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F. KÜGLER,

KLEINE SCHRIFTEN IJND STUDIEN ZUR
KUNSTGESCHICHTE.

DRITTER THEIL

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KLEINE SCHRIFTEN

über

NEUERE KUNST

und

DEREN ANGELEGENHEITEN

von

FRANZ KUGLER.

STUTTGART.

VERLAG VON EBNER & SEUBERT.
1854.

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KLEINE SCHRIFTEN UND STUDIEN

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ZUR

KÜNSTGESCHICHTE

von

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FKANZ KUGLER

Mit Illustrationen und andern artistischen Beilagen.

DRITTER THEIL

STUTTGART.

VERLAG VON EBNER & SEUBERT.
1854.

KUNSTMISTORISCH li^TrTÜOT '
DER RIJKSUNfVEi^lJlTEIT UTftEQHT

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Druck der J. G. Sprandcrschen Buclidruckerfji.

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Ich habe den allgemeinen Bemerkungen des Sendschreibens,
welches den ersten Theil meiner kleinen Schriften und Studien zur
Kunstgeschichte einleitet, für diesen dritten Theil einige Worte hin-
zuzufügen. Er ist der neueren Kunst und ihren Angelegenheiten
gewidmet, d. h. er hat es vorzugsweise mit der Kunst der Gegen-
wart zu thun, greift dabei aber zurück bis in diejenige Epoche gegen
Ende'des vorigen Jahrhunderts, in welcher, mit der Rückkehr auf
naive Naturbeobachtung und auf klassische Studien, der Grund für
die Gegenwart gelegt wurde. Das Miterlebte bildet den überwie-
genden Theil des Inhaltes. Man wird es vielleicht dem Wesen
persönlicher Entwickelung nicht widersprechend finden, wenn der
Verfasser eine Zeit lang sich den Erscheinungen mit jugendlicher
Innigkeit hingab und erst im Lauf der Jahre sich mehr auf sich
zurückzog; man wird vielleicht aber auch bemerken, dass die künst-
lerische Entwickelung der letzten Decennien selbst lebhafte Wand-
lungen durchgemacht hat, dass zuerst eine jugendlich schwärmerische
Begeisterung überall die edleren Gemüther erfüllte und dann erst
die schärfere Energie eines männlichen Bewusstseins eingetreten ist.
Immerhin aber war jene frühere Zeit vieler Schönheit voll, und ich
nehme keinen Anstand, die kleinen Zeugnisse meiner Hingebung dieser
Sammlung einzuverleiben; — scheint es doch, als ob unsre jüngeren
Zeitgenossen die begeisterte Innigkeit, welche jene reich productiven
Jahre charakterisirt, ohne bestimmten Hinweis schon nicht mehr
nachzuempfinden im Stande sind.

Nicht Alles indess, was dieser Band enthält, bezieht sich un-
mittelbar anf die Werkthätigkeit der Kunst. Es galt ab und zu
auch, inne zu halten und die Grundsätze des Schaffens, zurückgehend

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auf die Resultate früherer Kunst, hinausblickend auf die Zukunft,
sich gegenwärtig zu machen und in Worte zu fassen. Es galt na-
mentlich auch — bei dem Hervortreten einer Breite des Schaffens,
wie sie lange nicht dagewesen war, — die äusseren Verhältnisse
der Kunst, ihre Stellung zum Leben und im Leben, die Forderungen
des Künstlers an die Aussenwelt und die Forderungen dieser an ihn,
zu erwägen und an der Ordnung dieser Verhältnisse mitzuarbeiten.
Was in diesen Dingen früher aus allgemeiner Neigung geschah, ist
später in amtlicher Pflicht fortgesetzt worden. Ich habe geglaubt,
hierauf Bezügliches in diese Sammlung mit aufnehmen zu dürfen.
Auch die Zeugnisse eines solchen Strebens, überall gegründet auf
thatsächliche Elemente und deren Entwickelung, dürften für die Ge-
schichte des Kunstlebens der neueren Zeit vielleicht nicht ganz ohne
Bedeutung sein.

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BERICHTE, KRITIKEN, ERÖRTERUNGEN.

1831 — 1836.

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Neue Stickmuster.

(Gesellschafter 1831. Beiblatt No. 15.)

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Die bildenden Künste haben seit etlicher Zeit einen Aufschwung genom-
men, dessen Ende und Folgen noch lange nicht abzusehen sind; aber auf die
Dinge, welche uns in unserm häuslichen Leben umgeben, hat dieser Auf-
schwung kaum noch einen Einfluss ausgeübt. Vergleichen wir unsre Ge-
räthe etwa mit denen unsrer guten Vorfahren im Mittelalter, so muss uns
die Formlosigkeit unseres sonst sehr uniformen Jahrhunderts in unerquick-
lichster Weise berühren. Dies und Jenes hat freilich auch bei uns seine
bestimmten, oft mit peinlicher Sorgfalt beobachteten Formen, aber doch
nicht seine eignen, vielmehr von fremden Dingen entlehnte, die sich in
ihrer neuen Verwendung seltsam genug ausnehmen. Wir haben "Wand-
spiegel, deren Einfassungen durch Stücke antiker Tempelportiken gebildet
werden: wir haben Ofenschirme, welche vollständigen portativen Tempel-
chen gleichen. Nur wo zufällig, für's Kleine, unmittelbar brauchbare grie-
chische Muster vorlagen, bei Krügen, Schalen u. dergl., giebt es Ausnahmen.
Im Grossen und Ganzen ist wenig zu hoffen, so lange die Mode in ihrer
Opposition gegen die Kunst verharrt.

Die Muster für Stickarbeiten, beliebteste Artikel für schöne Hände,
liaben bisher am meisten unter den Einfällen der Mode gelitten. Wir
gedenken mit Entsetzen der kaum vorübergegangenen Chinesen-Wuth,
da uns aller Orten jene kleinen, embryo-ähnlichen Teufelchen entgegen-
hüpften. Sah ich doch selbst vor einigen Jahren Kolbe's anmuthige
Sängerfahrt — das Titelblatt des gleichnamigen Almanachs — ganz und gar,
mit Rittern, Pilgern und Engeln, verchinesirt. Aehnliches, wenn auch ohne
das spezifische Chinesen-Kostüm, können wir noch heute an den Fen-
stern sämmtlicher Stickwaaren-Handlungen sehen; Hildebrand's War-
nung vor der Wassernixe, Hübner's Fischer — dieser mit anständig

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8 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

idyllischer Jaclce und Hose — sind eben das Neuste der Art, Auch unter
den Dingen, mit welchen sich ein etwas vernünftiger Geschmack einver-
standen und die er dem Charakter der Arbeit mehr entsprechend finden
dürfte, — Ornamenten, Blumen, grösseren Thierfiguren, — finden sich sehr
wenig gute Muster; wir können in den Läden der Stickwaaren-Händler
ganze Kasten durchsuchen, ohne oft auch nur auf ein einziges brauchbares
zu stossen. Es fehlt, abgesehen von der wenig geschmackvollen Anordnung
in Form und Farbe, vor Allem das, was man unter dem Worte Styl begreift.

Kumohr nennt den Styl ein Sich-fügen in die Forderungen des Stoffes,
in welcliem der Künstler seine Gestalten bildet. Hier also wäre einerseits
der weiche Charakter der Seide oder Wolle, oder die Anwendung beider
zugleich, andrerseits, was das Wichtigere, das Mosaikartige der Arbeit zu
berücksichtigen. Die erste Rücksicht empfiehlt u. A. die Ausführung von
Blumen; die zweite verbietet alles kleinliche Detail, fordert eine mehr
massenhafte Auffassung der Gegenstände, und begünstigt besonders das aus
geraden Linien und Flächen zusammengesetzte Ornament, wie wir dasselbe
z. B. bei den alten Italienern und Arabern finden: — Sterne, Kreuze, Band-
verschlingungen u. s. w., oder eine, diesem Ornament entsprechende, d. h.
für dasselbe stylisirte Darstellung freier Naturformen, namentlich wiederum
der Blumen. Die Anwendung des Ornamentes wird aber bei den Stickereien
meist schon aus dem Grunde anzurathen sein, weil sie nicht auf den Namen
selbständiger Kunstwerke Anspruch machen, vielmehr eben nur zum Schmuck
für Dinge des Gebrauches dienen wollen.

Die Herren Nicolai und Gillet, Stickwaaren-Händler zu Berlin, haben
sich das Verdienst erworben, die Ersten zu sein, welche durch einen, in
der Erfindung des Ornaments ausgezeichneten Künstler, den Architekten
Herrn C. Bötticher, eine Reihe von Stickmustern haben anfertigen lassen,
bei denen die obigen Rücksichten auf das Sorglichste beobachtet sind. Diese
Muster, welche sich in den Formen des genannten Ornaments und der für
dasselbe stylisirten Blumen bewegen und in denen die Farben-Zusammen-
stellung zugleich höchst sinnig angeordnet ist, sind meistens durch den
Titel des Arabischen Styls bezeichnet; sie sind für Teppiche, Decken, Ta-
schen, Schuhe, Klingelzüge u, s, w. bestimmt, und werden Jedem, dessen
Auge nach entschiedenen Formen verlangt, willkommen sein ■•),

Es möge beim Wiederabdruck des kleinen Artikels, nach fast einem Vier-
teljahrhundert, abermals und nachdrücklichst auf die Bötticher'schen Stickmuster
hingewiesen sein. Auch die junge Welt von heute kann sie mit bestem Nutzen
gebrauchen, und der Name des Meisters, der sie gefertigt, wird heute zur voll-
sten Genüge für ihre Classicität und Aumuth bürgen.

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Wenn wir die Gestalten, welche Führich uns in seinen Bildern vor-
überführt und zu denen wir uns auf eigne Weise hingezogen fühlen, näher
und aufmerksamer betrachten, so erkennen wir in ihnen bald alte und liebe
Bekannte; es ist der deutsche Charakter, dessen Stempel ein jedes seiner
Bilder trägt. Sie sind deutsch-fromm und ernst, deutsch-tiefsinnig und
kindlich, deutsch-phantastisch und auch der deutsche Humor klingt zu-
weilen mit hinein; — Eichtungen, die wir aus den Bildern z. B. von Al-
brecht Dürer gar wohl kennen. Und wenn die Gestalten,; welche aus dem
Gemüth des wahren Künstlers hervorgegangen sind, — für einen solchen
aber halte ich Joseph Führich — wie in einem klaren Spiegel sein Inneres
erschauen lassen, so müssen wir dem Zeichner der oben genannten Bilder
in herzlicher Liebe gewogen werden,

Führich hat, soviel mir bekannt, vor den neuerdings erschienenen
Bildern zur Genovefa folgende Gegenstände herausgegeben, welche sämmt-
lich, so wie auch jene, bei P. Bohmann's Erben zu Prag (der Heimat des
Künstlers) erschienen sind:

Das Gebet des Herrn, 9 Blätter, von dem Künstler selbst leicht
und sicher radirt, mit erläuterndem Text von Anton Müller, k. k. Professor
der Aesthetik an der hohen Schule zu Prag. Das erste Blatt ist eine
Tafel, auf welcher sich die Inschrift des Titels befindet, nach Art eines
gothischen Portals von einfachen Zierraten und verschlungenen Zweigen
umgeben, von denen kleinere Bilder eingeschlossen werden. Diese ein-
zelnen Theile des Rahmens, meist Scenen aus dem Leben Christi enthal-
tend, geben gewissermaassen eine Inhaltsanzeige der folgenden Blätter.
Unter der Inschrift ist eine spitzbogige Nische mit dem Brustbilde des
Künstlers, welcher den Blick fromm nach oben riclitet; in der Rechten
hält er den Zeichnenstift, in der Linken eine kleine Tafel, darauf die
Buchstaben OAMDG stehen, — „Omnia ad majorem dei gloriam".
Diese Worte scheinen Führich's künstlerischen Bestrebungen als leitender
Wahlspruch zu dieuen: wir finden eine Tafel mit denselben Buchstaben auf
dem letzten Blatt der Genovefa wieder. Die folgenden Blätter stellen ein
jedes eine einzelne der Bitten dar, stets den Sinn derselben auf eine tief-
gefühlte poetische Weise lösend; es sind symbolische Darstellungen, aber
das Symbol ist Leben geworden. Die Beschreibung eines Bildes möge
die der andern vertreten: — „Dein Reich komme". Eine kalte Winter-
landschaft, heftiger Wind. Ein alter Kapuziner reitet auf einem Saumthier,
die Monstranz in seinen frosterstarrten Händen; er will einem Sterbenden
das letzte Mahl bringen. Der Sakristan, mit einem Glöcklein läutend, zieht
das müde Thier durch den Schnee; vielleicht ist es der Bauer selbst, dessen
Weib in dem fernen Dorfe, dahin der Weg führt, krank liegt. Der Wandrer
im Vorgrund hat sich auf das Knie geworfen und schlägt seine Brust; sein
Haar flattert im Sturm. Ich glaube, er strebte nach fernen, wärmeren
Ländern; da ist ihm hier in der kalten, unwirthbaren Wüste ein andres
Licht aufgegangen. Denn das Reich des Herrn ist nicht von dieser Welt. —
Der wilde Jäger, 5 Blätter, nach dem Bürger'schen Gedicht glei-
ches Namens, radirt von Anton Gareis, ebenfalls mit kritischen Aufsätzen

Bilder zu Tieck's Geuovefa.

Bilder zu Tieck's Genovefa, von Joseph Führich.
(Gesellschafter 1832, Beiblatt No. 1 f.)

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Berichte, Kritiken, Erörterungen,

von A. Müller. Die fünf Hauptmomente des Gedichtes sind von dem
Künstler besonnen aufgefasst und so dargestellt worden, dass sie auch ohne
das Gedicht ein verständliches Ganze ausmachen. "Wir sehen das Wachsen
der Leidenschaft, den allmähligen Sieg des Bösen, die endliche Strafe.
Vorzüglich ausgezeichnet schien mir das zweite Bild, da der Graf die Saat
niederzureiten im Begriff ist. Eine dreifache Handlung bewegt den Grafen;
er hat die Hand mit der Knute gegen den armen Bauer, der flehend vor
seinem Pferde steht, erhoben; der lichte Ritter zur Rechten ist vorgesprengt
und wehrt ihm mit der linken Hand, der dunkle Ritter zur Linken zieht
ihn seitwärts über den Hag, dem Hirsche nach, in das Getraide. Trefflicher
Ausdruck in den Köpfen. Der linke Ritter trägt in allen Blättern unter
dem spitzen Hut die — übrigens im Mittelalter gebräuchliche — Mephi-
stopheles-Kappe, welche Kopf, Hals und einen Theil der Brust bedeckt
und nur das Gesicht frei lässt.

Christus, schlafend im Sturm auf dem See, nach Führich's
Carton auf Stein gezeichnet von Eduard Schaller. — Während der Meister
schläft, hat der Feind, der diese Frist benutzen zu müssen glaubt, die
Wuth der Elemente entfesselt; das Schifflein scheint zwischen den Wasser-
bergen, deren einer es gleich zu überstürzen droht, verloren; vorn fasst
eine Welle, fast wie eine gespreizte Hand anzusehen, nach dem Schlafen-
den. Auf dem Schiff ist höchste Angst; nur der eine von den Schifl'ern
bemüht sich noch, des Segels Herr zu werden; der andre hat bereits das
ohnmächtige Steuer aus den Händen gelassen. Alles drängt sich zu dem
Meister, der in tiefem Frieden schlummert; — wir sehen es diesem Frieden
au, dass aus ihm allein Hülfe zu kommen vermag. Alle Gestalten tragen
das Gepräge eines hohen Adels, und wenn wir eine Parallele ziehen wol-
len, so erinnern wir uns bei diesem Bilde vielleicht an Overbeck, — einen
Namen, der durch keine früheren Jahrhunderte verdunkelt wird.

Zu Tieck's Genovefa hat Führich 15 Blätter geliefert, welche, wie
die zum Gebet des Herrn, auch ^von ihm selbst radirt zu sein scheinen.
Erläuternde Bemerkungen, Stellen des Gedichtes enthaltend, sind zur Er-
klärung beigegeben. Wie warm und innig Führich dasselbe in sich auf-
genommen und wiedergegeben hat, werden uns die einzelnen Blätter zeigen;
Adel und Einfalt sind der Grundcharakter eines jeden.

1. Titelblatt. Gothisch verschlungene trockne Baumzweige fügen sich
zu einer Art Architektur, welche das Bild in drei Räume theilt. In dem
mittleren Hauptraum ist eine Tafel mit der Inschrift des Titels befestigt;
eine Lilie und eine Passionsblume neigen sich auf die Tafel. Darüber
schwebt, von zwei Engeln getragen, die verklärte Gestalt der Heiligen, nur
in ein weites Gewand gehüllt, wie wir sie. später in der Wüste finden
werden. Sie blickt nieder auf ihre Lieben; auf den kleinen Schmerzen-
reich, der, unterhalb der Tafel, auf einer Steinplatte sitzend, ernst vor
sich in die Höhe sieht und in dessen Schoos die Hirschkuh ihr trauriges
Haupt legt, und auf Siegfried, ihren Gemahl, der knieend zu ihr empor-
schaut und dessen ganze Geberde den Entschluss, Plinsiedler zu werden
an dem Orte, wo Genovefa litt, ausdrückt. Ueber ihm auf einem Zweige
eine einsame Taube. Zur Linken des Siegfried, im Seitenraum, steht Karl
Marten, dem jener gegen die Sarazenen gefolgt war, den einen Fuss und
den Streithammer auf den Nacken eines Sarazenen gestützt. In dem an-
dern Seitenraume steht die Verführerin Gertrud; vor ihr, noch im Mittel-
raum, sitzt Golo. Die Laute, zu welcher er einst süsse Lieder zu singen

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Bilder zu Tieck's Genovefa. 11

wusste, ist zerbrochen, trübsinnig schaut er in einen Spiegel, der das Bild
der verklärten Heiligen auffängt; er fühlt, wie fern er von ihr ist; verge-
bens zeigt die Alte nach dem Apfel, den die wohlbekannte Schlange nie-
derreicht. Der Spiegel wird dem Golo von einem Amor entgegen gehalten;
wir erkennen diesen an der Binde; seine Flügel gleichen den Schmetter-
lingsflügeln, aber sie enden mit Krallen , wie die Flügel der Fledermäuse,
und statt des hübschen Pfauenauges ist ein Todtenkopf darauf gemalt.
Auf einem Zweige über dem Golo sitzt ein genäschiges Eichkätzchen; über
der alten Gertrud nistet eine Spinne. Zwei Medaillons im Obertheil der
Seitenräume, Episoden des Gedichts enthaltend, vollenden den Kreis der
angedeuteten Hauptmomente.

2. Der Geist des heil. Bonifacius in der Kapelle, in welcher Siegfried
vor seinem Zuge gegen die Sarazenen das heilige Abendmahl nimmt. „Der
Dichter (heisst es in den erläuternden Bemerkungen) lässt diese hochehr-
würdige Person die Handlung eröffnen und schliessen, und in dem sieben-
jährigen Stillstande derselben mit salbungsvoller Belehrung dazwischen
treten. . . . Der Heilige, der uns aufmerksam macht auf das, was im Hin-
tergrunde vorgeht, deutet auf eine vergangene Geschichte hin, an der er
sich wohl selbst erbaut haben mag." So steht er da, wie es dem Chorus
ziemt, ernst und feierlich, mit Schwert und Palme, mit der Bischofsmütze
und den langen, grossen Falten der Casula, jenen Bildern auf alten Grab-
steinen zu vergleichen, welche uns in der geheimnissvollen Dämmerung
der gothischen Kirchen schöne heilige Legenden zu erzählen wissen. Der
Hintergrund stellt eine gothische Kapelle dar, von einer einzigen Lampe
erleuchtet, deren Schein der hereinbrechende Morgen verdrängt. Zur Lin-
ken Siegfried mit seinen Vasallen vor dem Hochaltar, das Abendmahl
empfangend. Zur Rechten drei Männer, Wendelin, Grimoald, Benno,
welche den bildlich dargestellten Martertod des heil. Sebastian beschauen;
charakteristisch ist besonders die Stellung des argen Benno, der, den Mantel
über die Schulter geschlagen, die linke Hand in die Seite stützt und mit
der Rechten das Kinn fasst, indem er mit dem trocknen Zweifelgeiste eines
gemüthlosen Lesers „heiliger Geschichten" meint:

Wer weiss, ob Alles sich so hat begeben.

3. Golo hört den Hirten Heinrich das Lied singen:

Dicht von Felsen eingeschlossen,

Wo die stillen Bächlein gehu' u. s. w.

Vorn sitzt Heinrich und singt, auf seinen Hirtenstab sich stützend, un-
schuldig zum Bilde heraus; Dietrich, sein Freund, sitzt neben ihm und
bläst auf der Schalmei, „als ob es eben so recht wäre." Neben ihnen
lehnt Golo an einem Zaun, eine kräftig blühende Jünglings-Gestalt; das
Haar fällt wellig auf die Schultern herab; er stützt das Kinn in seine linke
Hand und blickt trübe vor sich nieder. Er meint, es sei das Lied, was
ihn so traurig gestimmt hat; „ein trübseliges Lied, sagt er, und höchst
klägliche Weise, die sich meines Ohres so leise bemeistert hat, so mein
Herz überwältigt, dass ich mich kaum der Thränen enthalten kann." Aber
wir wissen besser, als er selbst, was in ihm vorgeht; es ist das Verhäng-
nissvolle dieses Tages, da sein Herr ihm die Obhut der Burg und seiner
holden Gemahlin anvertraut; es sind die Geister des künftigen Unheils,
die in ihm aufsteigen; es ist die Ahnung seines eignen graunvollen Endes,
da die Worte des Liedes an ihm selbst zur Prophezeihung werden. So oft

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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ich das Bild betrachtete, war es mir stets, als hörte ich die rührende Me-
lodie, welche Luise Reichardt zu jenem Licde gesetzt hat.

4. Siegfried nimmt Abschied von Genovefa. Beide sind allein in
einem Gemach, an dessen Wänden Waffen und Jagdgeräth hängen; durch
die geöffnete Thür blickt man auf den Burghof, wo Siegfrieds Mannen mit
dem Kreuzbanner auf unruhig schnaubenden Pferden harren. Siegfried, in
voller Kriegsrüstung, ist ein frommer, ritterlicher Herr, Genovefa eine wun-
derbar aufgeschlossene Rose; aber sie hängt matt und welk in seinen Ar-
men, der Schmerz der Trennung droht sie aufzulösen. Wir sehen es diesen
seitwärts gesenkten Blicken an, dass sie, fast wie ein letztes Mittel, um ihn
aufzuhalten, die leisen Worte seufzt:

Bist Du so rauh, Gemahl, so wenig freundlich
Dem schwachen kranken Weibe? — Nun, so höre,
Ich will die Zunge zwingen, es zu sagen.
Ich fühle mich seit wenig Wochen Mutter.

Und wieder ist es nicht bloss der gegenwärtige Schmerz, der ihre
Seele umfangen hält; auch hier Ist es die Ahnung zukünftiger schwererer
Leiden.

5. Genovefa, von Gertrud auf den Altan geführt, hört Golo's Liebes-
klage. Das einzig unangenehme Blatt unter allen, Der Grund liegt zu-
nächst an einer Dissonanz in der Perspektive. Der Künstler hat für das
Ganze einen hohen Augenpunkt genommen, um die Gestalten der beiden
Frauen vorn auf dem Allan, auf welchen man niedersieht, mit der Gestalt
des seitwärts unter demselben stehenden Golo ungefähr auf gleiche Fläche
zu bringen. Wenn es aber schon bei der Genovefa stört, dass sie von
einem andern Staudpunkte aus gezeichnet ist als der Altan, so fällt der
dritte, noch niedrigere Augenpunkt für die Figur des Golo noch unange-
nehmer auf; er scheint wie in verjüngtem Maassstabe vor den Frauen in
der Luft zu schweben. Dazu kommt, dass Golo im Ganzen wenig Ausdruck
hat und dass der Genovefa slatt des milden Ernstes ein Anstrich von-
Prüderie gegeben ist. Vortrefflich dagegen ist Gesicht und Geberde der
alten Lauscherin. An sinnigen Einzelheiten fehlt es auch diesem Blatte
nicht. So steht vorn auf dem Geländer des Altans ein Topf mit einer Li-
lienblume, um welche sich von unten herauf ein üppiger Weinstock rankt;
neben dem Golo blühen Tulpen und Mohn, und um sein Haupt schwirrt
eine Fledermaus. Im Garten, hinter Golo, plätschert ein Springbrunnen;
der Garten wird von den Gebäuden der Burg begrenzt, über denen die
Scheibe des Mondes steht.

6. Golo bringt Genovefa in den Verdacht der Untreue und lässt sie
mit Drago verhaften. Das Zimmer der Genovefa. Hinten, zwischen zwei
Fenstern, aus deren einem man in die Sternen-Nacht hinaus sieht, in einer
Nische das Bild der heiligen Jungfrau, zu dessen beiden Seiten Vasen mit
Blumen. Vor der Nische ein Gebetpult, auf welchem Notenbücher und
eine zierliche Laute liegen. Vorn, an dem runden Tisch, auf dem ein
grosser Leuchter steht, waren Genovefa und Drago so eben Willens, sich
mit dem Lesen heiliger Legenden zu erbauen; sie werden durch die Ein-
dringenden gestört. Drago, ein frommes, ehrliches, nicht mehr jugend-
liches Gesicht, schlicht niedergekämmtes Haar, hat sich zum Vorlesen
gesammelt; die Hände liegen noch gefaltet vor dem grossen Legendenbuch;
er sitzt und blickt gelassen nach der Thür, ohne alle Ahnung dessen, was

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Bilder zu Tieck's Genovefa. 13

in wenig Augenblicken ihm selbst geschehen wird. Genovefa, — sie ist
durch ihr ahnendes Gemüth bereits vorbereitet, — hat sich stolz und ruhig,
ihrer Reinheit sich bewusst, erhoben; sie schiebt den Stuhl zurück, auf
dessen gepolsterter Lehne wir ein zierlich gewirktes Muster bemerken,
und wendet sich seitwärts gegen die Eintretenden. Golo, der mit der
Linken hastig die Thür aufreisst, weist mit der Rechten ins Zimmer:

Hier seht ihr selbst, was ich zuvor gesprochen,

Ermesst nun selber, was sie wohl verbrochen!

Das Haupt wendet er zu seinen Gefährten zurück; über seinem linken
Auge wetterleuchtet der Zorn verschmähter Leidenschaft. Neben ihm ist
der gute betrogene "Wendelin; er reisst das Auge weit auf, um das Un-
glaubliche gewiss zu schauen, und möchte zugleich mit dem unteren Au-
genlied das Auge wiederum schliessen; er presst die Hände krampfhaft
nieder und würde, die letzten Stufen der Treppe vergessend, in das Zim-
mer herein stürzen, wenn Golo nicht halb vor ihm stände. Neben Wen-
delin tritt Benno in das Gemach, das widerwärtige, kalte Gesicht in jene
Mephistopheles-Kappe gehüllt; er trägt auf dem rechten Arm die schweren
Ketten für Drago und hält in der linken Hand eine kleine Laterne, welche
er der Genovefa entgegenreckt. Dem Benno wird eine Hand vertraulich
auf die Schulter gelegt, welche ohne Zweifel der wackligen Kapuze zuge-
hört, die hinter seinem Kopf zum Vorschein kommt; ich höre die heim-
tückischen Worte, die ihm aus der Kapuze zugeflüstert werden. Zwischen
Benno und Wendelin, tief im Schatten, sieht mau noch ein Stück von
einem brutalen Gesicht, auf dessen Rechnung die gewaltige Partisane zu
schreiben ist, welche über dem Golo mit ins Zimmer herein ragt.

7. Genovefa's Standhaftigkeit im Kerker. Arme Genovefa! die Pfle-
gerin, deren sie in ihrem jetzigen Zustande so sehr bedarf, hat sie arg
verlassen und schreitet wohlbedächtig die enge Treppe, die wir dnrch die
offne Kerkerthür sehen, hinauf zum Ausgang des Thurmes. Und statt
ihrer erblicken wir Golo bei der Genovefa, der nunmehr ein Sklav seiner
rasenden Leidenschaft geworden ist; er ist vor ihr auf die Kniee gestürzt,
und presst mit beiden Händen sein zuckendes Herz nieder; seine Schultern
sind krampfhaft gehoben, so dass der laute Schrei im dumpfen Aechzen
erstirbt; das Haar über der Stirn bäumt sich wild empor. Genovefa hat
das Gesicht abgewandt und hält ihm die Hand abwehrend entgegen. Die
Scene wird stumm gespielt, wir hören den Fusstritt der Alten draussen
auf der Treppe; aber die Stille ist wie die des Stromes, aus dessen Tiefe
schnell Verderben bringende Wirbel aufsteigen,

8. Winfreda, von Golo gedungen, zeigt dem Ritter Siegfried den
Treubruch seiner Gattin in einem Zauberspiegel. Golo hat sich zum Sieg-
fried nach Strassburg begeben, wo dieser an einer Wunde niederlag, und
ihn bewogen, durch Hexenkünste sich die Bestätigung seiner erlogenen
Nachricht geben zu lassen. Das Bild zeigt uns das Zimmer der Hexe.
Links, vor dem Spiegel, welcher die ganze Seitenwand einnimmt, steht
ein kleines Pult mit dem Zauberbuch; daneben, auf einem Todtenkopf,
ein Becken, aus welchem sich giftiger Zauberqualm entwickelt. Teufel-
chen, Draclien, Schlangen, Schmetterlinge, Vögel, Sterne tanzen in dem
Qualm, der kreisend gegen den Spiegel schlägt; drinn sehen wir, wie in
einer Laube, in schwachen Linien die Gestalten von Genovefa und Drago,
welche nebeneinander sitzend sich fest umschlingen und küssen. Sie-sind

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

beide gar wohl getroffen, aber eben das zeigt recht deutlich die Lüge der
ganzen Erscheinung, das frech und unpassend Ersonnene derselben. Golo
musste bei dem Siegfried gut vorgearbeitet haben, dass solch leeres Trug-
bild diesen zum Todesurtheil gegen sein Weib und sein Kind, das er
nicht anerkennen will, bewegen konnte. Siegfried sitzt vor dem Spiegel
auf einem aus Knochen gebauten Stuhl; er ist im Begriff aufzuspringen
und den Drago mit der Faust zu erwürgen; sein Gesicht ist nicht mehr
so blühend,
Avie wir es auf dem vierten Blatte sahen, Spuren, vielleicht
mehr der Sorge, als der Krankheit. Neben ihm steht die Hexe Winfreda,
ein grosses Weib mit nackten muskulösen Armen; das lange Haar hängt
straff herab, arger Hohn zuckt über ihr Gesicht; wir kennen solche Ge-
stalten aus Walter Scott's Romanen. Hinter dem Siegfried steht, sich auf
die Lehne des Stuhls stützend, Golo; er ist noch im Reisekleid. Heimlich
legt er der Alten eine Börse in die Hand und blickt mit in den Spiegel,
düstere Schadenfreude, befriedigte Rache und stete, unaustilgbare Lust an
dem Anblick des schönen Weibes im Gesicht. Ihm zur Seite ist ein offnes
Fenster; auf das Kreuz desselben hat sich ein grosser Schuhu gesezt und
glotzt in den Spuk herein.

9. Genovefa flösst ihren Mördern Mitleid ein. Mit dem neugebornen
Kindlein ist sie hinausgestossen in die kalte Wüste, und nach dem Haupte
des Kindes reckt sich bereits die Hand des gedungenen Mörders. Sie
kauert angstvoll am Boden, umfasst das Kind mit dem linken Arm und
hält die Rechte schützend über seinem Kopf, indem sie flehend zu den
Mördern aufblickt. Der eine von diesen, der Köhler Grimoald, ist auch
schon erweicht; er hält das Messer, das erst gegen sie gerichtet war, jetzt
zürnend dem andern entgegen. Dieser ist Benno. Wir erkennen auf den
ersten Blick dasselbe widerwärtige Gesicht, welches wir im sechsten Blatt
gesehen; der Kappe ist hier noch eine Hahnenfeder zugesellt, welche an
der Mütze steckt. Noch scheint er gar nicht Willens, sich seine Beute
entgehen zu lassen; dafür hat das von Natur so durchaus gleichgültige
Gesicht noch viel zu viel Bewegung. Indess, wenn er die linke Hand
nicht zurückziehen und mit der rechten, in welcher der Dolch befindlich
ist, weiter vorrücken wird, so glauben wir es dem Ausdruck im Gesicht
des Grimoald, dass er aus seinen Worten Ernst machen wird:

Zurück! sonst stoss' ich Dir das blanke Eisen

In Deinen Schelmenwanst.

Vortrefflich hat Führich in dieser Figur-des Benno die (.hastige Be-
wegung und das leise Zaudern bei der verfänglichen Drohung des Grimoald
auszudrücken gewusst; dazu kommt der vom Winde rückwärts geschlagene
Mantel, dessen Faltenwurf sehr gelungen ist. (An dem rechten Unterarm
des Grimoald könnte die Verkürzung deutlicher gezeichnet sein.) Zwischen
Beiden steht ängstlich das mitgelaufene Windspiel, dem hernach, als Zei-
chen des vollzogenen Urtheils, Zunge und Augen ausgeschnitten werden.
Die Handlung geht in einer wilden Schlucht vor, durch welche der Wind
hinfährt. In der Ferne sieht man die Thürme des Schlosses, zu dem Ge-
novefa nun nimmer zurückkehren soll.

10. Ein Engel tröstet Genovefa mit dem Bilde des Gekreuzigten.
Genovefa hat in dem von Menschen unbetretenen Walde in einer Höhle
ein gastliches Asyl gefunden, das uns der Dichter freilich nicht allzu-
freundlich schildert:

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Bilder Ell Tieck's Genovefa. 15

Die Wüstenei, anstatt ihr schönes Haus,
Statt
ihres Prunkgemachs die ünstre Kluft;
Statt Diener gingen Thiers ein und aus;
Statt schöner Speisen Kräuter in der Gruft;
Statt reicher Betten Aengstigen und Graus
Auf dürren Reisern in der kalten Luft-,

Der edlen Perlen musste sie entbehren, »

Statt deren dienten ihre heissen Zähren.

- ■ »

Führich aber hat uns im Gegensatz dieser Worte — es ist gerade
einer von den „schönen Sommertagen" — einen gar anmuthigen Waldes-
Haushalt dargestellt. Neben dem Eingang zur Höhle entspringt unter den
Wurzeln eines alten Eichbaumes eine Quelle, welche sich vorn, am Rande
des Bildes, hinzieht und den Eingang fast wie eine Insel umschliessf,
Brombeer-Genist und Kräuter stehen am Ursprung der Quelle. Die Hirsch-
kuh, deren Milch im Anfang das Leben des kleinen Schmerzenreich er-
halten hat, säuft aus dem Wasser. Schmerzenreich, in einem Kleid von
Fellen, spielt mit zwei Kaninchen nnd faltet dem einen die Pfötchen, wie
es ihn die Mutter zum Gebet des Vaterunser gelehrt hat; eine überaus
anmuthige kleine Gruppe. Eine Bachstelze sitzt an der Quelle; weiterhin
stehen ein Paar gravitätische Kraniche, deren einer sich so eben mit höchst-
eigenem Schnabel ein Fischlein fängt; aus dem hohlen Eichbaum schaut
ein kluges Käuzlein heraus; auf einem Ast der Eiche sitzt ein Eichkätz-
chen und nagt an einer Nuss; daneben, an einer Tanne, klopft eifrig ein
Specht. Auf der andern Seite, im Hintergrund, schaut ein junger Zwölf-Ender
zwischen den Tannenbäumen hervor. - Alles haust in tiefem Frieden neben-
einander, Eins um das Andre unbekümmert; man wird fast versucht, Genovefa
um ihr stilles Waldleben zu beneiden. Sie selbst kniet mitten im Bilde vor
der Erscheinung des Engels, der, von seinen langen Flügeln getragen, zu
ihr nieder geschwebt ist und ihr das elfenbeinerne Cruciflx entgegenreicht.
Sie hat ein vieltes Gewand um den Leib geschlagen, Arme und Brust sind
nackt, das Haar hängt glatt über Rüqken und Seiten herab. Ihr mildes,
frommes Antlitz ist zu dem Engel empor gerichtet, sie will so eben das
Cruciflx in Empfang nehmen. „Keinem Beschauer wird es entgehen, dass
der geistige Verkehr zwischen Genovefa und dem Engel keinen aufmerk-
samen lebendigen Zuhörer hat, als den, welcher den Boten des Trostes
gesandt hat."

11. Golo stürzt seinen Helfershelfer Benno vom Felsen. „So kummer-
voll und einsam sich auch das Leben Genovefa's hinschleppt: so sind ihre
Thränen doch, nichts gegen die Höllenpein Golo's, den die Schmerzen un-
befriedigter Leidenschaft und der Vorwurf einer blutigen That von Sieg-
fried's Schlosse in die Wildniss trieben. Er will sein Gewissen übertäu-
ben durch die Freuden der Jagd. Sein Helfershelfer Benno begleitet ihn.
Aber auch die Mühen des Tages lassen ihn nicht ruhen. Wir sehen ihn
in diesem Blatt auf dem Gipfel eines Berges, den er halb wahnsinnig im
Mondschein mit Benno erklommen hat. Nachdem Golo gefragt: wie Geno-
vefa ausgesehen, als sie zum Tode ging, und wie sie Benno ermorden
konnte? wird ihr Zwiegespräch heftig und thätlich." — „Auf mich willst
I Du die Schuld nun wälzen, Schurke?" ruft Golo, fasst den Benno mit
■ I Riesengewalt, um ihn hinab zu schleudern in den Abgrund, drin ein Fluss
vorüberstrudelt. VortreflFlich ist die Zeichnung beider Figuren. Golo, den

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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man fast von hinten sieht, hat Benno mit der Rechten ins Gewand unter
dem Kinn gefasst und reisst mit der Linken dessen rechten Fuss vom
Boden; so hält er ihn einen Augenblick schwebend über dem Abgrund,
während Benno, das Gesicht angstvoll verzerrend, seine linke Hand um
Golo's rechte klammert und mit seiner rechten in die leere Luft greift.
Zur Seite tritt Einer in Pilgerhülle aus dem Walde; es ist Otto's Geist,
Golo's Vater. Zu seiner Strafe muss er Augenzeuge von der Verworfen-
heit dessen sein, den er in verbotener Liebe gezeugt hat. — Ich hätte
diesem Geist, statt der bepanzerten Beine, ein längeres Pilgerkleid ge-
wünscht, damit er unmittelbarer, ich möchte sagen, mehr wie aus dem
Boden gewachsen erschiene.

12. Siegfried findet die Genovefa wieder. Dies Blatt zeigt uns noch-
mals die Höhle der Genovefa, aber von einer andern Seite. Das Crucifix
ist über der Quelle zwischen der Tanne und Eiche aufgestellt; zwei, auf
den Seiten desselben gepflanzte und oben zusammen gebundene Zweige
bilden eine Art Nische. Von der befiederten Waldgenossenschaft des
vorigen Blattes sehen wir auf diesem nichts mehr; dafür haben sich
einige Tauben als Mitbewohner der Höhle eingefunden. Vorn steht Ge-
novefa, in Siegfrieds Mantel gehüllt, den er ihr vorhin zuwarf, um ihre
Blosse zu bedecken; sie neigt ihr Haupt zu Siegfried nieder, der sie er-
kannt hat und unter der Riesenlast ihres Unglücks und seiner Schuld
besinnungslos zu Boden gestürzt ist; er liegt platt auf dem Boden da.
Der rechte Winkel, welcher auf diese Weise durch die beiden Haupt-
figuren des Blattes gebildet wird, möchte von manchem Kritiker, dessen
Auge stets nach wohlgeordneten Gruppen verlangt, getadelt werden; aber
ich glaube, es giebt Momente im Leben, wo der Schmerz auch die wohl-
geordnetsten Gruppen auseinander zu reissen im Stande ist. Siegfried hat
das Haupt bereits erhoben und die Hände vor sich auf dem Boden gefal-
tet; man sieht, dass es ihm Mühe kostet, die verlornen Gedanken wieder
zusammen zu suchen. Neben Genovefa steht die Hirschkuh und sieht
sorglich nach dem Walde, aus dem so eben der kleine Schmerzenreich
mit seinen beiden Kaninchen hervoreilt. Er trägt Kräuter in seinem Röck-
chen, welche er zur Speise für die Mutter gesammelt hat.

13. Siegfried führt die wiedergefundene Genovefa in seine Burg heim.
Ein Blatt voll Jubel und Freude und Sonnenschein. Und doch geht eine
leise Dissonanz hindurch: wir bemerken, wenn wir die Gestalt der Geno-
vefa aufmerksamer betrachten, dass diese laute Lust nicht zu ihren abge-
zehrten Wangen nnd zu der Art, wie sie sich matt in den Arm des Sieg-
fried hängt, passen will, und dass ihr Lächeln nur der Befriedigung ihres
letzten irdischen Wunsches gilt. Genovefa ist wieder wie andre Frauen
gekleidet; hinter ihr sehen wir die Hirschkuh, die, wenn auch stutzig ob
solchen Gedränges, doch getrost der Herrin nachschreitet. Jäger zu Fuss
und zu Pferde, ihre Freude auf verschiedene Weise äussernd, folgen. Vor
dem neu verbundenen Ehepaar geht Wendelin (den wir bereits im sechsten
Blatt liebgewonnen haben) und trägt Schmerzenreich auf dem Arme, wel-
chem gleichfalls ein anständigeres Kleidchen angezogen ist; mehrere Kinder
langen zu ihm empor; — eine anmuthige Gruppe. Jubelnd eilt die Schloss-
bewohnerschaft durch das Thor den Ankommenden entgegen.

14. Golo's Tod. Wir erkennen dieselbe Schlucht, in welcher Golo
die Genovefa und ihr Kindlein wollte morden lassen; dieselbe, von der es
in jenem traurigen Liede heisst:

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Bilder zu Tieck's Genovefa. 17

Dicht von Felsen eingeschlossen, . ,

Wo die stillen Bächlein gehn,
Wo die dunklen Weiden sprossen,
Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn.
Dort im kühlen, abgelegnen Thal
Such' ich Ruh' für meines Herzens Qual.

Und vorn liegt Golo, auf den Boden hingestreckt, die Hände über der
Brust zusammengebunden. Die männlich-kräftige Gestalt, deren volle
Schönheit sich in dieser Lage entwickelt, möchte den Tod, welchen das
gebrochene Auge und der leise, krampfhafte Zug am Munde kund giebt,
gern Lügen strafen; aber der aus der Brust emporragende Lanzenschaft
spricht allzu verständlich. Die Schergen, welche ihm ein Grab versagt,
schleichen hinten so eben um eine Felsecke davon. Aber neben dem
Golo steht der Schäfer Heinrich, der ihm einst das Lied gesungen; er be-
weint, der einzige, seinen Wohlthäter, und wir wissen es, dass er ihm
das Grab „im einsam grünen Thal" bereiten wird. Vorn steht eine Distel,
deren Kopf niedergeschlagen ist,

15. Genoyefa's Tod. Genovefa liegt auf dem Sterbelager, die Hände,
in denen sie ein kleines Crucifix hält, über der Brust zusammeugelegt, die
Augen geschlossen. Sie ist aber noch nicht gestorben; sie träumt, und
zwar von den nahen seligen Freuden, deren Bild sie hernach scheidend
den Ihrigen zurücklässt. Hinter dem Lager steht der Bischof Hidulfus, der
ihr das Sakrament gereicht hat; er taucht den Wedel in das geweihte
Wasser, um sie damit zu besprengen. Neben ihm noch zwei Geistliche.
Vor dem Lager kniet Siegfried und stützt die Stirn bekümmert mit der
ruhten Hand, indem er seine linke auf die rechte der Sterbenden legt.
Neben dem Siegfried sitzt Schmerzenreich auf einem Fussbänkchen, — eine
Gestalt, vielleicht die bedeutendste des

ganzen Heftes. Fährich_hat in ihr
auf wunderbare Weise alle zarte, liebenswürdige Kindlichkeit mit dem
tiefen Ernst, der so früh schon im Begriff ist, den irdischen Freuden zu
entsagen — er theilt nach dem Tode der Mutter die Einsiedlerschaft des
Vaters — zu vereinigen gewusst. Nachlässig sitzt er da, das Kinn in die
linke Hand stützend, und blickt über das Antlitz der Mutter weit hinaus,
mit einem Blick, dem wir es glauben, dass er den Vater zu trösten in
die Worte auszubrechen vermag:

0 lass sie ziehn, denn das ist ihr Verlangen,
Nach Himmelslichte steht ihr frommer Sinn,
Die Erde nährte sie mit Pein und Bangen,
Nun geht sie in die ew'ge Freiheit hin.

Sie ist die Müdeste, sie geht voraus,

Wir kommen nach in unsres Vaters Haus. ' .

Die Sterbescene wird durch eine offne Thür gesehen, auf deren beiden
Seiten Trauernde knieen, nicht sowohl Diener des Schlosses, als vielmehr
Repräsentanten des gesammten Publikums, das an der frommen Legende
sich erbaut hat. Das weinende Mädchen zur Rechten hat, ich weiss nicht
ob in ihren Formen oder in ihrer Stellung, etwas Griechisches, was aber
gerade der Weltlichkeit des Beschauers, im Gegensatz zu jener Heiligen,

Kugler, Kleine Schriflen, lU. 9

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v. 18 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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angemessen sein dürfte. Der Jüngling zur Linken faltet ruhiger die Hände.
Ueber ihm ist die schon bei deu Zeichnungen zum Gebet des Herrn er-
wähnte Tafel angebracht, auf welcher die Anfangsbuchstaben von Joseph
Führich's Wahlspruch zu lesen sind: 0. A. M. D. G.

Randzeichnungen zu den Dichtungen der deutschen Glassiker
von Eugen Neureuther. 1832. 1. Theil, 1., 2., 3. Heft; 2. Theil, 4. Heft
(das Heft aus 8 Blättern bestehend).

(Musenm 1833, No. 3.)

Es ist ein eigen Ding mit dem Lesen von Gedichten. Ich will nicht
von der Unmöglichkeit reden, eine Sammlung Gedichte quer durchzulesen
wie etwa einen Roman; auch das Einzelne, wenn es die beabsichtigte Wir-
kung erreichen soll, macht seine besondern Ansprüche: Vieles ist besser
zu hören als zu lesen, Vieles besser zu singen. Romanze und Lied wollen
beide in der Regel mehr sagen, als in den wenigen Worten selbst steht;
sie sind Skizzen, zu denen der Beschauer ein gut Theil eigner Phantasie
mitbringen muss; sie sind wie musikalische Instrumente, deren Resonanz-
boden lange nachklingt.

Es will sich daher wohl schicken und ist eigentlich ein Bedürfniss des
Gedichtes, wenn es nicht im dürftigen Gewände seiner nüchternen Buafe-
staben (deren Form im letzten Jahrhundert bei uns leider gar so nüchtern
geworden ist) vor unsre Augen tritt, sondern wenn um dasselbe sich man-
nigfache Bilder umherschlingen, Figuren und Schnörkel, Blumen und Thiere,
Ranken und Früchte und dergl., die entweder mehr den Inhalt verbildlichen
oder mehr ihn träumerisch für das nachsinnende Gemüth hinausspinnen
oder aber, was auch nicht eben zu verachten ist, nur als ein würdiger
Rahmen schöner Gefühle oder Gedanken zu betrachten sein sollen.

Das fühlte man vor Zeiten gar wohl. Wie wunderlieblich nehmen
sich in den alten pergamentenen Gebetbüchern jene bunten Einfassungen
aus, welche neben den ernsthaftesten, oft klagereichsten Gebeten des sün-
digen Geschlechtes mit ihren Blümchen, Vögelchen, Schmetterlingen und
Würmchen die helle, fröhliche Kinder-Unschuld der Frühlings-Natur hin-
zustellen scheinen! Wie sinnreich sind jene weissen Sprüche des arabischen
Korans über einen reichen, blumig verschlungenen Grund hingezogen, dar-
aus sie selbst fast nur wie dunkler gefärbte, bedeutungsvollere Blumen
hervortauchen! — Das fühlt auch der Dichter noch heute, wenn er, was
lebendig in ihm ist, genügend zur Gestalt zu bringen wünscht.

Gar grossen Dank sind wir den Bestrebungen Neureuther's schuldig,
der es unternommen, die Lieder unsrer Dichter in anmuthigerem Aeusseren,
jegliches von eigenthümlichen Bildern und Träumen umgeben, uns vor die
Augen zu führen, und dem es weder an einer mährchenkundigen, reichen
und beweglichen Phantasie, noch an einer fügsamen Hand zu diesem
Unternehmen mangelt. Mehrfach sind bereits seine Randzeichnungen
|s, zu Göthe'schen Gedichten und zu bayerischen Volksliedern besprochen

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Kandzelchnungen zu den Dichtungen der-deutschen Classiker. 19

worden; es dürfte anmaassend erscheinen, nacli der Empfehlung, die diesen
von dem alten Dichterkönige, ehe er scheiden ging, an sein Volk mitgege-
ben wurde, noch etwas Besondres hinzufügen zu wollen.

Ein neustes Werk von Neureuther ist das in der üeberschrift genannte.
Auch hier finden wir dieselbe Gabe phantastischer Nacherfindung, dieselbe
arabeskenartige Verschlingung der handelnden Figuren, dieselbe unerschöpf-
liche humoristische Laune, welche seinen früheren "Werken eigen war.
Schon der Umschlag dieser Hefte enthält in dem Rahmen von zierlich ge-
wundenem Ranken- und Blätterornament, belebt von Vögelchen, Eichkätz-
chen, Schnecken und Schmetterlingen, zu oberst mit ein Paar Sternblumen
geschmückt, unten durchkrochen von seltsamen Molchen, ein kleines Mei-
sterwerk. Der Inhalt des ersten Theiles besteht aus Gedichten vom König
Ludwig, von Göthe, Schiller, "Wieland, Bürger, Hebel, Platen, Uhland,
Körner, Tieck, Klopstock; das Titelblatt enthält Göthe's Apotheose. Das
vierte Heft giebt Gedichte von Langbein und Göthe.

Wir wollen hier nur auf einige der vorzüglichsten Blätter aufmerksam
machen. Vor Allem dünkt uns das erste Blatt zu Göthe's Zauberlehrling
wohlgelungen, dessen reiche Ausstattung nur Einer Strophe des Gedichtes
Raum gegönnt hat. Da sehen wir in der Mitte den unglücklichen Jünger,
der das mystische Band umgehängt hat, wie er sich verzweifelnd gegen
das von allen Seiten auf ihn einströmende "Wasser zu vertheidigen sucht;
allerlei fabelhaftes Gethier, Vögel, Frösche, Fische und dergl., das auf den
Ranken umhersitzt und daraus hervorwächst, speit das "Wasser in dicken
Strahlen, und selbst aus den Kelchen der Blumen ergiesst es sich, wie aus
Giesskannen, auf sein Haupt. Unten ist es wie ein See, und ein Krebs
langt eben mit einer grossen polypenartigen Blume, statt der Scheere, nach
dem Verzweifelnden. Seitwärts sitzt ein Aelfchen gravitätisch mit Zauber-
mütze und Besen auf einem grossen Akanthusblatt, und wieder sehen wir
den verhängnissvollen Besen in der Mitte aufgerichtet, ausgehend in ein
seltsames Eulengesicht, das mit seinen Krallen die Blumenkelche auf den
armen Jungen richtet. Neben dem Besen aber, auf hohem Blumenthrone,
sitzt der alte Meister, der eben im-Begriff ist, den tollen Spuk durch sein
mächtiges Wort zu bannen. — Nicht minder gefiel uns das erste Blatt zu
Körner's „Männer und Buben." Oben auf einem breiten Blumenbeete der
rüstige, deutsche Kämpfer mit Glas und Flamberg, und hinter ihm, in der
Ferne, die Schaar der Seinen, An den Seiten ziehen sich Blumenranken
nieder, und hier wächst, in ergötzlichem Contrast gegen den oberen Raum,
all das jämmerliche Philistergesindel, davon ,die einzelnen Strophen des
Liedes sprechen, aus kleineren Kelchen hervor; meisterhafte Karikaturen,
besonders der Sterbende, der vor dem Tode über ihm sich entsetzend, sich
tief in den geöffneten Kelch zu verkriechen strebt. Mit vieler Laune ist
das erste Blatt zu Langbein's goldnem Hut gezeichnet, mit eigenthümlicher
Phantasie und einer an's Schauerliche streifenden Grazie die fünf Blätter
zu Göthe's Braut von Korinth.

Mehrfach hat Neureuther auch, statt arabeskenartig das Lied zu um-
schliessen, nur eben Bilder beigefügt, welche die etwa erzählte Geschichte
selbst darstellen sollen. Doch möchten wir ihm hierin Vorsicht rathen, da
ihm die historische Composition nicht immer glückt. So ist das Bild über
Bürgers Lenore wenig gelungen (andre Randbilder dieses auf 5 Blätter
geschriebenen Gedichtes sind dagegen vortrefflich), ebenso erscheint das
Bild über dem Liede aus Tieck's Genovefa: „Dicht von Felsen eingeschlos-

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SPE9!

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

sen", matt, besonders wenn man es mit Führich's ausgezeichnet schöner
Darstellung dieses Momentes vergleicht. Doch ist auch hier vieles Vor-
treffliche, namentlich wenn der Gegenstand selbst eine phantastische Auf-
fassung erlaubte, oder wenn der Künstler im Stande war, ihn wiederum
arabeskenartig dem gegebenen Räume anzuschliessen. Wir erwähnen hier
u. A. des schönen Schlussbildes zu Schiller's Taucher, welches auf dem
Grunde des Meeres den todten Jüngling, den Becher in seiner Rechten,
darstellt, von widerwärtigem Seegewürme umschlungen und angestaunt.
Gar lieblich und sinnreich dünkt uns auch das Schlussbild zu dem Ge-
dichte: die Mutter am Christabend, wo die Darstellung des Kinderfestes
aufs Anmuthigste in die Arabeske verflochten ist.

Noch näher in das Einzelne einzugehen, erlaubt hier weder der Raum,
noch möchten sich diese fröhlichen Spiele der Phantasie genügend mit "Wor-
ten wiedergeben lassen. Schliesslich aber wollen wir nicht mit dem Künst-
ler rechten, dass er, statt die zartere Radirnadel anzuwenden, es vorgezogen
hat, seine Compositionen mit der Feder auf Stein zu zeichnen, was zwar
wohlfeiler, wodurch uns aber auch manche Feinheit des Ausdruckes ver-
loren gegangen ist. Doch scheint wenigstens das wünschenswerth, dass
diese Gegenstände gleich von vorn herein in Gestalt eines Buches in die
Welt kommen möchten, statt auf einzelnen, nur auf einer Seite bedruckten
Blättern; hiedurch würde zugleich der Uebelstand gehoben, dass ganze
Gedichte, deren erste Strophe nur eine Randzeichnung erhielt, von geson-
derten, zuweilen gänzlich unverzierten Blättern nachgeschleppt werden
müssen.

Auf alle Fälle aber bleibt dem wackern Künstler noch ein reicher
Stoff zu seinen Darstellungen übrig; vielleicht versucht er es einmal mit
der Ausschmückung eines grösseren Ganzen. Wie im Kleinen Lied oder
Romanze, so dürfte im Grossen das Mährchen der willkommenste Gegen-
stand sein; unerschöpflich ist der Reichthum unsrer Volksmährchen, Treff-
lichstes von einzelnen Dichtern geliefert, — wir erinnern nur an Novalis
überaus anmuthiges Mährchen von Rosenblüthchen und Hyacinth, das fast
schon in seinen Worten wie eine Arabeske anzuschauen ist.

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Die Arabeske aber ist das Mährchen der bildenden Kunst.

Die Geschichte von den sieben Schwaben, mit zehn lithographirten
Darstellungen. Stuttgart, Fr. Brodhag'sche Buchhandlung. 1832. in 4.

(Museum 1833, No. 4.)

Wenn es seit dem Ambrosianischen Codex des Homer und seit dem
Vaticanischen des Virgil nicht an tüchtigen Künstlern gefehlt hat, welche
das klassische Epos mit mehr oder minder klassischen Bildern zu ver-
zieren beflissen waren, so haben sich neuerdings, mit der neuerwachten
Liebe zur Vorzeit unsres Volkes, die Bestrebungen der Kunst nicht minder
auch dem nationalen Epos zugewandt und auch auf diesem Felde die
reichsten Kränze gewunden. Dass Namen, wie Siegfried und Chriemhild,

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Die Geschichte vou den sieben Schwaben. 21

wie Dietrich und Parcival, nicht mehr vergessen sind oder unsre Ohren
nicht mehr barbarisch verletzen, das danken wir keineswegs den neueren
Philologen und Dichtern allein, dazu haben ihnen die Künstler redlich in
die Hände gearbeitet.

Doch lange noch sind die Stoffe nicht erschöpft, noch sind nur eben
erst die reichen Adern des köstlichen Erzes angeschlagen. Auch bringt
ein jedes Ding zugleich seine Kehrseite mit, und wie die tolle Wirthschaft
der Komödie sich unmittelbar an die tief-ernste Tragödie anschliesst, so
hat es auch zu keiner Zeit an den ergötzlichsten Parodien der hochschrei-
tenden Epopöe gefehlt. Wie viel davon bei uns erhalten und wie viel
Laune und Lust, um für die Erhaltung zu sorgen, noch im Volke vorhan-
den ist, das bezeugen die Tischchen an den Strassenecken, welche neben
den neuen Liedern, gedruckt in diesem Jahr, neben dem hörnen Siegfried
und den Haimonskindern, die Geschichten vom Till Eulenspiegel, vom
Pommerschen Fräulein, von Münchhausen's Lügen u. s. w. um ein Gerin-
ges feil bieten; und das Bedürfniss nach bildlicher Darstellung des Gele-
senen spricht die Menge der freilich nicht allzu künstlerisch angefertigten
Holzschnitte aus, welche in diesen Büchern vielfach den Text unterbrechen.

Die in der Ueberschrift genannte Verlagshandlung hat es unternommen,
einem dieser Bursche, oder eigentlich siebenen von ihnen, ein schönes
Kleid anzuziehen, dass sie es wagen dürfen, ungescheut die vornehmsten
Salons, die zierlichsten Boudoirs zu betreten; auch wird es ihnen hoffent-
lich auf diese Weise gelingen, zugleich in den nördlichen Theilen unsres
Vaterlandes,
vfo sie bisher weniger gekannt waren. Freunde und Gönner zu
finden. Schreiber dieses bedauert nur, dass es hier nicht der Ort ist, näher
auf eine Charakteristik dieser vortrefflichen Schwabengeschichte einzugehen:
der kühne Argonautenzug jener sieben Helden, wie sie sämmtlich den
schweren Spiess tragend, dürch die"schwäbischen Gauen wandern, steckt
so voll der ergötzlichsten Episoden, die eigentliche Hauptaction, wo das
Häslein, von dem Lärmen erschreckt, davon läuft, ist so schlagend, der
Schluss so wunderlich beruhigend, dass schwerlich ein würdiges Seitenstück
zu finden sein dürfte. Hier haben wir es nur mit den zehn Bildern zu
thun, mit denen das saubre Büchlein ausgestattet ist; aber auch die Bilder
stecken so voll des erquicklichsten Humores, dass sie keineswegs als blosse
Aushängeschilder für die Geschichte betrachtet werden dürfen. Der Zeich-
ner (sie sind mit der Feder auf Stein gezeichnet) hat sich nicht genannt ;
doch erkennen wir ohne Mühe eine Münchner Schule in den Bildern; und
vortrefflich passt der Kothurn dieser Schule, der sich hier besonders in
einem streng stylisirten Faltenwurfe zeigt, zu dem burlesken Ernst, der
über der ganzen Geschichte waltet und in dem quasi-religiösen Schlüsse
einen eignen Reflex über sie zurückwirft. Glücklich sind die Situationen
für die einzelnen Bilder gewählt, höchst charakteristisch die einzelnen Hel-
den, ihren Eigenthümlichkeiten gemäss, aufgefasst und in den verschiede-
nen Situationen durchgeführt. Wie würdevoll sitzt gleich auf der vorderen
Seite des Umschlages der zerlumpte Spiegelschwab da, mit Bierkrug und
Kanne, wie tiefsinnend verrichtet er sein berühmtes Spiegelgeschäft! Wie
überfein und zierlich, trotz des Tanzmeisters fünf Positionen, macht ,später
der verliebte Blitzschwab dem schönen Kätherle ajia der Herrschaft Schwabeck
den Hof! Vortrefflich ist das Entsetzen, von dem das böse Weib des Spiegel-

Es ist Dr. Felln er.

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22 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Schwaben gepackt wird, als dieser ihr, In's Bärenfell gehüllt, liebkosti ""Gross-
artige Verkürzungen (z. B. Fusssohle und ein wenig Gesicht als Bezeichnung
eines ganzen Menschen) bietet das Blatt, wo sämmtliche Sieben, statt in's Meer,
in ein blühendes Flachsfeld hinabspringen. Kühn und lebendig ist der Unter-
richt, den der Allgäuer dem Studenten Adolphus in den Schwabenstreichen
(mit der umgekehrten Peitsche nämlich und ad posteriora) crtheilt. Am gelun-
gensten dürfte das folgende Blatt sein, wo die sieben Schwaben, nachdem
sie am Bodensee angekommen sind, vor ihrem Kampfe zum letzten Mal
Mittag halten und dabei Todesbetrachtungen anstellen; der tiefe Ernst des
langen Allgäuers, die stets gleiche Dummheit des dünnen Nestleschwaben,
die Verzweiflung des dicken Knöpfleschwaben, der indess, seinen strömen-
den Thränen zum Trotz, doch einen ungeheuren Kloss in's Maul zu schie-
ben vermag, dürften nicht leicht trelfender darzustellen sein.

Um indess ernsthaften Leuten kein Aergerniss zu geben, brechen wir
hiemit ab. Schliesslich aber wünschen wir nochmals dem artigen Büchlein
recht viele Leser und Beschauer und dem Unternehmen überhaupt recht
würdige Nachahmer. Dass es an Stoff dazu nicht fehlt, haben wir oben
bereits angedeutet; dass es auch an Künstlern nicht fehlt, beweisen z. B.
Adolph Schrödter's Bilder auf der letzten Berliner Ausstellung. Schreiber
dieses sah von ihm einen Münchhausen, der von seinen auf eine Schnur
gezogenen Enten in die Luft getragen wird, eine Zeichnung, die ihm das
Herz schwer gemacht hat; möge er sie bald radiren, möge er uns den
launigen Gesellen in recht vielen Abenteuern vorführen!

Sculptur. — Berlin.
(Museum 1833, No. 5 f.)

Im Atelier des Professor Ludwig Wichmann ist gegenwärtig das
Gypsmodell einer überlebensgrossen Statue Christi aufgestellt, welches —
einer eignen, unzerstreuten Beleuchtung, wie ein jedes plastische Werk,
bedürftig — bei der vorigen Kunstausstellung dem übergrossen Andränge
von Gegenständen gewichen war. Der Künstler hat die Statue des Heilan-
des etwa als einen Altarschmuck, statt des sonst gebräuchlichen Crucifixes,
gearbeitet. Aber er vermied sowohl" die hergebrachte, wenig künstlerische
Form des letzteren, er hatte nicht die Absicht, seine anatomischen Kennt-
nisse an einem auf die Folter gespannten Leichnam zu entwickeln, als er
auf der andern Seite auch nicht einen bestimmten Moment aus dem Leben
des Heilandes festzuhalten suchte. Sein Werk hat einen wesentlich sym-
bolischen Charakter. Noch erinnern die liebevoll ausgebreiteten Arme an
die Stellung des Gekreuzigten (welche so von den Öichtern christlicher
Vorzeit gedeutet worden ist), noch wird hinter der Statue selbst ein hohes
teppichbehangenes Kreuz aufgestellt werden; aber an der Stelle des Todten
sehen wir den Auferstandenen. Dieser Umstand gab dem Künstler zugleich
die Freiheit, den Oberkörper unbekleidet darzustellen und nur die unteren
Theile durch ein um die Hüften gewundenes Gewand zu verhüllen. Mit

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Scolptur. Die Indulgenz des heiligen Franciscus. 23

Glück sind die typischen Formen des Kopfes beibehalten, ist der Ausdruck
einer heiligen Ruhe, eines milden Ernstes wiedergegeben. Es wäre gewiss
wünschenswerth, dies vielfach verdienstliche Werk, in Marmor ausgeführt,
in einer Hauptkirche aufgestellt zu sehen. Auch dürfte es nur wenig
Kosten verursachen, wenn kleinere, so häutig ganz sohmuckleere Kirchen
mit einem Gypsabguss desselben ausgestattet würden. —

Der Professor Rauch, mannigfach von dem Könige von Bayern mit
der Anfertigung w^ürdiger Kunstgegenstände beauftragt, hat so eben das
Gypsmodell einer für die Walhalla bestimmten Victorienstatue vollendet;
mau ist im Begriff, den Märmorblock für dieselbe zu behauen. Die Wal-
halla wird bekanntlich aus einer langen, oblongen, von einem Tonnenge-
wölbe überspannten Halle bestehen; zwei breite Gurtbögen, von je zwei
vortretenden gekuppelten ionischen Säulen getragen, werden diese Halle
in drei Räume sondern^). An den Wänden werden die Büsten ihren Platz
finden. Um indess diese lange Reihen zu unterbrechen, soll in der Mitte
einer jeden Seitenwand eine Victoria aufgestellt werden. Die genannte
Statue ist eine der für den Mittelraum bestimmten, sitzend, lebensgross.
Sie ist mit dem Chiton bekleidet, der von der linken Schulter niederfällt;
der Ueberschlag vorn ist über der rechten Schulter befestigt und unter
dem linken Arm durchgeschlungen. Das Haar ist in einen Knoten gewun-
den, das Haupt ein wenig vorgeneigt. Sie hält in jeder Hand einen Kranz,
die rechte etwas erhoben, die linke ruht auf der Lende, Die Füsse sind
leicht gekreuzt.

Es scheint überflüssig, der Würde, Reinheit, Idealität, der Besonnen-
heit und des ernsten Styles, deren Gepräge, wie ein jedes Werk von Rauch,
so auch dieses trägt, hier besonders zu erwähnen. Diese Victoria zeichnet
sich zunächst durch eine eigene jungfräuliche Frische, durch eine besondre
Elasticität der Formen aus. Sie macht, obgleich sie fest und ruhig sitzt,
den Eindruck, als sei sie im Begriff, sich von ihrem Sessel zu erheben
und mit dem aufgehobenen Kranze das Haupt des Würdigen zu schmücken.

Die Indulgenz des heiligen Franciscus, al Fresco gemalt in der
Engelkirche bei Assisi, von Friedrich Overbeck. Nach dem Carton
gezeichnet und lithogr. von J. C. Koch. München 1832,

(Museum "1833, No, 6.)

Es wird den Freunden der Kunst angenehm sein, von diesem vielbe-
sprochenen Bilde Overbeck's durch das vorliegende Blatt eine ziemlich
genaue Anschauung zu bekommen. Das Bild, bekanntlich an dem Giebel
des kleinen inneren Kirchleins gemalt, zeigt zu oberst Christus und Maria,
in einer Glorie sitzend, von lobsingenden und musicirenden Engeln umge-
ben. Maria neigt sich fürbittend zu Jesu und dieser blickt segnend und
gewährend auf den heil. Franciscus hernieder, welcher auf der einen Seite

Dies war in der That der ursprÜDgliclie, nachmals i veränderte Plan,

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24 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

des Bildes, die Arme emporbreitend, kniet."^ In der Mitte des Bildes steht
ein Altar, über den man, durch das geöffnete Portal, in eine öde Winter-
gegend hinaussieht; neben dem Portal aber ist ein blühender Rosenstrauch,
und aus den Wolicen, welche jene heilige "Vision tragen, fallen Rosen
nieder auf den Altar. Zur Seite des Franciscus stehen zwei Engel mit
Pilgerstäben, deren einer in seinem Gewände bereits einen Theil der Rosen
trägt, welche Franciscus dem Papste zur Bestätigung der Yision und
dessen, was ihm der Erlöser verheissen, (eines bestimmten Ablasses für
diese Kirche), zu überbringen hat. Auf der andern Seite des Altares knieen
zwei Ordensbrüder des Heiligen, denen das Wunder anzuschauen und mit
zu bezeugen vergönnt war.

Der Zeichner der vorliegenden Lithographie hat die Bestimmtheit und
Zartheit, die Einfalt und Frömmigkeit, welche Overbeck's Werken eigen
sind, mit Glück wiederzugeben gewusst; einfache und reine Schraffirungen
in den Schatten, grosse Lichtpartieen sind der nach keinem Effekt oder
Sinnenreiz hinstrebendeu Behandlung des Cartons, wir glauben auch des
Gemäldes selbst, wohl angemessen. Es gehört dies Blatt mit zu jenen
Grüssen, die aus dem Frieden, welchen der Meister sich erworben, mah-
nend in unser vielfach bewegtes Kunsttreiben herübertönen.

Karikatur der Engländer.

(Museum 1833, No. 14 f.)

Die Karikatur der Engländer scheint sich im Ganzen mehr nach einer
gewissen phantastischen Richtung zu neigen. Schon der Name bezeichnet
nicht sowohl eine unmittelbar aus den Hefen des Lebens gegrifl'ene Dar-
stellung, als vielmehr eine solche, welche wesentlich der Laune und dem
Humor des Einzelnen ihre Entstellung verdankt. Natürlich aber hat es
eine solche Laune nur mit den Gemeinheiten und Thorheiten des Lebens
zu thun, welche sie an die Stelle des Allgemeinen und Wahren zu setzen
liebt und deren Nichtigkeit sie in solchem Widerspruche aufs Ergötzlichste
zu offenbaren weiss.

Der Meister der englischen Karikatur ist heutiges Tages ohne Zweifel
Cruikshauk, auch bei uns vielfach bekannt durch seine Skizzen und
Radirungen, durch seine Bilder zu W. Scotts Dämonologie, zu Chamisso's
Schlemihl u. s. w. Den früheren Arbeiten stellt sich sein neuestes Werk:
„ lllustrations of Smollet,. Fielding und Goldsmith, in a series
of forty-one plates," würdig zur Seite. Eine unerschöpfliche Phan-
tasie, welche sich in seltsamen Verzerrungen der Gestalten des gemeinen
Lebens wohlgefällt, eine leichte und gewandte Nadel, welche stets den
kühn umherschweifenden .Gedanken zu folgen weiss, ist Cruikshanks Eigen-
thum: fast allen seinen Figuren aber, ob Schlechtigkeit oder ob Dummheit
— denn es giebt auch dumme Teufel ~ der Hauptzug ihres Characters sei,
ist ein eigenthümlich diabolisches Gepräge gegeben. Wenn wir eine Reihe

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Karikatur der Engländer. 25

Cruikshank'scher Bilder aufmerksam durchblättert haben, so ist es uns zu
Muthe, als ob wir in eine tolle Walpurgisnacht bineingerathen wären, und
alle das Hexengesindel umtanze uns in wilden Sprüngen. Mitleid ergreift
uns dann über die einzelnen edleren Gestalten, welche hin und wieder
zwischen den grinsenden Larven hervortauchen; und gar ist es sinneverwir-
rend, wenn wir bemerken, dass der ganze aberwitzige Spuk eigentlich aus
Leuten besteht, die mit uns in einem Dorfe wohnen und die zu anderen
Zeiten ganz und gar wie ehrliche Leute aussehen. Erhöht wird dieser
seltsame Eindruck in dem genannten "Werke noch durch das fabelhaft steife
Kostüm des vorigen Jahrhunderts, welches, den dargestellten Scenen ge-
mäss, in sämmtlichen Bildern wiederkehrt. Das Herauswenden jener un-
heimlichen diabolischen Seite im Menschen erinnert nicht selten an Hofl-
mann's Erzählungen; schwerlich würde Cruikshank passendere Anknüpf-
ungspunkte für seine phantastischen Schöpfungen finden können.

Diese durch Cruikshank am schärfsten bezeichnete subjective Richtung
wird auch von andern englischen Karikaturisten mit grösserem oder gerin-
gerem Glücke verfolgt; zugleich aber auch jene ruhigere objective, welche
sich mehr darauf beschränkt, die Thorheiten der Zeit zu verspotten. Als
Ausartung aber müssen wir es bezeichnen, wenn, was ebenfalls nicht all-
zuselten bei den Engländern vorkommt, beides in ein leeres Vergnügen an
zwecklos widerwärtigen und hässlichen Bildungen der menschlichen Ge-
stalt übergeht. In dem „Comic annual by Thomas Hood" ist leider,
neben manchen wahrhaft humoristischen Blättern, ein grosser Theil der
Holzschnitte,also beschaffen.

Unübertroffen sind die Engländer in der politischen Karikatur: vielleicht
weil hier Künstler und Publikum in der schärfsten Wechselwirkung stehen.
Auch hier wird, wie bei der Karikatur überhaupt, ein Gemeines, ein Be-
schränktes, an die Stelle des Allgemeinen gesetzt; auch hier kommt es
darauf an, im Gegensatz gegen eine leitende Idee, zu der hin sich das
Leben der Völker entwickelt, letzteres lediglich als ein wüstes, thörichtes
Spiel, dazu es ohne jene Idee wird, darzustellen. Das wissen die Eng-
länder auf mancherlei Weise zu lösen, zumeist durch den Kunstgriff,
dass sie die grossen Ereignisse des öffentlichen Lebens auf eine lustig
allegorische Weise in die Beschränktheiten des Privatlebens herunterziehen.

Zu den geistreichsten politischen Karikaturen gehören die Lithogra-
phieen des „Caricature annual." Schon das Titelblatt des vorliegenden
Heftes dieser Annalen (1831, vol. 2.) bezeichnet die angegebene Richtung.
Es stellt, in einem von Reben umschlungenen Rahmen, einen fröhlichen
Fischer am Ufer eines Baches dar; sämmtliche Fische aber, sowohl die
bereits gefangenen, als diejenigen, welche noch unten im Wasser umher-
schwimmen, tragen auf naive Weise Menschenköpfe, und zwar sehr charak-
teristische Portraits. Die Unterschrift erklärt die Absicht des Zeichners;
sie dürfte sich etwa so übersetzen lassen;

Wie Walton') einst, der Alte, am sanftgewunflenen Bach
Den Karpfen und Forellen üiit Angeln stellte nach,
Also beliebt es mir, am Strom der Zelt zu sitzen,
Zu fischen nach den Grillen, Thorheiten oder Witzen
Von gross und kleinen Leuten. Schlagt uml so findet ihr
Gekocht, was ich gefischt hab', auf mancherlei Manier.

») Verfasser eines berühmten alten Angelbuches.

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26 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Drinnen nun bewegt sich Alles mit wunderlichem Ernst, wie ein ba-
rockes Puppenspiel durcheinander; höchst seltsame Geschäfte werden von
den erhabensten Personen, oft in sonderbarster Verkleidung, verrichtet;
in unbefangener Nähe verkehrt mit ihnen der biderbe Mr. John Bull. So
sehen wir die Reform als einen grossen Plump-Budding gebacken, den ein
gewisser, als Koch gekleideter Lord herein bringt; erträgt schwer an seiner
Last. Drei Aerzte wehren ihm entsetzt, den Büdding aufzutragen, da er
für die Constitution ihres Patienten allzu compact sei; dieser aber, Mr.
Bull, sitzt in einem Nebenzimmer am Tisch und schellt ungeduldig, denn
ihn hungert. So sehen wir später einen höchst ergötzlichen Jubeltanz der
hohen Geistlichkeit über den Untergang der Bill, da sich die dicken alten
Herren in mädchenhaftester Grazie, mit den zierlichsten Bewegungen der
Hände und Füsse, durcheinander schlingen; den aber, der ihnen aufspielt,
nennt man nicht gern. Ein andermal ist der „Zustand des englischen
Eisenhandels" einfach so dargestellt: John Bull, als fleissiger Krämer ge-
kleidet, hält in jedem Arm einen grossen Kanouenlauf; der eine ist „für
Belgien," der andere „für Holland'' bestimmt. Er lacht lustig vor sich hin
und sagt: „Ha, ha, lasst sie's ausfechten!" — Zwischen alledem spuken
mancherlei phantastische Gebilde herum, denen erst der Stift des Zeichners
Leben verliehen; wie die „Rotten-ones," zerbrochene Eier, statt der „Rotten-
boroughs," der gebrochenen Burgflecken, bei denen die Linien des Bruches
stets ein höchst jämmerliches Gesicht bilden. Bisweilen auch tritt der Ernst,
der doch alle Fäden des Puppenspieles führt, minder verhüllt und unmit-
telbarer hervor. Vortrefflich sind jene beiden Vampyre dargestellt, welche
dem Weibe, das unter der saitenlosen irischen Harfe liegt, das Blut aus^
saiigen; gewaltig ist die Darstellung der Cholera, welche, ein verhülltes
ungeheures Knochengespenst, über beide, Sieger und Besiegte, Russen und
Polen, hinschreitet. — So lange es aber dem Zeichner solcher Karikaturen
Ernst bleibt um sein höheres Ziel, die Nichtigkeit aller Politik, die sich
nur auf menschliche Kräfte stützt, darzustellen, so lange ist sein Werk
Satyre, nie Pasquill; und es wird auch zu letzterem nicht dadurch, dass
er seinen Helden die wohlgetroflensten Portraits von Männern giebt, welche
eben die Träger des öffentlichen Lebens sind.

Englischer Stahlstich.

(Museum 1833, No. 18.)

'II Geschichte u. Topographie der Rheinufer von Cöln bis Mainz.

Redigirt (in deutscher, französischer und englischer Sprache) von William
Gray Fearnside. Zahlreich verziert mit Abbildungen der berühmtesten
Ansichten, gezeichnet von W. Tombleson, von den bekanntesten Meistern
in Stahl gestochen. London, Paris, Carlsruhe, 1832.

j. ^ Der Herausgeber hat, wie er sich im Vorwort äussert, dieses Werk

jr, f. unternommen, um den Mängeln früherer abzuhelfen, die entweder nicht

A

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Englischer Stabistich. 27

hinreichend mif genügenden Abbildungen versehen oder zu weitläuftig und
kostbar sind. Er hat die Absicht, ein Handbuch für Reisende (die Eng-
länder reisen bekanntlich auf der Rheinstrasse nach dem Süden) zu liefern,
welches Wohlfeilheit mit Pracht verbinden soll. Das Werk erscheint in
Heften in gross 8, welche monatlich ausgegeben werden; jedes Heft enthält
3 saubere Stahlstiche und einen halben Bogen Text. Der höchst wohlfeile
Preis ist 6 Pence für das Heft.» Das Ganze wird einen Band von 23 Hef-
ten bilden.

Zum Ruhme des englischen Stahlstiches etwas hier zu wiederholen,
erscheint überflüssig; die Engländer sind als Meister in Allem, was Tech-
nik heisst, bekannt. Diese glückliche Nachahmung freister oder weichster
Pinselführung, diese kräftig gearbeiteten Vorgründe, diese leise Abtönung
der Fernen, welche auch in den vorliegenden Blättern uns erfreuen, sind
unübertrefflich.

