auf der Weltausstellung mit der „Großen goldenen Medaille" für
die Traber „Beduin" und „Weter Buiny" gewürdigt.

Die den Pferdesport in England und Deutschland beherrschenden Kreise des
Hochadels und der Großindustrie waren sich einig in der Ablehnung des Traber-
pferdes, dem sie jede pferdezüchterischc und kulturcll-sportlichc Bedeutung ab-
sprachen. Und so verwundert es nicht, daß die Impulse für die ersten deutschen
Trabrennen in Berlin von einem russischen Zirkusdirektor ausgingen. Die Va-
riante des ausschließlichen Trabfahrens begünstigte ablehnende Auffassungen.
Sicherlich ist das außerdem wettkampfmäßig betriebene Trabreiten eine echte
Möglichkeit, den Nutzen für die Landespferdczucht zu vergrößern.
Der Trabersport möge sich selbst an behördlichen Schwierigkeiten und den finan-
ziellen Problemen totlaufen, so hoffte man, und deshalb rührte der Unionklub
zunächst keine Hand, um dem jungen pferdespordichcn Bruder das Laufen zu
lehren. Doch es kam anders, als man dachtc, und so knüpften prominente Klub-
mitglieder schließlich die Fäden, um den jungen Rennsportzweig an die Leine zu
nehmen, an die Union-Leine, versteht sich.

Aber nicht nur im Metier des Pferdesports praktizierte der Unionklub eine im
Grunde genommen durch und durch sportfeindliche Haltung. Seine Vertreter
waren es auch, die die junge olympische Bewegung erdrosseln wollten. Als Baron
de Coubcrtin Deutschland zur Teilnahme an den ersten olympischen Spielen der

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Maßgeblich an dieser chauvinistischen Bekundung beteiligt, U. von Oertzen, der Mann des
Unionklubs

Neuzeit in Athen bewegen will, da gerät er 1894 in Paris an den Unionklubmann,
Militärattache, Gardeobersten und Gehcimdienstmitarbcitcr Maximilian Fried-
rich Wilhelm August Leopold von Schwartzkoppcn. Dieser verspricht Kontakte
mit dem einflußreichen deutschen Sportsmann, Vizepräsidenten des Unionklubs
und preußischen Minister von Podbielski. Coubert schildert seine Begegnung mit
Schwartzkoppcn in seinen Memoiren wie folgt: „Auf Grund irgendeiner Emp-
fehlung hatte ich dem deutschen Militärattache in Paris, Oberst von Schwartz-
koppcn, der später eine so traurige Rolle in der Affäre Dreyfus spielen sollte,
einen Besuch abgestattet. Auf seinen Rat hin, schrieb ich zweimal an den preußi-
schen Minister, Herrn von Podbielski, den man mir als eifrigen Protektor aller
Sportarten bezeichnet hatte, erhielt aber nie eine Antwort."
Aber ausgerechnet dieser Podbielski wurde später Präsident des Deutschen
Reichsausschusses für die Olympischen Spiele, des Nationalen Olympischen Ko-
mitees. An die Spitze der deutschen olympischen Bewegung war damit ein Mann
getreten, der den Initiator der olympischen Idee in Deutschland, Dr. W. Geb-
hardt, nicht nur nicht unterstützt hatte, sondern über viele Kanäle bekämpfen
ließ. Diese chauvinistisch geprägte Stimmung der herrschenden Kräfte in Preu- , 70

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Graf von Arnim-Muskau,
von Conbertin aus der Liste der
IOC-Mitglieder gestrichen,
avancierte zu"' Unionkluh-Präsidenten

Dr. Ruperti, IOC-Mitglied in der "Weimarer
Republik, Repräsentant der deutschen
Chemieindustrie, deren IG-Farben-Dynastie
Weinberg-Spreti-Scherping schon seit drei
Generationen im Einfluß!>ereich des
deutschen Imperialismus jührend im
Pferdesport tätig ist

Ein weiterer Mann des Unionklubs
für das IOC:

Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg

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ßen-Dcutschland hatte am 27. Dezember 1895 die „Rheinisch-Westfälische Zei-
tung" mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Ein deutscher Verein oder ein
Deutscher, welcher seinem Lande die Schmach antut, diese Spiele zu fördern
oder zu besuchen, verdient mit Schande aus seinem Kreise und seinem Volke
ausgestoßen zu werden."

Als die olympische Bewegung über ihre chauvinistischen Widersacher hinweg- -72

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zuschreiten drohte, da lieferte der Unionklub mit dem General der Kavallerie
Prinz Salm-Horster schnell ein Mitglied für das Internationale Olympische Ko-
mitee. Nach Salm-Horster wurde dem IOC ein anderer preußischer Kavallerie-
general serviert, Graf von Wartenslebcn-Carow, Mitglied des preußischen Her-
renhauses. Ihm folgten ein Graf von der Asseburg und - nachdem Dr. Gebhardt
zum Ausscheiden aus dem Reichsausschuß gezwungen worden war - ein Graf
von Francken-Sierpstorff und ein Freiherr von Venningen. Als sich 1917 der
Reichsausschuß von der olympischen Bewegung lossagte und den Begriff Olympia
aus seinem Namen strich, da leitete Ulrich von Oertzen diese Sitzung, einer der
führenden Männer des Unionklubs. Es ist nicht uninteressant zu wissen, daß
gerade auf dieser Tagung die große Karriere eines Mannes beginnt, der als
Leutnant von der Front beurlaubt und zum Generalsekretär des umbenannten
Ausschusses berufen wird. Carl Diehm, der Generalsekretär des nunmehr „Deut-
schen Reichsausschusses für Leibesübung", wird noch als faschistischer Sportführer
und in jüngster geschichtlicher Vergangenheit als einer der Sportführer der BRD
von sich reden machen.

In dem Tatsachenbericht „Olympia und die Deutschen" weist Klaus Ullrich nach,
daß das Internationale Olympische Komitee (IOC) die chauvinistische Haltung
der deutschen Mitglieder 1919 mit der Erklärung beantwortete, sie seien gestor-
ben oder zurückgetreten. „Anzunehmen ist", so schreibt er, „daß Coubertin ohne
viel Aufsehens die deutschen IOC-Mitglieder streichen ließ . . . Der Graf von
Sierpstorff zum Beispiel starb erst 1922 und erscheint auf der Liste des IOC schon
1919 als ,Totcr'."

Einer der auf diesem Wege aus der internationalen olympischen Bewegung Ver-
bannten darf dafür an anderer Stelle weiter Karriere machen : Adolf Graf von
Arnim-Muskau. 1923 avanciert er zum Präsidenten des Unionklubs. Doch auch
nach 1919 bleibt dieser über die neuen IOC-Mitglieder, Dr. Oskar Ruperti (seit
1924) und Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg (seit 1926), direkt weiter im
unolympischen politischen Spiel des deutschen Imperialismus.
Die bürgerliche hippologische Literatur und Presse dieser Jahrzehnte sind gleich-
zeitig typisch für die Ohnmacht der tonangebenden Personen in der deutschen
Pferdezucht und im Pferdesport, auf die inzwischen herangereiften entscheiden-
den Fragen zum Verhältnis von Pferd und Technik eine Antwort zu geben.
Schon um die Jahrhundertwende hatte jedoch W. I. Lenin entscheidende Beiträge
zum Verständnis der Probleme geleistet, die mit der fortschreitenden Technisie-
rung der Landwirtschaft auftauchen und deren theoretisches Erfassen für die
bürgerliche Hippologie bis heute ein Buch mit sieben Siegeln blieb. Es ist nahe-
liegend, deshalb an dieser Stelle auch darzulegen, durch welche Erkenntnisse
Lenin die Lehre vom Pferd bereicherte, und erst dann die kurze Chronik von
Pferdezucht und Pferdesport in Deutschland fortzusetzen.

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W. I. Lenin über die ökonomische Bedeutung des Pferdes

Mit der Anwendung des dialektischen und historischen Materialismus auf die
Zuchtgeschichte des Pferdes hatte Friedrich Engels als erster die Einheit von
Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften in der Hippologie, der
Lehre vom Pferd, praktiziert. Hatte Friedrich Engels die prinzipiellen Bedin-
gungen genannt, die auf militärischem Gebiet die Entwicklung des Pferdes be-
einflußten, so zeigte Lenin - im Zusammenhang mit grundsätzlichen politischen
und ökonomischen Analysen - den allseitigen Einfluß des ökonomischen Systems
des Kapitalismus auf das Pferd, die begrenzte Rolle des Wirtschaftspferdes bei
der Steigerung der Arbeitsproduktivität des Kapitalismus gegenüber dem Feuda-
lismus und die mit dem Fortschritt der Technik unausbleibliche Ablösung durch
die Maschine.

Dabei beschränkte sich Lenin in seiner Analyse nicht nur auf Rußland, sondern
er bezog zum Nachweis des allgemeingültigen Charakters der Entwicklungsge-
setze des Kapitalismus auch andere Staaten wie Deutschland, Dänemark und die
USA in die Untersuchungen ein, die in ihrer ökonomischen Entwicklung, speziell
auch was die Landwirtschaft betraf, sehr unterschiedliche Bedingungen aufwie-
sen. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen belegte Lenin mit umfangreichem
statistischen Material. Im Vorwort zur zweiten Auflage des Werkes „Die Ent-
wicklung des Kapitalismus in Rußland" betont er ausdrücklich, daß bei der
„Durchsicht und Verbesserung des Textes" zu den „allernotwendigsten Ergän-
zungen aus dem neuesten statistischen Material" auch „die Daten der letzten
Pferdezählungen" gehören. Während wir in der bürgerlichen hippologischen
Literatur, einschließlich der Werke jüngeren Datums, immer wieder den Versuch
erleben, den wirtschaftlichen Einsatz des Pferdes zu idealisieren und mit illusio-
nären Ansprüchen zu schmücken, hält Lenin dem bereits vor der Jahrhundert-
wende die einfache, aber die Nutzung des Wirtschaftspferdes so beeinflussende
Tatsache entgegen, „daß die Verwendung von Maschinen in der Landwirtschaft"
ständig zunimmt. Als sich Lenin wieder zu diesem Thema in seinem Werk „Die
Agrarfrage und die Marxkritiker" äußert, erklärt er mit prinzipieller Schärfe:
„Eine natürliche Begleiterscheinung der schwankenden Haltung, die unsere Kri-
tiker in ihren Anschauungen über die Bedeutung der landwirtschaftlichen Maschi-
nen einnehmen, bildet ihr hilfloses Nachbeten ausgesprochen reaktionärer Argu-
mente der Agrarier, die gegen Maschinen eingestellt sind." Und auf die konkreten
Verhältnisse in der Landwirtschaft eingehend, die Preise verstehen sich unter
damaligen Relationen, schreibt er wenige Seiten später: „Mack berechnet die
Kosten eines Pferdearbeitstages auf 5 Mark; wird er aber durch Elektrizität er-
setzt, kostet die gleiche Leistung 40 bis 75 Pfennig, was eine Verbilligung von
400 bis 700 Prozent bedeutet."

Den gesetzmäßigen Prozeß, dem das Pferd unterworfen ist, verdeutlicht Lenin
mit vielen Beispielen. So zeigt er auch, daß der Pfcrdcantrieb für Maschinen in
einigen Teilbereichen dazu genutzt wird, für eine bestimmte und begrenzte Stufe
der Entwicklung die notwendige Steigerung der Arbeitsproduktivität zu sichern.
Lenin nennt unter anderem das Korndreschen. Mit einer Dreschwalze habe man • 74

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150 bis 200 Pud Getreide gcdroschcn. Die Pferdcdrcsciimaschine schaffte schon
700 bis 800 Pud, und eine
lo-PS-Dampfmaschine brachte es dann auf täglich
2000 bis 2500 Pud. Wir erfahren weiter von Flachsbrcchern mit Pferdeantrieb
und von ebenso genutzten Reiben für die Stärkeproduktion, von Pferdegöpchi
zum Ziehen von Eisendrähten (vorher in Handarbeit von Blinden besorgt), von
Schleifsteinen und von Mühlen, die mit lebendigen Pferdestärken angetrieben
wurden. „Aber", so schlußfolgert Lenin nach Untersuchungen der kapitalistischen
Entwicklung in den USA, „die Maschine schreitet unaufhaltsam vorwärts, hebt
die Technik." Schritt für Schritt ersetzte die Maschine das Wirtschaftspferd, aller-
dings in der Landwirtschaft mit dem geringsten Tempo.

Verweilen wir noch bei Lenins Werk „Die Agrarfrage und die Marxkritiker".
Wir lesen dort weiter: „Die Kritiker ergchen sich ganze Seiten in überaus aus-
führlichen Betrachtungen darüber, daß die Verwendung von Maschinen in der
Landwirtschaft auf größere Schwierigkeiten stößt als in der Industrie. Aber diese
unbestreitbare Tatsache widerlegt keineswegs, daß die Verwendung von Maschi-
nen auch in der Landwirtschaft rasch zunimmt und auf sie einen gewaltigen,
umgestaltenden Einfluß ausübt." Diese Umgestaltung beinhaltet auch, daß das
Pferd im Interesse einer höheren Arbeitsproduktivität durch Maschinen vicl-
75 fältigster Art ersetzt wird.