Ein Andres aber ist es, wenn,wir die Art und Weise der künstleri-
schen Auffassung betrachten. Die Engländer begnügen sich selten, wie es
unsre deutsche Sitte ist, wenn wir nicht unnöthiger Weise Fremdes nach-
ahmen, das Bild einer Gegend einfach und treu so wiederzugeben, wie sie
es vor sich gesehen; sie verlangen ein pikantes Spiel von Licht und
Schatten, dunkle Wolkenmassen, die ein helles Gebäude im Vorgrund
heben, oder sonnige Fernen, in den Rahmen eines dunklen Vorgrundes
eingeschlossen. Und freilich müssen wir es anerkennen, dass sie auf diese
Weise der Landschaft zuweilen einen eigenthümlich phantastischen Reiz
zu geben wissen. So befindet sich in einem der vorliegenden Hefte (im
8ten) eine Ansicht des Lurley-Felsens bei St. Goar, darin diese, schon an
sich seltsame Formation wie zu einem Mährchenbilde umgestaltet erscheint:
der Himmel ist mit dicken, zerrissenen Wolken bedeckt, der Rhein treibt
ungestüm in dunkeln, fast schwarzen Wogen; der Felsen ist grell beleuchtet,
dass seine wunderlichen Zacken und Brüche fast wie lebendige Gestalten
hervorspringen; oben in den Wolken entwickelt es sich wie ein elektri-
sches Licht und fernere Lichtmassen,schütteln sich auf den Berg im Grunde
des Bildes nieder. Das Bild passt zu den unheimlichen Geschichten, die
von dem Felsen erzählt werden. Nicht minder gelungen ist (im 4ten Heft)
die Ansicht von St. Goar und den Ruinen der Bergfestung Rheinfels. Hier
blickt man von der Höhe auf. den weiten, klaren Spiegel des Rheines
hinab, der das umgekehrte Bild von St. Goar und Goarshausen mit ihren
Bergen und Burgen deutlich wiedergiebt; die Sonne wird durch den Wipfel
eines kühn über den Abgrund sich hinaus lehnenden, schlanken Baumes
gedeckt, während über den hellbeleuchteten Zinnen der alten Festung
Wolken aufzusteigen beginnen. Wir bezweifeln nur, dass hier, gen Süden,
jemals die Sonne so tief über dem Horizont gestanden hat.

Auf Letzteres indess wird es dem reisenden Engländer wenig ankom-
men; ebensowenig darauf. Ob in diesen Heften die deutsche Landschaft in
ihrem eigenthümlichen Charakter wiedergegeben oder,^ wie' es meist der Fall,
ob sie als Folie willkürlicher Phantasieen benutzt ist. Vor der Hand ist
er zufrieden, an Ort und Stelle gewesen zü sein; hernach kann er in aller
Gemächlichkeit seine schönen
Views of the Bhine betrachten. Als ich in
Heidelberg studirte, begegnete ich auf der schönen Bergstrasse nicht selten
englischen Reisewagen, die zu allen Seiten wohlverschlossen waren.

Was den beigefügten Text anbetrifft, so ist hier nicht der Ort, den-
selben zu,recensiren. Er ist, wie oben bemerkt, nicht nur in englischer,

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28 Berichte, Kritikeu, ErörteruugeD.

sondern auch, nach dem Bedürfniss der Käufer, in französischer und deut-
scher Sprache abgefasst. Der deutsche Text, aus dem Englischen von
einem Engländer übersetzt, ist — mit Hülfe des Englischen — ganz gut zu
verstehen.

Barber's picturesque illustr a tions of the Isle of Wight.

London, 1833.

Dies Werk schliesst sich in seiner Oekonomie ganz dem vorigen an.
Es erscheint, wie jenes, in monatlichen Heften in gross 8, deren jedes
3 gleich meisterliche Stahlstiche und einen halben Bogen Text entliält.
Der Preis des Heftes ist bei dem wohl zu erwartenden geringeren Absatz
auf 8 Pence bestimmt. Das Ganze wird aus 12 Heften bestehen.

Die Insel Wight wird der Garten von England genannt; wenig Orte
von gleich geringer Ausdehnung besitzen grössere Verschiedenheit und
Schönheit an landschaftlichen Gegenständen: grossartige Küsten-Ansichten
wechseln mit furchtbar zerrissenen Klippen, welche durch Erdrevolutiönen
hervorgebracht sind; reichbebaute Ebenen mit romantischen Waldgehegen.
Auch fehlt es nicht an Gegenständen für historisches und antiquarisches
Interesse; merkwürdig sind besonders die Ruinen von Carisbrook Castle,
welches lange Zeit das Gefängniss des unglücklichen Carl I. war. ^

Unter den Blättern der vorliegenden ersten Hefte zeichnet sich nament-
lich das 3te aus, „Appuldurcombe Pk. Lord Yarborough's:" ein friedlich
stiller, schattiger Wald, mit zahmen Hirschen bevölkert, aus dem man auf
» , ein helles Schlösschen hinaussieht, das am Fusse waldiger Hügel liegt.

Vortrefflich ist in diesem Blatte besonders das mannigfache Laub der Bäume
dargestellt, ein Punkt, der bei den Arbeiten der Engländer nicht selten zu
den schwächeren gehört.

A Tombleson Ansichten an den Ufern der Flüsse Themse und

Medway. Redigirt (in deutscher, französischer und englischer Sprache)
von William Gray Fearnside. London, Paris, Carlsruhe.

i'
f

Auch dies Werk hat die Absicht, sich den mit grossem Beifall auf-
genommenen Rheinansichten anzuschliessen. Es erscheint in monatlichen
Heften in 4, deren jedes 4 saubere Stahlstiche jund einen halben Bogen
Text enthält. Der Preis des Heftes ist 1 Schilling; das Ganze wird aus
24 Heften bestehen.

Die Themse, ,,der geliebteste von den Söhnen des Oceans," ist reich,
wenn auch nicht an grossartigen Uferbildern, so doch an malerischen Land-
schaften, üppigen Feldern, Hügeln und bewaldeten Anhöhen, die in ange-
nehmster Abwechselung auf einander folgen; reich an geologischen Ueber-
resten, zumeist aber an Denkmälern der Baukunst, die sich in stetem
Wechsel über den bunten Ufern erheben: — Oxford's classischer Boden,
die prächtige königliche Residenz Windsor Castle, Eton u. s. w., vor allen
die Hauptstadt des Königreichs selbst, das Emporium der Welt. Der Med-
way, der Zwillingsfluss der Themse, der mit ihr zwar nicht au Grösse
und Wichtigkeit wetteifern kann, giebt ihr doch an Schönheit nichts nach
und hat, was Abwechselung und landschaftliche Effekte betrifft, unstreitig
den Vorzug. Die kurzen, scharfen Wendungen, die Fülle malerischer An-
sichten , die sich in seinem Laufe durch die üppige Grafschaft Kent in

I

! ä-

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Englischer Stahlstich. Christi Einzug in Jerusalem. 29

jedem Augenblicke darbieten, gewähren dem Naturfreunde reichsten Ge-
nuss. Auch dies Unternehmen wird auf mannigfachen Beifall rechnen
dürfen.

Was zuvörderst die Ausstattung des vorliegenden ersten Heftes betrifft,
so ist sie, wie zu erwarten stand, nicht minder prächtig als die der oben
genannten Werke; auch hier die meisterlichste Feinheit und Klarheit des
Stiches. Als unterscheidendes Beiwerk hat der Zeichner ein jedes dieser
Bilder, wie es vor etwa 70 Jahren Mode war, mit verschiedenen Gegen-
ständen eingerahmt, welche auf symbolische Weise die Bedeutuiig des Vor-
gestellten schärfer hervorheben sollen. So'sitzt oben über der „Quelle der
Themse" der Flussgott mit seiner Urne, ein Ruder in der Hand, Fracht-
ballen und Tonnen im Schilfe um ihn her,^ Schilfe in der Ferne; zu den
Seiten Angeln, Schaufeln, Körbe, Harpen und andres Fischergeräth; unten
Muscheln und Korallen. So liegen oben über der Darstellung des Lon-
doner „Zollhauses" reiche Fruchthörner; seitwärts Kralmen, welche Last-
ballen emporwinden; dann Anker, andre Ballen, Tonnen, Krüge, Flaschen,
Elfenbeinzähne u. s. w. Eine solche Symbolik aber dünkt uns ein wenig
äusserlich und nüchtern. Auch verlangen wir Deutschen bei dergleichen
Dingen eine etwas strenger stylisirte, gesetzlichere Form und Anordnung,
und Referent bezweifelt, ob es überhaupt den Engländern gelingen wird,
was ihre neusten Fabrikate andeuten, die styllosen Formen des alten Haar-
beutelstyles wieder einzuführen.

Vortrefflich scheinen übrigens die Ansichten selbst aufgefasst. Höchst
malerisch erhebt sich die Londoner „Paulskirche" mit ihrer hohen Kuppel
über den vielstöckigen Häusern am Ufer des Flusses, und spiegelt sich mit
diesen in der klaren stillen Flut. Nicht minder gelungen ist die Ansicht
der majestätischen „Londonbrücke," durch deren einen weitgesprengten
Bogen man drüben wiederum St. Paul- erblickt. Bei der Darstellung des
„Zollhauses" ist das Leben auf dem Flusse ebenso wie die durchsichtige
Klarheit des Wassers zu rühmen.

Was di« deutsch^ Abfassung des Textes anbetrifft, so rührt dieselbe,
wie bei den Rheinansichten, von englischer Hand her; mannigfache Sprach-
fehler, sonderbarste Constructionen und häufige Unverständlichkeit bezeugen
dies zur Genüge.

Christi Einzug in Jerusalem. J. F. Overbeck pinx. 1824.
O. Speckter lith. 1833. Hamburg. Steindruck von Speckter & Comp.

(Museum 1833, No. 20.)

Das Original-Gemälde (7 Fuss 10% Zoll lang, 5 Fuss i'/g Zoll hoch.
Hamb. M.) befindet sich in der Marienkirche zu Lübeck.

„Hinsichtlich des Bildes von Overbeck — so schreibt uns ein geehrter
Kunstfreund — bemerke ich, dass er es bei Füger in Wien, seinem Lehrer,

Referent hat zu voreilig gezweifelt; das Rococo gehört zu den Götzen
des Tages! (1853.)

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30

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

anfing, über zwanzig Jahre dort imd in Rom daran malte, und es endlich,
durch Beiträge einiger Lübecker und anderer Kunstfreunde, unter denen
Rumohr am reichlichsten spendete, dazu in den Stand gesetzt, vollendete
und seiner Vaterstadt schenkte. Hier hängt es in einer Kapelle der Ma-
rienkirche, welche, selbst ein herrliches Denkmal der mitteldeutschen
Kunst, an Gemälden aus dem sechzehnten Jahrhundert gar reich ist. An
dem vorliegenden Steindruck hat der junge Künstler mehrere Jahre, durch
Brodarbeiten abgehalten, oft unterbrochen gearbeitet, und ihn jetzt glück-
lich vollendet. Wenn Sie dessen in Ihrem Museum gedenken, würde es
vielleicht nicht übel sein, an eine sehr schöne Sammlung von Köpfen, aus
dem vortrefflichen Lübecker Dombilde (das Freund Rumohr für einen
Hemelink oder Memelink hält) zu erinnern, die Otto Speckter nebst sei-
nem Binder Erwin Speckter (jetzt in Rom) und dem Maler Milde in Ham-
burg, daselbst vor einigen Jahren im Steindruck herausgab." —

Mit grosser Freude benachrichtigen wir unsre Leser von der Erschei-
nung eines Blattes, das eines der ersten Meisterwerke neuerer Kunst, so-
weit es möglich ist, zum Gemeingut macht. Wir wünschen, und wir sind
von der Erfüllung dieses Wunsches überzeugt, dass dasselbe mannigfach
in unserm Vaterlande Eingang finden, und viele Gemüther der Kunst,
sofern diese ein Höheres, Heiliges in sich trägt, zuneigen möge. Aus
Overbecks Bildern weht uns ein Friede entgegen, wie wir ihn nur in den
Schöpfungen einer fronimen christlichen Vergangenheit kennen: jener gross-
artige, altkirchliche Styl, den der Meister befolgt, spricht selbst schon
als geheiligte Tradition zu uns. Gleichwohl steht Overbeck frei und künst-
lerisch vollendet genug da, dass die einzelne Figur, welche er schafft,
nicht, wie es wohl bei jenen alten Meistern der Fall ist, ohne Bedeutung
für sich, ohne eigenthümliches, selbständiges Leben, nur als Glied eines
grösseren wohlgeordneten Ganzen erscheint; bei ihm vielmehr hat alles
Einzelne zugleich Leben, Charakter.

Das beweist vor vielen Andern das Bild, welches die Ueberschrift
nennt. Ein feierlicher, einfach geordneter Zug, mit verschiedenen, leicht
übersehbaren Gruppen von Zuschauern umgeben. Und doch, bei fast 150
Köpfen, welch ein Reichthum der Erfindung, welch eiüe Anmuth der Be-
wegung, welch eine Mannigfaltigkeit des Ausdruckes! In der Mitte der
Meister in ernster göttlicher Ruhe; hinter ihm und zur Seite die Jünger
voll stiller Begeisterung, jeder in strengster Eigenthümlichkeit aufgefasst,
vor ihm die heiligen Frauen; in den Zuschauern alle Stufen von Jubel,
Verlangen, Ahnung, von Zweifel, Neugier, Stumpfheit, Hass — ich könnte
die Geschichte eines Jeden, den das Bild darstellt, schreiben. Seht jene
Krieger! das Gesicht des einen, der sein Haar suevisch in einen Knäuel
gewunden hat, erscheint noch stumpf, wie das eines Blinden; er ist noch
in der Nacht eines tiefsten Heidenthums begraben, seine trotzige Stirn
kennt nur das Gesetz der Gewalt. Neben ihm, der das edle, behelmte
Haupt vorbeugt, unruhig, fragend, erwartend, — es kann nur Longinus
sein, jener andre Paulus. Seht unter dem Palmbaiim jene vier Asiaten!
Sie sprechen über den Vorgang, gegen dessen tiefe Bedeutsamkeit ihr Ge-
müth nicht verschlössen ist; aber alles Gut an die Armen zu geben nach
den Geboten des Meisters, ^ o seht, wie es spöttisch um den Mund des
schönen Jünglinges zuckt! Seht hinter den Jüngern jene stille Künstler-
schaar, lebensvollste Portraits, und doch ein jeder den hohen Moment in

kL.

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Christi Einzog in Jerusalem. Diorama. 31

innerstes Aiischauen aufnehmend! So oft ich das Bild betrachtete, stets
entdeckte ich neue tiefsinnige Züge. " ^

Was die Arbeit des Lithographen betrifft, so ist zunächst die grosse
Liebe und Sorgfalt zu rühmen, welche sich unverkennbar in der Behand-
lung und Ausführung jedes einzelnen Theiles, vor Allem der Köpfe, kund
giebt; überall leuchtet der Geist des hohen Originales durch.. Die Technik
sodann ist bestimmt, sauber und harmonisch. Leider stehen wir in Nord-
deutschland, was Aetzen und Druck der Lithographieen betrifft, immer
noch hinter München und Paris zurück. Doch wollen wir uns bei unwe-
sentlichen Theilen des Bildes nicht aufhalten, wo alles Wesentliche so
wohl gerathen ist, wo überhaupt so höchst Würdiges und Dankenswerthes
geliefert wird. > ^

Der Lithographie ist ein kleineres Blatt beigegeben, welches die hier
in Umrissen mitgetheilten bedeutendsten Figuren des Bildes erklärt und
unter den Zuschauern den Künstler selbst, seine Gattin, seinen V^ater (den
Dichter Overbeck, Bürgermeister zu Lübeck) und seine Mutter nennt.

Diorama. — Berlin.
" (Museum 1833, No. 25.)

Im Diorama von Carl Gropius sind seit einiger Zeit zwei neue Bilder
aufgestellt: Eine Ansicht der Teufelsbrücke auf dem St. Gott-
hard in der Schweiz; und einejnnere Ansicht der St. Peters-
kirche in Rom, am Oharfreitage bei der Kreuzes-Beleuchtung.
Das letztere ist ein Bild von ausserordentlich schönem und grossartigem
Effekt. Man sieht das weite Mittelschiff des prachtvollen Tempels auf-
wärts, nach dem gewaltigen, Hochaltare hin, der unter der Kuppel steht.
Vor dem Hochaltar, 'denselben zum Theil verdeckend, hängt das grosse
metallene, 33 Fuss hohe Kreuz, an welchem die Lampen (314 an der Zahl)
befindlich sind. Gleich jenem feurigen Zeichen, welches einst dem heid-
nischen Kaiser Sieg verhiess, wenn er es zum Feldzeichen erwähle, schwebt
es über dem Beschauer und strömt ein blendendes Licht über die um-
gebenden Gegenstände aus. Diese Gegenstände, unter und hinter der
Kuppel, namentlich das Tabernakel des Altars mit
'Seinen ehernen Riesen-
säulen, schimmern nur in schwachen Umrissen durch den Lichtnebel, und
die Kerzen, welche auf dem Altar brennen, und der Lampenkreis vor
demselben, enthalten eben nur hinreichendes Licht, um sich selbst be-
merklich zu machen. Die reichen Goldverzierungen, welche die Stukkatur
an dem grossen Gewölbe des Schiffes bedecken, flimmern hin und wieder;
scharf markiren sich die Vorsprünge .der. architektonischen Glieder, und
lange Schlagschatten fallen in,d€n Vprgrund. Von elgenthümlicher Wir-
kung ist die gelbrothe Farbe dieses Lampenlichtes, dessen Reflex selbst
den Schatten eine besondre Wärme mittheilt. Die Transparenz, auf welche
der Effekt dieses Bildes basirt, ist mit grossem beschick und Glück durch-
geführt worden; die verschiedene Stärke des Lichtes an den einzelnen
Architekturtheilen entspricht durchaus der perspektivischen Anordnung des

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32 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Ganzen. Ausserdem aber dünkt uns nicht weniger die grossartige sym-
metrische Auffassung des erhabenen Gegenstandes zu loben, welche mit
Verschmähung jener wohlfeileren Illusion — die durch scharf aus dem
Vordergrund heraustretende Gegenstände bewirkt wird — die eigentliche
Wirkung auf die Hauptsache concentrirt und jene unbehagliche Störung
fern hält, die dem Beschauer allzuleicht bereitet wird, wenn er, bei ver-
ändertem Staudpunkt, die unveränderte Stellung der verschiedenen Gegen-
stände im Bilde bemerkt. — Nicht auf gleiche Weise gelungen schien uns
das zweite Bild, die Ansicht der Teufelsbrücke. Wenn hier auch der Vor-
und Mittelgrund, namentlich der scharf beleuchtete Felsweg und die alte
und neue, noch im Bau begriffene Teufelsbrücke, rühmlich zu erwähnen
ist, so fehlt es doch vor den mächtigen Felswänden des Hintergrundes an
Luft, die, wie durchsichtig sie auch in den Schweizergegenden sein möge,
immer das wesentlich Trennende zwischen nahen und fernen Gegenständen
bleibt. Ueberhaupt ist es uns sehr zweifelhaft, ob landschaftliche Gegen-
stände auf gleiche Weise für die Darstellungen des Diorama geeignet sind
wie architektonische. Die Erfahrung spricht bisher dagegen; doch werden
wir uns freuen, unsre Zweifel durch die That widerlegt zu sehen. Schliess-
lich aber sind wir der Meinung, dass besonders die Darstellung solcher
Gegenstände für das Diorama sich eignet, welche ausser dem malerischen
noch ein, ich möchte sagen, tieferes, ein geschichtliches Interesse für uns
haben, wie dies bereits bei der Ansicht der Peterskirche der Fall ist.
Jene ägyptischen Riesentrümmer — wie die Wunder von Ibsambul oder
Luxor — jene Grottentempel von Ellora, jene heiligen Ueberreste des
Parthenon, jene stolzen Hallen von Spalatro, jener mährchengleiche Lö-
wenhof im Alhambra, jene ehrwürdigen gothischen Kathedralen u. s. w.;
u. s. w. — welch ein überreiches Feld eröffnen diese Monumente für in-
teressante und imposante Darstellungen, für die verschiedenartigsten Effekte
in Farben und Lichtern! Auf solche Weise würde sich vielleicht ein be-
stimmterer Kreis, eine consequentere Auswahl für die Bilder des Diorama
ins Werk richten lassen.

Der Dom und die St. Severi Stiftskirche in Erfurt. Nach einem
Gemälde von C. Hasen pflüg (im Besitz Sr, Majestät des Königs von
Preussen), mit der Feder auf Stein gezeichnet von A. Klaus. Lithogr.
Anstalt von F. W. Wenig zu Halberstadt. Gr. Roy. Fol.

(Museum 1833, No. 25.) _

If

Die Zeichnung mit der Feder auf Stein hat ihre besondern Eigen-
thümlichkeiten und dürfte, in gewissen Fällen, andern Arten der Verviel-
fältigung vorzuziehen sein. Sie verlangt eine scharfe, skizzenhafte Be-
handlung, ähnlich dem Holzschnitt, wie dieser im Anfange des sechzehnten
Jahrhunderts von den deutschen Meistern zu so
hoher Vollkommenheit ge-
bracht wurde. Besonders wird sie für eine leichte und doch bestimmte
und genaue Darstellung architektonischer Gegenstände günstig sein. Wir
bedauern, dass diese Kunstart bisher so wenig geübt worden: Einige, auf

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Der Dom etc. in Erfurt. Souvenirs d'un Voyage dans le midi d6 la France. 33

solche Weise gezeichnete Blätter von Schinkel, dieses grossen Meisters
vollkommen würdig, bezeugen zur Genüge, wie viel darin zu leisten ist.

Das vorliegende Blatt, das uns von einem geehrten Kunstfreunde als
das erste Kunstblatt bezeichnet wird, welches Hr. A. Klaus gearbeitet,
zeigt uns in diesem jungen Künstler ein tüchtiges Talent für die gewählte
Manier und verspricht Vieles für deren weitere Ausbildung. Es hat'im
Ganzen eine gute Haltung; im Einzelnen, namentlich an den Häusern des
Mittelgrundes, wird bereits jene sichere und freie Führung der Feder be-
merkbar, welche sich zum Theil mehr mit blosser Andeutung begnügt und
für diese Art der Zeichnung als charakteristisch verlangt wird. Wir wissen
es dem Zeichner Dank, dass er einen so ansprechenden Gegenstand zu
vervielfältigen unternahm. Wie das eigentliche Gebäude des Domes selbst
mit seinen reichen Fensterrosen ein sehr interessantes Monument ist, so
giebt nicht minder die Lage desselben und die Art, wie Hasenpflug diese
aufgefasst hat, ein ansprechendes Bild. Ueber den mächtigen, mit zier-
lichen Geländern gekrönten Substructionen ruht der Chor des ehrwürdigen
Domes; seitwärts ziehen sich die Terrassen mit ihren Treppen empor und
über den, an den Berg hingelagerten Nachbarhäusern erheben sich die
Thürme der Severi Stiftskirche mit ihren leichten, schlanken Spitzen.

Souvenirs d'un Voyage dans le midi de laFrance, dessiu(5s d'apr&s
nature par Chapuy, et lith. par divers Artistes.

(Museum 1833, No. 25.)

Was bei landschaftlichen Gegenständen die Engländer im Stahlstich,
das leisten die Franzosen mit der lithographischen Kreide. Unübertroffen
sind sie bis jetzt in der Weichheit und in dem Ycrschwimmenden Duft
ihrer Fernen, noch mehr in der Wärme, ich möchte sagen, Farbe, welche
über dem Ganzen ausgebreitet liegt. Sie wissen nicht minder den Stand-
punkt und einen zweckmässigen Vorgrund wohl zu wählen; und wie die
Engländer sich am besten auf einen nordisch phantastischen Wolkenhimmel
verstehen, so fassen die Franzosen, ohne nach seltsamen Effekten zu
haschen, mit Glück das klare Licht ihres heiteren Landes auf.

Die vorliegenden Hefte, "denen der rühmlichst bekannte Name des
Zeichners zur genügenden Empfehlung dient, bestätigen das Gesagte. Sie
enthalten eine Sammlung höchst interessanter Skizzen, zum Theil rein
landschaftliche, zum Theil Aeusseres und Inneres von Architekturen. Die
stillen, glänzenden Ufer der Rhone, "die wilden Felshörner der Pyrenäen,
romantisch gelegene Bauerhütten, Ansichten von Städten, von alten, zum.
1 heil zerstörten Schlössern und Klöstern gewähren eine angenehm wech-
selnde Unterhaltung. Unter diesen alten Architekturen findet sich man-
ches Bemerkenswerthe, was um so wichtiger ist, als die Franzosen erst
einen geringen Theil ihrer mittelalterlichen Bauwerke bekannt gemacht
haben. Neben verschiedenen Andern zeichnet sich besonders ein alt-rund-

Kiigler, Kleine Schriflcn, III. 3

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34 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

bogiges Kirchlein bei Espalion aus, dessen Chor in schönen und an-
sprechenden Verhältnissen erbaut ist.

Es wäre wohl zu wünschen, dass auch Einige von unsern Künstlern
ihre reichen Skizzenbücher auf ähnliche Weise zugänglicher machten. Wir
würden zeigen können, dass es anch unserm Yaterlande so wenig an in-
teressanten landschaftlichen und geschichtlich bedeutsamen Punkten man-
gelt wie an kunstgeübtea Händen zu deren Aufnahme.

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t

Malerei. — Berl in.
(Museum 18:i;i, No. 26 f.)

Im Altelier des Landschaftmalers Krause sahen wir kürzlich ein See-
stück von ausgezeichneter Arbeit, einen jener Fiords, jener Binnen- oder
f I,, Küstenwasser darstellend, welche, durch Klippen von dem offnen Meere

; getrennt, den Schiffen so leicht Gefahr bringen. Bewegte, kurz gebrochne

l' Wellen, von einigen Schiffen durchschnitten, bedecken die weite Fläche

^^ bis zum Horizont, der durch einen schmalen Küstenstreif gebildet wird;

« meisterhaft ist die Beweglichkeit des Elementes, seine Tiefe und Durch-

sichtigkeit; der darüber hinfahrende und den Schaum wegstäubende Wind
I aufgefasst und mit einer freien und unabliängigen Technik ausgeführt,

J'l welche wir so noch nicht in den früheren Bildern dieses ausgezeichneten

Künstlers bemerkten und welche dies jüngste den trefflichsten Niederlän-
dern anreiht. —

Herr Menschel, ein älterer Künstler, der sich bisher, wie wir hören,
nur mit dem Restauriren alter Oelgemälde beschäftigt hat, auf der vorigen
Berliner Ausstellung indess bereits durch einige vortrefflich gearbeitete
Portraits Aufmerksamkeit erregte, hat jüngst u. A. das Portrait einer Dame in
weissem Atlasskleide vollendet, welches, abgesehen von der -charaktervollen
m Aehnlichkeit, durch seine grosse Gediegenheit einer jeden Sammlung zur

Zierde gereichen dürfte. Naivetät, Grazie und Eigenthümlichkeit in der
Bewegung, vortreffliche Ausfüllung des gegebenen Raumes und vollkommene
Abgeschlossenheit in demselben (es ist nur Brustbild mit Händen), eine
meisterliche Modellirung, ein einfacher, besonnener und redlicher Auftrag,
zugleich aber auch eine weiche Verschmelzung der Farben, — diesen For-
! & derungen, welche gern an das Portrait eines höheren Ranges gemacht wer-

den, ist hier aufs Vollkömmenste entsprochen. Wir sind überzeugt, dass
f Herr Menschel sich in Kurzem eineSiSehr bedeutenden Rufes erfreuen wird. —

Herr Bendemann hat das zweite Bild, dessen Ausführung ihm durch
J den Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen angetragen ist, voll-

endet. Der Gegenstand ist nicht ein heroischer oder tragisch erschüttern-
der, wie jenes erste Werk, die gefangenen Juden in Babylon, oder wie
einzelne andre Compositionen des jun'gen Meisters; es ist ein lyrisches
Bild, einfach in seinen Intentionen, aber nicht minder anziehend, nicht
minder das Gemüth des Beschauers rührend und ihn in eine idealere Welt
I emporhebend. Es stellt zwei Jungfrauen dar, welche den Gipfel eines

n

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Malerei. Umrisse zu Schillers Lied von der Glocke.

35

Hügels erstiegen haben, von dem man auf reizende italische Ebenen mit
Waldungen und Ortschaften und auf die Buchten eines klaren, tiefblauen
Meeres hinabblickt. Sie haben sich neben eine Quelle niedergesetzt, die,
unter einem Fliederbusch hervor, in ein steinernes Becken und daraus wei-
ter rinnt. Die eine von ihnen, in prächtig rothem sammtnem Oberkleide,
einen gestickten Schleier im schwarzen Haar und ein leichtes Kränzlein
darüber, legt eben die Mandoline, auf der sie gespielt und ein Lied dazu
gesungen, zur Seite. Wüssten wir den Inhalt des Liedes! es muss in's
Herz geklungen haben. Denn während die schöne Sängerin heiter und
zuversichtlich hoffend emporschaut, ist in der Gespielin manch eine Erinne-
rung, manch eine Ahnung geweckt worden. Diese trägt ein violettes, mit
einem goldgestickten Schleier gegürtetes Obergewand, ihr blondes Haar ist
in Zöpfe geflochten; sie lehnt mit der rechten Hand an der Schulter der
Sängerin und blickt schwermüthig vor sich nieder. Es liegt ein geheimer
Zauber in diesen schmerzlich geschlossenen Lippen, und wir wissen nicht,
ob die klare Schönheit der geschmückten Sängerin mehr dazu dient, den
stillen Reiz der Gespielin hervorzuheben, oder ob diese mehr als Folie
für jene gemalt ist. Aber gerade dieser Contrast ist von der anmuthigsten
Wirkung. — Dass der Maler der gefangenen Juden auch dies Bild in
einem edlen, grossartigen Style aufgefasst, dass die Technik, was die Aus-
führung der Köpfe und Hände, der Gewänder, der landschaftlichen Gegen-
stände betriil't, auch hier die meisterlichste ist, dünkt uns unnöthig zu
erwähnen. Wohl aber widerlegt dies Bild aufs Entschiedenste gewisse
Zweifel, welche bei jenem erhoben wurden, — dass dasselbe vielleicht
mehr aus Nachwirkung Michel-Angelo'scher Propheten und Sibyllen ent-
standen sei, dass es vielleicht nur in der Umgebung der Düsseldorfer Schule
in solcher Vollendung ausgeführt werden konnte.

Das Portrait einer Dame (Brustbild) in schwarzem Atlasskleide, mit
dunkelviolettem Sammthut und Perlen im schwarzen Haar, das Herr Bende-
mann kürzlich gemalt hat, zeigt den Künstler auch in dieser gebundneren
Gattung der Malerei, in welcher er zuerst vor dem Berliner Publikum auf-
trat, durch sprechende Aehnlichkeit, vollendete Technik und höhere, idealere
Auffassung als-Meister.

Umrisse zu Sch'iller's Lißd von der Glocko nebst Andeutun-
gen von Moritz Retzsch. Stuttgart und Tübingen, "Verlag der J. G.
, Cotta'schen Buchhandlung. 1833.

(Museum 1833, No. 29.)

Die genannten Entwürfe von Retzsch, welche seit längerer Zeit schon
das Eigenthum Cotta's waren, sind so eben, von seinen Erben herausgege-
ben, im Kunsthandel erschienen. Sie bilden ein starkes Heft von 43 Blät-
tern in langem Quartformat, den übrigen ähnlichen Werken von Retzsch
sich anschliessend. Sie stimmen im Wesentlichen mit denselben in Bezug
auf Vorzüge und Mängel iiberein, obgleich sie, was wir von vornherein

-4

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36 Berichte, Kritiken, Erörterungeu.

bemerken wollen, das Hauptwerk, die schönen Umrisse zum Faust, nicht
ganz erreichen.

Was die Art der Compositiou anbetrifft, die sich auf blosse Umrisse
beschränkt, so erfordert dieselbe eine eigenthümlich stylisirende Auffassung
des Gegenstandes, und zwar eine ähnliche, wie sie in dem antiken Bas-
[ ' relief oder noch mehr in der antiken Vasenmalerei durchgebildet und

; neuerdings von Flaxman so glücklich angewandt ist. Der Mangel an Yer-

|j| schiedenheit der Farbe und des Lichtes macht die einfachste Gruppirung,

das bestimmteste Hervortreten der einzelnen Figuren nöthig, wenn sonst
Klarheit und Ruhe erreicht vi^erden soll; die Perspective reducirt sich auf
sehr geringe Mittel, so dass die darzustellende Handlung am besten nur
auf Einem Grunde (ohne Vor- und Hintergrund) angeordnet und die etwa
nöthige Landschaft u. dergl. nur möglichst skizzenhaft angedeutet wird.
, Aus beiden Ursachen auch ist es hier insbesondre nöthig, dass das Ganze

1f , der Composition als ein Festes, in sich Abgeschlossenes, nicht erst durch

die Linien der Einrahmung Begränztes, erscheine.

Mannigfach fehlt Retzsch in seinen Compositionen gegen die letzt-
genannten Punkte. Wie sehr jene aber durch Beobachtung derselben ge-
winnen, davon findet sich ein recht schlagendes Beispiel in der bibliogra-
phischen und malerischen Reise des Engländers Dibdin durch Frankreich
und Deutschland, worin eine Reihe der eben damals erschienenen Umrisse
zum Faust im Holzschnitt mitgetheilt wird; nicht aber die ganzen Blätter,
il. sondern meist nur die jedesmaligen Hauptgruppen, welche, da Retzsch

4 dieselben in der Regel sehr wohl zu ordnen weiss, durch die Entäusserung

anderweitiger Umgebung ausserordentlich gewinnen. Derselbe Fall tritt
bei den vorliegenden Umrissen ein: vielfach Störendem würde auf diese
Weise vorgebeugt werden. Was soll man z. B. sagen, wenn man jenes
schwärmende Liebespaar auf dem neunzehnten Blatte betrachtet, und der
Richtung ihrer Blicke folgend, oben in der Luft Etwas wie ein aufgehäng-
tes Hörnchen bemerkt, das aber bei näherer Untersuchung sich als halben
' K ^ Mond ausweist? Wir wiederholen unser Bedauern über derartig unpassende

Tt Darstellungen, da im Uebrigen auch dies Heft so höchst Anmuthiges und

Geistreiches enthält.

ij ä ^ In Bezug auf die eigenthümliche Auffassung des Gedichtes zerfallen

ll 'i! I die Darstellungen zunächst in drei verschiedene Reihen. Die erste enthält

, diejenigen Momente, welche das technische Geschäft des Glockengusses in

seinen verschiedenen Stadien vorüberführen, Blätter, die meist recht tüchtig
und kräftig entworfen sind. Die zweite Reihe besteht aus allegorischen
Compositionen, wclche das philosophische Element des Dichters zu ver-
bildlichen suchen, die dritte stellt die erzählenden Partieen desselben dar.
Jene sind zum Theil auf tiefsinnige Weise aufgefasst und in reinen und
klaren Formen wiedergegeben. Zuweilen nur, dünkt uns, geht der Zeich-
ner in diesen allegorischen Compositionen über die Grenzen der bildenden
Kunst hinaus, indem er Gedanken darzustellen sich bestrebt, denen die
schöne Form nicht eine nothwendige Hülle ist und welche die Form über-
haupt zu einem willkürlichen Symbol stempeln,
t Als einen besondern Missgriff aber müssen wir es rügen, dass der

, ^ Künstler, bewogen durch die Bildersprache des Dichters, zur Verkörperung

^Sjj; jener Allegorieen sich antik idealer Gestalten bediente, während er die

^^ Bilder der dritten Reihe im Kostüm und in den Verhältnissen des Mittel-

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.1 :

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;. alters dargestellt hat, dem jene Gestalten durchaus fremd sind. Am klar-

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Umrisse zu Schiller's Lied von der Glocke. Sculptiir. 37

sten tritt dieser Widerspruch auf dem siebenten Blatte hervor, in welchem
beide Reihen sich begegnen; es ist die Taufe; die heilige Handlung unter
einem Baldachin von gothisch verschlungenen, bedeutungsvollen Ranken
beschlossen. Drüber aber sind es nicht züchtige christliche Engel, welche
dem emporgerichteten Blicke des Predigers begegnen, sondern heidnisch
nackte, fast hermaphroditisch üppige Gestalten, Leid und Freude bezeich-
nend, mit ihren verschiedengeschmüeklen Urnen für „die schwarzen und
die heitern Loose", welche letzteren als kleine stumme Hören dem Schoosse
der Ewigkeit entquellen.

Die Bilder der dritten Reihe enthalten im Einzelnen höchst Anspre-
chendes und Zartes, so gleich das achte Blatt, „der Mutterliebe zarte Sor-
gen" darstellend. Vortrefflich ist das zehnte Blatt, der Abschied von der
Heimat, von den Eltern und von des Nachbars Töchterlein: — „vom Mäd-
chen reisst sich stolz der Knabe," — eine frische, leichte, edle Jünglings-
gestalt, zu allen freudigsten Aussichten für die Zukunft berechtigt. Das
folgende zeigt den jugendlichen Wandrer, der „in's Leben wild hinaus-
stürmt." Die Wanderschaft führt der Künstler uns in mehreren Blättern
vor; gar schöne ist die Heimkehr in's Haus der Eltern, wo diese den zum
stolzen Mann Herangereiften nicht erkennen und zw^eifelnd anblicken, —
es ist dasselbe Zimmer mit all dem wohlbekannten Geräth, wo einst des
Säuglings Wiege stand. Die ersten Stadien der Liebe, die auf den näch-
sten Blättern folgen, kleiden unsern Freund minder wie seine Wanderlust
(es ist ja auch nicht ein Jeder zum Amoroso geschaffen!), trefflich aber
sind die zärtlichen, unbelauschten Gruppen auf dem neunzehnten und zwan-
zigsten Blatt. Dann kommt das Leben in der selbstgegründeten Heimat;
ausgezeichnet ist hier das vierundzw^anzigste Blatt, die Scene, welche das
Walten der Hausfrau darstellt, wie sie die Mädchen unterrichtet und-die
wilden Buben, die des Vaters Abwesenheit sehr wohl gemerkt haben, zur
Ruhe weist. Nicht minder schön ist das dreissigste Blatt, die Gruppe nach
dem Brande. — Den Aufruhr hat der Zeichner auf zwei Blättern darge-
stellt; das zweite zeigt uns den Markt einer Stadt, auf den man von hohem
Standpunkte niederblickt, mit einem Gewühl wilder Gruppen angefüllt;
wir bedauern, dass der Künstler diese Gruppen nicht, wie er Anfangs
Willens war, auf einzelnen Blättern behandelt hat; er hätte Vorzüglichstes
leisten können, und um so Wünschenswertheres, als der grösste Theil der
vorliegenden Umrisse zarteren Scenen gewidmet ist.

Auf jeden Fall wird auch dies Werk Denen, welche Retzschens Art
und Weise lieben, angenehm sein und mannigfach den Beschauer fesseln
und anregen.

Sculptur. ~ Berlin.
(Museum 1833, No. 29.)

Im Atelier des Professor Rauch herrscht unausgesetzt die erfreulichste
fhätigkeit; bedeutendes Neue ist seit unserm letzten Bericht über dasselbe

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38 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

entstanden. Vornämlich sind es die für die Walhalla bestimmten Victo-
rien-Statuen, welche den Künstler, im Auftrage des Königs von Bayern,
beschäftigen. Die erste derselben, eine sitzende, die wir früher beschrie-
ben, ist bereits, in kolossalen Massen, in Marmor ausgehauen und der
weiteren Ausführung von des Meisters eigner Hand gewärtig-, für eine
zweite wird so eben der Marmorblock zubereitet; das Modell einer dritten
ist kürzlich geformt und in Gyps gegossen. Die beiden letztgenannten
Statuen sind stehend, aber unter sich sehr verschieden. Die eine macht
auf den Beschauer einen einfach ruhigen, grossartigen Eindruck: die Hände
mit den Kränzen fast symmetrisch erhoben, steht sie gerade vor uns da;
die aufwärts gerichteten Schwingen deuten an, dass sie eben erst den
Boden der Erde betritt; sie ist im Begriff vorzuschreiten. Der Mantel,
über der rechten Schulter befestigt, ist über den linken Arm geschlagen
und bedeckt den Oberkörper, klare, grossartige Falten bildend. Die edelste,
jungfräulich reinste Form zeichnet sich in den Linien der Gewandung. Es
ist dies Bild, in seiner vollkommenen Ruhe und Leidenschaftlosigkeit, wie
die unmittelbare Nähe des Heiligen, deren der Geweihte sich erfreut.
Anders ist die andre stehende Statue gebildet. Sie ist in bewegt vorwärts-
schreitender Stellung, der Mantel niedergefallen und um die Hüften ge-
schlagen; der dünne, kurzärmlige Chiton bedeckt den Oberleib, in anmu-
thigstem Spiele sich den zartesten Formen anschmiegend. Alles ist in
dieser Statue Grazie, Lieblichkeit, Bewegung, Leben: sie eilt, den aus-
erkornen Liebling zu begrüssen.

Wie diese drei genannten Statuen die Göttin des Sieges bereits auf so
charakteristisch verschiedene Weise, der Verschiedenheit der Sieger gemäss,
aufgefasst darstellen, so sind wir nicht minder auf die Erscheinung der
drei folgenden Statuen gespannt. Es ist diese sechsfach verschiedene Dar-
stellung desselben Gegenstandes eine der interessantesten Aufgaben, welche
einem Künstler neuerer Zeit geworden; aber es dürfte auch von keinem
eine glücklichere Lösung zu erwarten sein, als eben von Rauch, welcher
mit ernster und würdiger Stylisirung des Ganzen seiner Kunstwerke das
liebevollste Eingehen in die einzelne, besondre Formenbildung verbindet.
Hiedurch behalten dieselben, bei aller Erhabenheit, stets jene schöne
Menschlichkeit, wodurch sie vor den W^erken der Zeltgenossen ausgezeich-
net sind.

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Oeffentliche Sitzung der KÖnigL Akademie der Künste zu

Berlin, am 3. August.

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(Museum 1833, No. 32.)

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Nach althergebrachter schöner Sitte, die den Geburtstag des Königs zu
einem allgemeinen Freudentage für das preussische Volk macht, war auch
in diesem Jahre die Hauptsitzung der hiesigen Kunstakademie auf den
3. August angeordnet. Die Ertheilung des Preises in Bezug auf die jähr-
lich Statt findenden Concurrenzen junger Künstler bildet stets den Gegen-
stand dieser Sitzungen: in diesem Jahre war eine Concurrenz für Bild-

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Oeffentliche Sitzung der königl. Akademie der Künste su Berlin.

hauer eröffnet worden. Der grosse Saal der Akademie war für die
Aufnahme einer Versammlung, die sich sehr zahlreich einfand, eingerichtet
und festlich geschmückt. Nach den Einleitungsworten,, welche der Vor-
sitzende, der Herr Geheime Ober-Regierungsrath Uhden statt des abwe-
senden Direktors, sprach, eröifnete eine, vom Musikdirektor Rungenhagen
componirte und von schönen Stimmen ausgeführte Cantate, welche die
Freuden und den Preis der Kunst verkündete, das Fest. Darauf hielt Herr
Professor Toelken, Sekretair der Akademie, eine Rede, in welcher er
die Bedeutsamkeit und Nothwendigkeit der akademischen Institute für die
Gegenwart, als durch welche der künstlerischen Ausbildung ein sicheres
Fundament geboten und eine dauernde Kunstblüthe begründet werde, ent-
wickelte und besonders das Vorurtheil zu widerlegen suchte, welches noch
stets die heutigen Akademieen mit den, zwar gleichnamigen, aber ihrer
Einrichtung nach sehr verschiedenen Instituten des siebzehnten und acht-
zehnten Jahrhunderts verwechselt. Herr Toelken beschloss seinen Vortrag
mit der Verlesung des Reglements für die neu eingerichtete musikalische
Section der Akademie, über deren Stiftung bereits in der Sitzung vom
11. Juni d. J. berichtet worden war, und eröffnete endlich noch eine uner-
wartet freudige Aussicht, dass nemlich auch für die Poesie, und zwar für
die dramatische, eine ähnliche, zwar unabhängige, Anstalt zu hoffen sei.
Auch hier sollten, was bei der Einrichtung der musikalischen Section der
Akademie ebenfalls als ein Haupttheil ihrer Wirksamkeit bezeichnet wurde,
Preisbewerbungen und, für den Sieger, die Mittel für sorgenfreie Studien-
jahre das "Wesentlichste sein. Somit haben wir zu hoffen, dass derjenigen
Kunst, welche den Grund und wahren Inhalt aller übrigen ausmacht, auch
mit der Zeit eine öffentlich anerkannte Stellung in dem öffentlichen Leben
und für dasselbe zu Theil werden dürfe, während sie bisher noch stets
der schrankenlosen Willkür des Einzelnen tiberlassen ist.

Darauf ward zur Ertheilung des Preises für die Bildhauer geschritten.
Es hatten sich diesmal zwar nur drei Concurrenten gemeldet, doch waren
sie, nachdem die ersten, nach einer bestimmten Aufgabe gefertigten Skizzen
die Probeakte und die Skizzen nach der Hauptaufgabe sämmtlich als be-,
friedigend befunden worden waren, zur Anfertigung der grösseren, entschei-
denden Reliefs zugelassen worden. Die Hauptaufgabe war, mit einzelnen,
für die plastische Gestaltung des Momentes nöthigen Abänderungen, dem
zwei und zwanzigsten Buch der Odyssee entnommen und ungefähr also
gestellt: Odysseus hat die Freier erlegt und ist im Begriff auch den alten
Sänger Phemios zu erschlagen, der sicTi an den Altar des Zeus geflüchtet
hat; Telemachos sucht ihn durch sein Fürbitten davon abzuhalten; eine
Sklavin wendet sich mit Entsetzen von den Erschlagenen hinweg. ^ Von
den letzteren sei wenigstens Einer anzubringen. Die Breite der Reliefs
war auf 3 F. 8 Z., mit entsprechender Höhe, bestimmt, ejln Zeitraum von
ungefähr 13 Wochen für ihre Anfertigung festgesetzt worden. — Die Er-
klärung des akademischen Senates ging dahin: dass eine Jede der abge-
lieferten Arbeiten im Einzelnen viel Schönes und Würdiges enthalte, auf
der andern Seite aber auch Manches, was namentlich Anatomie und Pro-
portion betreffe, zu wünschen lasse. Der Preis sei dem Relief No. II.
zuerkannt. Doch werde No. III. als das 'in der Conception glücklichste,
No. I. als ehrenvoller Erwähnung würdig genannt. Hierauf wurde der
Name des Siegers, Hrn. Julius Troschel aus Berlin, Schülers des Hrn.
Professor Rauch, proclamirt und ihm von dem Vorsitzenden die Schenkungs-

39

Ü

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Akte eines dreijährigen Reisestipendiunis von jährlich 500 Thalern übei-
reicht. — Der preussische Volksgesang beschloss die Sitzung.

In einem der nunmehr erölFneten hinteren Säle waren die Reliefs aus-
gestellt, das des Siegers mit einem Lorbeerkranze geschmückt. Eine ge-
wandte Technik und eine sichere Handhabung des Materials gaben in
diesem den mehrjährigen Schüler und fleissigen Arbeiter in Rauch's Atelier
zu erkennen; Vorzüge, welche allerdings dem Relief No. III. fehlten. Da-
gegen fanden wir dieses, wie es auch bereits die Erklärung des Senates
angedeutet, als ganz vorzüglich in der Erfindung, in der künstlerischen
Gestaltung und Zusammenfassung des gegebenen Momentes. Vortrefflich
ist in dem Odysseus, welcher in der Mitte steht, der Zorn des Kampfes
und das durch die Bitten des Sohnes und des Sängers hervorgebrachte
Zaudern ausgedrückt. Telemachos, zur Seite, hält mit einer eigenthümlich
naiven Bewegung den bewaffneten Arm des Vaters, der alte Sänger um-
fasst das Knie des Helden. Zürnend blickt dieser auf den Sänger nieder
und ballt die Faust noch über dessen Haupt, als sei er im Begriff gewesen,
dasselbe scharfrichterlich bei den Haaren emporzuziehen. Die Sklavin auf
der andern Seite, die, als eigentlich zur Haupthandlung ungehörig, sehr
schwer mit derselben zu verbinden war, zeigt hier, mit der Angst für das
eigne Leben, zugleich Sorge um das Schicksal des Sängers, indem sie im
Begriff ist, das zurückgewandte Haapt mit dem Schleier zu verhüllen, wie
um das Entsetzliche nicht zu sehen. In allen Bewegungen ist hier "Wahr-
heit, Leben und Originalität; nicht minder in den Motiven des Faltenwurfes.
Als der talentvolle Verfertiger dieser vielversprechenden Arbeit wurde uns
Hr. Reinhardt, Schüler des Hrn. Professor Tieck, genannt. Wir sind
überzeugt, dass der Senat nach weisen Gründen und nach reiflicher Ab-
wägung derselben entschieden hat; unser, von dieser Entscheidung abwei-
chendes Unheil, darf, bewährten Riclitern gegenüber und als nur auf den
ersten Eindruck basirt, kein Gewicht haben.. Auf jeden Fall wird diese
Concurrenz für Hrn. Reinhardt um so mehr ein Sporn sein, durch eifriges
Studium den vollen Besitz auch noch dessen zu erstreben, was der noth-
wendige Boden für eine lebendige und höchste Entfaltung der Kunst ist:
Vollendung und Sicherheit in allen technischen Theilen. — Auch das
Relief No. L, als dessen Verfertiger uns Hr. Gramzow, Schüler des Hrn.
Professor Wichmann, genannt wurde, hat eigenthümliche Schönheiten, na-
mentlich eine Anlage zu einer edlen und grossartigen, um ein Modewort
zu gebrauchen: stylistischen Auffassung des Gegenstandes, welche der
Plastik ihre eigenste Würde verleiht. Möge auch dies schöne Talent
die Schwierigkeiten, die noch zu beseitigen sein werden, glücklich über-
winden !

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Johu Flax.man's Umrisse zu Dautö'Alighieri's göttlicher Komödie, 41

John P'laxman's Umrisse zu Dante Alighieri's götttlicher Ko-
mödie. Erste Lieferung. Hölle. — Carls ruhe, Kunstverlag, "W. Creuz-
bauer. London, A. Schloss & Comp. Paris, J. "Veith.
(Museum 1833 , No. 34.)

Flaxman ist der Meister in der Umrissdarstellung. Seine Compo-
sitionen haben etwas eigenthümlich Gehaltenes und Gemessenes, ich möchte
sagen, etwas Schweigsames, das in keiner andern Weise der Darstellung
zu erreichen sein dürfte. Er weiss den inneren poetischen Gehalt eines
Momentes mit wenig Strichen anzudeuten, indem^ er es der Phantasie des
Beschauers überlässt, diese Andeutungen zum VQllständigen Bilde auszu-
führen. Dass er ihn dazu zwingt, darin beruht eben seine poetische
Kraft, das Geheimniss seines künstlerischen Schaffens; und der Reichthum
seines Genies ist bedeutend genug, um uns bei jedem Blatte von Neuem
zu fesseln.

Bei Gegenständen, die aus der antiken Mythe entnommen sind, liegt
uns eine solche Darstellung bereits näher; die plastische Entwickelung der
Figuren und Gruppen, vornehmlich in den Reliefs, hat hier unsern Sinn
an eine solche Anschauung schon mehr gewöhnt. Es bedarf hier in der
Regel nur der Modellirung, um das im Umriss angedeutete Kunstwerk zu
vollenden. Wenn Flaxman in seinen Umrissen zum Homer und Aeschylus
zuweilen etwas weiter geht und mehr andeutet, als die bloss plastische
Ausführung hinzufügen könnte (so in der Leukothea, Odyssee Bl. 9, im
Neptun, Ilias, Bl. 22, u. a. m.), so scheint uns das eines Theils zwar nur
desshalb so, weil wir den Gelehrten bisher geglaubt haben, dass die antike
Kunst so farblos und grau in grau gewesen sei, wie die heutige; anderen
Theils aber liegt es allerdings auch in einer eigenthümlich phantastischen
Richtung des Zeichners.

Bestimmter spricht sich diese phantastische Richtung in den Blättern
aus, welche er zu Dichtungen der romantischen Zeit, namentlich zu Dante's
göttlicher Komödie geliefert hat. Hier ist minder Gelegenheit zu jener
plastischen Auffassung des Gegenstandes; ja, es würde eine solche mit
demselben zumeist im Widerspruch stehen: aber noch mehr, wie dort, ist
hier diese Darstellung im Umriss zweckgemäss, zumeist nbthwendig. Jenes
göttliche Gedicht, welches sich stets an der Gränze des Sinnlichen und
Uebersinnlichen hinzieht, erlaubt es nicht, seinen Gestalten volle, körper-
liche Consistenz zu geben; es sollen dieselben mehr mit dem inneren, als
mit dem äusseren Auge angesehen werden. Jene dämonischen Gestalten
namentlich, in ihrer mehr willkürlich phantastischen Formenbildung, welche
einen grossen Theil des Hintergrundes ausmachen, jene verzerrten, wild
umhergetriebenen Verdammten gehören hieher; so auch jene beiden
schweigenden Wandrer, Dante und Virgil, mit ihren in langen flörentini-
sehen Falten niederhängenden Mänteln. Es ist wohlgethan, wenn der
Künstler ihr Bild im Beschauer nur weckt, nicht ihm geradezu damit
gegenüber tritt.

Wenu Flaxman mit seinen Umrissen zum Homer bereits vollständig
bei uns eingebürgert ist, so ist dies nicht mit denen zum Dante derselbe
Fall. Grossen Dank sind wir somit dem in der Ueberschrift genannten
Kunstverlag schuldig, welcher auch die letzteren (wie er es bereits mit

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42

Berichte, Kritiken, Erörterungen,

jenen gethan) in einer neuen, geschmackvollen Ausgabe dem Publikum
vorlegt und einem grösseren Theile desselben durch einen sehr wehlfeilen
Preis zugänglich macht. Die erste Lieferung, die Umrisse zur „Hölle" ent-
haltend, ist so eben erschienen, 25 Blätter, mit Text, zu 1 Rthlr. 15 Sgr.
Es sind ebenfalls etwas verkleinerte Copien der Originale, meist sehr
wohlgelungen, sauber auf schönes Papier gedruckt. Jedem Umriss ist ein
zierliches Textblatt beigefügt, welches die bezügliche Stelle des Gedichtes,
sammt deren Uebersetzung in deutscher, englischer und französischer
Sprache enthält. Auch der Titel ist in diesen vier Sprachen abgefasst.

Wir wünschen dem, für viele Kunstfreunde gewiss sehr erfreulichen
Unternehmen eine recht schnelle und»allgemeine Verbreitung, die es in
hohem Grade verdient. Wir hoffen, dass die Verlagshandlung, nach der
Vollendung dieses Werkes, auch die herrlichen Umrisse Flaxman's zum
Aeschylus, vielleicht das Grösste, was dieser geniale Künstler geschaffen,
in ähnlicher Weise folgen lassen wird.

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Anordnung des Vorraths von Kunstwerken, die sich in meinem
Besitze, oder nächstem Bereiche, insonderheit an Öffentlichen Orten der
Stadt und Universität (Greifswalde) finden, um sie in geschichtlicher Folge
vorzuzeigen oder darauf hinzuweisen. — Nebst Vorwort und Beilagen vom
Prof. Schildener. (Bd. II, Heft III. der Greifswalder academischen

Zeitschrift. 1833.)

(Museum 1833, No. 35.)

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Wir haben, in Gesprächen über die bevorstehende weitere Entfaltung
der gegenwärtig neu aufblühenden Kunst, öfters die wenig erfreuliche
Ansicht aussprechen hören, dass die Kunst unsrer Zeit nicht als ein
charakteristisch Nothwendiges, aus innerem Bedürfniss Hervorgegangenes
zu betrachten sei; dass sie mehr nur eine Laune des Zeitgeistes, eine
Treibhauspflanze genannt und nur mit derjenigen Kunst verglichen werden
könne, die zur Zeit der Römerherrschaft, vornehmlich unter der Regierung
des Hadrian, ausgeübt wurde. Möglicher Weise ist eine solche Ansicht
nicht geradezu von der Hand zu weisen, wenn wir unsern Blick nach dem
Süden unsers Vaterlandes richten, wo bisher die grossartigsten Kunstunter-
nehmungen in's Leben getreten sind. Hier ist es nur der einzelne Wille
eines kunstliebenden und kunstsinnigen Monarchen, der eine Reihe der
ausgezeichnetsten Künstler um sich versammelt; auf seinen Wink erhebt
sich, zu München, ein bedeutendes Bauwerk nach dem andern, eins das
andere mit dem reichen Schmuck seiner Fresken übertreffend; auf seinen
Wink glänzt die ehrwürdige Kathedrale von Regensburg in der herrlichsten
Pracht der gemalten Fenster, wie kein andres Gotteshaus von Deutschland;
auf seinen Wink gründen sich, an den Ufern der Donau, die Mauern der
Walhalla, wo die deutsche Geschichte durch deutsche Sculptur verherrlicht
Averden soll. Wir fragen abev, und wissen, für den Augenblick wenigstens,
noch nicht zu antworten, ob ebendort auch im Volk derjenige Sinn ge-

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Anordnung des Vorraths von Kunstwerken in Greifswalde. 43

weckt undyverbreitet ist, welcher die Kunstunternehmungen zu würdigen
und an ihnen sich zu einer höheren Geistes- und Lebensbildung empor-
zuarbeiten vermag; ob die Nachwelt dieselben als wahrhafte, geschichtlich
lebendige Denkmale unsrer Zeit, nicht eines einzelnen Fürsten, wird
gelten lassen? - ' .

Ein andres Resultat, stellt sich uns dar, wenn wir, in dieser Bezie-
hung, norddeutsche Kunstbestrebungen, vornehmlich die Düsseldorfer Maler-
schule betrachten. Ebenfalls wird hier Bedeutendes geleistet, was zwar, in
Bezug auf räumliche Ausdehnung und grossartige Massen, den Arbeiten der
Münchner Maler nachsteht, ihnen aber wohl, was innere Kraft und Be-
deutsamkeit betrifft, die Wage hält, DJes ist ein durchaus freier, unab-
hängiger Künstlerverein, bei dessen Zusammenberufung eben iiicht der
Wille eines Einzelnen thätig'war, dessen bisherige Leistungen lediglich
aus innerem Antriebe hervorgegangen sind. Freilich können wir nicht vor-
hersagen, wozu dieses Zusammenwirken so vieler Talente ersten Ranges
berufen sein wird.

Wenn nun die bisherige, schon so bedeutende Thätigkeit einer also
gebildeten Schule sich nicht füglich anders erklären lässt, als eben auf
dem Grunde eines inneren, im Yolke lebenden Bedürfnisses erwachsen, so
wird die Annahme eines solchen noch durch verschiedene andere Erschei-
nungen bestätigt, die unmittelbar aus dem Volke selbst hervorgegangen
sind, vornehmlich durch jene ringsverbreiteten Kunstvereine. Es ist über
die hohe Bedeutung und Pflicht der letzteren mannigfach in diesen Blättern
die Rede gewesen; wir vermeiden die Wiederholung des schon Gesagten.

Diese Vereine vertreten die Interessen eines grösseren Publikums. Wir
begegnen aber auch nicht selten, und zwar, was uns besonders erfreulich
dünkt, nicht selten in mehr abgelegenen Provinzialstädten, den Stimmen
einzelner Männer, die in ihrem Kreise thätig für die Belebung der Kunst
und des Kunstsinnes wirken, durch welche die bisher mehr centralisirteu
Schätze und Kräfte der Kunst in die verschiedenen Theile der Nation, zu
allgemeiner Erbauung, hinüber geleitet werden und die selbst als Mittel-
punkte und Repräsentanten einer wahrhaften'Kunstbildung zu betrachten
sind. Vor Allen gehören hieher1 die Gründer und Beförderer der eben
genannten Kunstvereine, die fast überall'ein schönes Ziel mit Enthusiasmus
verfolgen und ihre Bemühungen mit immer wachsenden Folgen gekrönt
sehen. Aber auch viele Andre, die eben nicht im Mittelpunkt solcher In-
stitute stehen, wirken für gleiche Zwecke, durch That sowohl wie durch
Lehre. Die Zeiten, in welchen reiche Bürger einzelner Orte es vorzogen,
statt üppiger Ausschmückung des eignen Hauses, der Kirche ein Kunstwerk
zu vermachen, Viele dadurch zu erbauen und sich selbst ein würdigstes
Monument zu setzen, diese Zeiten liegen jetzt nicht mehr nur hinter uns.
So wurde z. B, erst kürzlich dem Maler Hübner von zweien Bürgern von
Meseritz, einer Stadt im Grossherzogthum Posen, die Anfertigung eines
Altargemäldes für eine dortige Kirche aufgetragen. Und wie endlich Wis-
senschaft und Kunst auf ihrem Gipfel ein sich gegenseitig Ergänzendes
sind, so-muss die allgemeinere Verbreitung ein^r wahrhaft wissenschaft-
lichen Kunstbilduug, d. h. die Lehre von den ersten Versuchen, der Ent-
faltung, Völlendung, Verzweigung, dem theilweisen Absterben, dem Neu-
aufblühen der Kunst, und -dies alles mit. geschichtlich-jjhilosophischer
Begründung, ndthwendig, wie alles Studium der Geschichte, auf die Gegen-

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44

Berichte, Kritiken, Erörterungeil.

wart und deren Thätigkeit führen, und lebendiges Interesse für die Kunst-
bestrebungen der Gegenwart erwecken.

Einen Mann, der auf solche Weise für eine allgemeinere Erkenntniss
der Kunst wirkt und dazu wie wenige berufen ist, lehrt uns die in der
Ueberschrift genannte kleine Schrift in dem Professor Schilden er zu
Greifswalde kennen, der als scharfsinniger Geschichtsforscher (vornehmlich
in Bezug auf germanische und nordische Rechtsalterthümer) rühmlichst
bekannt ist'). Die Schrift enthält im Wesentlichen das Verzeichniss einer
Kunstsammlung, welche des Verfassers Eigenthum ist und die er einem
Kreise von Kunstfreunden in einer gewissen Folge vorzuzeigen aufgefordert
ward. Diese Folge gestaltete sich am Passendsten geschichtlich, und so
knüpften sich an das Vorweisen der Kunstwerke kunstgeschichtliche Be-
trachtungen, zu welchen wiederum das Verzeichniss den Faden giebt. In
Bezug auf die Art und AVeise wie eine solche Privatsammlung zu diesem
höheren Standpunkte sich heranbildet, sagt der Verfasser im „Vorwort"
Folgendes:

„Wer sich der Kunst mit einigem Ernste zuwendet und in diesem Sinne
Kunstsachen zu sammeln beginnt, sucht nicht bloss Genuss, sondern auch Unter-
richt. Dieser nun kann ihm nur zu Theil werden nach dem Maase seiner fort-
schreitenden Entwickelung — und die Sammlung, welche auf diesem "Wege zu-
sammengebracht wird, enthält mithin eine Geschichte der persönlichen Ausbildung
des Sammlers. Wie denn aber der einzelne Mensch in dein engen Kreise seiner
Persönlichkeit eine ähnliche Bahn zu durchwandeln hat als die Menschheit in
einem weitern, so wird solche Privalsammlung, je nach der Individualität des
Sammlers, auch mehr oder weniger Stoff für die allgemeine Geschichte der Kunst
darbieten. Gelangt dann der Sammler im Laufe des Lebens auf einen Punkt
freierer Uebcrsicht, von wo aus er einen Blick werfen kann auf den Abstand
seiner individuellen Lebensrichtung von der Aufgabe der Menschheit überhaupt,
und so auch auf die Lücken seiner kleinen Kunstsammlung in Vergleichung mit
den zahllosen Denkmälern der allgemeinen Kunstgeschichte; vermag er dann sich
zu fassen und sein kleines Besitzthum so einzurichten und anzuordnen, dass es
zugleich Veranlassung und Mittel zur Auffassung der Hauptgegenstände und Epo-
chen der allgemeinen Kunstgeschichte darbiete — Ueberflüssiges auszuscheiden,
Bedeutendes hinzuzufügen. Lückenhaftes zu ergänzen — so dürften sich von dem
individuell-lebendigen Grunde einer solchen Privatsammlung aus, recht klare und
befriedigende Blicke in die allgemeine Kunstgeschichte thun lassen/'^

«I j

'»1 i

Das Verzeiclmiss selbst lehrt einen trefflichen, sehr wohl geordneten
Vorrath von Kunstwerken aller Perioden kennen, von denen die dem Ver-
fasser zugehörigen zwar bei weitem den Hauptbestandtheil ausmachen,
worin er aber die allgemein zugänglichen, auf der Königlichen Universitäts-
Bibliothek, so wie in und an öffentlichen Gebäuden befindlichen, als an-
genehme Ergänzungen mit aufführt: Kupferstiche und Lithographieen der
grösseren Zahl nach, doch auch eine, nicht ganz unbeträchtliche Sammlung
von Gemälden, lithographisch kunstgeschichtliche Werke, so wie Hinden-
tungen auf die mittelalterlichen Gebäude von Greifswald und der Umge-
gend, von denen die Greifswalder und die von Stralsund mit zu den
merkwürdigsten in unserer Gegend gehören; u. s. w, .

■Iii

ij

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Anordnung des Vorratlies von Kunstwerken etc. Malerei. 45

Das Publikum des Verfassers besteht, der Hauptzahl nach, aus wissen-
schaftlich entwickelten Männern; die Mittheilungen mussten somit im All-
gemeinen „für die Idee" geschehen. Um einer genaueren Darlegung
und Beschreibung zu entgehen, was er unter diesem Ausdruck verstanden
wissen wolle, hat der Verfasset einige „Beilagen," enthaltend allgemeinere
Ansichten von der Kunst, hinzugefügt: —

„Nicht um Beispiele zu geben, wie schöne bildliche Gegenstände in hohe
Ideen aufzulösen sind — (vielmehr liegt schon In der Natur einer geselligen
Unterhaltung, wo einzelne Kunstgegenstände von verschiedenen Individuen sorg-
fältig betrachtet worden, mehr als zu viel Veranlassung zii detaillirten artistischen,
historischen, technischen Bemerkungen); — sondern um den allgemeinen Sinn
und Geist, worin das Ganze sich bewegen wird, in einigen Umrissen anzudeuten."

Die in diesen Beilagen mitgetheilten drei kleinen Aufsätze halten wir
für so eigenthümlich, so würdig und tüchtig, dass wir es für einen grossen
Gewinnst der Kunstgeschichte ansehen würden, wenn der geehrte Herr Ver-
fasser sich der Bearbeitung grösserer kunstgeschichtlicher Gegenstände
zuwendete; wir beneiden diejenigen, denen an seinen Mittheilungen Theil
zu nehmen vergönnt ist.

,Malerei. — Berlin.
(Museum 1833, No. 35.)

Herr Professor Wach hat so eben das Portrait der Prinzessin Marianne,
Gemahlin des Prinzen Albrecht von Preussen, und mit demselben ein
treffliches Meisterwerk vollendet. Die Eigenthümlichkeiten "Wach's — eine
gewisse Festlichkeit in den Stellungen seiner Figuren, eine sehr wohlge-
ordnete, stylisirte Gewandung, eine anmuthige Sorgfalt in dem Wieder-
geben verschiedenartiger Stoffe und namentlich ein völlig magisches Spiel
in den Farben — sind bekannt; es musste somit die Anfertigung eines
Prachtbildes, wie des genannten, welches die Prinzessin der Stadt Amster-
dam zum Geschenk bestimmt hat, dem Meister eine sehr willkommene
Aufgabe sein. Die Anordnung des Gemäldes ist folgende. Die schlanke,
zarte Gestalt der Prinzessin ruht auf einem Sessel, das sprechende Gesicht
gegen den Beschauer gewandt; sie trägt ein gelb'seidenes Kleid, drüber
eine rothsammtene Robe mit Hermelin, einen Hut von gleichem Stoff mit
Federn und einen reichen, zierlich gefassten Schmuck von Brillanten. Der
Sessel hat schön gezeichnete Lehnen von Goldbronze, der weisse Atlass-
schuh ruht auf einem Sammtkissen von zarter Lilafarbe mit goldenen
Tressen. Zur Linken, vor einer Balustrade, welche die Aussicht ins Freie
öffnet, steht eine Blumenvase; zur Rechten ein Tisch mit dunkler grim-
sammtener Decke und goldenen Troddeln, auf dem die Krone liegt. Da-
hinter steht ein bronzener Candelaber. Den-Grund bildet auf dieser Seite
ein violetter Teppich, auf dem das Preussische und Niederländische Wappen
angebracht ist; auf der linken Seite-die Aussicht durch den Garten, der
sich hinter dem Palais des Prinzen Albrecht befindet, nach dem Kreuz-

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

berge. Wir sind absichtlich bei diesen Angaben ins Detail eingegangen;
denn obgleich die blosse Benennung der Farben noch nicht im Entfernte-
sten das Verhältniss ihrer verschiedenen Tiefe und Wärme, wodurch erst
die wahre Harmonie entsteht, anzugeben vermag, so wird man wenigstens
schon hieraus abnehmen können, wie das Vorherrschen Einer gelben
Masse (des seidenen Kleides), die bekanntlich bei Zusammenstellung ver-
schiedener Farben störend wirkt, hier durch das Yertheilen goldener und
gelber Stoffe unter die verschiedenen umgebenden Theile auf wohlverstan-
dene Weise gebrochen ist. In der Malerei der Fleischpartieen schienen
uns besonders die schönen Hände trefflich gerathen. Das Ganze macht
einen edlen und grossartigen Eindruck; es wird den schönsten Schmuck
eines Festsaales bilden.

Drei Schreiben aus Rom gegen Kunstschreiberei in Deutsch-
land. Erlassen und unterzeichnet von Franz Catel; Jos. Koch;
Friedr. Riepenhausen; von Rohden; Alb. Thorwaldsen; Ph.
Veit; Joh. Chr. Reinhart; Friedr. Rud. Meyer. Mit einem litho-
graphirten Blatte, nach einer Zeichnung von J. C. Reinhart. Dessau, 1833.

(Museum 1833, No. 37.)

n

Die vorliegende, 67 Seiten starke Brochüre, welche uns zur Ansicht
und Besprechung zugesandt worden, hatten wir anfänglich, nachdem wir
sie als etwas durchaus Unwürdiges und Schlechtes erkannt, dem Verleger
zurückgeschickt. Wir hörten aber später, dass sie gleichwohl gelesen
werde und namentlich bei Künstlern von Hand zu Hand gehe. Somit
halten wir es, trotz unsrer herzlichen Abneigung, nunmehr für unsre
Pflicht, dem Unbefangenen wenigstens die böse Tendenz dieser Schrift,
den Missbrauch mit edlen Namen, deren im Titel genannt werden, zu
enthüllen.

Das erste der mitgetheilten Schreiben ist aus der Beilage zur Allge-
meinen Zeitung von 1826, No. 119—121, abgedruckt. Es ist überschrie-
ben: Betrachtungen und Meinungen über die in Deutschland
herrschende Kunstschreiberei. Von Künstlern in Rom; und
unterzeichnet von Catel; Jos. Koch; J. C. Reinhart; Friedr. und
Joh. Riepenh^iusen; von Rohden; Alb. Thorwaldsen: Ph. Veit.
Es hat die Absicht, das wesentliche, entscheidende Urtheil über Kunst-
gegenstände nur für den Künstler in Anspruch zu nehmen. Wir sind nicht
gestimmt, den alten Streit zwischen Künstler und Kritiker, oder richtiger:
zwischen Künstler und Publikum (denn was ist der sogenannte Kritiker
anders als eine Stimme des letzteren?) hier wieder aufzunehmen und das
Falsche jenes Anspruches darzulegen; um so weniger als ein werther Mit-
arbeiter kürzlich (Herr Dr. Schöll in No. 33, S. 261 des Museums) die
gegenseitige Stellung beider bereits aufs Einfachste und Klarste ausgespro-
chen hat. Will der Künstler nur vom Künstler beurtheilt sein, so ist das,
als wenn der Prediger nur für seine Amtsbrüder predigen wollte, oder als

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Drei Schreiben aus Rom gegen Kunstschreiberei in Deutschland. 47

wenn gemeine Schuster behaupten, dass nicht die Empfindung dessen, wel-
chen der Stiefel drückt, sondern nur ein Schuster über die Arbeit ent-
scheiden könne. Uebrigeiis ist jenes gesammte erste Schreiben, obgleich
erst sieben Jahre alt, bereits veraltet. Der neue, jugendliche Aufschwung
der Kunst in unserm Norden, den freilich die in Rom, io den letzten
Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts Zurückgebliebenen nicht kennen
oder nicht kennen wollen, hat andre Ansichten geweckt; und die vielen
Stimmen, die hier und dort über die Gegenstände der Kunst laut werden,
sind, wie viel Verkehrtes auch mit unterlaufe, immer ein erfreuliches
Zeichen allgemeinerer Theilnahme. Stellen jenes Schreibens, wie: ,.die
Kunst hat sich aus dem öffentlichen in das Privat-Leben zurückgezogen",
oder: „eine Zeit, wo die Kunst mehr einer exotischen Pflanze in einem
künstlichen Gewächshause, als einem üppigen, im freien Felde treibenden
Baum zu vergleichen ist^ u. a. m., sind falsch geworden, und somit fällt
das Fundament jenes Scfireibens, in Bezug auf die Gegenwart, schon von
selbst zusammen. — Es ist nur zu bedauern, dass Künstler, die zu den
Ersten und am Höchsten Stehenden gehören, ihren Namen zur Unterzeich-
nung von Dingen hergegeben, die sie nicht durchgelesen haben.

Das zweite Schreiben lautet: Sendschreiben an Dr. Schorn in
München von Joh. Chr. Reinhart in Rom. Unterzeichnet: Rom,
den 26. Juni 1830. Herr Schorn hat im Kunstblatt 1829, No. 96, ein
Bild von Herrn Reinhart beurtheilt, dasselbe im Ganzen gelobt. Einzelnes
getadelt; Hr. Reinhart hat sich dadurch verletzt gefühlt und eine, 26 Seiten
lange Antikritik geschrieben, die von den empörendsten, pöbelhaftesten
Gemeinheiten wimmelt. Eine beigefügte .(die auf dem Titel erwähnte)
Karikatur auf Hrn. Schorn ist so fad erfunden und so schlecht gezeichnet,
dass ein Freund, dem wir das Büchlein mitgetheilt und der die tüchtigen
Radirungen Reinhart's von landschaftlichen und Thier-Gegenständen nicht
kannte, meinte, nur ein solcher Pfuscher könne sich zu so gemeinen Aus-
fällen erniedrigen. Hr. Schorn ist übrigens als unbefangener Forscher und
als Mann von Gesinnung zu allgemein anerkannt, als dass es nöthig wäre,
hier nur Ein Wort zu seiner etwanigen Vertlieidigung auszusprechen. Wir
machen hiebei nur die gelegentliche Bemerkung, dass die allerdings anzu-
erkennende technische Kunstbildung, welche wir in Hrn. Reinhart's Ar-
beiten finden, noch gar verschieden ist von der inneren und wahren Bil-
dung, von derjenigen Würde des Charakters, welche des grossen und
eigentlichen Künstlers Eigenthum ist.

Das dritte Schreiben: Sendschreiben an einen Kunst-Kritiker
in Dresden von Friedr.'Rud. Meyer in Rom (Rom, den 11. De-
cember 1830) ist Ballast; es dient nur, dem Ganzen eine reichere Farbe
zu geben, und soll dasselbe scheinbar nach noch verschiedenen Seiten
hinüberspielen lassen. ^ . "

Denn den eigentlichen Mittelpunkt der ganzen Brochüre bildet das Rein-
hart'sche Sendschreiben; das erste ist demselben, wie es in der Anmerkung
zu S. 46 ausdrücklich heisst, nur vorgedruckt. Auf solche Weise ist der
Schein gewonnen, als ob wesentlich für eine-allgemeine'Sache gefochten
würde, während es nur auf eine schlechte Privätrache abgesehen ist; als
ob die auf dem Titel zusammengestellten,, zum Theil sehr ehrenwerthen
Namen Alle für Einen ständen. Alle gleichmässig Theil an jenen gegen
Schorn gerichteten Invectiven hätten (denn man liest den Titel und die
dort zusammengeschriebenen Namen, blättert ins Buch hinein und hält sich

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48 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

etwa bei den einzelnen Persönlichkeiten auf, ohne eben die gesonderten
Theile des Buches zu unterscheiden), während hinter dieser Schaar Ein Fei-
ger sich verbirgt, vielleicht nicht der Verfasser des zweiten Schreibens. —
Die Brochüre, zum Theil bereits im Jahre 1830, zum Theil beträcht-
lich früher abgefasst, erscheint, unbegreiflicher Weise, erst jetzt; begreif-
licher "Weise vielleicht, wenn man bedenkt, dass Hr. Schorn erst kürzlich
zu einer höhern Wirksamkeit nach Weimar berufen wurde, dass diese
Schmähschrift vielleicht die Absicht hat, ihm dort einen üblen Willkomm
zu bereiten. Seltsam! und in verschiedenen Anmerkungen nennt sich ein
besondrer anonymer „Herausgeber", der sogar, in der Anmerkung zu
S, 40, ganz ausser dem Zusammenhange, auf das Berliner Kunstwesen
zu sprechen kommt und aus der Brochüre: „Des Herrn Direktors Dr.
Waagen Bildertaufe und Aufstellung der Gemälde im Königl.
Museum in Berlin" — eine grosse Stelle mittheilt.

Wir überlassen dem Leser die weiteren Vermuthungen und Schlussfolgen.

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s

Lith0 gr a[) h ie.
(Museum 1833, No. 40.)

Von Hildebrand's Mährchenerzählerin, welche jüngst, sammt
einer beträchtlichen Anzahl Lithographieen nach diesem Bilde, im Kunst-
Verein für die Rheinlande und Westplialen verloost worden ist, liegt so
eben eine der Lithographieen vor uns; die Zeichnung auf Stein ist von
J. Becker, Druck und Verlag der lithographischen Anstalt von F. C. Vogel
in Frankfurt a. M. Wir hoffen, dass dieses treffliche und anmuthige Blatt
bald im Handel und in den Händen des grösseren Publikums sein wird.
Hildebrand befolgt, seit er von dem tragischen Kothurn herabgestiegen,
eine so eigenthümliche Richtung und diese mit solchem Glück, dass keiner
der früheren Meister mit ihm, was eben den Inhalt seiner Darstellungen
betrifft, verglichen werden könnte. Wollte man seine Bilder mit dem
schlechten Wort „Genre" bezeichnen, so ist mindestens ein neues, und
zwar das wesentlichste Element darin, welches den frühern Genrebildern
fehlt; die deutche Innigkeit und Gemüthlichkeit, die gleich weit entfernt
ist von modischer Sentimentalität, wie von
holländischeT Beschränktheit,
von englischer Phantasterei oder französischer Coquetterie. Hildebrand's
gesunde, meisterliche Technik, vornehmlich im
Colorit, ist bekannt. Ueber-
aus anziehend ist die Composition des vorliegenden Blattes: Das Zimmer
der Grossmutter, auf altvaterische Weise geschmückt; zur Seite ein Kamin
im bizarren Style des siebzehnten Jahrhunderts, auf dessen Gesims Krüge,
Haschen, eine Lampe, welche das Zimmer erhellt. Daneben, auf einem
Stuhl mit seltsam geschnitzter Lehne, die Alte, die eben zu einem ent-
scheidenden Moment ihrer Erzählung gekommen ist; man sieht es ihren
Geberden, ihrer Gestikulation an, wie jetzt etwa der Oger immer näher
und näher an den Versteck des kleinen Däumlings kommt und sein: „Ich
wittre Menschenfleisch" immer bedenklicher brummt. Der Knabe, der zu
ihrer einen Seite auf einem Stühlchen sitzt und auf dessen Rücken das

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Lithographie. Apoll unter den Hirten. 49

verglimmende Kohlenfeuer des Kamios einen eignen Reflex wirft, hört
aufs Gespannteste zu. Auf der andern Seite kniet ein Mädchen und lehnt
sich auf den Schooss der Grossmutter; sie sieht sich ängstlich um, die
schwarzen Locken fallen zu beiden Seiten des Köpfchens dick herab; es
ist ein anmuthiges, bedeutendes Gesicht — Lithographie und Druck sind
im Ganzen recht gut; hier und da fehlt es, vornehmlich in den tieferen
Schatten, an der nÖthigen Klarheit und Bestimmtheit.

Apoll unter den Hirten. Nach dem Gemälde von Schick gezeichnet
und lithographirt von C. C. Schmidt. Stuttgart. Verlag der G, Ebner'schen

Kunsthandlung.

HlWWWiPi

(Museum 1833, No. 41.)

Das genannte Gemälde von Schick, welches sich gleich nach seiner
Vollendung, im Jahre 1808, des ausserordentlichsten Beifalls erfreute, ist
einer ^r interessantesten Punkte in dem Entwickelungsgange der neusten
Kunst. Carstens und Schick, mit ihrem der Antike zugewandten Sinne,
sind es vornehmlich, in deren Werken sich das Bestreben nach einer reinen,
idealen Auffassung der Natur ausspricht; in verwandter Richtung, aber
als Vollendung derselben, zeigt sich in diesen Tagen Schinkel in seinen
bewunderungswürdigen Entwürfen zu den Wandgemälden, welche die Vor-
halle des Museums von Berlin zu schmücken bestimmt sind'.* — Der vor-
liegende Steindruck ist treu und fleissig gearbeitet, das Ganze der reichen
Composition gut in Ton und Haltung; wir wissen es dem Lithographen
Dank, dass er dies schöne Kunstwerk dem grösseren Publikum' auf eine
würdige Weise zugänglich gemacht und die Richtigkeit jener früheren
günstigen Urtheile bestätigt hat. Auf der einen Seite des Bildes^ unter
einem Oelbaum, auf die Lyra sich stützend, sitzt der jugendliche Gott;
er spricht in melodischer Rede zu den um ihn Versammelten. Dies sind
Hirten verschiedenen Alters und Geschlechtes, in reizenden Gruppen vor
ihm uud zu seinen Seiten gelagert; zu seinen Füssen eine, ihn in Begei-
sterung anschauende Jungfrau. Ueberall ist hier Naivetät und Adel, so-
wie lieblichste Harmonie, in den Bewegungen ausgedrückt. Im Hintergrund
sind einige Baulichkeiten, ein opfernder Hirt, eine weitgedehnte Land-
schaft; zur Rechten, im Gebüsch sich verbergend und daraus hervorlau-
sehend, verschiedene Satyrn, welche der Zauber des Liedes.mit herbeige-
lockt hat. Das Bild übt durch das eigenthümlich Melodische, welches den
verschiedenen Gestalten innewohnt und dem Auge des Beschauers wohl-
thut, eine fortdauernde, nicht zu häufige Anziehungskraft aus.

Es wäre wohl zu wünschen, dass noch mehrere Werke dieser interes-
santen Kunstperiode, namentlich Carstens'sche Gemälde oder Zeichnungen,
deren u. A. Berlin mehrere besitzt, auf ähnliche Weise herausgegeben
würden. Der Gypsabguss der von Carstens modellirten, seit einiger Zeit
im Handel befindlichen (sogenannten) Parze ist bereits vielen Künstlern
und Kunstfreunden ein werthes Eigenthum.

Kusler, Kleine Siliriflni. III.

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Bericbte, Kritiken, Erörterungen.

50

m

mm

Heilige Familie. Veni de Libano, Sponsa mea. Caiit., Cantic.
IV, 8. — Gemalt von C. Zimmermann. Nach dem Originalgemälde auf
Stein gezeichnet von H. Kohl er. Gedruckt in der Cotta'schen lithogr.
Anstalt in München von Thomas Kammerer.

(Museum 1833, No. 43.)

Ii'

'S

Das vorliegende Blatt ist ein neuer Beweis von der Trefflichkeit des
Münchner Steindrucks, welcher, wie es scheint, durch die Strixner'schen
Lithographieen seine eigenthümliche Richtung erhalten hat. Wir möchten
diese Richtung die deutsche nennen, indem sie, mit Verschraähung eines
französisch glänzenden Efl'ektes, sich mit einfach unbefangener Wiedergabe
von Licht und Schatten begnügt; wir glauben, dass es sich für uns sehr
ziemt, eben in dieser Richtung nach grösserer Vollendung zu streben, statt
fremde Manieren nachzuahmen. Wie vollkommen diese Richtung sich mit
Weichheit, mit Klarheit und Kraft verträgt, zeigt auch das vorliegende
Blatt, und um so mehr, als in den tieferen Schatten, namentlich der Um-
gebungen, sogar jene Feinheit vermisst wird, welche sonst eine grössere
Klarheit begünstigt. — Was die Composition anbetrifft, so hat sie^r uns
zunächst das Interesse, der Münchner Schule anzugehören, welche sVselten
historische Gemälde nach Norddeutschland entsendet; der Typus einer
gewissen Würde in den Gestalten, cigenthümlich grossartige Linien des
Faltenwurfes sind das zunächst und gemeinsam Ansprechende dieser Schule.
— Neben ihrem weinumrankten Hause, vor einer Brüstung, über welche
man in die Landschaft hinaussieht, sitzen Maria und Joseph; sie hält den
Christknaben auf dem Schoosse; vor ihr kniet die heilige Katharina, wel-
cher sich der Knabe verlobt. Die heilige Jungfrau ist eine hohe, edle
Gestalt: bei den Andern aber ist mancherlei Unpassendes und Unschick-
liches zu rügen. Der Knabe, nur mit einem schlichten Schurz bekleidet,
ist bereits mindestens vier Jahre alt und sehr gross und stark, und doch
sitzt er in aller Bequemlichkeit der Mutter auf dem Schoosse und hat sich
sogar noch ein Sammtldssen untergelegt; die heilige Katharina ist ein
Mädchen von dreizehn Jahren, und doch hatte sie die Vision dieser Ver-
lobung, als sie bereits eine erwachsene Jungfrau war. Es war, wie es
scheint, die Absicht des Malers, die Verlobung, die zwischen einer Jung-
frau und einem Kinde befremdlich scheinen durfte, mtiglichst wahrschein-
lich zu machen;- uns will indess eine solche Willkür nicht ganz erlaubt
bedünken. Der heilige Joseph end^lich, der etwas nüchtern und pietistisch
zur Seite sitzt, ist als ein Mann von ungefähr achtunddrcissig Jahren dar-
gestellt; nach der Legende aber befand er sich bereits im hohen Greisen-
alter, als er die Jungfrau heirathen musste; nothwendig also ist er als ein
würdiger, liebreicher Greis darzustellen: anders rechtfertigt er alle Spöt-
tereien, die ihm seit Giotto in reichem Maasse zu Theil wurden. Es ist
zu wünschen, dass Künstler, welche heilige Begebenheiten darstellen wol-
len, ein wenig in den Legenden des christlichen Alterthums erfahren sein
mögen.

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51

Leiiore.

I. e 0 n 0 r e. Das Original ist vom Kunstverein für die Rheinlaude und
Westphalen am 21. Mai 1831 verloost. Gemalt von _C. F. Lessing. Lith.
von Fr. Jentzen. Gedruckt im Lith. Institut von L. Sachse & Comp.,

Berlin durch Berndt, 1833,
(Musfium 1833, No. 44.)

Wir beeilen uns, dem Publikum die Vollendung einer Lithographie
anzuzeigen, durch welche Berlin aus einem eben so beschämenden wie
drückeniien Abhängigkeits-Verhältnisse zu Paris und München befreit wird
und endlich in einer Kunst, die wie keine andere zur möglichst allge-
meinen Verbreitung der einzelnen Werke dient, mit genügender Selbstän-
digkeit auftritt. Bereits durch die ersten Hefte der von Meyerheim und
Strack aufgenommenen, von Meyerheim lithographirten „Architektonischen
Denkmäler der Altmark" hatten die Herausgeber, die Herren L. Sachse
& Comp., gezeigt, wie entschiedener Wille und kräftiger Widerstand gegen
den alten, leider nur zu lange herrschend gebliebenen Schlendrian zuletzt
doch Untadliches hervorbringen müssen; indem Zeichnungen und Druck
gleich meisterlich ausfielen, wurden Blätter geliefert, welche alles ähnliche
bisher in Deutschland Versuchte übertrafen, auch sich den französischen
Arbeiten der Art wenigstens an die Seite stellen konnten. Doch haben
diese Blätter noch eine verhältnissmässig kleinere Dimension; und die
Fertigung lithographischer Copien nach grossen Gemälden hat wiederum
andern Anforderungen zu begegnen.

Die in der Ueberschrift genannte Lithographie misst 21V2 Zoll in der
Breite, I8V2 in der Höhe; der dargestellte Gegenstand erlaubt den Be-
schauern, die das Original gesehen, — wer es aber gesehen, dem haben
sich dessen Gestalten unauslöschlich eingeprägt, — eine erwünschte Ver-
gleichung mit letzterem. Was die Arbeit des Lithographen anbetriff't, so
ist derselbe mit unverkennbarer Liebe in den Geist des Lessing'schen Ge-
mäldes eingegangen, und wie er mit seiner anerkannt gediegenen Technik
alle Details wiederzugeben gewusst hat, so insbesondere das erschütternd
Leidenschaftliche, das den poetischen Gesammt-Inhalt des Originals aus-
macht. Mit grosser Reinheit und einer bestimmten und sichern Hand-
habung des Stiftes hat er dem Drucker aufs Angenehmste vorgearbeitet;
inul dieser hat nicht minder das Seinige gethan, um nirgend kalt auf den
Kalkstein aufgetragene Schwärze, sondern überall eine warme, lebendige
Farbe hervorzubringen und das Ganze in gleichmässigster Haltung wieder-
zugeben. Leider ist diese Lithographie ausschliesslich für die Mitglieder
des genannten Kunstvereines bestimmt; doch hat, wie wir hören, Herr
Jentzen es bereits übernommen, da ein Stein auch für die Anzahl der
l^Iitglieder nicht hinlänglich gute Abdrücke liefern würde, das Blatt<für
denselben Verein alsbald noch einmal zu lithographiren, und so dürfen
wir hoffen, dass gute Abdrücke auch noch in das grössere Publikum kom-
men werden.

Dem lithographischen Institute von L. Sachse & Comp, möge die ge-
bührende Anerkennung für das Verdienst zu Theil werden, durch den
Verein so trefflicher Kräfte in Berlin zuerst ein so vollendetes Kunstwerk
hergestellt zu haben, — wie es sich freilich für die Hauptstadt des preus-
J^ischen Staates nur geziemt. ' . . »

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52 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Bilder zu englischen Dichtern.

(Museum 1833, No. 47.)

Wir haben die Absicht, -wie wir es schon in früheren Blättern des
Museums gethan, dem geneigten Leser wiederum von einigen neuen Kup-
ferwerken der fleissigen Engländer Nachricht zu geben. Die vorliegenden
verschiedenen Bilderwerke zu englischen Dichtern mögen uns zugleich ver-
schiedene Richtungen der englischen Kunst vergegenwärtigen.

Illustrations to Shakspeare; from the plates in BoydelFs Edition.

London: publlshed by A. J. Valpy, M. A. 1832, 1833.

Das "Werk, welches verkleinerte Umrisse, der im Jahre 1805 von
Boydell herausgegebenen Shakspeare-Gallerie enthält, erscheint in Liefe-
rungen von etwa 14 Blättern in klein Octav. Acht Lieferungen liegen uns
bereits vor; sie bieten aber wenig Erfreuliches. "Wir bedauern, dass uns
das grosse Prachtwerk nicht zur Hand ist und wir uns, nm eine Verglei-
chung zwischen beiden anzustellen, an der Erinnerung genügen lassen
müssen. Wenn wir indess auch einen grossen Theil der Mängel in den
vorliegenden Blättern auf die Rechnung der, übrigens recht sauber (von
Starling) gestochenen Nachbildungen schreiben wollen, so bleibt doch immer
des ursprünglich Verfehlten, Nüchternen und Matten so viel, dass unsre
nicht zu hohe Meinung von der historischen Schule der Engländer, wie
dieselbe gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts begründet wurde, hie-
durch nicht eben erhöht werden dürfte. Und sollten wir aus diesem neuen
Unternehmen, welches natürlich ohne den Beifall des Publikums nicht
fortgesetzt sein würde, einen Schluss auf den Sinn der Engländer für
historische Malerei in der gegenwärtigen Zeit machen, so würde derselbe
ebenfalls nicht allzu günstig ausfallen. Doch, — wir wollen in Demuth
zugleich an unsre Kupfer in den Taschenausgaben unsres Schiller, Göthe
u. s. w. denken; wir wollen uns vorstellen, wie vielleicht in diesem Au-
genblick ein Kritiker in einem Nachbarlande diese wenig schmückenden
Schmuckbilder auf gleiche Weise betrachtet, wie wir jene erneute Shak-
speare-Gallerie; — wir wollen vor der Hand mit den Nachbarn lieber in
Frieden bleiben.

Ein Etwas aber ist in diesem neuen Unternehmen, das wir nicht un-
berücksichtigt lassen dürfen; ich möchte es die nationale Gesinnung
nennen, die dasselbe noch ebenso trägt, wie vorher das grosse Original-
Werk aus ihr hervorgegangen war; es ist die Anhänglichkeit au den
Verein jener ersten Meister, welcher der englischen Nation vor dreissig
Jahren, da freilich die Kunst erst wieder aus alten Fesseln sich zu lösen
begann, einen bedeutenden Platz unter den kunstübenden Völkern schuf;
dessen Lehren und Beispiele für die Engländer im Wesentlichen noch
immer Gültigkeit haben. Dies Zusammenziehen der künstlerischen Kräfte
eines Volkes auf nationale Zwecke ist aber im höchsten Grade wichtig für
beide, Volk und Kunst: so wird das Volk empfänglicher für das Evange-
lium der Kunst, so die Kunst selbst ihrer hohen ethischen Zwecke sich

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Bilder zu englischen Dichtern.

53

bewusst. Jenes grossartige Unternehmen von Boydell gedieh leider nicht
zu einer grösseren Vollendung und fand auch keine Nachfolge; es
konnte somit keine weiteren Früchte tragen, — Aehnliche Bestrebungen,
nur in viel grösserem Maassstabe, sind heutiges Tages die, welche in
Deutschland durch den König von Baiern ins Leben gerufen werden; dies
ist der Punkt, in welchem dieselben, wenn wir auch in manchen Bezie-
hungen nicht mit ihnen einverstanden sind, unsere grösste Hochachtung
und lebendigste Theilnahme in Anspruch nehmen. —

Wie die eben genannten Illustrations io Shahspeare allerdings als kein
Beweis für eine sonderliche Blüthe der historischen Malerei bei den Eng-
ländern angesehen werden dürfen, so giebt es doch andre Richtungen,
welche sie gelegentlich mit Glück ausgebildet haben. Ich möchte hier
vornehmlich zwei Richtungen, eine humoristische und eine phantas-
tische, unterscheiden: beide verdanken bei ihnen einer besonderen Schärfe
des Gemüthes ihre Entstehung, beide spielen mit den Erscheinungen des
Lebens; beide aber arten leicht aus, so dass das humoristische Bild in
widerwärtige Karikatur, das phantastische in ein wirr barockes übergeht.
F'ür beide liegen uns, unter den Darstellungen nach englischen Dichtern,
Beispiele vor. Zuerst nenne ich ein seltsames Werk:

New readings of old authors. London; E. Wilson & C. Tilt.

Dieses „Neue Lesen alter Autoren" ist dahin zu verstehen, dass be-
kannte Phrasen beliebter Dichter (hier des Shakspeare und Byron) aus
ihrem Zusammenhange genommen und einem willkürlich dazu erfundenen
Bilde als Unterschrift beigefügt sind; natürlich werden die so erfundenen
Bilder die ausgelassensten Parodieen der angeführten Phrasen. So sehen
wir statt der ersten Scene des Macbeth, wo die drei Hexen ihr „Wann
kommen wir drei wieder zusammen?" heulen, drei gute, geputzte Damen
sehr wohlbehäbig um eine Puuschbowle sitzen; so werden die drohenden
Worte, welche im „Sturm" Prospero zum Kaliban spricht, „Dafür sollst
du zur Nachtzeit Krämpfe haben," auf ein armes altes Frauenzimmer an-
gewandt, welches durch den entsetzlichsten Regen mit zerrissenem Schirm
nach Hause schleich't; so hat im „Julius Caesar" die Uhr drei geschlagen,
indem sie vom Thurm herunterstürzend, drei Vorüberwandelnde mit nie-
derschlägt u. s. w; u. s. w. Das Werk erscheint in Heften in klein 8, das
Heft, welches jedesmal ein besondres Gedicht umfasst, mit 10 leicht litho-
graphirten Blättern. Wir vermissten an diesen Blättern aber die eigentliche
unbefangne Lustigkeit und fanden in ihnen mehr ein Vergnügen an ver-
zerrten Gestalten; öhnehin sind sie für uns zum Theil, als lokalen Bezie-
hungen angehörend, unverständlich.

TheParadise lost ofMilton with illustrations by John Martin.

London: Charles Tilt. 1833.

Dies neue, gleich den beiden vorigen ebenfalls noch unvollendete
Werk, vertritt in seinen Kupfern die phantastische Richtung der Engländer
auf entschiedene Weise. Es ist eine neue Prachtausgabe des verlornen
Paradieses von Milton und erscheint in Heften in 4, deren jedes mit
2 Kupfern versehen ist; 12 Hefte, die sich monatlich folgen sollen, werden
das Ganze vollenden. Die Kupfer, meist landschaftliche Gegenstände, sind.

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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wie der Titel besagt, von John Martin gezeichnet und in Kupfer geschabt.
Die Darstellungsweise Martin's ist aus seinen grösseren Blättern, der Sünd-
fluth, dem Zuge der Juden durch das rothe Meer, dem Feste des Belsazar,
u. s. w. bekannt und hat ebenso ihre Gegner, wie ihre Verehrer; sie wie-
derholt sich in den vorliegenden Bildern. Charakteristisch ist überall ein
Streben nach möglichst brillantem Effekt, nach einem gewissen scenischen
Pomp, dessen sich die neuste Opernbühne bedient. Zuweilen zwar artet
dieser Effekt auf eine wunderliche Weise aus, wie z. B. gleich auf dem
ersten Bilde, welches die Schöpfung der Welt und den über den Wassern
schwebenden Geist Gottes darstellt: die Sonne, mit drei Strahlen zwischen
scharfbeleuchteten Wolkenprofilen hervorbrechend, zwei Blitze, der halbe
Mond und zwei Sterne, ein wenig Licht am Horizont, drei helle Streifen
auf dem Wasser als Spiegelung der drei Strahlen, und räthselhafte Andeu-
tungen einer riesigen schwebenden Gestalt, dies, aus einem schwarzen
Grunde hervorgeschabt, sind die Elemente, aus denen das Bild zusammen-
gesetzt ist. Aehnlich sind noch andre Compositionen, besonders wo Höl-
lenscenen dargestellt werden. Diejenigen hingegen, welche eigentliche
Landschaften enthalten, trifft dieser Vorwurf nicht; sie haben zumeist etwas
ungemein Grossartiges in der Composition und wirken durch die entweder
mehr massenhafte oder mehr vereinzelt energische Anwendung des Lichtes
auf eine eigentliümliche, ich möchte sagen; berauschende Weise. Es sind
Landschaften, wie sie zuweilen im Traum an unserm inneren Sinne vor-
überziehen.

lllustrations to the poetical works of Sir Walter Scott, Bart.

London: Charles Tilt.

.Von diesen Bildern zu Walter Scott's Dichtungen liegt uns das erste
Heft, mit 5 Kupfern verschiedenen Inhalts, vor. Es repräsentirt noch eine
eigenthümliche Richtung, die sich in der englischen Kunst ebenfalls
als eine selbständige geltend macht; nämlich die, wo es mehr auf eine
elegante, einschmeichelnde Technik, als auf eigentliche Poesie des Inhalts
abgesehen ist; doch müssen wir den beiden ersten der drei, nach der Natur
gezeichneten Landschaften eine grosse Anmuth in der Auffassung zuer-
kennen. Das vierte Bild dagegen, ein Mädchenkopf,,ist fast nichts als ein
in Punktir-Manier sehr kunstreich ausgeführtes Helldunkel; das fünfte ist
ein blosses Waffen- und Wappenbild.

Diorama und Panoramen. — Berlin.
(Museum 1833, No. 48.)

Im Diorama von Carl Qropius ist seit kurzer Zeit ein neues Bild
aufgestellt: eine Ansicht des grossen Tempels von Apollinopolis
magna, dem heutigen Edfu, in Aegypten. Es ist nach einem Kupferstich
in dem kaiserlichen Prachtwerke der
Description de l'Egypte gearbeitet

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55

Diorama und Panorama.

und entliält eine Aussicht aus den versandeten Riesensäulen des Hypostyls
auf den weiten Vorhof mit seinen Säulengängen und den Thurmbau der
Pylonen. Dies ist einer von den Gegenständen, für welche das Diorama
recht eigentlich geschaffen scheint: keiner andern Darstellüngsweise kann es
gelingen, diesen unmittelbaren Eindruck der architektonischen Masse auf
den Beschauer hervorzubringen; wir ftlhlen uns körperlich versetzt an den
fremden Ort, während bei Betrachtung eines gewöhnlichen Architektur-
bildes die Thätigkeit unsrer eignen Phantasie nur zu sehr mit in Anspruch
genommen wird. Das Bild ist trefflich im Effekt und gut in der Farbe,
nur dünkte es uns, als ob wir immer noch Luft vermissten. — Wenn uns
hier das Riesenwerk einer räthselhaften Vorzeit vorgeführt wird, wie es
jetzt dem Reisenden genübersteht, wenn wir die furchtbare Macht des San-
des der Wüste, der die Säulen bis an das Kapital vergraben hat, sehen und
nebon jenen ungeheuren Architekturstücken' die schlechten, verfalleneu
Hütten ärmlicher Beduinen, und wenn das Alles einen malerischen Effekt
allerdings begünstigt; so wäre es auf der andern Seite doch ebenfalls
nicht ohne Interesse, das Diorama versuchte es einmal, mit den mannig-
fachen Mitteln der Illusion, die ihm zu Gebote stehen, uns in die Vor-
zeit selbst zurückzuführen, — wir meinen, eine Restauration denkwür-
diger Orte in ihrer alten Herrlichkeit zu geben. Die Akropolis von Athen
z. B. würde ein trefflicher Gegenstand für solche Darstellung sein: die
Propyläen mit ihren Vorbauten, die Mauern übej dem Felsenhaög, der
hohe Tempel des Parthenon, die riesige Statue der Athena Promachos,
u. -s. w. — welche ergreifenden Bilder sind dies, und wie maleriscli
baut das Ganze sich empor!—- Die gothische Kirche nach Schinkel, von
den Strahlen der aufgehenden Sonne umleuchtet, die vor längerer Zeit im
Diorama aufgestellt war, ist ein ähnlicher und,sehr glücklicher Versuch,
uns in vergangne Zeiten zurückzuversetzen, der aber nur aus der Phan-
tasie des Künstlers, ohne bestimmte geschichtliche Beziehung, hervorge-
gangen war. /

Die jüngst "aufgestellten, mit Fleiss und Umsicht gearbeiteten Pano-
ramen von Sacchetti enthalten ebenfalls mannigfach Sehenswerthes,
z. B. einen trefflichen Ueberblick der Gegend von Silistria und eine Durcli-
sicht durch Pompeji, in deren stillen Strassen man immer auf's Neue gern
verweilt. In einigen andern Bildern sind .Lichteffekte von grosser Wirkung
angewandt, so in demjenigen, welches einen Niederblick in den Krater
des Vesuv darstellt; man sieht die glühende Lava drinnen brodeln, die
eben den Rand des Kessels übertreten will und glühende Steine wie Leucht-
kugeln in den weissen Rauch emporwirft.

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Umrisse zu Scliiller's Pegasus im Joche nebst Andeutungen
von Moritz Retzsch. Stuttgart und Tübingen, Verlag der Cotta'schen

Buchhandlung, 1833.

56

(Museum 1833, No. 48.)

ff

Ein Heft von zwölf Blättern in langem Quartformat, auf ähnliche Weise
eingerichtet, wie die jüngst erschienenen Umrisse zur Glocke, über die wir
in No. 29 des Museums berichtet haben. Dies neue Heft trifft derselbe
Tadel, den wir dort auszusprechen uns genöthigt sahen: auch hier fehld
jene eigenthümlich stylisirencle Auffassung, wodurch die Umrissdarstellung
sich als selbständige Kunstweise geltend macht; auch hier ist mannigfach
Manierirtes in der Zeichnung der Figuren (besonders des Flügelrosses);
auch hier endlich das unbequeme und ganz unpassende (Theater-)
Kostüm des sechzehnten Jahrhunderts, das Retzsch überhaupt besonders
zu lieben scheint. Im Ganzen erkennen wir zwar den gewandten und
vielgeübten Zeichner; Anmuthiges aber und Ansprechendes wüssten wir
kaum hervorzuheben. Es würde, nach unsrer Meinung, dem Ruhme des
Künstlers dienlicher gewesen sein, wenn dies Heft in seiner Mappe ver-
blieben wäre.

Architectural beauties of continental Europa in a series of vlews of
remarkable ancient edifices, civil and ecclesiastical, in France, the Low
Countries, Germany and Italy, engraved by John Coney, from his ovvn
drawiugs, taken on the spot, with descriptive and historical lllustrations
by H. E. Lloyd. London: Harding, 1831 etc.

(Museum 1833, No. 49.)

Ansichten meist mittelalterlicher Architekturen von Frankreich, den
Niederlanden, Deutschland und Italien. Das Werk, welches in Heften in
Folio, das Heft mit 4 Blättern und mit 8 Vignetten im Text, erscheint und
aus 12 Heften bestehen wird, bildet, was die äussere Ausstattung anbe-
trifft, einen seltsamen Contrast mit--andern englischen Werken der Art.
Während hier nämlich in der Regel eine besondre Sorgfalt auf möglichst
feine Ausführung gewandt und möglichste Eleganz erstrebt wird, tritt das
vorliegende Werk mit dem Anspruch einer gewissen nachlässigen Geniali-
tät auf und sucht dadurch dem Beschauer zu imponiren: es giebt die
Gegenstände nur in Umrissen (wie es scheint, in Zink geätzt), doch nicht
mit scharfen und bestimmten, wie wir es bei unsern Architekturzeichnun-
gen gewohnt sind, sondern mit malerisch flüchtigen und schwankenden,
indem der Zeichner mehr die Absicht hatte, ein interessantes Bild zu skiz-
ziren, als eine genaue Darstellung merkwürdiger Baulichkeiten zu geben.
Es ist mehr für die Neugier, als für die Wissenschaft oder den Kunstsinn.
Indess — die Engländer lieben das Kuriose, zumal wenn es sich um Anti-

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Architectural beauties etc. Karl Barth der Zeichner, Kupferstecher u. Dichter. 57

quitäten handelt; somit, und weil das Ganze im Uebrigen vornehm und
kostbar ausgestattet ist, darf es wohl auf den Beifall des englischen Publi-
kums rechnen. Was die Art der Aufnahme anbetrifft, so bemerken wir
noch, dass nicht selten jene eigenthümliche Perspektive angewandt ist, bei
der man das Auge auf den einen Winkel des Blattes drücken muss, wenn
man das Ganze in richtigen Verhältnissen vor sich haben will.

Die dargestellten Gegenstände sind mehr oder minder bekannt, zum
Theil für den Geschichtsforscher nicht unwichtig. So im ersten Heft der
Chor der Kathedrale von Beauvais, der in seiner grossen Höhe, in seinen
leichten und fast zu schlanken Details, in Frankreich als-das Muster gothi-
scher Chöre gilt; im zweiten Heft das zierliche Stadthaus von Brügge mit
seinen leichten, reichverzierten Erkerthürmen; im dritten Heft das Innere
der Kathedrale von Ypern, wo, ähnlich wie in Notre-Dame zu Paris, die
Wände des Mittelschiffes noch von starken Säulen mit Blätterkapitälen
getragen werden, über welchen erst leichtverbundene Halbsäulchen als
Träger der Gewölbgurte aufsetzen, zwischen denen eine kleine spitzbogige
Gallerie und drüber die schlankgegliederten Fenster sich hinziehen; im vier-
ten Heft die überreiche Portalseite von St. Maclou zu Rouen u. s. w., u. s. w.

Karl Barth, der Zeichner, Kupferstecher und Dichter.

(Museum 1833, No. 50.)

Unsre Almanache liefern meist eine Sorte von Modebildern, deren
Beurtheilung nicht füglich in das Bereich dieser Blätter gehört. Sie haben
es mit einem Publikum zu thun, das für allerlei^ andre Dinge Sinn haben
mag, nur nicht eben für die Kunst.

Als wir uns in diesem Herbst auf dem Deck eines Dampfschiffes an
den Gedichten des eben erschienenen Musenalmanachs (von Chamisso und
Schwab, 1834) erbauten, hörten wir, wie eine junge Dame hinter uns sagte:
»Das ist nichts für uns, Mama: lauter Gedichte und nur ,ein Bild!" — Sie
wollen Bilder sehen; weiter wissen sie von der Kunst nichts.

Das eine Bild dieses Almanachs (das Titelkupfer) war aber gerade
ein wirkliches Kunstwerk, eins mit dem man sich, selbst ohne weitere
Gesellschaft, ganz hübsch unterhalten kann: das Bildniss des deutschen
Dichters Friedrich Rückert, mit den scharfen, noch jugendlich blitzen-
den Augen, mit der breiten, ernsten Stirn und den feinen, anmuthig spie-
lenden Lippen, ein Gesicht, das Jedem, der es kennt, eine th^ure Erinne-
rung bleiben wird. Es ist von Karl Barth gezeichnet und gestochen,
lebendig und doch in edler, nachdenklicher Ruhe aufgefasst und in einer
eben so anspruchlosen wie treuen und gesunden Technik ausgeführt. Es
herrscht darin eine erfreuliche Mitte zwischen der älteren | deutschen und
italienischen, Manier und der Eleganz neuerer Kupferstiche.

Auch der Musenalmanach von 1833 enthielt ein von Barth in dersel-
ben Weise gestochenes Portrait, Adelbert von Chamisso, nach einem

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58 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Bilde von R. Reinick, auch dies ein echtes Dichterbild. Leider war hier
manches von dem Tiefen und Bedeutsamen des Originals durch die Zeich-
nung von andrer Hand, nach der Barth den Stich gefertigt, verloren ge-
gangen.

Sehr überraschend war es uns, durch den neuen Almanach in dem
Kupferstecher zugleich einen Dichter kennen zu lernen, der unter der
grossen Dichtermenge, die das Vaterland gegenwärtig ernährt, keinen der
letzten Plätze einnimmt und der so auch durch das Wort es kund zu thun
weiss, dass der echte Künstler stets einen Dichter in sich trägt, welcher
den Gebilden der Hand allein die lebendige Seele einzuhauchen vermag.

Um unsern Lesern im Urtheil nicht vorzugreifen, theilen wir ihnen
hier zwei dieser Gedichte von Barth mit, davon das eine auch in der
Kunst des Wortes den darstellenden Künstler zeigt, das andre, seiner
Ueberschrift entsprechend, eben nur ein dichterischer Hauch ist. Doch
möge uns vergönnt sein, vorher noch eine Stelle aus der Einleitung des
Anordners (Rückert's selbst) hieher zu setzen, die von dem Verhältniss des
Dichters und Malers handelt und auf anmuthigste Weise eine künstlerische
Situation beschreibt.

Rückert sagt;

Als, ich weiss nicht zum wievielsten Male.

Du mein schlechtes Antlitz zeichnen wolltest,

Diesmal nicht zu eigner Lust und Freude,

Sondern es zur Schau zu stellen, Eingangs

Dieses Buchs, dem Richterblick des Lesers —

(Mög er nur es günstig gelten lassen,

Wie es Gott schuf, und du nach es schufest!

Es ergänzen sich die beiden Bilder,

Das von dir und das in meinen Liedern) —

Als ich regungslos nun dir genüber

Musste sitzen, und die Unterhaltung

Ausging, gabst du zur Entlangeweilung,

Dass sich nicht entspannte Züge dehnten,

Mir in Handschrift die gesammten Werke

Eines mir ganz unbekannten Dichters,

Deine eignen; und ich las, und staunte.

Welche Haltung soll ich dir genüber

Nun behaupten? Wo ich dir, dem Maler,

Kühn die Stirn als Dichter bot, erkenn' ich,

Dass du selbst ein Meister meiner Kunst bist.

Ich in deiner nicht einmal ein Pfuscher. U. s. w.

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Folgendes sind die beiden Gedichte von Barth:

Des Goldschmiedlehrlings Klage.
(Jugenderinnerung.)
Von Rauch und Dampf und Feuers Qualm umflossen,
Ein Sclave an den Ambos angeschlossen,
Au schwarzer Esse wühlend in MetiillHn,
Wo ohrzerreissend Hammerschlägo fallen,

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Alles nur ein Hauch.

Auf edler Frucht ein Dufthauch, den zerstört
Die leiseste Berührung, ist die Unschuld;
Die Sünd' ein gift'ger Hauch auf reinen Spiegel,
Dess erster Anflug ew'ge Flecken lasst;
Die ird'sche Lieb' ein Hauch der ew'gen Liebe;
Der Traum ein Hauch von einem schönern Leben,
Das Leben selbst ein Hauch aus Gottes Munde;
Das Wort ein Hauch des ewigen Gedankens,
Und was ich sing', ein Hauch dess, was ich fühlte,

Der Räuber, nach dem Originalgemälde von C. F. Lessing. Auf Stein
gezeichnet von J. Becker. Druck und Verlag der lithographischen An-
stalt von F. C,. Vogel in Frankfurt a. M.

(Museum 1833, No. 52.)

Die Verlagshandlung erwirbt sich durch die Herausgabe dieser Litho-
graphie nach einem der trefflichsten Meisterwerke neuerer Zeit den auf-
vichtigen Dank der Kunstfreunde, wie sie es schon durch einige ähnliche
Unternehmungen gethan. Die Kunst unsrer Zeit, welche dieselben Interes-
sen wiederspiegelt, die uns beleben, hat so mannigfach Bedeutendes und
vielseitig Ansprechendes geliefert; aber noch allzusehr fehlt es an würdigen
Verallgemeinerungen der einzelnen Stücke.

Der Lessing'sche Räuber ist einem grossen Theile des Publikums von
den letzten Ausstellungen bekannt. Es ist ein eigenthümliches Bild. Wir
denken bei einem solchen Gegenstande wohl zunächst an die poetische
Ausstattung des italienischen Räuberlebens, an alle Keckheit und Laune,
die über das düstre Bild ein.lustiges Streiflicht werfen; da giebt es ^ute
Kameraden, ein Weib, das die Gefahren theilt und das Schönste von der
Beute für sich nimmt; bunte Kleider mit goldnen Tressen, zierliche Flin-

Karl Barth der Zeichner, Kupferstecher und Dichter.

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60 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

fen und kunstreich ausgelegte Dolche; da ist das schlimme Gewerbe ein
wildes, gefährliches Spiel. Anders bei dem Mann auf Lessing's Bilde, der
auf dem Felsvorsprunge ruht und das'Haupt in schweren Gedanken stützt ^
er ist nicht ein Räuber aus Beruf, er ist einer geworden; die Leute
unten, die in der schönen Landschaft zu seinen Füssen wohnen, haben ihn
und den Knaben an seiner Seite geächtet, dass er in den Klüften des
Gebirges seine Zuflucht suchen muss; es ist ein Rachekrieg, den er mit
den Bewohnern der Ebene führt. Daher kein verwegener Trotz in seinen
schmerzhaft gepressten Zügen, aber auch keine Pein des Gewissens; daher
kein launiger Putz in seiner Kleidung, aber freilich, wie einfach sie sei,
auch keine barbarischen Lumpen. Man hat die fast bürgerliche Kleidung
des Räubers getadelt, aber man hat sich nicht bemüht, das Bild, wie es
ist, zu verstehen.

Was die Technik des vorliegenden Steindruckes betrifft, so ist derselbe
auch in dieser Beziehung nur zu empfehlen. Der Zeichner hat das Ori-
ginal in seinen einzelnen Theilen wohl verstanden und mit Geschick und,
wo es nöthig war, mit Resignation wiederzugeben gewusst; es liegt eitle
gewisse Entschiedenheit in seinen Strichen, die auf den Beschauer nur
einen wohlthätigen Eindruck hervorbringt, und die wir einer weichlichen
Nachtüpfelung ebensosehr vorziehen, als einer, anderweitig für genial aus-
gegebenen renoramistischen Effektmanier. Auch der Druck ist rein und
klar. Wenn in einigen wenigen Partieen des Vordergrundes etwas Dis-
harmonisches (namentlich in einigen zu starken Schatten) vorhanden ist,
so liegt der Grund wohl darin, dass der Zeichner sich vielleicht eines
dunkler gefärbten Steines bediente, ein Umstand, der nicht genug berück-
sichtigt werden kann, indem der dunklere Grund des Steines die Wirkung
der Zeichnung auf dem hellen Papier im Voraus kaum berechnen lässt.

Illustrations of modern sculpture. A series of Engravings, with
descriptive prose, and illustrative poetry by T. K. Hervey. London

Charles Tilt etc., 1832 etc.

(Museum 1833, No. 52.)

Ein Unternehmen, welches die Absicht hat, in einer Reihe englisch-
prachtvoller Kupferblätter eine Uebersicht und Gesammtdarstellung der
modernen Sculptur zu liefern. Es erscheint in Heften (in imperial 4),
das Heft mit drei Kupfern und „beschreibendem" Text in Prosa und ,,er-
läuterndem" in Versen. Zwei von 'den Kupfern jegliches Heftes stellen
Werke englischer Bildhauer, das dritte das eines Ausländers dar. Die drei
vorliegenden Hefte enthalten Sculptüren von Westmacott, Flaxman, Chantrey,
Baily, Carew, von Can'ova und Thorwaldsen; in dem Verzeichniss der
folgenden Hefte werden, ausser mehreren andern Engländern noch ein Paar
Franzosen, von deutschen Künstlern aber nur der einzige (Rudolph) Scha-
dow, mit seiner Spinnerin, genannt. Daraus folgt, dass an ein allgemeines
Bild moderner Sculptur bei diesem Werke nicht wohl zu denken ist; nur

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lllustrations of modern sculpture. Gl

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von der englischen erhalten wir eine Ansicht, die allerdings, in Verglei-
chung mit den Proben andrer Meister, daraus ganz gut festzustellen sein
dürfte.

Die Engländer aber sind nicht die Vorkämpfer unter den Künstlern
unsrer Zeit. Es ist der einzige Flaxman, und wieder nur Flaxman, zu
dem man unter den englischen Bildhauern gern zurückkehrt, der einen Geist
voll tiefer, unerschöpflicher Phantasie hat, der seinen Gestalten das Gepräge
eines eigenthümlich edlen, sittlichen Charakters mitzutheilen weiss, wie
keiner seiner Landsleute; leider nur fehlt es ihm, was als das zweite im
künstlerischen Schafl'en nothwendig hinzukommen muss, an jener steten
Hingebung und Treue, die nicht eher rastet, als bis der Gedanke die Form
gänzlich durchdrungen hat und eins mit ihr geworden ist: seine nur skiz-
zirten Umrisszeichuungen zu den griechischen und italienischen Dichter-
fürsten bleiben das Grösste, was er geschaffen. Nicht ohne Bedeutung
indess ist seine im dritten der vorliegenden Hefte enthaltene Gruppe, Michael
und Satan; obschon sie einigermaassen an Raphael erinnert und auch nicht
hinreiclit. die eben ausgesprochene Ansicht aufzuheben. — Manche der
andern englischen Künstler übertreffen ihn vielleipht in der Form; aber sie
sind im besseren Falle kalt und inhaltlos, im schlimmeren manierirt und
affektirt.

Als der hohe, freilich sehr unerreichte Meister der letzteren erscheint hier
der sinnlich weichliche Canova mit seinen Statuen der Tänzerin und der
Venus (die beide bekanntlich in verschiedenen Exemplaren vorhanden sind).
Aber — ich weiss nicht, ob die so viel und hoch gepriesene „Morbidezza"
dieses Meisters wirklich als ein Gegenstand ächter Kunst zu betrachten ist.
Dinge, die in den Prunkgemächern der Reichen stehen, sind nicht für
öffentliche Betrachtung und — Beurtheilung da.

Erst in solcher Zusammenstellung empfindet man das Hochwürdige,
welches den Werken Thorwaldsen's innewohnt: rein und heilig, voll
göttlicher Stille, schreitet seine „Hebe" durch all jene verlockenden oder
wesenlosen Gestalten.

Die Ausstattung des Werkes ist, wie gesagt, höchst prachtvoll; der
Kupferstich ist in zartester Punktirmanier, von den ersten Meistern dieses
Faches, Finden, Cook, Dyer, Thomson, Fry, Tomkins, ausgeführt. Doch,
dünkt mich, ist eine solche Manier, so sehr sie das Auge bestechen mag,
nicht für den Ernst der plastischen Kunst geeignet; sie giebt den Formen
etwas Unbestimmtes, Wolliges, was sich — wenigstens bei der Darstellung
Thorwaldsen'scher Werke — nicht ziemt; für Canova freilich passt sie
besser.

Ueberhaupt macht das ganze Werk, in der Art, wie es uns vorliegt,
auf den ernsteren Sinn keinen angenehmen Eindruck; es ist lediglich dahin
gearbeitet, den pretiösen Anforderungen des Luxus — des Wurmes, an
welchem die englische Kunst krankt ~ zu genügen. Die Merkursflügel am
Kopfe des kleinen Genius, der auf der Titelvignette das Haupt der Pallas
Athene abzuzeichnen scheint, sind charakteristisch für den Zweck des
Herausgebers.

Wir können, wenn wir das Treiben fremder Nationen betrachten, manch
eine gute Nutzanwendung daraus für uns ziehen, u. A. auch für unsre Kuiist.

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G2 B«ri('hte, Kritiken, Erörterungen.

Wirlhshausstube an der Preussisxlien Grenze, zur Zeit der
Gliolera. Gemalt von Jos. Petzl, 1832: auf Stein gezeichnet von Tl.
Leiter. Verlag der Schenk'schen Kunsthandlung. (L. W. Ramdohr)

zu Braunschweig.

(Museum 1834, No. 1.)

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Im vergangenen Sommer (1833) hatte er die Absicht, vou Nauplia, wo er
sich damals aufhielt uud eine Pallikareii-Versammlung malte, nach Constantluopel
zu gehen,

Petzl zeichnet sich unter den jüngeren Genremalern durch eine unge-
meine Leichtigkeit in der Composition und durch eine seltene Beweglich-
keit der Phantasie aus; eine grosse Menge von ihm vorhandener Bilder,
durch sein vielfach -wechselndes Wanderleben über alle Orte verstreut,
enthält viel Anmuthiges und Ansprechendes; sie sind leicht und keck,
aber sauber und brillant gemalt und Kabinetstücke im wahren Sinne des
AYortes. In der Regel indess sind seine kleineren Compositionen vorzu-
ziehen, bei denen die Beschränktheit des Raumes ihn an ein einfaches
Motiv fesselte; bei grösseren stört zumeist die Ueberfülle des Dargestellten
den behaglichen Genuss anziehender Einzelheiten.

Dahin scheint uns auch das Bild zu gehören, davon eine Lithographie
uns so eben vorliegt. Der Titel lässt den Inhalt desselben errathen. In
der Mitte sitzt, als dicke Hauptfigur, der Gastwirth, mit halb eingeseiftem
Gesicht; ihm zur Seite steht, den Schaum bereitend, der Barbier, eine
treiniche Figur, dem berühmten Berliner Schelle nah. verwandt. Neben
dem Wirth, auf einem Polsterstuhle sitzend, studirt ein ältlicher französi-
> scher Refugie emsig in der Zeitung, während ein Hündchen seine herab-

hängende Rocktasche nicht minder emsig untersucht. Umher alles mögliche
Volk, wie es sich nur auf der Landstrasse begegnet: Handwerksburschen,
polnische Juden, Gensd'armen, Studenten, Maler, Jäger, Bauern, Weiber
und Kinder, sammt allerlei Geräthe und Gepäck; in Gruppen oder allein,
ausruhend oder politisirend, rauchend oder zechend u. s. w. Höchst cha-
rakteristisch sind die einzelnen Personen, insbesondere was die Köpfe
anbetrifl't, ein jeder trägt seine ganze Geschichte in seiner Physiognomie;
das bunte Zusammenwürfeln dieser Verschiedenartigsten, die nur das eine
Gemeinsame des Landstrassenlebens haben, bildet ein seltsames Ganze.
Die Arbeit des Lithographen ist dreist und tüchtig; es ist eine vorherr-
schende Strichmanier, doch im Einzelnen vollkommen die zur Charakteri-
stik nöthige Sauberkeit vorhanden. Auch der Druck ist zu loben.

Im Ganzen aber hat das lithographische Blatt etwas Unruhiges, das
den Beschauer verwirrt. Dies liegt, ausser der Gesamratcomposition, be-
sonders darin, dass die bezeichnete Mittelgruppe durch ein, vor dem Bilde
angenommenes Fenster beleuchtet wird, welches aber sammt dem Sonnen-
licht zugleich den Schlagschatten des Fensterkreuzes und draussen stehen-
der Bäume hereinfallen lässt. Wenn es dem Maler gelungen war, durch
die Kraft und Harmonie der Farbe, die das Original vor frühern Bildern
vortheilhaft auszeichnet, diese höchst schwierige Aufgabe glücklich zu lö-
sen und dann dem Bilde nur um so grösseren Reiz zu geben; so war der

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Böslich in Charlottenhof bei Potsdam. 63

.■l.lliiiu.

Lithograph nicht Im Stande, ein Gleiches zu leisten, da man erst nach
miihsamer Untersuchung die einzelnen Flecken und Lichter zu einem
Ganzen verbinden kann.

Es scheint wünschenswerth, dass von mehreren Petzl'schen Bildern,
namentlich von kleineren, Lithographieen angefertigt werden möchten, die,
wie z. B. seine Bettelmönche, seine Tyrolev u. s. w. des Beifalls von
Seiten des Publikums gewiss nicht entbehren würden.

Besuch in Charlottenhof bei Potsdam, Villa Sr. K. Hoheit des

Kronprinzen.

(.Museum 1834, No. 2.)

fnüfilm-i I

Wir verliessen die majestätischen Terrassen von Sanssouci und den
kleinen zirkelrunden Teich an deren Fuss, in welchem sich die weissen
französischen Mamorgötter spiegeln, und wandten uns seitwärts, den Saum
des Waldes entlang, der sich zwischen Sanssouci und dem neuen Palais
liinbreitet. Aus den Gruppen der Bäume schimmerte es hier und dort
schon röthlich hervor; seltsam schweigend lag das japanische Haus da-
zwischen mit seinen lebensgrossen Statuen, die am Boden vor den Ein-
gängen kauern, Thee trinken, Musik machen und den Vorübergehenden
mit ihren ehemals goldenen Gesichtern, mit ihren verzwickten Augen un-
licimlicli anblinzeln. Die alte Zeit und ihre phantastisch barocke Pracht
war in mir lebendig geworden; es würde micli kaum überrascht haben,
wenn plötzlich eine Assembl^e in Reifröcken und Haarbeuteln gemessenen
Schrittes den Baumgang herniedergeschwebt wäre. Indess, die Reifröcke
von damals sind aus der Mode und das Gold auf den Gesichtern der Ja-
panesen verwittert. Von Andrem jedoch kann man nicht sagen, dass es
aus der Mode sei; nur ein Paar Schritte ins" Freie, und über das fernere
Gebüsch ragt die stolze Kuppel des neuen Palais mit den drei berühmten
Grazien, den Kronenträgerinnen, hervor; überall erblickt man hier die
liohe pflegende Hand, welche diese Denkstätten aus der Zeit des grossen
Friedrich als stete Mahner für die Gegenwart zu erhalten strebt.

In der Mitte etwa zwischen den beiden Schlössern führte uns ein Weg
zur Linken aus dem W^alde und dessen ehrwürdigen Schatten hinaus und
über einen Bach, welcher den Wald auf dieser Seite Begrenzt. Die jen-
seitigen Parkanlagen sind niedriger und offener und verrathen einen jün-
geren Ursprung. Nach wenigen Schritten erblickten wir bereits, in ejniger
Entfernung, die Villa des Kronprinzen mit ihrem zierlich dorischen Prostyl
und einer auf leichten Pfeilern fortgeführten Weinlaube; der Strahl eines
Springbrunnens funkelte in der abendlichen Sonne. Ein Akaziengebüsch
verdeckte auf einige Augenblicl^e das Bild, um uns beim Heraustreten*
durch ein andres, näher liegendes zu überraschen; wir glaubten uns durch
einen Zauberschlag in ein südliches fröhlicheres Land versetzt, wo bei
<ler Anordnung der Wohnungen so wenig jenes ängstliche Bedürfniss, wie

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916 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

jene diktatorische Regel einer sogenannten Symmetrie bemerkbar wird, die
uns gewöhnlich um alle Grazie und Anmuth bringen. Es ist die Woh-
nung des Gärtners, zwei Häuschen mit einem kleinen Thurm als Belvedere,
mit Laubgängen umgeben und durch dieselben verbunden.

Zunächst traten wir in den Hofraum zwischen den beiden Gebäuden.
Hier bildet sich eine erhöhte Laube, die von Säulen und einer mächtigen
Herme in altattischem Styl getragen wird und mit antiken Vasen und
Fragmenten antiker Architektur und Sculptur dekorirt ist: in der Um-
gebung von grünen Büschen und Blumen versteht man den Sinn der An-
tike besser als in kalten Museen. An der Rückwand der Laube, wo jetzt
verschiedene Vasen stehen, soll ein Relief von Rauch in Terracotta, eine
Bacchantin darstellend, angebracht werden, und zu dessen Seiten zwei
Löwenköpfe, die aus ihren Mäulern rothen und weissen Wein ergiessen.
Seitwärts springt ein Wasserstrahl in einen antiken , mit Centauren ge-
schmückten Sarkophag, und aus diesem weiter in die Blumen; in der Mitte
des Tisches, der in der Laube steht, ist ein Becken, mit beweglich mur-
melndem Wasser gefüllt, das ein lebendigeres, eigenthümlicheres Accom-
pagnement der Conversation bilden.dürfte, als die bei den Novellenschrei-
berinnen allgemein beliebte Theemaschine. Nach hinten, durch ein dichtes
blühendes Hortensiengebüsch von der Laube getrennt, schliesst eine unbe-
deckte steinerne Treppe den Hof ab; sie führt erst nach dem Häuschen
zur Linken und daunv hinüber zu dem Belvedere; es war anmuthig zu
sehen, wie die Treppe sich belebte und die Gestalten durch das Grün der
Lauben hier und dort hervorblickten. Aus dem Tliurm kommt man, über
das flache Dach einer zierlichen Loge, in die oberen Zimmer des zweiten
Gebäudes, die, für die eigne Benutzung des erhabenen Besitzers bestimmt,
einfach, aber geschmackvoll dekorirt sind. Ein andres Treppchen führt von
dem Thurm in einen zweiten grösseren Hof hinab, in dessen Mitte, von
zierlichen Blumenbeeten umgeben, ein Wasserstrahl hoch emporsteigt. Ein
von Pfeilern getragener Weiugang führt hier von dem Belvedere zu einem
kleinen Pavillon, dessen Portikus auf bezeichnende Weise aus viereckigen
Pfeilern gebildet wird; im Innern des Pavillons ist die hintere Wand, in
ihrer ganzen Ausdehnung, durch ein grosses, von Blechen gemaltes Bild
des wundervoll gelegeneu Tegernsee geschmückt. Dem Pavillon gegenüber
zieht sich eine geräumige Arkade hin, die zur Aufnahme plastischer Werke
bestimmt ist. Sie stösst an einen breiten, mit grünen und rothen Schling-
pflanzen überwölbten Kanal, welcher sich seitwärts zu einem kleinen See
erweitert; am Ufer des letzteren, in einer Nische, steht eine liebliche
Bronzegruppe, ein Knabe, der auf einem Delphin reitet, nach Schinkels
Zeichnung modellirt; der Delphin spritzt Wasserstrahlen in den See.

Wie die innere Einrichtung dieser Wohnungen ebenso behaglich wie
anmuthig, das Zusammenfügen derselben und die Verbindung zwischen den
einzelnen Theilen ebenso bequem, wie scheinbar rücksichtslos in Bezug
auf äussere Erscheinung ist, so geben sie von allen Punkten aus, bald im
Wasser sich spiegelnd, bald durch Gebüsche halb versteckt, das reizendste
Bild, wie es der Pinsel eines in Italien gebildeten Landschafters nur er-
finden kann. Es ist ein eigentlich plastisches i Kunstwerk in grösserem
Maassstabe, ein architektonisch-landschaftliches Idyll.

Mehrere Stunden waren unbemerkt unter dem Betrachten des Einzel-
nen, unter dem Aufsuchen der Ansichten und Durchsichten hingegangen.
Wir mussten uns von diesem liebgewordnen Orte trennen, wenn wir noch

h:

f:

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Besuch in Cbarlotteiiliof bei Potsdam.

die Villa selbst kennen lernen wollten. Der Weg dahin führt an wech-
selnden Buschpartieen vorbei, aus, deren einer , geschmackvoll Wie ein
grosser Candelaber v.erziert, der hohe Schornstein der Dampfmaschine,
-welche die genannten "Wasser treibt, hervorragt. Die Villa selbst war ur-
sprünglich eine einfache Privatwohnung; sie ^ist von Schinkel für den
jetzigen Besitzer umgebaut. 'Der dorische Prostyl führt auf eine lange
Terrasse, welche auf der andern Seite durch eine grosse halbkreisrunde,
mit einem Zelt überspannte Bank geschlossen wird. An der nischenartigen
Rückwand dieser Bank, deren beide vordere Ecken mit schönen Bronze-
statiien geschmückt sind, fanden wir einen jungen Maler, Herrn ßosen-
thal, bei der Ausführung eines bunten Frieses beschäftigt, einen Triumph
der Amphitrite und Kämpfe von Seegottheiten mit chimärischen Thißren
vorstellend; die ersteh Gruppen sind nach Schinkel's Zeichnungen, die
folgenden aus Raphaels Arabesken zusammengestellt, der grösste Theil
aber von Herrn Rosenthals Erfindung und so im Geist der beiden genann-
ten Meister fortgeführt, dass es schwer halten dürfte,; das Einzelne, von
einander zu scheiden. Das Hauptbihdemittel der Farben besteht hier, um
sie gegen die Einwirkungen des Wetters zu sichern, aus Wachs. Treft-
lich ist, vom Portikus aus betrachtet , der Effekt dieser farbigen Nische
gegen den Garten und die Luft^ Der Laubgang, welcher dieselbe mit der
Villa verbindet, ruht auf leichten viereckigen Pfeilern; der-Theil zunächst
vor dem Gebäude, der bedeckt, aber zu den Seiten offen ist, bildet eine
Art Vorhalle, die wie jene Nische aufs Zierlichste Init farbigen Arabesken
bemalt ist. Hier insbesondere sieht man recht deutlich, wie Farbe und
Malerei der Architektur nothwendig sind und ,wie letztere erst in "dieser
Verbindung ihre volle Wirkung ausübt. Ueberaus lieblich ist gerade hier
der Contrast des strengeren stylisirten,Ornamentes gegen die beweglichen
Formen der Weinwand, welche sich noch auf der einen Seite dieser Vor-
halle hinzieht. Eine Marmorstatue, die auf die Brüstung der letzteren
gesetzt werden soll; wird vor diesem lebendig grünen Teppich den herr-
lichsten Effekt machen. In der Mitte der Terrasse erhebt sich ein Wasser-
strahl zu massiger Höhe,, fällt dann in eine Schaale^" aus der er in unzäh-
ligen feinen Strahlen niederströmt. An der Seite des Platzes, über
blühenden Blumen, bilden sich, blitzende W'asserglocken. - .

Die innere Einrichtung der Villa ist eben so edel und geschmackvoll,
wie einfach und anspruchlos. ^ Der nach der Terrasse zu sich öffnende
Salon ist, den Fenstern gegenüber, mit zwei Nischen versehen, die mit
scharlachrothen,Teppichen behängt sind und schöne Marmorstatuen" ent-
halten, die eine Wre,dowJs"Ganymed,'die andere den David von Imhof.
Bemerkenswerth ist das Treppeiihaus, dessen weisse, mit leichten Ara-
besken geschmückte Wände, vermöge des blauen Lichtes, welches durch
das blaugefärbte Fenster über der Thür hereinfällt und alles übrig;e Blau
förmlich absorbirt, in eigenthümlich rosigem Schimmer erscheinen. Die
Zimmer haben, durch ihre kleinen Dimensionen, etwas besbnders Behag-
liches, ähnlich, den antiken. Auf geschmackvolle Weise sind die Spie-
gel angebracht, von verhältnissmässig nicht bedeutender Grösse^ mit einer
schmalen Goldleiste eingefasst, und mit.einem leichten, auf die Wand ge-
malten Ornament^ umgeben. Die Aussicht aus verschiedenen Zimmern
wird durch den Blick auf das neue Palais zu einem schönen Bilde , und

Kiigler, Kleine Schtifien. HI. ' ' . .• ' ' V 5

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66 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

m

tiberall hat die Einrichtung des umgebenden Parks etwas so anmuthig
Einnehmendes,'dass dieselbe zwar nicht grossartigere Gegenden ersetzen,
sie aber wohl vergessen machen kann,

Wahrlich ich sage euch* Unter allen, die von Weibern gebo-
ren sind, ist nicht aufkommen, der gr()sser sei, denn Johannes
der Täufer. (Matth. 11, 11) Guido Reni pinx. Friedrich Wagner
del. et sculp, Carl Mayer impr.'Nbg. Im Besitz des Nürnberger Vereins
von Künstlern und Kunstfreunden. ■ ' '

. • - (Museum 1834, No. 3.)

fv

„Der Nürnberger Verein von Künstlern und Kunstfreunden
hatte im April v. J, beschlossen, aus den Kassenüberschüssen der letzten
Jahre und aus kleinen Extrabeiträgen der in Nürnberg wohnenden Mit-
glieder, versuchsweise eine Verloosung von Kunstgegenständen unter den
Vereinsmitgliedern zu veranstalten und, im günstigen Falle, alle drei Jahre
damit fortzufahren. Zu diesem Endzweck wurde auch die in der Ueber-
schrift genannte Kupferplatte gestochen, wovon jeder Theilnehmer an der
Verloosung einen Abdruck
avant la lettre bekam. Es sind jedoch nur
150 solcher Abdrücke gemacht worden. Die Platte sqlbst bleibt Eigenthum
des Vereins, welcher indess Abdrücke davon in den^Handel giebt. Die
Steinische Buch- und Kunsthandlung in Nürnberg hat den Verlag des
Kupferstiches übernommen, dessen Preis 3 fl., auf chines. Papier 4 fl.
beträgt." ~

Bei der nur geringen Theilnahme, welche der Kupferstich heutiges Ta-
ges findet, ist eine Erscheinung, wie die des vorliegenden Blattes, mit um
so grösserem Beifall anzuerkennen. Dasselbe enthält, als Kniestück, eine
Darstellung Johannes des Täufers; der Oberleib des Heiligen ist entblösst,
die linke Hand auf die Brust gelegt, der rechte Arm auf ein Felsstück
gestützt und ein .hölzernes Kreuz haltend, das lockige Haupt nach oben
gerichtet.' Die Entfaltung der einzelnen Theile eines nackteö, jugendlich
kräftigen Körpers ist das zunächst Ansprechende dieser Composition;
eine solche wiederzugeben und darin die Meisterschaft seiner Technik zu
zeigen, war, wie es scheint, die Hauptabsicht'-des Kupferstechers. Letztere
ist aufs Erfreulichste gelungen. Seine Strichlagen haben eine grosse Rein-
heit und Klarheit und sind mit vollkommenster Sicherheit und Besonnen-
heit, bald sich hebend und wieder anschwellend, bald^perspektivisch sich
zusammenlegend, sich kreuzend und mit leisen^Diagonalstrichen versehen,
um die einzelnen Glieder geführt. Es ist in ihnen etwas von plastischer
Kunst,, indem-die Schwingung fast jeder Linie eine Art Profil des Gliedes
enthält; sie erleichtern das Verständniss der Form auf angenehme Weise
und laden in anmuthigem Spiel zum Genuss derselben ein. Vornehmlich
sind die Arme gelungen; hier lösen sich die Muskeln aufs Anschaulichste
und sind zugleich durch die weichsten Uebergänge' verbunden, welches
Letztere am Bauch, an der Gegend der Rippen, nicht aiif dieselbe Weise
der Fall ist. Die Brust erscheint gegen das helle, etwas hafte Licht der
linken Hand zu dunkel, was indess möglicher Weise ein Mangel des Ori-

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Künstlers Erdenwallefi.

ginals, etwa durch Nachdunkeln oder Retouchen hervorgebracht, seiu'dürfte.
Der Kopf ist nicht minder fleissig gearbwtet , leider jedoch wenig anspre-
chend ; er enthält nur die bekannte flache Idealität des Guido Beni.

Ueberhaupt können wir nicht wohl umhin, unser Bedauern auszuspre-
chen, dass der Kupferstecher gerade ein solches Gemälde zur Nachbildung
wählte; denn wenn ihn auch die vollendete Formenbildung im Original
anzog und zum Wettstreit aufforderte, so kann dies doch nicht den unan-
genehmen Eindruck aufheben,'welchen "der ausdruckslose Kopf und die
pretiöse Stellung des Heiligen auf den unbefangenen Beschauer machen.
Es kommt, so dünkt uns, bei einem Kunstwerke zuerst auf den Inhalt
an und zum zweiten auf die Form. _ -

67

wmmmm

Liebhabern und Sammlern indess kann dies im Uebrigen so höchst
ausgezeichnete Blatt auf jeden Fall nur willkommen sein.

Künstlers Erdenwallen. Componirt und lithographirt von A. Menzel.
Herausgegeben von L. Sachse & Comp. Berlin., 1834.

(Museuoi 1834, No. 3.)

Mit diesem Heft , welches auf 6 Blättern in'Folio 11 mit der Feder
gezeichnete Darstellungen enthält, tritt vor dem grösseren Publikum, so
viel uns bekannt, zum ersten Mal ein junger Künstler aufj dessen Talent
als ein nicht gewöhnliches zu beachten ist und Bedeutendes für die Zu-
kunft zu versprechen scheint. Eine gemüthliche Auffassung, eine anspruch-
lose, leis ironische Darstellung,-eine gesunde, besonnene Technik ist das
zunächst Eigenthümlichei der vorliegenden _Blätter. Sie stellen die Ent-
wickelung eines Künstlers im Kampf gegen widerstrebende Verhältnisse dar.
Ihr Inhalt ist'in Kurzem, nach'Angabe der Unterschriften, folgender:
Keim. Der'Knabe hat mit Kreide Figuren auf die Dielen gezeichnet und
bekommt vom Vater, einem wohlgenährten Goldschmiedemeister, Schläge. —
Trieb. Er ist Geselle bei eiüem Schuhmacher und zeichnet unter allerlei
llandwerksgeräth, bei der Arbeitslampe, nach der Büste Blüchers. Ein
überaus anmuthiges Bildchen, in jeder Beziehung gelungen und das TretT-
lichste -des ganzen Heftes; es ist etwas so Glückliches in dieser einfachen
Composition, es spricht sich ein so.reines, liebenswürdiges Gemüth darin
aus, und'das Ganze ist mit so unverkennbarer Liebe gezeichnet, dass man
nur ungern weiter blättert. Sehr" ungezwungen und doch auf wohl über-
legte Weise ist das phantastische Schustergeräth umher geordnet; der-schöne
Knabe ist ganz bei seiner Arbeit, alles Andre um sich vergessend, und. wir
ireuen uns mit ihm, dass'die .Uhr, welche hinten ^an der Wand, neben dem
Ofen, hängt, eben erst die frühe fünfte Stunde geschlagen'hat, dass.er sein
Glück also noch eine volle Stunde bis zum Anfang der Arbeit geniessen
kann. — Zwang. Dieselbe Werkstattaber Vormittags um 10. Uhr; die
Thür hinten, die zur Küche führt,'|st geöffnet, und man sieht den Meister,
wie er eine Masse bezeichneter Papiere auf den brennenden Heerd wirft,
«ler Meisterin zur grossen Freude; vorn sitzt der-arme Juiige brütend am

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i

Berichte,"^ Kritiken, Erörterungen.

Arbeitstisch, von rohen Gesellen verhöhnt. — Freiheit! Hausdächer mit
Schornsteinen, vom Monde beschienen. Aus dem Bodenfenster des vor-
deren, an dem eine Leiter lehnt, steigt unser Freund mit Bündel und
Wanderstab hervor. — Schule. Das Glück hat ihn günstig geführt. Er
befindet sich in der Zeichenklasse einer Kunstschule und studirt an dem
Kopfe des Laokoon: es wird ihm sehr sauer, man sieht all seinen Mienen
und Geberden das noch Unentwickelte an; doch liegt in seinem Gesichte
Etwas, das seine künstlerische Ausbildung nicht bezweifeln lässt. Der
Lehrer, mit einem Lehrergesicht comme
il faut, muss ihn gründlich zurecht-
weisen. — Selbstkampf. Die Züge im Gesicht wollen sich entwickeln,
aber freilich geschieht das nicht ohne Mühe und Noth." Er sitzt in seinem
Bodenstübchen vor der Staffelei'; verdrossen vor sich niederstarrend, die
Hände krampfhaft ineinandergepresst. Zornig verlässt ihn ein älterer Künst-
ler, dessen Rath er kein Gehör geben kann. — Liebe. Es ist eine Kirche;
ein zartes, etwas sentimentales junges Mädchen kniet vor dem Bilde einer
Mater dolorosa, das Gebetbuch in der Hand; unser Freund, ein zierlicher
Kurtka, steht staunend hinter ihr. — Luftschlösser. Sie und ihre alte
Mutter leben vom Spinnen; er ist bei ihnen und hat den Arm um sie ge-"
schlangen, indem er ihr die schönsten Dinge vorschwatzt; seine Umarmung
hat etwas Gezwungenes. — Wirklichkeit. Es ist wieder, wie auch-im
Vorigen, eine Dachwohnung. Durch die geöffnete Thtir sieht man im
Hinterstübchen die nunmehrige Frau, die mit ihren Kindern spielt; vorn
sitzt er vor der Staffelei, mit verbissenem Ingrimm das' Portrait einer
Dame malend, die, sammt ihrem Begleiter, aus Göthes „Künstlers Erden-
wallen" genugsam bekannt ist; beide, besonders der Herr, sind vorzüg-
liche Karikaturen. — Bis hieher sind wir den Lithographieen mit Liebe
gefolgt; wenn auch hin und wieder eine Figur etwas zu kurz gerathen,
wenn, auch die letzten Bilder nicht mehr mit dem sorglichen Fleiss aus-
geführt waren, wie die ersten, so haite sich doch in allen Gompositionen
eben so viel Laune wie Gemüth gezeigt, und überhaupt ein Ganzes, das
eben so besonnen eingeleitet, wie fortgeführt war. Nun fehlt aber das
Resultat aller bisherigen Bestrebungen, der eigentliche Licht- und Silber-
blick des Künstlerlebens. Das folgende Bild enthält sein Ende, das letzte,
grössere den Nachruhm, — die vollständige Scene aus Göthe's „Apo-
theose des Künstlers", wie sein Bild'in der Gemäldegallerie aufgestellt,
von Fürst, Kennern und Künstlern bewundert und schwer bezahlt wird:
Es fehlt die erste Scene des Göthe'schen Gedichtes, wo der Künstler in
dem Genüsse der eignen Begeisterung'schwelgt; es fehlt, was ungleich
höher ist, die Darstellung des Bewusstseins, durch die Kunst, wenn auch
im engsten Kreise, erbaulich gewirkt zu haben. Dies Bewusstsein gerade
bildet die wahre Kraft zum Widerstande gegen alle Leiden trübseliger
Wirklichkeit, wenn auch der Körper unterliegt; es hält den wahrhaften
Künstler in allen Drangsalen aufrecht, während nur der hochmüthige
Handwerker, der nicht zur Kunst berufen war, erliegen kann; es ist mehr
als Jener eitle „Nachruhm." Denn für die Bildergallerie' malt schwerlich
der ächte Künstler; sein Werk soll lebendig ins Leben greifenl.

Abgesehen also von dem mangelnden, oder, wie er vorliegt, unange-
nehmen Schlüsse, gehört das Werk unter die erfreulichsten Erscheinungen
4er Art; es ist dem Künstler
alle Aufmunterung zu wünschen, damit er
auf dem eingeschlagenen Wege' fortfahren und sein schönes und eigen-
thümliches Talent immer freier ausbilden möge, um so mehr, als er sich,

Ü8

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per Krieger mit seinem Kinde, 69

was die Technik der Federzeichnung auf Stein anbetrifft , bereits vollkom-
men gewandt und ein löbliches Verständniss der Form zeigt. Wir rathen
ihm für etwanige künftige Bilderreihen, "solche in Bezug auf vorhandene
Dichtungen zu' entwerfen, und möchten ihm unter letzteren etwa den
„Peter Schlemihl^' von A..v. Chamisso (zu dem der Engländer Cruikshank
zwar bereits Zeichnungen geliefert), vornehmlich aber den „Taugenichts"
von J.
V, Eichendorff vorschlagen. Die ersten Blätter des vorliegenden
Heftes sind, was'die darin ausgesprochene Gemüthlickeit betrifft, vollkom-
men dem Ton der letztgenannten unvergleichlichen Novelle entsprechend.

Der Krieger mit seinem. Kinde Gemalt von Hildebrand, rithogr.
von Wildt, Gedr. im Lith. Inst. v. L. Sachse & Comp, durch Betndt.

. _ (Museuin 183d, No. 3.)

Das Bild von Hildebrand, ein rüstiger ritterlicher Krieger, der am
Fenster seines engen Stübchens sitzend, seinen Knaben auf dem.,Schooss
hat und mit ihm scherzt', gehört durch Idee und Ausführung zu den allei*-
trefflichsten Meisterwerken der neuern Zeit. Dieser Gegensalz der still
gemüthlichcn Freude des Yaters gegen das wilde, glänzende Reiterleben,
oder vielmehr die Verbindung beider,'' bildet einen so tiefsittlichen Inhalt,
die Auffassung desselben ist so rein und-heiter, die Darstellung so reizend,
die Technik so durchaus meisterhaft, däss es weiter nicht befremden darf,
wenn das Bild ein allgemeiner Lieblingsgegenstand des Pubjiikums gewor-
den ist. Es war daher ein vielfach geäusserter Wunsch des letzteren, dass
dasselbe durch' eine genügende Lithograjphie dem täglichen Genuss zugäng-
lich gemacht werden, möchte. Diesen. Wunsch erfüllt die vorliegende-Li-
thographie, welche sich den besseren Arbeiten der Art vortheilhaft an-
schiiesst. Die Zeichnung zeugt von einem guten Verstandniss des Originals
und giebt dessen Eigenthüi3ilichkeit"en" mit^Sorgfalt wieder; die Arbeit ist
sauber und'geschickt, weich in den zarteren Partieen des Bildes (besonders
den nackten Theilen des^Knaben), kräftig und entschieden in den andern;
das Ganze hat Farbe und yornehmlich eine glückliche Harmonie der ver-
schiedenen Töne. Nur die etwas ängstliche Zeichnung der Locken,, sowohl
am Kopf des Knaben, als an dejn desVatersscheint uns störend. Der
Druck ist ausgezeichnet Und entspricht den Anforderungen, zu denen die
jüngsten Leistungen der Sachse'schen Steindruckerei uns berechtigt haben.

Die Herausgabe dieser Lithographie ist um m erfreulicher, tals sie
gleichzeitig mit einer andern, die nach einer von'Hm. Grünler aus der
Erinnerung gemalten Kopie des Hildeb'rand'schen Bildes angefertigt und
von Hrn. G. E. Müller verlegt ist, erschien und deren tible Wirkung auf-
gehoben hat. -Die letztere giebt den aus derselben Fabrik hervorgegan-
genen Lithographieen der - ^,gefangeuen Juden" "nach Bendemann'und. des
trauernden Königspaates" nach Lessing nichts nach, übertrifft vielmehr
noch diese Meisterwerke einer gemeinen und abgeschmackten Auffassung.

WirftMhi

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Berichte, Kritikeu, Erörteniiigeu.

70

Ex koo beatam me dicent omnes *generationes. fjLi/c./. "48J Marienbild
aus der Anbetung der heil, drei Könige, Frescogemälde in der
Allerheiligen'-Kapelle in München, voni H. Hess, Professor. Gest. von
H. Merz in München. Gedr. von H. Feising in Darmstadt.

(Museum 1834, Nü. 6.) ' ^

ri-

LF

lA

Es ist in neuerer Zeit wohl manchmal Klage darüber geführt und es
ist auch manch ein spottendes Wort laut geworden, wenn Künstler, von
den Wundern des wiedererweckten Mittelalters berauscht, sich diesem
übermächtigen Eindruck willig hingaben und in ihren Werken die Formen
und Typen jener Zeit nachzubilden suchten. Der Erfolg hat freilich Klage
und Spott zumeist gerechtfertigt; jedoch nur, insofern er die subjektive
Schwäche jener Künstler herausstellte, die entweder am Mittelalter gerades
Weges zu Grunde gegangen sind'oder, aus, Furcht vor Letzterem, sich auf
ein Gebiet geflüchtet haben, wo sie vielleicht durch Nachahmung brillan-
ter Aeusserlichkeit die Menge bestachen, das Wesen indess so wenig wie
dort zu erfassen im Stande waren.

Heinrich Hess gehört nicht zu jenen Künstlern.,Denn wenn es immer-
hin Gestalten des Mittelalters sind, die er in seinen Bildern hervorge-
rufen, so ist er doch der Meister, welcher diese Formen in seiner
Gewalt hat und nicht, umgekehrt, von ihnen beherrscht wird. Zu solcher
Meisterschaft ist aber ein reiner Sinn, und ein ernster Wille nöthig, was in
den Werken Jener vermisst wird, die statt dessen nur ein blödes Umher-
lappen und nur eine pfahlerische-Eitelkeit kund geben.

Es sind wundersame-Schätze, die Heinrich Hess aus den Tiefen des
Mittelalters emporhebt! Ich kenne die Gestalten jener Zeit gar wohl; ich
habe oft in den dunklen Krypten halbverloschene Wandgemälde oder in
Bibliotheken die Miniaturen, verknitterter Pergamente -nachgezeichnet;
aber das Starre, Mumienhafte konnte meine Phantasie diesen Gestalten
nicht entnehmen und es schien mir ein trüber Druck auf jener ganzen,
sonst doch so reichen Zeit zu lasten. Erst als ich in die Allerheiligen-
Kapelle zu München trat, und in den Fresken und Cartons von Hes^ die
Urbilder jener Formen sah, schloss sich mir ihr inneres Wesen deutlicher
auf; Hess hat ihnen eine lebendige Seele .einzuhauchen gewusst. •

Das aber ist allerdings eine andre Frage, ob diese Erneuung des
Mittelalters'nun auch wahrhaft im Geist und Bedürfniss unserer Zeit sei,
ob daraus sich ein gemeinsam gültiger Kunststyl für letztere entwickeln
könne? Dies, glaube ich, müssen wir mit Nein beantworten. Es sind uns
nicht — weder darin , noch -überhaupt —* künstlerische'-Typen aus der
christlichen Urzeit überliefert; und wie das vierte und fünfte Jahrhundert
die heiligen Gegenstände vollkommen ide^l behandelten, wie das Mittelalter,
nach vernichtenden Völkerstürmeii, mühsam nach einer festen Gestaltung
des Gedankens rang, wie die grossen Reformatoren des Cinquecento den
Gedanken von dem hemmenden Gewicht archaistischer Typen befreiten,
so sind auch wir nur auf die Stimme in unsrer-eigenen Brust angewiesen.
Das Mittelalter aber ist ein Andres als unsere Zeit. '

Das vorliiegende Blatt stellt die heilige Jungfrau dar, auf alterthüm-
lichem throuartigem Sessel sitzend, und das Christuskind auf ihrem Schoosse.

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'I Der lange Markt in Danzig. 71

f Sie ist in dem früher gebräuchlichen Matronencostümr einem langen ünter-
^ gewande und einem weiten Mantel, letzterer nach Art einer priesterlichen
Casula, wie es da^ Mittelalter liebt, um den Oberleib geschlagen, das Haupt
'* mit einem Schleier bedeckt. Das Christuskind ist nackt; es sitzt aüf einem
i; Kissen, dem^ Beschauer gerade zugewandt, und erhebt die Rechte zum
Segen. Zwei" Engel halten einen Teppich hinier 'der heil. Jungfrau und
schauen zu dessen beiden Seiten hervor, Das Ganze macht, in seiner voll-
i kommenen Ruhe und Leidenschaftslosigkeit, in den einfach grossartigen
Linien des Faltenwurfes, einen hochernsten und feierlichen Eindruck. Doch
i ist auch dies, wie gesagt, ein Werk, welches wesentlich als nur dem
Mittelalter angehörig betrachtet werden muss; es-liegt eine gewisse mön-
chische Apathie in allen diesen Gesichtern, die zu unsrer lebendigeren
Ansicht des Lebens — wie wir -es doch sämmtlich meinen und fühlen —
nicht passen will.