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Innerhalb moderner landwirtschaftlicher Maschinensysteme gibt es keinen Platz
für das Wirtschaftspferd. In der Deutschen Demokratischen Republik erleben
wir die Endphase dieser Entwicklung bereits unter völlig neuen gesellschaft-
lichen Verhältnissen. Hier wirkt der technische Fortschritt nicht für die weitere
kapitalistische Konzentration und die Vernichtung wirtschaftsschwacher bäuer-
licher Existenzen, sondern als geplanter und bewußt gesteuerter Prozeß zum
Nutzen der Genossenschaftsbauern und der gesamten Gesellschaft.
Während der Marxismus-Leninismus zum Verhältnis von Pferd und Technik
eine wissenschaftlich begründete Stellung bezieht, zeigt sich die bürgerliche
Hippologie unfähig, die Kausalität der Entwicklungsphasen des Hauspferdes zu
erkennen und richtig darzustellen. Statt dessen haben sich führende bürgerliche
Hippologen, so auch Gustav Rau, immer wieder gegen die Motorisierung ge-
wandt. In Verquickung mit faschistischen Propagandathesen empfahl Rau den
deutschen Pferdezüchtern wörtlich, „in ihrem eigenen pferdezüchterischen Inter-
esse den Übergang zur Motorisierung in ihren Betrieben zu verhindern". Und da
Gustav Rau, einer jener politischen Reaktionäre, die stets an der Spitze der
bürgerlichen deutschen Pferdezucht- und Pferdesportorganisationen standen,
nicht das kapitalistische System für die Not der werktätigen Bauern verantwort-
lich machen durfte und wollte, behauptete er dann kategorisch: „So wie das Zeit-
alter der übertriebenen Verwendung der Maschinen nur die Arbeitslosigkeit und
die Not der großen Masse erhöht hat, brachte der Motor in der Landwirtschaft,
77 von den Fällen seiner berechtigten Verwendung abgesehen, Not der Pferdezüch-

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tcr, Not aller Landwirte, die Futtermittel produzieren, und Verteuerung des
Betriebes." Und heute? Die Nachfahren Raus? Unter dem Einfluß bürgerlicher
Geschichtsauffassungen sind sie wie ehedem nicht in der Lage, eine wissenschaft-
liche Erklärung für die Entwicklung des Pferdes zu geben. Sie versuchen sich
deshalb mit Schweigen oder durch mystisch verklärte Behauptungen aus der
AlTäre zu ziehen, wie Ursula Bruns, die in einem der reaktionärsten Pferde-
bücher der jüngsten Zeit schrieb, „stärkere Impulse als jene, die von der Religion
und vom Krieg ausgehen", könne „man sich kaum denken". Als Lenin ..hilfloses
Nachbeten ausgesprochen reaktionärer Argumente" der sogenannten Marxkriti-
ker kritisierte, da hatte er schon vor rund 70 Jahren auch ein gerechtes Urteil über
die bürgerliche Hippologie gefällt.

Wie Karl Marx den „antagonistischen Charakter der kapitalistischen Produktion
und Akkumulation" in den Fortschritten der englischen Landwirtschaft und dem
Rückschritt des englischen Landarbeiters zeigte, widmete auch Lenin diesen zwei
Seiten des gleichen Prozesses größte Aufmerksamkeit. Er wies an Hand statisti-
schen Materials aus vielen Ländern nach, daß der Übergang von der feudalisti-
schen zur kapitalistischen Produktionsweise generell mit einem Aufschwung der
Pferdezucht verbunden ist. Nutznießer davon seien jedoch nicht die Bauern
schlechthin. „Die Konzentration des Viehs ist noch stärker als die Konzentration
der Saatfläche", schreibt er zur Entwicklung des Kapitalismus in Rußland. Und
während Lenin als Folge davon hervorhebt, daß „die Bauernschaft als Ganzes
an Pferden ärmer geworden" ist, differenziert er danach, „daß sogar die Pferde
der unbemittelten Bauern ganz anders sind als bei den begüterten". Unter An-
spielung auf die Skizzen „Lebende Zahlen" des Schriftstellers Gleb Uspenski
gibt er dann folgende Charakteristik: „Das Pferd des Bauern mit i Pferd ist
wahrhaft ein .lebender Bruch', wenn auch nicht gerade ein ,Viertel Pferd', so doch
ganze ,siebenundzwanzig Zweiundfünfzigstel' von einem Pferd."

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Nach der Untersuchung der Lage der deutschen Landwirtschaft unterstreicht er
diese Einschätzung mit dem Hinweis: „Je kleiner die Wirtschaft, desto schlechter
die Zusammensetzung des Zugviehs, desto relativ geringer die Verwendung von
Ochscn und Pferden zur Ackerarbeit, desto häufiger die Verwendung der viel
schwächeren Kühe." Als unmittelbare Folge registriert Lenin die Verschlechte-
rung des Pflügens und damit eine Abnahme der Ernteerträge sowie eine Vermin-
derung des Milchertrags der Kühe.

Auch bei der Untersuchung des als „Idealland" kapitalistischer Landwirtschaft
gepriesenen Dänemark gelangte Lenin zu dem Ergebnis: „Je größer die Wirt-
schaften, desto mehr haben sie vom .Fortschritt' der Viehzucht profitiert." Ahn-
lich hatte er bei der Auseinandersetzung mit dem Buch Ed. Davids „Sozialismus
und Landwirtschaft" über die deutsche Landwirtschaft geurteilt, „daß die Qua-
lität des Viehs um so besser ist, je größer der Umfang der Wirtschaft". „Denn die
sorgfältigste Pflege des Viehs", führt er diesen Gedanken an anderer Stelle wei-
ter, „ist bei einem Mangel an Futter, bei schlechter Qualität des Viehs, bei schlech-
ten Ställen usw. gleichbedeutend mit nutzloser Arbeitsvergeudung."
Diese Überlegenheit des Großbetriebes gegenüber dem Kleinbetrieb verdeutlicht
Lenin auch mit konkreten Angaben über den Wert der Pferde in den verschiede-
nen bäuerlichen Wirtschaftskategorien. (Die Preise entsprechen den damaligen

Die Mähdrescher der Kooperation Kyrilz auf den Feldern der LPG Drewen

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Relationen.) Er betont: „Es ist ganz natürlich, daß ... die Qualität des Viehs in
den verschiedenen Wirtschaftsgruppen nicht die gleiche sein kann. Der Wert eines
Zugpferdes beträgt zum Beispiel in den Wirtschaften mit einem Pferd 27 Rbl.,
in den Wirtschaften mit zwei Pferden 37 Rbl., in jenen mit drei Pferden 61 Rbl.,
in denen mit vier Pferden 52 Rbl. und in den Wirtschaften mit fünf und mehr
Pferden 69 Rbl. Der Unterschied zwischen den extremen Gruppen beträgt mehr
als 100 Prozent. Diese Erscheinung ist allen kapitalistischen Ländern gemeinsam,
wo es Klein- und Großbetriebe gibt."

Auf die Unterlegenheit des landwirtschaftlichen Kleinbetriebes zielt Lenin auch
mit dem Hinweis : „Das ,Anomale' besteht in der Zersplitterung der Produktions-
mittel in der kleinen Bauernwirtschaft: die gleiche Bodcnfläche, die eine Million
Bauern mit einem Pferd, also mit Hilfe einer Million Pferde bestellen, wird von
den wohlhabenden Bauern besser und gründlicher mit nur einer halben oder
dreiviertel Million Pferde bearbeitet."

Erst die sozialistische Entwicklung in der Landwirtschaft stoppt den mit der
Unterlegenheit im kapitalistischen Konkurrenzkampf verbundenen Ruin der
bäuerlichen Kleinbetriebe. Sie vereinigen sich auf freiwilliger Basis zu landwirt-
schaftlichen Großbetrieben, deren genossenschaftliche Eigentümer sie auch fortan
bleiben. Die in unserer Republik damit verknüpfte hochgradige Technisierung
der Landwirtschaft ließ parallel dazu den Pferdebestand auf 105 800 im Jahre
1971 sinken. Gleichzeitig verzeichnete unsere Landwirtschaft einen großen Auf-
schwung ihrer Produktivität. Wie kümmerlich nimmt sich bei Gegenüberstellung
mit der Wirklichkeit die Prognose der bürgerlichen Autorität Gustav Rau aus,
der für die Landwirtschaft nur eine Zukunft sah, „wenn im Pfluge, vor allen
Geräten und vor dem Erntewagen Pferde gehen". Die Zukunft für das Pferd
hieß - schon damals erkennbar - nicht Wirtschaftspferd.

Das zu akzeptieren vermochte die deutsche bürgerliche Hippologie erst - ohne
freilich bis zu den Ursachen vorzudringen -, als sie vor den materiellen Gegeben-
heiten kapitulieren mußte.

Aber 1918 und in der Weimarer Republik waren die deutschen bürgerlichen
Hippologen noch nicht am Ende ihres verhängnisvollen Weges. Konsequent ver-
strickten sich viele ihrer Vertreter in die faschistischen Verbrechen des deutschen
Imperialismus.

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Reiterdenkmäler aus den verschiedensten Epochen dokumentieren auch den historischen Weg
8l des Pferdes. Denkmal Veters I. in Leningrad auf dem Platz der Dekabrislen

6 Mit dem Pfctd

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Teilhaber der faschistischen Diktatur

Der Machtantritt des Faschismus begünstigt einen neuen Wandel in der Füh-
rungsstruktur im Pferdesportbereich. Nun hatte der Unionklub die Möglichkeit,
jeden scheindemokratischen Anstrich fallen zu lassen. Das geschah auch im inne-
ren Apparat, wo der zum Generalsekretär avancierte Pressereferent Franz Chales
de Beaulieu sich bei einer der Statutenänderungen des Klubs im Geiste der
faschistischen Zwangsgesetze offiziell bestätigen läßt: „Der Generalsekretär gilt
als Betriebsführer für die Gefolgschaft entsprechend dem Gesetz zur Ordnung
der nationalen Arbeit."

Und wo auch immer Göring, Goebbels, Darré und andere auf den Renn- und
Turnierplätzen auftauchen, ist die Union-Prominenz nicht weit. Im zweiten Fe-

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bruarhcft 193} des „St. Georg" wird ganz offenherzig über den Besucii Görings
beim Berliner Reitturnier geschrieben, daß dort „hohe Politik hinter den Kulis-
sen" gemacht wurde. Denn der Unionklub, das sind die IG Farben ebenso wie
die Thyssen-Dynastie, die Oetker-Gruppe und andere, also jene Kräfte, die
Hitler die Regierung und sich selbst die offene terroristische Macht über das Volk
sicherten.

Eine Aufgabe verlangte besonderes Geschick. Die soziale Demagogie vom „deut-
schen Sozialismus" hatte noch Ende 1932 die Nazifraktion im Preußischen Land-
tag einen Antrag einbringen lassen, der sich im wesentlichen gegen die Arbeit
ausländischer Berufskräfte im Rennsport richtete. Der demagogische Inhalt dieses
Antrags enthüllt sich nicht zuletzt darin, daß zur gleichen Zeit bedeutend mehr
deutsche Rennsportkräfte im Ausland als Ausländer im deutschen Rennsport be-
schäftigt sind. Aus der Welt zu schaffen ist auch die von ähnlichen Motiven ge-
speiste Kampagne gegen Finanzmanipulationen des Unionklubs. Nach wochen-
langen Spiegelfechtereien über Untersuchungen und klärende Gcspräche argu-
mentiert man dann in den vom Klub inspirierten Presseberichten, es habe in der
Vergangenheit einige Mißverständnisse gegeben. Nun aber sei die Zeit der
gemeinsamen Interessen angebrochen.

Schwarzweißrot und Hakenkreuz hatten ihre verhängnisvolle Vereinigung voll-
zogen. Am 25. März 195} veröffentlicht die „Union"-Rennsport-Zeitung Details

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^ I i- ' 1■

dazu in zwei an auffälliger Stelle placierten Meldungen. Die eine lautet: „Jeden-
falls besteht kein Zweifel, daß der Beginn der nationalen Aufbaubewegung auch
im deutschen Rennspctt unmittelbar bevorsteht." In der zweiten wird über die
Verhaftung von Günther Gereke, der 20 Jahre später an die Spitze der Zentral-
stelle für Zucht und Leistungsprüfungen der Vollblut- und Traberpferde der
Deutschen Demokratischen Republik treten wird, lakonisch vermerkt: „Dr. Ge-
reke, der gestern verhaftet worden ist, steht dem Rennsport als Besitzer der
schnellen Grollenur nahe." Drohung an alle.

Graf R. Spreti, dem zu seinem 50. Geburtstag in der „Union"-Rcnnsport-Zeitung
am 9. Februar 1933 bescheinigt wird, daß er im Laufe der letzten Jahre die maß-
gebliche Persönlichkeit im deutschen Rennsport geworden ist, der Schwiegersohn
des IG-Farben-Mitbegründers Arthur von Weinberg, spannt sich selbst vor den
faschistischen Propagandakarren und erklärt für die Presse: „Wenn der Vier-
jahreplan des Reichskanzlers Adolf Hitler erfüllt ist, kann auch Deutschlands
Vollblutzucht wieder auf der Höhe stehen."