Die Arbeit des Kupferstechers ist im "Wesentlichen nur erfreulich und
als eine wahrhaft deutsche, entfernt von allem affectirten Glanz und Flim-
mer, zu bezeichnen. Es sind einfache Striche, in gleichen Stärken und
Abständen neben einandergelegt und der besonderen Lage der einzelnen
Theile wohl angemessen; die verschiedenen Localtöne, durch ein grösseres
oder geringeres Zusammentreten zweckmässig bezeichnend; in den Schatten
verstärkt und mit, meist einfachen, Kreuzstrichen versehen," Nur'ist zu
bemerken, dass an einzelnen Lichtstellen der Gewandung die zu'wün-
schende vollkommene Gleichmässigkeit der Striche fehlt. In den Fleisch-
partieen lösen sich, nach den lichteren Stellen zu, die Striche ton einan-
der und gehen, um eine grössere Weichheit und zartere Modellirung her-
vorzubringen , in längliche gestossene Punkte über. Dies leichtere Mittel
aber, das, wie es scheint* nur mit grosser Behutsamkeit anzuwenden ist,
hat den Kupferstecher an einigen Stellen verführt, die Punkte zu sehr und
ausser dem genauen Gesetz der Strichlagen zu häufen, wodurch an mehre-
ren halbdunklen Stellen, statt der klaren Schatten einfacher oder doppelter
Strichlagen, ein verwischtes Grau hervorgebracht ist. Noch unangenehmer
wirkt es, wo diese Punkte gewissermaassen als Aushülfe und Retouche
zwischen den Strichen angewandt, sind.

Doch betreffen diese Ausstellungen nur einzelne kleinere Partieen; im
Wesentlichsten ist das Blatt mit grosser Sorgfalt^ mit Geist und Sinn ge-
arbeitet und Liebhabern sehr zu empfehlen, r

Der lange Markt in Danzig. Gemalt von Dominic Quaglio,
Lithographirt von J. Bergmann. Gedruckt im lith. Inst, v, L. Sachsc
& Comp, durch Berndt. Verlag .von L. Sachse & Comp, in Berlin.

(Museum 1834, No. 8.) ' . .

Das vorliegende Blatt enthält einen Blick in das interessante Innere
einer ehemals mächtig blühenden norddeutschen Stadt. . Hohe und schmale
Giebelhäuser im Styl des siebzehnten Jahrhunderts, meist nur -zwei Fen-

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I

Berichte, Kritik«D, Erörterungen.

WPIWPSW

i-

I
t

72

ster breit, mit Treppen und Terrassen vor den Thören, umgeben den Markt.
Auf der einen Seite desselben ist der berühmte Artushof (die Börse), mit
hohen und weiten gothischen Fenstern, dazu sich die korinthischen Pilaster
des Obergeschosses und die ägyptischen Obelisken auf den Giebeldecken
seltsam ausnehmen. Nicht weit davon ist das Rathhaus in gothischem
Styl, mit seinem himmelhohen Thurme, der alle Kirchthürme der Stadt
überragt und dem Schiffer schon yon Weitem die stolze Hansestadt an-
kündigen musste. Die Lust am Thurmbau, welche dem Mittelalter so
charakteristisch eigen ist, hat sich heutiges Tages sehr verloren; wir haben
jetzt überhaupt keinen rechten Humor in der Baukunst, wir verstehen
nicht einmal mehr das Geheimniss, ordentliche, lebendig emporstrebende
Thürme aufzurichten. Der Thurm des Danziger Rathhauses erhebt sich
aus der Mitte des Gebäudes auf schmaler Grundfläche; aber an seinen
vier Ecken springen Erker hervor, die, durch herumlaufende Gesims-Bän-
der an die Masse des Thurmes fest gebunden, dem Ganzen eine grössere
Sicherheit zu geben scheinen. Sie schliessen in leichten Spitzen; zwischen
ihnen schiesst in mehreren Knoten die Spitze des Hauptthurmes empor.
Eigenthümlich ist ausserdem besonders die Verkleidung von dem Giebel
des unteren Gebäudes, welche ebenfalls durch Erker an den Seiten fest
gehalten wird. Neben dem Rathhause sieht man eine Strasse entlang, und
vor dem Gebäude steht ein lustiger Springbrunn mit einem Neptun und
andern heidnischen Figuren; der Markt ist von vielfachen Gruppen Vol-
kes, von Kindern, Bauern, Juden, Kaufleuten, Soldaten u, s. w. belebt.
Die Composition des Ganzen, ebenso wie die Ausführung der Einzelheiten
ist ansprechend, und von guter Wirkung. Auch die Arbeit des Lithogra-
phen ist erfreulich: namentlich sind bei dem wohlgelungenen Bestreben,
ein malerisch zusammengehaltenes Ganze zu liefern, die Eigenthümlich-
keiten der Architektur mit grosser Schärfe und Deutlichkeit wiedergegeben.

kj'^

Capriccio.
(Museum, 1834, No. 9.)

Unter dem Titel von Neujahrswünschen sind bei E. H. Schröder
in Berlin einige humoristische Skizzen von Adolph Schrödter in
Düsseldorf (von A. Menzel mit der Feder auf Stein gezeichnet) erschie-
nen, ein grösseres Blatt: „das entfliehende Jahr," und zwei kleinere:
„die zerbrochene Flasche" und „die gewiegten Flaschen."
Schrödter's eigenthümliche Weise, die fabelhaftesten, lächerlichsten Dinge
von den fabelhaftesten Gesellen mit vollkommenem Ernst, mit gänzlicher
Hingebung unternehmen zu lassen und dem dargestellten Gegenstände den
Stempel eines strengen, erhabenen Styles aufzudrücken, ist zu bekannt
und geschätzt, als dass es noch einer besondern Auseinandersetzung oder
Empfehlung bedürfte. Diese vollkommene Meisterschaft in der Komödie
der bildenden Kunst (im klassischen Sinne des Wortes) hat vor ihm noch
Keiner in gleichem Maasse erreicht; nur einzelnes dahin Gehörige findet

-ocr page 74-

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Berliner Werkstätten.

sich bei Jacques Gallot und bei dem jüngeren Teniers. Unter den genann-
ten Skizzen-sind es vornemlich die beiden letztgenannten, welche uns
durch einen allgemeineren Inhalt anziehen. Die „zerbrochene Flasche"
stellt einen Philosophen dar, der in den Boden 6iner solchen hineinschaut;
es scheint zwischen dem kegelartig aufsteigenden Boden der Flasche und
zwischen seiner tiefgeneigten Nase eine Art magnetischer Anziehungskraft,
ein gewisses verwandtschaftliches Verhältniss statt zu finden. Es ist eine
seltsame Karikatur; seine sehr nachdenkliche Stellung, seine unverwandte
Aufmerksamkeit, die freudige Aufklärung in seinem Gesicht zeigen es an,
dass ihm jetzt die vielgesuchte .Wissenschaft von dem Grunde des Weines
gekommen; _die Wünsche seines Daseins sind erfüllt. Das andre Blatt,
„die gewiegten Flaschen," enthält die Freuden eines glücklichen Vaters,
der neben einer Wiege kauert und ^ in derselben zwei kleine Fläschchen
sanft schaukelt; die stille Glückseligkeit in seinem Gesichte, die Freude
an den lieben Kleinen, das Träumen in eine ferne Zukunft, da ihm seine
Sorge von den Pfleglingen vergolten werden wird, sind unübertrefflich
dargestellt. Den Skizzen sind Reime beigefügtwelche das Gesagte auf
ihre Weise andeuten.

Berliner Werkstätten.-
(Museum-1834,'Nr, lL>.)

----Vor dem Thor im Grünen, auf dem Carlsbade, in der Nähe von

dem phantastisch mittelalterlichen Hause des Prof. W, Stier, liegt die
Wohnung des Prof. Begas, ebenso anmüthig künstlerisch im ftaneren aus-
gestattet, wie nach aussen mit'fröhlichen Aussichten; ein trefflichst ange-
legtes geräumiges Atelier erregt das Interesse aller Künstler. Hier.sahen
wir, seiner Vollendung fast nahe, ein Gemälde, die Aussetzung Mosis vor-
stellend. Es ist^ein reizend heimlicheir Uferplatz; die Mutter hat, wie es
scheint, dem Kinde'eben zum letzten Mal die Brust "gereicht und ist'im
Begriff, dasselbe in den Korb zu legen, indem sie es noch einmal schmerz-
voll anblickt; die ältere Schwester des Knaben, ein Mädchen von etwa
zehn Jahren, hört Geräusch und will die Mutter zur Eile antreiben; oben,
über den grünen Berghang, sieht-man die. Prinzessin mit der Schaar ihrer
scherzenden Begleiterinnen , herniederwandeln. Ueber die anmuthvolle,
sinnige Composition, Übey. dje Meisterschaft der Technik,'vornehmlich . in
der Farbe, möge das. Publikum inskünftige selbst urtheilen. Das Bild ist
zwar für den rheinisch-westphälischen Kunstverein gearbeitet; doch hoffen
wir bei der anerkannt edlen, seltenen Liberalität dieses Vereines zuver-
sichtlich, dasselbe als eine Zierde unserer grossen Herbst-Ausstellung
wiederzusehen. Ausserdem sahen wir in Begas' Atelier bereits, eine
Leinwand von bedeutenden Dimensionen aufgespannt, welche demnächst
durch eine grossartige.Composition, Kaiser Heinrich IV., als Büsser im
Burghofe von Canossa, 'ausgefüllt werden wird. Das Skizzenbuch des
Meisters ist ausserdem reich an interessanten Coinpositionen; es enthält

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

u. a. den Zug Heinrichs IV. über die Alpen; eine-Lorelei, die tiefsinnige
Sirene des. Mittelalters, welche Begas für den hiesigen Kunstverein aus-
führen wird; einen Friedrich Barbarossa, wie er, laut der Sage, noch heute
schlafend in einer Höhle des Kyffhäuser sitzt und sein Bart durch den
Marmortisch gewachsen ist; biblische Scenen, u. a. m.

Das grosse Bild von Hensel, Christus vor Pilatus, welches den Künst-
ler bereits seit Jahren beschäftigt, wird ebenfalls zur diesjährigen Aus-
stellung vollendet werden. Es ist eine sehr reiche, durchdachte Composi-
tion. Zur Linken sitzt Pilatus mit Lictoren, Römerpriestern und Abgesandten
tributpflichtiger Völker; vor ihm steht Christus, von einem Haufen jüdi-
scher Schriftgelehrten umgeben, welche in wilder Hast den Tod des Hei-
landes fordern; hinter dieser Gruppe kommt der Zug des Hohenpriesters
Caiphas, der von Knaben auf einem Palankin getragen wird und sein
Gewand zerreisst; auf der rechten Seite ist ein Thurm, aus dessen Fenster-
gitter Barrabas schaut, eine römische Wache vor der Thür. Weiber
drängen hier im Vordergrunde heran, das Blut des' Erlösers auf ihre Kin-
der herniederrufend, und nur Eine wendet sich mitleidsvoll mit ihrem
Knaben. Auf der anderen Seite sitzt, in tiefster Bekümmerniss, der treue
Zeuge Johannes. Es ist dies vielleicht das grösste Staffefeibild, welches
bisher in Berlin gemalt worden, — die Gruppen des Mittelgrundes, des
Pilatus und Christus, sind in Lebensgrösse, die des Vordergrundes also
bedeutend colossal, — und schon in dieser Beziehung, da es der Künstler
ohne Bestellung malt, ein sehr ehrenwerthes Unternehmen. Das Ganze
ordnet sich klar und verständlich, die Figuren sind edel gezeichnet, ein-
zelne Köpfe der Juden bereits vollendet und voll des bewegtesten, eigen-
thümlichsten Lebens. Ausser den Köpfen hat der Künstler besonders auch
den Bewegungen der Hände eine bedeutsame, vielfach verstärkende und
bestimmende Sprache zu geben gewusst. Möge ein gutes Geschick dies
Bild an einen würdigen, räumlich entsprechenden Ort führen, wo es als
Ganzes, sowie in seinen Theilen, wirken und genossen werden kann! ■

Im Auftrage des Königes ist durch den Verein zweier Talente,^ des
Blumenmaiers Völcker d. V. und des Historienmalers von Klöber, ein
eigenthümliches Werk entstanden: Pausias und sein Blumenmädchen. In
der Mitte des Bildes, in leicht 'griechischem Gewände, fast lebensgross,
sitzt das Mädchen; die Blumen zum Strauss zusammenfügend, die ihr von
dem Geliebten, der zu ihren Füssen sitzt und zu ihr emporschaut, hinge-
reicht werden. Vorn sind Blumen in reichster Pracht vor das Paar hinge-
schüttet, zur Seite blühen sie in voller Masse hervor und hinten im Halb-
schatten, auf einer Brüstung erhöht, steht ebenfalls eine Vase mit Blumen.
Ein Weingang auf leichten Pfeilern führt in die Landschaft hinaus. Das
sorgliche Entgegenkommen beider Künstler, das gemeinschaftliche Arbeiten
auf Einen Zweck macht nur eine erfreuliche Wirkung, und wenn die
Blumen, namentlich im Vordergründe, durch den Glanz der Farbe|vorzu-
herrschen scheinen, so siegen wiederum die Figuren durch das Gewicht
und die Ruhe der grösseren Massen. — Ausserdem sahen wir in v. Klö-
ber's Atelier eine anmuthige Composition, eine Scene aus der Jugend des
Bacchus, die er für den hiesigen Verein zu malen angefangen hat. Sodann
eine höchst grandiose Skizze: Christus auf dem Gipfel eines öden Berges,
welcher den Versucher von sich gehen heisst und dein die Engel dienen.
Sehr einfach und würdig -ist die Figur des Erlösers, indem er mit der
Linken den Versucher abwehrt und mit der Rechten empor weist; dieser,

74

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II

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■ Berliner Werkstätten. 75

ein Engel der Finsterniss, schleicht auf der,einen Seite entsetzt den Berg-
hang hinab; auf der anderen schweben drei Engel des Himmels heran.
Zwischen die Figuren hindurch blickt man auf eine reiche Stadt und eine
weite Landschaft nieder. Wir wünschen dem Künstler, dass ihm der
Auftrag zu Theil werden "möge^, diese^Composition in entsprechenden
grossen Maassen und für einen kirchlichen Zw^ck — es kann kaum ein
bedeutsameres Altarbild geben ,— auszuführen ....

' Die königl. Porzellan-Manufaktur_verdankt der energischen und
umsichtigen Leitung des dermaligeii Direktors, Herrn Geh. Oberbergraths
Frick, die neue Blüthe, zu welcher sich dieses Institut in kurzer Zeit
aufgeschwungen. Durch liberale Zuziehung künstlerischer Talente werden
die Porzellanmalereien in verschiedenem Genre, wie sie früher zum Theil
minder kultivirt waren, mit künstlerischer Vollendung geliefert. Bei einem
Besuch, den wir kürzlich diesem Institut abstatteten,'^aren es, im histo-
rischen Fach, vornehmlich Arbeiten des Herrn von Kloeber, welche wir
mit Geschick und'Glück auf das Porzellan übergetragen s'ahen; in der
Ornamentik, einem für dieses dekorirende"Fach sehr wichtigen Gegen-
stande, werden vornehmlich Muster des Herrn C. Botticher, welcher sich
vor Anderen durch geistreiche'Stylisirurig der Pflanzen in Form und Farbe
auszeichnet, angewandt. Bereits vollendet sahen wir einen Tisch, dessen
Porzellanpiatte di^rch Medaillons 'nach v. Klöber geschmückt war., in der
Mitte eine Victoria, im Kreise -umher sechs Medaillons mit Amazonen-
kämpfen: das Ganze durch anmuthig.gebildete Ornamente von Bötticher
verbunden und in trefflicher Harmonie, eine der ausgezeichnetsten Arbeiten,
welche wir bisher in dieser Art gesehen. Eine andre, Tischplatte enthielt
"in der Mitte einen Helios mit weissem Viergespann nach v. Klöber, leben-
dig aus dem blauen Grunde des Medaillons hervorspringend, umher ein
reiches Frucht- und Blumengewinde nach Völcker, beides aufs Treff-
lichste erfunden und ausgeführt und das dem Räume nach kleinere Mittel-
bild gleichwohl, durch die Energie der Farbe, glücklich über-die volle
ümschliessung vorherrschend. Eine noch, in der Arbeit begriffene Vase
wird in Kurzem ein sehr vollendetes Kunstwerk dieser Gattung darstellen;
Sie enthält, uni die mittlere Hauptmasse sich umherziehend, ein neapoli-
tanisches Winzerfest nach v., Klöber's Composition. Hier sieht man das
fröhliche Geschäft der Weinlese, das von Gesang, Tanz und Volksspielen
begleitet wird und Anlass zu den anmuthigsten Gruppen giebt; dann zeigt
sich-eine fürstliche Herrschaft, welche sich an Musik ergötzt und von
zierlichen Pagen bedient wird; Pfauen und andere Thiere wandeln da-
zwischen umher; von der ^Brüstung sieht man in die schöne Landschaft'
und über das ötille Meer hfnaus; auf der einen Seite ist Sonnenunter^gang,
auf der'anderen fiteigt der Mond am Horizonte empor. Das Ganze bewegt
sich unter einer Laube", deren leichtgeschnitzte Säulchen dasselbe in ver-
schiedene Gruppen theilen. Die Anwendung dieser leichten Architektur
ist es besonders, was uns, nächst der heitern Composition, angesprochen
hat; durch dieselbe nemlich wird überall die feste Linie des Vasenkör-
pers bezeichnet, was, bei der cylinderartigen Form des letzteren, dem Auge
eine angenehme Befriedigung gewährt". Wir glauben, dass eine solche
Einrichtung vielfach nachahmungswerth sein dürfte und Stoff zu den an-
muthigsten Erfindungen geben könnte;'wir würden für sokhe Darstellungen
vornehmlich romantische oder orientalische Stoffe empfehlen, z. B, etwa
ein maurisches Hoffest mit der zierlichen Ausbildung maurischer Arclii-

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76 Berichte, Kritiken, Erörternngen.

tektur nnd mit der heiteren Farbenpracht und edlen Lebenssitte, welche
jener glücklichen Periode einwohnt. Die Composition der Ornamente des
Unter- und Aufsatzes der genannten Vase ist von W. Stier. Im Fache
der Landschaftsmalerei entwickelt sich auf gleiche Weise, durch die thä-
tige Fürsorge des Direktors, ein mehr ^künstlerisches Leben; auch hier
bestrebt man sich, tüchtige Vorbilder mit Geist wiederzugeben; ein
glücklicher Erfolg krönt zumeist ein solches Bestreben.. "Wir sahen nament-
lich einige italienische Ansichten nach Ahlborn, welche als wohlgelungene
Copien bezeichnet .werden müssen. Heimische Gegenden, namentlich aus
der schönen Umgebung von Potsdam, fanden wir,nicht minder glücklich
dargestellt. In der Darstellung architektonischer Prospekte wird, den
mannigfachen Anforderungen hoher Käufer zu genügen, sehr thätig fort-
gefahren und auch hier zeigt sich die erfreuliche Auswahl meisterhafter
Vorbilder; so sahen wir, auf einer noch in det Arbeit begriffenen Vase
die beiden Schlosshöfe nach Gärtner, deren Originale dem Publikum von
einer der letzten grossen Ausstellungen her in gutem Gedächtniss sind:
Doch können wir uns nicht bergen, dass die zumeist übliche Vasenform
(mit geschwungenem, bauchigem Profil des Körpers) für Darstellungen der
Art minder günstig ist, indem dadurch eine dem Auge wehethuende Ver-
schiebung der Linien veranlasst wird. Im Fache der Blumenmalerei end-
lich bewährt die Porzellan-Manufaktur ihren anerkannten Ruhm, welchen
sie der langjährigen Leitung des Professor Völcker verdankt. Durch
Völcker's Bemühungen hat sich hier eine solide Schule für dieses Fach
gebildet, welche selbst in der Verzierung kleinerer Geschirre Ausgezeich-
netes^ leistet. Nur auf solche Weise ist es möglich, treffliche Arbeiten für
verhaltnissmässig geringen Preis zu liefern. • - '

In Völcker's Atelier, welches sich in demselben Lokal der Porzel-
lan-Manufaktur befindet, sahen wir, seiner Vollendung nahe, ein grosses
Oelgemälde, das der Künstler im Auftrage des Königsberger Kunstvereins,
und zwar für die öffentliche Gemälde-Gallerie zu Königsberg, malt. Es
stellt in einer Nische eine antike Vase dar, in welcher ein voller Georgi-
nenstrauss befindlich; vorn, vor dem Postament der Vase, liegen Früchte
verschiedener Art, in reicher Unordnung übereinander hingeschüttet.
Naturwahrheit im Einzelnen, Harmonie des Ganzen in der Anordnung, so-
wie in der Farbe, vornehmlich in den verschiedenfarbigen Georginen, sind
die wesentlichen Vorzüge dieses Bildes. Es ist rühmlich zu erwähnen,
dass der Königsberger Verein in Bezug auf die öffentliche Gallerie, welche
für möglichst vielseitige Kunstbildung und-Genuss eingericlitet wird, für
die verschiedenen Fächer der Malerei gleichmässig Sorge zu tragen scheint.

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Ornamentenbuch für Architekten, Decorations- nnd Stubenmaler etc, 77

Ornamentenbuch zum praktischen Gebrauche für Archi-
tekten, Decorations - und Stubenmaler , Tapetenfabrikanten
u. s. w. von C. Bottich er, Ite Lieferung (aus 6 Blättern in farbigem
Steindruck bestehend) Berlin, 1834. Verlag von George Gropius.

(Museum 1834, No. 12.) ' :

Vorliegendes Werk kommt "einem dringenden BedÜrfniss auf das
Erfreulichste entgegen, da es bisher gänzlich an Musterbildern der Art
für-die im Titel genannten Künstler und Handwerker fehlte.. Herr C.
Bottich er hat sein ausgezeichnetes und zur Meisterschaft durchgebildetes
Talent bereits früher^durch eine grosse Anzahl treflflicher Stickmuster, die
sich besonders durch Stylisirung der- Formen und feine Zusammenstellung
der Farben auszeichneten, bethätigt. Die Brauchbarkeit des Ornamen-
tenbuches erweist sich schon im ersten Heft durch die ebenso unmittel-
bare wie vielseitige Anwendbarkeit desselben, für Verzierung fortlaufender
Streifen, für geschlossene Flächen, für architektonische Gliederungen, für
Mosaiken, Tapeten u. s. w. Die Zeichnung bewegt sich überall in sehr
' reiuen und geschmackvollen Linien, die schweren Theile stehen zu den
leichter sich durch schlingenden im glücklichsten Verhältniss, die Stylisi-
rung der Pflanzenformen ist -ebenso bestimmt, wie durchaus ungezwungen;
alle Blätter endlich sind in verschiedenfarbigem Druck gegeben,-und hier
besonders ist die vollkommenste Harmonie in der Zusammenstellung der
Farben zu rühmen.' Die Verlagshandlung hat dafür gesorgt, dass schon
durch eine würdige Ausstattung der Werth des Werkes auf erwünschte
Weise bezeugt werde. Das Ornamentenbuch wird sich, unter diesen Um-
ständen , eines , ungetheilten Beifalls von Seiten der genannten Künstler
und Handwerker äu erfreuen haben, so. dass gewiss eine schnelle Folge
bedeutender Lieferungen zu erwarten steht-und das Talent des Herrn
B
Ott icher somit einen erfreulichen Einfluss auf. die weitere Bildung des
Geschmacks in den dekorativen Künsten ausüben wird. '

. ' U' m r i s s e.

(Museum'1834, No. 13.)

John Flaxman's Umrisse zu Dante Alighieri's Göttlicher
Komödie. Zweite Lieferung: - Fegefeuer.- Carlsruhe, Kunstverlag,
• . ' _ W. CVeuzbauer. -

Diese jüngst erschienene zweite Lieferung, die ,in ihrer Ausstattung
der ersten auf keine We'ise.nachsteht; veranlasst uns aufs Neue zu der
Bemerkung, wie sehr Flaxman die^ eigenthümliche Weise der "Umriss-
Composition versteht, wie er klug die,Phantasie' des Beschauers nur er-
weckt, damit dieser die nur angedeuteten Gebilde selbst vollende, und wie

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78 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

i.ii null .

er gleichwohl ein geschlossenes, in sich vollendetes Ganze, nicht eine Skizze
f für etwariige weitere Ausführung, giebt. Diese seine Meisterschaft fällt um

* so mehr in die Augen,' wenn man seine Werke mit andern Bestrebungen

unsrer Zeit vergleicht. Dahin rechnen wir z. B. die

Gallerie zu Shakspeare's dramatischen Werken. In Umrissen,
erfunden und gestochen von Moritz Retzsch. Zweite Lieferung. Mac-
beth, XIII Blätter. Mit C. A. Böttiger's Andeutungen und den sceni-
schen Stellen des Textes. Herausgegeben von Ernst Fleischer. Leipzig

und London". 1833.

Allerdings ist hier vielfach Bedeutendes und Eigenthümliches enthal-
ten, vornehmlich in den mehr phantastischen Scenen. So sind gleich auf
dem zweiten Blatt die drei Hexen, wie sie über die schottische Haide hin-
schweifen, grandios, und, in dem ernsten altflorentinischen Faltenwurf ihrer
Gewänder, in genügend tragischem Pathos gehalten; so sind in der Mord-
scene die nebelhaften Geister, ;-welche den Macbeth und die schlafenden
Hüter
Umschweifen und lautlos wehklagen, äusserst glücklich verkörpert;
so ist ferüeT, die tolle Scene in der Hexenhöhle, besonders der still hiü-
durchschreitende Zug der Könige, sehr wirksam dargestellt. Andres aber
genügt uns weniger, vornehmlich durch den, bei Gelegenheit der Umrisse
zu Schillers Glocke von uns schon gerügten Umstand, dass Retzsch sich
nur selten und nur zufälliger Weise an die strengen Bedingungen der
Composition in blossen Umrissen bindet, wodurch eben Blaxman so glück-
lich wirkt. Mancherlei Manierirtes im Einzelnen können wir ebenfalls
nicht billigen, überhaupt nicht in den üngemessenen Enthusiasmus einstim-
men, welchen, laut dem Vorworte, die Engländer für unsern Künstler hegen
und welchen wir jüngst in einem''deutschen artistischen Blatte wiederholt
fanden, darin Retzsch geradezu'neben Shakspeare gesetzt ward. Den ge-
lehrten Erläuterungen von Hofrath Böttiger genügt der Name ihres berühm-
ten Verfassers zur Empfehlung.

Derselbe Vorwurf: unvollendete Skizzen zu Gemälden statt selbstgenü-
gender Umrissdarstellungen gegeben zu haben, trifft auch das Werk eines
^ andern Künstlers, welches uns eben vorliegt:

n

Ruhl's dutlines to Shakspeare. Othello. Thirteen plates. Frauk-
fort
0. M. published by Frederick Wilmans mag'azine of arts and litera-

ture. 1832.

Auch hier schliessen sich Seiten-, Mittel- und Hintergründe an die
Handlung der einzelnen Scenen an, indem sie eine weitere Erläuterung
derselben bilden sollen, aber nur dazu dienen, die für die geringen Mittel
des Umrisses nicht immer genügend klar und plan entfalteten Gruppen
noch mehr zu verwirren. Dazu kommt noch, dass der Künstler, im Ein-
zelnen vielleicht durch das spanische Kostüm dpr Zeit verführt, wenig für
eine stylisirende Zeichnung, wie sie der Umriss nicht minder verlangt,
sorgte. Doch finden wir ausserdem weniger Manier als bei Retzsch und
einzelne glückliche, selbst grossartige Compositionen. Als Krone voB die,-
sen nennen Wir, die Ermordung der Desdemona, welche eben so einfach als
im höchsten tragischen Pathos, erfunden und gezeichnet ist.

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Englischer KupfersÜch. 79

Englischc'r Kupferstich.';
(Museum 1834, No. 15.)

Das eigentlich poetische Element in der englischen Kunst wiederholt
sich am Entschiedensten in ihrer Landschaft. Einen neuen Beweis davon
giebt uns ein jüngst erschienenes grosses Blatt, welches uns so eben vor-
liegt:
ByrorCs dream, 'painUd hy Cl*L. Eastlake. R. A. engraved by
J. F. Willmore. London, puhlished Nov. 1,
1833, by Moon etc. Es ist
eine griechische Gegend im stillen Mittage; zur Rechten erheben sich Säu-
len eines dorischen Tempels, dessen Trümmer umhergestreut liegen, zur
.^Linken blickt man zwischen Cypressen, Oelbäumen und Palmen in die
"Weite hinaus. Auf der Meerbucht iziehen weisse Segel langsam vorüber,
während sich drüben Gebirgszüge keck emporthürmen. Hohe Bäume wer-
fen erquickliche Schatten über den Vorgrund,' in denen sich Kameeltreiber
mit ihren Thieren gelagert haben; nur Einer steht als Wache vorn, über
seine Büchse gestützt. Abseits von seiiiem Gefolge liegt der träumende
Dichter. Es ist ein melanchojischer Zug in dieser schönen Landschaft, der
von dem Geiste des Dichters hineingehaucht scheint. Trefflich ist die
Arbeit des Stechers; Farbe, Liift und Licht sind aufs Glücklichste wieder-
gegeben. '' :

Doch auch im Genre bringen die Engländer mannigfach Aninuthiges
und Geistreiches hervor; hier ist es vor allen der erflndsame Wilkie, dem
man die gelungensten Darstellungen verdankt.
The pedlai- (jpainted by
D. Wilkie, E. Ä.principalpainter in ordinary to his Majesty, engraved
by James Stewart. London, published Jan,
1, 1834, by Mo07l, Boys &
Graveseto.) —
„der Hausirer", reiht sich seinen'früheren Arbeiten auf nicht
minder glückliche Weise an. Es ist das Zimmer eines wohlhaTaenden
Landmannes; Frauen -und Mädchen untersuchen die. verführerischen Waa-
ren des-Hausi'rers. Der Hausvater, der gemächlich am Fenster sitzt, sieht
aber dem Handel mit einiger Besorghiss zu; er kann den schönen Stoff,
welchen ihm sein Töchterleiri hinreicht, gar nicht so geschmackvoll finden,
wie diese. Vortrefflich- ist das Handelsgesicht des Hausirers,-sowie nipht
rninder der Ausdruck In den andern Köpfen; das Ganze ist, was allerdings
als Lob gelten darf, ohne Affectation- Der Stich ist höchst ausgezeichnet,
in grosser Sicherheit, Klarheit und Ruhe. —
Hide and Seck, painted
atid engraved by James Stewart, publ. Jan.
1, 1834, by Moon etc.',
spielende Kinder darstellend, nicht minder trefflich gestochen, zeigt Nach-
ahmung nach "Wilkie, aber wenig Sinn für Composition, und AfFectation.
Es> macht einen unangenehmen Eindruck, so bedeutende Mittel, wie sie
dieseil- Kupferstich zeigt, auf etwas so Inhaltsloses verschwendet sehen.

Mit der Historienmalerei jedoch sieht es, soviel uns davon bekannt
geworden ist, bis jetzt noch ziemlich betrübt bei den Engländern aiis.
Auch hiefür liegt uns,, unter den jüngsten Erscheinungen ihrer Kupfer-
stecherkunst, ein neuer Beweis in einem geschabten Blatte von sehr bedeii-'
tenden Dimensionen vor:'
The citätibn of Wycliffe, painted by J. S. E,
Jones, engraved by J. Egan. London,.publ. Jan,
1834, % Harding
«fe King.
Wyklefl', vor dem geistlichen Gericht, von ihtii wohlwollenden
Lords vertheidigt, eine Handlung, die aus der wirren Composition nur mit

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Mühe herausgesucht werden kann. Auf die weissen Geistlichen fällt, man
weiss nicht woher, irgend ein Rembrandt'sches, oder richtiger Martin'sches
Licht, während an andern Leuten jaur hie und da Einiges an den Köpfen
bemerkbar wird. An Charakter in den Köpfen, an Zeichnung in den
Figuren, an Styl in der Gewandung ist fast gänzlicher Mangel; der Stich
ist ausgezeichnet flau und wüst. Das Ganze ist auf den genannten weissen
Lichteffekt und vermuthlich auf die Liebhaberei der vornehmen Engländer
an kostbaren Kunstwerken berechnet. v.. .

XXIV Landschaftliche Compositionen, staffirt mit Scenen
aus Reineke Fuchs. In 4 Heften (in kl, Fol.), gezeichnet und litho-
graphirt von Carl Krüger, (Berlin, Verlag von George Gropius.)

(Museum 1834, No, 33.)

RH

Mit dem 'eben erschienenen ersten Hefte des genannten Werkes tritt
ein junger Künstler, dessen Talent zu den schönsten Erwartungen berech-
tigt, zum ersten Male — so viel wir wissen — öffentlich auf. Mögen die
wenigen Worte, die wir niederzuschreiben im Begriff sind, dazu beitragen,
die'Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf diese erfreuliche Erscheinung zu
lenken!

Reineke Fuchs ist allen Deutschen zu wohl bekannt, als dass wir
nöthig hätten, in die Trefflichkeit und den tiefen Inhalt dies wahrhafte'n
Weltgedichtes irgend näher einzugehen. Es ist dasselbe auch schon früher
zu künstlerischen Darstellungen benutzt worden. Wir erinnern die Kunst-
freunde z, B. an Everdingen's 57 meisterhafte Radirungen, welche mit
genialer Leichtigkeit, oft nicht ohne einen leichten Humor, die Natur der
verschiedenen Thiere, sowie die landschaftlichen Hintergründe darstellen.
Nur bemerken wir, was letztere anbetrifft, dass der Künstler grossen Theils
mehr dahin gesehen hat, einen anmuthigen malerischen Prospekt, als
die besondre Lokalität, welche die jedesmalige Handlung 'erfordert, an-
zudeuten. Ueberhäupt erscheint bei ihm die Landschaft in untergeord-
netem Verhältniss. Noch mehr ist dies der Fall in den 30 neuerdings von
J. H. Ramberg radirten Blättern, welche wesentlich nur die historischen
^ Momente des Gedichtes darstellen und reich an Phantasie und Humor, aber

^^ auch sämnitlich in seiner bekannten affektirten Manier ausgeführt "sind.

Ii Möge der Schweizer Disteli, der erste aller humoristischen Thierzeichner,

sein ausgezeichnetes Talent diesem reichhaltigsten Gegenstande zuwenden!
I Krüger's Absicht geht nicht sowohl dahin, die eigentliche Handlung

des Gedichtes selbst, als vielmehr dessen lyrischen, oder vielleicht richti-
^ ger: elegischen Theil darzustellen. Die Heimlichkeiten der Natur, die

stillen Plätze, wo die Thiere des Waldes und Feldes unbelauscht und un-
{ gestört ihr Wesen treiben, jenes unbewusste Weben und Schafl'en, 'dahin

noch keine menschliche Hand Gesetz und Schranke hineingetragen," das'selbe
zum mindesten nocli nicht überwunden hat, —^ dies vornehmlich ist es,
wofür er mit einem besonders glücklichen Auffassungs- und Darstellungs-

rs

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Landschaftliche Compositionen mit Scenen aus Reinecke Fuchs. 81

vermögen begabt scheint. Und wie reichen Stoff bietet ihm das -Gedicht
für Darstellungen solcher Art! Unmittelbajr zeichnet dasselbe ihm die rei-
zendsten Bilder vor: ' * '

t

Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen; <ss grünten und blühten

Fels und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken

Uebten ein fröhliches Lied die neuermunterten Yögel;

Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen,

Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.'

Wem ist dieser schönste aller Anfänge unbekannt! Doch erlaube man,
neben die Göthe'sche Ueberarbeitung die noch anschaulicheren und naive-
ren Worte des alten Originales herzusetzen:

Id gheschach up einen pynkste dach,
Dat men de wolde un velde sach
Grone staen mit loff un gras,
^ . ^ ün mannich vögel vrolig was

Mit sauge, in haghen-un up bomen;
De krüde sproten un de blomen, ' "

" De wol röken hier und dar; • -

De dach was schone, dat weder klar.

Solcher Stellen finden sich mehrere. Aber auch wo sie nicht so aus-
führlich schildern, setzen die jedesmaligen besondern Situa:tionen eine be-
stimmte landschaftliche Umgebung voraus, und gerade diese hat Krüger'mit
glücklichstem Takt, ungleich richtiger als Everdingen in seinen Hinter-
gründen, ergriffen. Die dargestellten Thierfiguren bilden gewissermaassen
den Text zu diesen Landschaften; beide stehen in nothwendigem, inner-
lichem Zusammenhange, und die Scenen des Gedichtes sind keines-
weges, wie man aus dem nicht ganz passend gewählten Titel schliessen
könnte, eine zufällige Staffage.

, Wir gehen zu den einzelnen Blättern des vorliegenden ersten Heftes über,
die kräftig und derb, aber mit grösster Sicherheit und Freiheit, mit der
Feder auf Stein gezeichnet sind. Doch erlauben wir uns noch, dem
Künstler möglichsten Fleiss in der Ausführung des Details anzurathen; es
wird vielleicht wohlgethan sein, wenn er nichi; so oft weisse, die Haltung
des Ganzen störende Flächen stehen lässt und auch die Thiere weniger
hell auf dem dunkeln Grunde absetzt. "

Das erste Blatt bezieht sich auf die Geschichte, wie Reineke, dem
Wolf Isegrim zu Liebe, im Winter mit Lebensgefahr von einem Fisch-
wagen, der des Weges herkain, Fische herabgeworfen hatte. Es ist eine
hochbeschneite Wintergegend; ein Weg führt durch einen Wald, der im
Sommer gar anmuthig sein muss; denn hier, im Vorgrunde, reckt ein Eich-
baum seine knorrigen Aeste.zum Schneedach hervor, dort stehen schlanke
Buchenstämme, weiterhin dunkle Fichten. . Schneehaufen , aus denen
unten mannigfaches Gestrüpp hervorsieht, lassen auf schönes Unterholz
und blühenden Rasen ..schliess^en. Vorn stehen Rpineke und Isegrim,
der jenem nur die .Gräten von den Fischen zurückgelassen hat. In der
Ferne wird der Wagen sogleich hinter die Stämme und Zweige auf dem

Kugler, Kleine Schririen. III. Q

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

sich windenden Wege verschwinden. Die Wahrheit in der Auffassung des
Terrains, der Stämme, der Aeste, des ganzen Baumgerippes, die Farbe
machen dies Blatt zu einem der schönsten des Heftes.

Das zweite Blatt zeigt ebenfalls eine Scene aus dem ersten Gesänge,
und zwar die, von welcher Henning der Hahn in seiner Anklage gegen
lleineke sagt:

Als der Winter vorbei, und Laub und Blumeii und Blüthen

Uns zur Fröhlichkeit riefen — —

und wie er ferner von seinem zahlreichen Geschlechte erzählt:

sie fanden

Ihre tägliche Nahrung an wohlgesicherter Stätte;

Reichen Mönchen gehörte der Hof, uns schirmte die Mauer.

■ '

Diese Mauer nun, durch deren Thor man in den tief dunk'eln Klosterhof
schaut, blickt heimlich und verstohlen durch das üppige Laub der Buchen
hervor, und ein öder begraster Fusssteig schlängelt sich durch die Stämme.
Reineke stürzt aus dem Gebüsch und erwürgt Kratzfuss, die beste der eier-
legenden Hennen, nachdem er sie zuvor als Klausner, der den festen
Frieden so Thieren als Vögeln verkündet, sicher gemacht und heraus-
gelockt hat.

Auf dem dritten Blatte sieht man in einem wilden, dunkeln, engen
Waldthale eine grad aufsteigende Felswand, von einzelnem Steingerölle und
Buschwerk umgeben. Keine Spur von gebahntem Stege führt hindurch.
Es ist der heimlich abgelegene Ort, wo Reineke's Valer, nach des Soh-
nes Anzeige, König Emmrichs Schatz verbürgen hat.

Eine hügelige, öde, sonnenverbrannte Heide zeigt die vierte Tafel.
Zwischen dürren, halbentlaubten Eichenbäumen sieht man unbewohnte
Hütten. Hier konnte Reineke keine Nahrung finden; vorn,, unter Fichten-
zweigen und Gestrüpp, liegt er für todt ausgestreckt, und Scharfenebbe, die
Krähe, untersucht eben, auf ihm herumhüpfend, ob irgend der Athem noch
einiges Leben verräth. Er wird sogleich nach ihr schnappen und ihr das
Haupt herunterreissen.

Auf dem fünften Blatte ist wieder eine Wintergegend. Ein beschneiter
Sumpf voller Rohr, Schilf und Binsenfelder. Die Ufer mit Erlen und
Weidenstämmen eingefasst; dahinter ein Gehöft. Raben umkreisen die
schlanken Bäume, auf denen man jetzt ihre Nester sieht. — Die Wölfin
sitzt jämmerlich vorn im Eise; ihr Schwanz ist eingefroren, und Reineke
läuft schadenfroh davon, als er den Wolf durch das Dickicht hervorbre-
chen sieht. -

Das letzte Blatt giebt den Ort an, wo Reineke die Wölfin verlockt hat,
sich in den oberen Eimer eines Ziehbrunnens zu setzen, um selbst aus der
Tiefe emporgelangen zu können. Er springt eben lustig hervor, nachdem
er ihr beim Begegnen zugerufen: , -

Auf und ab, -80 geht's in der Welt, so geht es uns beiden. . ;

Ist es doch also der Lauf. Erniedrigt werden die einen

Und die andern-erhöht, nach eines jeglichen tTugend. ' ■

'-SJ

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lieber die Sicherung des Miistlerischen. Eigeiitbums. .83

Es ist ein kühler, schattiger Platz. Unter einem vollen, üppig blühenden
Fliederbaume^ steht der Brunnen; daneben trennt das Gehäge den Hof vom
benachbarten,'und dahinter wögt das helle sonnige Kornfeld, aus welchem
ein trauliches Gehöft- mit seinen Strohdächern und Bäumen hervorschaut;

Ueber die Sicherung des künstlerischen Eigenthums.

(Museum 1834, No.. 35.)

Bei dem gegenwärtigen Aufschwung© der Kunst, bei der ausserordent-
lichen-Ausbildung, deren die vervielfältigenden Künste in neuerer Zeit'
fähig gewordeti sind, bei der grösseren Belebung, welche der Kunsthandel
dadurch erlangt hat, ist der "Wunsch bereits mehrfach ausgesprochen wor-
den, dass durch bestinamtere Gesetze auch bei uüs der Kunsthandel und
die damit verbundene freiere Ausbildung der vervielfältigenden Künste
mehr gesichert werden möge In Folge besondreir Anregung wagt es
der Unterzeichnete, seine Gedanken über diesen Gegenstand öffentlich vor-
zulegen.

In Bezug auf liünstlerisches Eigenthum ist der materielle Bösitz'eines
Kunstwerkes (der nur durch gemeinen Diebstahl, durch Verletzung und
dergl. gefährdet werden kann) von der im Kunstwerke enthaltenen und auf
eigenthümliche Weise ausgesprochenen Idee,^von der künstlerischen Erfin-
dung, zu unterscheiden.' Letztere kann Gegenstand eines besondern Besitzes
werden und derselbe nicht minder Beeinträchtigungen ausgesetzt sein, mit-
hin ebenfalls des rechtlichen Schutzes bedürfen. Dieses geistige Eigenthum
am Kunstwerk soll im Folgenden betrachtet werden. ^

An dasselbe knüjpft sich das Recht zur Vervielfältigung eines bezüg-
lichen Kunstprodukfes und zum Verkauf der solchergestalt gewonnenen
Nachbildiingen. Dieses Nutzungsrecht wird also für gewisse Individuen
(seien es die erfindenden Künstler selbst oder seien es diejenigen, an welche
dasselbe vertragsmässig übergegangen ist) fein Mittel zur Existenz; es wird
dessen Grund -(d. h. das Schaffen des' erfindenden Künstler^) als'Kapital
in das öffentliche Leben niedergelegt: es'enthalten somit die Eingrifl« in
dasselbe eine wirkliche Rechtsverletzung. Hiegegen ist'eingeworfen "wor-
den, dass, von höherem G.esichtspunkte betrachtet, durch die Anerkennt,-
niss eines solchen Rechtes die freie Entwickelung und der möglichst all-
gemeine Einfluss der Kunst auf das Leben gehemmt werde. Denn die
Kunst, indem sie allgefnein menschliche Interessen erfasse und reinige,
diene zu einem der wirksamsten Bildungsmittel des Volkes, eine Eigen-
schaft, welche durch die Möglichkeit der Vervielfältigung des einzelnen

*) Die einzigen, für Preussen'bisher gültigen Verordnungen über diesen
Gegenstand, vom 29. April und 28. December 1786, sicliern nur dem iinmätri-
kulirten
akadeEäiscben Künstler die recbtliche Nutzung des von, ihm erfundenen
und verfertigten Kunstwerkes, wenn solches von der Akademie der Künste zu
Berlin anerkannt worden.

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

originalen Kunstproduktes noch um ein Bedeutendes erhöht werde und
nicht beschränkt werden dürfe. Aber man hat übersehen, dass es zugleich
wesentlich darauf ankommt, in Vervielfältigungen der Art den Geist des
Originales möglichst rein zu erhalten. Gerade also die Sorge für Letzteres
liegt dem Staate ob, sofern er überhaupt die Kunst in jener höheren Wirk-
samkeit anerkennt. Und da bei dem wahren Künstler stets vorauszusetzen
ist, dass ihm zunächst daran liegen müsse, sein Kunstwerk möglichst treu
vervielfältigen zu lassen, so ist in solchem Unternehmen eben er oder der-
jenige, au welchen dasselbe vertragsmässig übergegangen, durch rechtlichen
Schutz zu sichern und zu fördern.

Indem also das geistige Eigenthum, das Recht an die im Kunstwerke
enthaltene und auf eigenthümliche Weise ausgesprochene Idee, als bestim-
mender Grund anzusehen sein dürfte, so erscheint dieses Recht gefährdet:
durch unerlaubte Vervielfältigungen jeglicher Art, mögen dieselben (wie
bei plastischen Werken) in unmittelbaren Abformungen bestehen, die nur
das äusserlichste Handwerk, etwa des Formens und Glessens, voraussetzen,
oder mögen es Nachbildungen sein, zu deren Fertigung bereits eine höhere,
sogenannt künstlerische Technik erfordert wird. Es ist hiebei die Ver-
kleinerung des Originales ebensowenig, wie, in Bezug auf plastische Arbei-
ten, die Anfertigung der Nachbildung in anderem Stoff, und wie, bei
Gemälden, die Reduction des Originales auf eine einfarbige Zeichnung
(für Kupferstich, Steindruck, Holzschnitt und dergl.) auszuschliessen. Die
unerlaubte Vervielfältigung erlaubter, durch Kupferstich, Steindruck, Holz-
schnitt und dergl. oder durch Abformungen und dergl. beschaffter Nach-
bildungen ist demuach nicht minder als ein Eingriff iu das künstlerische
Eigenthum zu betrachten; auch dürfte derselbe Fall eintreten bei der Nach-
bildung eines plastischen Werkes durch eine der zeichnenden Künste, so-
wie bei der Nachbildung eines Gemäldes, einer Zeichnung und dergl. durch
plastische Mittel. Denn, ich wiederhole es, die Eigenthümlichkeit eines
originalen Kunstwerkes besteht gerade in dem geistigen Theile der Erfin-
dung; keine üebersetzung, wieviel künstlerische Technik auch dazu gehöre,
schafft ein neues Kunstwerk; sie enthält, wenn unerlaubt, vielmehr stets
einen Eingriff in das Nutzungsrecht der Erfindung.

Aus demselben Grunde wäre es ferner als unerlaubte Nächbildung
eines Kunstwerkes zu betrachten:

1) wenn ein zweites Kunstwerk mit gewissen geringfügigen Abände-
rungen producirt würde, die das Wesentliche der Idee und ihrer besondern
Gestaltung, wie sie an einem früheren erschienen ist, nicht berührten, son-
dern nur Gleichgültiges veränderten. Erlaubt aber und nicht mehr als
eigentliche Nachbildung zu betrachten, würde ein Kunstwerk sein, welches
vielleicht die Idee eines früheren im Allgemeinen benutzte, dieselbe jedoch
anders auffasste, so dass es als ein im Wesentlichen neues Kunstwerk
erschiene; "

2) wenn nur ein Theil eines originalen Kunstwerkes nachgebildet und
vielleicht mit ähnlichen geringfügigen Abänderungen versehen wtirde; wenn
man z. B. von einem Portrait in ganzer Figur den Kopf nachbilden wollte;

1 3) wenn man mehrere vorhandene Kunstwerke, oder nur Theile der-

selben zu einem Ganzep verbände, ohne an denselben im Wesentlichen
etwas zu verändern, und ohne sie einem höheren Gesichtspunkte unterzu-
ordnen; wenn man z. B. einzeln vorhandene Portraits auf einem Blatt in
beliebiger Weise zusammenstellte.

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Ueber die Sicherung des künstlerischen Eigentburas. 85

In zweifelhaften Fällen der angegebenen Art -wiirde die Begutachtung
über erlaubte und unerlaubte Nachbildung einer besondern Behörde zu-
kommen. . .

Dass auch die Nachbildung derjenigen Kunstwerke, welche einem
öffentlichen Zwecke gewidmet sind, denselben Bestimmungen unterliegen
müsste, scheint einleuchtend; auch hier würde eine besondre Erlaubniss,
und zwar der jedesmal betreffenden Behörde, einzuholen sein, indem letz-
terer wenigstens die Sorge für das Angemessene bei Publication jener
Werke obliegen dürfte'. —

Wenn das Gesagte schon in allen Beziehungen, wo es auf den Ver-
kauf von Kunstgegenständen ankommt, seine Gültigkeit haben dürfte, so
findet es doch seine vorzüglichste Anwendung in derjenigen am meisten
ausgebreiteten Branche des Kunsthandels, welche sich eines einzelnen
Mittels (einer Form, eines Prägestocks, einer Kupfor-j Stahl-, Stein-, Holz-
platte und d^rgl.) bedient, um eine grosse Anzahl sich gleicher Nachbil-
dungen hervorzubringen. Hier ist für den rechtmässigen Verkäufer der-
Schade, welcher ihm durch unerlaubte Nachbildungen zugefügt wird, um
so empfindlicher, als er zur Beschaffung jenes besondern Vervieirältigungs-
mittels bedeutender Auslagen bedurfte, die für den Ntichbildner begreiflicher
Weise ungleich geringer sind. Ein Gemälde z. B. in einer einfarbigen
Zeichnung, und zwar kleineren Formates, wiederzugeben, in einem, nach
solcher Zeichnung anzufertigenden Kupferstich eine besondre, dem Gegen-
stande angemessne Lage der Taillen zu bestimmen, dies ist eine mühsame,
mithin kostspielige Arbeit, während die ganze Arbeit des Nachstechens
lediglich in dem Wiederholen der vorgefundnen Umrisse und Taillen be-
steht, so dass der Nachstich bedeutend wohlfeiler geliefert werden kann,
als es bei dem Originalstich irgend möglich war. Aehnlich ist das Ver-
hältniss bei den andern vervielfältigenden Mitteln, sowie nicht minder bei
der Nachbildung des einen durch das andre.

Indess ist es nicht zu läugnen, dass das Recht der Vervielfältigung,
wenn es solchergestalt die Basis eines solideren Kunsthandels geworden
ist, für das Publikum gleichwohl drückend werden könne, indem der aus-
schliesslich berechtigte Kunsthändler möglicher Weise willkürlich schlechte
und theure Nachbildungen publiciren dürfte. Es scheint soniit, um einen
Mittelweg zu treffen, am Passendsten, wenn dem Kunsthändler das Recht
der Publication eines besondern Werkes nur als Patent, äuf eine bestimmte
Reihe von Jahren, ertheilf würde. Für den Künstler selbst dürfte ein
solches Patent auf Lebenszeit, für seine Erben etwa auf dieselbe bestimmte
Reihe von Jahren Gültigkeit haben. Ein solches Patent zu erlangen, würde
der Kunsthändler einige Exemplare des zu publicirenden Werkes der- ent-
sprechenden Behörde vorzulegen haben. Die Exemplare dürften als Eigen-
thum derselben verbleiben, um daraus zugleich Samnalungen vaterländischer
Kunsterzeugnisse, vielleicht aus verschiedenen Gesichtspunkten, anzulegen.
Natürlich würde das Patent nur nach dem Nachweis über das vorhandene
Vervielfältigungsrecht ertheilt werden könhei^.

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Dichter und Maler.

- ' ■ (Museum 1834, No 37.)

Das heutige Blatt des Museums erscheint gleichzeitig mit der Eröff-
nung der diesjährigen grossen Kunstausstellung von Berlin. Da jedoch
Berichte über dieselbe füglich noch aufgeschoben'bleiben müssen, so spre-
chen wir einstweilen von einer andern Ausstellung, die ebenfalls seit Kur-
zem eröffnet ist, nämlich von derjenigen, welche der neu erschienene

deutsche Musenalmanach für das Jahr 1835, herausgegeben von
A.
V, Chamisso und G. Schwab,

für die Dichter Deutschlands veranstaltet hat. Der Zweck unsres Blatfes
gestattet es nicht. Umfassendes und Allgemeineres über das zierliche Büch-
lein zu sagen; dies überlassen wir Anderen und fassen nur die wenigen
Punkte ins Auge, welche in näherem Bezüge zur bildenden Kunst stehen.

Als künstlerische Ausstattung bringt der neue Almanach das Portrait
Gustav Schwab's, von Karl Barth in seiner bekannten, geistreich tüchti-
gen Weise in Kupfer gestochen. Hier jedoch müssen wir leider gestehen,
dass der (ungenannte) Zeichner die Züge des verehrten Dichters, wenn
auch nicht unähnlich, so doch ohne die ihnen eben eigenthümliche Beweg-
lichkeit und Unbefangenheit aufgefasst hat; es ist etwas von einer gewissen,
modisch vornehmen Haltung darin, das nicht ganz am rechten Orte zu sein
scheint. ^

Sodann begegnen wir unter der zahlreichen Menge der Dichternamen,
welche das Büchlein enthält, verschiedenen, die uns ebenso im Fache der
bildenden Kunst bekannt sind. Vor allen August Kopisch, dessen lei-
denschaftliches neugriechisches Gemälde: „Psaumis und Puras", zu den
allerbedeutendsten Gedichten der ganzen Summlung — und sie enthält sehr
würdige Dichternamen — gehört. Andre dichtende Künstler sind, »soviel
wir wissen, Karl Barth, der Kupferstecher, und Robert Reinick.

Unter der Menge der übrigen Gedichte stossen wir ferner gar nicht
selten auf die anmuthigsten Bilder, die gewissermaassen nur eine üeber-
setzung von der Lieinwand aufs Papier zu sein scheinen und die umgekehrt
dem Maler mannigfaltige Motive zu bildnerischer Darstellung geben könn-
ten. Vor Allen gehört hieher Carl Mayer. So oft wir Mayers Dichtun-
gen lasen, war es uns, als ob derselbe von Natur eigentlich zum Land-
schaftsmaler bestimmt gewesen und nur durch zufällige Umstände dahin
gebracht sei, seine Bilder mit Worten zu malen. Auch seine diesmaligen
„Reiseblätter" machen ganz den Eindruck, wie das reiche Skizzenbuch
eines Malers; eine eigenthümliche, höchst unbefangene Auffassung der
Natur Spricht aus denCgeringsten, seiner'Reime. Wir theilcn dem Leser
nur ein Paar kleine Proben mit:

R II h e p u n k t, ''

Die Alpen, silbergrau im Duft, "

Davor Fischreiher in der Luft,
Des Sees sonnig^ blaues Grüssen, — •
0 welche Welt vur meiuou Füssen!

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 87

Begen-Kffekt.

Der See erscheinet silberblaulich,

! »

Das Berggeschiebe düster, graulicli,
Bis in das "Weissliclie verregnet.
Frischgrüiier Baum, sei mir gesegnet!
Es schwimmt der Landschaft Geisterbild ,
In deinem Hintergrund
So mild. ,,

Das bedeutendste jedoch unter allen Bildern, welche der Almanach
liefert, gehört dem Fache der Thiermalere'i an. Es ist ein Beispiel, wie
Grossartiges in diesem, so oft als untergeordnet gescholtenen Fache gelei-
stet werden mag; wir empfehlen es allen wirklichen Thlermalein "zum
Studium und zur üeberse'tzung. Der Titel des Gedichtes ist „Löwenritt";
der Dichter heisst Ferdinand Freiligrath.

► • » t
Anweisung'zur Architektur des christlichen Cultus .von L.
von Klehze Königl. Bayeiischem "Wirkl. Geheimen Rathe, Hofbau-Inten-
danten und Vorstande der obersten Baubehörde Colnmandeur. und Ritter
• mehrerer Orden. Nebst
XXXtX Kupfern. München JVIDCCCXXXIII.

' , (Museum 1834,. No. 40.) ' •..

' . • « • -
Wohlgesinnte Leser dürften meinen, dass Referent im Folgenden, wo

es sich um die Ansichten und Leistungen eines hochstehenden Zeitgenossen

handelt, vielleicht in rücksichtsvollerer Weise habe schreiben, können.

Es ist allerdings eine'kritische Sache. Aber uns'dünkt, -dass man,'bei

aller Rücksicht gegen die Lebenden, doch zugleich'und noch mehr det

Hochachtung gedenken muss, welche man den grossen Todten schuldig ist,

und dass Wahrheit und Schönheit nur in sich ihr Gesetz tragen. - ' ,

Der Verfasser beginnt im Vorwort folgender Gestalt:
„Es ist eine unumstössliche, durch die Geschichte aller Zeiten bekräf-
tigte Wahrheit, dass die Architektur, ihre Ausbildung und ihr Gedeihen,
nur von dem Mittelpunkte der Staaten aus, und durch das, was v^n den
Regierungen und dem gemeinen Wesen dafür geschieht, auf eine kräftige
und belebende Art befördert werden können." Diese. Beförderung erklärt
der Verfasser einige Zeilen später,'als: „den jplastischen;Typus einer Zeit
bilden." ^^

Diesen Typus zu begründen ist der "Zweck des vorliegenden Werkes:
„T^s ist nun zwar nicht zu läugnen,-dass die praktische Ausübung und
Anwendung der Architektur und Kunst, wie sie von einer ursprünglichen
Staatsbildung stets herbeigeführt wird, hierin am kräftigsten wirkt: jedoch
bietet, bei langer Dauef eines Staates, nicht jede Zeit Gelegenheit dar,
diese praktische Ausübung nach allen Richtungen hin zu entfalten, und "wie
dann in einem oder dem andern Kunstfache nicht durch praktische Bei-
spiele gewirkt werden kann,' so treten die Lehre und das theoretische

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

^IPUllllllMIIJI UA..UUIIiUg.

Beispiel in ihre vollen Reclite ein. Diese Rücksichten nun bestimmten
das königlich bayerische Staats-Ministerium des Innern, bei welchem mir
die obere Leitung des Bauwesens oblag, schon vor mehreren Jahren, nach
dem Beispiele anderer Staaten, zunächst für den Gebrauch der Regierungs-
Behörden, so wie für die Bauverständigen und Baulustigen, eine Samm-
lung von Bauplänen zu veranstalten, welche theils für die gebräuchlichsten
<Arten von Gebäuden als Beispiele dienen sollten, theils geeignet wären,
den allgemeinen festen Begriff architektonischer Regel und Form auch in
Bayern auszubreiten."

„Ich erhielt mithin den Auftrag, ein solches "Werk über den Kirchen-
bau zu bearbeiten, um davon zuförderst mehrere hundert Exemplare un-
entgeltlich an die verschiedenen geistlichen und weltlichen Behörden des
Reiches vertheilen zu können."

Der Yerfasser erklärt hierauf — und wir sind auf jeden Fall damit
einverstanden — dass nur die „liturgische Architektur" (d. h. die für reli-
giöse Zwecke bestimmte) zu freier künstlerischer Vollendung führen könne,
dass sie „als das Centrutn aller Künste betrachtet werden müsse, welche
von ihm als Radien ausgehen." Und zwar behandelt der Verfasser die
christliche Liturgik im Allgemeinen; er findet nicht, „dass Katholicismus,
Protestantismus und einige innere Einrichtungen, wie das Inconostasion etc.
ausgenommen, sogar der griechische Gottesdienst, wesentliche architekto-
nische, sondern nur mehr dekorative Verschiedenheiten in ihrem Kirchen-
bau bedingen. Der allgemeine moralische und physische Zweck ist bei den
Kirchen aller christlichen Confessionen gleich, und Einzelheiten sollten
und mussten hier unberücksichtigt bleiben."

- In jeder Beziehung also nimmt dies Werk unser höchstes Interesse in
Anspruch: sowohl weil es den wichtigsten Gegenstand der Kunst über-
haupt behandelt, weil es das künstlerische Gläubensbekenntniss eines zu
höchster Wirksamkeit berufenen Mannes enthält, als auch weil es für die
unmittelbare praktische Anwendung auf das Leben der Gegenwart bestimmt
ist. Es ist somit unsre Pflicht, mit grösster Genauigkeit in die Ideen, die
Grundsätze und Leistungen des Verfassers, wie er.sie in Text und Kupfern
dargelegtj einzugehen. Wir folgen ihm hierin Schritt vor Schritt, zunächst
durch die einzelnen Kapitel seines Textes. —

Kapitel L Frühere Religionen und ihre Beziehungen zum

Christenthume. . r

Das Resultat, zu welchem der Verfasser in diesem Kapitel gelangt,
besteht darin: „dass der innere Geist, besonders der griechischen Religion,
so viele Beziehungen zum Christienthume hatte, dass . . ..beider liturgische
Bedürfnisse auf ein und demselben architektonischen Wege befriedigt wer-
den konnten." Wenn diese Möglichkeit vorhanden ist (unter liturgischen
Bedürfnissen scheint der Verfasser hier die Erhebung des Gemüthes durch
eine heilige räumliche Umgebung zu verstehen), so beruht sie gewiss auf
andern Gründen. Denn ein jeder gebildete Christ weiss, dass in dem
wichtigsten Punkte, in dem der Erlösung, der innere Geist des Christen-
th'ums so ausser aller Beziehung zu allen früheren Religionen steht, wie
der Himmel entfernt ist von der Erde. Doch dör'Verfasser ist Künstler:
ihn als Theologen zu beurtheilen, ist nicht unsre Sache.

..............- --------

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 89

Kapitel II. Zustand Judäa's während der Menschwerdung
Christi, und während der Ausbreitung des Christenthums.

Resultat: ^Da während dem Leben des Heilands und während der
heroischen Epoche des Christenthums . . alles Aeusserliche der Orte und
Personen griechisch und römisch gestaltet war, ; . , so muss in allen bild-
lichen Darstellungen christlicher Kunst (der Verfasser schliesst die Archi-
tektur mit ein), welche auf Wahrheit und vollkommene Harmonie des
Geistigen und. Plastischen Anspruch machen wollen, im Allgemeinen Alles,
was äussere Form anbetrifft,, nach antiker Art gebildet werden." Das
heisst,. in Bezug auf die historischen Verhältnisse,'wie sie wirklich waren
und jedem Gebildeten bekannt sind (und abgesehen von der eigentlichen
Plastik, die uns hier vor der Hand nichts angeht): Da das Christenthum
in die Welt trat, als griechische'Bildung dieselbe erfüllte, da es sich in
den ersten Jahrhunderten seiner Verbreitung höchst feindlich, sodann
indifferent gegen die^Werke der Kunst (der Architektur als'Künst mit
eingeschlossen) verhielt, und da es später, ehe sich jedoch irgendwie
christliche Nationalitäten gebildet hatten, für seine liturgischen Zwecke
sich dem zufällig Vorgefundenen nur^ accomodirte ; so sind auch wir
gezwungen, auf antike Weise zujbauen. Doch der Verfasser ist Künstler:
es ist hier nicht der Ort, ihn als Logiker zu beurtheilen.

Kapitel in. Vom allgemeingültigen Grundsatze der Archi-
tektur,

Hier nähern wir^ uns schon dem eigentlichen Felde des Verfassers;
folgen wir ihm in seinen einzelnen Bestimmungen.

„Architektur im ethischen Sinne ist die Kunst, Naturstoffe zu Zwecken
der menschlichen Gesellschaft und ihrer Bedürfnisse so^zu formen und zu
vereinigen, dass die Art, wie die Gesetze der Stetigkeit, Erhaltung und
Zweckmässigkeit bei dieser Vereinigung befolgt werden, ihren Hervorbrin- ■
güngen die möglichste Festigkeit und Dauer, bei dem geringsten Aufwände
von StoiTen und Kräften gewährt." — Wie aus dieser ganz äusserlichen
Erklärung die Besonderheiten der Formen und ihre gegenseitigen Verhält-
nisse hervorgehen können, ist unbegreiflich. Nehmen wir ein Beispiel.
Die Zwischenräume, in Yclchfen die Säulen der griechischen Halle vonein-
ander abstehen, müssten, nach der Bestimmung des Verfassers, nothwendig
durch die Haltbarkeit des Gebälkes bestimmt werden. Bilden wir letzte-
res aus Holz,,so haben wir keinen Grund, die engen Säulenstflllungen
des griechischen Styles beizubehalten. Wie höchst widerwärtig aber eine
Abweichung von dieser Regel erscheint, weiss jeder architektonisch Gebil-
dete. Die Formen-in ihrer Einzelheit, namentlich Gliederungen u. dergl.,
lassen sich durch obige Angabe noch minder begründen. Ferner:

„Da aber das, was die architektonischen Formen bildet, die Gesetze
der Statik und die Baustoffe . -, , überall "-gleich sind; da überall Ftöst,
Regen und Sonnenschein abwechseln, so muss es auch für 'die*architek-

') Und zwar auf eine solche Weise accomodirte, das die liturgische Raum-
eintheilung, z. ,B. die Anordnung des Chores (w'ovou Sau Clemeute al monte
Cello zu Rom.noch ein Beispiel ist) fast ganz willkürlich vorgenommen wurde.

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

tonischc Form ein Absolutes, Objektives, für alle Zeiten und Länder Gül-
tiges geben, und nur rücksichtlich der Zusammensetzung können Ort und
Zeit eine "VerscMeclenheit bedingen." — Da die architektonischen Kunst-
formen nicht aus diesen Aeusserlichkeiten hervorgehen können, sondern
lediglich und einzig nur als ein Produkt der höheren Geistes- und Ge-
fühlsrichtung einer besondern Zeit zu erklären sind, so kann ihnen keine
absolute Gültigkeit einwohnen, sondern ihre Wahrheit, wie die einer jeden
menschlichen Produktion, stets nur eine subjektive, in unmittelbarem Be-
züge auf Zeit und Nation, sein.

Das Resultat des Verfassers ist: dass in höchs'tem Grade „und in jedem
Punkte des für unsern Zweck besonders wichtigen Einzelnen der Form,
die griechische Architektur, in ihren beiden Hauptentwickelungs-
Perioden, vor und nach Erfindung und Anwendung des Gewölbes, mithin
im eigentlichen Griechenlande und in der Römischen Weltperiode, jenem
ewigen Grundsatze entspricht." — Wer möchte die Herrlichkeit, die Voll-
endung des griechischen Bausystemes, soweit menschliches Vermögen Voll-
endetes schaffen kann, läugnen? Aber auch hier ist die Vollendung eine
subjektive, einseitige, ausschliessende. Der Gewölbebau, mit v?elchem die
Römer dasselbe vermischten, steht dazu im vollkommensten Widerspruch.
Er erfordert überall, an Säulen, Pfeilern, Wänden' welche die allmählig
emporsteigende Wölbung tragen, eine durchaus eigenthümliche Formirung
der Glieder, eine gänzlich verschiedene von jenen Architekturtheilen,
welche eine direkt abschliessende horizontale Bedeckung zu unterstützen
haben. Wie äusserlich Gewölbe und griechisches Bausystem in der römi-
sclfen Kunst verbunden waren, braucht keinem Gebildeten wiederholt zu
werden.

Doch fügt der Verfasser selbst hinzu: „Unsere Bedürfnisse, und na-
mentlich die liturgischen sind so verschieden von denen der Alten, dass
leider nur selten das Höchste was die Architektur jemals schuf: der grie-
chische Tempel in seiner Reinheit zu liturgischen Zwecken angewendet
werden kann, und die griechischen Formen einer ganz verschiedenen Zu-
sammenstellung bedürfen, um dieser Bestimmung zu entsprechen. Obwohl
uns aber die leider so sparsam erhaltenen Ueberbleibsel antiker Gebäude,
für die Art dieser Zusammenstellung nur wenig oder gar nichts als Vor-
bild darbieten, so hindert dieses doch keinesweges, dass das, was uns in
dieser Beziehung Noth thut, wieder jenem allgemeinen Grundprincipe ho-
mogen gebildet werden muss und kann, sobald dieses Princip nur erst
rein entwickelt, und in seinen Tiefen erkannt ist;" — Hierauf scheint die
einfache Erwiderung genügend: dass, wenn die gri<?chische Architektur
eine vollendete ist, auch ihre einzelnen Formen mit Nothwendigkeit aus
der besondern Zusammenstellung der Theile hervorgehen müssen, diese
Formen also nicht mehr dieselben bleiben können, wenn durch ein andres
Princip der Struktur andere Beziehungen und Verhältnisse hervorgerufen
sind. Doch wir setzen voraus, dass der Verfasser seine Ueberzeugung
mehr durch unmittelbares Künstlergefühl, als durch oberflächliches Rai-
sonnement gewonnen habe, und erwarten die in den Kupfertafeln mitge-
theiltc Realisirung seiner Ideen.

Tj ■

c •

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 91

Kapitel IV. Ueberblick der liturgisch en Bauwerke, vom Be-
ginne des Christenthuras bis auf unsere Zeiten.

Der Verfasser.beginnt mit den römischen Basiliken, welche "den Chri-
sten zuerst zum öfl'entlichen Gottesdienst eingeräumt wurden und nach
denen sie ihre ersten Kirchen bauten. Seine Absicht ist,- alle Eigenthüm-
lichkeiten der christlichen Basiliken aus den Antiken herzuleiten. Für die
Krypten (der Verf. schreibt Chpibden) findet' er schon ein Vorbild in
dem kleinen Gewölbe, welches sich unter dem Tribunal der Basilika von
Pompeji erhalten hat. Das Querschiff der christlichen Basilika findet der
Verfasser ebenfalls in der römischen: die Advokaten sollen dort gesessen
haben; —- wir bitten um Citate aus den Alten! Das eine Beispiel der
Basilika des Paulus Aemilius, das der Verfasser, nach Andrer Vorgange,
anzuführen scheint (er verschreibt sich wohl nur, wenn er „San Paolo
fuori delle mura" nennt, eine christliche Basilika des fünften Jahrhunderts!)
ist sehr ungenügend. Der capitolinische Plan (Piranesi,. Antichita Eomane
I, pl. II, 51) zeigt in jener drei Säulenstellungen vor dem Trii)unal, die
wenig Aehnlichkeit mit dem christlichen Querschiffe haben. Der Verfasser
stellt diese Meinung auf, um die Absicht jener einfach verständlichen
Symbolik, eines
Vorherrschenden Kreuzes in der Grundanlage des Gebäu-
des, um die geringste'selbständig ktlinstlerische Erfindung von Seiten der
früheren Christen wegzuläugnen; nur devoteste Verehrung des Alterthums
soll da'gelten, wo wir die Motive für unsre Bestrebungen zu entneh-
men haben. ■ ' '

Aehnlich verhält es sich mit andern Neuerungen der alten Form. Die
Kuppel über der Durchschneidung des Haupt- und Querschiffes, eine der
grandiosesten Einführungen der Byzantiner,, ist nach dem Verfasser aus
rein constructivem Grunde errichtet, lediglich um Licht für das Sanctua-
rium zu schaffen. Die ältesten Glockenthürme, sehr einfache vierseitige
Gebäude mit schlichten Arkadenöffnungen , die erst etwa mit dem neun-
ten Jahrliundert aufkommen, müssen 'den Septizonien u. dergl., namentlich
den thurmähnlichen Grabmalen, wie solche das weitentlegene Palmyra
zeigt, nachgebildet sein; . '

Hierauf erzählt der Verfasser, wie dieser »byzantinische Kuppelbau,
um die Zeit Karls des Grossen, über das Abendland verbreitet sei;"doch
habe man Unrecht, „die Kuppeln allein-als charakteristisches Merkmal der
byzantinischen Bauart' bezeichnen zu wollen, während viele anderweitige
Kennzeichen derselben ankleben. Halbzirkelförmige Gewölbe; Anwen-
dung zusammengetragener Ruin.entheile antiker Gebäude, schlechte Aus-
führung und Zusammensetzung, kleine Fenster ohne Malereien, scheinbar
beengter innerer Eaum, ein verworrenes, jedoch oft malerisches Aeusseres
fläche Pilaster ohne Knauf'oben in Verbindung mit Gesimsen tretend,
welche aus Konsolen und kleinen Bögen gebildet sind, und lange Reihe,
von Arkaden-Oeffnungen und Fenstern'durch Säulen und Säulchen ge-
trennt" — eine meisterhaft confuse Schilderung einiger confusen lom^r-'
dischen Gebäude. Die sehr bedeutsamen und geistreichen Gebäude, weiche
vornehmlich Deutschland in diesem Style besitzt, scheint der Verfasser
nicht kennen gelernt zu haben.' Gleichwohl enthalten diese seine Muster
byzantinischen Baustyles „ein weit gesunderes constructives Prjncip" als
der Spitzbogenstyl: sie sind „gewissermaassen zu einer architektonisqhen

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92 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Palingenesie geeignet." Letzteres mag der Fall sein, unter anderm schon
aus dem Grunde, dass das in ihnen obwaltende System vielleicht nirgend
zu einer klaren, harmonischen Durchbildung gelangt ist, und eine solche
auszuführen, für einen umsichtigen Architekten gewiss einladend sein dürfte.
Der Verfasser schliesst seinen Vortrag über byzantinischen Baustyl mit
der Vertheidigung dieser seiner gewöhnlichen Benennung, schlägt jedoch,
um historische Irrungen zu vermeiden, eine bessere Benennung als „lom-
bardischer" Baustyl vor, was in die beliebte Kategorie der sächsischen,
normannischen, friesischen, schwäbischen u, s. w. Baustyle des Mittelalters
gehört.

Der Verfasser geht nunmehr zum gothischen Baustyl über. Nachdem
er das tausendmal Wiederholte auch wiederholt, dass seine Benennung
unpassend sei und nachdem er auch andre Namen abgewiesen hat, schlägt
er zuerst vor, ihn als „mittelalterlichen Basilika-Styl" zu bezeichnen, ent-
scheidet sich aber später für die Benennung eines „christlich hierarchischen"
Baustyles. Denn seinen Grund und Wesen findet er in der kirchlichen
Hierarchie, deren Blüthe zwar etliche Jahrhunderte früher falle, was aber
nichts weiter ausmache, da zu dem üebergange von einer Kunstart zu einer
andern ein gewisser Zeitabschnitt nöthig gewesen sei. Nicht allein jedoch
in der Hierarchie an sich, sondern überhaupt in der ganzen guelfischen
Seite der grossen Kämpfe des Mittelalters zwischen Guelfen und Ghibelli-
nen (der Verfasser schreibt: Giebellinen). 'Hier könnte man billig fragen,
' in welcher Weise sich denn die Seite der Ghibellinen manifestirt habe?

wir finden auch auf dieser nur Gothisches. Uns scheint es vielmehr, als
ob die gesammte gothische Baukunst, gleich so vielen andern grossen Er-
scheinungen des Mittelalters, namentlich der bedeutsamen Bildung der
! Städte, und in nächster Beziehung mit letzterer, — als ein Produkt, her-

vorgegangen aus jenen Kämpfen, zu betrachten ist. Dies weiter auszufüh-
^ ren ist hier nicht der Ort. Ebenso übergehen wir die Spitzfindigkeiten,

mit welchen der Verfasser seine Meinung zu bestärken oder Schwierigkei-
ten zu umgehen sucht. . .

Wichtiger jedoch, als diese geschichtliche Ansicht des Verfassfers, ist
t/ seine gänzliche Verwerfung des gothischen Baustyles. Zwar giebt er dem-

selben „Grossartigkeit der Conception", „grossen Sinn für Form und Ver-
hältnisse" zu, aber er nennt dies einen „Aufwand an Verstand, um den
Mangel an Vernunft wieder gut zu machen", eine „künstliche, nicht kunst-
gerechte Construction" u. s. w. Die Profllirungen und Vertiefungen (will
sagen: die Gliederungen) der Säulen (will sagen: Pfeiler) seien angewandt,
um ihrer Schwere den Schein von Leichtigkeit zu geben; eben so bei den
Gewölben jene künstliche, phantastisch geformte Verrippung (die bekannt-
^ lieh jedoch erst bei einer gewissen Ausartung des Styles eintritt). An die

4' Strebepfeiler und Strebebögen sei wiederum eine unendliche Arbeit yer-

■ schwendet worden, um ihren wahren Zweck zu „bemänteln" u. s. w. — Ist

es glaublich, dass einem architektonisch gebildeten Manne jener klare
' Organismus hat entgehen können, welcher, versteht sich, bei den der Blüthe-

F^'' zeit dieses Styles angehörigen Gebäuden so augenscheinlich heraustritt ?

Der Raum dieses Blattes und der eigentliche Zweck, den der Verfasser im
Auge hat, erlauben uns auch hier nicht, im Detail zu antworten; wir ver-
weisen statt dessen auf die jüngst erschienenen „Niederländischen
Briefe von Karl Sehn aase," worin dieser Gegenstand bereits aufs
Gründlichste und Geistreichste abgehandelt ist. Genug, wir theilen die

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 93

Meinung der Edelsten unsrer Zeit: dass der gothische Baustyl in eich, in
seiner eigenthümlichen Ausbildung des Kreuzgewölbes, eben so vollendet
und abgeschlossen, von gleicher subjektiver Wahrheit und Gültigkeit ist,
wie der griechische. Die Angaben des Verfassers, -wie klirnatisch unzweck-
mässig, wie schwierig überhaupt die Structur dieses-Baustyles gewesen sei,
dürfen wir ebenfalls unberührt lassen, da man es einmal möglich gemacht
hat, solche Gebäude zu errichten und da, nach unsrer bereits ausgesproche-
nen Ansicht, es bei der Architektur, als Kunst im höheren Sinne, nur auf
die Form an sich ankommt,- dem Architekten, als Werkmeister,-aber die
besten Mittel zu deren möglicher Realisirung überlassen bleiben. Aestjie-
tische uod technische Mängel verbieten nicht die Wiedereinführung'dieses
Styles, wenn demselben nicht vielleicht der-tiefere Grund einer veränder-
ten Geistesrichtung unsrer Zeit im Wege steht. Schliesslich erkennt der
Verfasser jedoch bei den gothischen Kirchen ,das „schöne Princip eines
freien durchsichtigen innern Baumes" an, so wie namentlich die „bessere
Art, wie die Thürme mit dem ganzen, Gebäude vereinigt sind, so dass wir
hieraus Mehreres für die klassische Architektur lernen und uns aneignen
können." Wir werden sehen, wie viel der Verfasser gelernt hat.

Den Uebergang zu der sogenannten Wiedergeburt der Künste findet
der.Verfasser vornehmlich durch gewisse italienische Gebäude eines „schon
mehr gereinigten Baustyles" vermittelt, namentlich durch Orsanmichele, die
Loggia delLanzi, S.. Maria novella, den Dom und den Glockenthurm vqn
Florenz. Was er an diesen rühmt und zur Nachahmung empfiehlt: ,jdas
Streben zur Reinheit und plastischen Consequenz der Antike" (soll ver-
muthlich heissen: zur vorherrschenden'Horizontallihie), das müssen wir
jedoch bei den meisten als eine Abirrung und ein Missverständniss des in
den germanischen Ländern zu eigenthümlicher Consequenz durchgebildeten
gothischen Styles bezeichnen.

Kurze Empfehlung der-Bestrebungen des Alberti und Brunelleschi, die
wir bereitwilligst anerkennen, entschiedene Verwerfung der spätem italie-
nischen Richtung, die besonders durch den Bau der Peterskirche in Rom
begründet wurde (Michelangelo's ursprünglichen Plan wagen wir doch ein
w€nig in Schutz zu nehmen) beschliessen das reiche Kapitel. Können wir
den Verfasser somit weder als Historiker noch als Aesthetiker anerkennen,
so dürfen wir gleichwohl auch auf diese Punkte kein weiteres Gewicht
legen. Der Verfasser ist Künstlet; und um das zusein, bedarf es .weder
der Historie noch der Aesthetik. • . '

Kapitel V. Erfordernisse des christlich-liturgischen Baues.

Der Verfasser unterscheidet die eigentlichen Kirchen von den kleine-
ren religiösen Monumenten. Für erstere stellt er gewisse äussere Erforder-
nisse auf, die im Einzelnen ganz Zweckmässiges enthalten. Sie bestehen
kürzlich in Folgendem: ' . ' ,

1) Ein einfacher Grundplan, möglichst frei im Innern, akustisch und
so angeordnet, dass man von allen Plätzen des inneren Raumes auf das
Presbyterium oder den Häuptaltar hinsehen kann. Diesem scheine der
Plan der Basiliken am besten- zu entsprechen. (Warum andre Pläne, wie
die des Kreuzes, des Vielecks, des Kreises, ausgeschlossen seien, wird nicht
gesagt.) 'Sodann verlangt der Verfasser vor dem Eingange ein Vestibulum

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94 Berichte, Kritiken, Erörterniigeu.

oder Vorplatz, sowie die Sakristeien und andern nöthigen Räume mit
einbegriffen in dem Plane des Ganzen.

Für die Kanzeln 'schlägt der Verfasser an einer andern Stelle vor,
deren zur Seite des Hochaltars, innerhalb (?) oder neben der grossen Nische,
anzubringen oder zu-beweglichen Redebühnen seine Zuflucht zu nehmen,
die man an beliebiger Stelle aufschlagen könne. Letzteres scheint uns
wirklich nur eine „Zuflucht" zu sein, da bekanntlich die Kanzel in der Basi-
lika nie eine passende Stelle findet und wiederum bestätigt, wie sehr man
sich mit dem christlichen Ritus der Basilika nur accomodirt hat. Wenn der
Verfasser aber für protestantische Kirchen die Anordnung der Kanzel über
dem Altartische für die beste erklärt, so dünkt uns das hier niclit min-
der unwürdig, als es für katholische Kirchen der Fall ist.

2) Thürme zur Aufstellung der Glocken, in organischer Verbindung
mit der Vorderseite des Baues. Das Gesetz, wonach solche Thürme ange-
legt werden müssen, ist grosse Festigkeit der untern Theile, welche sich
je weiter nach oben in leichtere Formen auflöst.

3) Kuppeln, über dem Hochaltar^ sind zulässig.

4) Als Hauptform des Aeusseren wird, für Kirchen von normaler
Grösse, die einfache Masse eines Oblongums mit Giebeldache und an der
Vorderseite gehörig bezeichnetem Eingange bestimmt. Für die Fenster
wird ein Hauptstockwerk im Aeusseren gewünscht.

5) Die Fenster sind in gewisser Höhe anzubringen. Die Masse des
einfallenden Lichtes soll massig und nicht übertrieben sein. Glasmalerei,
doch nur als Ornament, ist erlaubt.

» ü) Die Kirchendecke ist nach gerader Linie zu bilden, sobald Holz:
nach einem Halbkreise, wenn Stein zu ihrer Construction verwendet wird.
Säulen werden unbedingt als innere Stützen der Kirchen angesehen: Grösse
Gewölbe auf Säulen ruhend, gelten dem Verfasser als der höchste Grad von
Vollkommenheit. Zur würdigen Auszierung der Kirchen muss jede Pracht,
Jedes Motiv mitwirken, welches uns das ganze Gebiet der Künste darbietet.

Der moralische Zweck kirchlicher Gebäude endlich, in Bezug auf die
Erweckung der Andacht, ist nach dem Verfasser nur auf dem We^ der
„gleichsam physischen Zweckmässigkeit" zu suchen und er findet denselben
vor Allem rein erfüllt in den römischen Basjliken. Bezüchtige man seine
Ueberzeugung und sein Gefühl hierin der Einseitigkeit, so spreche die
Geschichte für ihn: das Innere der Basiliken habe ja die begeisterte Hin-
gebung der Hdden des Christenthums gesehen und die Begeisterung der
Kirchenväter erweckt. Alle Achtung' vor dem künstlerischen Gefühle des
Verfassers; aber was letzteren Grund anbetriß't, so könnten wir Berliner
mit gleichem Rechte etwa so argumeutiren: Weil Schleiermacher, dieser
grosse Lehrer der evangelischen Christenheit, Prediger an der Dreifaltig-
keitskirche zu Berlin war, so ist dieselbe als eine Musterkirche für evan-
gelische Christen anzusehen. Wer den Bau dieser Dreifaltigkeitskirche
kennt, dürfte hierin vielleicht nicht ganz einstimmen.

f ijf'

Einige allgemeine constructive Bemerkungen, über die Zweckmässig-
keit antiker Architektur auch im Norden, beschliessen das Kapitel.

Gehen wir nunmehr zu dem wichtigsten Theije dieser Kritik' über,
nämlich zu der Weise, wie der Verfasser diese Erfordernisse in den Ent-
würfen seiner Kirchen (es sind deren achtzehn) künstlerisch realisirt hat.

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 95

Wir sprechen zunächst von seinem Verhältniss zu den Vorbildern, die
er-in der Basilika und in dem antiken System überhaupt gefunden.

Die altchristliche Basilika hat in ihrer Gesammtcomposition, wie man-
gelhaft "auch das Einzelne erscheinen mag, allerdings etwas Hochpoetisches
und Feierliches. Das Mittelschiff ist der Hauptraum des Gebäudes: über
den Reihen der von Säulen gebildeten Arkaden erheben sich die Seiten-
mauern desselben und lassen durch Fenster von'genügender Grösse ein
bedeutendes Licht einfallen. Die Seitenschiffe sind insgemein niedriger,
sie erscheinen als beigeordnet und dienen, durch ihren Contrast dats Gross-
artige des Mittelraumes klar ins Auge-fallen "zu lassen. Der Hochaltar
steht vor einer grandiosen gewölbten Nische, welche das Gebäude in wür-
diger Ruhe schliesst. Noch bedeutender wird die Gesammtwirkung, wenn
vor dem Altarraume ein .Querschiff angewandt und die Verbindung' des
Mittelschiffes mit diesem durch einen kühnen, weitgesprengten Bogen (nach .
alter Weise der Triumphbogen genannt) vermittelt ist- -r- Nur die Form
jener Altarnische hat der Verfasser, in den meisten,Fällen, beibehalten;
ein Querschiff der angegebenen jCrt hat er nirgend, und ebensowenig das
eigenthümliche Verhältniss des Mittelschiffes zu den Seitenschiffen ange-
wandt. Statt der letzteren hat er zuweilen Gallerieen, die auf Säulen
ruhen, zuweilen eine zweite Säulenstellung darüber bis an die Decke : statt
eines Hauptraumes also, dessen Wirkung durch, niedrigere Nebenräume,ge-
hoben wird, kleinere Vorbauten, welche die grossartige Erhebung des
Hauptraumes verdecken oder aufheben. Bei kleineren Kirchen fallen diese
Gallerieen häufig ganz fort, bei einigen grösseren kommen andre Einrich-
tungen vor, die wir hernach besprechen wollen.

Wie der Verfasser sodann das antike Bausystem überhaupt aufgefasst,
wird sich zunächst aus denjenigen Theilen ergeben, wo er dasselbe in
unmittelbarer Nachahmung anxvenden konnte, an den Prostylen vor den
Eingängen der Kirchen. Es wird heutiges Tages, seit wir die Bauwerke
der perikleischen Zeit in ihrer Reinheit kennen gelernt haben, wohl Nie-
mand mehr in Anrede stellen, wie hoch dieselben über allen späteren,
namentlich denen der Römer stehen, wie reinV verhältnissmässig, organisch
sie durch und durch gebildet sind. Auch bei dem Verfasser (der, wie bekannt,
zugleich mit architekturhistorischen Arbeiten aufgetreten ist) zeigt sich
allerdings das Studium dieser Bauwerke. Ob aber Säuleu (dorische und
korinthische) kanellirt oder unkanellirt sind-, darauf kommt es ihm wenig
an; und doch ist eine,unkanellirte griechische Säule '— wir appelliren
an das Gefühl eines jeden Gebildeten — ein kraftloses Unding: die Kanel-
lirung ist der Ausdruck, der inneren lebendigen Thätigkeitj die in der
Säule wirksam ist, jenes herbe Zusammenziehen der Kraft, um dieselbe
ganz und entschieden dem Drucke des Gebälks entgegen wenden zu kön-
nen. Dann finden wir dorische Säulen, auf gut römisch, voii acht Durch-
messern Höhe, mit toskanischer Basis u. s, w. Auch fehlt nicht die Lieb-
lingseinrichtung des Verfassers, Zwischen die grossen ^Stufen, darauf der
Prostyl sich erhebt, ein kleines, zur Eingangsthür führendes Treppchen an-'
zulegen, wie ein solches bei. der Glyptothek zu München flicht ohne Lebens-
gefahr zu passiren ist.

Andre, der verdorbensten Römerzeit nachgebildete, ünförmen sind,
ausser der gesamnften Pilaster - Architektur, namentlich ionische Pilaster
mit den Schneckenkapitälen der Säulen; zusammengeschrumpfte Architrave,
welche nur die Hälfte des Frieses einnehmen; VerkrÖpfucgen aller Art;

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Berichte, Kritiken, Erfirterungen.

Karyatiden, die unmittelbar und ohne Kapital — im Gegensatz gegen die
schöne Anordnung bei der Karyatidenhalle des Erechtheums — ein schwe-
res horizontales Gebälk tragen, u. s. w^ _ ,

Was die Formirung der architektonischen Glieder im Detail anbe-
tritft, so zeigen sich zwar auch Hier einzelne griechische Studien, doch bleibt
der Verfasser stets in einem unerfreulichen Schwanken zwischen griechi-
scher und römischer Weise. Nur die Gestalt des Echinus erinnert an
griechische Motive, doch auch der späteren Zeit; der Rundstab erscheint
stets in^der unelastisch römischen Weise, die ihn in einem vollkommenen
Halbkreise bildete; der Rinnleisten hat ebenfalls ganz die schwerfällige
Form der Römer und trägt überdies insgemein, nach moderner Manier,
die schwere Linie des Daches, statt leicht über derselben vorzuspringen.
Ueberhaupt hat die Zusammenstellung der Glieder durchhin etwas Schwe-
res und Ungefüges; und wo der Verfasser solche ohne antike Vorbilder
versucht hat, ist sie nicht selten unorganisch, ohne Berücksichtigung der
Gesetze des Druckes und Gegendruckes, ausgefallen. Man sehe das Fuss-
gesims auf T. VI, Fig. 6, das Kranzgesiilis auf T, XXVIH, Fig. 3, u. a, m.

Ist der Verfasser demzufolge weder der grossartigen Einfalt der alt-
christlichen Basilika, noch der Reinheit und Consequenz griechischer For-
menbildung treu geblieben, so findet sich immer noch Raum genug, um
eigenthümlich und allgemeinhin Tüchtiges und Würdiges zu leisten. Sehen
wir weiter.

Was die innere Anordnung, das wichtigste Moment bei eine^christ-
lichen Kirche, anbetrifft, so haben wir gesehen, dass der Verfasser aus
den alten Basiliken die grossartige Altarnische beibehalten hat. Dies
sichert ihm für den bedeutendsten Theil der Kirche, auch wenn sie sonst
nur ein einfaches Langhaus, bildet, eine würdige Gestaltung. -Ueber das
profane Galleriewesen verschiedener Entwürfe haben wir uns ebenfalls
schon ausgesprochen. Doch müssen wir noch hinzufügen, dass der Ver-
fasser in einem Entwürfe (T. XIII) die dorischen Säulen unter dem hori-
zontalen Gebälke der Gallerie ohne allen Grund^ so angeordnet hat, dass
die Zwischenräume abwechselnd grösser und kleiner ausfallen, — noch
ein Beispiel von dem eigenthümlichen Missverständniss der Antike! - Die
würdigste Anordnung der Gallerien zeigt der Entwurf auf T. XXI. Hier
sind die Säulenstellungen, nach dem Vorgange mehrerer Italiener, durch
kräftige Bögen verbunden, während die Dekoration der oberen Gallerie
eine Nachbildung der eigenthümlichen Composition zeigt, welche Falladio
für das Aeussere der Basilika von Vicenza. erfunden "hat, jedoch vernüch-
tert und zerbrochen, indem hier die neben dem Mittelpfeiler nöthigen Sei-
tenpilaster weggelassen sind. .

Dies Galleriewesen fällt jedoch ganz fort, oder wird (in'einem Beispiel,
T. XXIII) den Hauptformen der Pfeiler glücklich untergeordnet, wo der
Verfasser gewölbte Deckeii angewandt hat. Für diese ist stets die Form
des Tonnengewölbes gewählt, eine Form, die an sich gew'iss bedeutend
und gross wirkt. Aber das Tonnengewölbe verlangt nothwendig eine feste,
horizontale Unterlage: der Verfasser lässt es dagegen überall (mit Aus-
nahme eines Beispieles) unmittelbar von den Kapitälen der Pfeiler oder
Säulen ausgehen, wodurch er zu der widerwärtigen Form der Stichkappen
verleitet wird und überhaupt jener höchst gewaltigen Gewölbmasse für das
Gefühl des Beschauers allen nothwendigeh Halt raubt^ 'Gewölbe, die un-
mittelbar von Pfeilern ausgehen sollen, müssen nothwendig die Form der

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Anweisung zur Arcbitelitur d«5 christlichen Cultus. 97

Kreuzgewölbe annehmen; der V'erfasser hätte das aus der barbarisch ge-
scholtenen gothisc|ien Baukunst lernen können, statt ganz schwankende
und ästhetisch unbegründete Formen zu kopiren. Auch sagt er selbst
früher (S. 25), ganz im Widerspruch mit dieser Anordnung: ..Gedrückte,
elyptische" (elliptische), „überhöhte und zusammengesetzte Gewölblinien wür-
den wir nie dulden, und uns -zu diesem Ausspruche .. . durch das Beispiel
der Alten berechtigt glauben, welche dergleichen Gewölblinien ... nie da
anwendeten, wo Harmonie und Einfachheit der Linien erfordert ward."

Die Ausnahme von diesen Anordnungen zeigt der letzte, bedeutendste
Kircheoentwurf des Verfassers (T. XXV). Hier sind die Säulen, welche
das grosse Gewölbe zu tragen haben, gekuppelt, oder vielmehr vier im
Quadrat zusammengestellt (um den nöthigen Widerstand gegen den Druck
des Gewölbes leisten zu können), und unter sich durch Gebälke, mit dem
nächsten Carrö durch Bögen verbunden; über diesen Bögen läuft dann ein
gerades Gesims liin, auf welchem erst das Tonnengewölbe aufsetzt. Aller-
dings eine mehr harmonische, gesetzmässige Anordnung; aber die schlan-
ken griechischen Säulen und ihre Gebälke erscheinen für das Gefühl jeden-
falls ausser allem Verhältniss zu der ungeheuren Last, die auf ihnen ruht,
und geben dem Verfasser den Vorwurf zurück, den er den grossen gothi-
schen Baumeistern gemacht hat: eines „Aufwandes au Verstand, um den
Mangel an Vernunft wieder gut zu machen." Solide Pfeilermassen, wie
sie die vom Verfasser so verächtlich zurückgewiesenen späteren Italiener
in gleichem Falle anwandtenwären hier die einzige Auskunft gewesen.
Der in Rede stehende Kirchenplan ist übrigens der einzige, bei welchem
der Verfasser ein bedeutendes Querschiif und über dessen Durchschneidung
eine Kuppel angewandt hat; von dem kolossalen Thurme, der über dieser
Kuppel errichtet ist, sprechen wir später.

Wenden wir uns nunmehr zum Aeusseren der Gebäude. Wir können
dasselbe ziemlich ohne Rücksicht auf das Innere betrachten, da der Ver-
fasser auch auf organischen Zusammenhang zwischen beidem, der z. B. in
der gothischen Architektur so bedeutsam hervortritt, wenig Rücksicht ge-
nommen hat. Namentlich finden wir öfters, dass, um passende Verhältnisse
zu gewinnen, ein Drittheil des inneren Raunies zur einfachsten Dachcon-
struction verwandt ist.

Der Verf. giebt in seinen Blättern wesentlich die Frontseiten • der
Kirchen; über die künstlerische Gestaltung der Langseiten erfahren wir
nicht viel. Einige Entwürfe zeigen Fenster von der Form eines .halben
Kreises; andre haben zwei Reihen Fenster übereinander: „Man kann sich
da oft nicht enthalten, zu fragen, in welcher Etage der Gottheit Wohnung
sei." (Eigene Worte des Verf. S. 24.) -- Wo die Frontseifen durch einen
griechischen Prostyl von grösserer oder geringerer Säulenzahl gebildet
werden, ist eine bekannte, an sich schöne Anordnung wiederholt. Bei
verschiedenen kleineren Kirchen .bildet dagegen die eigentliche Mauer des
Gebäudes die Fronte und hat dann nach oben zu entweder einen Giebel
nach griechischer Weise oder einen horizontalen Abschluss. Zuweilen
kommen Pilaster auf den Ecken der Fronten vor; wo diese jedoch ein
vollständiges griechisches Gebälk tragen, dünkt uns ein neuer Fehlgriff
vorhanden: Pilaster, im CKarakte'r ein«r griechischen Säiilenordnung ge-
halten, müssen nothwendig deren Gesetze, also auch das der engeren
Zwischenweiten, befolgen,"wenn das Gefühl des Bfeschauers nicht-verletzt

Kiigicr, Kleine Schriflen., III. ■ ' 7"

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

werden soll: sie fingiren wenigstens das System dos Säulenbaues. Zuwei-
len hat der Verf. vor das Portal einen kleinen zweisäuligen Portikus mit
griechischem Gebälk oder mit einem Bogen, letzteren jedoch ohne Wider-
lagen gesetzt; zuweilen eine offene Vorhalle im Gebäude selbst gebildet,
die durch einen grossen Rundbogen überwölbt ist. Letztere Einrichtung
gewährt häufig etwas Grandioses, erinnert im Einzelnen (z. B. T. II) je-
doch wiederum zu sehr an römische Stadtthore, die eben nichts Kirchliches
haben. In einem Beispiel (IV XIV) ist diese Vorhalle als eine grosse Nische
(mit halbkreisrundem Grundrisse) gebildet, was uns für einen Eingang
von aussen ganz unpassend dünkt, wie trefflich diese Form auch für den
Abschluss des Inneren passt; überdies kann auch die Thür, die aus dieser
Nische in die Kirche führt, nicht dazu stimmen. In einem andern Beispiel
(T. III) nimmt die Vorhalle die ganze Breite des Gebäudes ein und öff-
net sich nach aussen durch Säulenarkaden, — ein treffliches Motiv italie-
nischer , besonders mittelalterlicher Kunst, das aber hier wiederum gar
nicht mit der schwerfälligen Masse der Fronte in Harmonie gesetzt ist.

üeber die Mitte der so gestalteten Fronten erhebt sicH der Thurin,
gemeinhin ohne alle Verbindung mit dem unteren Bau, — ein sogenann-
ter Dachreiter. Bei den einfacheren Plänen ist es eine hohe, lange, vier-
eckige Masse, schwer, unverjüngt und ohne den Charakter des Empor-
strebens, den die gothischen Baumeister so trefflich zu erreichen wussten.
Den Haupttheil dieses Thurmes bildet gewöhnlich eine grosse überwölbte
Oeffnung, darin die Glocken hangen. Gesimse theilen zumeist den Thurm
in mehrere Geschosse; auch finden sich Pilaster auf den Ecken in antiker
'I Weise angewandt, jedoch in der Regel, was Breite, Höhe, Entfernung an-

betrifft, ganz ohne alles Verhältniss der Säulenordnungen, schwer und
ungeschickt. Griechische Giebel bilden auch hier gewöhnlich den Ab-
schluss. In der Mitte des Giebeldaches findet man einige Mal eine Statue
errichtet, die aber, da sie von keiner leichten Spitze in die Höhe getragen
^ wird, stets nur aus der Entfernung von einigen hundert Schritten ganz ge-

^ sehen werden kaiin. Auch kommt statt deren einmal ein Engel vor, der

an einem Kreuze flattert, vermuthlich eine künstlerisch ausgebildete Wind-
ig fahne. Ein Beispiel dieser einfachen Gebäude (T. XIII) zeigt zwei Thürme

auf den beiden Seiten, die besser zum Ganzen stimmen und auch in sich
ein gutes Verhältniss haben. Eine grosse Uhr (zwei an dem eben genann-
I ten Beispiele) nimmt ebenfalls überall eine bedeutsame Stelle ein. Ja,

■ auf einem Entwürfe ist dieser unkünstlerische Gegenstand mitten in das

r Giebelfeld des Unterbaues gesetzt und sind kolossale Ranken-Ornamente

V ^n seinen Seiten angeordnet: die Griechen, die hohen Meister des Verfas-

[' sers, stellten in die Giebelfelder ihrer Tempel die Bilder der olympischen

; Götter. Man könnte an diesen Wechsel allgemeine Betrachtungen anknü-

pfen. In den Niederlanden dient der Thurm des Stadthauses, der kühne
jj Beifried, zum Tragen der Uhr.

I > ^

') Einer solchen widersinnigeti Struktur ist der Vorwurf ebenfalls zurück-
zugeben, den der Verf. der Technik der gothisclien Baumeister macht: „Wenn
man die eisernen Anker, Schlüssel, Schleudern und Bänder sieht, wodurch das
Alles mühsam zusamruea und aufrecht gehalten wird, so kann man sich kaum
enthalten, die blinden Bewunderer solcher Künsteleien zu fragen, ob ihnen auch
ein Grotesktänzer, welcher sich und die Glieder seines Körpers durch Drähte
und Stricke in dea wunderbarsten, kühnsten Stellungen tund Verdrehungen er-
halten lässt, besser als ein griechischer Mime gefallen würde,".

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Anweisung zur-Architektur dos christliclieii Cultus. 99

zontales Gesims), und aus dem Unterbau
steigend und ebenso einfach gehalten.

Eine mehr künstlerische Ausbildung
wurf auf T. X. Hier springt das Portal
Stern, vor und trägt einen-eigenen Giebel,
zontales Gesims) hat die hübsche Form,
dass nemlich die Dachschräge an den unteren Ecken in die Horizontale
übergeht, wodurch eine angenehme Ruhe zuwege gebracht wird.^ Aber die
mit jenem kleineren Giebel parallel laufenden Linien des Hauptdaches
befolgen dies Gesetz wiederum nicht. Das Portal hat sonst noch Anzie-
hendes: in der Hauptform bildet es einen kräftigen wohlgegliederten Bogen,
der durch die schönen Pilaster und deren Gebälk zweckmässig eingefasst
wird; Rosetten schmücken die Ecken zwischen dem Bogen und der Ein-
fassung, Diese Anordnung ist neuerdings mannigfach glücklich angewandt
worden; doch stehen hier die übrigen Theile des Baues mit derselben nicht
in sonderlichem Verhältniss: die Giebelgesimse namentlich werden durch
ein schweres, barbarisches Ranken-Ornament, welches sich auf sie hinla-
gert, schier erdrückt. ■

Ein andrer Entwurf (T. XIX u. XX) hat wiederum eigenthümliche
Anordnung. „Er zeigt am Aeusseren Strebepfeiler, welche am rechten
Orte gebraucht und gehörig gestaltet, ebenfalls den Formen der klassischen
Architektur anzugehören sich eignen." Diese Strebepfeiler springen hier
in kurzen Zwischenräumen rings aus der Mauer hervor; aber sie haben
nicht, wie die gothischen, ein« selbständige Entwickelung; vielmeht kröpft
das weitausladende Hauptgesims um sie herum und heisst jsie geduldig der
alten Schulordnung folgen. Doch abgesehen davon: Strebepfeiler haben
stets etwas Imposantes: sie streben,ringen an gegen irgend einen von
innen herausströmenden Druck: ein mächtiges Gewölbe muss solchen
Widerstand hervorgerufen haben! Aber der Verfasser lacht sich über unsre
ästhetischen Schlussfolgerungen ins Fäustchen: er hat die Kirche innen
flach mit Brettern gedeckt. Zwischen den Streben laufen, im oberen Theil
des Gebäudes und unter dem Gebälk, kleine Pfeilerstellungen hin, zwi-
schen denen die Fenster befindlich sind; eine tüchtige Anordnung, nur
nicht kirchlich. An den Ecken des Thurms steigen die Streben ebenfalls
stolz in die Höhe und dienen oben' kleinen Figürchen zum Postament.
Dann folgt ein kurzes Obergeschoss, das für ein Schlossportal ganz zweck-
mässig wäre.

Zierlichere Thürme gestaltet der Verfasser auf die Weise, dass er ein
griechisches Tempelchen über das andre setzt, jedes obere von geringerer
Grundfläche als das untere. Doch scheint uns, als ob. eine solche Compo-
sition eben nichts enthalte, als einen Tempel über dem andern: ein
Thurm aber soll füglich ein Ganzes sein und ein Theil mit Nothwendig-
keit aus dem andern hervorgehen. Das Hauptbeispiel dieses „Septizonien"-
Thurmbaues enthält T. XXII; es macht sich folgender Gestalt. Zu unterst
ein grosser sechssäuliger Portikus; darüber, in der Breite der vier mittle-
ren Säulen, eine quadrate Masse mit zwei Pilastern auf den Ecken und
reichem Gebälk; darüber wieder eine Säulenhalle mit je sechs Säulen,

Einige Entwürfe (T. IV und V), die wir zu den besten des ganzen
Werkes zählen, sind der Anordnung italienischer Dorfkirchen nachgebildet.
Die Mauer des Unterbaues ganz einfach, nur mit ausgezeichnetem Portale,
die Schräge des Daches als genügende Begränzung nach oben (ohne hori-

der Thürni unmittelbar empor-

dieses Princips zeigt der Ent-
ein wenig, rhit kräftigen Pila-
Letzterer (ebenfalls ohne hori-
die in Italien nicht selten ist,

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über dera Gebälk eine holie Attika; darüber, in der Breite der vier mitt-
leren Säulen, eine kleinere Wiederholung jener quadraten Masse-, darüber,
um drei Stufen zurücktretend, eine Halle von je vier Säulen mit Giebel
und hohem Kreuz — o Meister Erwin von Steinbach und Gerhard von
Cöln! o Ictinus und Callicrates! o all ihr guten Geister einer vernünf-
tigen Baukunst!

Aehnlich ist eine andre grosse Thurmanlage (T. XXIV), wo der Ver-
fasser zwei Thürme auf den beiden Seiten der Fronte angenommen hat.
Da sie beide beträchtlich schlank in die Höhe gehen, so ist zur Vermitte-
lung zwischen ihnen, über dem Portikus des Einganges, noch eine grosse
Säulenhalle angelegt worden. Es kommt also ein ähnlicKes System zu Stande,
wie es Servandoni an dem Portal von St. Sulpice zu Paris bereits vorer-
fünden hat. Aber wie weit ist der Verfasser in seiner flachen Haltlosig-
keit von der derben Kraft und dem ruhigen Ernste des französischen
Architekten entfernt!

Noch ist eine grosse Thurmanlage (T. XXVII) zu erwähnen, diejenige,
die sich über der oben bereits erwähnten Kuppel erhebt. Der Verfasser
hat bei der Anwendung von Kuppeln, eine schöne Form des Aeusseren
und Vermeidung eines schweren, eiförmigen Daches geboten. Er realisirt
sein Gebot so, dass er die Kuppel, die er ohne weitere Vermittelung aus
dem Dache hervorwachsen lässt, zuerst von einem weiten Säulenkreise
umgiebt; diese Säulen treten mit verkröpftem Gebälk aus der Masse vor
und tragen Statuen auf ihrem Gebälkkropfe. Darüber, etwas eingerückt,
ein zweiter Säulenkreis mit wirklichem Gebälk und einem flachen Kuppel-
daphe b, la Pantheon, welches mit einem kleinen Monopteros als Laterne
schliesst. Da die Laterne aber in beträchtliche Höhe über der eigentli-
chen Kuppel der Kirche gekommen ist nnd letztere gleichwohl von da
erleuchtet werden soll, so zieht sich, ähnlich wie in St. Paul zu London,
aber sonst ohne allen constructiven Grund, zwischen der oberpn Kuppel
und innerhalb jener Säulenkreise ein-langer Trichter von oben bis zu den
Seiten der unteren Kuppel hernieder.

Ausser diesen eigentlichen Kirchenplänen ist noch eine Reihe von
Entwürfen zu kleineren Kapellen, Tabernakeln, Monumenten und derglei-
chen vorhanden. Auch über diese wäre noch Manches zu sagen, aber
Referent will die Geduld des Lesers nicht noch weiter erschöpfen. Im
Allgemeinen jedoch gilt auch von diesen Entwürfen dasselbe Urtheil, —
welches aus dem bisher Gesagten zusaminen zu addiren, dem geneigten
Leser, überlassen bleibt.

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Heinrich Theodor von' Schpn. Ruth und Boas. 101

Heinrich Theodor von Schön. Nach einer Zeichnung von J. Wolff
gest. von Eduard Eichens. Berlin 1834. Brustbild von etwa 8 Zoll

Breite und QYz Zoll Höhe. '

(Museum 1834, No. 41.)

In edler männlicher Haltung ist der würdige Staatsmann hier aufge-
fasst, Gesicht und Blick ein wenig, wie nachsinnend, zur Seite gewandt;
lebendig und bedeutend tritt die Goethe-Form des Kopfes aus dem Grunde,
der eine Aussicht auf Marienburger Architekturen darstellt, hervor^ Was
uns aber zunächst an diesem Blatte interessirt, ist die treffliche Arbeit des
Kupferstechers. Wir bemerken hier eine ungemein reine, bestimmte und
geistreiche Führung des Grabstichels, welche das Lehen der einzelnen Form
fühlt und eine genügeride Modellirung hervorbringt. Doch nicht Model-
lirung allein, auch die leise Abstufung der Farbentöne glauben wir wahr-
zunehmen; dies scheint uns besondrer Erwähnung werth, da der Kupfer-
stecher an den Stellen, wo veränderte, feinere Strichlagen und eigenthüm-
liche Anwendung kleinerer Striche und Punkte nöthig wurden,^ glücklich
jene unharmonischen grauen Töne vermieden hat, die bei Andern nicht
selten störend werden. Kräftig, aber ohne allen überflüssigen Glanz, sind
die Kleidungsstücke, namentlich der Pelzbesatz des Oberrockes behandelt.

Die Erscheinung dieses schönen Blattes ist um so erfreulicher, als
Arbeiten der Art, bei der Ueberfülle an Lithographieen, nur so höchst
selten vorkommen. Sie ist ein Zeugniss, dass es auch bei uns nicht an
gediegenen Talenten fehlt, um diese edelste Gattung der nachahmenden
Künste in ehrenhafter Ausübung zu erhalten.

Ruth und Boas. Friedr. Overbeck del. Ferd. Ruscheweyh

sculp. Neustrelitz 1834. '

(Museum 1834, No. 49.)

Dies Blatt ist das neuste Beispiel von Overbeck's edler und sinniger
Compositionsweise, welches durch Ruscheweyh's Stichel unserm Norden
vorgeführtL.wird. Es ist eine einfach ansprechende Scene: die Jungfrau
unter den Schnittern, in edler Gestalt erhaben, während jene gebückt mit
ihrer Arbeit beschäftigt-sind, und seitwärts auf einer Anhöhe der würdige
Herr des Feldes und der Diener, der ihn auf die Aehrenleserin aufmerk-
sam macht; letzterer eine sehr anmuthige Gestalt, an die zarten Jünglinge
auf Raphaels Jugendbildern erinnernd. Im Hintergrunde eine mannigfach
gebildete, Landschaft. Die Scene ist genreartig aufgefasst, zugleich aber
weht der Hauch einer milden, reinen Seele darüber hin, wie wir ihn
heutzutage fast nur in Overbeck's Bildern, und hier eben wahr und ohne
schwächliche Kopfhängerei finden. 'Wie angemessen die alterthümlich
schlichte Manier des Kupferstechers für'Gegenstände solcher Art ist, weiss
Jedermann; auch dies Blatt wird den Liebhabern seiner'Stichc eine sehr
willkommene Erscheinung sein.

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Rheinischer Sagenkreis. Ein Ciclus (Cyclus) von Romanzen, Balladen
lind Legenden des Rheins,, nach historischen Quellen bearbeitet von Adel-
heid von Stolterfoth, Stiftsdame. Mit Ein und zwanzig Umrissen von
A. Rethel in Düsseldorf, lithographirt von Dielmann. Frankfurt a. M.

1835. Klein Quer Fol.

(Museum 1834, No. 50.)

Wir freuen uus, in den Umrissen dieses Sagenkreises eins der tüch-
tigsten und liebenswürdigsten Talente unter den jüngeren der Düsseldorfer
? Schule in reicher Entfaltung'.kennen zu lernen. Die Art und Weise der

Darstellung schliesst sich zunächst anFührich's bekannte Compositionen
zu Tiek's Genovefa an; es ist derselbe Zug von Adel und Anmuth, die-
selbe Grundlage eines reinen und — wenn ich mich so ausdrücken darf —
i sittlichen Gefühles, welches in diesen Blättern das Auge und Gemüth des

I Beschauers fesselt. Von jener Ostentation, jenem manierirten Haschen

I nach Effekt und äusserlicher Symbolik, welches bei andern bekannten

Darstellungen der Art so häufig die innere Leere verdecken soll, ist hier
? keine Spur; zugleich aber eine so gediegene Technik, eine solche Sicher-

IIj^ heit der Formenbezeichnung vorhanden, wie sie uns kaum anders, als in

^ den wenig mehr ausgeführten Holzschnitten der Alten bekannt ist. Ge-

I sandheit und fröhliche Jugendkraft — ein Paar Eigenschaften, die in der

J he'utigen Welt nicht zu oft vorgefunden werden — sprechen sich auf jedem

Blatte aus. Wir wollen einige derselben dem Leser näher vorführen.

Das Titelblatt stellt „Rheinisches Leben" dar. Ein zierliches Ge-
< rahme, von Eichenzweigen. Reben und Epheu umwunden, trennt das Blatt

t in verschiedene Felder. In dem grösseren Mittelfelde sitzt der Sänger mit

P ' der Harfe, Gruppen von Männern, Frauen und Kindern, innig gerührt durch

den Gesang, um ihn her. Daneben, auf der einen Seite, eine schöne, lang-
, haarige Maid und der Jagdhund des Liebsten, der seinen Kopf gehorsam

^ auf ihren Schooss legt; der Jäger steht daneben und bläst mächtig ins

Horn, so dass der Schuhu über ihm vor Schreck von seiner luftigen Ranke
I beinahe herabstürzt. Drüber rankt sich der Nibelungendrache vielver-

- schlungen durch das Gezweigej er züngelt zu dem jungen Schlangentödter
empor, ^der den wohlbekannten Feuerbrand über ihn schwingt. Auf der
> andern Seite sitzen ein Paar Musikantenkobolde mit ihren Dudelsäcken in

1 den Blättern, und Vögel um sie her, von denen sie lustig verspottet werden.

^^ In dem obern Felde dieser Seite ist eine Scene stiller Häuslichkeit: eine

I junge Mutter am Spinnrocken und ein spielender Knabe zu ihren Füssen.

f Das Alles aufs anmuthigste gezeichnet und geordnet und in naivster Ara-

besken-Wahrheit durchgeführt. -

„Kaiser Heinrich der IV in Bingen." Hier sieht man den grei-
sen Fürsten., verrätherisch von den feilen Schergen seines Sohnes gefangen,
t; Gewaltig steht die alte Heldengestalt unter den Leichen der Getreuen, auf

--i den zersplitterten Reichsschild gestützt, den Arm mit grausem Fluch zu

dem Sohne emporreckend, der drüben aus dem Fenster zuschaut;, wild
flattert um ihn der entehrte Kaisermautel. Groll, Entsetzen, stumpfe Neu-
gier in den Gesichtern der umherstehenden Knechte. Nur Einer, aufs

n

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Rlieinischer Sagenkreis, 103

Schwert gestützt, wendet mitleidvoll sein Gesicht; es ist derjenige, wel-
cher dea^alten Kaiser wiederum befreien wird. ' ■ '

„Der Mäusethurm." Man sieht die Zinne des alten, verrufenen
Gemäuers, um welches ein grausiger Nachtspuk saust. Angstvoll klam-
mert sich der verfluchte Geist des Bischofes Hatto au den Steinen fest;
um ihn her sehwirren die Geister'derer, die er in Hunger und Feuers-
noth aus teuflischem Geize sterben liess, ein jammervoller, qualenzerris-
sener Chor. Hier schleppt ein Mädchen seine alte Mutter durch die Lüfte
herbei, dort hält ein junges Weib dem Bischöfe ihren-Säugling entgegen;
andre klettern und haspeln sich an den Ecksteinen des Thurmes empor.
Eine Schaar von Mäusen, die den Bischof im Leben verfolgten, umflattert ihn
auch noch hier, ünteji auf dem Rheine fährt ein einsamer Nachen vorüber.

„Der Schwesterfelsen oder die sieben Jungfrauen." Es ist
die Stelle des Rheines wo, vor dem mächtigen Felsen der Loreley, Strudel
und Klippen dem Schifl'er Gefahr drohen. Aus den empörten Wogen
schwingt sich die stolze Gestalt der verderblichen Nixe, eine Leukothea
des Nordens, empor; hoch wie eine sprützende Welle flattert ihr weiter
Mantel über ihrem-Haupte. Vor ihr tanzt das Kähnlein mit den sieben
schönen Kindern, die sich in reizendster Verzweiflung umfassen und die
Hände ringen. Die Armen sollen für ihre Stein-Herzen nunmehr selber in
Steinklippen verwandelt werden. Neugierige Hechte und Lachse stecken
ihre Häupter hervor und sehen sich den verwunderlichen Vorgang mit an.
Auch am Ufer steht ein Neugieriger, ein Poet von der romantischen Sekte,
wie aus seiner feinen Cither zu ersehen. Der Unglückliche! wie manch
ein Loreley-Lied wird er fortan singen müssen!

„Die heilige Adelhaid." Wir sehen den Chor der Abtei Vilich.
Wunderhübsche Nonnen knieen zu beiden Seiten, am Altartisch die heilige
Abbätissin, vorn die andächtigen Zuhörer: ehrliche alte Bauern, unschul-
dige kindische Kinder, und links in der Ecke, an einen Pfeiler gelehnt,
ein stolzer ritterlicher Gesell mit prächtigem verführerischem Lockenhaar.
Er sieht nach der einen Nonne hinüber und sie wieder nach ihm; sie
merkt nicht, dass sie falsch singt und dass die gestrenge Domina zürnende
Blicke auf sie schiesst und die dürre heilige Hand bereits erhebt zu dem
Backenstreich, der — wie die Legende erzählt schlechten Sängerinnen
augenblicks die richtigsten Töne einimpfte. Neben der Unaufmerksamen
kniet eine andre reizende Nonne, die gewiss nach bestem Willen richtig
singen möchte; aber es will nicht gehen. Sie hat das Chorbuch sinken
lassen und die Händchen darüber gefaltet, und erhebt das schmachtende
Auge in inbrünstiger Verzweiflung nach oben. Auch ihr wird die erflehte
Hülfe von der heiligen Hand bald zu Theil werden, — die Dichterin we-
nigstens hat es uns nicht verschwiegen.

„Roland der treue Paladin." Auf hoher Terrasse seiner stolzen
Burg Rolandseck sitzt der Ritter, tief-in sich versunken, eine schöne mäch-
tige Gestalt, deren edle Glieder von seinen einstigen Heldenthaten zeugen.
Unverwandten Blickes schaut er nieder ,auf das Nouneneiland, wo das
Kloster aus den Bäumen hervorragt und wo die Geliebte sterbend weilt.
Lautlos hängt die Harfe neben ihm, vergebens schmeichelt -ihm die treue
Dogge, vergebens mahnt ihn der fröhliche Knappe, der zu seiner Seite steht,
den Falken zu nehmen und auf die Reiherbeize hinauszureiten. Wenn
das Glöcklein im Thale verklungen ist, wird auch des Helden Sepie
gebrochen sein. . .

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104 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

„Der Bürgermeister von Cöln." Durch pfäfflschen Trug ist der
alte Bürgermeister Gryn in den Löwenzwinger des feindlichen Bischofes
gelockt. Wüthend springt ihm das Ungeheuer entgegen. Aber muthig hat
der Greis den linken Arm, init dem Mantel umwickelt, in" des Löwen
Rachen gestossen und durchbohrt zugleich dessen Herz, ohne auf die Wun-
den zu achten, die ihm die fürchterlichtin Tatzen schon in Brust und Ge-
nick geschlagen. Eine einfache, aber in trefflichstem Leben gezeichnete
Gruppe.

Diese flüchtigen Schilderungen nur als Beispiele des reichen Vor-
rathes. Der Dichterin ist Glück zu wünschen, dass sie in solcher Genos-
senschaft vor das Publikum treten durfte; aber die Umrisse sind schlimme,
etwas übermächtige Rivale ihrer Balladen. Die Ausstattung des Ganzen ist
höchst geschmackvoll und einladend.

Kynalopekomachia, Der Hunde Fuchsenstreit. Herausgegeben
von C. Fr. v. Rumohr. Mit sechs Bildern von Otto Speckter.

Lübeck 1835. '

(Museum 1.834, No. 51.)

Hr. Speckter, durch seine trefflichen Vignetten zu dem „Fabelbuche"
bekannt, hat auch für die sechs Gesänge des vorliegenden komischen Epos
sechs sauber in Stein gravirte Titelbilder gearbeitet, an welchen wif wie-
derum eine geistreichst komische Auffassung der thierischen Natur bewun-
dern. Das erste Blatt stellt den Fuchs dar, der sich vor seiner Höhle
sonnt, während die Jungen unbeholfen ihre Kräfte üben; sowie es die
erste Strophe des Gedichtes besagt:

Um Mittag, wenn es still im Feld, ~
(Weil längst der Bauer, der bestellt • •

Morgens den Acker, Ross und Mann,
Die Arbeit wohl hat abgethan
Und rastet zu Haus auf seiner Bank,
Ganz ausgestreckt die Länge lang).
Pfleget der Fuchs sehr ungezwungen
Am Thore zu scherzen mit seinen Jungen
1 Und anzusehn mit grossem Ergetzen,

^ Wie plump noch über die Gräben sie setzejj/^'^—

['. .1

Das zweite Blatt zeigt die Schaar der Hunde, die den Fuchs'umlagert
i| haben, und über ihnen, auf höherem Felssteine, den Feind, der ihnen

|i listig entronnen ist und sie verhöhnt; trefflich ist in jenen der Aerger und

äi die Verdriesslichkeit über das fehlgeschlagene Unternehmen ausgedrückt.

|i Das dritte Blatt enthält die Heimkehr der Hunde und ihre zaghaften Mie-

H nen, dem inquirirenden Schulzen gegenüber, weil während ihres Feldzuges

von Zigeunern des Pfarrers Küche ausgeräumt worden. Das vierte Blatt

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Ornamentenbuch für Architekten, Dekorations- und Stubenmaler etc. 105

stellt, meisterlichst .gearbeitet, das trügliche Freundschaftsbündniss dar,
welches die Katze mit dem Fuchs eingeht. Im fünften Blatte sieht "man
eine Menagerie ausländischer Thiere, am Waldsaume lagernd: Affen, Pa-
pagayen und den majestätischen König der Thiere, der hinter dem Eisen-
gitter -seine mächtige Stimme erhebt und dem der Fuchs fein höfliche
Worte zuspricht. Das sechste Blatt endlich zeigt die Kuhweide des Dorfs'
und die Mägde und den Hirten, der sich an seine Eieblingskuh lehnt.

Das Gedicht bewegt sich in gemüthlicher Behaglichkeit durch alle
kleinen Details des Naturlebens, scheint zuweilen jedoch auch (wie es ja
auch vom alten Reineke Fuchs gesagt wird) allegorische Deutungen zuzu-
lassen, wie sich z. B. die folgende sechzehnte Strophe des zweiten Ge-
sanges auf anderweitige ästhetische Angelegenheiten beziehen dürfte;

Es ist des Bösen Meistergriff,
Durch einen leeren Schaubegriff,
Abstractum oder Ideal, ' .
Zu stürzen uns in Leid und Qual;
Nachhei^, wann er uns aufgehetzt,
In heft'ge Leidenschaft versetzt,
Dass, eh' der Streit durchaus geschlichtet,
Man vielen Schaden angerichtet,"
Damit wir späte Reu empünden.
Zuletzt ein Licht uns anzuzünden.

U. s. w.

Ornamentenbuch zum praktischen Gebrauche für Architek-
ten, Dekorations - und Stubenmaler, Tapetenfabrikanten
u. 8. w. von C. Bottich er. 2te Lieferung (aus 6 Blättern in farbigem
Steindruck bestehend). Berlin, 1834. Verlag von George Gropius.

(Museum 1834, No. 51.)

Auch die neue Lieferung dieses Werkes enthält die schätzenswerthe-
sten Muster für Kunsthandwerk der mannigfaltigsten Art. Auf dem ersten
Blatt sind verschiedene musivische Muster mitgetheilt, einfachere und
reicher zusammengesetzte, in schöner harmonischer Zusammenstellung der
Farben. Das zweite Blatt enthält sechs wohlstylisirte Muster für Scha-
blonendruck, die ein edles und gereinigtes Formengefühl kund geben
und vielfache Anwendung finden können: Herr Bötticher scheint uns be-
sonders glücklich in der Stylisirung der Pflanzenformen und in der räum-
lichen Vertheilung ihrer grösseren und kleineren Massen, was beides, so
leicht es auf den ersten Blick erscheinen mag, gleichwohl nur in Folge
besonderen Talentes und sorglichster Uebung ähnlich zu erreichen sein
dürfte. Das dritte Blatt giebt das Muster einer Wachstuchdecke, ein
reizendes Spiel anmuthiger Formen, bei denen die strenge und entschie-
dene Form'des einzelnen durch den steten » Wechsel der Farben, von Lila

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106 Berichte, Kritiken, Erörternngen.

und hellbräunlichem Roth, angenehm gemildert wird. Auf dem vierten
Blatt sind wiederum vier Master für Schablonendruck enthalten, in
denen besonders Mäander-artige Verschlingungen vorherrschen. Auf
dem fünften Blatt sind die Deck- und Fussgesimse einer Zimmer-
wand, mit einfach zierlichen Ornamenten verziert, mitgetheilt; ähnlich
auf dem sechsten Blatt ein reicheres Deckgesims, welches uns jedoch
minder anspricht, namentlich in den unmotivirten Zusammenfügungen
gewisser Details.

Wir wünschen diesem so tüchtig eingeleiteten und gewiss erspriess-
lichen Unternehmen den glücklichsten Fortgang.

Kunstbuch der Düsseldorfer Malerschule. Originalblätter und
Nachbildungen in Facsimile. I. Lieferung (4 Blätter in Imp.-Format und
1 Blatt Text). Berlin, bei C. G. Lüderitz. 1835.

(Museum 1835, No. 3.)

t

In der künstlerischen Thätigkeit pflegen insgemein durch Composition
^ und Ausführung zwei bestimmt geschiedene Momente bezeichnet zu wer-

den. Ist es auch, und zwar mit Nothwendigkeit, vorauszusetzen, dass dem
Künstler erst während der Ausführung sein Werk vollkommen klar werde
und zur vollständigen Anschauung komme, dass erst nach und nach jene
Belebung der Gestalten bis in die einzelsten Details vor sich gehe, so er-
scheint immerhin die erste, wenn auch nur skizzenhaft hingeworfene Com-
Position als die ursprüngliche Gestaltung seiner Idee, als der Prototyp,
nach dessen Vorbilde erst ein weiter durchgebildetes Werk ins Leben tre-
ten kann. Hier gewahrt man den ersten Impuls, der den Künstler zum
Schaffen trieb, hier findet man das entschiedenste Zeugniss über die ihm
inwohnende Schöpfungskraft ausgesprochen. Daher wurden zu aller Zeit
die Handzeichnungen der Künstler in besonderem Werthe gehalten und,
seit die vervielfältigenden Künste erfunden sind, in Nachbildungen verbrei-
tet; und dies um so^mehr, als in der Kegel viele Compositionen des Künst-
lers, ohne zur weiteren Ausführung zu gelangen, in den Mappen zurück-
bleiben mussten. i

Bei der Kunst unsrer Zeit, die wiederum eine entschiedene Stellung
zum Leben zu gewinnen scheint, musste auch ein solches Interesse mit
neuer Bedeutsamkeit hervortreten. Aus der Düsseldorfer Schule vornehm-
lich sehen wir eine Menge voniGemälden hervorgehen, deren schneller
Absatz das beste Zeugniss für die grosse Theilnahme des Publikums ist.
Mehr fast hören wir noch von der inneren Betriebsamkeit in dieser Schule,
von den verschiedenen Compositionsvereinen, die sich dort gebildet haben
und eine Fülle immer neuer Produktionen hervorbringen. Auch in diese,
wenn ich so sagen darf: mehi häusliche Thätigkeit der Schule, auf den
eigentlichen Grund und Boden ihres Schaffens einen Blick zu werfen, musste
dem Kunstfreunde sehr erwünscht sein. Die in der Ueberschrift genannte
Verlagshandlung hat es unternommen, eiuem solchen, schon mehrfach aus-

I ^^

midi^

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Kunstbuch der Düsseldorfer Malerschule. 107

gesprochenen Wunsche des Publikums zu genügen und Handzeichnungen
von Künstlern der Düsseldorfer Schule in genauen Facsimile's zu verbrei-
ten, auch, wo Einzelne die Radirnadel oder die lithographische Kreide
nicht verschmähen, wirkliche Originalzeichnungen beizufügen. Die Aus-
stattung des Unternehmens ist dem Werthe desselben nur angemessen und
wirklich prachtvoll zu nennen; die Nachbildungen sind mit grösster Sorg-
falt angefertigt und nichts den Vorblättern hinzu oder von ihnen hinweg
gethan, selbst wo in diesen neben den eigentlich geltenden Linien noch
andre des ersten Versuches stehen geblieben waren.

Wir berichten über den Inhalt der ersten vorliegenden Lieferung, Das
erste Blatt ist nach einer Zeichnung von C. F. Lessing, die Ermor-
dung Philipps von Schwaben durch Otto von Wittelsbach,
lithographirt von Papin, Das beiliegende Textblatt enthält eine Stelle aus
v. Raumer's Geschichte der Hohenstaufen, ,welcher der KünsÜer in der
Darstellung diieses tragischen Momentes gefolgt ist. Man blickt in" ein
alterthümliches Gemach des Schlosses Altenburg (bei Bamberg). Im Vor-
grunde liegt der Kaiser, eine hohe majestätische Gestalt, aber das Leben
ist den edlen, Gliedern bereits entflohen. Beatrix, seine schöne Nichte,
von deren Vermählung er eben heimgekehrt, hat ihm den Kopf auf ein
Tabouret gelegt und beugt sich in entsetzlicher Angst über ihn, den letzten
Zuckungen des Lebens zu lauschen. Hinter dem Sessel des Kaisers steht
sein Freund, der'Bischof von Bamberg, indem er den Fluch des Himmels
auf den Mörder herabruft. Dieser, im vollen Eisenpanzer und im Begriff,
aus der Thüre zu eilen, wendet sich gegen den getreuen Truchsess von
Waldburg, der, eine jugendlich kühne Gestalt, zu spät das Schwert zur
Vertheidigung seines Herrn zieht. Es ist eine einfache, aber wohlgeordnete
Composition und von höchst ergreifender Wirkung. Um Hintergrund und
Vorgrund klarer von einander zu sondern, ist bei ersterem, nach Anleitung
des Originals, der Ueberdruck einer bläulichen Tonplatte angewandt worden.

Das zweite Blatt ist nach einer Zeichnung von Bendemann, lithogr.
von Hosemann. Es enthält eine Darstellung des schönen Brautliedes, wel-
ches der fünf und vierzigste Psalm vorführt. Eine zierliche orientalische
Bogenstellung theilt das Bild in zwei verschiedene Hallen. In der linken
Halle, welche die Unterschrift führt: „Gürte dein Schwert an deine Seite,
du Held, und schmücke dich schön!" (v. 4), steht der Bräutigam, ein
Heros in der edelsten Entfaltung jugendlicher Kraft, in^Begriff, das Schloss
seines Schwertgurtes ineinanderzufügen. Um ihn her seine Genossen, von
denen der eine, zur Rechten, die Krone trägt, ein andrer, zur Linken, die
„scharfen Pfeile" hält, davor „die Völker vor ihm niederfallen." Die
andre Halle führt die Unterschrift: „Die Braut stehet zu deiner Rechten,
in eitel köstlichem Geschmeide." (v. 10). Hier gewahrt man den Brautzug,
wie „des Königes Tochter in geslickten Kleidern zum Könige geführt wird
und ihre Gespielen, mit Geschenken und Kerzen, ihr nachgehen," süsse
jungfräuliche Gestalten in schüngefalteten Gewändern. Oben, in der Ecke
zwischen den beiden Bögen, ist eine knieende Engelfigur angebracht, welche
eine Tafel mit der Bezeichnung des Psalmes hält. Es ist in dieser Zeich-
nung etwas, das uns an die anmuthvollsten Blüthen der umbrischen Schule
erinnert, freilich ohne die peruginesken Ecken und Schärfen mit aufzuneh-
men, wie sich in solcher Nachahmung die Fiesolaner und Nazarener unsrer
Zeit nur zu wohl gefielen.

Das dritte Blatt enthält zwei Original-Radirungen von Adolph

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108 ^ Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Schrödter, dem ersten aller Humoristen unter den Künstlern. Im Text-
blatte sind zwei poetische Uebersetzungen derselben, von Schrödter's Kunst-
genossen, R. Reinick, beigegeben. Beides sind Arabesken. Auf der
ersten sieht man einen prächtig geschmückten kolossalen Pokal, um dessen
Besitz sich verschiedene Gesellen wacker zanken. Die zweite stellt ein
Ständchen dar, welches ein Kleeblatt gleichgesinnter alter Jünglinge —
nicht einer angebeteten Schönheit — sondern einem würdigen Freunde
bringt, der oben aus dem umästeten Fenster herabschaut und gerührt eine
Thräne aus den Augen wischt. Unnachahmlich ist die philisterhafte Würde,
Zufriedenheit und hinschmelzende Verzückung in den drei Gesellen aus-
gedrückt. Aber wer möchte den grandiosen Humor, der Schrödter's Ge-
stalten bis in die kleine Zehe hinab einwohnt, in trockner Beschreibung
wiedergeben ? Das ist Sache des Dichters. ...

Das vierte Blatt endlich enthält eine landschaftliche Composition von
W. Schirmer, von Tempeltei lithographirt. Im Vorgrunde (der durch
eine bräunliche Tonplatte hervorgehoben wird) sieht man hier auf einen
abgelegenen Kirchhof, durch wenige verwitterte Kreuze bezeichnet, nieder.
Rechts erhebt sich eine mächtige Felsenwand, an der ein schmaler Fuss-
steig zu einer alten gothischen Kirche, die halb in den-Felsen hineingebaut
ist, hinführt. Links sieht man auf die abendlich beleuchtete Ebene hin,
aus der sich eine Stadt mit Kirchen und Thüimen und der höher gelege-
nen Burg hervorhebt. Ein Bild voll Ruhe und abendlichen Friedens.

Wir hollen, dass die Fortsetzungen dieses höchst gediegenen Unterneh-
mens, welches sich gewiss des Beifalls aller Kunstfreunde versichert halten
kann, in schnellem "Wechsel, und um einen möglichst mannigfaltigen Ueber-
blick zu gewähren, auf einander folgen werden.

Original-Ansichten der vornehmsten Städte in Deutschland,
ihrer wichtigsten Dome, Kirchen und sonstigen Baudenk-
mäler alter und neuer Zeit. .Nach der Natur aufgenommen von Lud-
wig Lange, Architekt und Zeichner, in Stahl gestochen von Ernst
Rauch, Kupferstecher, im Verein mit Karl Rauch und andern deutschen
Künstlern, mit einem artistisch - topographischen Text begleitet von
Dr. Georg Lange. Darmstadt, 1832—1834.

(Museum 1835, No. 3, f.)

Schon lange war es unsre Pflicht, über ein Unternehmen zu berichten,
welches, wie es „dem deutschen Vaterlande aus innigster Ver-
ehrung und Liebe gewidmet" ist, der Würde und dem Ruhme des-
selben wirklich angemessen erscheint. Haben wir es versäumt, dem Werke
bei seinem Beginnen ein günstiges Prognosticon zu stellen, so können wir
jetzt, da bereits eine Folge von fünf Heften vor uns liegt, um so genügendere
Resultate über die vorhandenen höchst erfreulichen Leistungen zusammen-
fassen.

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Original-Ansichten dor vornehmsten Städte in Deutschland etc. 109

Das Werk erscheint in Heften in gross Quart, deren ein jedes zwei
gestochene Platten und mindestens einen halben Bogen Text — zu dem
sehr geringen Subscriptionspreise von 10 Sgr. — enthält. Auf den Platten
befinden sich in der Regel zwei, bei grösseren Monumenten eine, bei klei-
neren zuweilen drei Ansichten. Diese geben sowohl allgemeine An - und
Uebersichten der Städte, -welche das Charakteristische ihrer jedesmaligen
Gruppirnng sammt den Umgebungen und die wichtigsten Bauwerke als ein
Ganzes darlegen, als innere Durchblicke durch Strassen und Plätze und,
wie es der Titel besagt, mehr detaillirte Abbildungen der für Geschichte
und Kunst merkwürdigen Monumente der Architektur. Ueberall ist der
Standpunkt mit grösster Umsicht gewählt, so dass auf gleiche Weise den
Anforderungen des künstlerischen Sinnes, wie denen, welche die möglichst
vollständige Entwickelung des jedesmal vorliegenden Gegenstandes zur
Pflicht machen, Genüge geleistet wird.

Wie die von Louis Lange gefertigten Zeichnungen schlicht und
durchaus ohne Affektation eben nur den Gegenstand im Auge haben und
nur durch die eben angedeutete Wahl eines schönen und zweckmässigen
Staudpunktes ein wohlgeordnetes Bild zu geben suchen, (statt der sonst
nicht seltenen Verschiebungen, Restaurationen, hinzucomponirten Vor- und
Hintergründe); ebenso zeichnet sich der Stahlstich durch die meisterhafte
Behandlung, durch Ernst und würdige Ruhe, nicht minder jedoch auch
durch vollkommenste Sauberkeit-und Klarheit aus. Er ist in letzterer
Beziehung den ähnlichen Arbeiten der Engländer zur Seite zu stellen, ohne
jedoch, wie es bei diesen nur zu häufig vorkommt, den Gegenstand der
Technik unterzuordnen. Es genügt, den berühmten Kupferstecher Erust
Rauch, dessen meisterhafte architektonische Stiche (in den Boisserde'schen
und Moller'schen Werken) allgemeine Würdigung gefunden haben, als an
der Spitze des Unternehmens stehefid und am Thätigsten für dasselbe zu
nennen; Carl Rauch, L. Schnell, Heinrich Hügel, E, Grünewald,
deren'Namen sich unter den bis jetzt vorhandenen Platten finden, verdie-
nen dieselbe Anerkennung.

Das erste Heft enthält vier .Ansichten von Frankfurt am Main.
Höchst interessant ist hier besonders die erste, welche die Stadt von der
unteren Seite des Mains darstellt.' Hier sieht man die belebten Quais des
Ufers hinauf, vorn von alterthümlichen,Gebäuden begrenzt, unter denen
die merkwürdige Leonhardskirche, der Saalhof, und weiter zurück der
majestätische Thurm des Domes sich .bemerklich machen. Dann führt die'
stolze Mainbrücke nach Sachsenhausen hinüber, und jenseit der Brücke,
am östlichen Theile des Quais, erheben sich die hohen neuen Gebäude der
schönen Aussicht, von dem zierlichen Bibliothekgebäude geschlossen. Der
Fluss ist von Kähnen und Schiffen belebt; ein Dämpfschiff hat "eben das
Ufer verlassen und wendet -sich dem Beschauer entgegen,, stromab nach
Mainz. —• Das zweite Bild stellt die Hauptstrasse Frankfurts , die Zeile,
mit ihren reichen Häusern und Palästen dar. — Das dritte giebt einen
Ueberblick von dem Thurm der Barfüsserkirche auf den ältesten Theil der
Stadt, wo mannigfache Giebel, Zinnen und E'rkerthürmchen aus dem Ge-
wirre der Gassen emportauchen, Alles von dem mächtigen Domgebäude
überragt. Dahinter zieht sich der Spiegel des breiten Stromes empor uud
leitet den Blick des Beschauers-än Villen und Gebüschen vorbei, bis nach
Offenbach und zu den fernen Bergen, die den Horizont umgrenzen. — Das

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110 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

vierte Bild giebt eine Ansicht des Rönaerberges, des Schauplatzes einstiger
Kaiser-Herrliclikeit.

Das zweite Heft enthält vier Ansichten von Würz bürg. Auch hier
gewährt die erste, welche einen Gesamrat-Üeberblick der Stadt giebt, ein
reiches, reizendes Bild. Von dem rebenumkränzten Steinberge, wo der
köstliche Steinwein wächst, blickt man auf das gesegnete Mainthal hinab.
Mannigfache Bafumalleen führen über die Hügel und am Ufer des Flusses
zur Stadt, die sich mit zahllosen Thürmen und mächtigen Kuppeln in der
Ebene hinbreitet. Ausser den Kirchen markirt sich hier als bedeutendstes
Gebäude vornehmlich die hochgelegene fürstbischöfliche Residenz mit ihren
Pavillons. Eine Brücke in schön geschwungenen Bogen und mit Statuen
reichlich geschmückt, führt nach der Altstadt hinüber, die von der Cita-
delle Marienberg gekrönt wird. In der Mitte zwischen beiden Theilen der
Stadt blickt man den Lauf des „silberhellen" Mainstromes empor, bis er
sich, an verschiedenen reichen Ortschaften vorbei, in den südlichen Bergen
verliert. Ein Blick, \velcher südliche Anmuth und Heiterkeit mit den
ruhigen nordischen Linien glücklich verbindet. — Die fürstbischöfliche
Residenz (berühmt vornehmlich durch ihr prachtvolles Treppenhaus und
ihre weitgebreiteten Keller) sehen wir in grösserer Ansicht auf dem zwei-
ten Bilde des Heftes. — Das dritte giebt eine Ansicht der Liebfrauen-
Kapelle in zierlichst gothischem Styl. Die Süd- und Westseite, die auf
das Sauberste, wie ein kostbares Schaustück, in den Portalen, den Fenster-
stäben, den Strebepfeilern mit'ihren Statuen und Thürmchen, der Dach-
brüstung und dem achteckigen Thurme ausgeschnitzt ist, wendet sie dem
offnen Marktplatze zti, darauf Käufer und Verkäufer sich in anmuthigster
Verwirrung durcheinander bewegen. — Das vierte Bild führt den Beschauer
in die Domstrasse, die durch die alterhümlichen Thürme des Domes be-
grenzt wird; eine feierliche Procession «zieht die Strasse herab.

Die sechs Blätter der drei folgenden Hefte sind der sehr werthen alten
Stadt Nürnberg gewidmet. Auch hier beginnt die Reihe der Ansichten
mit einem Gesammtüberblick, der, von der nordöstlichen Seite aus aufge-
nommen, die Physiognomie der Stadt von ihrer schmälsten Seite, in mög-
lichster Vereinigung der verschiedenartigen Theile, vorlegt. Das folgende
Bild enthält einen Niederblick von dem Thui-rn der Lorenzkirche auf die
merkwürdigsten Gebäude, unter denen sich die Marienkirche, das Rathhaus
und die Sebalduskirche besonders auszeichnen; das Ganze wird'von der
höhergelegenen Burg gekrönt, die sich hier in ihrer Breite vollkommen
auseinander stellt. — Des höchsten Lobes würdig ist das folgende Blatt,
welches, in Einem grösseren Bilde, die St. Lorenzkirche darstellt. "'Wem
ist das herrliche Gebäude mit seine'n festen, ich möchte sagen kriegerischen
Thürmen, die erst in ihrer Spitze leichtere Verhältnisse annehmen, mit
dem reichgeschmückten Portale, welches jene Thürme zu beschirmen schei-
nen, und mit dem prachtvollen Rosenfenster über dem Portale, nicht be-
kannt? Wer empfindet bei diesem Anblicke nicht den eigenthümlich an-
muthigen Conflict, den hier die strengere nordöstliche Bauweise mit den
überströmenden Formen rheinischer Lebenslust, die wir an den Domen
von Cöln, Strassburg, Freiburg u. s. w. bewundern, hervorbringt! Mit
grösster Strenge^ ist in diesem von Ernst Rauch gestochenen Blatte das
reiche Detail der Architektur durchgearbeitet und doch dem Ganzen eine
wohlthätig klare malerische Wirkung verliehen.

Das vierte Heft giebt sechs kleinere Ansichten von Nürnberg. Zuerst

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1''

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Original-Ansichten der vornehmsten Städte in Dentschland etc. III

den zierlichen „schönen Erker" am Pfarrhause zu St. Sebald, dann den
altbyzantinischen, sogenannten Heidenthurm der Burg und darunter die
Sebalduskirche mit ihrem hohen gothischeA Chore und der. reichen Para-
dieses-Pforte, mit dem byzantinischem SchiiFe und den schlanken Thürmen.
Das folgende Blatt enthält Albrecht Dürer'3 schlichtes Wohnhaus und das
ritterliche Haus Nassau mit seinen Zinnen und fröhlichen Erkerthürmchen;
darunter der Marktplatz mit der Frauenkirche und dem schönen Brunnen,
zweien Monumenten, die beide wie ein zierlichstes Bildschnitzer-Werk er-
scheinen und zwischen denen die Auswahl dem Beschauer schwer wer- ^
den dürfte.

Das fünfte Heft giebt uns Bilder, wo minder jene zierliche Kunst der
Steinmetzen, als vielmehr die Weise, wie das Bedürfniss seine Formen
bildet, immer jedoch den angebornen Grund eines künstlerischen Gefühles
nicht verläugnend, auftritt. Zuerst den Weg nach der Burg, deren Thürme
sich über Felsen und mächtigen Substruc'tionen erheben. Dann das Frauen-
thor mit Graben, Mauern und einem jener mächtigen runden Thorthürme
Nürnbergs, die wie ungeheure Säulenstücke,, jedem Angriff der Menschen
wie der Zeit unbesiegbar, die einstige Macht und den kriegerischen Muth
der Bürger verkünden. Dann folgt wiederum eine Ansicht der Burg, von
dem Johannes-Kirchhofe^ wo alle Edlen Ntii-nbergs ruhen, — man sieht
einen Theil der Grabmäler im Vorgrunde — aufgenommen. Den Beschluss
endlich macht eine jener malerischen Wasserpartieen in der Stadt am
Ufer der Pegnitz, der sogenannte Henkersteg mit seinen breitgewölbten
Brückenbogen, seinen massiven Thürmen und- mannigfach umhergruppir-
ten Häusern. _ '

Wir haben im Vorigen absichtlich die verschiedenen in'den fünf Heften
enthaltenen Ansichten einzeln aufgeführt, um, wenn auch nur mit wenigen
Worten, den Reichthum der Mittheilungen anzudeuten. Auch der Text
erfüllt, durch gedrängte Darstellung der wichtigsten historischen Notizen,

•) Wir können'nicht umhin, die beherzigungswerthen Worte, welche der
Text bei Gelegenheit dieses interessanten Monumentes enthält, auszuheben.
„Bald wurde es (heisst es dÖrtJ in den älteren Städten Europas'- zu einer un-
vertllgbaren Gewohnheit, die man besonders in den süddeutschen-Städten und
vor allen in Nürnberg am tiefsten eingewurzelt findet, Erker und Ausschüsse zu
bauen, welche auf die Strasse hinausgingen und diese allerdings häufig, zumal
wenn sie enge waren, etwas verdunkelten. Doch hat .diese Einrichtung etwas
so Angenehmes, dass sich in mancher Strasse fast jeder Hausbesitzer einen sol-
chen Erker errichten Hess,/WO man, vor Windzug, Sonne und Regen geschützt,
bequem nach allen Richtungen hin die Strasse und alles, was auf derselben vor-
fiel, überschauen konnte. Ewig Schade, dass man von dieser guten alten Sitte
so ganz abgekommen und dass sie in vielen Städten sogar bauwidrig geworden
ist. Freilich hat man dafür die italienischen Balkone eingeführt, welche im
Grunde ursprünglich dasselbe in Italien waren, was unsere Erker in Deutsch-
land; nur dass man sie dort, dem heissen Klima gemäss, welches stets freien
Zugang der Luft wüiischeuswerth machte, unbedeckt und uneingeschlossen liess,
wodurch sie siÄh aber gerade für unser rauhes Klima nicht wohl eignen, Und
wenn man den Maassstab des Aesthetischschönen anlegt , wo lässt sich eine
herrlichere Hauszierde denken, als der hier ih seiner ganzen Pracht dargestellte,
mit vollem Recht sogenannte schöne Erker am Pfarrhofe zu St. Sebald? giebt
es einen stärkeren Beweis als diesen, mit welcher Liebe man vordem diese
freundlichen Vorsitze kunst- und sinnreich auszuschmücken bedacht war und
verstand?"

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112 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

sowie der Itünstlerischen VerhältDisse, seinen Zweck auf befriedigende
"Weise. Wir sind überzeugt, dass dies Werk, ^welches sicli schon eines
ausgebreiteten Beifalls erfreut, von den Unternehmern in eben der soliden
lind besonneiien Weise, wie es begonnen, durchgeführt werden und dazu
beitragen wird, das Vaterland zum Bewusstsein seiner vielfachen Schätze
zu bringen, die Freude an diesen zu erhöhen und die Hochachtung vor
den Stützen seiner Geschichte zu erhalten. —

Wir verbinden hiemit die Anzeige eines andern Werkes, von wel-
chem uns eben das erste Heft vorliegt:

Malerische Ansichten aus Nürnberg, nach der Natur gezeichnet
und in Stahl gestochen von J. P'oppel. Mit kurzem erläuterndem Texte
von Dr. J. Gh. E. Lösch und beigefügter Uebersetzung in die französische

und englische Sprache.

Auch dieses Werk, davon das Heft aus drei Tafeln (jede mit einer
Ansicht) und einem halben Bogen Text besteht, empfiehlt sich vorerst
durch die höchst meisterhafte Arbeit des Stahlstiches. Der Titel, welcher
malerische Ansichten verspricht, scheint hierin eine Verschiedenheit
von dem Vorigen Werke anzudeuten, bei welchem der malerische Stand-
punkt nur als nothwendige Zugabe, immer aber die vollkommene Er-
schöpfung des besonderen Gegenstandes als die Hauptbche zu nennen war.
So erscheinen uns hier die Ansichten des Spittler-Thores und der Burg,
letztere durch den Pestungsgraben am neuen Thore gesehen, aufgefasst; bei-
des höchst anrauthige und leben volle Bilder. Eine zierliche Abbildung des
ältesten Stadtwappens, wie es an der Brustwehre des Wöhrder-Thürmchens
ausgemeisselt ist, dient zur Eröffnung des Werkes. Auch diesem wird
gewiss eine mannigfache Theilnahme nicht fehlen.

Diagraph und Pantograph, -

* r

Instrumente zum Zeichnen und Kupferstechen, erfunden von M. Gavard

in Paris.

(Museum. 1835, No. 9.)

h

Der Diagraph ist ein Instrument, womit das Bild der körperlichen
Natur, sowie es sich dem Auge darbietet, auf das Papier kalkirt wird.
Frühere Erfindungen ähnlicher Art, wie Camera" obscura, Camera lucida
u. s. w., .sind bekannt, nicht minder jedoch auch die Mängel, welche eine
weitete Verbreitung derselben verhindert haben. Der Diagraph giebt das
Bild der körperlichen Gegenstände in ihren Verhältnissen und perspek-
tivischen Verkürzungen nicht nur vollkommen richtig, sondern vereinigt
hiemit auch die bequemste Handhabung, und zwar der Art, dass ein jeder,
selbst wer im Zeichnen nicht geübt ist, das Bild in denselben richtigen
Verhältnissen darstellen muss-, und nur die grössere oder geringere Rein-
heit der Linien von der mehr oder minder sicheren Hand abhängt.

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Diagraph und Pantograph. 113

Das der Construction des Diagraphen zu Grunde liegende Princip ist
so einfach, dass man kaum begreifen kann, wie diese Erfindung der neusten
Zeit vorbehalten blieb; indess ist es seit dem Ei des Columbus bekannt,
dass man in der Regel auf das Einfachste zuletzt verfällt. Indem nemlich
das Auge, vermittelst eines Diopters, an einen bestimmten Punkt gefesselt
wird, lässt man durch einen andern Punkt-, dessen Entfernung vom Auge
von der Bestimmung des Zeichners abhängt, die Umrisse des zu zeichnen-
den Gegenstandes umschreiben. Dieselbe Bewegung, welche dieser letztere
Punkt in der vertikalen Fläche ausübt, wiederholt, durch eine besondere
Vorrichtung, auf der horizontalen Fläche (dem Zeichenbrett) ein aufrecht
stehender und durch irgend ein geringes Gewicht beschwerter Bleistift.
Die Hülse des Bleistifts leitet man mit den Händen und bestimmt durch
diese, gewissermaassen unwillkürliche Manipiilation die Bewegung jenes
in der vertikalen Ebene befindlichen Visirpunktes.-, Die Construction des
Instrumentes in ihren Einzelheiten würde hier ohne detaillirte"Abbildungen
nicht wohl zu veranschaulichen sein; wir unterlassen somit diese näheren
Angaben und bemerken nur, dass die allerdings complicirte Bewegung ein
mit höchster Accuratesse gearbeitetes'Instrument nöthig macht, was jedoch
bei den Gavard'schen Diagraphen bereits auf bewunderungswürdige Weise
der Fall ist.»)

Der Nutzen, welcher aus der Anwendung des Diagraphen für die
gesammte Ausübung der Kunst gezogen werden kann,'ist so augenfällig,
dass besondere Andeutungen hierüber kaum nöthig scheinen. Alles was
in der Arbeit des Zeichnens mechanisch ist, d. h. das Auffassen der Ver-
hältnisse an in Ruhe befindlichen Gegenständen, die vollständige Angabe
ihrer Umrisse, wird durch das Instrument geleistet. Landschaften, Archi-
tekturen, Sculpturen, Gemälde u. s. w. sind hiedurch aufs Genaueste auf-
zunehmen. Die schwierigen Constructionen, welche die Perspektive in
der Aufnahme von architektonischen Gegenständen nöthig macht, werden
durch den Diagraphen vollkommen überflüssig; die Verkürzungen in der
Zeichnung der Statuen sind hier auf die leichteste und sicherste Weise
wiederzugeben. Selbst für Porträtzeichnung, falls mau den Kopf der zu
zeichnenden Person durch irgend eine'Vorrichtung auf einige Minuten in
vollkommene Ruhe bringt, wird die Anwendung des Instrumentes, um sich
der Verhältnisse im Voraus zu versichern, von grossem Vortheil sein. Und
alles dies,-wozu sonst vielfache Ueberlegung und langjährige üebung ge-
hört, ist hier in kürzester Zeit und ohne alle weiteren Vorstudien zu
erreichen. ;

Natürlich wird Niemand übersehen, dass'der Diagraph eben nur ein
Instrument ist., dass er Leistungen, . zu denen höhere Geistesthätigkeit er-
fordert wird, nicht hervorbringeft kann. Wirkungen des Lichtes, der Luft,
jenes geheime innerliche Leben der Natur, - dessen Darstellung erst das
höhere Kunstwerk bedingt, dies wird immer der eigenen Auffassungskraft

des Künstlers überlassen bleiben müssen. Bei der selbstschöpferischen

>

Ausführlichste und dilrch Kupfertafeln prläüterte Beschroibüng des Dia-
graphen in seinen mannigfachsten Modiücationen enthält das Werk;
Notice sur le
diagraphe, par M, Gavard, capilaine d^etat-major, ancien el^ve de l'ecole poli~
technique. Paris fPr. 15 Francs)^
auf welches wir unsre Leser verweisen
müssen. , - - .

Kugler,' Kleine Schriften, lü, » ■ g

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Thätigkeit des Künstlers endlich kann nie ein Instrument den Geist er-
setzen, und ein geistvolles Kunstwerk mit Fehlern wird immer mehr blei-
ben, als ein richtiges ohne Geist. Aber eben, dass nunmehr das Mecha-
nische der niederen Kunstübung rein auf mechanische Welse und ohne
allen namhaften Zeitaufwand zu erreichen ist, dies wird dem gesammten
Kunstbetriebe einen unberechenbaren Vortheil gewähren.

Ausser der angedeuteten Beschalfenheit der Diagraphen sind mit dem-
selben noch andre Einrichtungen vorzunehmen, welche seine Anwendung
noch für verschiedene Fälle erweitern. Dahin gehört vornehmlich die-
jenige, durch welche es möglich wird, die Gegenstände in ihrer geometri-
schen Frojection zu zeichnen. Dies geschieht nehmlich dadurch, dass der
vordere Diopter beweglich gemacht wird und die Bewegungen des genann-
ten Visirpunktes gleichzeitig aufs Genauste wiederholt; so dass also die
Linien vom Auge auf den zu zeichnenden Gegenstand nicht divergirend
ausgehen, sondern parallel neben einander laufen. Da hiedurch die Zeich-
nung in der natürlichen Grösse des Gegenstandes angefertigt wird, so kann
man sich dieser Methode zugleich mit Vortheil zum Kalkiren von Gemäl-
den nnd Zeichnungen bedienen, bei denen man durch anderweitige Um-
stände verhindert wird, ein Kalkir-Papicr aufzulegen.