Der mysteriöse Tod von Oberlandstallmeister Gatermann bei einem Jagdunfall
im Mai 1935 schaffte die einfachste Gelegenheit, den bisherigen Hauptschriftleiter
des „St. Georg", Gustav Rau, in die wichtige Funktion des Oberlandstallmeistcrs
zu schleusen. Raus Karriere vom Pferdesportjournalisten zur dirigierenden Figur,
des deutschen Turniersportes und noch darüber hinaus, war getragen und be-

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Die Spitze des ünionklubs.
Auch zum Zeilptmkt,
da diese Teilen geschrieben
werden, beißt der General-
sekretär Chales de Beaulien.
Papens Nachfolger im
Präsidentenstuhl \jtitrde
nach iç4i ein Exponent der
Henckell von Donnersmarck

PRÄSIDENTEN

Hugo Fürst zu Hohenlohe=Oehringen........ 1867-1874

Viktor Herzog von Ratibor..............1874-1893

Christian Kraft Fürst zu Hohenlohe.Oehringen . . . 1893—1910

Hans Heinrich Fürst von Pleß............1910—1923

Adolf Graf von Amim=Muskau............ 1923-1931

Lubbert Graf von Westphalen............. 1931-1932

Hermann Fürst von Hatzfeld.Wildenburg..... 1932-1934

Franz von Papen.....................seit 1934

GENERALSEKRETARE

Fedor André (i. V.)................... 1867-1868

Rittmeister Freiherr von Thielmann..........1868-1887

Rittmeister von Keudell................ 1887-1888

Rittmeister von Auerswald...............1888—1900

unbesetzt.........................1900-1904

Major Wolff.......................1904-1919

Rittmeister Krause....................1919-1933

Rittmeister Chäles de Beaulieu..............seit 1933


Stimmt worden durch den Unionklub. Nocli vor dem ersten Weltkrieg hatte ihn
der preußische Oberlandstallmeister Georg von Lehndorff in die Landespferde-
zuchtkommission berufen, ein Gremium, das bis dahin nur Vertretern der Feudal-
aristokratie vorbehalten war. Damit honorierte der deutsche Imperialismus Raus
Vcrsuch, in dem igoy erschienenen Buch „Die Not der deutschen Pferdezucht"
Wege zu zeigen, wie die Generale ihre Militärpferde erhalten können und die
Industrie auch noch zu ihrem Recht kommt.

Als erbitterter Feind der Novemberrevolution erweist sich Gustav Rau folge-
richtig dann als einer der schlimmsten Zutreibet des Faschismus. Bis zum No-
vember 1933 arrangierte er die Gleichschaltung des Pferdesportes und der Pferde-
zucht auf der Linie der offenen autoritären Führung. Auch sie erhalten in der
Person des berüchtigten SA-Obergruppenführers Litzmann ihren „Führer". Ihm
zur Seite stehen in den leitenden Positionen mehr als ein halbes Dutzend von
Repräsentanten des Unionklubs, unter ihnen General von Kayser, W. Bresgcs-
Zoppcnbroich, Graf Wuthenau-Hohenthurm und Graf Sponeck. Generalsekretär
Chales de Beaulieu erhält als Experte für die Gesamtproblematik das besondere
Vertrauen der Naziführung. Er selbst schreibt darüber 1942: „Auch für den
Unionklub ist es eine hohe Befriedigung zu sehen, daß der Apparat, den er aus
kleinen Anfängen . . . entwickelt und im Laufe der Jahrzehnte verbessert hat,
heute als staatliche Einrichtung in fast unveränderter Form weiterbesteht."
Und denjenigen, denen bei all dem Greuel ringsumher das Gewissen schlägt, droht
der Staatskommissar und Oberlandstallmeister Gustav Rau auf der Jahresver-
sammlung der „Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde": „Das Führerprin-
zip muß das erste Prinzip für jede Landestierzucht sein . . . Ein Querschießen
einzelner Personen aus Züchterkreisen, die weder den Geist des Dritten Reiches
noch die Notwendigkeit der Pferdezucht begriffen haben, gegen die Pläne des
preußischen Innenministerium wird die gebotene Abwehr zur Folge haben."
Bereits in seinem „Programm für die Landespferdezucht", veröffentlicht am
14. Juni 1933 in der Beilage der „Deutschen Traber-Zeitung", hatte Rau zum
Inhalt dieser Pläne unter anderem erklärt: „Wenn die Reichswehr besondere

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Die Zukunft
des deutschen Rennsports

Ein Intcnricw zwischen Herrn Graf S p r e t i,
Pritident de« Union-Cluba, und Herrn Eberhard
Piicher, Hauptachriftleiter de> „NR.":

Uebcr die Aussichten des deutschen Renn»ports geben
wir folgendes Interview bekannt.

Fischer (r. Krage): „Wie glauben Sie, da8 die neue natio-
nal« Regierung sich zum deutschen Rennsport stellt und wie
er gefördert wird:*'

traf Spreti antwortet: „Der Union - Club, der seit 65
Jahren den deutschen. Rennsport leitet, hat »eine Farben
Schw«rz-\Veiß-Rot auch in den letzten vierzehn Jahren hoch-
«nd durchgehalten. Er hofft deshalb, dafi die neue nationale
Regierung in Anerkennung dieser Tatsache den Vorschlägen
des Klubs, die der Förderung von Deutschland> Landes-
Pferdezucht und damit der Wehrhaftigkeit dienen, tatkrätfige
Unterstützung zuteil werden lüßt."
Frarïii

Fischer (3. Frjgc)- „Wie lange glauben Sie, lirauilii ilfr
deutsche Rennsport, um seine vollste Blüte wieder zu er-
reichen?"

Graf Spreti annvortri; ,.Dii> hängt .lUv-chlii-Blich von
den un^ zi-r \'erfügung stehenden tifhlinitteln ab. S'tbald
das Züchten \\ieder rentabel wird, werden ;.ucli .•ju'.rcichend
genug neue Mutter>tuten einge-ttllt und gcdcckt wirtlc"
Wenn der Vierjahre^plfln des Reichskanzler.

d o I f Hitler erfüllt 1 > i. k .1 n n 1 u c !i 111-111 < i h -
'1 a n d s V o 1 1 b l » t z u c h t uieder juf der (f o h e
stehe n,"

Montage. Graf Spretis Sympathiebehmdungen für den Faschismns

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Bruno Cassirer erwarb sich große Verilieiiste für Traherzucbt und -sport in der Weimarer
Republik. Voller Illusionen über die gefährlichen Ziele und Praktiken des Faschismus zeurde
er schließlich seihst ein Opfer des Naziterrors

Wünsdic äußert, werden ihr die deutschen Pfcrdczüchter . . . jedes geforderte
Pferdemodeil herstellen." Um es vorwegzunehmen; Als der deutsche Imperialis-
mus sechs Jahre später seinen Aggressionsschlag gegen Polen richtete, da gehörten
zur Ausrüstung der beteiligten faschistischen Armeen auch 200000 Pferde.
Im Oktober 1933 veröffentlicht die „Deutsche Traber-Zeitung" Nr. 104 33 eine
Meldung, die typisch ist für den fortschreitenden Faschisierungsprozeß. Sie ist
mit „Bekanntmachung" überschrieben und hier heißt es unter anderem : „Das
Preußische Ministerium des Innern hat folgende Anordnung erlassen: ,Ich er-
suche, Nichtarier künftig nicht mehr als Fahrer oder Herrenfahrer zuzulassen . . .
i.V. gez. Grauert'." Der stellvertretende Vorsitzende der OBT, NSDAP-Mit-
glied Freiherr C. v. Schorlemer, der nach dem Kesseltreiben gegen Bruno Cassirer
die Geschäfte der OBT leitet, fügt dem hinzu: „Dieser Anordnung haben sämt-
liche Rennvereine unbedingt nachzukommen, widrigenfalls den Vereinen, die

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dieser Anordnung nicht entsprechen, die Genehmigung für die Abhaltung von
Rennen entzogen werden müßte."

Sichtlich zufrieden mit alldem läßt Chales de Beaulicu 1942 in „Der klassische
Sport" eine Katze aus dem Sack, die er nach 1945 nicht mehr cinfangen konnte:
„Eine auch für den Rennsport entscheidende Wende ist mit dem Jahre 1933 durch
die Machtergreifung des Nationalsozialismus eingetreten . . . Mit der . . . Ziel-
sicherheit, die nur dem autoritären Staate eigen ist, wurden auf dem Gebiete der
Verwaltung und der Propaganda mit einem Schlage alle Hemmnisse beseitigt."
Das sagt Franz Chales de Beaulieu, als schon große Teile Europas durch die
faschistische Aggression in Schutt und Asche verwandelt sind und viele Millionen
Menschen Opfer des Naziterrors und des Krieges geworden waren.

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Legende und Wahrheit

Chales de Bcaulicu und andere Apologeten des deutschen Imperialismus scheuten
sich nach 1945 nicht, immer wieder die Lüge von einem „entmachteten und anti-
faschistischen" Unionklub aufzuwärmen. Als ein Argument wird herangezogen,
der Klub habe „in der deutschen Widerstandsbewegung elf Todesopfer zu ver-
zeichnen". Leider vermied es Chales de Beaulieu bisher, auch nach ausdrück-
lichen Presse- und brieflichen Anfragen, die Namen der elf zu nennen. Die Skala
von General Schleicher bis Graf Helldorf und der Großindustrielle Arthur von
Weinberg dürften sich auch nicht dazu eignen, den Klub mit einer weißen Weste
zu bekleiden. Und die Taten derjenigen - wie zum Beispiel des Heinrich Graf
Lehndorff-Steinort -, die zum Kreisauer Kreis oder zur Gruppe Stauffenberg
gehörten, also zum demokratischen Flügel der Verschwörung vom 20. Juli 1944,
haben im praktischen Verhalten der Masse der Klubmitglieder überhaupt keine
Resonanz gefunden. Im Gegenteil! Die Tatsachen besagen klar: Nicht weniger
Macht oder Entmachtung, sondern mehr Macht. Die Unionsmänner saßen in der
Zeit des Faschismus fester denn je an den Schalthebeln der Macht - und das in
erster Linie nicht nur im Rennsport -, nur die Form hat sich wieder einmal ge-
ändert.

Schon vor 1933 hatte durch Mitglieder des Klubs, wie den hohen SA-Führer Graf
Helldorf, den SS-Gruppenführer Ludwig Grauert und andere, ein außerordent-
lich guter persönlicher Kontakt zur Naziführung bestanden. Einrichtungen des
Klubs in Hoppegarten waren der SA schon vor 1933 für Übungen und Auf-
märsche zur Verfügung gestellt worden. 1934 hatte man den Vizekanzler Hitlers,
Franz von Papen, zum Präsidenten des Klubs gemacht. Und 1942 konnte Chales
de Beaulieu über die Entwicklung der Mitgliedschaft während des Faschismus
konstatieren: „Gegenwärtig gehören dem Klub vier aktive Minister und mehrere
hochgestellte Persönlichkeiten der Parteistellen sowie die Missionschefs sämtlicher
mit dem Deutschen Reich verbündeten oder befreundeten Mächte an." Weiter
stünden „drei Feldmarschälle, mehrere Generalobersten und zahlreiche Generäle
in den Reihen des Klubs".

Als die führende Gruppe derNazipartei am 30. Juni 1934 mit Zustimmung der
Monopolherren um Flick, Krupp, Schacht, Thyssen und anderer sowie der Rcichs-
wehrgenerale von Blomberg und von Reichenau unter ihrer eigenen Anhänger-
schaft und der ebenso reaktionären politischen Konkurrenz ein grausames Blut-
bad anrichtet, geht der Unionklub über die Ermordung der Generale von Schlei-
cher und von Bredow schnell zur Tagesordnung über. Ihre und andere Namen
werden in der Mitgliederliste widerspruchslos gelöscht, wie später auch die der
Teilnehmer an der Verschwörung des 20. Juli aus den Reihen des Unionklubs.
Hemmungslos schloß sich der Unionklub dem Rassenterror der Nazis an und
einige Mitglieder betätigten sich als führende Exekutoren der faschistischen
Rassengesetze.

Prominente Klubmitglieder, wie der Oetker-Konzernchef und Gestütsbesitzer
von Ebbesloh, Dr. Kaselowski, gehörten dem „Freundeskreis des SS-Reichsfüh-
89 rers Himmler" an.

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Keine Zttchterprämlen für Jnden

®ctttn, 17.3uni

®cmä6 3ïerfüflung bta $«ttn unb

Çteugtfdjcn SUlinifters für (Etnä^tung unb ßonb-
mittf^aft oom 3. 3uni 1938 raerbcn bic §§ 2 unb
80 bet 910. toi« folgt abgcönbett:

„^ttfontn, blï ol» «ïlt^bürflet lm
Sinne btr Giften Setotbnung jum Stcii^S'
bütgergefeg oom 14. dlooembec 1935 — Sleic^S'
gefefeblott I 1935, ©. 13333 — geiten, flnb
oom gefamten 9tennbettie6 ausgef(^IofTett. 3>ie[e
Seftimmung glit ni4lt füi ^ngel^Btige ftembet
Stooten."

ginter bem ^weiten Slbfofe bes § 80 ift ein-
äufügen:

„ffit ben Smpfong von gilt

fetnet bie einfc^tSnlenbe 93eftimmung bes § 2
entfpred^enb.'

ÏJotftc^enbe Slcnbttungcn bcc 910. ticttn om

1. Gcplembet 1938 in Rtoft.

*

8ur ©utrfifü^tung bes 'Mticf'Çaragtap^n im
îrabrennfport litgcn bereits bie U e b c t •
gangsbeftimmungen oor. Snnncf) be-
^nfien
qIIc bis jum 10. 3"ni 1938 obgcgcbcnen
OTflbuiiflcn oon '^fcrbcii im "©cfitj oou %^crfotirUy
bie nid)t ba» 9^cid)9biirgetrt(^t befitien, (Jüiltig-
teit, roeim bie 'i^ferbr bis ctunbtn uor ûem
Jicuncn in bas (Eigentum eine» zitier« über»
gegangen finb.

Za-ei Seilen einer Medaille. Der Unionsklnb hatte seinen Hitlerpreis

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Auf Bitten des Klubpräsidiums hatte Hitler das Patronat über die Stiftung des
„Silbernen Pferdes" für weitere loo Jahre übernommen; der Unionklub besaß
seinen Hitler-Preis. Damit wurde sogar der Inspekteur der SS-Reitschulen, Chri-
stian Weber, übertrumpft, der im Kuratorium für das „Braune Band von Deutsch-
land" in München unter anderen folgende Naziführer sammelte: Lammers (Prä-
sident der faschistischen Reichspressekammer), Bormann (Chef der Kanzlei
Hitlers), Dietrich (Staatssekretär und Reichspressechef der NSDAP), Wilhelm
Frick (Reichs- und preußischer Minister des Innern), Ohnesorge (Reichspost-
minister), Wagner (Gauleiter der NSDAP und Staatsminister) sowie den Vor-
sitzenden des obersten Parteigerichtes der NSDAP.

1957 erfüllte Hermann Göring dem Klub den Wunsch, Schirmherr für das damals
bedeutendste internationale Rennen in Deutschland, den „Großen Preis der
Reichshauptstadt", zu sein. Die Zusammenarbeit des Generalsckretariats mit
dem Goebbelsschen Nazipropagandaministerium sicherte diesem Rennen die
amtliche Unterstützung als „reichswichtig".

Und der Turniersport? Unter der Führung von Gustav Rau hatte sich nach dem
ersten Weltkrieg die Bewegung der ländlichen Reitervereine entwickelt. Sic wid-
mete sich im sportlichen Bereich der Leistungsprüfung in der Landespferdczucht.
Plinzner, ein kaiserlicher Hofbeamter, hatte inzwischen die höfische Bahnreiterei
dafür theoretisch reformiert. In den Vorständen der ländlichen Reitervereinsbe-
wcgung sammelten sich Offiziere, Staatsbeamte und Gutsbesitzer, deren politische
Gesinnung wenig zwischen konservativ-monarchistisch und faschistisch variierte.
Als sich zum Beispiel die ländlichen Reit- und Fahrvereine Brandenburgs zu
einem Landesverband zusammenschlossen, da bildeten folgende Herren den Vor-
stand: Landstallmeister von Hennings (Vorsitzender), Präsident von Oppen-
Dannenwalde (stellvertretender Vorsitzender), Rittmeister Keibel, Ritterguts-
besitzer Nicolas Rostin, Rittergutsbesitzer Graf Hardenberg, Neuhardenberg,
Major Cordes, Pritzwalk, Oberamtmann Thilo, Soldin, Gutsbesitzer Ebert,
Schwiebus, Gutsbesitzer Richter, Mahlow. Der Vorsitzende von Hennings wid-
mete diesem Ereignis schon Jahre vor dem Machtantritt des Faschismus den
chauvinistischen Kommentar: „Der sportliche Gedanke erzieht den Charakter,
die Ausbildung des Körpers stählt für den Lebenskampf, und nur ein Geschlecht
gesunder, starker Männer kann uns die Führer schenken, die das Vaterland wie-
der der Sonne entgegenführen."

Gustav Rau, als Geschäftsführer des „Deutschen Olympiade-Komitees für Rei-
terei" mit der Vorbereitung der deutschen Reiter-Equipe für die Olympischen
Sommerspiele 1936 betraut, sagte dann noch deutlicher, worum es den führenden
Kräften des deutschen Pferdesportes eigentlich ging. Elf Monate vor der Olym-
piade in Berlin, im September 1935, schreibt Rau: „Wie will man einen Krieg
im Osten führen, ohne eine starke Kavallerie?"

Überhaupt ist es sehr aufschlußreich, einmal die Liste der Männer zu prüfen, die
im Bereich des Reitsportes in diesen Jahren die olympische Idee wahren sollten.
Die Unterlagen von Reher über die Behörden und Spitzenverbände in der deut-
schen Pferdezucht und im Pferdesport besagen, daß zum Beispiel zu Beginn des
Jahres 1924 Reichswehrminister Generaloberst von Blomberg und Ministerpräsi-
91 dent General der Infanterie Hermann Göring Vorsitzende des „Deutschen

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Beteiligt als Armeebefehlshaber am Überjall auf die Tschechoslowakei, Polen und Belgien
vL-urde IOC-Mitglied General Walter von Reichenau von Hitler zum Generalfeldmarschall
befördert. Der Unionklub konnte nur Totengräber der olympischen Idee protegieren

Olympiade-Komitees für Reiterei" sind. Unter den Mitgliedern befinden sich
Generalmajor Freiherr von Dalwigk, Kommandeur der Kavallericschule in Han-
nover, SS-Gruppenführer Staatssekretär Grauert, Generalleutnant Knochenhauer,
Inspekteur der Kavallerie, SA-Obergruppenführer Litzmann, Vorsitzender der
Obersten Behörden für den Pferdesport, Nazi-Reichssportführer von Tschammer
und Osten sowie Freiherr von Langen, später Symbolfigur für das faschistische
Propagandamachwerk.....reitet für Deutschland".

Die Elite der Turnierreiter jener Jahre diente dem Faschismus als Paradestück.
Ihre Erfolge wurden mit dazu benutzt, die Kriegsvorbereitungen propagandi-
stisch zu verschleiern. Dabei handelte es sich bei diesen Personen nicht um irgend-
welche irregeleitete Mitläufer. Aus der Olympiaequipe der Reiter von 1936
avancierte zum Beispiel H. Brandt bis zum Generalmajor und Adjudanten des
Kriegsverbrechers Heusinger in der Operationsabteilung des OKH. Als Graf
Stauffenberg am 20. Juli 1944 versuchte, Hitler in die Luft zu sprengen, gehörte
Brandt zu den Teilnehmern der Beratung in Hitlers Hauptquartier und wurde
durch die Bombe getötet. Der Name des SS-Generals und Kommandeurs von
SS-Kavallerieeinheiten Fcgelein, vormals ein erfolgreicher Turnierreiter, ist mit
Massenmorden in mehreren vom Faschismus Überfallenen Ländern verbunden.
Unter den SS-Mordbrennern finden wir auch keinen geringeren als R. Wätjen.
Aber auch in den anderen Pferdesportarten engagieren sich viele Spitzenkräfte
aktiv für den Faschismus. Der mehrfache Championjockey Ernst Grabsch zum
Beispiel nimmt als SS-Offizier am Überfall auf Polen teil. Als Offiziere des
OKH erwerben Chales de Beaulieu und J. Pulte während des zweiten Weltkrie-
ges den traurigen Ruhm, äußerst fachmännisch am größten Edelpferderaub aller 92

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Zeiten beteiligt zu sein. Die militärischen und zivilen Exekutoren des Faschismus
richteten dabei in der Pferdezucht der zeitweilig besetzten Länder riesengroßen
Schaden an.

Was die auf englischer Basis gezogenen Vollblüter betrifft, so könnte darüber
umfassend nach der Registratur im „Allgemeinen Deutschen Gestütbuch" der
Jahre 1939 bis 1945 Auskunft gegeben werden. Auch in diesem Bereich bewähr-
ten sich die Buchhalter des räuberischen deutschen Imperialismus. Sie verzeich-
neten gewissenhaft jeden während des zweiten Weltkrieges in Europa „gekauf-
ten" oder offen gestohlenen Vollblüter samt der Namensänderung. Leider war
das ADG nicht zu beschaffen, dafür aber das Buch „Rennsport 1941 - ein Führer
durch Deutschlands Galopp- und Trabersport" von H. Lehmann und R. Schultzc.
Dieses Dokument gibt zumindest über den Beginn des Raubzuges in den Edel-
pferdezuchten europäischer Staaten genau Auskunft.

Als einer der Initiatoren für den Pferdediebstahl in Polen und Westeuropa be-
tätigte sich der damalige Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber des Hee-
res Walther von Brauchitsch. Der gleichfalls schwer belastete Generalsekretär
des Unionklubs, Chales de Beaulieu, bezichtigte ihn später in der BRD-Zeitschrift
„Vollblut", im Jahre 1940 ausdrücklich auch den Befehl zur gewaltsamen Über-
führung des berühmten Hengstes Pharis aus dem Besitz des französischen Indu-
striellen Marcel Boussac in das mit gestohlenen Vollblütern im Aufbau befind-
liche Heeresgestüt Altcfeld gegeben zu haben.

Und im „Rennsport 1941" ist zu lesen, daß in diesem Jahr ein von dem Freikorps-
mann und Hauptmann der Naziwehrmacht A. Althoff trainierter Hccresrennstall

1941 im besetzten Polen. Der deutsche Betriebsführer, ganz .Herrenmensch', beaufsichtigt die
Frauen bei der schweren Erntearbeit

545

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AV.

Aus der Mitteilung
der Aufierorderjtlichen Staatlichen Kommission
zur Ermittlung und Untersuchung der Untaten
der faschistischen deutschen Okkupanten und ihrer
Komplizen und des Schadens, den sie Staatsbürgern,
Kollektivwirtschaften, gesellschaftlichen Organisationen,
staatlichen Betrieben und Einrichtungen der UdSSR
zugefügt haben

i? September 1945

In Durchführung des Erlasses des Präsidiums des
Obersten Sowjets der UdSSR vom 2. November 1942 hat
die Außerordentliche Staatliche Kommission den Schaden
berechnet, den die faschistischen deutschen Okkupanten
Staatsbürgern, Kollektivwirtschaften, gesellschaftlichen
Organisationen, staatlichen Betrieben und Einrichtungen
der UdSSR zugefügt haben, und festgestellt, daß der Feind
auf dem besetzten Territorium der Sowjetunion der Volks-
wirtschaft und der Bevölkerung gewaltigen Schaden zuge-
fügt hat.

Die faschistischen deutschen Okkupanten haben
31 850 Industriebetriebe zerstört, in denen etwa 4 Millio-
nen Arbeiter beschäftigt waren, 239 000 Elektromotoren
und 175 000 spanabhebende Werkzeugmaschinen vernich-
tet oder abtransportiert.

Sie zerstörten 65 000 Kilometer Eisenbahnschienen,
4100 Bahnstationen, 36 000 Post- und Telegrafenämter,
Fernsprechzentralen und andere Einrichtungen des Fem-
meldewesens.

Sie vernichteten oder beschädigten 40 000 Kranken-
häuser und andere medizinische Einrichtungen, 84 000 all-
gemeinbildende Schulen, Fach- und Hochschulen sowie
Forschungsinstitute und 43 000 öffentliche Bibliotheken.

Sie ruinierten und plünderten 98 000 Kollektivwirt-
schaften, 1876 Staatsgüter und 2890 Maschinen- und Trak-
toren-Stationen. Sie schlachteten,
stahlen und verschlepp-
ten 7 Millionen Pferde
, 17 Millionen Rinder, 20 Millionen
Schweine, 27 Millionen Schafe und Ziegen, 110 Millionen
Stück Geflügel.

Vorsitzender der Außerordentlichen
Staatlichen Kommission
N.
Schwernik,
I. Trainin, J. Torte, T. Lyssenko,
Metropolit Nikolaus,
N.
Burdenfeo

SZAOR der UdSSR, Fonds 7021,
Liste IIG, Akte 123.

94

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Berlin mit 26 französischen, 7 belgischen und 7 polnischen Vollblütern an den
Start ging. Gleichzeitig hatte der SS-Führer Christian Weber in den bayrischen
Gestütshöfen Isarland polnische und mehr als 50 französische Mutterstuten sta-
tioniert. Rennstalle mit geraubten Vollblütern bildeten auch die Obersten SA-
und SS-Führungen. Allein die Münchner Abteilung des Rennstalles der SS-
Hauptreitschule umfaßte zu dieser Zeit 25 polnische Vollblüter, die der SS-Untcr-
sturmführer A. P. Schlaefke trainierte. Weitere Hinweise im „Rennsport 1941"
- zum Beispiel auf Salier, 4jährigcr Fuchshengst von Cerour-Save - gestatten
den Schluß, daß auch in der Tschechoslowakei gezogene Produkte Opfer des
faschistischen Raubzuges wurden. Ebenso verschleppten Spezialkommandos in
den folgenden Jahren jugoslawische, ungarische und italienische Vollblüter in die
Rennställe und Gestüte nach Deutschland, so daß sich hier der Bestand von 1939
bis 1945 ohne jede echte Eigenleistung verdoppelte.