Um Plafondgemälde zu zeichnen (eine sonst sehr mühselige Arbeit!)
bedient man sich eines Spiegels, welcher das Bild der Gemälde zurück-
wirft und in welchem der Punkt zur Umschreibung derselben befindlich
ist. Anderweitige Vorrichtungen machen es möglich, Rundgemälde aufzu-
nehmen, noch andre, um Gegenstände, die sich unter dem Mikroskope
befinden, in ihrer dergestalt vergrösserten Form zu zeichnen. U. s. w., u. s. w.
' Eine Erfindung der letzten Jahre ist der Panto graph, ein Instrument,
wodurch man eine jede vorliegende Zeichnung in beliebig zu bestimmen-
der Verkleinerung auf Kupfer radiren kann. Seine Einrichtung beruht
auf dem schon bekannten Principe des Storchschnabels, ist aber auch hier
in sinnreichster Genauigkeit, Beweglichkeit, und für die bequemste Hand-
habung ausgeführt. Durch dasselbe wird man sowohl wiederum aller
Zwischenarbeiten, der Verkleinerung und Kalkirung, überhoben, als auch
die Arbeit selbst durchaus auf die" sicherste und reinlichste Weise ausge-
führt wird. Indem man nur mit einem Stifte die gegebene Zeichnung
nachfährt, wiederholt die Radirnadel von selbst und aufs Zierlichste die-
selben Linien. Natürlich ist auch hier nur der einfache Umriss zu errei-
chen; verschiedenes Aetzen, das Nachholen der Drucker, sowie die etwanige
weitere Ausführung müssen nothwendig der freien Hand des Stechers über-
lassen bleiben. ') >

Die weitere Verbreitung dieser Instrumente dürfte, wie der gesammten
niederen Kunstübung, so auch dem Kunsthandel eine andre Gestalt geben.
Man wird fortan die Vervielfältigung von Kunstgegenständen auf leichtere
und wohlfeilere Weise bewerkstelligen können. Und indem man somit
anzuerkennen genöthigt wird, wie viel rein mechanische Arbeit in den
Vervielfältigungen der Art enthalten ist, so wird dieser Umstand für die
zu hoffenden gesetzlichen Bestimmungen gegen den künstlerischen Nach-
druck vielleicht noch ein Gewicht mehr in die Wage legen.

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Das eben erschienene Blatt von Jazet nach Horace Vernet, rastende
Araber darstellend, ist nach dem Gemälde mit dem Diagraphen gezeichnet und
seine Umrisse mit dem Pantographen gestochen.

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C. W. Kolbe's nachgelassene landschaftliche 115

Der Diagraph, der von den französischen Künstlern bereits seit eini-
gen Jahren allgemein benutzt wird, ist, sowie der PantograpK, in Deutsch-
land fast noch ganz unbekannt. Herr C. Gropius, im Diorama zu Berlin,
liat durch ein Uebereinkommen mit dem Erfinder und Verfertiger beider
Instrumente, den Vertrieb derselben für das nördliche Deutschland 'über-
nommen. Das Diorama, in dessen Kunstsaale die Instrumente seit einigen
Wochen aufgestellt sind, bietet den Freunden der Kunst willkommene Ge-
legenheit dar, sich von d«r sinnreichen Erfindung, der trefflichen Arbeit
und den überraschenden Leistungen desselben zu überzeugen.

C. W. Kolbe's nachgelassene landschaftliche Radirungun.
I. bis VI. Berlin, bei G.^ Reimer, 1835.

(Museum 1835, No. Ii.)

Es wird den Freunden von Kolbe's Radirnadel willkommen sein, in
diesen Blättern die letzten Werke seiner kunstreichen Hand zu empfangen.
Die vier ersten Blätter enthalten Kräutergruppen, welche das Kleinleben
der vegetabilischen Natur in sinnreicher Zusammenstellung und liebevoller
Ausführung vorführen. Wir können uns hier auf dasjenige beziehen, was
wir vor einigen Wochen (No. 6 d. diesj. Museums) bereits aus Kolbe's eigenen
Aeusserungen über seine Kräuterblätter mitgetheilt haben, obgleich.wir die
edle Bescheidenheit des Meisters: „dass sie den prüfenden Blick des
Naturbeobachters nicht aushalten könnten," nicht zu unterschreiben wagen.
Diese Blätter dürften den Landschaftern zum Studium angelegentlichst zu
empfehlen sein. Als eine besondre Caprice des Künstlers bemerken wir,
dass er in dreien derselben menschliche Figuren in kleinerem Maassstabe
zwischen die Kräutergruppen hineingesetzt hat, so dass jene sich fast in
einer urweltlichen Vegetation zu befinden scheinen. — Die beiden letzten
Blätter des vorliegenden Heftes stellen im Vorgrunde alte', verdorrte und
von den Wettern zerrissene Eichenstämme dar. Hier hat sich die phan-
tastische Laune des Künstlers in den seltsamsten, ans Unheimliche strei-
fenden Gebilden ergangen; bald glauben wir in diesen verknorrten und
durcheinander gewundenen Aesten allerlei Gethier auf und nieder haspeln
zu sehen, bald belebt sich das Ganze zu einem fabelhaften Gerippe, ähn-
lich den lustigen Teufeleien, an- deren Darstellung die Holländer sich
weiland-zu ergötzen pflegten. In liebenswürdigem Contraste gegen diese
fast excentrischen Formen stehen die stillen Wald-Hintergründe, mit ihren
tiefen Durchsichten"und mannigfach wechselnden Lichtern,

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116 Berichte, Kritiken, Erörterungen,

C. Harnisch's bildliche Darstellungen in Ärab eskenform zu

Ossians Gedichten.

(Museum 1835, No. 11.)

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Das vorliegende, aus sechs lithographirten Blättern in Fol. bestehende
Heft enthält einen Theil der phantasiereichen Compositionen Harnisch's,
welche A-^or mehreren Jahren auf den Berliner Kunstausstellungen gesehen
wurden und vielfachen Beifall fanden. Hr. Harnisch geht in seiner Dar-
stellungsweise noch um einen Schritt weiter als ^Neureuther in den bekann-
ten Randzeichnungen zu Goethe und andern Dichtern. Hier ist die Arabeske
nicht mehr eine Begleitung, ein schmückender Bahmen des Gedichtes; es
ist eine unmittelbare Uebersetzung desselben, und zwar, wie es ihr Cha-
rakter mit sich bringt, vornemlich seiner lyrischen Bezüge. „Der Erfinder
beabsichtigt (so heisst es im Vorwort) mehr in Gesammtauffassung die
eigenthümliche Art der Empfindung und Dichtung des altnordischen Sän-
gers bildlich darzustellen, als eben mittelst jeder Zeichnung eine bestimmte
Stelle des Dichters zu erläutern— Bald genügt ein einzelnes Wort, um
bei dem Erfinder ganze Gruppen von Figuren und Symbolen hervorzuru-
fen , bald wieder umgekehrt bezeichnet die bildliche Darstellung Öfters
grössere Stellen des Dichters nur durch ein unbedeutendes Beiwerk oder
eine allegorische Verzierung."

Die Arabesken beziehen sich auf Stellen aus Kathloda, Komala, Lath-
mon, Fingal, Temora; sie erheben* sich in aufsteigenden Columnen, so dass
die einzelnen Gegenstände und Gruppen von Zweigen und Ranken getra-
gen werden und das Gänze stets -wie ein Baum mit Blüthen und Früchten
anzusehen ist; andre, noch nicht herausgegebene Compositionen hat der
Verf. auch in horizontaler Linie, wie einen Fries, fortgeführt. Sehr be-
achtenswerth ist die Weise, wie er, unter solchen scheinbar beengenden
Bedingungen, seine Gestalten in geschmackvoller Symmetrie ordnet, und
wie Leben und Bewegung derselben aufs Eigenthümlichste dem vegetabi-
lischen Grunde, darauf sie ruhen, angeschlossen erscheint. Es ist etwas
Traumhaftes, etwas — wenn man so sagen darf — Musikalisches in ihnen,
was uns anderweitig kaum so glücklich, so aus der inneren Empfindung
heraus, begegnet ist. Die gesanamten Compositionen dürften sich trefl'lichst
zur Verzierung von Wandflächen eignen, — Was die vorliegenden Litho-
graphieen anbetrifft, so können wir jedoch den Mangel von Schule und
eigentlicher individueller Charakteristik nicht unbemerkt lassen, welcher
den reinen Genuss derselben beeinträchtigt, — Fehler, denen der Verf.
für künftige Herausgaben durch schärferes Studium der Natur leicht wird
abhelfen können. Sein eigenthümliches Talent bleibt ihm sicher.

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r- Leopold Robert. 117

Leopold Robe r t.

(Museum 1835, No. 16.)

Ein Künstler, welcher die Zierde unsres Jahrhunderts .war,'ist gestor-
ben ; ein Name, den die Nachwelt dereinst den höchsten'zugesellen wird,
ist nicht mehr unter uns zu finden; ein Prophet, welcher das Heiligthum
der Schönheit unsern Augen enthüllte, hat sein Amt niedergelegt. Uns
bleibt die traurige Pflicht, die Grösse unsres Verlustes zu ermessen.

Leopold Robert war freilich nur, was die Schule einen „Genre-
mäler" nennt, das heisst: er hat nicht Götter und Heroen, nicht Heilige,
keine weltgeschichtlichen Begebenheiten dargestellt; es sind nur Menschen
des Tages, aus niederen Kreisen, in gewöhnlichen Beschäftigungen, die
wir auf seinen Bildern sehen, — aber welch ein Geschlecht von Menschen!
Es ist rührend, wenn wir hören, mit welcher Sorgfalt, mit wie unermü-
detem Eifer er nach der Natur und nach seinen Modellen gearbeitet hat:
tausende können dasselbe, und werden doch nichts Andres als alle Tri-
vialität des gewöhnlichen Lebens wiedergeben. 'Ihm hatte ein Gott das
Auge aufgethan, dass er im Menschen sein höheres Urbild, und nur dieses,
sah, dass er den ewigen Gehalt des Lebens, bis in dessen kleinste Bezie-
hungen hinein, fühlen und lebendig darstellen konnte. Seine Bilder sind
keine idealen Träume, sie enthalten die eigentliche Wirklichkeit'des Le-
bens; denn das Uebrige ist ein leerer Schaum, den die Sonne des Geistes
schnell verflüchtigt. ' ■

Darum stehen seine Genre - Darstellungen den höchsten Vorwürfen
früherer Jahrhunderte zur Seite; darum athmen sie dieselbe harmonische
Ruhe, denselben Adel des Geistes, dieselbe Gleichmässigkeit und Reinheit
des Gemüthes, die uns in den Werken des griechischen Alterthums, in
den Werken des Cinquecento, vor Allen Raphael's, so wunderbar entge-
genwehen. Es bietet das Leben dem Künstler nichts Kleines und nichts
Grosses, wenn er daran glaubt, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde
geschafl'en hat.

Und Leopold Robert war ein treuer Künstler.' Er hat ernstlich,
wie wenige, gerungen, um die Schönheit, welche seinem Auge vorschwebte,
in vollkommenster Lebendigkeit und Naturgemässheit auf die Leinwand
überzutragen; mit unausgesetztem Fleisse hat er dahin gestrebt, die Ge-
setze der körperlichen Erscheinung in Form und Farbe sich zu eigen zu
machen; er hat keine Kosten, keine Mühe und Gefahr gescheut' um die
Natur, die ewige Lehrmeisterin des Künstlers in ihrem fortwährenden
Wechselspiele beobachten zu können. Et hat es erreicht, dass seine
Werke den Stempel d«r technischen Vollendung tragen, ohne den freilich
jene höhere Auffassung-ein Traum geblieben wäre.

Sein Charakter als Mensch war derselbe, der aus seinen Bildern uns
entgegentritt: ernst, mild, rein und zur Schwermuth geneigt. Im Beginn
seiner höhern künstlerischen Laufbahn trat er zuerst, durch trübe Erfah-
rungen bedrückt, nicht ohne Zaghaftigkeit und Unentschlossenheit auf.
Aber sobald er durch glücklichere Umstände in sein eigentliches Element
geführt war und seine Kräfte geprüft hatte, so entfaltete sich schnell der
Muth und das Bewusstsein seines Talentes. Freilich war er nie mit seinen

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118 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Leistungen zufrieden, er strebte fortwährend zu grösserer Vollkommenheit
und fühlte, dass das Ideal, welches er in seiner Brust trug, immer uner-
reicht blieb. Aber das ist das Loos des Menschen. Und wollen wir ihn
tadeln, dass er zu sorgfältig .gearbeitet, dass er nicht mehr Werke ge-
schaffen hat, als uns hinterlassen sind? Er würde, ohne das vielleicht
später, aber minder vollendet von der Erde geschieden sein. In der Blüthe
des Mannesalters bemächtigte sich seiner eine häufige Kränklichkeit und
eine Schwermuth (eins in Folge des andern), die, wie es scheint, ihn
nach langem Kampfe verzehrt hat. —

"Wir glauben Robert's Gedächtnisse einen nicht unwürdigen Dienst zu
leisten, wenn wir hier eine flüchtige Uebersicht seines Lebensganges fol-
gen lassen. Uns ist zwar nur sehr wenig von seinen äusseren Verhält-
nissen bekannt; doch sind wir, durch die Gunst zweier von seinen Freun-
den, im Stande, einzelne Auszüge aus seinen eignen Briefen mitzutheilen,
die um so interessantere Blicke in den Entvvickelungsgang seines Innern
werfen lassen.

Leopold Robert ward zu Chaux-de-Fonds bei Neuchatel
geboren. Die Zeitungen geben das Alter, welches er erreicht hat, auf
38 Jahre an; nach der Versicherung eines Jugendfreundes muss er jedoch
etliche Jahre älter geworden sein. Er war der Sohn eines ührgehäuse-
machers. Frühzeitige Anlagen verkündeten seinen Beruf zur Kunst. Er
wurde zur Kupferstecherei bestimmt und erlernte dieselbe zu Paris; im
J. 1814 erhielt er den zweiten grossen Preis in diesem Fache der Kunst.
Seine Preisarbeit (ein Akt, nach eigner Zeichnung gestochen) giebt einen
sehr vortheilhaften Beweis seiner tüchtigen Studien in diesem Fache, und
er würde auch hierin, wenn er sich nicht nachmals für die Malerei ent-
schieden hätte, einen berühmten Namen erlangt haben. Unter seinen
Kupferstichen sind als tüchtige Arbeiten u. a. ein Portrait S. M. des Kö-
nigs von Preussen nach Görard und ein andres der Madame David, der
Frau des Malers, nach einem Originale dieses Künstlers, zu erwähnen.
Schon früher, im J. 1812, war er in David's Schule gekommen und bildete
sich unter diesem zu einem, tüchtigen Zeichner, wie er es auch nicht an
glücklichen Versuchen in der Oelmalerei fehlen liess. Nachmals war er
genöthigt, in seine Vaterstadt zurückzukehren, und hier finden wir ihn in
dem ersten der vorliegenden Briefe (vom 17. September 1817), unzufrieden
mit seinen Verhältnissen, im dunklen Vorgefühle eines höheren Berufes,
und tröstender Freundschaft bedürftig.

„Mein Lieber (so schreibt er* darin). Du kannst Dir denken, welch
Verlangen ich habe, Italien zu sehen, und mit welchem Eifer ich, in der
Hoffnung*Fortschritte zu machen und dereinst vielleicht mit Dir an Einem
Orte zu leben, diese Reise antreten würde; ich würde mich stark fühlen,
wenn Dein Rath mich tinterstützte. Wenn mau Hindernisse empfunden
hat, so misstraut man seinern Talent und seinen Mitteln. U.m mich anzu-
treiben, mein Lieber, müsste ich bei Dir sein oder oft Nachrichten von Dir
empfangen; ich hoffe, dass Du von der Wahrheit dessen, was ich sage,
überzeugt bist: wenn Du es bist, so wirst Du mich nicht lange ohne einen
Brief lassen. Eine einzige Seite--wenn Du nicht Zeit hast mehr zu schrei-
ben, — würde hinreichen, um es mir ins GedäclUniss zurückzurufen, dass

I

') Sie sind französisch geschrieben; wir geben die Auszüge in der Ueber-
setzuug.

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r- Leopold Robert. 119

meine Bestimmung nicht ist, in Chaux-de-Fonds zu bleiben, und um mir
jene Energie mitzutheilen, deren ich unglücklicher Weise gewöhnlich nur
zu sehr entbehre." • • .

Durch Einleitung des Freundes .eröffnet gich ihm unmittelbar auf diesen
Brief eine günstige Aussicht zur Heise nach Italien, die ihn wiederum
aufrichtet. „Du kannst Dir nicht vorstellen (schreibt er), welche Freude ich
darüber empfinde; ein neuer Horizont eröffnet sich mir; einige schmeich-
lerische Hoffnungen bringen mir den Muth wieder, welcher mir so höchst
nöthig war." —- In demselben Briefe fügt er hinzu: „Einige Wochen habe
ich in Locle zugebracht, um einige Portraits in Oel zu malen. In Bezug
auf Aehnlichkeit gelingt es, mir ganz wohl. Aber was mich hoffen lässt,
dass ich noch Fortschritte machen werde, das ist, dass mir all meine
Arbeit nicht'gefällt, und dass ich es besser fühle, als ich es zur Zeit
machen kann."

Ein folgender Brief (vom V2. December 1817) schildert wiederum seine
eigne Rathlosigkeit und sein freundes-bedürftiges Herz auf eine rührende
Weise: — ,,Wenn ich nur auf mein Herz gehört hätte, mein theurer
Freund, so würde ich sogleich auf Deinen Brief ^geantwortet haben, um es
Dir zu bezeugen, wie empfänglich ich für die Beweise der Zuneigung bin,
welche Du mir giebst. Aber wie kalt sind alle die. Ausdrücke, um das
Glück, dass ich einen Freund wie Dich, Lieber, gefunden habe, zu schil-
dern! Du kannst die Wohlthat, welche Deine Freundschaft mir gewährt,
noch nicht wissen: sie belebt mich wie ein Talisman, sie erfüllt mich aufs
Neue mit Kraft, die mich zuweilen verlässt. Ich fühle es, ich neige zur
Melancholie, so wie ein Wandrer, der durch einen langen und mühevollen
Weg erschöpft ist, seinen Muth verliert, wenn er daran denkt, dass er
noch nicht am Ziele seiner Mühen angelangt- ist; ebenso kann ich nicht
immer meiner traurigen Gedanken Herr werden, wenn ich den langen Weg,
den ich noch zu machen habe, überblicke'. Deine Briefe sind für mich,
was ein gutes Lager für meinen Wandeismann sein würde. Darum, mein
Lieber, denke an die Freude, die ihr Empfang-mir bringt."

Vornehmlich ist es der Zweifel über seine eigentliche Bestimmung,
was ihn bedrückt: —- „Ich muss Dir meine neuen Pläne und Studien,
meine qualvolle,Unentschlossenheit,— für welche Kunstgattung ich mich
nunmehr entscheiden soll, — mittheilen. Meine Wünsche treiben mich
zur Malerei; aber die Vernunft sagt mir, dass ich noch viel zu arbeiten
habe, ehe ich nur zu einer geringen Bedeutung gelangen kann; die Studien
in der Malerei sind kostbarer, die Modelle, die man für Kleinigkeiten
braucht, leeren die Börse.. Im Kupferstich dagegen fehlt mir nur einige
Uebung mit dem Grabstichel, und ich zeichne hinreichend, um, wenn ich
mich etwas mehr an.die Handhabung des Werkzeugs gewöhnt habe; Platten
anfertigen zu können, die immerhin für gute Arbeiten gelten dürften. Von
der andern Seite wiedei'um sehe ich, dass es mir i^icht -an einer leicbt.en
Pinselführung fehlt; alle Portraits, die ich gemacht habe, sind sehr ähn-
lich befunden worden; auch Herr Meuron hat mir viel Rühmliches darüber
gesagt, obgleich er über den Entschluss, den ich zu fassen habe, ziemlich
wie ich denkt. Der Anblick Italiens wird mir, ich hoffe es, einige grössere
und freiere Gedanken geben. Wir verrosten hier, Hr. Meuron sagt es mir
alle Tage, er beklagt sich oft, dass er genöthigt ist, zu Hause zu bleiben."

Endlich kommt es'zu der ersehnten Reise, deren Nähe alle .bangen
Besorgnisse zerstreut. Am 30. April 1818 schreibt er von Neuchatel aus:

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120 Berichte, Kritikeu, Erörterungeu.

— „Endlich, mein Theurer, bin ioji im Begriff abzureisen; ein Theil Deiner
Kraft und Deiner grossen Weise zu sehen theilt sich mir mit,, und obgleich
sich gerade jetzt hier viele Arbeiten für mich finden, so lasse ich sie alle,
um ganz Deinem Rath Folge zu leisten. Eine Entmuthigung (sehr verzeihlich
nach den unglücklichen Ereignissen, die mir widerfahren sind) liess mich
so viele unüberwindliche Schwierigkeiten sehen, dass ich zu keinem Ent-
schluss kommen konnte: jetzt lacht mir Alles entgegen, Hoffnungen eines

glücklichen Erfolges tauchen vor mir auf.--Ich lechze nach neuen

Studien: und es scheint mir, dass diese Empfindung der Vorbote von
Fortschritten ist."

Ein schöner Zug seiner kindlichen Liebe, der sicli in diesem Briefe
findet, darf nicht übergangen werden: — „Wenn ich Dein Herz iiach dem
meinigen beurtheilen darf, so möchte ich Dir auch eine gute Mutter wün-
schen, das heisst: ich möchte Dir ein Glück wünschen, welches ohne das
nicht vorhanden sein kann.'' —

Die Reise nach. Rom und der längere Aufenthalt an diesem Orte ent-
schieden für die eigenthümliche Richtung, der er fortan zu folgen hatte
und die sich schnell und glänzend entwickelte. Wir lassen einige charak-
teristische Stellen aus den Briefen der nächsten Jahre folgen:

19. Juli 1818.

„Es ist Rom, von wo aus ich Dir schreibe, mein Theurer, und es ist
kein Traum! welch ein zauberhafter Aufenthalt! welch ein Paradies für
einen Künstler! — ach, mein Lieber, ich werde es nie vergessen, dass ich
Dir dies Glück verdanke. — Alles bringt in mir unbekannte und selige
Gefühle hervor, ich fühle, dass ich bis jetzt noch nicht gelebt habe. Man
ist hier gezwungen zu denken, und man kann keine kleinen und engen
Gedanken haben, wie so leicht zu Hause. Mein Herz ist zu voll, ich
weiss nicht wie ich den Brief zu beginnen habe.". . .

„Ach, mein Theurer, welch Vergnügen habe ich gehabt, den Vatikan
zu sehen! welche schönen Werke und welche. Menge! Aber David sagte
sehr wahr, als er behauptete, ein Künstler würde einfach durch den Him-
mel Italiens begeistert werden. Ich treibe mich viel umher,-ich kann
nicht zu Hause bleiben; Du siehst, mit welcher Hast ich diesen Brief an-
fülle, es scheint mir immer, als verliere ich meine Zeit, wenn ich nichts
Neues sehe. Ich will zuerst eine grosse Menge Skizzen machen, beson-
ders in den ersten Monaten; dann habe ich die Absicht, einige ausgeführte
Studien, mit dem Pinsel und mit dem Zeichenstift, nach guten Gemälden
zu machen, und dann wollen wir sehen, ob ich es wagen werde, ein Bild
zu arbeiten. Aber dafür ist es nöthig, auf irgend eine Weise Geld zu
verdienen, denn mit 50 Louis lässt sich natürlich nichts machen. Doch
es wird Alles gut gehen, ich hoffe es; niemals bin ich so heiter, so glück-
lich gewesen." •

h ' 6. März 1819. '

„Ich fange damit an, mein Lieber, Dir zu sagen, wie ich meine Zeit,
seit ich in Rom bin, angewandt habe. Die ersten Monate brachte ich
>; damit zu, Rom kennen zu lernen, viele Croquis zu machen und einige

gemalte Skizzen — nach der Natur oder Compositionen.•— zu versuchen,
jj« Ich habe auch vor einigen Monaten ein Gemälde' (ein Interieur), welches

mir aufgetragen war, angefangen. Es ist gegenwärtig beendet, und die

1;


p

y

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r- Leopold Robert. 121

Leute, die es sehen, lassen es an Lob nicht fehlen. So eben bin ich im
Begriff, ein andres von derselben Grösse zu beenden; ich glaube, es wird
etwas mehr gefallen. Ich suche Alles nach der Natur zu machen, — David
sagte uns immer, dass dies der einzige Lehrmeister ist, dem man ohne
Furcht vor Verirrungen folgen kann. . . . Ach, mein^Theurer, wie bin ich
glücklich! wie schön ist Italien! wie nimmt die Freude an allen Dingen,
die ich sehe, die ich bewundere, fortwährend zu! . . Diese Gegenden sind
für die Künstler gemacht, oder vielmehr: nur die Künstler sind im Stande,
ihre Anmuth zu empfinden."

3. October 1822.

„Ich bin sehr begünstigt worden, ich gestehe es; ich dachte ein Genre
zu ergreifen, welches man noch nicht kannte, und es hat gefallen; viele
andre Künstler fangen an, ähnliche Gegenstände zu malen; es ist immer
Vortheil, der erste zu sein. Als ich ankam, frappirte mich der Charakter
dieser italienischen Gestalten, ihrer besonderen Sitten und Gebräuche,
ihrer malerischen und rauhen Kleidungen; ich dachte dies mit aller Wahr-
heit, wie es mir möglich wäre, wiederzugeben, «vor Allem aber jene Ein-
falt und jenen Adel, den ich bei diesem Volk bemerkte, das noch immer
einen Zug seiner Vorfahren bewahrt. Was ich bisher gemacht habe, ge-
nügt mir noch nicht; ich hoffe, es wird mir besser gelingen. Indess sind
meine Bilder, was sie auch darstellen, sehr gesucht: ich muss mir zu
meiner italienischen Reise Glück wünschen, ^ch glaube, dass ich lange hier
bleiben werde. Ein andrer Vortheil ist der, dass das Clima, statt mir
zuwider zu sein, mir ausserordentlich wohl bekomint; ich ha;be niemals
auch nur das leichteste Fieber gehabt.". . * '

„Uebrigens kostet mich meine Kunst sehr viel. Ich bin genöthigt,
fortwährend Modelle für meine,Bilder zu halten, ich habe den Entschluss
gefasstnicht einen -Pinger ohne diese Hülfe, die niemals betrügen kann,
zu machen. Ich besitze eine beträchtliche -Garderobe von all den Kostü-
men , die ich in der Umgegend finde 'und die. mir gefallen. Ich mache
Excursionen im wildesten Gebirge; ich finde dort ganz neue Motive für
dies Genre, und das.4st es, was gefällt. Im vorigen Sommer bin ich in
Neapel gewesen, wo ich Vieles der Art gekauft habe. -Ich machte den
Weg mit mehreren Freunden zu Fuss, u;id ebenso zurück über Monte
Cassino, wo wir nur durch ein Wunder den Händen der Räuber entgangen
sind." U. s. w. . '

Februar 1823,

„Ich möchte, dass Du in diesem Augenblicke in Rom wärest. Der
Karneval hat angefangen, und ich denke, dass Du mit Deinem heiteren
Charakter dabei gutq Unterhaltung haben würdest. Ich für mein Theil
denke daran so wenig, dass ich glaube, ich werde nicht einmal den Corso
besuchen; — dies Volksgewühl macht mich dumm." —

Im Jahre 1822 hatte er seinen jüngeren Bruder, Aurel Robert, — einen
Künstler, dessen Name jetzt mit Achtung neben dem seinigen genannt
wird, — zu sich nach Rom kommen lassen; er freute sich, die Studien
des gleichgesinnten Jünglings zu leiten, und bewies überhaupt, wie aus
zahlreichen Zeugnissen der vorliegenden Briefe hervorgeht, bis an seinen
Tod die zarteste Sorgfalt für das Wohl desselben. Im Jahre 1826 kamen
seine geliebte Mutter und seine Schwester'zu ihm und führten seinen Haus-

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122

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

stand. Verheirathet ist er nie gewesen.' „Ich möchte wohl Deinem Rathe
folgen (so schreibt er im Jahre 1826) und mir eine Frau suchen; aber die
Zeit ist noch nicht gekommen und wird auch wohl nicht kommen. Ich
habe so viele Pläne, über deren Ausführung Jahre hingehen werden."

Von diesen Jahren ab beginnt die Verbreitung seines Ruhmes; seine
Bilder, deren er besonders nach den Pariser und Berliner Ausstellungen
sandte, fanden entschiedenen Beifall; — wir erinnern hier nur u. A. an
die trefflichen Räuberbilder, die wir vor mehreren Jahren auf den hiesigen
Ausstellungen zu sehen das Glück hatten. Im Jahre 1825 war er zum
Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin ernannt worden. Die Glanz-
höhe seines Ruhmes bezeichnet die Pariser Ausstellung vom Jahre 1831,
auf welcher sein grosses Gemälde der Schnitter in den pontinischen Süm-
pfen erschien, ein Werk, das von enthusiastischen Verehrern als ein neues
Evangelium gepriesen ward. Es ist, zu bekannt,, als dass wir etwas Be-
sondres über seinen "Werth hinzuzufügen hätten. Die Regierung, welche
das Bild kaufte, ehrte das Verdienst des Meisters, indem sie ihn-zum
Ritter der Ehrenlegion ernannte.

Aus den Jahren zwischen 1826 und 1832 liegen uns keine Briefe
Roberts vor. Die folgenden, welche er nach dieser Zeit an einen verehr-
ten Künstler Berlins geschrieben hat, tragen ein andres, ein beängstigendes
Gepräge; eine finstre Sch\Yermuth hemmte den freien Aufschwung seines
künstlerischen Genius, oder wenigstens: sie Hess ihn an der lebendigen
Kraft desselben zweifeln. Er hatte seinen Aufenthalt in-Venedig genom-
men, um für die Anfertigung .eines grossen Gemäldes, welches jetzt die
laute Bewunderung der Pariser auTs Neue erweckt, — den Auszug adria-
tificher Fischer auf's Meer, — fortwährend die Umgebung derjenigen Natur,
welche sein Werk verlangte, geniessen zu können. Das Clima von Vene-
dig sagte seiner Gesundheit nicht zu; mehr jedoch, als diese körperliche
Indisposition, scheint der unausgesetzte Anblick dieser- Todtenstadt mit
ihren verfallenen Palästen, mit all den traurigen Zeugen einer untergegan-
genen Herrlichkeit, die Melancholie seines Geistes genährt zu haben. Er
konnte es nicht über sich gewinnen, sich dem Zauber dieser elegischen
Umgebung zu entziehen und willenlos arbeitete er seinem traurigen Ge-
schick in die Hände. Wir lassen wiederum einige Bruchstücke seiner
Briefe folgen. ^

-iDer erste derselben (vom 21. März 1832) bezieht sich auf ein kleines
anmuthvolles Gemälde, zwei Mädchen von Procida vorstellend, welches er
für die Berliner Kunstausstellung d. J. anmeldet.

„Es hat mir sehr Leid gethan, dass ich Ihnen nicht, wie ich es Wil-
lens war, die Wiederholung eines Bildes schicken konnte, welches Sie in
meinem Studium bemerkt haben, und welches eine Frau, weinend über
den Trümmern ihres Hauses, vorstellt. Ich befand mich nach Ihrer Abreise
(von Rom) so schlecht, dass ich sechs Monate auf dem Lande zuzubringen
genöthigt war und auf keine Weise mich damit beschäftigen durfte. Her-
nach habe ich das Bild der pontinischen Sümpfe beendigt, welches Sie
angefangen sahen, und kurze Zeit darauf habe ich Rom verlassen, um eine
Reise nach Paris und in die Schweiz zu machen. Seit wenigen Monaten
bin ich nach Italien zurückgekehrt. Ich habe mich in Florenz aufgehalten
und dort einige kleine Bilder gemalt. Eins von diesen schicke ich Ihnen,
denn ich gebe viel darauf, dass man mich in Berlin nicht vergisst; aber
ich bin betrübt, dass es nicht von grösseren Dimensionen ist. Ich schreibe

lüata

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r- Leopold Robert. 123

Ihnen von Venedig, wo ich mich, ich denke, ziemlich lange auflialten
werde, um eine Composition von der Grösse der Schnitter auszuführen;
ehe dies Bild nicht vollendet is't, werde ich nichts Andres anfangen können."

8. Juni 1832.

„Ich danke Ihnen 'für die Aufforderung, ein bedeutendes Bild für
eine folgende Ausstellung zu schicken; ich kann Ihnen versichern, dass
meine Absicht sehr dahin gerichtet ist und dass ich mein Möglichstes zur
Ausführung derselben thun werde. Aber meine Gesundheit, die nicht stark
ist, verbietet
mir Verpflichtungen einzugehen, die ich nicht erfüllen könnte,
und
das würde mir Sorgen machen; sie verhindert mich zu arbeiten, wie
ich es wünsche, und selbst in diesem Augenblick darf ich mein Zimmer
nicht verlassen. Ich liebe Venedig sehr; aber das Clima ist hier- so feucht,
dass es den Fremden nicht zusagt, und ich leide daran. Aber da ich ein"
Bild angefangen habe, welches ich nirgend anders vollenden könnte, so
schmeichle ich mir, dass Ich mich mit etwas Ausdauer acclimatisiren werde."

>' 24. Juni 1832v.

„Seit dem letzten Briefe', den ich Ihnen zu schicken die Ehre hatte,
habe ich mich ernstlich unwohl befunden. _Seit einigen Tagen habe ich
meine Arbeiten wieder vornehmen können, und dies macht mir Freude;
denn wenn ich arbeiten kann, so hoffe ich immer noch meine Pläne aus-
zuführen.'^

. ■ '1. September 1832.

„Ich werde noch einige Monate in Venedig zubringen, wo ich mein
angefangenes Gemälde zu beenden beschäftigt bin. Aber meine Gesundheit
ist während des ganzen Sommers so schlecht gewesen, dass meine Arbeit
sich sehr verzögert hat, nnd ich weiss noch nicht, welchen Erfolg sie
haben wird." . - '

28. October 1832,

„Seit einigen Wochen befinde ich mich merklich besser und es wird
mir möglich sein, hier zu bleiben, bis mein Bild vollendet ist. Venedig
gefällt, oder besser gesagt: es interessirt alle Fremden, die hieher kommen
und noch mehr die Freunde der Kunst und die Künstler; aber wenn man
sich längere Zeit hier aufhält, so findet man so viel Frieden und Ruhe,
dass ernste und zur Melancholie geneigte Gemüther sich hier mehr gefes-
selt fühlen, als in den grossen Hauptstädten, wo man so selten mit sich
allein sein kann."

Roberts Zustand hatte seiner Familie, die ihn in Venedig allein wusste,
grosse Besorgnisse gemacht. Sein Bruder Aurel, der sich bis dahin in
Paris aufgehalten hatte, reiste am Ende des Jahres zu ihm, fand jedoch
seinen Zustand bereits wieder-beruhigend. Doch war der nächste Som-
mer nicht ohne neue Sorge.

.. . ^ 10. November 1833.

„Sie werden mit Erstaunen hören, dass das Bild, welches ich vor so
langer Zeit bereits angefangen, noch nicht beendet ist.- Was das anbetrifft,
so weiss ich sehr wohl, wie nöthig eine gute Gesundheit ist, um mit
einigem Erfolg arbeiten zu können; und wenn dieser Sommer "auch für

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

^P^I^WIIU IIIIIIU llipill II IIIII1II.I IUI PI 11 .1 .1 IMIII ^ I

mich nicht so traurig gewesen ist, wie der vorige, so hat er doch meine
Arbeit wiederum sehr hingehalten. Die Vernunft hätte mich schon lange
nöthigen sollen, Venedig zu verlassen; aber ein unmerklicher Eigensinn
hat mich bis jetzt hier zurückgehalten. Die Beendigung dessen, was ich
unternommen, Mg mir fortwährend im Sinne, und es würde mich sehr ge-
drückt haben, wenn ich ein Werk, das mir schon so viel Zeit gekostet,
hätte aufgeben sollen. In meinen Augen wäre dies ein Beweis von Ent-
muthigung und das Bewusstsein derselben mir gewiss noch schädlicher
gewesen. Ohne desshalb Venedig zu verlassen, habe ich seit einiger Zeit
andre Arbeiten unternommen. Dies hat den,guten Erfolg gehabt, dass ich
mich jetzt sehr wohl fühle, und ich hoffe, dass ich in Kurzem die Genug-
thuung haben werde, — nicht etwas Bedeutendes aufzuweisen, aber we-
nigstens mein Unternehmen beendet zu sehen."

Das Jahr 1834 ging vorüber, ohne dass sich aus seinen Briefen wei-
tere besorgliche Zustände entnehmen lassen. Um sich während der Hitze
des Sommers nicht zu sehr anzustrengen, begann er eine Replik seiner
Schnitter im Auftrage des bekannten Kunstfreundes, Grafen ßaczinsky, zu
Berlin. Der letzte der vorliegenden Briefe vom 7. November v. J. ist voll
Freude über die sehr günstige Aufnahme, welche die Bilder des Bruders
auf der letzten Berliner Ausstellung fatiden. Bald darauf hatte er die
Genugthuung, sein grosses Gemälde vollendet und dasselbe zur diesjähri-
gen Pariser Ausstellung abgehen zu sehen. Das Bild wurde ungebürlicher
Weise am Grenz-Zollbüreau zurückgehalten, und kam durch diesen Um-
stand erst nach dem für die Einlieferung der Kunstwerke festgesetzten
Termine in Paris an. Kleinliche Rücksichten, — vielleicht auch Neid
gegen den Ruhm des grossen Mannes, — verweigerten dem Bilde die
Aufnahme in den Salon. Robert erfuhr dies, und er war, wenigstens in
dieser späteren trüben Periode seines Lebens, nicht unempfindlich gegen
Zurücksetzungen der Art, indem er darin einen Beweis eigner Untüchtig-
keit zu finden glaubte. So schrieb er z. B. im Jahre 1832: „Ich habe in
dieser Zeit ein kleines Bild an Herrn . . . geschickt, der es nicht passend
für seine Gallerie befunden hat: ich muss besorgen, dass mir dieser Fall
wieder begegnet."

Leopold Robert endete sein Leben am 20. März 1835 durch Selbst-
mord. Bei der Leichenöffnung ergab sich, dass sich im Innern des Gehirns
Wasser angesammelt hatte. Die Künstler aller Nationen, die sich zu
Venedig befanden, folgten seinem Leichname zur Bestattung auf dem Lido,
wo der protestantische Kirchhof sich befindet.

Die etwanigen besonderen Gründe dieser furchtbaren That sind zur
Zeit noch unbekannt. Doch welchen Anlass wir uns auch vorstellen
mögen, und wenn wir auch alle Schwermuth seines Geistes und alle
Kränklichkeit seines Körpers hinzunehmen, nichts reicht hin, um dies
Entsetzlichste bei einem Künstler begreifen zu können, dessen Werke den
Stempel der höchsten, stets gleichen Seelenreinheit tragen. Der Wahnsinn
des Selbstmordes schreitet in unsern Tagen durch die Welt; aber Robert
war fern davon, sein Leben für hohle Puppen, die man mit dem Namen
einer „Idee" aufstutzt, oder für klägliche Leidenschaften hinzuwerfen.
Wir scliaudern, wenn wir in diesen Abgrund blicken; — wer mag es noch
sagen, dass er Herr ist über den Dämon seines Inneren? — '

Wir glauben, dass es unsern Lesern genehm sein wird, wenn wir
schliesslich Einiges von den Berichten französischer Journale über das

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Leopold Robert. 125

letzte Werk des abgeschiedenen Meisters folgen lassen. Am 3. April wurde
dasselbe — zu spät für den Maler ^ nach langen Hindernissen öffentlich
ausgestellt. Das Journal des D^bats schildert es folgender Gestalt;

„Die Dimension des Gemäldes ist'grösser als die der Madone de l'Arc
und der Schnitter, zu denen es kein Pendant bildet. Der Maler hat in
denselben den Auszug zum Fischfang, in der Umgegend-von Venedig,
dargestellt. Am. Ufer, neben den segelfertigen Kähnen, sieht man die
Fischer des adriatischen Meeres versammelt, in Gegenwart ihrer"Mütter
und Frauen, welche traurig die Zurüstungen zur Abreise unterstützen- Der
Patron der Barke hält das Fischgeräth in den Händen und scheint seinen
Leuten das Zeichen zu geben. Ein junger Mensch im Vordergrunde bringt
ein grosses Netz in Ordnung, während derjenige, welcher den Kompass
hält, den Himmel betrachtet und das "Wetter zu beobachten scheint. Diese ,

und einige andre Figuren bilden, die rechte Seite der Composition, wäh-
rend auf der linken eine sitzende Alte und eine junge Frau, die ihr Kind
in ihren Armen hält, sich befinden; in ihnen drückt sich jene stumme
Traurigkeit aus, die man bei dein Gedanken an ein Unternehmen empfin-
det, in dessen Folge Gefahr und Unheil nahe sind. Es herrscht in der
ganzen Scene sowohl unter den Männern als unter den Frauen, eine innere,
tiefe Sorge, welche der Maler mit der grössten Kunst nach den verschie-
denen Personen modiflcirt hat. Dieses Gefühl bemächtigt sich mit Gewalt
des Beschauers. — In solchem Betracht ist dies neuste Gemälde L. ßo-
bert's dramatischer gehalten als die Schnitter. Was die Eigenthümlich-
keit der Situation, der Kostüme, der Stellungen und Physiognomieen an-
betrifft, so steht dies letzte Werk in nichts gegen, das vorige zurück; und
die Fischer des adriatischen Me^eres, obschon in der Erscheinung von den |

Bewohnern der pontinischen Sümpfe gänzlich verschieden, haben ebenfalls
ein Gepräge von Adel, von Kraft und Schönheit, welches einen Jeden anzieht.
Die junge Frau, die zur Erde blickt, indem sie ihr Kind an sich schliesst,
ist von bewunderungswürdigem Ausdrucke, ebenso wie die Alte, welche
daran denkt, wie sie vielleicht die .Rückkehr der Fischer nicht mehr erle-
ben wird. Im Uebrigen ist das Werk mit den zum Fischerleben gehörigen
Details angefüllt, welche sowohl durch eigenthümliche Anordnung, als
durch die vollendete Kunst der Darstellung anziehen. Noch bemerkt man,
hinter dem jungen Menschen, der im Vorgrunde die-Netze ordnet, einen
Knaben, der ein Madonnenbild trägt; er folgt den Schritten des Patrons
und scheint, in seiner Unkenntniss mit den Gefahren des Meeres, ungedul-
dig auf die Einschiffung zu warten, um seine erste Fahrt mitzumachen. —
Das Bild ist bereits in Privatbesitz" übergegangen."

Aus den geistreichen Berichten des Temps entnehmen wir die fol-
gende Stelle:

„Alles, was wir an den Schnittern bewundert haben, findet sich in
Leopold Robert's letztem Werke wieder. Nur glauben wir, ^ass seine
grossartige und freie Ausführung noch an Kraft und Wirkung gewonnen
hat. Was die Composition, den Styl, den Gedanken betrifft, so ist es die-
selbe Poesie, derselbe Adel, dieselbe Anmuth. Fast alle Figuren sind in
Ruhe; drei oder vier allein bewegen sich, und dieses sind die mindest
bedeutenden. Der Gegenstand, die Handlung sind nichts: man sieht nur
Fischer und nichts mehr. Aber welche Menschen! wekhe Natur! welche
grossartigen Formen!^ welcher Ausdruck in ihren ruhigen und unbewegli-
chen Zügen! welches Leben und Gefühl in diesen südlichen Physiogno-

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

mieen, die zugleich so leidenschaftlich und so nachdenklich sind! Was
gäbe es ünmögliches für diese im Moment unthätigen Menschen? Sie
werden alles thun, was die Leidenschaft einhauchen, was das Herz ver-
langen und der Arm ausführen kann. Sie sind im Begriff abzureisen, den
Stürmen des Meeres auf einer zerbrechlichen Barke Trotz zu bieten; sie
werden Hunger und Durst zu dulden haben, aber sie sind entschlossen
und furchtlos. Dies ist ihr Leben, es ist das Loos des Fischers; oder,
besser gesagt: es ist das Loos des Menschen auf dieser Erde. Denn wer
verbietet uns, gerade in dem Auszuge der Fischer das Bild des mensch-
lichen Lebens zu sehenwo uns so viele Hindernisse in der Erfüllung
unsres Schicksales erwarten, wo man so viel moralische und physische
Kraft entwickeln muss, und oft vergebens? Wundert euch darum nicht,
wenn in all diesen Physiognomieen etwas Ahnungsvolles liegt, was ihr
euch nicht erklären könnt. Wenn diese Fischer euch so imponiren, wenn
ihre Haltung euch überwältigt, wenn sie eure Ehrfurcht in Anspruch neh-
men, so ist es, weil der Künstler ihrem Antlitz das Siegel der Menschheit
aufgeprägt hat; es sind bevorrechtete, edle, schöne Wesen, die sich als die
Herren der Schöpfung erkennen; aber die nur einen Tag leben und es
wissen; die nicht wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen, und
deren kurzer Lauf nichts ist, als ein fortwährender Kampf."

„Dieser tragische Eindruck, der durch einen scheinbar so anmuthigen
Gegenstand hervorgebracht wird, ist wie ein Widerschein der Phantasie
des Künstlers, welche bereits in sein unseliges Yerhängniss hineingezogen
war und sich vielleicht, unwissend, seinem Werke aul^geprägt hat. Dass
sein Tod unmittelbar der Vollendung seines Gemäldes folgte, giebt unwill-
kürlich diesen Gedanken an die Hand; aber es ist diese Erklärung nicht
nöthig. Die Schnitter zeigen bereits jenen ernsten und melancholischen
Charakter; in den Fischern tritt er nur ungleich entschiedener hervor.
Leopold Robert war ein philosophischer Maler und ein eben so grosser
Dichter. Stets aber war es die Eigenthümlichkeit der Malerei und Dich-
tung höchsten Ranges, dem tragischen Ernste sich zuzuneigen." —

Ein Besuch in München.

(Museum 1835, No. 24, f.)

Die grossartige Thätigkeit im Bereiche der Kunst, welche durch den
jetzt regierenden König von Bayern in kürzester Zeit hervorgerufen ward
und durch seinen beharrlichen Willen fort und fort an Ausdehnung gewinnt,
erweckt die entschiedene Bewunderung des Reisenden und fordert zu ern-
ster Betrachtung auf. Unternehmungen von so bedeutendem Umfange, mit
so grosser Liebe und der Anstrengung so mannigfaltiger Kräfte durchge-
führt, bilden eine zu bedeutende Erscheinung in der Entwickelung der
Kunst unsrer Zeit, als dass, wir umhin könnten, dieselben in ihrem selb-
ständigen WerthCf in ihrem Zusammenhange mit frühern Leistungen, in
ihren Verheissungen für die Zukunft uns nach Möglichkeit klar zu machen.

iUiiliWaiiiiiiiilM

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Ein Besuch in München. 127

Kommt man von Norden her nach München, so wird man durch eine
Prachtstrasse von beträchtlicher Länge und Breite empfangen; es ist die
neue Ludwigsstrasse, deren Seiten durch gewaltige Paläste, fast sämmtlich
in den letzten Jahren erbaut, eingefasst sind. Gleich nebep dem Thore,
zur Linken, erhebt sich der Bau der neuen Ludwigskirche, welcher bereits
bis zum Ansatz der beiden Thürme emporgestiegen ist; daneben die grosse
neue Bibliothek; gegenüber ein andres ölTentliches Gebäude, welchem dem-
nächst noch der Neubau der Universität u. a. m. hinzugefügt werden sollen.
Weiterhin kommt rechter Hand das herzogl. Leuchtenberg'sche Palais,
gegenüber das Odeon; auf der-andern Seite der Bazar mit seinen Arkaden.
Letzterem schliesst sich, dem Hofgarten zugewandt, ein neuer Flügel der
königlichen Residenz an, der so eben emporgeführt ist; ein andrer Flügel
dieses weitläuftigen Gebäudes, der sogenannte neue Königsbauist bereits
mit all seinen unzähligen inneren Dekorationen soweit vollendet, dass er
noch in diesem Jahre bezogen werden wird. Die' Hofkapelle (die soge-
nannte AHerheiligenkapelle), die ebenfalls mit der Residenz verbunden ist,
nähert sich mit starken Schritten ihrer Vollendung. Von der Ludwigsstrasse
ab ziehen sich rings um ^en Haupttheil der Stadt, welcher nördlich der
Isar gelegen ist, die Anlagen neuer Strassen, die grösstentheils durch be-
deutende, geräumige Wohnhäuser gebildet werden. Hier stösst man zunächst
auf das mächtige Gebäude der Pinakothek, weiterhin auf die zierlichere
Glyptothek; letzterer gegenüber witd eine neue Kirche mit einem Kloster
errichtet werden. Unfern ist der Platz mit dem 100 Schuh hohen bronze-
nen Obelisken. Dann kommt die, bereits seit einigen Jahren vollendete
protestantische Kirche. In der Vorstadt Au, weldhe südlich der Isar liegt,
erhebt sich ebenfalls eine bedeutende Kirche, deren Bau wiederum bereits
bis zum Ansatz des Thurmes fertig ist, ,

Diese sämmtlichen bedeutenden Architekturen werden durch Malerei
und Sculptur, im ausgedehntesten Umfange dieser Künste, ausgeschmückt.
Der neue Königsbau ist in all seinen bedeutenderen Räumen mit Wand-
gemälden versehen, welche Scenen nach den Dichtungen der Griechen und
Deutschen (des Mittelalters und der neueren Zeit) enthalten und von ver-
schiedenen Künstlern, Schnorr, Kaulbach, Hermann u. s. w. ausgeführt
sind. In dem andern Flügel der Residenz wird Schnorr die Geschichte
der Hohenstaufen malen. Die Allerheiligen-Kapelle wird von H. Hess mit
Fresken auf Goldgrund ausgemalt und ist zum grösseren Theil bereits fertig.
Die Glyptothek prangt in ihren^ beiden Festsälen mit den Fresken von
Cornelius, welche die Hauptmythen der Griechen darstellen,. In dem Cor-
ridorj welcher sich neben den Gemäldesälen der Pinakothek hinzieht, wird
die Geschichte der Malerei, nach Cornelius Entwürfen, bildlich dargestellt.
Die Ludwigskirche wird von Cornelius ganz mit Freskogemälden ausgefüllt
werden; das grösste derselben — das jüngste Gericht, über dem Hochaltar
— wird 60 Fuss in der Höhe messen; der Künstler hat dieCartons bereits
vollendet. Für die Basilika, welche der Glyptothek gegenüber errichtet'
werden soll, hat H. Hess den .Auftrag erhalten, die "Geschichte des Chri-
stenthums in Bayern zu malen. Für die Kirche in der Vorstadt Au werden
die prachtvollsten gemalten Fenster angefertigt. Die protestantische Kirche-
enthält ein grosses Deckengeniälde von Hermann. Die Reihe der Arkaden,
welche sich auf der einen Seite des-Hofgartens hinzieht, ist ganz mit Fres-
ken —. in ihren Hauptbildern die Geschichte des bayerischen Fürstenhauses
und 27 italienische Landschaften darstellend ~ ausgefüllt. So wird end-

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8() Berichte, Kritiken, Erörterungen.

I/1-- i'

lieh auch das alte Isarthor, welches eine Reminiscenz an die mittelalter-
lichen Zustände der Stadt bildet und als solche wiederhergestellt ist, mit
einem grossen historischen Freskogemälde durch Neher geschmückt.

Nicht minder sind die grossartigpten Unternehmungen für Sculptur ein-
geleitet. In den meisten der genannten Gebäude sind die Dekorationen
des Innern mit bedeutenden Reliefs versehen, welche von verschiedenen
I Künstlern herrühren. Vornehmlich herrscht in Schwanthalers Atelier die

grösste Thätigkeit. Eine Reihe von Kolossalstatuen der Glieder des baye-
rischen Fürstenhauses, für den neuesten Flügel der Residenz bestimmt;
vier und zwanzig Modelle zu Statuen der berühmtesten Maler christlicher
Zeit, welche auf der Pinakothek errichtet werden sollen; Statuen für den
Giebel der Glyptothek; Kolossalstatuen Christi und der Evangelisten für
die Fagade der Ludwigskirche; Kolossalstatuen für den Giebel der Wal-
halla bei Regensburg und Büsten für das Innere eben dieses Monumentes, —
alles dies sehen wir hier in eben so würdiger wie schöner Ausführung zum
Theil begonnen, zum Theil seiner Vollendung nahe oder bereits vollendet.
Des grossen Monumentes für den verstorbenen König von Bayern, welches
nach Rauch's Modellen gegossen wird und noch in diesem Jahre aufgestellt
werden soll, möge hier nur beiläufig gedacht werden. Ebenso erinnern
wir auch nur im Allgemeinen, um die Ausdehnung der durch König Lud-
wig hervorgerufenen Thätigkeit zu bezeichnen, an den grossen Bau der
Walhalla, ihre zahllosen Büsten und an die Viktorien, welche Rauch für
ihre Räume arbeitet; an die Restauration des Regensburger Domes, vor-
nehmlich an die prachtvollen Glasgemälde, mit denen die Fenster dieses
würdigen Gotteshauses in neuester Zeit geschmückt worden sind: an die
Jlestauration des Bamberger Domes; an das Dürer-Monument für Nürnberg,
dessen von Rauch gearbeitetes Modell lange bekannt ist, u. s. w.

Wir wollen im Folgenden einzelne dieser grossen Kunstunternehmun-
gen näher betrachten und uns den Geist, aus welchem sie hervorgegangen
sind, verständlich zu machen suchen.. Wir wenden uns zuerst zu den Lei-
stungen der Architektur. Der bedeutendste unter den Münchner Architek-
ten, wenigstens derjenige, welcher den grössten Einfluss auszuüben scheint,
ist Herr von Klenze. Es ist bekannt, dass dieser Künstler die Baukunst
der Griechen für die allein gültige erklärt hat, dass seine Schöpfungen
jedoch keinesweges von bedeutenden Missverständnissen seiner Vorbilder
frei sind. Dies zeigt sich denn auch an seinen in München ausgeführten
Werken. Die Glyptothek mit der Dekoration ihres ionischen Prostyls und
ihren Nischenwänden«, die Pinakothek mit ihren Arkadenfenstern zwischen
vortretenden Halbsäulen, der neue Königsbau mit griechischen Gebälken
und weitstehenden PUastern zwischen den schweren Bossagen eines Palastes
Pitti,' die Allerheiligen-Kapelle, die eine Nachbildung lombardischer Kir-
chen vorstellen soll, — alle diese Monumente geben hiefür schon hinläng-
liche Belege. Höchst aulfallend ist jedoch der neueste Flügel der Residenz,
welcher gegen den Hofgarten zu gelegen ist, - Ueber einer offnen Vorhalle,
aus zehn starken Pfeilern und Bögen bestehend, bildet sich hier im Haupt-
geschoss eine ähnliche Halle, deren Pfeiler jedoch minder stark sind, so
dass noch ionische Säulen vor ihnen frei vortreten. Diese Säulen tragen
kein durchlaufendes Gebälk; es kröpft sich das Gebälk der Pfeiler nur —
nach der Sitte des achtzehnten Jahrhunderts — über den Säulen hervor.
Wir glauben, dass diese einfache Angabe zur Charakteristik des Architek-
ten hinreichen wird. Doch muss hinzugefügt werden, dass es den inneren

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Ein Besuch in München. 129

Räumen seiner Gebäude, insgemein nicht an grossartigen und würdigen
Verhältnissen fehlt^; die Glyptothelt nauientlich giebt. hievon erfreuliche
Beispiele, und die Pracht der mit farbigem Stuckmarmor bekleideten Wände
erhöht das Gefällige des' allgemeinen Eindrucks. Im Detail aber möchte
man gern wiederum Manches andfers wünschen, besonders in den, beiden
von Cornelius ausgemalten Festsälen. Hier steht das Gewaltige der-An-
ordnung kolossaler Gemälde im schweren Halbkreise durchaus in keinem
Verhältnis zu der darunter befindlichen dünn römischen Pilaster-Archi-
tektur: ein Widerspruch, welcher eben aus der Vermischung gänzlich hete-
rogener Elemente hervorgeht und hauptsächlich Schuld ist,.dass die Gemälde
auf den ersten Anblick zum Theil manierirt erscheinfen, was sich beträcht-
lich verringert,-wenn man dieselben bei längerer Anschauung von ihrer
aixjhitektonischen Umgebung sondert. Die grossen' Säle der Pinakothek
werden ebenfalls, wenn sie vollendet sind, im Ganzen einen sehr bedeu-
tenden Eindruck machen; aber die Deltoration ihrer Wölbungen ist wie-
derum häufig wirr und willkürlich.

Die Architekturenwelche von Hrn. Gärtner ausgeführt werden, —
die Ludwigskirche, die Bibliothek , u. s. w. sind im byzantinischen Style,
welchen dieser Baumeister (wie Hr. -Hübsch in Karlsruhe) für denjenigen
zu halten scheint, der mit den Bedürfnissen unsrer Zeit am meisten über-
einstimmt. Die, einfachen Bogenfenster seiner Paläste, die eigenthümlichen
Gesimse dieses Baustyles haben allerdings letwas Imponirepdesi''auch bil-
det sich seine Kirche in ihrer Hauptanlage, in ihren Verhältnissen und
Hauptformen, würdig und bedeutend. Doch traten uns auch* hier Miss-
verständnisse des erwählten Baustyles entgegen. Hinter^dem Altarraume
schliesst die Kirche willkürlich und unmotivirt durch eine gerade Wand
ab; während .die mittelalterlichen Gebäude dieses Styles in der halbrunden
AltarnischeL^eiaenj^ßbenso vollendeten wie beruhigenden Abschluss finden.
Ebenso glauben wir*" in den bereits ausgeführten Gliederungen unharmo-
nische und willkürliche Zusammenstellungen bemerkt zu haben. Ein
freieres Urtheil wird'jedoch erst n^ch der Vollendung^ des .Baues und nach
seiner Befreiung von den verhüllenden. Gerüsten möglich seih.

Die Kirche in der Vorstadt Au wird von Hrn. Ohlmüller im gothischen
Style erbaut. Sie ist einfach,.in leichten Formen und Verhältnissen, fem-
porgeführt; die Einfassungen der Fenster sind aus gebranntem Stein (wie
das ganze Gebäude) leicht und klar verständlich gebildet. lieber die Fa^ade
enthalten wir uns eines näheren Urtheils, da sie.gegenwärtig-unter einem
Bretterverschläge stand und uns nur aus einem kleinen Kupferstiche be-
kannt ist, nach welchem sie freilich mehr den Charakter einer Dekoration
als den eines organischen Ganzen haben düi-fte. — Die protestantische
Kirche, von Hrn. Pertsöh^erbaut, ist ein wenig gelungener Versuch, eine
entsprechende Form für' den protestantischen Ritus zu erfinden. -

Unter den grossartigen Unternehmungen im Bereiche der Wandmalerei
sind die Fresken'in den Arkaden des Hofgartens für die allgemeinste
Anschauung bestimmt. Sie sollen^ das Volk durch bildliche Darstellung
würdiger Gegenstände auf eine höhere Ansicht des Lebens hinleiten. Sie
bestehen aus zwei verschiedenen Cyklen. Der erste enthält, wie bereits
bemerkt, eine Reihenfolge von sechzehn historischen Gemälden, M'elche die
grossen Thafen und die allmätilige Erhebung des Hauses Wittelsbach bis
auf den verstorbenen IKönig Maximilian-Joseph darstellen. Sie sind vpA

Kuglcr, Kleine Schriften. III. 9

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130

wmmr

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

verschiedenen Künstlern ausgeführt und von sehr verschiedenem Werthe.
Da sie jedoch, soviel wir wissen, zu den ersten Vers'uchen der Fresko-
malerei in München gehören, so dürfen wir hierauf, wie auf die theilweise
Verdumpfung der Farben kein zu grosses Gewicht legen. Einige sind im-
merhin als bedeutende Leistungen zu bezeichnen. Ein Umstand iridess ist
dem Berichterstatter bei der Betrachtung dieser Gemälde aufgefallen, —
derselbe, welcher ihm schon häufig bei der Anschauung historischer Dar-
stellungen (in Kupfern zu geschichtlichen Werken u. a. m) befremdlich
war, — dass nemlich in ihnen nicht sowohl charakteristische ethische
Monumente, in denen sich das innere Lebeiä der Zeit spiegelt, als viel-
mehr jenes äussere Schaugepränge der Geschichte: Belehnungen, Krönun-
gen, kirchliche Trauungen, Kampfscenen u. s. w. vorgeführt sind. Hier
blieb dem Künstler wenig mehr übrig, als wohlgefällig zu ordnende Grup-
pen, effektvolle Stellungen und historische Genauigkeit in den Kostümen.
Nur in Einem Bilde vornehmlich finden wir einen tieferen Inhalt. Dies
ist die Darstellung des Sieges, welchen Kaiser Ludwig der Baier über
seinen Gegner Friedrich von Oestreich bei Ampfing im Jahre 1322 erfocht.
Hier hat der Maler (Hr. Hermann) über die Gestalt des besiegten Friedrich,
welcher gefangen vor seinen Gegner geführt wird, eine wundersame ritter-
liche Poesie, zugleich mit einer leisen Andeutung geringerer Kraft ausge-
gossen, während die Gestalt des bairischen Fürsten mehr das Recht der
Stärke personiflcirt. Wir begreifen den Vorgang, wir fühlen seine innere
Nothwendigkeit, aber unser Interesse ist ein tragisches, es gilt dem be-
siegten Helden. — Diesen historischen Darstellungen < gegenüber, in den
dreieckigen Feldern'zwischen den olfenen Bögen, sind allegorische Figuren
'des Krieges, der Jagd, der Frömmigkeit, des Reichthums u. s. w. ange-
bracht, unter welchen sich im Einzelnen die schönsten und würdigsten
Gestalten vorfinden; wie auch die kolossalen Gestalten der Bavaria und
der vier bairischen Flussgötter, über den schmalen Seiten des Bogenganges
grossartige Erscheinungen sind. Der zweite Cyklus, welcher sich zwischen
den Thüren des Bazars hinzieht, enthält 27 italienische Landschaften.
Diese sind mit zierlichen architektonischen Gerüsten eingerahmt; über
ihnen befinden sich Felder von rothbrauner Farbe init ähnlicher Einrah-
mung und mit zierlichen Figuren und Gruppen nach pompejanischer Weise
geschmückt. Das Gewölbe dieses Theiles der Arkaden ist mit Zweigen
und Ranken auf weissem Grunde,- mit farbigen Feldern, in denen Thier-
figuren augebracht sind, u. dergl. dekorirt. Die Landschaften, von Hr. Karl
Rottmann gemalt "und im Jahre 1833 vollendet, gehören grösstentheils zu
den meisterhaftesten Erzeugnissen der neuern Freskomalerei. Das Licht,
der Glanz, die Kraft in diesen Färben, die Klarheit der Lüfte, die Durch-
sichtigkeit der Gewässer, der zarte Duft über den Fernen, die grandiosen
Farmen der Bergzüge, die höchst glückliche Gesammt-Anordnung, — alles
dies ist nicht w'bhl mit Worten zu schildern; unsre Bewunderung steigert
sich, wenn wir an die schwierige Technik der Freskomalerei denken,
welche durchaus nur eine stückweise "Vollendung des Gemäldes erlaubt.
Unter den vorzüglichsten nennen wir die.Ansicht von Trient, Perugia, der
römischen Campagna, des Lago di Nemi, Von Terracina, des Golfes von
Bajae, von Palermo, des Aetna, des Theaters von Taormina, von Messina,
Reggio, u. s. w. .Mit grösstem Bedauern haben wir bemerkt, dass diese
unvergleichlichen Meisterwerke an diesem offenen Orte mehrfachen Ver-
derbnissen ausgesetzt sind; bei mehreren sind die Farben, vornehmlich im

tämn

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Ein Besuch in München. 131

Vorgrunde, bereits beträchtlich eingeschlagen;, fast alle sind durch den
frechsten Muthwillen, durch Risse u. dergl. verletzt,' und nur hie und da
nothdtlrftig restaurirt. Ueber den Landschaftenj jn dem Rahmen, sind die
bekannten Distichen angebracht, welche König Ludwig selbst füitdie ein-
zelnen Bilder gedichtet hat. ' ' i

Den edelsten und grossartigsten Eindruck unter den historischen Fres-
ken, welche dem Berichterstatter zu sehen vergönnt war, machen diejeni-
gen, welche die Festsäle der Glyptothek ausschmücken und von Oe'^rne-r
lius entworfen, zum Thoil auch von ihm selbst ausgeführt sind. Es
tragen diese Gestalten das Gepräge "eines eigenthümlichen Adels; sie sind,
wie sich die Aesthetiker ausdrücken, im hohen Style componirt; sie haben
jene plastische Anordnung, jene strenge Bezeichnung der Formen, jenen
reinen Styl in der .Gewandung, vor Allem jenen Ausdruck . heroischer
Kraft, der für die'Darstellung antiker Gegenstände erfordert wird. Einen
höchst erfreulichen Eindruck macht der Göttersaal j indem hier ein treff-
liches Verhältniss zwischen den einzelnen Gemälden unter sich, so wie
zu den Hauptformen ihrer räumlichen Umgebung vorherrscht; im' trojani-
schen Saale ist dieses Verhältniss verloren und die kolossalen Gestalten
der drei Hauptbilder sprengen die ohnedies (wie bereits bemerkt) nicht
günstig dekorirte Architektur auseinander.. Hiezu kommt noch, dass mehr-
fach sich in diesem Saale gewisse manieristische Uebertreibungen, in
der Bewegung sowohl wie in der technischen Ausführung, vorfinden, die
freilich nicht dazu dienen, den eben berührten Mangel 'wieder gut zu
machen. ludess verkennen wir keineswege?, dass gleichzeitig die in
eben diesem Saale enthaltenen Darstellungen theilweise zu den gross-
artigsten Schöpfungen des Meisters gehören; wir erinnern nur an die
Composition der Eroberung von Troja-, an jene Gruppe des M^nelaos und
Meriones, welche den gefallenen Patroklos aus dem Getümmel der Schlacht
hinwegtragen, an die Entführung der Helena (grau in Grau auf goldnem
Grunde u. s. w.). Ins Einzelne dieser Darstellungen einzugehen, ist nicht
unsre Absicht; sie sind von Andern schon zur Genüge beschrieben. Wir
glauben nur, dass wir den Wunsch vieler Freunde der Kunst aussprechep,
wenn wir die Kunsthandlungen auffoi-dern, die Schätze dieser bildlichen
Dekorationen der Glyptothek im Umrisse oder leichten Radirungen heraus-
zugeben; die verschiedenen Basreliefs, vornehmlich die'höchst anmuthigen
Arbeiten Schwänthalers,"würden hiebei natürlich ni'cht auszuschliessen
sein. Auch glauTaen wir, dass .die Erlaubniss des hochsinnigen Stifters
dieser Werke für ein solches 'Unternehmen nicht ausbleiben würde. ■

Die Freskomalereien, welche unter der Leitung von H. Hess und
nach seinen Cartons in der Allerheiligen-Kapelle ajusgeföhrt werden, sind,
nach byzantinischer Weise, auf Goldgrund angeordnet. Die Gemälde be-
finden sich an dem Gewölbe und den oberen Wänden dieses Gebäudes;
der Raum der vordem Kuppel umfasst die bedeutendsten Ereignisse des
alten Testamentes, der der zweiten Kuppel die Ereignisse und Gestalten
des neuen. Es ist das Feierliche und ErhabenCi welcher der Goldgrund
bedingt,' hier im'Allgemeinen mit grossem Glück aufgefasst und eigen-
thümlich belebt.; das Ganze wird nach seiner Vollenduiig gewiss einen
wunderbaren und überwältigenden Eindruck hervorbringen. Aber ich meine,
der hemmende Einfluss, welchen'der Goldgrund durchhin bei den Dar-
stellungen wirklicher Ereignisse und Handlungen ausübt, stimmt im We-
sentlichen doch nur mit der Gefühlsweise einer noch befangenen Zeit,

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U

132 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

während wir der Befreiung der Kunst durch die grosse Zeit des Cinque-
cento theilhaftig geworden sind. '' '

Das grosse Deckengemälde'Herrnan n's in der protestantischen Kirche
stellt die Himmelfahrt Christi dar. Es herrscht in demselben ein sehr
ernstes würdiges Gefühl, ein hochfrommer Eifer; die Gestalten sind in
schönen, strengen Formen gezeichnet. Nur geht eine gewisse Symbolik
durch die figurenreiche Composition, welche nach unserm Gefühle die
Grenzen der Kunst bereits überschreitet und, wie es scheint, der Grund
ist, dass wir in dem Bilde nicht sowohl ein grosses Ganze, als vielmehr
verschiedene einzelne Gruppen, die an sich freilich sehr wohl geordnet
sind, bemerken. Zu bedauern ist übrigens, dass dies grosse "Werk sich
an der flachen Decke der Kirche befindet und nur mit höchster Unbequem-
iiclikeit betrachtet werden -kann, ^

Die Fresken im Corridor der Pinakothek enthalten, so weit sie voll-
endet sind, einzelne schöne und würdige Compositionen; die Mehrzahl
derselben schien dem Berichterstatter minder anziehend. Ueberhaupt mag
es eine sehr kritische Aufgabe sein, die Geschichte der Malerei zu malen;
die eigentlichen Lebenspunkte einer solchen bleiben gewiss noch ungleich
mehr verborgen, als bei jenen Haupt- und Staatsactionen, welche wir in
den Arkaden des Höfgartens kennen. gelernt haben. — Die unzähligen
Freskogemälde, mit welchen zwanzig Zimmer und Säle des neuen Königs-
baues ausgeschmückt sind, wären dem Berichterstatter leider nicht zu-
gänglich. — Die gemalten Fenster für die Kirche in der Au zeichnen sich
durch meisterhafte Composition der gothischen Ornamente, sowie durch die
leuchtenden, vollkommen reinen Farben und ihre harmonische Zusammen-

, Stellung aus......

Wir haben hiemit ein flüchtiges, aber unbefangenes Bild der vorzüg-
lichst hervortretenden Leistungen neuerer Kunst, welche wir in München
kennen gelernt, wiederz'ugeben versucht. Wir sahen viel des Grossen und
Herrlichen beabsichtigt, vieles Würdige mit Energie durchgeführt; wir
mussten jedoch zugleich, zur Steuer der Wahrheit, manch einen Tadel mit
aussprechen. Wird es nun, bei dem Einfluss, den so grossartig eingeleitete
Unternehmungen nothwendig auf die Entwickelung der deutschen Kunst aus-
üben müssen, verderblich wirken, wenn wir in der Münchner Architektur
griechische, römische, byzantinische, gothische, neuitalienische Systeme
friedlich nebeneinander bestehen sehen, gleich als ob unsre Zeit mit der
Gefühlsweise so verschiedener Zeiten in der That harmoniren könnte? Wird
es nachtheilige Folgen haben, wenn in" der Malerei die kindlich alter-
thümliche Anwendung des Goldgrundes wieder hervörgesucht wird, wenn
man in der Wahl historischer Darstellungen sich noch .keines wahrhaft
gültigen Princips bewusst geworden ist? wenn sonst noch vielleicht hie
und da Missfälliges hervortreten mag? — Ich glaube, nein. Unsre Zeit ist
durchaus erst in der^Entwickelung, neuer Elemente der Kunst begriffen;
und es ist nothw^endig, dass wir hiebei alle unsre Studien (und uns liegen
deren so viel mehrere vor, als dies in frühern-Zeiten der Fall war) auch
äusserlich verarbeiten müssen. Wir können das, was wir gelernt haben,
nicht leichtsinnig von uns w'erfen; wir können einzig nur auf diesem Wege
der Geschichte zu wirklicher Selbständigkeit gelangen. Wir können dies
ferner nicht anders, als wenn eine lange und grossartige Uebung vieler
Kräfte uns in den Besitz der technischen Mittel gesetzt hat, deren wir zur
lebendigen Ausführung unsrer Ideen bedürfen. Dies bewerkstelligt zu

m

«immsM

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Werke -von Leopold'ßobert. 133

haben, ist das grosse Verdienst, welches König Ludwig sich um die
deutsche Kunst unsrer Zeit isrwirbt. Mag,was er hervorgerufen, auch
nur geringen Anklang in seinem Volke finden; -mögen seine Schöpfungen
dereinst vielleicht
vereinsamt dastehen-, die Kunst der kommenden Jahre
wird ihn als einen ihrer eifrigsten Begründer ehren. '

Noch über einen Punkt fügen wir einige Andeutungen hinzu; wir
meinen das Verhältniss der Münchner Malerschule zu der norddeutschen,
deren Hauptsitz in Düsseldorf ist. Die Meinungen über den relativen
"Werth dieser beide'n Schulen sind im, höchsten Grade verschieden^ und
vornehmlich sind es die Anhänger der ersteren, welche häufig den Bestre-
bungen der Düsseldorfer jede wärmere Anerkennung versagen. Dies steht
in auffälligem "Widerspruch zu dem grossen Enthusiasmus, mit welchem
die Leistungen der letztern gemeinhin im Norden aufgenommen werden.
Die Lösung des "Widerspruches ist jedoch sehr leicht: es sind eben die
beiden verschiedenen Principe, die in der neueren Zeit, in Kunst und
Poesie, so vielfach einander gegenübergetreten sind und in den beiden
genannten Schulen sich am Schärfsten aussprechen. Die Münchner sind
die Classiker, die Düsseldorfer die Romantiker unsrer Zeit, Jene erfassen
den Gegenstand und dringen von der Oberfläche in sein Inneres hinein;
diese beginnen von dein inneren Punkte des geistigen Lebens und suchen
erst dann einen Körper für'dasselbe'zu gewinnen. Jene haben mehr Styl,
eine strengere Zeichnung, eine mehr-harmonische Gesammt-Anordnung in
ihren Bildern; diese mehr "Weichheit, mehr "Wärme, mehr Leben in der
Farbe. Bei jenen herrscht die Handlung, bei diesen die Leidenschaft vor;
jene sind episch, diese lyrisch. Diese Eigenschaften führen im Einzelnen
natürlich auch zu entgegengesetzten^Fehlern, so dass auf der einen Seite
leicht zu viel für die äussere Form, auf der andern zu wenig geschieht;
dass jene zuweilen kalt, diese kränklich erscheinen.

Statt dass wir nun, wie uns manche Ansicht entgegengetreten ist, das
Streben der einen oder andern Schule für ein Verwerfliches erklären soll-
ten, so glauben wij im Gegentheil, dass'eben auch dieses scharfe. Ausein-
andertreten der künstlerischen Auffassungsweise von glücklichster Bedeu-
tung für die Kunst der nächsten Zeit ist, indem erst aus dem Bewusstsein
des angeführten Gegensatzes dessen Versöhnung, d. h. ein vollendeteres
Kunststreben hervorgehen kann. Raphael war nicht allein ein Zögling der
umbrischen, nicht allein ein Zögling der florentinisch'en Schule: er ver-
einte in sich die Gegensätzfc beider und ward ein Meister, wie ihn die
Vorwelt nicht geahnt, die Nachwelt nicht wieder gesehen hat.

Werke- von Leopold Robert.

(Museum 1835, No. 41.)

Zu Neuchatel war vom 17. August bis Ende September dieses Jah-
res eine Ausstellung von Werken der Gebrüder Leopold und Aurel'
Robert veranstaltet, deren Ertrag theils für das' Monliment, welches man

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WÜ^IJ ' ' ' ' ' ' .............

134 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

dem ersten auf S. Cristoforo bei Venedig (wo er begraben ist) zu errichten
beabsichtigt, theils für die Stiftung in Neuchätel, die seinen Namen führen
soll, bestimmt ist. Die Ausstellü'ng bestand theils aus Gemälden beider
Brüder, theils aus Skizzen, Studien und Zeichnungen Leopolds, theils aus
Zeichnungen, die Aurel nach den Gemälden seines Bruders angefertigt.

Indem somit diese Ausstellung vornehmlich einen Ueberblick über die
Leistungen und die Thätigkeit des grossen, zu früh geschiedenen Künst-
lers gewährt, glauben wir im Interesse unserer Leser zu handeln, -wenn
wir die Gegenstände im Einzelnen anführen und zugleich die Namen der
Besitzer beifügen.

I. Von Gemälden Leopold Robert's waren ausgestellt:
1. Sein eigenes Portrait, im Jahr 1817 gemalt.

2i Wiederholung des Gemäldes: Die Schnitter in den pontinischen
Sümpfen (s. unten V, 33); das letzte Werk des Künstlers, im Besitz
seiner Familie.

3. Prozession von Pilgern, welche die Morgen-Litanei singen. Im
Besitz des H. Roulet-Mdzerac zu Neuchätel.

' 4. Eine sterbende Nonne. Im Besitz des Ebengenannten.

5. Eine kranke alte Frau mit ihren kleinen Kindern. Im Besitz des
H. Armandt de Werdt zu Bern.

6. Eine Frau von der lusel Ischia in einem Momente der Verzweif-
lung. Im Besitz des H. Coulon-Marval zu Neuchätel.

7. Ein.Räuber, der zur Seite seiner eingeschlafenen Frau wacht. Im
Besitz der Mad. Huguenin-Robert zu Chaux-de-Fonds.

# 8. Wiederholung des neapolitanischen Schiffers mit einem jungen
Mädchen von Ischia (s. unten V. 27.) Im Besitz des H. Roulet-Mözerac
zu Neuchätel.

9. Das Innere der St. Paulskirche bei Rom, am Morgen des Brandes.
Im Besitz des H. Coulon-Marval zu Neuchätel.

10. Das Innere des Klosterhofes von Ara-Celi zu Rom. Im Besitz der
t Familie des Künstlers. '

: 11. Das Innere eines Hofes zu Rom, mit Figuren.- Im Besitz des H.

Fischer zu Bern. <

: 12. Die unterirdische Kirche von S. Martino de' monti zu Rom, mit

I Figuren. Im Besitz des Grafen von Affry zu Freiburg.

13. Das Innere der Sakristei von S. Giovanni in Laterano zu Rom,
mit Figuren. Ina Besitz einer Schwester des Künstlers.

II? Gemalte S kizzen von Leopod Robert:

Ruhe der heiligen Familie in Aegypten. — Die heilige Familie in
Aegypten, — Kopf einer Heiligen. — Eine französische Nonne. Das Ge-
mälde im Besitz des Herzogs von Laval-Montmorency. ~ Romeo und Julia.
— Ein Hirt und seine Frau, die sich während eines Sturmes in einö Grotte
flüchten. — Erste Skizze zu dem Gemälde: ^ie Rückkehr von dem Feste
der Madonna dell' arco. — Skizze zu dem vorgenannten Gemälde I, n. 11.

III. Studien von Leopold Robert:

Kostüme: von Sau Lorenzo;' — Frauen von Sonnina (3 Studien); —
alte Ciociara; — Frau von Veroli; — römische Pompiers; — römischer

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Werke von Leopold Robert,

135

Räuber; — Capuziner; —. Benediktiner; — Pilger; —' französische Nonne;

— Kostüm von Märina, in der Gegend von \?;enedigi ' '*

Thiere: Römischer Ochs (grosses Studium für das Gemälde der Ma-
donna
deir arco); — Büffelgespann; —Hund aus den Pyrenäen.

Römische. Architekturen: Ansicht des Tempels'der Venus und Roma,
aus einer der Arkaden des Colosseums aufgenommen; — Gewölbe des
Colosseums; — drei innere Ansichten des Colösseums; — das Innere der
Kirche'S.'Costanza; — das Innere der Kirche S. Agnese; — das Innere
eines Klpsterhofes; — das Karthäuserkloster (S. M. degli angeli); — zwei
innere Ansichten des Hofes von S. Lorenzo; — der Hof von S. Prassede;

— Blick durch die Colonnaden von St. Peter; — die Porta S. Lorenzo;

— sechs Höfe von "Wohngebäuden. — Die Treppe der Villa Mäcen's zu
Tivoli. — Kirche von Palladio zu Pellestrina.