Als Experte des Pferdediebstahls während des zweiten Weltkrieges schrieb Cha-
les de Beaulieu bei der zweiten Auflage seines Machwerkes „Der klassische
Sport" über die „Vermehrung des Pferdebestandes", „dieses Ziel ist im gegen-
wärtigen Krieg voll erreicht worden". Hierbei sei es ein „Verdienst" der faschi-
stischen Wehrmacht gewesen, daß sie in Polen, Frankreich und Belgien das hoch-
wertige Pferdematerial sofort „sammelte" und einer Verwendung in der deut-
schen Vollblutzucht zuführte. Diesem Beispiel seien andere Steilen gefolgt, so
daß die Zuchtbasis erheblich erweitert werden konnte.

Zu erwähnen ist ebenfalls, daß der während des zweiten Weltkrieges in Lodz
residierende Oberlandstallmeister z. D. Gustav Rau sich hinsichtlich der arabi-
schen Vollblüter der Aufgabe widmete, alle verfügbaren Pferde aus den okku-
pierten Ländern zusammenzutreiben und in einem deutschen Gestütbuch zu
erfassen.

Und die so „großen Pferdefreunde" des Unionklubs, jedenfalls möchten sie sich
gerne so der Geschichte überliefern, brachen 1944 in ein Triumphgeheul über den
V-Waffenbeschuß Englands aus, als dies - nach ihren Angaben - mit dem eng-
lischen Derby zusammenfällt. Li einer Korrespondenz der „Union"-Rcnnsport-
Zeitung aus Lissabon heißt es dazu: „Erwartet hatte man ein Königs-Derby.
Aber das Derby 1944 wurde ein V-i-Derby. Und zwar ausgesprochen. Die V-
Waffe wurde am Morgen des gleichen Tages gestartet, an denen Rennen in New-
market abgehalten wurden. Das militärische Ereignis überschattete das sportliche
und gesellschaftliche Geschehen zu Newmarket. Zum erstenmal fehlte der
König."

Die größten Verluste auch in der Pferdezucht hatte die Sowjetunion zu beklagen.
Bei der Ermittlung der Untaten der faschistischen Okkupanten in der UdSSR
gelangte die staatliche Untersuchungskommission 1945 zu dem Ergebnis, daß von
den 12 Millionen Pferden der verschiedensten Rassen in dem zeitweilig besetzten
Territorium 7 Millionen geschlachtet, gestohlen oder verschleppt worden waren.

95

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Nach schwerem Beginn - in der DDR erfolgreich

auf neuem Weg

Der zweite Weltkrieg hatte auch der Pferdezucht und dem Pferdesport tiefe
Wunden geschlagen und die Rennbahnen waren zum Teil zerstört. Allen echten
Freunden dieses Metiers prägte sich als Lehre ein: Es genügt nicht, sich dem
Pferdesport mit Leib und Seele zu verschreiben, sondern es ist vor allem not-
wendig, dafür zu sorgen, daß nie wieder ein Krieg von deutschem Boden ausgeht.
Zu den Reaktionären aller Schattierungen, die 1945 unter die Fittiche imperia-
listischer Besatzungsmächte flohen, zählten auch die Herren des Unionklubs. Sie
ließen dabei fast alles mitgehen, was dem Aufbau der Vollblutzucht und der
Leistungsprüfungen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone Deutschlands
hätte dienen können.

Jetzt bestand aber durch das Potsdamer Abkommen auch die Pflicht und die Ge-
legenheit für eine grundsätzliche Wende. Es gab keinen Zweifel daran, daß die
junkcrlich-bourgeoisen Besitzer von Hoppegarten nach dem Grundsatz, was des
Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein, enteignet werden mußten. Auf
der völkerrechdichen Basis des Potsdamer Abkommens der UdSSR, der USA,
Großbritanniens und Frankreichs wurde entschieden: Der Unionklub wird als
Großgrundbesitzer und eingedenk vieler Hauptschuldiger an den Verbrechen des
Faschismus in seinen Reihen verboten, aufgelöst und sein Besitz geht in das

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1946. Die Nol der ersten Nachkriegszeil gebar auch solche Transporlsilualionen

Eigentum des Volkes über. Eine durch das Potsdamer Abkommen für jeden
Staat verbindliche Entscheidung. Für das Gebiet der heutigen Deutschen Demo-
kratischen Republik war damit die politische und ökonomische Entmachtung des
Unionklubs für alle Zeiten besiegelt. Ebenso wurde in Leipzig, Halle, Dresden,
Magdeburg und Gotha sowie auf der im ehemaligen Zentrum des Heeresrenn-
sportes in Berlin-Karlshorst am i. Juli 1945 eröffneten Trabrennbahn der Weg
zum Volkseigenen Rennbetrieb beschritten. Als einem der Initiatoren der Trab-
rennbahn in Karlshorst ist dem 1945 tödlich verunglückten Generaloberst Bcr-
sarin, dem ersten sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin, jährlich das
Bersarin-Erinnerungsrennen gewidmet.

Das gescllschaftlichc Eigentum an den Einrichtungen der Pferdezucht und des
Pferdesportes bildete die Grundlage, damit sich auch in den einstigen Domänen
der reaktionärsten Kräfte Deutschlands eine antifaschistisch-demokratische und
sozialistische Entwicklung vollziehen konnte. Der kulturell-sportliche Bcreich
der Pferdezucht und des Pferdesportes bewährte sich als fester Bestandteil der
progressiven Entwicklung in der DDR.

Die größte Sorge in praktischen Fragen bereitete der Mangel an Vollblütern. Der
Unionklub glaubte, alles getan zu haben, um die Aufnahme des Rennbetriebes,
der Leistungsprüfungen unmöglich zu machen. Das hoffte er mit dem Abtransport
der großen Masse der Vollblüter nach Westdeutschland zu erreichen, nachdem
97 am 28. Oktober 1944 der letzte Renntag während des Krieges in Hoppegarten

7 Mit dem Pferd

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Stattgefunden hatte. Die Westberliner Zeitung „Der Tag" berichtete rückblickend
am 4. Juli 1954, von „etwa 800 Vollblütern, die einen Wert von 7 Millionen Mark
repräsentierten", die noch im April 1945 „von Hoppegarten abtransportiert" wur-
den. Andere Meldungen sprechen bei dieser von Heeres- und SS-Kommandos
sowie Fachleuten des Rennsportes durchgeführten Aktion zur Verschleppung
wertvollen Volksvermögens, deren Schlußphase ebenfalls Chales de Beaulieu
direkt leitete, sogar von 1000 Vollblütern.

An die Spitze der Vollblutzucht traten in der damaligen sowjetischen Besatzungs-
zone Funktionäre der Arbeiterbewegung, wobei besonders Toni Wohlgcmuth
(bis 1952) und Helmut Schneider (anschließend bis 1953) zu nennen sind, die in
der entscheidenden Phase des Neuaufbaus bis 1955 die Zentralstelle für Zucht-
und Leistungsprüfungen der Vollblut- und Traberpferde leiteten-
In Brandenburg verhalfcn Hcinrich Rau, später Mitglied des Politbüros des ZK
der SED und Minister in der Regierung der DDR, und Hermann Streit, der
spätere Staatssekretär in der Regierung der DDR, dem neugeschaffenen Provinz-
ausschuß für den Rennsport zu einem guten Start. Zwei Millionen Mark bewilligte
die brandenburgische Provinzialverwaltung für den Aufbau des Volkseigenen
Rennbetriebes in Hoppegarten. In den Rennbahnortschaften Neuenhagen und
Dahlwitz-Hoppegarten waren es die Mitglieder des Antifaschistischen Ausschus-
ses Alfred Bätz, Fritz Bätz, Richard Förster, Karl Hoffmann, Ella Krüger, Alfred

98

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Morbach, Paul Weiß und andere Bürger wie Franz Mörickc und der nachmalige
Direktor des VE Rennbetriebes Franz Schumann, der Trainer Hoch und der
private Rennstallbesitzer Krenz, die sich besondere Verdienste um die Wieder-
eröffnung des Rennsportzentrums erwarben. Als die Ortsgruppen der KPD und
SPD 1945 einen Aktionsausschuß bildeten und einen gemeinsamen Aufruf an die
Einwohner von Hoppegarten richteten, da gehörte zu ihrem 8-Punktc-Aufbau-
programm auch die „Festlegung von Maßnahmen zur Verhinderung der Wieder-
erstehung des Faschismus und Militarismus", die „Wiedererrichtung des wirt-
schaftlichen Lebens" und die „Beseitigung der Kriegsschäden".
Am 14. Juni 1946 war es der Vorsitzende der Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands Wilhelm Pieck, der gemeinsam mit Professor Dr. Werner, dem
ersten Oberbürgermeister Berlins nach dem Kriege, sowie Josef Orlopp und wei-
teren Repräsentanten der antifaschistisch-demokratischen Ordnung der Eröff-
nung des Volkseigenen Rcnnbetriebes Hoppegarten beiwohnte. Bis heute hat sich
daraus die Tradition entwickelt, daß führende Persönlichkeiten der DDR zu den
Höhepunkten der pferdesportlichen Saison jedes Jahr interessierte und herzlich
begrüßte Ehrengäste auf den Rennbahnen und Turnierplätzen sind.
Während Partei und Regierung sowie alte und neue Anhänger des Pferdesportes
alles in ihren Kräften Liegende taten, um den planmäßigen Aufbau zu fördern -
es begann zum Beispiel mit noch nicht einmal 150 Vollblütern; eine Bilanz der
Rennpferde, Zuchtstuten, Jährlinge und Fohlen im Jahre 1970 ergab rund 1450
— mußten auch auf diesem Gebiet ununterbrochen heftige offene oder versteckte
Attacken der imperialistischen Kreise der BRD abgewehrt werden. Was dort

99

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den Pferdesport und die Pferdezucht anbetraf, so standen wiederum die aus der
Nazizeit belasteten Gustav Rau, Chales de Beaulieu und J. Pulte an der Spitze
der Verbände und Organisationen und stehen es, bis auf den Mitte der fünfziger
Jahre verstorbenen Gustav Rau, mit einigen graduellen Unterschieden jetzt noch.
Sie handelten im Namen derjenigen, die grundsätzlich alles dirigeren, was im
Pferdesport der BRD geschieht oder unterlassen wird. Pferdesport und High
Society haben dort ihren inneren Zusammenhang behalten. „So verbindet sich",
schreibt ein gewisser Aloys Behler in dem Springerblatt ,Die Welt', „mit dem
Gestüt Schlenderhan, dem ältesten deutschen Privatgestüt, der Name Gabriele
Baronin von Oppenheim, wobei man diskret anfügen darf: Bankhaus Sal. Op-
penheim jr. & Cie. Ihr Gatte, Baron Friedrich Carl von Oppenheim, ist Präsident
des Kölner Rennvereins und der Europa-Union. Gestüt Röttgen leitet Maria
Mehl-Mülhens, Miterbin der Firma 4711. Von der Gräfin Margit Batthyany (aus
dem Hause Thyssen) war schon die Rede (Gestüt Erlenhof, gemeint ist der voran-
gegangene und hier nicht zitierte Teil des Behler-Artikels, H. L.), Alexandra
Scherping, Gattin des Direktoriumspräsidenten Uwe Scherping fungiert als Lei-
terin des Gestüts Waldfried, das sich im Besitz ihrer Mutter Gräfin Spreti be-
findet. Gestüt Ebbesloh in der Nähe von Gütersloh gehört dem Großdruckerei-

IOC

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Kaltblut Stute. Den schweren Pferderassen hat die wirtschaltlich-technische Entwicklung der
letzten lo Jahre auch in der DDR mit dem Ergebnis einer großen Produktivitäts- und Eflek-
tivitätssteigerung den Platz in der Wirtschaft genommen

lOI

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m

Sonntag, den 14. Juli 1946,15 Uhr

Fahrverbindung: Mit der S-Bahn bis Mohlsdorf, ob Mohlsdorf Pendelzug bis
Hoppegorfen. Fußweg von Bhf. Mohlsdorf bis zur Rennbahn (40 Minufen)

Nächster Renntag: Sonntag, den 21. Juli 1946.

Damit hatten in dem ehemaligen gesellschaftlichen Zentrum der im Vnionklub vereinten
Kräfte des deutschen Imperialismus endgültig die Entwicklnug von Pferdezucht und -spcrt
unter Führung der Arbeiterklasse begonnen

Rröffnungsveranstaltung
des Volkseigenen Renn-
betriebes Hoppegarten
am 14. Juli ig46.
Wilhelm Pieck und weitere
Persönlichkeiten, die den
neuen antifaschistisch-
demokratischen Weg
unserer Entwicklung ver-
körpern, sind herzlich
willkommen geheißene
Ehrengäste

102

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Was in den ersten schweren NachkrieRsjabren nur ein Traum war, ist seit Jahren schon sehr
ilekorativerTeil der Remiveranstaltungen: die Modenschauen(hier auf der Bahn in Karlshorst)

103

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Totii Wohlgemuth (Aujnahme aus dem
Jahre iç6r) wurde für ihren )ahrzehnte-
langen Kampj in der deutschen
Arbeiterbewegung mit dem Vaterländischen
Verdienstorden in Gold geehrt

besitzet Richard Kaselowski, einem Stiefbruder des Herrschers im Pudding-Reich
Dr. Oetker, Gestüt Ravensberg in der Nachbarschaft dem Textilindustriellen
Reinhard Delius, Gestüt Zoppenbroich in Rheydt Kurt Bresges (Spinnereien,
Webereien) und das Gestüt Asta wird regiert von Liselott Linsenhoff, der Toch-
ter des Gestütsbegründers Adolf Schindling (VDO-Tachomctcrwerkc, fein-
mechanische Instrumente). Als ein Beispiel erfolgreicher Gestütspolitik sei schließ-
lich noch der Bremer Stall Fährhof (Jakobs-Kaffee) genannt."
Diese Aloys-Behler-Skala ist dahingehend zu korrigieren, daß man bei den Na-
men Spreti-Scherping IG-Farben hinzufügen muß. Auch fehlt die Familie Pferd-
menges, die sowohl bei den Besitzern von Rennpferden als auch im Zusammen-
hang mit Zoppenbroich zu nennen wäre. Die sanfte Einstufung Oetkcrs in das
Puddingreich gehört schon lange der Vergangenheit an. SS-Mann Rudolf-August
Oetker, einer der Erben des verbrecherischen SS-Vermögens, gehört heute zu
den Drahtziehern und Hauptfinanziers der neofaschistischen Organisationen in
der BRD. Durch seinen Besitz und Einfluß in rund loo Unternehmen vieler Wirt-
schaftszweige, darunter großer Schiffahrtsgesellschaften, privater Bankhäuser
und Versicherungen, rangiert er auch von der Kapitalkraft her in der Gruppe der
Flick, Thyssen und Konsorten.

In ihre illusionären, aber auch sehr gefährlichen Pläne zur Annexion der DDR
schlossen diese Kreise den Griff nach der immer respektabler werdenden volks-
eigenen Pferdezucht mit ein, die gemeinsam mit privaten Züchtern und Besit-
zern dem internationalen Leistungsniveau entgegenstrebte. Gleichzeitig wurden
in der Presse - in Übereinstimmung mit der offiziellen Adenauer-Politik - Mel- 104

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Das iulernatiouale Spitzenpferd der Sowjetunion ,Anilin' mit Jockey Nassiboie beim Meeting
ig6j in Hoppegarlen

Internationales Meeting iç6j in Hoppegarten. Minister Georg Ewald und der damalige Bot-
schafter der UdSSR in der DDR, Pjotr Ahrassimow, mit den Jockeys Sekaschew, SU, Melnicki,
VR Polen, Gelics, VR Ungarn, und Koiealow, SU (von links nach rechts)

105

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düngen wie diese verbreitet: „Glanz und Elend einer Rennbahn. Ostbcriins
Rennsport vor dem Ruin. Mit der Eröffnung der zweiten Westberliner Trabrenn-
bahn Ruhleben, auf der dann auch internationale Konkurrenzen gelaufen wer-
den sollen, wird das Interesse der Berliner Pferdesportfreunde an dem einst so
berühmten Karlshorst endgültig erlöschen." Das stand am 4. April 1950 in einer
nur dem Namen nach „Neuen Zeitung". „Der Tag" setzte am 5. 6. Januar 1952
die Phrasen in die Welt: „Raubbau im Zonen-Rennbetrieb. Pferdezucht läßt sich
nicht nach dem Kolchos-System durchführen." Tatsache ist jedoch, daß sich der
VE Rennbetrieb Berlin-Karlshorst sehr gut entwickelte und schon lange ein gro-
ßes Programm von durchschnittlich 90 Renntagen im Jahr bietet.

106 '

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Die falschen Propheten, sie hofften auf die Wifksamiicit eines verblendeten Antl-
kommunismus, bekamen schon damals mit den ersten internationalen Erfolgen
des DDR-Pferdesportes die Pleite ihrer „Prognosen" serviert. Als Delikatesse
mag gelten, daß sowohl die „Neue Zeitung" als auch der Westberliner „Tag"
inzwischen längst ihr Erscheinen eingestellt haben. So ist das mit dem Ruin.
Das Springcrblatt „Die Welt" beteiligte sich unter anderem an dem makabren
Chor 1959 mit einer haßerfüllten Betrachtung zu der lange fällig gewesenen Ein-
führung des Gestütbuches für die Vollblutzucht der DDR.
Günther Gereke, verstorben 1970, damals Präsident der Zentralstelle für Zucht-
und Leistungsprüfungen der Vollblut- und Traberpferde, erklärte in Abwehr der
Alleinvertretungsanmaßung der BRD im Pferdesport im Vorwort zum Gestüt-
buch für Vollblut der DDR, Band I: „Die Herausgabe des ersten Gcstütbuches
für Vollblut der Deutschen Demokratischen Republik ist ein Ausdruck des er-
reichten Leistungsstandes der Vollblutzucht im ersten deutschen Arbeiter-und-
Bauern-Staat. Neben allen Nachrichten über die in der DDR vorhandenen Voll-
blutstuten und einer Aufstellung über die Hengste, deren Produkte in der DDR
beheimatet sind, wird auch ein Verzeichnis mit Abstammungstafeln aller in der
DDR stationierten Vollbluthengste nebst Bildern und Leistungen gegeben. Mehr
als jede Zucht ist die Vollblutzucht, die Krone aller Zuchten, international ver-
ankert. Vollblüter aus fast allen Ländern treffen sich häufig in internationalen
107 Leistungsprüfungen, aus denen wichtige züchterische Rückschlüsse gezogen wer-

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den können. Es ist daher notwendig, daß jedes vollblutzuchttreibende Land in
eigenen Gestütbüchern international interessierten Züchtern über die Abstam-
mung der in dem jeweiligen Land gezogenen Vollblüter und insbesondere auch
über die Leistungen der führenden Beschäler Auskunft gibt. Die Vollblutzucht
und der international so stark verbundene Rennsport dient in seinen friedlichen
internationalen Wettkämpfen besonders auch der Vertiefung der Freundschaft
der Völker und damit der Sicherung des Friedens, in dem allein die Vollblutzucht
in allen Ländern sich zur weiteren Blüte entfalten kann. Möge auch unser neu
erscheinendes Gestütbuch diesem hohen Ziele dienen."

Günther Gereke hatte es an Deutlichkeit über die Ziele der Vollblutzucht der
DDR, eingebettet in die grundsätzlich auf Frieden und Sicherheit orientierte
Politik des Arbeiter-und-Bauern-Staates, nicht fehlen lassen. Fast parallel dazu
erläutert der damalige Generalsekretär des Weidenpescher Direktoriums für
Vollblutzucht und Rennen in der BRD, Chales de Beaulieu, eine Variante der
militaristischen Konzeption des bürgerlichen Pferdesportes, wie sie seit eh und
je gegolten hatte. In seinem Buch „Vollblut" schreibt er, der Mann des kaiser-
lichen Garde du Corps und Hitler-Offizier, an die Adresse der BRD-Bundes-
wehr gerichtet: „Der Umgang mit einem guten Pferd macht, wie alle alten Aus-
bilder bestätigen können, den Träumer wacher, den Laurigen beherzter, den
Leichtsinnigen umsichtiger. Die alte Wehrmacht ließ im ersten Weltkrieg sogar
U-Boot-Offiziere im Reiten ausbilden. Ein Teil der Reitanlagen der Kaiserlichen

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Marine in Mürwik ist noch vorhanden. Auch heute würden Panzerfahrer und
Panzerführer das Gelände am besten vom Pferde aus kennen und werten ler-
nen . . . Leider sind alle diese Zusammenhänge bei unserer Bundeswehr bisher
kaum erkannt und beachtet. Die Schaffung von Reitgelegenheiten würde den
fühlbaren Mangel an Freiwilligen für die Führer- und Unterführerstellen wahr-
scheinlich besser und für die Öffentlichkeit schöner beheben als das Plakatieren
von Aufrufen und technischen Aspekten."

Obwohl der Unionklub in Zucht und Rennsport der BRD den Ton angibt,
herrscht keine volle Zufriedenheit. Man vermißt bei einigen Stellen den Sinn für
die „Zusammenhänge". Denn wie sieht es in Wahrheit mit der leidenschaftlichen
Passion kapitalistischer Pferdezucht-Unternehmen aus? Fachmann Chales de
Bcaulieu schrieb mit Bezug auf die Situation in der BRD in „Vollblut" offen-
herzig: „Das Kapital. . . strebt normalerweise innerhalb gewisser Grenzen nun
einmal zu solchcn Anlagezwccken hin, in denen es sich erhält, auf keinen Fall
aber weniger wird und womöglich bis zu einem im voraus zu berechnenden Ter-
min sich selbst auffrißt."

Unter Ausnutzung der bis zum 13. August 1961 offenen Grenze in Berlin organi-
sierte man die direkte Schädigung von Pferdesport und Pferdezucht in der DDR.
Vor allen Dingen wurde sofort, als an eigenen Trainer- und Jockeynachwuchs
noch nicht zu denken war, nichts unversucht gelassen, die erfahrenen Männer des
Pferderennsportes in die westdeutschen Rennställe zu holen. So berichtete der
Westberliner „Telegraf" bereits am 6. Oktober 1949: „Hoppegarten wird...
Nachwuchs bitter nötig haben, denn in dem . . . Vollblutparadies ist es verdammt
einsam geworden. Nach Gerhard Streit, Walter Held, Hans Zehmisch, Johannes
Starosta, . . ., Unterholzner, Cohn, Ahr und den beiden vielversprechenden Bol-
low und Langner hat nun auch den berühmtesten aller Jockeys, Otto Schmidt, der
Zug nach dem Westen ergriffen."

Aber was war das für ein „Zug", der Schmidt von Hoppegarten weglockte? Das
machen die Erläuterungen im gleichen Artikel deutlich: „Otto, der schon 1947
und 1948 ständige Angebote führender westdeutscher Rennställe erhielt und im
vorigen Jahr eine Stelle bei Schlenderhan ausschlug, hat. . . nun doch . • . einen
Vertrag für das Gestüt Erlenhof für 1950 unterschrieben. Zweifellos haben in
erster Linie finanzielle Momente eine Rolle gespielt." Erlenhof? Der Thyssen-
konzern hatte Otto Schmidt gekauft. Dem Treiben der Menschcnhändler, zu dem
es auch in den folgenden Jahren viele Beispiele gab, wurde am 13. August 1961
ein Ende gesetzt.

Eine andere Methode, dem DDR-Pferdesport Schaden zuzufügen, bestand darin,
Pferde zu stehlen. Über einen mißlungenen Pferderaub wußte am 12. Dezember
1954 der Westberliner „Tagesspiegel" zu berichten, daß man deshalb dem Trai-
ner Klaus D. in Westberlin einen Prozeß machte. Die Vierte Große Strafkammer
in Moabit stellte sich in den Dienst dieses Unternehmens und wollte Klaus D.
Untreue nachweisen. In Wahrheit war er seiner Verpflichtung treu geblieben, die
von ihm trainierten Traber „Zonta" und „Erico" nach einem Start in Westberlin-
Ruhleben wieder an ihren Standort in Berlin-Karlshorst zurückzubringen.
In der bereits erwähnten „Neuen Zeitung" wurde schon am 4. April 1950 das
109 verbrecherische Treiben der hochwohlgeborenen Pferdediebe mit den Worten

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umschrieben, daß „die Ställe ihre besten Pferde nach und nach aus dem Osten
zurückgezogen" haben.

Aber hinter alledem verfolgte man viel weiter reichende Absichten. In das
aggressive Programm reaktionärer Kreise in der BRD zur Veränderung des
Status quo in Europa, der Nichtanerkennung der bestehenden Grenzen und der
souveränen völkerrechtlichen Existenz der DDR will man auch die ganz spe-
ziellen Unionswünsche eingefügt wissen. Man will sich mit dem endgültigen
Charakter der Ergebnisse der Nachkriegsentwicklung, ausgehend von den Be-
schlüssen der Hauptsiegermächtc der Antihitler-Koalition, nicht abfinden. Chales
de Beaulieu ließ keine Gelegenheit verstreichen, ohne sein revanchistisches Propa-
gandasprüchlein herunterzuleiern, daß der Unionklub in Hoppegarten nur „vor-
läufig zu funktionieren aufgehört" habe.