Landschaftliche Studien: Zwei Ansichten der römischen Campagna;

— Ansicht von Albano; — der See vonAlbano; — eine andre Landschaft;

— Gegend bei Monte-Porzio; — zwei Ansichten des Vesuvs; — zwei
Ufergegenden bei Salerno; Ufer beii Venedig.

IV. Zeichnungen von Leopold Robert:

1

Federzeichnung; die Abfahrt der Fischer des adriatischen Meeres. —

Andre Zeichnung in Crayon. . . . . ,

1.

V. Zeichnungen voji Aurel Robert nach Gemälden Leopold's:

(In den Parenthesen sind die Besitzer der Otiginalgemälde beigefügt;) .

1. Kopf einer Frau von Sezza. "(Das Original in /Naturgrössef'-ibeim
Vicomte de la Villestreux'zu Paris.) f't ' '

2. Neapolitanischer Tanz auf der Insel Capri. "" (Marquis Hutchinson
zu London.) " . '

3. Kleine Schweizermädchen mit einer Ziege spielend. (Mad. Mar-
cotte-Genlis.) ' '

4. Pilgerinnen, in feinem Nonnenkloster aufgenommen. (H. Schickler
zu Paris.) . •

5. Mädchen von Sonnino."'(H. Marcotte zu Troyes.) . .

6. Ein Hirtenknabe. (Baron Engel zu Paris.)' ,

7. Neapolitanische Mädchen.. (H. d'Eu zu-Strassburg.) •

8. Mädchen von Sorrento. (Prof. Rauch zu Berlin.)

9. Pilgerinnen, in der Ebene vor Rom rastend. (Gemahlin d. Marschall
Lauriston zu Paris.) / ' ,

10. Junges Mädchen von Frascati. (H. Falconet zu Neapel.)

11. Episode aus der letzten Revolution von Itälien. (Marquis de Ganay.)

12. Frau'von der Insel Procida. (H. Ei Bertin zü Paris.) . "

13. Räuber mit seiner Frau.' (Fürst Aldobrandini zu Paris.)

14. Betender Räuber. (Derselbe.) ' . ,,

15. Junges Mädchen von Capfi." (Lord Acton zu Neapel.) -

16. Junge Neapolitanerinnen, von einem Feste zurückkehrend.. (Fürstin
Suwaroff.)

17. 18. Zwei Räuber mit ihren Frauen. (Graf Hahn zu Berlin.)
19. Eine Frau mit ihrem kranken Kinde. • (H. Marcotte zy. Paris.)

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136 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

20. Plüuderung eines Nonnenklosters durch Seeräuber. (Gemahlin des
Marschall Lauriston zu Paris.)

21. Junge Mädchen von Isola di Sora, aus dem Bade kommend. (H.
Marcotte zu Troyes.) ' • "

22. Ein Räuber, der eine Frau anhält. (Graf Hahn zu Berlin.)

23. Ein Räuber und seine Frau betend (Lord Honson zu London.)

24. Ein sterbender Räuber. (Herzog von Fitz-James.)

25. Ein Ziegenhirt in der römischen Campagna. (H. Gerard zu Paris.)

26. Räuberfamilie in plötzlichem Aufbruch. (Fürst Metternich zu Wien.)

27. Neapolitanischer Fischer mit einem jungen Mädchen von Ischia.
(Gehörte dem verst. Direktor der franz. Akademie zu Rom, H. Guerin.)

28. Ein junger Grieclie, seinen Dolch wetzend. (Das Original in
Lebensgrösse, im Besitze des Grafen Friedrich von Pourtales zu Neuchätel.)

29. Die Abfahrt der Fischer des adriatischen Meeres. (H. Paturle zu
Paris.)

30. Dasselbe. Zeichnung, wie das Gemälde im J. 1833 beschaffen war.

31. Frau von der Insel Procida.-^(H. Philips zu London.)

32. Räuber mit seiner Frau.

33. Die Schnitter in den pontinischen Sümpfen. (Der König von Frank-
reich.)

34. Alte Frau, die einem jungen Mädchen wahrsagt. (H. Mari in
Belgien.)

35. Zwei junge Bäuerinnen am Brunnen. (H. de Mann in Belgien.)

36. Frau von der Insel Procida, am Ufer die »Rückkehr ihres Mannes
erwartend. (Herzog v. Montmorency.)

37. Junge Frascatanerin. (Gehörte dem verst. IL Bartholdy zu Paris.)

38.' Andre Scene aus Frascati. (H. Marcotte zu Paris.)'

39. Römische Pifferari. (H. Casimir Lecomte zu Paris.)

40. Mädchen von Procida, das einem Fischer zu trinken giebt. (Der-
selbe.) I

41. Ein improvisirender Fischer. (Gen. Disney zu London.)

42. Ein Räuber, "der sich in einen hohlen Baum geflüchtet hat, zur
Vertheidigung bereit. (Herzogin v. Berry.) ' ; •

43. Ein sterbender Räuber. (Dieselbe.)

44. Eine Frau von Sora, die über der Leiche ihrer Tochter weint.
(Graf Schönbrunn zu Wien.) ' . •

45. Der Eremit des Berges Epomeo auf Ischia, dem ein junges Mäd-
dien Früchte bringt. (H. Gerard zu Paris.)

' 46. Ein Räuber, der den Schlaf seiner Frau bewacht. (H. Marcotte
zu Paris.)

^ 1

47. Fischericnaben in den pontinischen Sümpfen, (H. Marcotte zu

Troyes.) •

48. Rückzug von Räubern. (Graf Basilewski zu Petersburg.)

49. Frau von Sonnino mit ihrem schlafenden Kinde.* (Der König von
Belgien.) ' . / .

50. Zwei Portraits im Kostüm von Frascati. - ■

51. Verwundeter Räuber. (Der König von Belgien,)

52. Neapolitanischer Improvisator auf Cap Misen. (Der König von
Frankreich.) „

53. Neapolitanische Frau,, weinend über den Trümmern ihres Hauses,
das durch ein Erdbeben zerstört ist. (Der König von Frankreich,)

h

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Kupfersticli. 137

54. Junge Mädchen, die von Räubern gefangen werden. (H. Rothschild
zu Neapel.)

55. Römischer Hirt. (H. Marcotte zu Paris.)

56. Frau von Frosinone. (Derselbe.)

57. 58, 59, 60, — Zeichnungen nach den oben genannten Gemälden;
1: 3, 4, 5, 6. - . ^ . .

. . : VI. Gemälde von Aurel Robert:

Vier innere Ansichten italienischer Architekturen: S. Maria maggiore
zu Rom; — S. Giovanni in Laterano zu Rom; — S. Paolo fuori le mura
bei Rom, nach dem Brande; — Taufkapelle in S. Marco zu Venedig.

Kupferstich.
(Museum 1835, No. 43.) ,

Der Nürnberger Verein von Künstlern und Kunstfreunden
hat für das Jahr iS^Vss interessantes Gedächtnissblatt für seine Mit-
glieder veranstaltet. Es ist eine Radirung von J. A. Klein, ein wallachi-
sches Fuhrwerk darstellend. Wir schien einen Leiterwagen, der ein gros-
ses Stückfass trägt und mit kreüzweis gelegten Matten bedeckt ist. Die
Pferde sind ausgespannt; vier von ihnen stehen um den geöffneten Futter-
sack gruppirt, ein fünftes liegt weiter vorn. , In der Ferne jagt einer der
Fuhrleute einem davoneilenden Pferde nach. Neben dem Wagen, im
Schatten schläft ein andrer von den Walachen, mit seinem zottigen Pelz-
mantel bedeckt; weiter zurück, zur Linken, sitzen drei Männer um ein
Feuer, über dem ein grosser Suppenkessel aufgehängt ist. Den Vorgrund
bilden grosse Kräuter, ein Hund und allerlei Pferdegeschirr. Zur Empfeh-
lung dieses Blattes reicht der Name des-Künstlers, welcher dasselbe gefer-
tigt, zur Genüge hin. Wir finden hier dieselbe naive, charaktervolle Auf-
fassung, dieselbe meisterhafte Zeichnung und kecke, geistvolle Behandlung
der Radirnadel, die aus Kiein's anderweitigen Blättern bekannt ist, und
die uns letztere fast noch mehr-werth«macht, als seine ausgeführten Oel-
gemälde. Möchten doch recht viele selbstschaffende Künstler Kiein's Bei-
spiel folgen und die" nicht genug zu schätzende Radirnadel mehr in die
Hände nehmen! Und möchten ^doch auch die andern Kunstvereine, wie der
Nürnberger Verein in dem vorliegenden Beispiele gethan, dafür sorgen,
dass auf solche Weise mehr vollkommen originale Kunstwerke in die Hände
ihrer Mitglieder übergehen! . '

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"ii-

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

- Franz Burchardt DÖrbeck.

(Museum 1835, No, 4d.)

*

Am 2. October (1835) verschied zu Berlin ein Künstler, dessen Name
nur wenigen unsrer auswärtigen Leser bekannt sein dürfte. Und doch hat
Dörbeck das Verdienst, in einer bedeutenden Reihe kleiner, meisterhaft
hingeworfener Kunstwerke ein eigenthümliches Genre gebildet und voll-
endet zu haben, welches sowohl für die komische Kunst, wie für die Ge-
schichte der Sitten unsrer Zeit von besondrem Interesse ist: wir meinen
jene illuminirten lithographischen Federzeichnungen, die unter dem Namen
der Berliner Witze über alle Welttheile — soweit nur Freunde berlini-
schen Lebens gefunden werden — "verbreitet sind. Das Verdienst dieser
kleinen, anscheinend so geringfügigen Scherze, ist nicht leicht zu hoch
anzuschlagen; die Aufgabe, welche dem Künstler hier gestellt war, gehört
in der That zu den schwierigsten. Es galt den Charakter der unteren
Yolksklassen einer grossen Stadt, wo in der Regel alle möglichen fremden
Einflüsse sich vereinigen, um die eigentlich nationalen Typen auszulöschen,
doch so, wie er eben wiederum in seinen lokalen und temporären Ver-
hältnissen alles Fremde in sich hineinzieht und sich selbständig geltend
macht, aufzufassen, mit wenigen Zügen wiederzugeben und jedes Einzelne
als ein künstlerisches Ganzes zu gestalten. Da wir uns nicht dieselbe künst-
lerische Kraft, wie dem Verfertiger jener Blätter, zutrauen, so wissen wir
nicht wohl, wie wir hier das Eigenthümliche im Charakter des gemeinen
'Berliners mit wenigen "Worten schildern sollen. Für die meisten Fälle
möchte es am passendsten sein, einen gewissen gelassenen Humor als das-
jenige zu bezeichnen, was ihm alle Sättel gerecht macht, was ihm in Ge-
fahren und Nöthen beisteht, ihn sich in traurige Lagen schicken lehrt und
seine Freuden würzt; er kann nichts unternehmen, ohne eben seinen „Ber-
liner Witz" dabei zu machen. „Bange machen gelt nich" (die Worte des
Zettelanklebers, der während seines Geschäftes das blecherne Verbot, wel-
ches eine Hausecke schützen soll, bemerkt), -r- dies ist das immerwieder-
kehrende Motto für das Leben des Berliners. Wenn er des Abends die
Stufen vor der Thür der Tabagie herabstolpert und niederstürzend sich
die Nase blutig schlägt und die Pfeife zerbricht, so weiss er sich selbst
gleich mit einem: „Na so muss't kommen, sagt Neumarin!" zu trösten.
Wenn er betrunken nach Hause kömint und von seiner Xantippe ziemlich
unsanft mit dem Besen empfangen wird, so muss er ihr, wehrlos, wie er
ist, doch bemerklich machen, dass sie. sich dadurch bei ihm nicht „insinui-
ren" würde. Wenn sein Sohn zum Militairdienst eingefordert ist und er
einen Freund, der Gleiches erlitten, mit dem eignen Schicksal trösten will,
so' drückt er sich trotz seiner Thränen doch noch mit dem beliebten Euphe-
mismus aus, dass sie seinen Sohn auch ,,gewünscht" hätten. U. s. w. Vor
Allen ist dieser Grundzug in den Dörbeck'schen Blättern mit vollkommen-
ster Sicherheit aufgefasst und überall, auch wo in den Unterschriften gar
nichts für eine bildliche Auffassung gegeben schien, auf's Glücklichste
durchgeführt; es kann das, was die Blätter darstellen, eben nirgend anders-
wo als in Berlin vor sich gehen. Dass jedoch dieser Grundzug nicht so
leicht aufzufassen ist, beweisen sämmtliche Blätter der Art, die von andern,

138

I:

-ocr page 140-

Franz Burchardt Dorbeck.

zum Theil keineswegs ungeübten Händen gezeichnet sind: diese tragen
nichts in sich, was sie zu Darstellungen des Berliner Lebens berechtigt.
Die Dörbeck'schen Blätter sind ein meisterhaft geschriebenes Kapitel in
der Stadtgeschichte Berlins; sie werden unsern Nachkommen gerade in
diesem Bezüge von unschätzbarem Werthe sein. Nicht minder ausgezeich-
net, wie in diesen allgemeineren Verhältnissen, sind sie sodann auch in
ihrer besondern Durchführung, Stände und Charaktere sind überall aufs
Bestimmteste geschieden; es ist nirgend, auch wo die Unterschrift keinen
Fingerzeig giebt, ein Zweifel über das Metier der dargestellten Personen.
In der Handlung, welche eben vorgeht, sind sie ganz und gar, vom Kopf
bis zu den Zehen, gegenwärtig; Stellung, Bewegung, Miene, Alles spricht
an ihnen, und der Vorgang des Ganzen ist nirgend unverständlich, auch
wenn ihre "Worte nicht darunter ständen. Die Zeichnung ist untadelhaft
und zeigt einen Blick und eine Auffassungsgabe für die Erscheinungen des
Lebens, um die der Verfertiger von manchem renommirten Künstler zu
beneiden sein dürfte; gerade diese schlagende Lebendigkeit, die sich bis
auf das geringste Detail erstreckt, macht die Komik des Ganzen so unwider-
stehlich. Die Ausführung ist freilich nur Skizze., doch stets dasjenige mit
sicherstem Bewusstsein angedeutet, was eben zur lebendigen Charakteristik
dient, so dass hiedurch allerdings eine leise Karikirung nothwendig wurde,
die jedoch nirgend das Maass überschreitet, sich nirgend zur Unform hin-
neigt. Die Arbeit ist durchweg geschmackvoll, so dass das Auge des Be-
schauers gleich von vornherein angenehm bestochen wird.

lieber Dörbeck's Leben wissen wir nicht viel zu sagen;, die wenigen
Notizen, die uns von einem Freunde des Geschiedenen mitgetheilt sind,
bestehen in Folgendem. Dörbeck wurde am 22. Februar 1799 zu Fellin
(20 Meilen jeuseit Riga) geboren; sein Vater, ein Schneidermeister, liess
ihn nach Kräften unterrichten. Im neunzehnten Jahre, als angestellter
Graveur bei der kaiserlichen Bank zu Petersburg, verheirathete er sich,
verlor jedoch seine Frau sehr bald durch den Tod und verliess aus Gram
Petersburg, sowie seine Stelle, am Ende des Jahres 1819. Hierauf hielt er
sich drei Jahre in Riga auf, erlernte dort die Kupferstecherei und beschäf-
tigte sich fleissig in dieser Kunst. Zum zweitenmale verheirathet, ging er
unmittelbar nach der Hochzeit mit seiner-Frau nach Berlin, um sich in
"der Kunst besser auszubilden; — er kam hieher im Jahrö 1823. In Ber-
lin hat er schlimme Zeiten durchlebt und nicht ohne grosse Mühe die Stufe
erreicht, die er zuletzt einnahm. Seine zweite Frau verlor er nach langem
Leiden an der Schwindsucht. Im Jahre 1838 heirathete er zum dritten
Male und ist selbst zwei Jahre darauf an der Lungenschwindsucht gestor-
ben. In der Kupferstecherei hat er, wenn auch nicht gerade Ausgezeich-
netes,-so doch tüchtige und brauchbare Arbeiten geliefert; im Zeichnen
hat er fast gar keinen und nur verkehrten Unterricht genossen, hier ver-
dankt er die glänzenden Erfolge dem eignen Talent und FJeisse. Sein
Charakter ini Umgange war bieder und herzlich. Er hinterlässt eine
Wittwe mit einem Knaben, zwei Kinder zweiter Ehe, — und kein Ver-
mögen.

139

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140 Berichte, Kritikeu, Erörterungeu.

mm

Die Loreley des Hrn. Prof. Begas.
{Museum 1835, No. 48.)

Kennst du das Mährchen von der Loreley ? Es ist eine alte geheim-
nissreiche Sage, die dem Wandrer auf dem Rheine berichtet wird, wenn
er an den gefährlichen Strudeln des Lurlei-Felsens vorüberfährt. Mancher
sah auf dem Felsen die schöne Zauberin sitzen; nur Wenigen blieb es
vergönnt, wieder zu erzählen, wie ihnen geschehen war. Es giebt ein Lied
von H. Heine, darin der Dichter ihre Erscheinung beschreibt;

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fliesst der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet

Dort oben wunderbar,

Ihr goldnes Geschmeide blitzet,

Sie kämmt ihr goldnes Haar.

Sie kämmt's mit goldnem Kamme
Und singt ein Lied dabei,
Das bat eine wundersame
Gewalt'ge Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur in die Höh'.

1 ■ ' .
Ich glaube, die "Wellen verschlingen j ^

Am Ende Schiffer und Kahn; >,

Und das hat mit ihrem Singen
Die Loreley gethan. .

Begas hat die Loreley gemalt, fast ebenso wie sie das Lied schildert.
Es ist ein grosses Gemälde. Man sieht das Rheinthal mit seinen phan-
tastisch gezackten Uferfelsen und Burgruinen hinab; der Hinlmel ist mit
zerrissenen gewitterlichen Wolken bedeckt; Regenschauer häfagen in den
fernen Bergen. Im Vorgrund springt ein Stück des Uferfelsens, hell von
der Abendsonne beleuchtet, empor. Die Zauberin sitzt auf dem Felsen,
ein verlockendes, wunderbares Weib. Sie ist mit reichem Schmuck, aber
nachlässig bekleidet; der Oberleib fast ganz entblösst. Ein zierliches Band,
mit Steinen und Perlen besetzt, hält das leichte Untergevvand über der
linken Brust fest; der Gürtel des Obergewandes wird durch einen blut-
roth leuchtenden Stein zusammengehaltefl. Ueber ihren Knieen liegt ein
Mantel von prächtigem , weiss und roth gewirktem Stoffe, die Muster im
strengen Style des Mittelalters, Schlangen, Drachen, Nixen, u. dergl. darein

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Die Loroley des Hrn. Prof. Begas. * 141

verschlungen. Die Füsse sind nackt, -Das^ blonde Haar wallt frei über
den Rücken hinab und wird leicht vom Winde gehoben; das"^Haupt ist
mit einem zierlich phantastischen Käppchen bedeckt. Sie hat eben ihren
Putz beendet; der goldne Kamm und Spiegel, -das Salbgeföss aus Bernstdn,
liegen und stehen zu ihren Füssen. Da kam den Ehein herab ein Nachen
mit zweien Männern gefahren; eilig ergriff sie die Laute und sang dazu
ihr verderbliches Lied, welches den Nachen in die Strudel her lockte, die
ihn hastig verschlingen. Sie neigt ihr Haupt über den Abhang, und blickt
auf ihre Beute hinab, indem sie-nur noch leise, den Accord ihrer Laute
nachklingen lässt.

Es ist ein verlockendes Weib. Wie zart, wie rein und weich sind
diese Formen, welch ein süsser, rosiger Schmelz ist darüber hingebreitet!
In dieser Schönheit beruhte ihre Zauberkunst, um deren willen sie einst
der Bischof zu Gerichte ziehen liess; die Zauberkunst, von der sie selbst,
in Brentano's Godwy, singt: " .

Meine Augen sind zwei Flammen, -

Mein Arm ein Zauberstab ..... ■ r

Die Augen sanft und wilde, .

Die Wangen roth und weiss,

Die Worte still und milde, -

Das ist mein Zauberkreis. ' ...

# .

Ich selbst muss drin verderben,

Das Herz tliut mir so web, ' ;

Vor Schmerzen möcht' ich sterben,

Wenn ich mein Bildniss seh.

Ihr Gesicht, welches man im Profil sieht, vereinigt mit dem süssesten
Liebreiz eigenthümliche Züge; "es ist zart gebildet und doch trägt es im
Ganzen mehr den Ausdruck von Macht und Gewalt, als hingebender Liebe.
Die Stirn hat keine griechische Heiterkeit, sie ist hoch und über den
Augen vorgewölbt; hier wohnen die schlimmen^ Träume und die Gedan-
ken, die ihr keine Ruhe lassen und sie an den Verrath des Geliebteti zu
immer neuer Rache gemahnen. Die Nase ist fürstlich erhaben, das Kinn
mädchenhaft zart und zurücktretend, der Mund zeigt den Ausdruck gleich-
gültiger Befriedigung. Nur in der hastig emporgeschwungenen Augenbraue
liegt etwas wie Lust und Freude an der Rache. Aber das grosse dunkle
Auge selbst widerspricht dieser Lust; die trüben Schatten, die darüber
liegen, geben ihm den Ausdruck nie endender Trauer. Das Auge spricht
es aus, was die Loreley in einem andern Liede, in Eichendorffs Ahnung
und Gegenwart, singt: . '

jt

Gross ist der Männer Trug und List,

Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,

Wohl irrt das Waldhorn her und hin,

0 flieh! du weisst nicht, wer ich bin. ' - .

Der Nachen, der unten auf dem Strome vorübergetrieben ist, stürzt
jählings in den Strudel hinab. Die beiden Männer, die drin sitzen, blicken

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994 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

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'r-1 *

unverwandt, ohne der Gefahr inne zu werden, zu dem zauberhaften Bilde
empor. Der alte Schilfer am Steuer stemmt unwillkürlich, bei der verän-
derten Bewegung, seinen linken Arm auf den Rand des Nachens, trotzig
heftet er seinen Blick auf das Weib; es scheint, als ob er zürne, dass sie
ai ihm, der die Fahrt so oft stromauf und abwärts ohne Hinderniss voll-

If bracht, an verrufener Stelle zu erscheinen wage; aber er kann den Blick

t nicht von ihr abwenden. Der ritterliche Jüngling, den er vielleicht zu

Fest und Freude führen sollte, steht aufrecht, den Arm nach der zaubri-
schen Erscheinung emporgestreckt. Noch ein Moment, und die Wellen
des Illieines werden ruhig über dem versunkenen Nachen dahinrauschen.
ij Dann wird die Jungfrau sich von ihrem Felsensitze erheben, sich vor der

Kühle des Abends in den schimmernden Mantel hüllen und in ihrem ein-
samen Wasserschlosse verschwinden.

Es ist eine der interessantesten und dankbarsten Aufgaben, welche
sich Begas in dieser Darstellung gewählt hat, zugleich aber vielleicht eine
der schwierigsten, die man finden kann. Um so grösseren Ruhm bringt
es dem Künstler, der alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und das
Bild im Ganzen, wie in seinen Theilen, mit gediegener Meisterschaft voll-
endet hat. Schon das Aeussere der Composition, — die Hauptfigur auf
dem Felsen, die Nebenfiguren auf der Tiefe des Stromes, — bot mannig-
fache Schwierigkeit dar: aber sie ist durch eine eigen perspektivische An-
ordnung, durch die Wirkungen des Lichtes, der Luft und durch die Linien
der Landschaft trefflich zu einem Ganzen verbunden. Ungleich schwie-
riger noch war es, dem inneren Leben, der geheimen, verborgenen Lei-
denschaft jenes mährchenhaften Weibes in der äusseren Form einen be-
stimmten Ausdruck zu geben, sie nicht zur kalten Sirene des Alterthums
zu machen und doch allem Formenieiz der letzteren zu genügen. Die
X'< Hauptpunkte, wie dieser Ausdruck dargestellt ist, habe ich im Obigen mit

j Worten anzudeuten gesucht; den nachlässigen Adel der Stellung und Be-

f'l wegung, die schönen Linien der Gewänder, die meisterhafte Vollendung

i; in den Stoffen, vor allem aber die zarte, warme und reine Farbe im

Nackten, in welchen Dingen kein geringster Vorzug des Bildes besteht,
alles dies ist freilich nicht mit Worten zu beschreiben. Es ist unstreitig
eins der schönsten Gemälde, welche Begas bisher geschaffen, eine der be-
deutendsten Erscheinungen der heutigen Malerei. Es ist im Auftrage des
Vereins der Kunstfreunde im preussischen Staate gemalt und wird für
denselben Verein von Mandel in Kupfer gestochen werden.

Begas ist gegenwärtig mit der Ausführung einer grossen Composition
Kaiser Heinrich IV. im Burghofe von Canossa, beschäftigt. Einige sehr
vorzügliche Portraits von seiner Hand sind so eben vollendet. Eine reiche
Auzaiil sehr geistreicher Compositlonen, deren Entwurf ebenfalls meist aus
der jüngsten Zeit herrührt, lässt für die Zukunft nicht minder Vorzüg-
liches erwarten.

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Ornameriten-Zeichnungs-Schule in 100 Blättern. 143

Ornamenten-Zeichnungs-Schule in 100 Blättern, für Künstler,
Manufacturisten und Gewerbsleute. Gezeichnet und herausgegeben von
Bildhauer Conrad Weitbrecht, Modelleur für die Königl. Württemb.
Eisengiesserei und Professor im Ornamentenfache bei der Königl. Gewerb-
schule in Stuttgart. 5 Hefte in Fol. Stuttg. bei d. Verf.

(Museum 1835, No. 50.)

I

Im Fache der Ornamentik spricht sich der allgemeine künstlerische
Geschmack einer Zeit aus. Die strengeren oder weicheren Formen des
Ornamentes, der Schwung und Fall seiner Linien, die besondre »"Weise,
wie die Gegenstände der Natur nachgeahmt, wie äasserlich heterogene
Theile zu einem Ganzen verknüpft werden, alles dies und was sonst hieher
gehört, modiflcirt sich nach dem mehr oder minder reinen Gefühle für die
Form, nach dem edleren oder gemeineren Bedürfnisse des Auges. Nur in
einer wahrhaft gebildeten Zeit sieht man in den Formen des Ornamentes
Maass und Verhältniss durchgeführt, entwickelt sich in ihnen eine eigen-
thümliche Kraft und Elasticität, durchdringt sie ein innerer Organismus,
dessen Gesetz auch das freiste Spiel der Phantasie vor Willkür bewahrt.

Es ist ein glückliches Zeichen unsrer Zeit, dass das Studium des
Ornamentes wieder mit Ernst und mit Bewusstsein von der Bedeutsamkeit
des Gegenstandes ins Leben tritt, dass man die Muster vergangener grosser
Kunstperioden aufsucht, die in ihnen waltenden Principien in das eigne
Gefühl aufzunehmen sich bemüht und unter solcher Leitung zu selbstän-
digen Productionen fortschreitet. Unser Sinn verlangt aufs Neue nach einer
schöngeptalteten Umgebung und die Caprice einer blossen Mode beginnt
im Werthe zu sinken.

Unter den zur Oelfentlichkeit gekommenen Bestrebungen für künst-
lerische Ausbildung des Ornamentes verdient das vorliegende Werk eine
ehrenvolle Erwähnung. Dasselbe ist vornehmlich aus den Studien der
klassischen Kunst, welche der Verfasser in Florenz, Rom, Neapel auszu-
führen wiederholte Gelegenheit hatte, entstanden und enthält, neben eignen
Compositionen des Verfassers, eine Auswahl der trefflichsten, zum Fache
der Ornamentik gehörigen Gegenstände des griechischen und römischen
Alterthums. Es ist dem Unterrichte, den der Verfasser in der Gewerb-
schule zu Stuttgart ertheilt, zu Grunde gelegt und hat sich daselbst bereits
durch einen glücklichen Erfolg bewährt, auf den ef auch an andern Orten
Anspruch machen dürfte.

Der nächste Zweck des Werkes geht auf Uebung im Zeichnen des
Ornamentes und demgemäss ist die äussere Einrichtung angeordnet. Die
Ausführung ist in lithographischer Kreide, die sämmtlichen Gegenstände
in der für Vorlegeblätter nöthigen Grösse gezeichnet. Das erste Heft be-
ginnt, wie es bei einem solchen Zwecke erforderlich war, mit einzelnen,
geraden und krummen Linien, aus denen sodann, im Verlauf desselben
und der beiden folgenden Hefte, zur Zusammensetzung einfacher und rei-
cherer Ornamentformen bis zu den kunstvollsten Gestaltungen fortgeschritten
wird. Bei dem grössten Theil der zusammengesetzten Gegenstände ist mit
einfachen leichten Linien das Skelett des Ornamentes vorgezeichnet, -um
den Schüler zu unterweisen, wie die Gnmdlinien und Hauptformen be-

-ocr page 145-

Berichte. Kritiken, Erörterungen,

144

stimmt, das Charakteristische und die Bewegung bezeichnet werden müssen.
Die beiden letzten Hefte enthalten Gegenstände in detaillirter Ausführung;
das vierte beginnt mit der Unterweisung im Schattiren, und zwar nach
einer besonderen Methode, über deren Zweckmässigkeit sich das Vorwort
näher ausspricht.

Neben diesem technischen Theile des Unterrichts geben die vorliegen-
den Blätter jedoch zugleich, wie bereits bemerkt, Musterbilder zur Aus-
bildung des höheren künstlerischen Sinnes. Sie enthalten Beispiele für die
Verzierung der architektonischen Glieder, für den reicheren Schmuck der
Säulenkapitäle, Friese und andrer Gegenstände der Architektur, für Posta-
mente, Vasen, Schalen, Dreifüsse, Lampen, Geräthe aller Art. Von vor-
züglicher Schönheit sind die im fünften Hefte mitgetheilten ßronzege-
räthe aus Pompeji und Herkulanum, die fast sämmtlich vom Verfasser
nach den Originalen gezeichnet und ebenso wie das Uebrige in genügender
Grösse ausgeführt sind; in diesen Werken zeigt sich der reinste Schön-
heitssinn der griechischen Kunst. Auch sind in demselben Hefte die drei
Seiten eines fragmentirten marmornen Postamentes mit höchst reizvollen
Blättersculpturen, welche das schönste Beispiel einer leichteren Stylisirung
geben, abgebildet. Dies zierliche "Werk war dem Referenten neu; der
Verfasser sagt leider nicht, wo das Original sich befindet. Die eignen
Compositionen des Verfassers enthalten Gegenstände des Pflanzenreichs
(und zwar der heimatlichen Natur), und geben eine Anleitung, wie die
freien Formen der Natur für ihre Anwendung im Ornament zu stylisiren
sind. In letzterem Bezüge ist dem Ornamentisten ein weites Feld eröffnet,
welches noch mannigfach neue Resultate liefern kann. Unter den Compo-
sitionen des Verfassers befinden sich sehr gelungene Beispiele.

Die lithographische Ausführung der einzelnen Blätter ist tüchtig, die
Austattung des Ganzen einfach und anständig.

Annales du Mus(5e et de l'£cole moderne des Beaux-arts, ou
Recueil des principaux Tableaux, Statues et Bas-reliefs exposos au Louvre,
de])uis 1808 jusqu'a ce jour, par les Artistes vivans, et autres produotions
nouvelles et ineditcs de l'Ecole fran^aise, avec des Notices descriptives,
critiques et historiques. Par C. P. Landon. — Salon de 1834. (Pour
servir de suite et de completement aux salons Landon.) Paris 1834.

(Museum 1835, No, 51.)

1

•fe

Wenn wir über das vorliegende Werk einige Worte zu sagen im
BegrilF sind, so geschieht dies, weil wir wünschen, dass die treffliche Ein-
richtung desselben auch bei uns zur Nachfolge anreizen möge. Es bildet
eine Chronik der neuereu französischen Kunst, sofern sich dieselbe in den
jährlichen Pariser Ausstellungen des Louvre dargethan liat. E^ enthält
Beschreibungen der ausgestellten Kunstwerke, kritische und historische
Notizen über dieselben und eine Auswahl von Umrissen nacli den vor-
züglichsten Arbeiten. Es gewährt, schon beim flüchtigen Durchblättern,
eine Uebersicht über die Riclitung der neueren Kunst Frankreichs, die um

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Annales du Musöe et de l'Ecole moderne des Beaux-arts. 145

so interessanter wird, als man sie gegenwärtig schon durch eine Reihe von
beinahe dreissig Jahren verfolgen kann.

Der vorliegende Band begreift die Ausstellung des Jahres 1834 und
besteht aus 14 Bogen Text und 36 Umrissen in 8. Die Umrisse sind in
der leichten geistreichen Manier der Franzosen gearbeitet und enthalten
eine Anzahl von Werken, deren Ruf zum Theil auch über den Rhein ge-
drungen ist. Die neue historische Schule Frankreichs repräsentirt sicli
zuerst in Delaroche's Jeanne Gray, die schon in mannigfachen Nachbil-
dungen bei uns verbreitet ist; sodann in SchefFer's Grafen Eberhard von
Württemberg, der über der Leiche seines Sohnes weint, in Ziegler's etwas
verunglücktem Ritter St. Georg, in Ronjon's beiden Dominikanern (Jacques
Clement und der Prior, welcher jenen zum Morde des letzten der Valois
antreibt^, in Jollivet's Tod Philipps II. von Spanien, in Debacq's Tod des
Bildhauers Jean Goujon, in Brüloff's grandioser Composition des letzten
Tages von Pompeji u. s. w. Die biblische Malerei hat dagegen nichts
aufzuweisen, als Signol's Noah, der seinen Sohn verfluclit, ein Stück voll
gewaltigen Effektes, und Vauchelet's Himniielfahrt der Maria. Für das
Genre (darin jene neuere historische Schule oftmals ausläuft, so dass von
Historie nur der Titel im Catalog übrig bleibt), sind besonders H. Vernet's
Araber, die einem Mährchenerzähler zuhören (auch bei uns durch Jazet's
Stich eingebürgert), und Decamp's türkische Wachtstube zu erwähnen;
unter den plastischen Werken vornehmlicli Rude's Merkur, eine Bronze-
statue, Cortot's griechischer Kämpfer, welcher sterbend die Nachricht des
Sieges von Marathon nach Athen bringt, in Marmor, und Desfoeufs Dar-
stellung der Ruhe, eine schöne weibliche Statue, ebenfalls in Marmor.

Allerdings können Umrisse von der Art, wie sie in diesem Werke
vorliegen, nur das Allgemeine der Composition wiedergeben; die beson-
dere Durchbildung des Ausdrucks, Alles was in das Bereich der Farbe
und des Helldunkels gehört, muss der eignen Phantasie des Beschauers
überlassen bleiben. Gleichwohl ist auch schon das Wenige, was die blos-
sen Umrisse fixiren,,von grosser Wichtigkeit; sie bezeichnen eben unmit-
telbar die Hauptzüge der Richtung, welche die Kunst genommen hat. Wir
fühlen vor diesen Umrissen eben doch, obgleich wir in ihnen nichts von
der geistreich nachlässigen Technik der Franzosen wahrnehmen, dass uns
eine eigenthümliche, unserer Darstellungsweise fremde, Richtung entgegen-
tritt. Man hat leider die landschaftlichen Darstellungen von diesen Nach-
bildungen gänzlich ausgeschlossen, — wie uns dünkt, nicht mit voll-
kommenem Rechte: die allgemeinen Züge der Landschaft sind ebenfalls
für den blossen Umriss zu erfassen, und die besondere Stimmung, welche
in ihnen von der Wirkung des Lichtes abhängt, ist etwa nur ein Grad
mehr von dem, was auch bei andern Gemälden durch den Umriss allein
nicht wiedergegeben werden kann. Die Richtung des Poussin wird sich
schon in solcher Weise zur Genüge von der des Ruysdael unterscheiden
lassen. '

Ein ähnliches Unternehmen, freilich nur für einen ungleich geringeren
Kreis berechnet, ist in Deutschland durch die „Hanno ver'schen Kunst-
blätter" eingeleitet worden. Die Abbildungen, welche in dem ersten
Jahrgange dieses Ausstellungsberichtes mitgetheilt wurden, sind zugleich
insofern auszuzeichnen, als sie im Ganzen nicht sowohl ins Detail durch-
geführte Umrisse, was überall nur für eine geringere Reihe von Gegen-

Kugler, Kluiae Schriften. III. 10

-ocr page 147-

146 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

ständeu passlich ist, als vielmehr leichte Skizzen mit Angabe der Haupt-
schattenpartieen, geistreich mit der Feder auf Stein gezeichnet, liefern.

Was jedoch in diesen Blättern für das Gesammte der deutschen Kunst
nur von geringerer Wichtigkeit ist, würde ohne Zweifel auf eine beträcht-
lich ausgedehntere Theilnahme des Publikums zu rechnen haben, wenn es
sich an grössere Kunstausstellungen anschlösse. Wir meinen hiemit vor-
nehmlich die grossen Ausstellungen, welche alle zwei Jahre durch die
Kunstakademie von Berlin veranstaltet werden, indem diese fortwährend
fast alles Wichtigste der neueren Kunstbestrebungen von Norddeutschland
in sich vereinigen. Eine fortlaufende Chronik dieser für die Kunst unse-
rer Zeit so höchst charakteristischen Ausstellungen ist bis jetzt eigentlich
nur in den Katalogen derselben zu finden. — Wir theilen im Nachfolgen-
den einen Plan mit, welcher uns von einem Kunstfreunde mitgetheilt ist
und näher in die Ausführung eines solchen Unternehmens eingeht; wir
sind überzeugt, dass derselbe des allgemeinen Beifalls von Seiten des
Publikums nicht entbehren wird.

Andeutungen Tiegen Berausgabe eines Taschenbuches zur Erinnerung an Berlins Runstausstellungen.

1. Es erscheine alle zwei Jahre, also immer in dem der Ausstellung fol-
genden Jahre. Vom Beginn der Ausstellung bis zur Mitte des nächstfolgenden
Jahres wird noch eben hinreichende Zeit znr Vorbereitung sein; andererseits
aber die Lücke, die dieses Jahr lässt, durch Erscheinung des Taschenbuchs
angenehm ausgefüllt werden. — Sollte es möglich sein, schon bald nach dem
Schlüsse der Ausstellung das Taschenbuch zu liefern, so würde es dann zu
einer gar lieben Weiiinachtsgabe sich eignen.

2. Das Taschenbuch liefere als Hauptzweck — und woran sich vornehm-
lich das lebhafteste Interesse des Publikums knüpfen wird — die grösstuiög-
lichste Zahl von Umrissen solcher Bilder, welche die Zierde der Ausstellung
waren; vornehmlich natürlich aus dem Kreise der historischen und Genrebilder,
weil Landschaften ihrer Natur nach zum Umriss sich weniger eignen.

Es kann wohl sein, dass, um solche Umrisse zu erlangen, bei einzelnen
Bildern Schwierigkeiten sich erheben können, um die Zustimmung der Meister
oder Besitzer zu gewinnen. Am wenigsten aber lassen sich diese Schwierigkei-
ten da erwarten, wo die Bilder in hiesigen Privatbesitz (dt^r Prinzen, bekannter
Kunstfreunde, durch Verloosung des hiesigen Kunstvereins n. s. w,) gelangt sind,
— oder auch, wenn sie als noch unverkauft in die Ateliers der Künstler oder
in die Kunsthandlungen zurückwandern. Vielmehr muss es in letzterem Falle
den Künstlern lieb sein, ohne eigne Bemühung ihre Compositionen Auswärtigen
zur Anschauung zu bringen. Es lässt sich nicht bezweifelii, dass auf solche
Weise eine ganz genügende Anzahl von Umrissen zur Füllung des Taschen-
buches herbeizuschaffen sein werde.

3. Neben diesen Umrissen gebe sodann das Taschenbuch jedesmal wenig-
stens Ein Portrait in Kupferstich oder Lithographie aus der Zahl derjenigen
Meister, die sich durch Hingabe ihrer "Werke zur Berliner Ausstellung die Hoch-
achtung und die Liebe des Publikums erworben haben.

Soviel über die künstlerische Ausstattung.

4. Den Text des Buches, wie sich solches dann von selbst versteht, bilde
die nähere Beschreibung der Umrisse — ferner derjenigen werthvollen Bilder,
von denen die Umrisse nicht zu beschaffen gewesen, umfassende Berichte über
die Landschaften, Sculpturen (wiewohl auch von den bedeutendsten der letzte-
ren, namentlich auch der Reliefs, die Umrisse nicht fehlen möchten!) U. s, w.

5. Eine Interessante Zugabe möchte noch sein: Nachrichten über, die Lebens-
verhältnisse und die Bildungsgeschichte einzelner Künstler, desgl. über den Ver-

ilt

J 1

.f.

-ocr page 148-

Promenades d'un artiste. 147

bleib bekannt gewordener Bilder, und endlich von in der Arbeit beflndlichen
Werken.

6. Ob eine Nachweisung der erschienenen Kritiken in hiesigen und auswär-
tigen Blättern, sei es bei den einzelnen Bildern, oder auch nur im Allgemeinen,
an ihrem Platze sein werde, mag wenigstens als Frage aufgestellt werden.

Der Verfasser dieser Andeutungen wünscht recht sehnlichst, dass die-
selben Ton einem dazu Berufenen mit Liebe und Eifer verwirklicht werden. Er
hält sich überzeugt, damit den Wunsch einer grossen Zahl von Kunstfreunden
ausgesprochen zu haben; er kann dahier auch nicht bezweifeln, dass das bespro-
chene Büchlein sich neben andern Unternehmungen, denen es auf keine Weise
in den Weg tritt, seine Bahn brechen werde.

Promenades d'un artiste. Bords du Rhin, Hollande, Belgique. Avec
26 gravures d'apres Stanfield et Turner. Paris.

(Museum 1835, No. 51.}

Das vorliegende Werk ist eine französische Besclireibung der Rhein-
reise, mit englischen Stahlstichen gesehmückt. Diese Stiche gehören wie-
derum zu den reizendsten Erzeugnissen der englischen Kunst; sie haben
nicht bloss die zarteste technische Vollendung, sondern auch jene ei-
genthümlich geistreiche Auffassung, welche die englischen Landschaften
auszeichnet. Ohne im Allgemeinen auf einen gesuchten und übertrie-
benen Effekt auszugehen, ist hier ein Glanz der Lüfte, eine Klarheit
des Farbentons, ein duftiger Hauch erreicht, welcher mit Claude Lorrain
um den Vorrang zu streiten scheint, und doch das Ganze überall in einer
Kraft und Energie gehalten, in einer Lebendigkeit des Details ausgeführt,
die nichts zu wünschen übrig lässt. Es ist merkwürdig, wie die landschaft-
lichen Stiche der Engländer so höchst meisterhaft sind, während in ihren
Darstellungen menschlicher Figuren fast durchgehend die unerfreulichste Flau-
heit und Charakterlosigkeit herrscht. Auf Portraitwahrheit muss man frei-
lich, wie dies insgemein bei ihren Landschaften der Fall ist, keinen An-
spruch machen; die besonderen Situationen, welche der Künstler darstellt,
haben nur das Motiv gegeben, das sodann mit grösstmöglicher poetischer
Freiheit bearbeitet worden ist. Bei Heidelberg sieht man, statt auf die
freie Rheinebene, in einen Gebirgskessel hinein, in dem der Neckar wie
ein See schwimmt; der Strassburger Münster ist ganz und gar ein eng-
lischer Dom geworden, und die eine fehlende Thurmspitze ist Alles, was
von Aehnlichkeit übrig geblieben. Aber das thut nichts, die Bilder
sind doch schön; und sind sie nicht als Erinnerungsblätter zu gebrauchen»
so benimmt das ihrem eigentlich künstlerischen Werthe nichts.

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148 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Berliner Ateliers.

(Museum 1835, No. 52.)

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Herr Prof. Wach hat ein grosses Portraitbild vollendet, welches die
beiden Söhne S. K. H. des Prinzen Wilhelm (Bruders Sr. Majestät), fast
ganze Figuren in Lebensgrösse, darstellt. Wenn die Portraits dieses Künst-
lers sich durch feine Auffassung der Natur und geistreiche Behandlung
auszeichnen, so erwecken sie unser besonderes Interesse doch stets aufs
Neue durch die äusserst geschmackvolle Anordnung, die sich vornehmlich
in der meisterhaften Ausfüllung des gegebenen Raumes zeigt. Wir stossen
hier nirgend auf eine Leere, nirgend auf ein ängstliches Zusammendrücken,
wir bemerken nirgend (wie es bei Andern so häufig der Fall ist), dass
eine menschliche Gestalt willkürlich durch den Rahmen abgeschnitten und
da, wie durch ein zufälliges Ereigniss, hineingepasst sei. Die vollkommene
Ruhe, welche solchergestalt in Wach's Portraitbildern herrscht, giebt ihnen
ihr eigentlich künstlerisches Interesse, und sie ist es vornehmlich, die
etwas Höheres, als blosse Nachahmung der Natur, erkennen lässt. Beson-
ders anziehend ist in dieser Beziehung das genannte Portrait, da hier
durch die Anordnung zweier Gestalten in rundem Räume, sich noch
grössere Schwierigkeiten entgegenstellten, die jedoch ebenso glücklich, wie
die Schwierigkeiten der nothwendigen Farbenharmonie, bei wenig gün-
stigem modernem Militairkostüme, aufs Glücklichste überwunden sind. —
Hr. Wach bereitet, ausser diesen und andern Arbeiten, die Ausführung
eines historischen Gemäldes, einer Judith, welche mit ihrer Magd das Zelt
des Holofernes verlässt, vor, ein Bild, welches eine interessante Lösung
dieses in physiognomischer Hinsicht so anziehenden und so höchst schwie-
rigen Gegenstandes verspricht. Unter den Entwürfen des Künstlers zog
uns besonders eine figurenreiche Darstellung des bethlehemitischen Kinder-
mordes an. Hier hat der Künstler das Grässliche dieses Gegenstandes, der
fast in allen Compositionen früherer Meister beklemmend auf unser Gefühl
wirkt, durch den lieblichsten Contrast zu mässigen gewusst, denn im Vor-
grunde sehen wir Maria mit ihrem Kinde, welche an Engelhänden durch
das Gewirre und die Gefahren des Todes geleitet wird; sie nähert sich
dem Ufer des Flusses, auf welchem eine Barke, von Engeln geführt, in
Bereitschaft liegt, die sie in ein glücklicheres Land hinübertragen soll.
Wir versprechen uns von der Ausführung dieser Composition den edelsten
Genuss.

Von Hrn. Krigar, Schüler des Hrn. Prof. Wach, sahen wir in des
letzteren Atelier ein anmuthvolles Gemälde, das kürzlich vollendet wor-
den, aufgestellt: Aschenbrödel, die auf dem Boden der Küche, vor dem
Heerde, sitzt und zwei Täubchen zu ihren Seiten hat, welche ihr die
Erbsen auslesen helfen. Es ist in dieser Composition etwas überaus Kind-
liches und Gemüthvolles, das ganz dem Charakter des artigen Mährchens
entspricht; dabei sehen wir es dem holden Kinde und seinem schalkhaften
Lächeln gar wohl an, dass sie es weiss, dass ein Königssohn ihr Liebster
ist, und dass, wenn sie ihre Magdkleider von sich gethan, sie in reizen-
der Schönheit den ganzen Festball überstrahlen wird. Wir wünschen dem

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Portrait-Statuetteii. — Berlin. 149

Maler Glück zu der Wahl dieses anziehenden Stoffes und stellen seinem
Bilde das günstigste Horoscop: es wird auf der nächsten Ausstellung ge-
wiss ein allgemeiner Liebling des Publikums und in lithographischer Nach-
bildung vielfach verbreitet werden.

Hr. Bönisch hat, neben andern Bildern, eine grosse Landschaft in
dem eigenthümlichen Format von 5 Fuss Höhe, 3 Fuss 4 Zoll Breite voll-
endet. Es ist eine Felsenschlucht im Charakter der norwegischen Hoch-
lande. Im Hintergrunde des Thaies wogen die Morgennebel und reissen
in der Mitte voneinander, so dass sich in der Höhe des Bildes der Blick
auf eine mächtige Felsenwand öffnet. Letztere zeigt wiederum in der
Mitte eine bedeutende Senkung, eine Art Kessel, darin wir noch hin und
wieder Spuren des winterlichen Schnees bemerken; zierliche Bächlein
kommen daraus hervor und stürzen sich wie Silberfäden, nach unten zu
verstäubend, den senkrechten Abhang hinab. Vorn, wo die Seitenwände
der Schlucht ziemlich nahe zusammentreten, strudelt ein grüner Bach über
und zwischen den Klippen hin. Die linke Wand, mit einzelnen Kräutern
und Moosen bewachsen, ist von den schrägeinfallenden Sonnenstrahlen
beschienen, welche die grauen Gneisfiächen hie und da hell aufleuchten
machen. Die rechte Seite des Vorgrundes liegt im Schatten; zunächst
vorn, wo das Terrain durch eine gemauerte Brüstung geschützt wird, sieht
man einige Gebirgsbewohner im ruhigen Gespräche. "Von da zieht sich
der Weg aufwärts zwischen grossen Steinblöcken hin und wendet sich bei
einer mächtigen Esche, die in ihrem leuchtenden Grün einen schönen
Mittelpunkt des Bildes abgiebt, zu einer leichten aus Holzblöcken sorglich
construirten Brücke und zu einem Häuslein auf dem jenseitigen Ufer, das
zwischen Felsen, Bach und Nebeln heimlich da liegt und dessen Schorn-
stein lustig in die Nebel hineindampft. Das Bild athmet alle Frische und
herbstliche Behaglichkeit eines schönen Gebirgsmorgens.

Portrait-Statuetten. — Berlin.
(Museum 1836, No. 1.)

Wenn in den Öffentlichen Standbildern, welche dem Gedächtnis« grosser
Männer gesetzt werden, neben Portraitähnlichkeit noch andre Ansprüche zu
befriedigen sind; wenn es sich hier zunächst um die Erfüllung monumen-
taler Zwecke handelt, also um schöne Form, um grossartige Masse, um
ideale Anordnung; wenn das Ausserwesentliche in der körperlichen Er-
scheinung jener Männer, — das vielfach unschöne Modekostüm, darin sie
sich zu bewegen genöthigt waren, — zu vermeiden, umzugestalten oder
mit einer edlen Gewandung zu umhüllen ist; so treten diese Anforderungen
um ein Bedeutendes bei jenen kleineren Portraitstatuen zurück, welche
wir zur Ausschmückung unsrer Zimmer aufstellen und welche in neuster
Zeit mannigfach beliebt worden sind. Hier, in der gemüthlichen Enge
des häuslichen Lebens, ist zunächst die Charakteristik, die Auffassung der
Persönlichkeit mit all ihren kleinen Besonderheiten, die sich bis auf den

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i •

150 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Schnitt der Kleidung, bis auf den Zug und die Biegung der einzelnen
Falte erstreckt, an ihrem Orte; das Schönheitsgefühl wird hier nur mehr
für die Gesummt-Auffassung, soweit es für Werke der Kunst überhaupt
unerlässlich ist, in Anspruch genommen.

Rauch war einer der ersten, welche für Arbeiten dieser Art ein Bei-
spiel gaben. Seine kleine Statue Goethes, die den Dichter in einfacher
Hauskleidung, die Hände auf dem Rücken (wie es bekanntlich Goethe's
Gewohnheit war), darstellt und mit zierlichem, auf die kleineren Dimen-
sionen berechnetem Fussgestelle geschmückt ist, hat den ungetheiltesten
Beifall und Verbreitung in den weitesten Kreisen gefunden. Es sind, vor-
nehmlich, wie es scheint, durch Anregung dieser kleinen Arbeit, mannig-
fach ähnliche Werke entstanden, nicht bloss am hiesigen Orte, sondern
auch ausserhalb, wie der Referent z, B. in München mehrere kleine Por-
traitstatuen dort lebender Künstler gesehen hat.

Ein vorzügliches Talent für Darstellungen dieser Art zeigt sich beson-
ders in den hieher bezüglichen Arbeiten Drake's. Mehrere derselben
sind von den letzten Öffentlichen Ausstellungen Berlin's bereits
bekannt
und in diesen Blättern ausführlicher besprochen worden. Hufeland, Rauch,
Schinkel, W. v. Humboldt sind von ihm in vollster Lebenswahrheit und
in ansprechender Auffassung des Momentes, der erste im Lehnsessel und
auf reichem Piedestale sitzend, die andern einfach stehend, dargestellt.
Das Kostüm des gewöhnlichen Lebens ist hier mit feinem Geschmack be-
handelt und vornehmlich der verachtete Schlafrock durch geringe Modifi-
cation zur Herstellung schöner, edler Linien und Massen benutzt worden.

Gegenwärtig hat Drake wiederum einige sehr gelungene kleine Per-,
traitstatuen vollendet. Die erste derselben stellt Alexander von Hum-
boldt dar und bildet ein erfreuliches Seitenstück zu der Figur seines
verewigten Bruders. Der gefeierte Gelehrte steht einfach, im Leibrock und
offenen Oberrock, dem Beschauer gegenüber. Er hat e~in aufgeschlagenes
Buch in den Händen, und blättert darin, indem er lebhaft zu sprechen
scheint. Das Werk ist mit vorzüglicher Liebe gearbeitet, und wie sich
die sorglichste Ausführung bis in das geringste Detail erstreckt, so ist
vornehmlich der Kopf voll Leben und durchgeführter Portraitwahrheit.
Die Feinheit und Vollendung in Allem, was zur Charakteristik der Person
gehört, macht diese Figur zu einem vollkommenen kleinen Meisterwerke.

Die zweite ist ein kleines Standbild Schiller's. Da hier nicht nach
dem Leben zu arbeiten war, so tritt natürlich jene Charakteristik in den
Nebendingen in Etwas zurück und es zeigt sich statt deren mehr die
selbstschöpferische Thätigkeit des Künstlers. Wir sehen hier den Dichter
vor uns, — den Moment, da er gerade als solcher, nicht in anderweitiger
Aeusserung des Lebens, erscheint. Wir sehen: er ist sinnend, tiefer Ge-
danken voll, das Zimmer mit starken Schritten auf- und niedergegangen;
plötzlich hat er das Wort für den Gedanken gefunden, er hält ein im
Schritte und erhebt die Rechte mit dem Stifte, um es auf das Papier,
das er in der Linken trägt, niederzuschreiben. Er ist im offenen langen
Rocke dargestellt, der in grossen einfachen Linien niederfällt und darunter
ein einfaches Unterkleid sichtbar wird. Der Kopf ist nach der Todten-
maske modellirt; er ist vorgeneigt, noch arbeitet der Gedanke in dieser
majestätischen Stirn; das Haar wallt frei zurück.

Unter andern Arbeiten Drake's nennen wir noch eine dritte kleine
Statue, welche den Kaiser von Russland darstellt und sich nicht minder

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Diü klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte, 151

durch geistreiche Auffassung und edle würdevolle Haltung auszeichnet.
Der Kaiser ist im militärischen Kostüme, die Hand auf das Schwert ge-
stützt, den Kriegermantel auf der Schulter, dargestellt. — Hr. Drake hat
für diese sämmtlichen kleinen Statuen eine zierliche Console gearbeitet,
die aus einem weiblichen Kopfe besteht, auf dessen Bekrönung die Deck-
platte ruht. Da es lange an geschmackvollen Gypsconsolen gefehlt hat
lind jene kleinen Statuen, wie alle plastischen "Werke, eine gemessene
Höhe und Beleuchtung fordern, so wird auch diese Arbeit sich mannig-
fachen Beifalls zu erfreuen haben.

3

Die klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte in
Original-Ansichten dargestellt, gezeichnet von Gustav Adolph Müller,
auf Stahl gestochen von Henry Win kl es in London und den besten
englischen Künstlern. Mit Erläuterungen von Heinr. Zschokke. Carls-
ruhe und Leipzig, Kunst-Verlag, W. Creuzbauer etc.

(Museum 1836, No. 1.)

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Es ist ein schönes Unternehmen, die Hauptpunkte eines Landes, wel-
ches der Edelstein in der Kette der europäischen Länder ist, in einer rei-
chen Bilderfolge dem Auge des Beschauers vorüberzuführen. "Wem es nur
einmal vergönnt war, die Pracht dieser Gebirge, diese strahlenden Eis-
meere, die flatternden "Wasserfälle, das erquickliche Grün der Matten, den
weiten Spiegel der Seen, den reichen "Wechsel heiterer und anmuthiger
Ortschaften zu sehen, dem wird sich die Erinnerung hieran unauslöschlich
eingeprägt haben: und wer daheim, im ebenen Lande, bleiben musste,
der wird sich gern mit der Phantasie in das Land versetzen, wo die er-
habensten Denkmäler der Natur und die grössten Erinnerungen der Ge-
schichte bei einander stehen, wo der Genuss, den der Reisende sucht,
ebenso befriedigt wird, wie das mannigfachste wissenschaftliche Bestreben.
— Das in der Ueberschrift genannte Werk verspricht das zu leisten, was
billiger "Weise von einem Unternehmen der Art gefordert werH'en kann.
Es erscheint in Heften (in 8. und in 4.), jedes mit drei Ansich'ten und
einem Bogen Text; 24 Hefte sollen das Ganze vollenden. Die drei bisher
erschienenen Hefte geben eine im Ganzen erfreuliche Probe, und auch an
ihnen bewährt sich der englische Stahlstich. Doch finden wir neben man-
chem sehr Bedeutsamen auch manches — in malerischer Beziehung —
Uninteressante mitgetheilt, wie z. Bi die Ansicht von Liestal sich durch
nichts sonderlich Charakteristisches auszeichnet. Für die Trefflichkeit des
Textes bürgt der
gefeierte Name des Verfassers.

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ISericJite, Kritiken, Erörterungen.

Für Historienmaler.

(Museum 1836, No. 6.)

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Die Künstler, welclie ans den Werken der romantischen Poesie StolV
und Anregung zu bildlicher Darstellung entnommen haben, waren bisher
im Wesentliclien noch auf eine geringe Anzahl von Dichtungen beschränkt.
Vornehmlich wurden in dieser Beziehung die epischen Gedichte der Italie-
ner mannigfach benutzt, sodann das Nibelungenlied, welches durch ver-
schiedene üebersetzungen und Bearbeitungen (besonders durch die treffliche
Uebersetzung von Simrock) einem grösseren Kreise von Lesern zugäng-
licli ist. Die grosse Fülle der übrigen Gedichte des deutschen Mittelalters,
in denen so verschiedenartige, zur Darstellung wohlgeeignete Situationen
vorhanden sind, ist unsrer Künstlerwelt noch so gut wie unbekannt, und
fast nur die von Fouque und F. Schlegel nach alten Vorbildern gedichteten
Romanzen der Ronceval-Schlacht haben zu Gemälden Anlass gegeben.
Selbst der reiche Schatz unsrer so allgemein zugänglichen Volkssagen ist
noch eine fast unbenutzte Fundgrube; welche Stoffe aber hierin verborgen
liegen, hat uns jüngst Begas' Loreley dargethan.

Wir erlauben uns, die Künstler auf die so eben erschienene Ueber-
setzung eines der vorzüglichsten Gedichte der deutschen Vorzeit aufmerk-
sam zu machen: „Parcival, Rittergedicht von Wolfram von
Eschenbach. Aus dem Mittelhochdeutschen zum ersten Male übersetzt
von San Harte. Magdeburg, Verlag der Greutz'schen Buchhandlung.
1836." — In diesem Gedichte, welches mit dem Nibelungenliede um den
Preis ringt, entfaltet sich der grösste Reichthum interessanter Situationen,
welche durcli die liebenswürdige Naivetät des Dichters, durch warmes,
lebendiges Gefühl, durch scharfe, sichere Charakteristik und anschauliche
Darstellung der äusseren gesellschaftlichen Verhältnisse, den bildenden
Künstler, wie wenig andre Werke der Zeit, zum Wettkampfe einladen
dürften. In Anerkennung der Bedeutsamkeit dieses Gedichtes ist dessen
Inhalt auch bereits zu den bildlichen Dekorationen des neuen Königsbaues
in München benutzt und eins der Zimmer daselbst mit einfer Reihe hierauf
bezüglicher Darstellungen von K. Herrmann ausgemalt worden. Aber auch
zu einzelnen Gemälden, deren Verständniss nicht die Bekanntschaft mit
dem Gesammtinhalte der Dichtung voraussetzen darf, ist hier vielfacher
Anlass vorhanden, da die Situationen überall prägnant und entschieden
genug sind, um sie zu selbständigen Werken benutzen zu können.

Zum Belege dessen heben wir die folgende Stelle des Gedichtes aus.
Nur zum Verständniss des Textes, nicht der Situation, bemerken wir vor-
her, dass Parcival, ein junger Ritter, der sich jüngst erst die Sporen ver-
dient hat, auf seinen abenteuerlichen Zügen in eine von Feinden bedrohte
Stadt kommt, wo Hungersnoth herrscht, dass er der Herrin der Stadt (der
schutzlosen Tochter des verstorbenen Königs, die nachmals sein Weib
wird) seine Hülfe zugesagt hat und in ihrem Schlosse aufgenommen ist.

Drauf in ein Zimmer reich verziert

Ward er zur Ruhestatt geführt:

Hier war nicht Armuth. Die Kerzen, ich wähne,

Waren bessres als Fichtenspäne;

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Für Historienmaler. 153

Das Bett war königlich bereitet,

Ein Teppich lag davor gebreitet.

Er entliess die begleitenden Ritter bescheiden,

Und Hess sich von den Pagen entkleiden,

Worauf er bald und fest entschlief —

Bis ihn der wahre Jammer rief, , '

Und lichter Augen Herzensregen T. ■ ,

Erweckte den erkornen Degen. ■

Denn mit des Morgens erstem Grau

Trat zu ihm hin des Landes Frau,

Doch nicht von solcher Minne getrieben,

Die das Mädchen nur als "Weib mag lieben,

Nein, durch des harten Streites Noth,

^Ünd lieber Helfer herben Tod,

Die sie zu' solchem Seufzen zwangen,

Dass Thränen sich dem Aug' entrangen.

Und suchend Hülf' und Freundesrath.,

Mit keuschem reinem Sinne trat

Zu ihm die königliche Magd,

Von der Euch mehr hier wird gesagt.

Auffordernd doch zum Minnestreit —

Ein Hemd weiss seiden — war ihr Kleid,

Und was reizt mehr zum Kampf den Mao», . ''

Tritt eine Jungfrau so ihn an?

Ein sammtner Mantel wand jedoch

Um ihren schlanken Leib sich noch.

So schlich sie still, das Herz voll Klagen, ~

Vorbei den Fraun und Kämmerern,

Die noch in tiefem Schlummer lagen.

Zu dem Gemache einsam fern,

Wo Parcival der Ruhe pflag.

Von Kerzenschein licht wie der Tag

War es in seiner ■ Schlummerstatt.

Zu seinem Bette geht ihr Pfad; ' '

Sie knieet auf den Teppich hin.

Und über ihn geneigt mit Bangen

Netzt' ihre Thräu' ihm Stirn und Wangen.

Als, so erweckt, die Königin

Der junge Parcival ersah —

Ach lieb und leid ihm dran geschah 1

Auf richtete der süsse Mann

Verwundert schnell,sich und begann:

„Gebietrin, treibt Ihr mit mir Spott?

So knieen dürft Ihr nur vor Gott. ,

Geruht, Euch her zu mir zu setzen, .

Oder legflt hin Euch, wo ich lag.

Und lasset mich an andern Plätzen

Mein Lager suchen, wie ich mag." ü. s. w. —

Diese Situation, die hier uur als ein Beispiel des reicheifVorrathes ge-
geben ist, entspricht den mancherlei romantischen Darstellungen, welche

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154 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

die neusle Kunst hervorgebracht hat. In -wenigen aber dürfte Anmuth,
Hoheit und Rührung in gleichem Grade vereinigt, in wenigen ein so hol-
des und zartes Verhältniss vorgezeichnet, und bei der Darstellung schöner
KleidungsstofFe und Gerätlie (welche die romantische Kunst, wie einst die
der Venetianer, liebt) zugleich Gelegenheit zur reizvollen Entfaltung edler
Körperformen gegeben sein. Uns scheint jene einfache Schilderung in der
That Anlass zu dem anmuthsvollsten Gemälde zu bieten.

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Englische Radirungen.
(Museum 1836, No. 7.)

Die Engländer sind unerschöpflich in der komischen Kunst; sie wissen
Alles in den Bereich ihrer Karikaturen hineinzuziehen. Ein neues Beispiel
der Art liegt uns so eben vor;
llie comic almanack for 1836, ein komischer
Almanach, mit 12 Monatskupfern von George Cruikshank geschmückt.
Es sind die ergötzlichsten Zerrbilder englischer Sitte und Gewohnheit, mit
derselben genialen Uebertreibung, denselben täppisch dämonischen Phy-
siognomieen, die aus den anderweitigen zahlreichen Werken dieses Künst-
lers bekannt sind und die immer wieder unser Interesse erregen. Cruik-
shank's Radirnadel ist wie der Stab in der Hand des Zauberers; wo sie
nur das Kupfer berührt, tauchen stets aufs Neue die seltsamsten Gestalten
in verwunderlichster Leibhaftigkeit hervor. Er steht in genialer Phantasie
dem Jacques Callot würdig zur Seite.

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Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem Oelgemälde von

E. Bendemann.

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:

(Museum 1836, No. 18.)

Betrachtet man unsre jüngste schöngeistige Literatur, die Urtheile,
welche über sie und ihren möglichen Einfluss auf den Geist des Volkes
laut geworden sind, die mächtigen Anstrengungen, welche man aller Orten
zur Unterdrückung dieses vorausgesetzten Einflusses erhoben hat, so muss
man glauben, dass wir in einer Zeit der Verwirrung und Auflösung leben,
und dass uns für die nächste Zukunft keine sonderlich freudige HoflFnung
bleibt. Alles, was Unbefangenheit, Gesundheit und nachhaltige Kraft in
geistiger Produktion anbetrifft, scheint verloren, und jenseit dieses künst-
lichen Raketenfeuers unsrer modernen Literatur wähnt das Auge nur auf
leere, ausgebrannte Hülsen zu stossen. Doch aber ist es eine etwas ein-
seitige Voraussetzung, wenn man nach wenigen Bogen bedruckten Papieres
den Geist der gesammten deutschen Jugend zu beurtheilen, aus ein Paar

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Jeremias auf den Trlimmerii von Jerusalem. 155

Romanen und Journal-Aufsätzen einen Schluss auf das gesammte Produc-
tionsvermögen zu machen/sich für berechtigt hält. Man hat vergessen,
dass zum Abschluss dieser Rechnung nicht bloss die Literatur, sondern
auch die Kunst in Frage zu stellen ist, und dass gelegentlich die eine
mit der andern das Scepter tauscht. Und so lässt uns in der That schon
eine äussere Ansicht der Dinge erkennen, dass gegenwärtig die Masse der
Production auf Seiten derKunst zu suchen ist, dass hieher sich das ausge-
dehnteste Interesse des Publikums gelenkt hat. Und fassen wir den inne-
ren Geist und das Vermögen der Darstellung in den jüngsten Werken
unsrer Kunst ins Auge, so finden wir hier, was wir in der Literatur ver-
missen, sehen wir hier die Aufgaben — seien sie ernst und tiefsinnig, oder
heiter und spielend — mit reinem, unschuldigem Sinne aufgenommen, mit
Liebe und Wahrheit durchgebildet, mit Kraft und Ausdauer zum ergrei-
fenden Leben vollendet.

So in dem jüngsten Gemälde Bendemann's, welches einige Wochen
hindurch im Lokale der hiesigen Kunstakademie dem Besuche des Berliner
Publikums freigestellt war. Es stellt den Untergang eines einst herrlichen
und blühenden Volkes dar, das tiefste Elend, den bittersten Schmerz, allen
Jammer und alle Verzweiflung, welche je die Brust des Menschen durch-
zogen: es ist Alles darin enthalten, was unser Herz verwunden und zum
innigsten Mitgefühle hinreissen kann, — und doch ist über das Ganze und
über die einzelnen Gestalten jener unergründliche Hauch der Schönheit,
jene Reinheit und Seelengrösse ausgegossen, die auch das Anschauen des
Schmerzes und des Leidens zum edelsten Genüsse umgestalten. Das furcht-
bare Elend, welches sich hier unsern Blicken entfaltet, wird nirgend gräss-
lich, nirgend beklemmende Pein; die Erinnerung an dasselbe vermag es
nicht, die Träume unsrer Nächte zu vergiften, sie giebt im Gegentheil
unserm Gemüth Ruhe, unsern Gedanken und Empfindungen Klarheit und
Würde.

Es sind ein Paar Bemerkungen über dies Bild (zum Theil auch in
geschätzten Zeitschriften) laut geworden, die wir vor einer näheren Betrach-
tung desselben besprechen zu müssen glauben. Einige Kritiker wundern
sich, dass der Maler keine Juden, einer besonderen Nationalität gemäss,
sondern überhaupt nur schöne und edle Menschen dargestellt habe. Ich
weiss nicht, was ich aus dieser Ansicht machen soll. Was für Juden ver-
langt ihr? etwa jene knechtischen, gemeinen Physiognomieen, wie sie die
Mehrzahl dieses unglücklichen Volkes durch die barbarische, jahrtausend-
lange Unterdrückung, mit der eure Väter dasselbe behandelt, angenommen
hat? Oder wollt ihr irgend eine jener heutigen orientalischen Racen dar-
gestellt sehen, wie uns z. B. Horace Vernet jüngst in seiner Rebecca am
Brunnen, statt einer Scene des frommen Patriarchenlebens, ein modern
ägyptisches Genrebild vorgeführt hat? Alles dies möchte für das auser-
wählte Volk Gottes, welchem er den Büchern der Schrift zufolge seine
höchsten Gnaden zugewendet hatte und welches in einer idealeren Bildung
den Stempel dieses göttlichen Verkehres tragen muss, wenig passend sein.
Die künstlerische Anschauung hat hier von jeher das Richtige getroffen:
es gehört nur ein geringer G/ad von Gefühl dazu, um das uralte und
immer erneute Ideal des Christuskopfes, um Raphael's und Leonardos
Madonnen für wahrer und angemessener zu halten, als ein Gesicht mit
krummer Nase, vorstehenden Augen und hängender Unterlippe. Gelänge
auch einem Künstler, die einstige Nationalphysiognomie des jüdischen

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I, li 156 Berichte, Kritiken, Erörternugeu.

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I [ Volkes aus seiner heutigen Erscheinung herauszufühlen, so beruht dennoch

! ! eben darin die Bedeutsamkeit der biblischen Geschichten, dass sie uns

I '' persönlich berühren, dass wir in ihnen unsre eigne erste Bildung erhalten

I V haben, in ihnen gross gezogen sind und dass sie für unser Gefühl gewisser-

maassen einen Theil unsrer eignen Geschichte ausmachen. Wir können,
unsrer durch die Wissenschaft gewonnenen Emancipation zum Trotz, diese
Wechselbezüge der biblischen Erzählungen und Aussprüche auf unser Leben
f. nicht von uns weisen; wir fühlen uns genöthigt, in ihnen ein Spiegelbild

^ P unsrer eignen Gemüthszustände, somit auch der durch letztere bedingten

W'^ äusseren Gestaltung, wiederzugeben. Freilich sind wir jener kindlichen

, I Zeit des Mittelalters entwachsen, da die Gegenwart mit all ihren äusseren

Zufälligkeiten, mit ihrem gesammten Kostüm, ihren einzelnen Sitten und
I Gebräuchen, in diese Yergangenheit übertragen wurde; wir verlangen die

letztere in einer gewissen idealeren Weise, mit einem gewissen Schimmer
jener orientalischen Heimat zu sehen, — aber eben auch nicht mehr als
i f, dies; die bekannten und verwandten Züge wollen wir nicht missen, wenn

' f nicht jenes nähere Verhältniss aufgelöst und uns statt eines Vorganges, der

' uns in unsrer Eigenthümlichkeit erfasst, ein zufälliges Factum, wie die

f Geschichte deren zu hunderten und tausenden darbietet, vorgeführt wer-

i den soll.

j ' Man sagt ferner, dies letzte Bild Bendemann's sei eben nichts als eine

j etwas erweiterte Wiederholung seines ersten Meisterwerkes, der gefangenen

' : Juden; der junge Künstler zeige sich demnach in einseitiger Richtung, er

1 könne nur Gestalten, die im tiefen Schmerze gebückt dasitzen, malen.

I ff Hierauf ist fürs Erste zu entgegnen, dass es ein wenig voreilig sein möchte,

aus zwei einzelnen Bildern auf eine weitere künstlerische Laufhahn zu
schliessen, und dass Herr Bendemann zu bedeutend aufgetreten ist, um
^ , genöthigt zu sein, das Publikum durch eine Musterkarte des Mannigfaltigen

; -j zu bestechen. Uebrigens hat er bereits durch sein grosses Gemälde der

i f. beiden Mädchen am Brunnen, welches zwischen die beiden in Rede stehen-

den fällt, so wie durch verschiedene öffentlich^ ausgestellte Skizzen nach-
gewiesen, dass sein Pinsel keinesweges allein sich an den Gegenständen
der Trauer und Vernichtung erfreut. Wäre letzteres indess wirklich der
Fall, so dürfte auch -dies in der That nicht als ein Vorwurf gelten können.
Habt ihr euch so schnell an den gefangenen Juden satt gesehen, dass ihr
nicht noch ein und ein andres Bild von ähnlicher tragischer Grösse bewun-
dern, nicht aufs Neue durch so mächtige Gefühle bewegt werden könntet?
Ist unsre Zeit nicht reich genug an künstlerischen Darstellungen aus den
verschiedensten Sphären, dass ihr auch noch von Seiten des einzelnen
Künstlers einen steten Wechsel verlangt? — Die Geschichte der Kunst be-
zeugt es zur Genüge, dass es zu allen Zeiten Künstler gab, welche mehr
durch ein vorwaltendes subjektives Gefühl in der Wahl und Behandlung
ihrer Darstellungen geleitet wurden, während andre mehr in objektiver
Weise den Gegenstand und die Erscheinungen des Lebens auffassten; kei-
nem Beschauer ist es aber bisher eingefallen, dieser oder jener Richtung
f!' darum eine Einseitigkeit vorzuwerfen. Wer nur eine von Michelangelo's

mächtigen Gestalten, eine von Andrea del Sarto's Madonnen, einen von
Teniers Bauern gesehen hat, kennt fast die ganze Art und Weise dieser
Meister; doch sieht man mit Freude auch noch ein zweites und drittes und
^ll» viertes Bild von ihnen. Wo wir den Meistern der Vorzeit, deren Ruhm

'V^ fest steht, keinen Vorwurf zu machen haben, da wollen wir auch den Mit-

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Jeremias auf den Trlimmerii von Jerusalem. 157

lebenden, selbst wenn jene ausgeeprochene Ansicht begründet wäre, Gerech-
tigkeit widerfahren lassen.

Doch es ist nöthig, dass wir diese Vorbemerkungen fallen lassen und
uns zu dem ausgestellten Werke selbst wenden. Es ist ein grosses, läng-
liches Gemälde, die Figuren über Lebensgrösse. Der Vordergrund ist, wenn
wir die Lokalität recht verstanden haben, die Anhöhe des Berges Moriah,
auf dem die Trümmer des gestürzten Tempels liegen. Zur Rechten, jenseit
des Thaies, sieht man die zerstörten, verbrannten, rauchenden Ruinen der
Stadt, die sich malerisch übereinander emporheben j zur Linken, in weite-
rer Ferne, neben einzelnen noch stehenden Theilen der Vorbauten des Tem-
pels hin, erblickt man die Burg Davids auf Zion mit einigen mächtigen
Mauerthürmen. Auf dem Vorgrunde, vielleicht dem Vorhofe des Tempels,
haben sich Einige des unglücklichen Volkes, die dem Schwerte des Fein-
des und der Hungersnoth entronnen sind, versammelt. In der Mitte,-auf
den Trümmern des heiligen Gebäudes, sitzt der Prophet, dessen Busspre-
digten und Warnungen sein Volk verachtete, der dasselbe aber in seinem
endlich angebrochenen Elend nicht zu verlassen vermag; in schmerzlichen
Gedanken stützt er sein Haupt in die Hand. Zur Rechten neben ihm sitzt
ein junger Krieger, dem das Blut aus tiefer Brust wunde herabfliesst, im
Augenblicke des Verscheidens; ein Knabe, vielleicht der jüngere Bruder,
der vor ihm kniet, richtet ihm bange das Haupt empor. Weiter zur Rech-
ten, etwas tiefer im Bilde, tragen ein Mädchen und ein Knabe den Leich-
nam eines Greises, ihres Vaters, mit ängstlicher Vorsicht von der Anhöhe
hinab. Diese Seite stellt die Sorge und das Leid der Jüngeren um die
Aelteren dar, die linke Seite enthält das Gegentheil. Hier sitzt zunächst
neben dem Propheten eine bejahrte Frau, das Haupt umhüllt, und neben
ihr ein junges Mädchen, das sich in ähnlicher Geberde an sie anlehnt,
beide im tiefsten Schmerze um ein Kind, das, ausgestreckt, bleich und
todt zu ihren Füssen liegt. Dann, der äussersten Gruppe zur Rechten ent-
sprechend, sieht man ein junges Weib, welches in Hast und Verzweiflung,
den schlafenden, nahrungsbedürftigen Knaben in den Armen, zu den Uebri-
gen emporeilt. Vortrefflich ist demnach die räumliche Oekonomie des
Ganzen eingerichtet. Als bedeutender Mittelpunkt, hoch sitzend, in gross-
artiger Entfaltung einer mächtigen Gestalt, der Prophet; zu seinen beiden
Seiten zwei nahe zusammengerückte Gruppen, die mit der mittleren Ge-
stalt ein geschlossenes, harmonisches Ganze bilden; dann die beiden äus-
seren Gruppen, welche den Zusammenhang und die Beziehung desselben
zu dem allgemeinen Unheil, das die Stadt betroffen, nach beiden Seiten
fortführen. In verschiedener Weise sind die innigsten Bande der Familie,
welche den Menschen an den Menschen knüpfen, dargestellt, aber alle
entweder schon zerrissen durch das furchtbare Verhängniss oder dem Mo-
mente ihrer Auflösung nahe. Eine jede Gruppe ist nur-mit ihrem" eignen
Grame beschäftigt, aber instinktartig fühlen sie sich wiederum zu einander
geführt; ohne Bewusstsein ihrer Handlung drängen sie sich um die eine
Gestalt zusammen, die allein nicht das eigne Leid, sondern das noch viel
gewaltigere des Volkes und Vaterlandes fühlt, die es vermag, über das
allgemeine Unglück nachzusinnen, es in Worte zu fassen, und durch das
Wort der Klage zu den Worten des Gebetes sich hindurchzuringen. So
bildet sich auch, ebenso wie die einzelnen Gruppen räumlich zu einem
Ganzen geordnet sind, im inneren Gedanken des Bildes, trotz der Isolirung

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

im Thun der Einzelnen, ein grossartiges Ganze, -welches von den verschie-
denen Seiten her nach dem Einen Mittelpunkte zusammengezogen wird.