Die Pferdesportbehörden in der BRD praktizierten ein eigenes System ent-
spannungsfeindlicher Maßnahmen. Entkleidet von allem täuschenden Beiwerk
in Form von Pachthengsten und ähnlichem äußerte sich die revanchistische Stör-
tätigkeit besonders in folgendem: Das Gebiet der souveränen Deutschen Demo-
kratischen Republik wird für den Pferderennsport der BRD zum „Inland" er-
klärt. Das Galopp- und das Traberderby der BRD werden mit der Anmaßung
veranstaltet, auch den Rennsport der DDR zu repräsentieren. Das Traberderby
der BRD findet außerhalb der Staatsgrenzen der Bundesrepublik in Westberlin-
Mariendorf statt. Das „Allgemeine Deutsche Gestütbuch" wird mit dem wider-
rechtlichen Anspruch in Weidenpesch weitergeführt, das einzig gültige deutsche
Vollblutgestütbuch zu sein.

Der Revanchismus gegen die DDR, die Sowjetunion, die CSSR, Polen und an-
dere sozialistische Staaten wird durch Rennveranstaltungen gefördert, die ein- iio-

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III

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deutig auf die Nichtanerkennung der Ergebnisse des zweiten Weltkrieges gerich-
tet sind. Da gibt es eine Unzahl von Rennen, die als Preise von Danzig, Kolberg,
Trakehnen, Zoppot usw. oder auch als Preise von Leipzig, Dresden, Magdeburg,
Potsdam und, was nicht fehlen darf, als Preis von Hoppegarten ausgeschrieben
sind.

Rennvereine aus Gebieten, die völkerrechtlich verbindlich bestimmt, zum Terri-
torium anderer Staaten gehören, wurden zur Bekräftigung annexionistischer Ziele
widerrechtlich am Leben erhalten. So berichtet zum Beispiel die BRD-Zeitung
„Sportwelt" vom 29. Mai 1968 über die „Generalversammlung des Vereins für
Pferderennen und Pferdeausstellungen in Preußen" aus dem ehemaligen Königs-
berg. Bezeichnenderweise übte bei diesem Revanchistenklüngel Chales de Beau-
lieu ebenso wie beim Unionklub die Funktion des Generalsekretärs aus. - Als
der unrühmliche Unionklub anläßlich der internationalen Rennwoche von Baden-
Baden 1967 eine 100-Jahr-Feier mit einem „Jubiläumsrenntag" verband, wurde
dies zu einer Demonstration des kalten Krieges gegen die DDR benutzt. Chales
de Beaulieu hatte damit gleichzeitig seine Abschiedsvorstellung von dem Posten
des Generalsekretärs im Weidenpescher Direktorium für Vollblutzucht und Ren-
nen in der BRD gegeben. Er trat, wie es hieß, am i. Oktober 1967 aus Alters-
gründen zurück, und um sich nur noch intensiv „Zuchtfragen" widmen zu können.
Als Generalsekretär des Unionklubs wirkte er nach wie vor als graue Eminenz
des Rennsportes der BRD. Weidenpescher Generalsekretär wurde Egbert von
Schmidt-Pauli, zwei Jahrzehnte schon an der Spitze der Exekutive im Kölner

112

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Rcnnvcrein und bis 1945 Hitlcrschcr Gcncralstabsoffizicr. - Zu den In jüngster
Zeit erzielten positiven Veränderungen auf unserem Kontinent haben die Insti-
tutionen des Pferdesportes der BRD und Westberlins ihren Beitrag noch zu
leisten.

In der DDR wurde am i. Januar 1969, aufbauend auf dem Erreichten und einer
klaren Konzeption folgend, mit der Zentralstelle für Pferdezucht beim Rat für
landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft eine einheitliche
Leitung der Pferdezucht der DDR geschaffen. Die Fachzeitung für Pferdezucht
und Leistungsprüfungen „Rennkurier", die sich in den letzten Jahren erfolgreich
an der Klärung vieler Grundfragen in Pferdezucht und -sport beteiligte, schrieb
aus diesem Anlaß unter anderem: „Die einheitliche Leitung der Pferdezucht
rückt die Landespfcrdezucht und die Traber- und Vollblutzucht einander nahe.
Diese Zusammenfassung der Kräfte erlaubt besser als bisher eine planmäßige
Reproduktion des gesamten Pferdebestandes entsprechend der volkswirtschaft-
lichen Erfordernisse. Organisatorische Voraussetzungen sind geschaffen worden,
den wissenschaftlich-technischen Fortschritt in der Pferdezucht und -haltung
durchzusetzen und die Kaderqualifizierung auf dem Gebiet der Pferdezucht und
des Rennsportes auf ein höheres Niveau zu heben. Die Weichen in Richtung auf
größere Erfolge, die auch internationalen Maßstäben gerecht werden, sind ge-
stellt."

Der Zentralstelle für Pferdezucht der DDR unterstehen alle Volkseigenen Voll-
blut- und Trabergestüte sowie die VE Rennbetriebe, ferner die VE Pferdezucht-
direktionen Süd, Mitte und Nord. Als Betrieb für eine zentralisierte Lehrlings-
ausbildung der Berufsreiter und Berufsfahrer sowie für die Futterversorgung der
Rennpferde in den Trainingszentralen Hoppegarten und Karlshorst nimmt das
Volkseigene Gut Neuenhagen einen wichtigen Platz ein.

Vervollständigt wird dieses Bild einer weitsichtig konzipierten Antwort auf die
Frage „Was wird aus dem Pferd?" durch Qualifizierungsmaßnahmen der ver-

i'3

8 Mit dem Pferd

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schicdcnstcn Art für die Mitarbeiter von Pferdezucht und Pferdesport. Zweifellos
gelTört dabei die Einrichtung eines 4jährigen Fernstudiums für Pferdezucht und
Pferderennsport an der Agraringenieurschule in Oranienburg-Luisenhof mit Be-
ginn des Studienjahres 1969 zu den bemerkenswertesten Entscheidungen.

114

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Vor neuen Aufgaben

Die Pferdezucht in der DDR steht mit dem Voranschreiten der industriemäßigen
Produktion in der Landwirtschaft und Nahrungsgütcrwirtschaft vor neuen Auf-
gaben. Die neuen Aufgaben ergeben sich daraus, daß sich dieser Prozeß - als
Element der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft - in der
Pferdezucht radikal bestandsmindernd auswirkt und neue Zuchtzicle stellt. Als
Ergebnis des Fortschritts der sozialistischen Landwirtschaft und ihrer ständig
gestiegenen Arbeitsproduktivität verminderte sich der Pferdebestand von i960

bis 1971 wie folgt:

Jahr

in 1000 Stück

i960

446,8

1966

250,3

1961

403,2

1967

219,0

1962

369,2

1968

188,1

1965

340,7

1969

147-1

1964

306,1

1970

126,5

1965

271,0

1971

105,8

III

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Nach Ansicht der Experten ist noch nicht abzusehen, wann hier die unterste
Grenze erreicht sein wird. Für die nächsten Jahre wurde auf der i. Wissenschaft-
lichen Weiterbildungstagung der Zentralstelle für Pferdezucht und der Agrar-
wissenschaftlichcn Gesellschaft der DDR ein anhaltendes Sinken des Gesamt-
pferdebestandes angekündigt. In diesem Rahmen wird sich der Anteil der Sport-
pferde gleichzeitig ständig erhöhen und schließlich allein den Bestand der Landes-
pferdezucht bilden. Von diesem Zeitpunkt an ist auch ein erneutes Ansteigen des
Gesamtbestandes möglich.

Die Pferdezüchter orientieren sich in ihrer Arbeit nach den sportlich-kulturellen
Bedürfnissen der Werktätigen in Stadt und Land. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn
vom Pferdesport der verschiedensten Sparten erwartet wird, daß er sich gerade
in den ländlichen Gebieten zur führenden Volkssportart entwickelt. Auf dieser
breiten Basis werden die Sektionen des Deutschen Pferdesportverbandes der
DDR für ihre Tätigkeit einen starken Auftrieb erhalten. Die Gründung von
Pferdesportsektionen in immer mehr Landwirtschaftlichen Produktionsgenossen-
schaften, Volkseigenen Gütern und Kooperationen ist dazu ein unerläßlicher
Schritt in der sportlich-kulturellen Massenarbeit.

Notwendig seien spezielle Zuchtprogramme, so wurde auf der i. Wissenschaft-
lichen Weiterbildungstagung für Pferdezucht ferner erklärt, aufgebaut nach dem
Beispiel der konkreten Planung in der Vollblut- und Traberzucht. Für den Inhalt
eines lo-Jahres-Programmes, das jährlich konkretisiert werden müßte, wurden
folgende Probleme genannt:

ii6

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1. Entwicklung und Zusammensetzung der Zuchtbasis, wobei die Zuchtstuten
jährlich bonitiert und selektiert werden müssen,

2. Fruchtbarkeits-, Absatz- und Aufzuchtleistungen,

3. Leistungsprüfungen und Reproduktionsprozeß.

17

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Mit der Forderung, auch in der Warmblutzucht die Zucht nach Leistung voll
durchzusetzen, wurde das Problem Exterieur und Leistung für die Landespferdc-
zucht konsequent auf völlig neue Art gestellt. Hinsichtlich der Prüfungen der
zukünftigen Vatertiere werden neue Regeln für die Hengstkörung diesen Ge-
sichtspunkt fixieren.

Die Maßnahmen zielen auf die Entwicklung eines Rennsportes mit Halbblut-
und Warmblutpferden. Das wird zu abwechslungsreicheren Programmen auf den
Rennbahnen beitragen.

Die Zentralstelle für Pferdezucht und der Deutsche Pferdesportverband der
DDR sorgen in guter Zusammenarbeit dafür, daß die Belange des Rennsportes
und des Turniersportes von einer gemeinsamen Basis aus und in voller Harmonie
wahrgenommen werden. Damit könnten die hohen Produktionskosten der Halb-
blut- und Warmblutpferde auch über den Weg der Rennen realisiert werden.
Für die Volkseigenen Rennbetriebe ist - ausgewiesen in den Besucherzahlen -
ein wachsendes Interesse zu registrieren. Es vergrößert sich also auch ihre Auf-
gabe, als Naherholungszentren die Werktätigen kulturell-sportlich zu betreuen.
Dabei erfüllen die Rennbahnen gleichzeitig ihre durch nichts zu ersetzende Funk-
tion, Stätten der Leistungsprüfungen und als solche ein untrennbarer Bestandteil
der gesamten pferdezüchterischen und -sportlichen Entwicklung zu sein. Eng ver-
knüpft mit dem Streben nach guten Leistungen unseres Rennsportes ist die Auf-
gabe, dem ständig wachsenden Bedürfnis nach Erfolgen in internationalen Lei-
stungsprüfungen unserer Vollblut- und Traberzucht zu entsprechen. Das ist auch
der Weg, wertvolles Terrain für den Export von Pferden zu gewinnen. Inter-
national erfolgreiche Leistungsprüfungen unserer Pferdezucht sind somit ein
vielseitiger Beitrag, die DDR weiter zu stärken.

Für diesen Bereich des Pferdesportes wurden perspektivisch folgende Aufgaben
gestellt:

1. den Bestand an Zucht- und Rennpferden zu erhöhen,

2. die Rennbahnen zu modernisieren,

5. die Möglichkeiten für eine neue Rennbahn im Norden der Republik zu prüfen,

4. verstärkt gemischte Programme mit Vollblut-, Halbblut-, Warmblut-, Trab-
und Hindernisrennen sowie Schauvorführungen darzubieten,

5. den Anteil der Zucht und der Haltung von Vollblut- und Traberpferden in
den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Volkseigenen Gü-
tern zu steigern.

In der Pferdetouristik, so wurde auf der i. Wcitcrbildungstagung für Pferde-
zucht kritisch eingeschätzt, bestände in vielen Gebieten der DDR noch ein Nach-
holebedarf. Es komme darauf an, mit den örtlichen Organen die Reit- und
Fahrtouristik auf vertraglicher Grundlage als Dienstleistungen nach ökonomisch
vertretbaren Preisen zu vereinbaren.

In einer vom Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst am 50. Juli 1970 verbrei-
teten Kurzbilanz über die Reit- und Fahrtouristik in der DDR heißt es, daß sich
diese einer immer größeren Popularität erfreut. Gegenwärtig bestände in 44
Orten Gelegenheit dazu. Auch einen Urlaub im Sattel könnten die Pferdelicb- 118

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habcr verleben. In dieser Hinsicht biete vor allem das VE Hengstdepot im meck-
lenburgischen Redefin ausgezeichnete Möglichkeiten. Hier wurde erstmals 1970
das ganze Jahr über Reittouristik getrieben, wobei Urlauber außerhalb der Haupt-
saison ermäßigte Preise zahlten.

Pferdesport und Reiten sind in der DDR eine Sache für jeden, der Lust dazu hat,
so kann man feststellen, denn auch der Mitgliedschaft im Deutschen Pferdesport-
verband der DDR zur ständigen aktiven Teilnahme am Reitsport sind keine
finanziellen oder andere Barrieren gesetzt.

Somit kann zu den neuen Aufgaben der Pferdezucht eingeschätzt werden, daß in
der entwickelten sozialistischen Gesellschaft das Pferd einen festen Platz im
kulturell-sportlichen Bereich hat. Kultur und Sport aber sind nicht von dem Leit-
gedanken unserer Politik zu trennen, alles für das Wohl des Menschen und das
Glück des Volkes tun, wie es in dem von Erich Honeckcr an den VIIL Parteitag
erstatteten Bericht des Zentralkomitees der SED heißt. Somit ist auch hier der
enge Zusammenhang von Pferdezucht und -sport mit der Verwirklichung der
vom VIIL Parteitag gestellten Hauptaufgabe zu erkennen, das materielle und
kulturelle Lebensniveau des Volkes weiter zu erhöhen.

Die DDR verbindet Pferdezucht und Pferdesport auf das engste mit den Fort-
schrittsideen der Menschheit. Der Qualität der Landespferdezucht wurden noch
119 nie solche dankbaren und hohen, alle Pferdezüchter angehenden und mit den

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Interessen des Volkes verbindenden Ziele gestellt. Geringere Quantität muß sich
dabei Schritt für Schritt planmäßig mit höherer Qualität paaren. Die Beschlüsse
unserer Partei- und Staatsführung zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbe-
dingungen und somit auch für eine sinnvoll auszufüllende Freizeit der Werk-
tätigen sind dafür Richtschnur.

Auf dieser breiten Basis werden auch die pferdesportlichen Spitzenleistungen im
internationalen Rahmen wachsen; denn als Maßstab für Pferdezucht und Pferde-
sport gelten in der DDR internationale Erfolge. Als allgemein anerkanntes Vor-
bild wirkt die Sowjetunion, mit deren Zucht- und Sportinstitutionen engste Ver-
bindungen gepflegt werden. Als wesentlicher Schritt der jüngsten Zeit ist der
Stutenaustausch mit mehreren sozialistischen Ländern zu betrachten, was die
genetische Auflockerung unserer Zuchtbasis unterstützt.

120

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Seine internationale Anerkennung hat der Rennsport schon 1952 mit der Auf-
nahme in den 1949 gegründeten Kongreß für Zucht- und Leistungsprüfungen der
sozialistischen Länder gefunden. Bei vielen der jährlichen Rennsportmeetings,
1954, 1957, 1964 und 1967 in Hoppegarten ausgetragen, konnten die Vertreter
der DDR beachtlichc Erfolge erkämpfen. Wertvolle Siege der Galopper und
Traber gab es auch bei anderen internationalen Rennsportveranstaltungen. Aller-
dings blieb die Erfolgsbilanz im Galoppsport Mitte der sechziger Jahre hinter
den bis dahin erreichten Ergebnissen zurück, auch eine Ursache für die inzwischen
im Leitungsbereich getroffenen Veränderungen. Zu diesem Zeitpunkt kann jedoch
noch nicht gesagt werden, inwieweit der Leistungstiefpunkt von 1967 überwunden
ist. Im Turniersport konnte die DDR bei mehrmaliger Teilnahme an den Reiter-
wettbewerben der Olympischen Spiele in den Disziplinen Military und Dressur
ihre Leistungsstärke unter Beweis stellen. 1964 kehrten die Militaryreiter aus
Tokio mit einer Bronzemedaiüe im Mannschaftswettbewerb heim. 1968 wurde
in Mexiko im Dressureinzelwettbewerb ein hocheinzuschätzcnder fünfter Platz
belegt. Auf vielen CHIO errang die DDR-Equipe über Jahre hinweg gute und
sehr gute Plazierungen. Der Pferdesportverband der DDR ist Mitglied der Inter-
nationalen Reiterlichen Vereinigung.

Und vor den Toren Berlins, in Hoppegarten, konnte die Zukunft im Turniersport
der DDR geprüft werden. Anläßlich der III. Kinder- und Jugendspartakiade in
den olympischen Sommersportarten kämpften hier im Juli 1970 50 Mädchen und
58 Jungen fünf Tage um Medaillen und Punkte in der Reiterprüfung, im kombi-
nierten Reiterwettbewerb, im Springen, in der Dressur und in der Military-Vor-
bereitungsprüfung. „Gerade die Mädchen ritten besonders schneidig", schrieb
das Organ des Zentralkomitees der SED „Neues Deutschland". Und wörtlich
hieß es dann weiter: „Erstmals bei einer Spartakiade-Springprüfung konnte auf
die Aufgaben der ganz leichten Kategorie verzichtet werden, denn in den Lei-
stungsanforderungen kam man einen deutlichen Schritt nach vorn . . . Letzter
Punkt des positiven Fazits: Während 1968 viele ihre Prüfungen nicht beendeten,
gab es diesmal kaum Ausfälle. Und während Berlin eindeutig bester Bezirk
wurde, kamen auch die Schlußlichter von einst (wie Cottbus) diesmal zu Punkten."

Ausklang

Es soll jedoch das letzte Wort dieses Bûches nicht gesprochen werden, ohne noch
einmal an das Urwildpferd zu erinnern, jenen letzten wilden Sproß des Eohippus.
Was wurde aus dem Urwildpferd, dem Equus przewalski, so genannt nach dem
russischen Forscher und General N. M. Przewalski, der 1879 die Menschheit
daran erinnerte, daß die Stammform des Hauspferdes auch noch existiert.
Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die ersten Ur-
wildpferde aus der Mongolei in die Tiergärten. Danach entbrannte in den fol-
genden Jahrzehnten immer wieder Streit über die Frage, ob das Urwildpferd
in der freien Wildbahn endgültig ausgestorben sei. Durch einen Briefwechsel mit
Zoltan Kaszab, dem Direktor der Zoologischen Abteilung des Ungarischen
Naturwissenschaftlichen Museums in Budapest, der sechs Expeditionen in die

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Mongolische Volksrepublik zur Sammlung zoologischen Materials durchführte,
wurden dem Autor einige Fakten jüngsten Datums bekannt. 1966 machte Kaszab
Freilandbeobachtungen in Bezug auf das Przewalski-Pferd. Er hatte eine kleine
Herde 20 Minuten mit dem Fernglas beobachten können. Daß seine Beobachtun-
gen stichhaltig gewesen sind, was von einigen anderen Forschern auf Grund des
unter ungünstigen Bedingungen entstandenen Bildmaterials der Begegnung mit
formaltheoretischen Betrachtungen angezweifelt wurde, bezeugen auch Angaben
von Osoryn Schagdarsuren, Direktor des Biologischen Instituts der Mongolischen
Akademie der Wissenschaften. Bei einer Expedition in die dschungurische Gobi
im Frühjahr 1967 hatte der mongolische Wissenschaftler im gleichen Gebiet wie
Kaszab zwei Przewalski-Pferde beobachten können. Ein anderer mongolischer
Augenzeuge konnte, von dieser Stelle etwas weiter entfernt, 12 Exemplare ent-
decken. - Zoltän Kaszab zieht aus den in der letzten Zeit häufiger gewordenen
Beobachtungen des Przcwalski-Pferdes in der freien Wildbahn den Schluß, daß
ihre Zahl zunimmt.

Zuwachs hatte auch der Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde zu begrüßen. Im
Gehege der Przewalski-Pferde erblickte am 21. April 1972 ein Urwildpferdfohlen
das Licht der Welt.

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Liebes Pferd

Es ist verkehrt,
zu sagen,

Es sänke dein Wert

Durch elektrifizierte Lieferwagen.

Du Pferd brauchst nicht zu weinen
Und dich auch nicht zu schämen;
Es kommen gute Zeiten:
Meine Enkel werden mit deinen
Morgens,

Bevor sie eine Rakete nehmen,

Ein Stündchen um den Startplatz reiten.

Sarah Kirsch

125

-ocr page 124-

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Reichstagsprotokolle, Alben des deutschen Rennsports, Rennsportzeitungen und Fachzeit-
schriften verschiedener Jahrgänge, Archivmaterialien und anderes
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Nr. 12, XVIL Jahrgang 1969, VEB Deutscher Verlag

der Wissenschaften Berlin
Tierzucht, Fachzeitschrift für Tierproduktion, VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin
Gestütbuch für Vollblut der DDR, VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1971

126

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Inhaltsverzeichnis

Eohippus, seine Nachfahren und ihre Verwandten 8
Jahrhunderttausende interessierte nur das Pferdefleisch 15
Wann wurde das Pferd zum Haustier? 18
Die Hippologie von Kikkulisch bis zu Griso 23

Theorie und pfcrdezüchterische Praxis im feudalistischen Deutschland 52

Das thorough bred horse wird geboren 41

Die Anfänge der deutschen Vollblutzucht 45

Marx und Engels über Pferde und Reiten 51

Eine Zentrale nach reaktionärem Konzept Bismarcks 59

Reaktionäre Machenschaften des Unionklubs 68

W. I. Lenin über die ökonomische Bedeutung des Pferdes 74

Teilhaber der faschistischen Diktatur 82

Legende und Wahrheit 89

Nach schwerem Beginn - in der DDR erfolgreich auf neuem Weg 96
Vor neuen Aufgaben 115
Ausklang 121

127

-ocr page 127-

Fotonachwcis

Deutsche Fotothek Dresden: Schutzumschlag o. 1., rn. I., Seite 9 c., 9 u., 10 u., 15, 2} o.,
25 u., 27, 29 u., 30, 33, 54, 35 o., 44 o., 44 u., 50, 51, 57 u., 60, 6j u., 66, 77, 81, SS;
Karl-Heinz Drotvski: Schutzumschlag u. 1., u. r., Seite 7, 105 u., 106, 108, iio, in o., in u.,
1
13 ; Reproduktionen: 16, 17 u., 20, 21 o., 24, 28, 29 o., 41, 42 o., 42 u., 43, 48, 49 u., 61 o.,
71 o.,
71 u., 83, 8;, 86 Porträt, 87, 90 1.;

Klaus Mihatsch, )un.: Seite 8, 10 o., 12 o., 13, 14, loi o., 114, 115;

Gisela Lenz: Seite 12, 82, 100; Archiv: 21 u., 490., 86 Zeitungsausschnitte, 90 Zeitungsaus-
schnitt,
94, 99;

Hilde Hoppe: Sehe 170., 31, 104, 1050., 112, 116, 117;
Dietz Verlag: Seite 57 o.;

Reproduktionen nach Zeichnungen von Fred Westphal: Seite 54, 55;
Wolfgang Behrendt: Seite 69 r.;

Archiv NBI / Die Zeit im Bild: Seite 68 1., 68 r., 69 1., 70, 71 m., 92

Erich Bischof: Seite 102 o., 102 u.;

Inge Drowski: Seite 103, 107;

Gerhard Budich: Seite loi u.;

Michail Michailow: Seite 122;

Rolf von Ende: Reproduktionen Seite 19, 23 u., 25 o., 35 u., 39;
Rolf Haase: Seite 26;

Militärverlag: Seite 36 1. o., 36 r. o., 36 1. u., 37, 47, 59, 62, 63, 65 o.;
Armeemuseum: Seite 46 o.;

Museum für deutsche Geschichte: Seite 38 0., 38 u., 46 u., 64, 84;
Progreß-Filmvertrieb: Seite 40;

Zcntralbild: Seite 52, 61 u., 72, 75, 760., 76 u., 78, 79, 93, 96, 97, 98, 119, 120.

Schutzumschlag (von oben nach unten)

Wagenrennen in Griechenland während der Olympischen Spiele

Reiterattacke unter dem Kommando des Helden der Roten Armee, W. I. Tschapajew,
gefallen am j, September içig

,Eros' mit Fahrer Werner Bandemann, Sieger im Traber-Derby der DDR igjo
in Berlin-Karlshorst

,Meernymphe' mit Rekordchampion Egon Czaplewski, Sieger im Galopp-Derby der DDR
1ÇJ0 in Hoppegarten bei Berlin

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„Mit dem Pferd durch die Zeiten"
hebt sich erfreulicherweise von
vielen Büchern, die das Pferd zum
Thema haben, dadurch ab, daß es
prinzipiell und konsequent vom
Standpunkt der marxistisch-leni-
nistischen Weltanschauung ge-
schrieben wurde.

Anknüpfend an fachliche Interes-
sen wird dem Leser geschichtliches
Wissen vermittelt. Der Autor bleibt
nirgends in oberflächlicher Schil-
derung stecken. Die Sprache ist
klar und überzeugend.
Als eine populärwissenschaftliche
Schrift dürfte es in seiner Art auch
international in der Literatur zur
Geschichte des Pferdes eine Sel-
tenheit sein. Es wird den Autoren,
die künftig über Bereiche des
Pferdewesens schreiben wollen,
eine große Hilfe geben.
Der gesellschaftskritische Inhalt
des Buches bietet auch dem Leser
sehr viel, der sich nicht nur speziell
für die Probleme der Geschichte
des Pferdes interessiert.

Rolf von Ende

Chefredakteur des Rennkuriers

Das vorliegende Werk habe ich
mit großem Interesse zur Kenntnis
genommen, da es meines Wissens
der außerordentlich begrüßens-
werte erste Versuch einer marxi-
stischen Darstellung der Ge-
schichte des Pferdes ist. Die Arbeit
ist sicher ein Gewinn für den Bü-
chermarkt der DDR.

Dr. Burchard Brentjes

a.o. Professor für Archäologie

Vorderasiens