Betrachten wir nunmehr die einzelnen Gestalten. Der Prophet, impo-
nirend zwar durch Gestalt und Bewegung, erscheint in den einfachsten
Gewändern, ohne alle diejenigen Abzeichen, welche auf einen Mächtigen
oder Vornehmen deuten könnten: die Herrschaft der Grossen ist gestürzt,
der Trost und die Hoflnung des Volkes kann nur aus dem Volke selbst
gewonnen werden. Ein Mantel von dunkelbraunrother Farbe ist um seine
Kniee geschlagen und verräth in dem Zuge der Falten, die von dem rech-
ten, auf einen Marmorblock gestützten Beine zu dem ausgestreckten linken
niederfliessen, den Adel und die Majestät seiner Bewegungen. Die gesenkte
rechte Hand hält eine Schriftrolle; die linke stützt, wie bemerkt, das
Haupt. Der Scheitel ist kahl und nur von wenigen grauen Locken um-
spielt; ein grauer Bart, in der Mitte gespalten, senkt sich auf die Brust
hinab. Das Gesicht ist etwas geneigt: auf der Stirn wühlen alle Gedanken
des Jammers, alle Schmerzen des bittersten Mitgefühles; man sieht, es ist
nicht ein einzelner Klageton, der, wie bei den übrigen, sein Gemüth dnrch-
klingt; hier jagt eine Empfindung die andre, aufgeregt strömt das Blut
durch seine Adern, man fühlt es, wie die Pulse der Schläfe an seinen
Fingern, die er gegen die Stirn presst, klopfen. Noch ein Moment und er
wird sich erheben aus diesem gewaltsamen Ringen und wird jenen Klage-
gesang anstimmen, der durch die Jahrtausende her bis zu unsern Ohren
erklungen ist:

„Wie liegt die Stadt so wüste, die voll Volkes war! Sie ist wie eine
Wittwe. Die eine Fürstin unter den Heiden und eine Königin in den Ländern
war, muss nun dienen. — Der^Herr hat seinen Altar verworfen und sein Hei-
ligthuni verbrannt; er hat die Mauern ihrer Paläste in des Feindes Hände gege-
ben, Der Herr hat gedacht zu verderben die Mauern der Tochter Zion; er hat
die Richtschnur darüber gezogen und seine Hand nicht abgewendet, bis er sie
vertilget; die Zwinger stehen kläglich und die Mauer liegt jämmerlich. — Wie
ist das Gold so gar verdunkelt und das feine Gold so hässlich worden, und
liegen die Steine des Heiligthums "vornen auf allen Gassen verstreuet! — Die
Aeltesten der Tochter Zion liegen auf der Erde und sind still, sie werfen Staub
auf ihre Häupter und haben Säcke angezogen; die Jungfrauen von Jerusalem
hängen ihre Häupter zur Erde. — Ich habe schier meine Augen ausgeweinet,
dass mir davon wehe thut; meine Leber ist auf die Erde ausgeschüttet über
dem Jammer der Tochter meines Volkes, da die Säuglinge und Unmündigen
auf den Gassen in der Stadt verschmachteten; da sie zu ihren Müttern spra-
chen: Wo ist Brod und Wein? da sie auf den Gassen in der Stadt verschmach-
teten, wie die tödtlich Verwundeten, und in den Armen ihrer Mütter den Geist
aufgaben. — Den Erwürgten durch's Schwert geschah besser, wie denen so da
Hungers stürben. — Die Krone unsres Haupts ist abgefallen. Oi wehe, dass wir
so gesündiget haben! — —"

Stellen der Klagelieder, wie diese, sind es, denen der Maler die Haupt-
motive zu seinem Bilde entnommen hat.

Unter den Seitengruppen erregt zunächst jene zur Linken, die Mutter
mit dem jüngeren Mädchen, welche den Tod des Kindes beweinen, unsre
Theilnahme. Wie in dem Kopfe und in der ganzen Gestalt des Prophe-
ten der Schmerz am lautesten spricht, so ist er in der Mutter ganz stumm
geworden, ganz in das Innere zurückgedrängt. In sich zusammengebückt,
das Haupt im Schoosse verbergend, sitzt sie da; aber diese Stellung ist
um so ergreifender, als wir auch so noch die edelste, wenn schon etwas
bejahrte Gestalt, die würdigsten, feierlichst gemessenen Linien der Gewan-

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Jeremias auf den Trlimmerii von Jerusalem. 159

dung vor uns sehen. In rührendem Contrast liegt die Tochter eben ihr;
sie schlingt ihren Arm durch den der Mutter und bedeckt mit der andern
Hand das Gesicht; sie möchte gern dem Schweigen der Mutter gleich thun
und wie diese zur Sammlung des Schmerzes kommen. Die wenigen Kör-
pertheile, die sich in dieser Stellung enthüllen, erblühen noch im holdesteü
Reize der Jugend. — Der sterbende Krieger, auf der andern Seite, ist
nackt, nur mit einem Schurze bekleidet; er zeigt edle, jugendlich athle-
tische Formen, aber sie sinken gebrochen zusammen; die fahle Farbe des
Todes mischt sich unter das kräftige bräunliche Incarnat seiner Glieder.'-
Vor ihm liegt das Schwert, mit dem er gestritten, noch von dem Blute der
Feinde geröthet. Auch der Knabe, der ihm das Haupt emporrichtet, ist
halbnackt und reizend schön in Form und Farbe; Bangigkeit und Entsetzen
malen sich auf seinen Zügen.

Aeusserst zart und innig ist die Gruppe zur äussersten Rechten; be-
sonders die Jungfrau, die den Leichnam des Vaters zu den Häupten, ihre
Hände über dessen Brust gekreuzt, trägt; es ist bereits in einer andern
Kritik des Bildes sehr richtig bemerkt worden, dass sie die kindliche
Pflicht noch mit derselben schönen jungfräulichen Schüchternheit übe,'' wie
wenn sie den Körper eines Schlafenden trage; und doch fehlt es auch
ihrem Antlitz keinesweges an dem vorwaltenden Zuge des innerlichen
Leidens; der kräftige Knabe, der die Füsse des Gestorbenen trägt, blickt
vorsichtig bang nach den Schritten der höher stehenden, schwerer tragen-
den Schwester zurück. — Alles andre Interesse aber schweigt, wenn \yir
uns endlich der Gruppe zur äussersten Linken zuwenden. Entsetzt, in
dumpfer bewusstloser Angst flüchtet jenes junge Weib, das den reizenden,
vor Mattigkeit eingeschlafenen Knaben im Arme trägt, zu den Uebrigen
empor. Sie hat Furchtbares gelitten; die Blässe eines namenlosen Grauens
ist über diese schönen Glieder, über Gesicht, Schultern und Hände, aus-
gegossen. Ihr Auge hat keine Thränen mehr, halb gebrochen starrt es,
wie das Auge einer Wahnsinnigen, vor sich hin, sie sieht nicht, welchen
Weg ihre Füsse sie führen. Das bitterste Leiden liegt um diesen lechzend
geöffneten Mund; es ist jener unergründliche Zug des Schmerzes, wo die
Winkel des Mundes sich nicht senken, vielmehr die Erinnerung an das
holde Lächeln beibehalten, das in glücklicheren Tagen alle Leidenschaft
der Liebe zu erwecken wusste. Es spielt wie ein geheimer Zauber um
diese wunderbaren Züge, — fast wie in jenem Kopfe der Rondanini'schen
Meduse, in dem auch Lust, Schmerz und Grauen des Wahnsinns, wenn
freilich in ganz andrer Weise, gemischt sind. Dies Weib wird sinken, ehe
noch das schöne Kind, das^sie an"sich presst, verschmachtet ist;« dann wird
der Knabe das Loos des kleiden Gespielen theilen, zu dem sich sein Arm
bereits, wie Vorahnend, niedersenkt.

Der Himmel, der sich über dieser Scene des Unterganges wölbt, ist
blau und wolkenlos, — derselbe Himmel, der lange Jahrtausende über der
Erde steht und Winter und Frühling, Zerstörung und neu aufkeimendes
Leben unter sich hinwandeln sah. Diese reine, ewige Klarheit bildet den
ergreifendsten und erhebendsten Contrast zu dem Gegenstande des Bildes,
besser, als es durch duntle Wolkenzüge und hastige Effekte von Glut und
Flammen zu erreichen gewesen wäre. Ein helles Tageslicht ist über alle
Gestalten ausgegossen und dient vornehmlich dazu, die grossartige Ruhe
des Ganzen zu erhöhen. Freilich war dies keine der leichtesten Aufgaben
für den Künstler, aber mit grösster Meisterschaft ist gerade diese Gesammt-

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Wirkung erreicht. Ueberhaupt sind hier alle wohlfeileren Mittel contra-
stirender Farben und Töne verschmäht, und mit jener tizianischen Sicher-
heit des Pinsels lichte Körper auf ähnlich lichtem Grunde modellirt. Die
Pinselführung ist leicht, breit und frei; die Carnation, wenigstens in ein-
zelnen und zwar den bedeutendsten Theileu, höchst vollkommen.

Die Trümmer des Tempels sind mit einer, meist sehr glücklichen
Diviaation in jenem syrisch-ägyptischen Style gehalten, den wir in den
Formen des salomonischen Tempels voraussetzen müssen. Den nächsten
Vorgrund bildet ein aufgerissener Mosaikfussboden, unter dessen Schutt
man einige Stücke der Holzdecke oder der Thüren bemerkt, deren einstige
Vergoldung matt aufblinkt. Auch diese Gegenstände sind höchst meister-
lich behandelt, jedoch keinesweges in jener genreartigen Weise, die das
Auge des Beschauers von dem Hauptgegenstande ablenken könnte. Von
den landschaftlichen Theilen im Hintergrunde wurde bemerkt, dass sie
näher zu stehen schienen, als nach ihren Dimensionen zu schliessen sein
dürfte. Doch ist auf diese Bemerkung wohl zu entgegnen, dass der Maler
hierin den eigenthümlichen Effekten der reineren südlichen Luft, welche
allerdings die Entfernungen für unser an nordische Nebel gewöhntes Auge
scheinbar verringern, gefolgt sein möge; jedenfalls ist indess auch die
Behandlung dieser Gegenstände an sich so vorzüglich, wie wir es in den
Leistungen der Düsseldorfer Schule gewohnt sind , und ebenfalls dem
Hauptgegenstande glücklich untergeordnet.

Das Gemälde ist im Auftrage des Kronprinzen von Preussen gemalt
worden. Wir hoffen, dass eine gediegene Nachbildung im Kupferstich
oder Steindruck bald auch entfernteren Kreisen die Bekanntschaft mit die-
ser grossartigen Composition, den Genuss und die Erbauung an derselben
verstatten, und denen, die das Bild bereits gesehen, eine wünschenswerthe
Erinnerung geben werde.

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lieber die akademischen Kunstausstellungen von Berlin.

(Mnseum 1836, No. 20.)

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Der zwanzigste Mai des laufenden Jahres ist ein wichtiger Ge-
dächtnisstag für die Schicksale der neueren Kunst. An ihpa sind 50 Jahre
verflossen, seit eine Einrichtung in Berlin (und soviel wir wissen, in Deutsch-
land) zum ersten Mal ins Leben trat, die, unscheinbar in ihrem Beginnen
und die frühere Zeit ihres Bestehens hindurch, in späterer Zeit so glän-
zende Erfolge gezeigt hat: die Einrichtung der öffentlichen, durch die
Kunstakademie veranstalteten Kunstausstellungen von Berlin. Das
Jahr 1786, da diese erste Kunstausstellung zu Stande kam, ist überhaupt
eins der wichtigsten in der Geschichte der hiesigen Kunst-Akademie. Im
J. 1694 unter der Regierung des Kurfürsten Friedrich III. (des nachmaligen
Königes Friedrich 1.) gestiftet und mit bedeutenden Mitteln zu erfolgreicher
Thätigkeit ausgestattet, war dies Institut unter seinen Nachfolgern aufs
Aeusserste beschränkt worden und seinem Erlöschen nahe; in dem ge-

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Uebwr die akademischen Kunstausstellungen von Berlin. 161

nannten Jahre, dem' letzen Lebens - und Regierungsjahre Friedrich's II.,
wurde ihm, durch die thätige Fürsorge des damaligen Staatsministers, Frei-
herrn von Heinitz, ein neuer Boden -und Nallrungsquell gewonnen. Als
eins der ersten neuen Lebenszeichen des Instituts ist eben jene, am
20. Mai eröffnete Ausstellung, zu betrachten, welche Einrichtung fortan
wiederholt werden und solcher Gestalt ein öffentliches Zeugniss von der
fortgesetzten "Wirksamkeit des Instituts ablegen sollte

Zur Einleitung der-ersten Ausstellung spricht sich das "Vorwort dos
Verzeichnisses mit folgenden "Worten aus: '

„Die KÖnigl. Preuss. A'cademie der bildenden Künste zu Berlin hat
seit ihrer Stiftung keine' öffentlichen Beweise ihres Bleisses dargestellt,
ob sie gleich im Stillen fortgearbeitet und manche grosse Künstler, auch
andre geschickte Schüler erzogen hat, welche die Zeichenkunst bei ihren
verschiedenen Handthierungen mit Nutzen angewandt haben. Nunmehr ist
sie so glücklich gewesen, dass der Grosse König Friedrich, in den Tagen
seines ruhigen Alters, ein gnädiges Auge auf sie geworfen, ihr manche-
Vortheile zugewaridt, ihre alten Privilegien wieder erneuert und ihr an
einem Minister einen Prote"ct0r gegeben, der, sie zu ihrem alten Glänze
zu bringen, es sich zur Pflicht macht."

„Zu diesem Ende ist auch eine öffentliche Ausstellung der I^unstwerke
ihrer Mitglieder beliebt worden, so wie si« bei anderen Kunstacademien
eingeführt ist. Die hiesige bescheidet .sich, dass sie bei'ihrer. Wiederauf-
lebung noch nicht mit so vielen Meisterstücken hervortreten-kann, als
wenn ihr Flor einige Jahre gedauert hätte — auch haben die hiesigen,
Künstler eine solche öffentliche Prüfung ihrer Arbeiten sobald noch nicht
vermuthet und also, sich' gehörig dazu vorzubereiten, nicht Zeit genug
gehabt." • .

„Man hat also die Kunstwerke einiger verstorbenen Mitglieder der
Academie, sonderlich derer, sich um das Wohl der Academie verdient
gemachten Directoren und Rcctoren Werner, Terwesten, van Roye,
Pesne und leSueur, sowie auch einige Arbeiten einer Therbusch, eines
Vaillant, Falbe, Glume, Reclam und Dubuisson, welche ehedem
berühmte Mitglieder der Academie waren, mit aufstellen lassen, wodurch
gewissermaassen eine Geschichte der Kunst zu Berlin den Kennern vor Augen
gelegt wird, welche patriotisch gesinnten Einwohnern nicht gleichgültig sein
kann, — und wodurch zugleich die Verdienste jener verstorbenen Künst-
ler, auch noch nach ihrem Tode, zur Aufmunterung der jetzt lebenden,
verewiget werden. Auch hat man von Kunstliebhabern und einigen Zög-
lingen der Academie, die sich durch ihren Fleiss auszeichnen, verschie-
denes ausgestellt, und da die Academie iü der Folge darauf Bedacht
nehmen wird, diese und andre Kütiiitler, sogar durch Preise, aufzumuntern,
so kann man sich wohl mit der Hoffnung schmeicheln, dass die Berlin'sche
Academie den besten auswärtigen gleich kommen wird; und hierzu wird
selbst der gerechte Tadel so wie der eben so gerechte Beifall wahrer
Kunstverständigen gewiss viel beitragen." U. s, w.

Wir bemerken beiläufig, dass der 20. Mai auch der Geburtstag des gegen-"
wärtigen Direktors der Akademie, des Bildhauers Dr. G. Schadow (geb. im Jahr
1764), ist.

11

Kugler, Kleine Schriften. III.

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I

162 Berichte, Kritiken, Erörterungen,

Diese erste Ausstellung zählte 335 Nummern und füllte drei Zimmer
welche, nach der jetzigen Lokalität, ungefähr den Raum des ersten grossen
Saales, linker Hand neben dem Eingangszimmer, einnahmen. Im ersten
Zimmer befanden sich die "Werke von Dilettanten und von Schülern der
Akademie; an der Spitze der Dilettanten steht im Verzeichniss Se. Königl.
Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm von Preussen (Se. Majestät
der jetzt regierende König')) mit einer Bleistiftzeichnung nach Bouchar-
don; unter den übrigen bemerkt man u. a. den Namen A. von Humboldt.
Das zweite Zimmer enthielt Werke verstorbener Meister (deren in dem
angeführten Vorwort gedacht ist), und derjenigen lebenden Künstler, die
nicht zur Akademie gehörten. Das dritte Zimmer die Werke von Mitglie-
dern der Akademie: 21 Gemälde von B. Rode, damaligem Direktor; meh-
rere Gemälde und eine grosse Anzahl Radirungen von D. Chodowiecki;
Arbeiten von I. W. Meil, Frisch, den Bildhauern Tassaert und
W. C. Meyer, Kupferstiche von D. Berg er, Landschaften von L Ph.
Hackert, u. s. w. —

Die Verzeichnisse der verschiedenen Jahrgänge enthalten mannigfach
interessante Notizen und geben zu mancherlei Bemerkungen Stoff, unter
denen wir einige der wichtigsten hervorheben wollen.

Im Vorwort des Jahrganges 1789 werden zuerst ausgesetzte Belohnun-
gen für Künstler angeführt, und zwar: für die Maler fünf Prämien von 50
bis 500 Thalern; für die Zeichner zwei Prämien, jede zu 100 Thalern; für
die i3ilder desgleichen; für die Kupferstecher vier doppelte Prämien von
50 bis 200 Thalern; für die Formenschneider eine Prämie von 50 Thalern.

Das Verzeichniss von 1791 beginnt mit einer Reihe von 17 Zeichnun-
gen und Modellen zu einem Monumente Friedrichs des Zweiten, die auf
Befehl des Königes Friedrich Wilhelm II. zur Concurrenz eingesandt wa-
ren. ^ Darstellungen desselben Inhalts und zu demselben Zwecke linden
sich auch im Verzeichniss von 1797.

Das V^erzeichniss von 1791 enthält, ferner im Anhange eine ausführ-
liche „Beschreibung der Kunstwerke, welche von Mitgliedern der Akademie
und andern Künstlern in den königlichen Schlössern und in öffentlichen
und Privatgebäuden, wie auch an öffentlichen Plätzen, seit dem Jahr 1789
verfertigt wurden: Werke von Rode, Frisch, Schadow, Karstens, Cuning-
ham u. s. w."

Die folgenden Jahrgänge bis 1802 gaben ähnliche Nachrichten, die für
die'Geschichte der neueren Kunst von grosser Wichtigkeit sind.

Das Verzeichniss von 1795 führt eine Reihe von Kunstwerken an, die
durch eine „Preisaufgabe der Königl. Akademie auf die ,beste allegorische
Darstellung des Friedens" veranlasst wurden. 1

Das Verzeichniss von 1800 beginnt mit einer „Gallerie vaterländisch-
historischer Darstellungen (grösstentheils auf Befehl Sr. Maj. des Königs
angefertigt)," denen sich Darstellungen vaterländischer Gegenden und
vaterländisch-historische Sculpturen anschliessen. — Ebenso beginnt der
folgende Jahrgang.

Das letztgenannte Verzeichniss von 1802 enthält einen ausführlichen
Necrolog des, um die Akademie höchst verdienten Ministers von Heinitz.

Die Ausstellung von 1806 wurde durch die Besetzung Berlins durch
die Franzosen unterbrochen. Ein Theil der hier ausgestellten Kunstwerke

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Abbildungen geschnittener Steine und MedaiJlen. 163

kehrte auf der folgenden Ausstellung von 1808 wieder. Das Verzeichniss
der letzteren ist in deutscher und französischef^Sprache abgefasst.

In der Einleitung zu den Verzeichnissen von 1814 und 1818 ist eine
ausführliche Geschichte der Akademie bis zum letzteren Jahre mitgetheilt.
Vom J. 1820 ab ist in den Verzeichnissen regelmässig eine Chronik der
Akademie, und zugleich der bedeutendsten Kunstunternehmungen in Berlin,
enthalten. " ^

Das Verzeichniss von 1826 giebt Nachricht von den erneuerten Preis-
bewerbungen unter den Schülern der Akademie, welche dem Sieger ein
Reise-Stipendium auf mehrere Jahre gewähren und deren erste im J. 1825
Statt fand.

Die Namen der Künstler, von denen Werke ausgestellt wurden, sind
in den Verzeichnissen bis zum J.'"1828 incl. in einer bestimmten Rang-
ordnung aufgeführt. Das Verzeichniss von 1826 z. B. zerfällt noch in fol-
gende Abtheilungen: — Mitglieder des Senats der Königl. Akademie der
Künste (Direktor, Rektoren und Professoren); — Mitglieder und übrige
Lehrer der Akademie und der Provinzial-Kunstschulen; — Schüler, welche
noch ausser dem akademischen Unterrichte den besonderen Unterricht ein-
zelner Mitglieder der Akademie geniessen; — Einheimische und auswär-
tige Künstler; — Dilettanten; — Bildhauer und Bildner (nach ähnlicher
Rangordnung, hinter den einzelnen Meistern ihre Schüler); — Schüler der
K. Akademie; — Arbeiten der Zöglinge und Schüler in den Zeichnen-
uüd Modellir-Klassen der K. Akademie;'—-Arbeiten der Zöglinge und
Schüler aus den Provinzial-Kunstschulen;-—Architekten; ~ Mechanische
Modelle; — Plan-, Karten-'und Maschinen-Zeichnungen und Stiche der-
selben in Kupfer u.s. w. — Fabrik-, Manufaktur- und mechanische Arbeiten.

Seit dem J. 1830 hört die Rangordnung auf; die Namen der Künstler
werden unter folgenden Rubriken alphabetisch aufgeführt: — 1) Gemälde
und Zeichnungen; ~ 2) Bildwerke; — 3) Architektur; — 4) Kupferstiche,
Holzschnitte und Lithographien; — 5) Kunst-Industrie.

Abbildungen geschnittener Steine^ und Medaillen, ausgeführt
durch F. G. Wagner d. Jüngern, akademischen Künstler, Mechanicus
und Opticus in Berlin, Kronenstrasse No. 51, mittelst der von ihm er-
fundenen Relief-Copirraaschine. 1836.

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^(Museum 1836, No. 20.)

Vorliegendes Heft ist kürzlich in der Kunsthandlung von S. Schropp
und Comp, zu Berlin erschienen; es besteht, nächst dem zierlichen Titel,
aus 8 Folioblättern, welche auch einzeln ausgegeben werden. Die auf den
einzelnen Blättern dargestellten Gegenstände sind: 1) Eine grosse Medaille
mit dem Portrait Sr. Maj des Königs auf der Vorder- und dem preussi-
schen Wappen auf der Rückseite. 2) Eine noch grössere Medaille mit
dem Portrait des Kaisers Nikolaus von Russland. 3) Eine kleine zierliche
Medaille mit dem Portrait Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen. 4) Die
von Fischer geprägte Medaille auf Schleiermacher mit dessen Portrait auf

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Berichte, Kritiken, Erörterungen,

der Vorder- und einer trefflichen allegorischen Composition auf der Rück-
seite. 5) Die von Brandt gearbeitete schöne Medaille auf S. E. den Gene-
ralpostmeister p. p. von Nagler, ebenfalls Vorder- und Rückseite. 6) Eine
Medaille mit dem Portrait v. Knebel's 7} Sieben geschnittene Steine mit
verschiederien Darstellungen. 8) Acht Medaillen aus der Zeit des späte-
ren Mittelalters mit fürstlichen Portraits.

Wir erkennen in diesen Arbeiten, die Hr.-Wagner zur Empfehlung
seiner Relief-Copirmaschine herausgegeben hat, eine ähnliche Behandlung,
wie in den mit der Collas'schen Maschine gefertigten Blättern des bekann-
ten
Tresor de Numismatiqiie et de Glyptiqiie: gleich starke, ursprünglich
parallele Linien , die bei einer jeden Erhebung des Reliefs in geringerem
oder stärkerem Grade auseinandertreten, bei einer jeden Senkung sich
wieder zusammenziehen, — d. h. 'deren jede einzelne ein wirkliches Profil
des Reliefs enthält, — wodurch denn ein vollständiges Facsimile des Re-
liefs, eine vollkommen genaue. Nachbildung desselben mit durchgeführte-
ster und richtigster Modellirung entsteht. Nächst dieser allgemeinen Eigen-
schaft , wie eine solche überhaupt bei den durch eine richtige Maschine
der Art bewerkstelligten Abbildungen erfordert wird, zeichnen sich die
vorliegenden Blätter durch die grösste Reinheit, Klarheit und Ebenmässig-
keit der Strichlagen aus, welche sowohl bei grösseren Darstellungen, wo
die Striche ein höheres Relief befolgen, weiter von einander stehen, und
stärker geätzt sind (namentlich bei No. 1), als auch bei den kleineren
Abbildungen von zarterer und weicherer Ausführung, wahrzunehmen sind;
am interessantesten jedoch bei No. 2, w^o ein grösseres Bild von nicht
starkem Relief mit feinen engUegenden Strichen ausgeführt und docli-die
vollkommenste Gleichförmigkeit erreicht ist. Wenn wir endlich noch hin-
zufügen, dass die Linien einer jeden Platte gleich stark geätzt sind, dass
nirgend zur Hervorhebung von Licht und Schatten, eine verschiedene Kraft
des Scheidewassers, nirgend eine Nachhülfe des Grabstichels ersichtlich
wird, so muss uns schon der blosse Anblick dieser Probeblätter als Zeug-
niss einer höchst wohlgelungenen Maschine gelten.

So ist es in der That, und wir haben den Werth derselben um so
höher anzuschlagen, als sie ganz als eigne Erfindung des Hrn. Wagner zu
betrachten ist. Die Einrichtung der Collas'schen Maschine ist bisher be-
kanntlich sehr geheim gehalten worden, und nur die 'damit gefertigten
Abbildungen Hessen auf das Princip, welches ihr zu Grunde liegen muss,
schliessen: dass nemlich diejenige Linie, welche sich über dem nachzu-
bildenden Relief in vertikaler Fläche bewegt, durch eine besondere Ein-
richtung gleichzeitig in der horizontalen Fläche, auf der zu ätzenden Platte,
wiederholt wird. Versuche, die vor der Wagner'schen Maschine zur Aus-
führung ähnlicher Nachbildungen gemacht wurden, hatten wenig günstige
Erfolge gehabt. Hr. Wagner, — im Bereiche der Kunsttechnik schon durch
einen sehr vervollkommneten Liniirapparat bekannt, der auf der letzten
Berliner Kunst-Ausstellung das Interesse der Kunstfreunde , vornehmlich
das der Königl. Akademie der Künste, erweckte, — hat die Construction
seiner Maschine ohne alle äussere Anweisung erdacht und ihr zugleich
die wünschenswertheste Vollendung gegeben. Sie ist einfach und elegant
gebaut und bewegt sich in einer solchen Leichtigkeit, dass der Stift, wel-
cher über dem eingespannten Relief hinläuft, dasselbe unter keinen Um-
ständen gefährdet (selbst nicht, wenn es aus Gyps besteht, wie das
im obenerwähnten Heft befindliche Blatt No. 2, welches über einem Gyps-

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Abbildungen geschnittener Steine und Medaillen. 165

lelief gearbeitet ist, hievon ein vorzügliches Zeugniss giebt). Für beliebig
zu bestimmende geringere oder grössere Zwischenräume der Linien ist
durch eine besondere Einrichtung gesorgt. Der über dem Relief hinlau-
fende und der radirende Stift operiren ferner in entgegengesetzter Bewe-
gung, so dass das Bild auf der Platte umgekehrt, beim Abdruck hingegen
in der richtigen Lage erscheint. Eine sehr zweckmässige Einrichtung ist
die, dass bei sehr mattem Relief des Gegenstandes (wie so vielfach bei
Münzen), durch besondere Stellung der Platte gegen letzteren, eine grössere
Schattenwirkung hervorgebracht; und dass umgekehrt bei starkem Relief
die grössere Schaitenwirkung verringert werden kann, ohne dass dabei
das richtige Verhältniss der Modellirung gefährdet wird; beides ist in vie-
len Fällen zur grösseren Deutlichkeit und zur grössern Klarheit der Ab-
bildung höchst wünschenswerth. Die Maschine kopirt Reliefs vom klein-
sten Umfange bis zu solchen, die 8 Zoll im Durchmesser haben; auch
für grössere Arbeiten ist sie ohne sonderliche Schwierigkeit einzurichten.

Die Arbeit mit der Maschine erfordert nur eine geringe Uebung; beim
Einspannen der Gegenstände kommt es, ausser der oben erwähnten Be-
rücksichtigung des höheren oder schwächeren Reliefs, vornehmlich nur
darauf an, von welcher Seite man das Licht annehmen will. Da die Lich-
seite durch das Auseinandertreten der Linien entsteht, so fällt hier natür-
lich die Detailbildung nicht so deutlich aus, wie auf der Schattenseite,
wo die Linien enger zusammenlaufen; es werden also die Theile des
Gegenstandes, deren genauste Deutlichkeit vorzüglich wünschenswerth
ist (wie bei Gesichtern das Profil) ' stets in den Schatten zu legen sein,
u. s. w. Die Radirung einer Medaille von mittlerer Grösse ist in wenig
Stunden zu vollenden (auch das Aetzen, da e's vollkommen gleichförmig
geschieht, ist eine einfache Operation)
, M ährend ein gleich eleganter
Kupferstich desselben Gegenstandes aus freier, Hand nicht in eben so viel
Wochen auszuführen ist; die Kosten werden demnach sehr beträchtlich
verringert.

Die Vortheile, welche diese Maschine gewährt, sind also im höchsten
Grade bedeutend. Medaillen, Münzen, geschnittene Steine u. dergl. sind
mit leichtester Mühe, mit den geringsten Kosten, in grösster Treue und
Eleganz zu vervielfältigen, und werden ebenso sehr dem allgemeinen Ge-
fallen an diesen Werken als vornehmlich dem wissenschaftlichen Studium
sich in ungleich ausgedehnterer Weise als früher darbieten. Die Publi-
kation wichtiger Sammlungen dieser Art wird ohne alle namhafte Schwie-
rigkeit zu bewerkstelligen^sein; und vornehmlich dürfen wir hoffen,,die
ausserordentlichen Schätze des Berliner Museums in solcher Weise bald
verallgemeinert zu sehen, da^ die erste von Hrn. Wagner gefertigte Copir-
maschine bereits auf Befehl Sr. Majestät des Königs angekauft und dem
Museum zur Benutzung überwiesen worden ist. Dem jungen Meister aber,
welcher die sinnreiche Construction derselben erdacht und ausgeführt hat,
ist von Seiten der Kunst und der Wissenschaft gebührender Dank zu zollen.

Zwar mag hier bemerkt werden, dass die verschiedenen Erfindungen
neuerer Zeit: den Kunstbetrieb durch Maschinen-Arbeit zu vereinfachen,
von manchen Seiten scheel angesehen werden. Man meint, dass hiedurch
die freie Kunstbildung werde beeinträchtigt, der lebendige Schöpfungs-
trieb werde gehemmt werden. In der That könnte es bedenklich schei-
nen, wenn nicht auch gleichzeitig ein wirkliches Knnstleben in glänzender
Kraft angebrochen wäre. So aber können wir mit Gewissheit darauf rech-

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Berichte, Kritiken, Erörteruiigeu.

nen, dass gerade diese rein technischen Mittel, abgesehen \on ihrem un-
mittelbaren, mehr materiellen Nutzen, auch mittelbar dem Verständniss
der höheren Richtungen der Kunst forderlich sein, sie in ihrer wahren
Bedeutsamkeit herausstellen müssen. Sie insbesondere dienen dazu, das
Handwerk von der Kunst unterscheiden zu helfen; sie lehren uns, wie
viel reine Maschinenarbeit, die bisher durch freie Arbeit von Menschen-
händen geliefert wurde, irriger Weise mit dem Namen „Kunst" bezeichnet
worden ist-, sie zeigen, wie nicht die technische Vollkommenheit (deren
freilich der Ktinstler eben so gut bedarf wie die Maschine), sondern wie
allein der lebendige selbstschöpferische Geist, der keiner Maschine ein-
wohnt, das Kennzeichen des künstlerischen Genie's ist. Kunst und Hand-
werk werden sich gerade unter diesen Umständen immer schärfer von ein-
ander unterscheiden lassen, — werden aber zugleich eine um so bedeutendere
Gegenwirkung auf einander ausüben. Das Handwerk wird die materiellen
Bedürfnisse der Kunst in immer vollliommnerer und leichter zu benutzen-
der Weise bearbeiten, die Kunst wird dieselben zu den vollkommensten
Mustern ausprägen. (Doch wünsche ich nicht missverstanden zu werden:
zwischen dem Handwerk und der Kunst steht noch eine Mittelstufe, deren
wohl diese, nicht immer jenes bedarf: ich möchte sie als das wissenschaft-
liche Studium, — das Studium der organischen Natur, der etwanigen
historischen Beziehungen und dergl., — bezeichnen, was hier nicht in
Betracht kommen kann.)

Schliesslich führt uns die Erfindung der Relief-Copirmaschine und
ihre Vollkommenheit wiederum noch auf den Wunsch, dass bald durch
allgemeine und umfassende Bestimmungen die gesetzliche Sicherung des
künstlerischen Eigenthums festgestellt werden möge. Wir haben hier aufs
Neue den augenscheinlichsten Beweis, wie ein Werk, welches allein durch
das wirkliche künstlerische Vermögen hervorgebracht ist, lediglich durcli
Maschinenarbeit aufs Vollkommenste wiederholt und vervielfältigt wird.
Und leicht dürfte die nächste Zukunft noch durch die Erfindung andrer
Maschinen bestätigen, wie viel rein technische Arbeit bei derartigem Copi-
ren von Kunstwerken ins Mittel tritt. Ist doch bereits in England eine
Maschine erfunden, vermittelst welcher runde plastische Werke in kleine-
rem Maassstabe vollkommen treu copirt werden. Als ich vor längerer
Zeit in diesen Blättern, in einem Aufsatze „über die Sicherung des künst-
lerischen Eigenthums" (1834, No. 35) die Nachbildungen und Vervielfäl-
tigungen der verschiedensten Art in einen solchen Gesichtskreis einge-
schlossen wünschte und unter Anderm selbst die Nachbildung plastischer
Werke, — sofern an solche ein bestimmtes Eigenthumsrecht geknüpft sei,
— durch eine der zeichnenden, als hieher gehörig namentlich anführte,
musste diese Aeusserung mannigfachen Widerspruch erdulden. Die
Wagner'sche Maschine bezeugt es, daSs ich nicht zu weit gegangen bin.

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Berliner Ateliers. 167

Berliner Ateliers.

(Museum 1836, No. 21.) • .

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Herr Professor Rauch hat das lebensgrosse Modell einer Danai-
den-Statue vollendet, die er für den Kaiser von Russland in Marmor
ausführen wird. Es ist eine nackte weibliche Gestalt, den rechten Fuss,
über den ein Gewand geworfen ist, auf einen Stein gestützt, mit den Hän-
den den Krug haltend, welchen sie auszugiessen scheint. Der Oberleib ist
nach vorn geneigt, das Gesicht hat den Ausdruck eines leise brütenden
Schmerzes. Diese Stellung, der einfachen Handlung angemessen, hat dem
Künstler Gelegenheit zur reizvollsten Entfaltung zarter Körperformen ge-
geben; auf jedem Standpunkte bietet sich dem Beschauer ein eigenthüm-
liches und doch in sich vollkommen harmonisches Bild. Die ganze Ge-
stalt trägt den Charakter einer ausgebildeten Jugend; es ist — wie es die
Darstellung der Danaide, dem Mythus gemäss, erfordert — die Grenze
zwischen Jungfrau und Weib, die schönste Fülle und zugleich die, edelste
Reinheit, Zucht und jugendliche Kraft in den Formen der Glieder. — Wie
aber gewöhnlich bei freistehenden Statuen, wenn sie auch für verschiedene
Gesichtspunkte gearbeitet sind , der Beschauer sich doch auf diesen oder
jenen'besondern Standpunkt gefesselt fühlt, so schien es dem Referenten
auch hier der Fall. Unvergleichlich schön ist die Partie des Rückens,
dessen zarte Wölbung, bei der vorgeneigten Stellung, ämmer wieder den
Blick auf sich zurückzieht; auch für die ^Gesammtanordnung der Gestalt
dürfte die Ansicht halb von hinten , ohne der Trefflichkeit des üebri-
gen sonst zu nahe zu treten, diejenige sein, welche die vollkommenste Be-
friedigung gewährt. Doch mag dies ein individuelles Gefühl sein; Andre
werden vielleicht wieder durch einen andern Standpunkt mehr angezogen
werden.

Wir freuen uns, dass hier dem Künstler, dessen zahlreichste Leistun-
gen in historischen Monumenten bestehen, die seltne Gelegenheit zur Lösung
einer vollkommen freien, idealen Aufgabe geboten ist, die das anziehendste
Zeugniss seiner Meisterschaft geben und die, in dein weicheren, lebenvol-
leren Stoffe des Marmors ausgeführt, natürlich noch in hohem Grade an
Schönheit gewinnen wird. —

Statuen, wie die in Rede stehende, haben den Poeten alter und neuer
Zeit mannigfach Stoff zu längeren oder kürzeren Versen dargeboten. Auch
auf Rauchs Danaide dürften allerlei Epigramme zu dichten sein, — etwa
der Art:

, Traurig blickest du her, der endlos währenden Arbeit

Suchest du bang ein Ziel: — nimmer doch gehe zur Hast,
Setze den Fuss nicht ab vom Stein und erhebe den Krug nicht I
Deun gleich lieblich wie jetzt wärest du nimmer zu schaun.

Ewig dauert die Strafe, doch dass du ewig sie tragest.
Gaben die Götter dir auch ewige Jugend und Kraft;
Bis sich füllet das Fass, das argdurchlöcherte, wirst du, ■
Deun dich rührte der Gott, — blühen in ewigem Reiz.

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168 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Tod einst brachtest du dem, der, deinem Reiz zu gebieten,-

Allzukülin sich vermaass. Aber die stygische Flut
Reinigte dich von der Schuld: Wir jetzo stehen und fühlen,
Wie du beseligend uns füllest mit Leben die Brust.

Und dergleichen mehr.

Kunstblüthen. Sammlung lithographischer Nachbildungen vorzüglicher
Meisterwerke der alten und neuen Zeit am Rheine. Mit besonderem Hin-
blick auf die Akademie zu Düsseldorf. Zeichnung, Druck und Verlag von
Gebrüder Kehr und Niessen, lithographisches Institut und Kunsthand-
lung in Cöln.

(Museum 1836, No. 27.)

Die Lithographieen, welche seit kurzer Zeit aus dem genannten Insti-
tut hervorgegangen sind, haben sich schnell beim Publikum beliebt gemacht;
sie sind der Mehrzahl nach eben so trefflich aufgefasst, wie sauber und in
guter Harmonie ausgeführt, der Druck kräftig und, ohne irgend kalt zu
sein, doch nicht von übertriebenem Glänze, die Gegenstände selbst so all-
gemein ansprechend, dass wenig zur weiteren Empfehlung zu sagen sein
dürfte. Das bedeutendste unter den Unternehmungen des Instituts sind die
genannten Kunstblüthen, über deren Zweck und Ausdehnung bereits
ein früher mitgetheilter Prospectus berichtet hat. Sie enthalten ausgezeich-
nete Werke der Malerei, die sich in der Gegend des Niederrheins befinden,
vornehmlich solche, die aus der Düsseldorfer Schule hervorgegangen sind.
Folgende Blätter unter den bisher erschienenen liegen uns so eben vor:

Der'Klosterhof im Schnee, gem. von C. F. Lessing, lith. von
A. Berum. Jenes trübe melancholische Bild mit der dürren schneebela-
denen Tanne und dem eingefrornen Brunnen, mit den eingeschneiten nieder-
kauernden Wächterstatuen und dem düsteren Kreuzgange, in dessen Dunkel
sich leise der Leichenzug der Nonnen hinbewegt, Der Gesammteindruck des
Bildes, die locker angefrornen Schneemassen, die Kälte im Gestein ist treff-
lich wiedergegeben; nur dürfte das eigenthümliche Reflexlicht, welches im
Original, so viel uns erinnerlich, von so bedeutender Wirkung war, nicht
genügend beobaclitet sein. Jedenfalls ist die Erscheinung dieses Blattes sehr
erfreulich, da es bisher an einer guten Nachbildung des Gemäldes fehlte.

Die Kinder im Kahn (die Warnung vor der Wassernixe), gem. von
Th. Hildebrandt, lith. von B. Weiss. Auch von diesem Bildchen, welches
so ungemein beliebt ist, waren bisher nur mittelmässige Lithographieen
verbreitet; die vorliegende ist vorzüglich gelungen und von reizendster
Wirkung,

Die Kegelbahn, gem. von Plstorius, lith. von I. G. Schreiner. Ein
Meisterwerk in Bezug auf feine Aulfassung und Durchführung der ver-
schiedenen Charaktere. Der sorgfältigste Kupferstich könnte diese man-
uigfaltigen Pliysiognomieen und den sprechenden Ausdruck derselben nicht

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Fragmentarisches über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 169

genauer und mit grösserer Lebendigkeit wiedergeben. Audi die Haltung
des Ganzen ist vortrefflich.

Rinald und Armide; gem. von C. Sohn, lith. von B. Weiss. Eben-
falls liöchst sauber und wohlgelungen in Betracht der technischen Ausfüh-
rung. Dass Sohn's grosses Talent hier noch nicht entwickelt war, dass das
Ganze ziemlich absichtlich erscheint und die Schönheit nur in einzelnen
Partieeu gefunden wird, ist nicht Schuld des Lithographen.

Die Lautenspielerin, gem. von A. Schmidt, lith. von L G. Schrei-
ner, — dürfte füglich in einer durch Originalität und lebendiges Gefühl
ausgezeichneten Folge von Kunstwerken fehlen können.

Landschaft, gem. von Hobbema, lith. von A. Borum. Ein schlich-
tes, durch seine einfache "Wahrheit ansprechendes Bild, leider etwas zu
monoton wiedergegeben. , . ■ ,

Die Mutter des P. Rembrand, gem. von N. Maas, und der
betende Frau ziskanermönch, gem. von A. van Staveren, beide lith.
von B. Weiss, geben treffliche Beispiele jenes vielbeliebten feineren Genre-
fachs der alten Holländer und entsprechen der sauberen Ausführung und
den zierlichen Lichteffekten, die in diesen Darstellungen insgemein vor-
herrschen, mit gutem Erfolge.

Mater dolorosa, gem. von C. Dolce, lith. von L F. Kehr, nähert
sich der zarten, glatten und verblasenen Manier des Italieners ebenfalls in
sehr wohlgelungener Weise und wird den Freunden desselben eine will-
kommene Erscheinung sein. _ .

Sämmtliche Blätter sind mit der Bezeichnung des gegenwärtigen Be-
sitzers der Gemälde versehen.

Fragmentarisches über die Berliner Kunstausstellung vom

Jahr 1836.

, . (Museum 1886, No. 39 ff.)

Hildebrandt: Tod der Söhne Eduard IV., Königs von England.

*

(Vergl. Shakspeare's Richard III, Act. IV, Sc. .3.) ' •

Richard III., der Usurpator des englischen Thrones, hat aus dem Wege
geräumt, was ihm den Besitz der Krone streitig machen konnte; nur seine
beiden jungen Nefl'en, die Söhne des verstorbenen Königs Eduard IV., —
Eduard Prinz von Wales, Erbe des Thrones, und Richard, Herzog von
York, — haben noch ein näheres Anrecht auf die Herrschaft. Durch Hin-
terlist des Tyrannen sind beide im Tower gefangen; Sir James Tyrrell ist
beauftragt, die Knaben zu tödten. — Die That ist geschehen. Tyrell kommt
und schildert im Selbstgespräch den entsetzlichen Vorgang mit folgenden
Worten: ' ' - ' .

'Gescholiii ist die tyrannisch blut'ge That, '
Der ärgste üräiiel jämmerlichen Mords,

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170 Berichte, Kritiken, ErörteruDgen.

Den jemals noch das Land verschuldet hat.
Dighton und Forrest, die ich angestellt
Zu diesem Streich ruchloser Schlächterei, —
Zwar eingefleischte Schurken, blut'ge Hunde, —
Vor Zärtlichkeit und mildem Mitleid schmelzend
Weinten wie Kinder bei der Trau'rgeschichte.
0 so, sprach Dighton, lag das zarte Paar;
So, so, sprach Forrest, sich einander gürtend
Mit den unschxild'gen Alabaster-Armen:
Vier Rosen eines Stengels ihre Lippen,
Die sich in ihrer Sommerschönheit küssten.
Und ein Gebetbuch lag auf ihrem Kissen,
Das wandte fast, sprach Forrest, meinen Sinn;
Doch o! der Teufel —• dabei stockt der Bube,
Und Dighton fuhr so fort: Wir würgten hin
Das völligst süsse Werk', so die Natur
Seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet! —
Drauf gingen beide voll Gewissensbisse , . . .

Diese Schilderung ist es, die dem Künstler Stoff zu seinem Bilde ge-
geben hat. Man blickt in ein Gemach des Towers, im Vorgrunde das
Bett, auf -welchem die beiden Prinzen ruhen. Es ist die Mittagsstunde;
ein mildes warmes Licht fällt von vorn über das Lager. Die Knaben ha-
ben ihre fürstlichen Oberkleider, den Hermelinmantel, das gekrönte Barett
u. s. w. von sich gethan und an den Fuss des Bettes zusammengelegt. In
ihren Beinkleidern von seidenem Tricot, der ältere in einem weiten, ge-
stickten Oberhemde, der jüngere mit einem leichten Jäckchen ohne Aermel,
liegen sie auf der reich gesteppten wollenen Decke. Ein Gebetbuch in
rothem Sammt und silbernen Beschlägen, ein Rosenkranz liegt neben ihnen.
An der Rücklehne des Bettes, halb von dem seidenen Vorhange verdeckt
und überschattet, sieht man ein Einhorn als Halter des englischen Wap-
pens ausgeschnitzt. Der ältere der beiden Brüder, Prinz Eduard, brünett,
ist in ruhiger, schlichter Lage eingeschlafen; Richard, der jüngere, ein
reizendes blondes Lockenhaupt, hält den Bruder umfasst und zeigt auch
noch im Schlaf eine mehr bewegte, mehr zum Scherz geneigte Natur, —
beide dem Charakter gemäss, wie sie der Dichter in den früheren Scenen
des Trauerspieles geschildert hat. Hinter dem Lager erscheinen die Mör-
der. Der eine von ihnen neigt sich leise, blutgierigen Auges, über die
beiden Opfer; er trägt ein schmutziges Lederkoller über einem groben
Friesrocke; er hält ein gestreiftes Bettkissen, dem Bette des "Wächters ent-
nommen, in beiden Händen und ist bereit, die Knaben zu ersticken. Hin-
ter ihm, im Schatten des Bettvorhanges, den er zur Seite schiebt, steht
der andre, mehr zaudernd und schon mit Gedanken über die unheilvolle
That beschäftigt.

Die Composition des Bildes ist höchst einfach und klar verständlich,
die Perspective, die hier in der Zeichnung und im Luftton nicht "bhne
Schwierigkeit war, sehr meisterhaft; ein ruhiges, ebenmässiges Licht gewährt
zunächst den Eindruck eines vollendeten, in sich geschlossenen Ganzen.
Was bei der ersten genaueren Betrachtung des Bildes das Auge des Be-
schauers in wohlgefälliger Weise berührt, das ist die ausserordentliche
Naturwahrheit in allen einzelnen, auch den geringfügigsten Theilen der

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 171

Darstellung, eine Naturwahrheit, die, wie es scheint, hier den Gipfel ihrer
Vollendung erreicht hat. Alle Stoffe, das Eichenholz des Bettgestelles, die
Federkissen, die gesteppte Decke, die gewebte Arbeit in den seidenen Tri-
cots, die Stickerei in Gold und Seide, der Samrat und das Pelzwerk an
Mantel und Barett, die gemeine Bekleidung des Mörders, — Alles tritt in
vollster Darstellung seiner Eigenthümlichkeit vor unsre Augen. Ebenso
ist Alles, was zum äussern Arrangement in Kleidung und Geräth gehört,
auf die verständigste Weise angeordnet und auch das geringfügigste Be-
dürfniss uicht oberflächlich behandelt, so dass wir hier einen besondern
geschichtlichen Moment mit vollster Entschiedenheit vorgeführt sehen. All
diese Beiwerke sind nöthig, wo es sich um lebendige Darstellung handelt,
doch sind sie nicht die Hauptsache; und dass der Künstler sie nur als
Mittel zur Erreichung eines höheren Zweckes benutzt hat, sehen wir aus
der leichten, sichern, geistreich andeutenden Technik, mit welcher sie aus-,
geführt sind. Mit ebenso grosser Meisterschaft ist das Nackte behandelt;
auch hier ist es nicht dieser oder jener Farbenstoff, welchen wir vor uns
sehen, sondern lebendige, beseelte, athmende Körper. Kurz: Leben, Da-
sein, Möglichkeit und Sicherheit des Daseins, — die erste und nothwen-
digste Bedingung eines jeden Kunstwerkes, — ist hier in vollstem Maasse
erreicht.

Aber gehen wir weiter und sehen zu, in welcher Weise die Handlung
des Bildes ins Leben tritt. Die allgemeinen Züge sind bereits angedeutet.
In holdseligem Frieden, ruhen die beiden Knaben nebeneinander; nie ist
der Schlummer der Unschuld schöner gemalt worden. Wir glauben ihr
leises Athmen zu hören, ihre Brust in ruhigen Zügen sich heben und sen-
ken zu sehen. Rothe der Gesundheit, durch die Wärme des engen Ge-
maches, der Kissen, der nahen Berührung erhöht, steigt in ihre Wangen
empor. Rührend ist es, zu sehen, wie sie vor dem Einschlafen sich um-
armt und geküsst hatten und nun ihre Arme und Lippen leis von einander
zurückgesunken sind; die schwierigste Aufgabe, für bildliche, Darstellung,
und doch wie naturwahr, wie schön, wie vollkommen zugleich die eine
Gestalt trotz der nahen Berührung der andern entwickelt! Hier sind in
Wahrheit die Worte des Dichters verkörpert: — „das völligst süsse Werk,
so die Natur seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet."

Und nun der Mörder, — ein Kopf, in welchem wir die geniale Mei-
sterschaft des Künstlers vor Allem bewundern müssen. Hier finden wir
nichts von jenen üblichen Charaktermasken eines Bösewichts, dessen Züge
etwa schon eine Prädestination zu verruchtem Werke in sich tragen: es
ist eben nur ein gewöhnliches, gemeines„Gesicht, ohne "sonderliche Bedeu-
tung in seiner Form, schlicht herabhängendes flachsgelbes Haar, kurzer
röthlich blonder"'Bart. Es ist eine feile, gedankenlose Natur, für Geld zu
jedem Unternehmen bereit. Aber mit furchtbarster Gewalt ^spricht sich
die Bedeutung des Momentes darin aus. Gierig, als wollte es aus seiner
Höhle heraustreten, heftet sich das Auge auf die beiden Opfer; krampfhaft
zuckt es in den Falten der Stirn; wuthschwellend ist die Unterlippe un-
ter dem struppigen Schnurrbarte vorgedrängt. Eine aufsteigende Blässe
lässt es ahnen, dass auch hier noch eine Regung der Menschlichkeit zu
bekämpfen ist; aber wir sehen nichtsdestoweniger die vollste Sicherheit
des Entschlusses; noch ein Moment, und wüthig, wie die Hände das
schwere Bettkissen "zusammenpressen, so dass das Blut aus den Nägeln der
Finger zurücktritt, wird er über die wehrlosen Knaben herstürzen. Sein

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172 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Genoss, der mehr im Hintergrunde steht, hat etwas mehr Bedeutung in
seinen Zügen; seine ganze Erscheinung hat einen Anstrich von gewisser
Würde; er blickt ruhiger, mit einem Anfluge von Mitleid und Gewissen,
auf den Schlummer der beiden Knaben herab. So hat der Künstler in
diesen beiden Gestalten bereits die Gefühle vor und nach der That, die
Mordgier und die mitleidsvolle Reue, wie sie der Dichter schildert, in
dem einen Momente der Handlung angedeutet, das Interesse des Beschauers
in grösserem Maasse zu gewinnen.

Wenn wir den Maler der Treue wegen loben müssen, mit welcher er
den Andeutungen des Dichters gefolgt ist, so kann das in vielen andern
Fällen zweideutig erscheinen. Nur zu häufig geschieht es, dass bei Dar-
stellungen, welche die einzelne Scene eines Gedichtes vorführen, eine Be-
kanntschaft mit dem Gesammtinhalte des letzteren vorausgesetzt wird und
dass der Beschauer, bei dem diese Voraussetzung nicht zutrifft, ohne Inte-
resse vorübergeht. Und auch für den, welcher die Dichtung kennt, kann
ein solches Kunstwerk nicht die erwünschte Wirkung hervorbringen, eben
weil es nicht seine Bedeutung, sein Verständniss, unabhängig von allem
Titel und Commentar, in sich trägt. Alles dies findet indess auf das Hilde-
brandt'sche Bild keine Anwendung; trotz seiner genauen Uebereinstimmung
mit dem Gedichte, — die freilich die nähere Charakteristik des Einzelnen
begünstigte, — sehen wir es in sich geschlossen, in sich verständlich, in
sich sein Interesse und seine ergreifende Wirkung tragend. Zwei holde
Knaben, deren hoher Stand durch Schmuck und Beiwerk bezeichnet wird,
zärtlich nebeneinander in süssem Frieden, und über ihnen das Verhängniss,
welches die schönste Blüthe zu vernichten im BegrilF ist; das Lieblichste,
das Reinste und Anmuthvollste, was die Welt hervorzubringen im Stande
ist, und die grausenerregende Macht, welche dem Bösen in dieser Welt
zu Theil geworden; Alles vereint, was Mitleid, innigste Theilnahme und
tiefste Trauer in uns hervorbringen kann, und doch das Ganze so schön,
so edel, so rein gehalten, dass die beklemmende Angst, mit welcher wir
dem Vorgange zuschauen, sich in eine stille Rührung verwandeln muss

Die Portraitbilder von Hildebrandt, welche sich auf der diesjährigen

m-.

') Unter meinen Papieren finde ich noch eine Notiz über das oben bespro-
chene Bild, von der ich mich nicht mehr entsinne, ob und wo icli sie liabe drucken
lassen. Sie gehört der Zeit bald nach der Ausstellung von 1836 au und mag
hier als Curiosität ihre Stelle finden: —

Durch öifentliche Blätter hat sich das Gerücht von einem unerhörten Pla-
giat, dessen sich einer der ersten Künstler uusrer Zeit schuldig gemacht haben
soll, verbreitet; das Publikum fängt an unwillig zu werden, dass es sich, auf
der letzten Ausstellung, durch eine blosse Copie hat zu unnöthigem Enthusias-
mus verleiten lassen. In dem Schlosse Kronborg hui Helsingör ist ein Rei-
sender diesem Plagiat auf die Spur gekommen; da hat er, in der Kupferstich-
sammlung des Commandanten, ein Blatt vorgefunden, welches das vollständige
Original zu den Söhnen Eduards von Th. Hildebrandt sein soll, Naiver
Weise aber nennt er auch den Maler und den Stecher des Blattes: James
Northcote und Francis Legat. — Nun weiss Jedermann, dass dieses Blatt
zu der Shakspeare-Gallery gehört, ein so bekanntes Blatt, dass es die Referen-
ten über Ilildebrandt's Bild für gänzlich überflüssig halten mussten, seiner dabei
auch unr zu erwähnen. Allerdings führt die Composition in beiden Darstelluu-
gen dieselbe Scene vor, und sie haben gerade so viel Aehnlichkeit, als durch
die Worte Shakspeare's geboten war; im Uebrigen wird es keiueni Kunstver-
ständigen einfallen, auch nur eine Parallele zwischen beiden zu ziehen.

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 173

Ausstellung befinden, mögen einer späteren Betrachtung vorbehalten blei-
ben. Hier erwähnen wir noch eines anrauthvollen Gemäldes von kleinen
Dimensionen, welches dem Genrefache angehört:. Chorknaben bei der
Vesper, No- 357. Vier Chorknaben, zur Seite eines ausserhalb des Bildes
vorausgesetzten Altares kniend, und betend, im Hintergrunde ein Thcil
der Kirche mit andächtigem Volk. Die Darstellung frommer kindlicher
Unschuld bei der
Ausübung heiliger Sitte giebt diesem Bildchen einen
eigenthümlichen "Reiz, der durch die geistreiche Charakteristik in den'vier
Köpfchen noch erhöht wird. Der erste Knabeast mit Ernst und Tüchtig-
keit beim Gebete, der zweite hat^as seelenvolle Auge schwärmerisch er-
hoben, der dritte blickt etwas zerstreut zum Beschauer heraus,\der vierte
ist wie in träumerischen Gedanken hingegossen. Die Ausführung ist geist-
reich, und das Ganze, mit Einscliluss des wohlerfundenen gothischen Rah-
mens, dürfte einen beneidenswerthen Schmuck im Wohnzimmer des Be-
sitzers bilden.

Carl Sohn: Das Urtheil des Paris, No. 925.

Sohn ist anerkannt als Meister im Bereiche der Carnation. Seine Dar-
stellung des Nackten zeichnet sich durch einer; Schmelz, durch Wärme,
Licht und Leben der Farbe aus, wie sie die Vorzeit nur bei den grossen
Künstlern der Schulen von Venedig und Parma kennen gelernt hat. Jene
Weichheit und Milde des Tones, welche der Italiener mit dem Worte
Morbidezza bezeichnet (dem Deutschen fehlt das entsprechende Wort), be-
sitzt er in vollem Maasse, und er weiss dieselbe zugleich in einer so
eigenthümlich zarten, lauteren Weise zu entwickeln, dass durchaus von
keiner Nachahmung dieses oder jenes Meisters der Vergangenheit die Rede
sein kann. Es ist der schwierigste Theil der malerischen Technik, die
Darstellung der äussersten Oberfläche des menschlichen Körpers, — jenes
selbständigen Lebens, jener zarten Elasticität und Porosität der Haut, —
worin Sohn von keinem Zeitgenossen übertroffen wird. Natürlich steht die
Wahl der Gegenstände bei seinen bedeutendsten Werken im Einklänge
mit diesen technischen Vörzügen; und da die letzterwähnten Eigenschaften
in erhöhtem Maasse bei den zarteren Geschlechtern, bei den Knaben und
Frauen, vorherrschen, während bei dem strengeren männlichen Körper zu-
gleich die Angabe und Bezeichnung der tiefer liegenden Theile, der Mus-
keln, Sehnen u. s. w. erforderlich wird, so ist es eben die Darstellung jener,
die uns vorzugsweise in Sohn's Compositioneh entgegentritt. Im Allge-
meinen aber giebt die Mythe des klassischen Alterthums vorzüglich Ge-
legenheit zur bildlichen Darstellung nackter Körperformen, und so gehören
auch Sohn's Gemälde in der Regel diesem Mythenkreise an.

Wenn wir in dem eben Gesagten die charakteristische Eigenthümlichkeit
und die Vorzüge der Sohn'schen Gemälde andeutungsweise zu bezeichnen
versuchten, so müssen wir doch mit Bedauern hinzufügen, dass in ihnen,
mehr oder minder, diese Eigenthümlichkeit einseitig und bis zur Vernach-
lässigung anderweitiger Erfordernisse vorherrscht. Abgesehen davon, dass
in seinen Gestalten die Entwickelung und der Zusammenhang der Form
im Einzelnen nicht immer genügend beobachtet ist.'— einzelne Missstände
der Art wären zu entschuldigen, und es bedarf solcher Entschuldigung oft
bei den grössten Meistern, wie in dieser Beziehung der Hinblick auf
Coreggio nahe liegt: — so finden wir bei ihm auch in der Auffassung oder

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Berichte, Kritiken, Erörteriiugen.

in der Compositioü des Ganzen manch einen Mangel, der es leider er-
kennen lässt, dass der Gegenstand nicht immer mit dem Ernste, mit der
Kraft und Tiefe durchdrungen ist, welche die Herstellung eines vollen-
deten Meisterwerkes erfordert. Schon die früheren Gemälde Sohn's, welche
unsre Ausstellungen schmttckten, liessen bei den entschiedensten Vorzügen
manchen Wunsch unbefriedigt; das in der Ueberschrift genannte, das be-
deutendste der Dimension nach, welches wir von ihm kennen, übertrilft
dieselben in den angedeuteten Vorzügen und Mängeln.

Das Urtheil des Paris. Der schöne Hirtenjüngling sitzt auf der linken
Seite des Bildes, Körper und Gesicht im Profil gesehen. Kr reicht den
verhängnissvollen goldenen Apfel an Venus, welche, als die wichtigste
Figur des Ganzen, in der Mitte steht; mit der einen Hand empfängt sie
den Apfel, mit der andern hält sie das Gewand, welches um ihre Hüften
geschlungen ist. Amor schmiegt sich lächelnd, in kindlicher Bewegung,
an sie. Zwischen Paris und Venus, ein wenig tiefer im Bilde, sitzt Mi-
nerva, welche dem Beschauer den Rücken kehrt und das Gesicht zürnend
nach der glücklichen Siegerin umwendet; sie ist im BegriiF sich zu beklei-
den. Zur Rechten der Venus, halb dem Beschauer zugewandt, sitzt Juno,
indem sie den Busen mit der Hand bedeckt nnd ebenfalls zürnend auf den
Vorgang zurückblickt. Die Gestalten befinden sich auf der Höhe des Ida,
von der man, zwischen Lorbeer- und Myrthen-Gebüsch hindurch, auf die
Ufer des Meeres niedersieht. — Es ist eine schwierige Aufgabe, das zer-
theilte Interesse der Personen, wenn man nicht einzelne von ihnen we-
sentlich unterordnen will, zu einer malerischen Gruppe, zu einer Total-
Wirkung, zu vereinen, und wir müssen gestehen, dass bei der Lösung
dieser Aufgabe nicht alle Ansprüche befriedigt sind. Schon die kurze Be-
schreibung lässt das Zerstreute der Composition erkennen, was leider durch
einen Nebenumstand noch mehr hervorgehoben wird. An den Figuren
selbst ist jener schwierige Punkt der malerischen Technik, jene Darstel-
lung des Lufttones, welcher Glied von Glied und Gestalt von Gestalt son-
dert, aufs Trefflichste beobachtet; aber er fehlt in hohem Grade an dem
Laubwerk, welches zwischen den einzelnen Gestalten sichtbar wird; statt
einen vermittelnden Hintergrund zu bilden, statt das Auge sanft von der
einen Gestalt auf die andre hinüberzuleiten, springt dasselbe dem Auge
des Beschauers mit Lebhaftigkeit entgegen und bringt somit gerade die
entgegengesetzte Wirkung hervor. Und wie wir uns von dem äusseren
Arrangement des Bildes nicht befriedigt fühlen, so können wir auch die
innere Auffassung nicht unbedingt billigen. Es sind die beiden Gestalten
der Juno und der Minerva, die für uns etwas Befremdliches haben. Juno
ist am Wenigsten empfunden; sie sitzt nicht fest, nicht sicher genug, sie
gleitet, und der nothwendige organische Zusammenhang ihrer Glieder
dürfte nicht in allen Theilen vorhanden sein; wir sehen in ihrer Erschei-
nung zwar eine erhabene Gestalt beabsichtigt, wie solche der Götterkönigin
zukommt, aber das Unmittelbare des Eindruckes fehlt; im Ausdruck ihres
Gesichtes ist etwas Maskenartiges, auch die Bewegung ihrer Arme ist mehr
im Charakter einer mediceischen Venus, welche schüchtern den Fluten
entsteigt, als dass sie der bewussten,Majestät einer Juno entspräche. Die
Gestalt der Minerva giebt ebenfalls kein entschiednes Bild ihrer charak-
teristischen Eigentiiümlichkeit; wir hätten sie irgend in andrer Stellung
zum Beschauer, oder in dieser mehr bekleidet, gewünscht: sie ist hier

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 175

wenigstens nicht im Geiste des griechischen Alterthums gedacht, welches
keine Pallas Kallipygos kennt.

Doch genug dieser tadelnden Bemerkungen, wo uns ausserdem eine
solche Fülle der schönsten Vorzüge entgegentritt. Was wir oben über
Sohn's zarte Behandlung der Nackten geäussert, findet in diesem Bilde
seine vollste Bestätigung; ja es dünkt uns, wenn wir seine früheren Werke
in der Erinnerung durchgehen, als ob in keinem derselben diese höchst
vollendete Weichheit, diese Klarheit und Frische sichtbar geworden sei.
Der Rücken der Minerva, der gesammte Oberkörper der Venus, das schmach-
tend halbgeöffnete Auge, mit dem sie auf den jugendlichen Richter nieder-
blickt, das stille Lächeln des Mundes ziehen in hohem Grade an. Amor
ist ebenfalls eine gar liebliche Gestalt, und nur das Tuch, welches er mit
ziemlich überflüssiger oder vielmehr unschicklicher Decenz um die Hüften
gewunden hat, möchte störend sein. Des höchsten Preises würdig aber ist
Paris, vornehmlich der wunderschöne Kopf, welcher beschattet, im reiz-
vollsten Helldunkel, offnen Auges zu der Göttin der Liebe emporschaut.
Hier ist Fülle des Lebens und Daseins, ist die holdseligste Naivetät mit
der edelsten und reinsten Idealität verbunden, — ist ein Beispiel der
höchsten Leistungen gegeben, deren die Kunst fähig ist.

Dass aber ein Künstler, der einen solchen Kopf zu bilden vermochte,
von selbst zur strengeren Kritik dessen, was mangelhaft erschien, auffor-
dern musste, dies, glauben wir, wird keinen Anstoss erregen. Und dass
ein solcher Künstler in der That zu den höchsten und untadelhaften Lei-
stungen berufen ist, dass es in seiner Macht steht, einen der Gipfelpunkte
seiner Kunst zu erreichen, dies wagen wir mit Ueberzeugung auszu-
sprechen. —

Die Ausstellung zählt wenig Gemälde, welche den Kreisen der klas-
sischen Mythe angehören; die Richtung der Malerei nnsrer Zeit — wenig-
stens die der Malerei in Norddeutschland — hat sich in andern Regionen
eingebürgert. Doch findet sich ein solches, welches durch ähnlich bedeu-
tende Dimension und durch die Stellung, die man ihm in der Nähe des
Sohn'schen Bildes gegeben, unwillkürlich zur Vergleichung mit diesem
auffordert. Es ist das Bild .von.

Adolph Henning.

Achill und Thetis (No. 308), die Scene nach dem ersten Buch der-
Hiade. Achill sitzt, zürnend und weinend über die von Agamemnon er-
littene Schmach, am Ufer des Meeres; er stützt das Haupt in die linke
Hand und greift mit der rechten wild in die Falten des rothen Mantels,
Vor ihm steht Thetis, seine Mutter, welche die Klagen des Sohnes ver-
nommen hat und tröstend und Rache verheissend über die Fluten zu ihm
geeilt ist. Sie legt sanft ihre rechte Hand auf seine linke und blickt ihn
bekümmert an, indem sie eben, wie es scheint, jene holden Worte: „Kind,
was weinst du? u. s. w." beginnen will. Ihr zur Rechten, etwas weiter
zurück, erblickt man ihren von Delphinen gezogenen Muschelwagen, auf
dem eine junge Nymphe wartend sitzt. Auf der linken Seite des Gemäldes^
fern am Saume des Gestades, schreiten die beiden Herolde mit Brisei's, die
sie auf Befehl des Agamemnon dem Achilles entführt haben und die nach
dem Geliebten zurückblickt. — Was die eigenthümlichen Vorzüge des
Sohn'schen Gemäldes ausmacht", jener weiche Reiz, jenes zarte Leben der
Farbe, ist in diesem Bilde nicht vorhanden, und somit die erste Wirkung

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17ß Berichte* Kritiken, Erörteruugeu.

desselben auf das Auge des Beschauers weniger ansprechend, — um so
weniger, als wir gegenwärtig durch die überwiegende Mehrzahl der Lei-
stungen norddeutscher Malerei gerade an eine vorzügliche Behandlung der
Farben (und was in deren Bereich gehört) gewöhnt sind. Ein trockner,
im Einzelnen sogar schwerer Ton vertritt hier die Stelle jener warmen,
elastischen Geschmeidigkeit in den nackten Körperformen, eine nicht ganz
harmonische Zusammenstellung der Farben stösst das Auge ab; auch der
Luft fehlt es an der wünschenswerthen freien Durchsichtigkeit und Tiefe.
Doch ist die Begleiterin der Thetis, welche auf dem Muschelwagen sitzt,
vornehmlich ihr Kopf, trefflich gemalt, und lässt es erkennen, dass Henning
auch wohl dieses Theiles der künstlerischen Technik mächtig sein kann;
ebenso sind die Wellen des Meeres leicht und in klarer Bewegung. Was
wir dagegen bei Sohn zum Theil vermissten, das bildet einen eigenthüm-
lichen Vorzug des Henning'schen Gemäldes, Die Zeichnung ist grossartig
und correct, die Modellirung sicher und wohlgelimgen, vornehmlich aber
die Composition des Ganzen zu loben. Die beiden Gestalten der Thetis
und des Achilles stehen zu einander in einem schönen, edlen Wechsel-
verhältniss der Linien, sie füllen den Raum auf eine befriedigende Weise
und gewähren somit eine bedeutende Totalwirkung; ebenso ist der Cha-
rakter beider, den plastischen Gestaltungen des Alterthums gemäss, ernst
und würdig gehalten. Das Bild hat im Ganzen einen mehr dekorativen
Charakter (im guten Sinne des Wortes), etwa nach Art der Freskomalerei;
unter entsprechenden architektonischen Umgebungen würde es gewiss von
grösserer Wirkung sein, als in dem bunten Wechsel einer Ausstellungs-
Gallerie, wo freilich der Reiz in der malerischen Behandlung zunächst den
Beschauer anziehen muss.

Unter den übrigen Gemälden Hennings ist zunächst sein David (No.
309) zu erwähnen, eine fast nackte jugendliche Gestalt, sitzend, die eine
Hand auf der Schleuder, mit der andern in begeisterter Bewegung nach der
Harfe greifend. Auch hier eine ähnliche, doch schon mehr gemässigte,
Strenge und Trockenheit der Farbenbehandlung, auch hier abei'ebenso eine
treffliche Zeichnung und geistreiche Anordnung der Gestalt. — Andre Bil-
der von Henning gehören in andre Fächer der Malerei. Zu den bedeu-
tendsten sind unter den bisher ausgestellten vornehmlich zwei Charakter-
Figuren, Kniestücke in LebensgrÖsse, zu zählen: No. 310, Ein Orden s-
Geistlicfllier mit seinem Chorknaben zur Messe gehend (in der
Marcuskirche zu Venedig) und No. 311, Ein armenischer Geistlicher,
welcher das Weihwasser nimmt (in der Roger-Kapelle zu Palernao).
Bei diesen Bildern kam es vorzugsweise auf geistreiche Naturnachahmung
und lebendigere Behandlung der Farbe an, und wir finden hier diesen Er-
fordernissen ungleich besser genügt als an dem grossen Gemälde des Achil-
les, wozu allerdings der Umstand, dass bei Darstellungen der Art eben
genau nach passenden Modellen zu malen ist, günstig mitgewirkt haben
mag. Vornehmlich dünkt uns das erstgenannte Gemälde — der würdige
Greisenkopf, die auf dem verdeckten Kelch ausgestreckt ruhende Hand,
die zierliche Stickerei des Messgewandes, sowie der jugendlich heitere
Kopf des Chorknaben wohlgelungen; das Ganze giebt in dem ruhigen Ernste
der Gestalten das ansprechende Bild frommer Sitte. — Das Bild eines ita-
lienischen Mädchens, welches sich das Haar macht, No. 312,
ist ebenfalls, durch geschmackvolle Anordnung im Raum, sowie durch
wohlgelungene Ausführung und Naturwahrheit in' den Stoffen beachtens-

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 177

werth. — ^ehr trefflich sind ein Paar kleine genreartige Bilder, zu denen

ebenfalls Studien italienischer Kostüme und Sitte benutzt scheinen. . . .

/

Overbeck.

Overbeck's künstlerische Richtung gehört, wie bekannt, derjenigen Ent-
wickelungsperiode der neueren Zeit an, durch welche, in"' den Jahren
der Unterdrückung und der Befreiungskriege, die versunkenen Schätze des
Mittelalters wieder heraufgefördert und der fromme Sinn und die schlichte
Treue der alten vergessenen Meister als Vorbild hingestellt waren. Over-
beck ist der Einzige, welcher diese Richtung mit üeberzeugung in sich
aufgenommen, mit künstlerischer Genialität durchgebildet und mit treuer
Liebe bei ihr ausgeharret hat. Das Streben und Schaffen dex jüngsten
Nachkommenschaft, die Resultate des letzten Jahrzehnts sind seinem Sinne
fremd geblieben. Wo neue Elemente sich zur Gestaltung hindurchringen,
da giebt es mancherlei Kampf, treten Gegensätze mannigfacher Art sich
schroff und feindlich gegenüber; Overbeck's Genius hat auf einer fernen
friedseligen Insel seine Heimat gefunden, und sendet uns von dort- seine
Grüsse herüber, die wie ein altes schönes Mährchen unsern Sinn berühren.
Aber auch nur wie ein Mährchen. Die Interessen der Gegenwart sind
gross und bedeutend geworden; wir verlangen das Leben in seiner -vollen
Wahrheit und Grösse vor uns'zu sehen, wir wollen nicht schüchtern und
entsagend den Stürmen des . Lebens aus dem Wege geleitet, sondern mitten
hindurch auf dessen Gipfelpunkt geführt werden, — und Overbeck hat es
versäumt, an solcher Wirksamkeit Theil zu nehmen und den Kranz zu er-
ringen, der für ihn bereit war. Er steht dem alten Meister Fra Giovanni
da Fiesole nahe, — nicht als ob er das kindlich Mangelhafte in dessen
Formen nachahmte, vielmehr schwebt ein Hauch der vollkommneren
Schönheit Raphaels über seinen Gestalten, — aber es ist ebenso der tiefe
Friede, die stille Lauterkeit des Gemüthes, die aus seinen Bildern sprechen,
ebenso der Mangel an Energie, wo es sich um entschiedene Belebung, um
die Darstellung bedeutender Charaktere und leidenschaftvoller Momente
handelt.

Die diesjährige Ausstellung hat uns von Overbeck bis jetzt zwei Car-
tons gebracht. Der eine, No, 656, stellt die Verstossung der Hagar
dar und zerfällt, durch die Andeutung einer einfachen Architektur, in zwei
Hälften: zur rechten das Innere des Hauses, darinnen Sarah mit ihrem
Knaben auf dem Boden sitzt, eine Gestalt, die an die grossartige Ruhe in
den sitzenden Figuren der Nachfolger Giotto's erinnert; zur linken Hagar,
welche mit Ismael weinend die Schwelle des Hauses verlässt, — hier in
den Linien jene naive Anmuth, welche den Weibern auf Raphaels Bildern
eigen ist; zwischen beiden Abraham, dem es jedoch an der Würde des
Patriarchen in Etwas zu fehlen scheint. — Der andre Carton, No. 657, ent-
hält das Urtheil des Saloraon, eine schöne milde Composition, das
Ganze der Handlung einfach verständlich entwickelt, und vornehmlich wie-
der um in der Zeichnung der Weiber eine zarte, anspruchlose Schönheit,
welche auf das Auge des Beschauers den wohltliuendsten Eindruck hervor-
bringt. Wir dürfen diese beiden Cartons Overbeck's trefflichsten Leistun-
gen zuzählen und wir können dieselben gewiss um so eher als ein Beispiel
seiner Richtung und Muassstab seines Talentes nehmen, als überhaupt —
soweit Referent wenigstens mit Overbeck's Leistungen bekannt geworden
Kueler, Kleine Schriften, IM. ' 12

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178 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

ist — seine grössere Kraft in dem stylistischen Elemente der Zeichnung
beruht. Das Gemälde Overbeck's, welches der Katalog unter No. 1427-
anführt, ist bis jetzt noch nicht ausgestellt.

Wie Overbeck's Werke als ein fremdartiges Element einsam in der
bunten Fülle unsrer Ausstellung dastehen, so sind auch noch einige Ar-
beiten anzuführen, in denen das Studium älterer Zeit vorzuherrschen
scheint, in denen ein solches Bestreben aber nicht zu den würdigen Resul-
taten, wie bei jenem Meister, geführt hat. Hierher rechnen wir zuerst das
Bild von C. Oh. ^ogel (in Dresden): die Taufe Christi, No. 990.
Das Ganze ist aus dem Studium hervorgegangen, und ist auch wohl viel
Fleiss und Studium daran ersichtlich; aber die kunstgemässe Anordnung,
die fiesolanischea Gewänder der Engel und dergleichen ersetzen nicht den
Mangel eines innerlichen, von der Bedeutung des Momentes erfüllten Ge-
fühles. Der Kopf des Erlösers namentlich, obgleich darin etwas von jenem
altüberlieferten Typus der Kirche nachgeahmt scheint, ist dieser Nach-
ahmung zum Trotz ohne Würde, ohne allen höheren Adel. — Sodann
sind vornehmlich die beiden Bilder von Joh. Riepenhausen hleher zu
zählen, welche Scenen aus Raphael's Geschichte enthalten: No. 743 Ra-
phaelas Tod und No. 745 die Erscheinung. In beiden viel Sorgfalt,
viel üeberlegung, kunstreich studirter Faltenwurf u. s. w., und doch kein
aus der Tiefe des Gemüthes hervorbrechender Zug, welcher den Beschauer
zum Mitgefühl in Schmerz oder Begeisterung hinzureissen vermöchte. Das
erste Bild stellt Raphael's Leiche auf dem Paradebette dar und umher
eine Menge Künstler und Freunde des Verstorbenen, die sich bemühen,
ihren Schmerz zu äussern, und unter denen der Riesengeist Michelangelo
eine ziemlich dürftige Figur spielt. Das zweite ist Raphael, der wie im
Traume vor der Staffelei sitzt, und vor oder vielmehr hinter ihm, in
Wolken und Glorie, die sixtinische Madonna als Vision. Ich bezweifle,
dass jemand, dem eine solche Erscheinung ward, dabei in so zierlicher
Stellung gesessen habe. — Ausserdem ist von Riepenhausen noch ein Genre-
bild vorhanden: No. 744, Ankommende Fremde zu einem Madon-
nenfeste bei Albano, ein Bild, das einzelne gute und naive Züge ent-
hält, — wie den Herrn Abbate auf seinem Maulthier, den Trommelschläger
vor der Kirche, — darin im Uebrigen jedoch wiederum der Humor studirt

erscheint und somit seine Wirkung verfehlt,
t

Leopold Robert: Heimkehrende Schnitter. No. 1434.

Dies Gemälde ist eine freie Wiederholung des berühmten Bildes von
Robert, welches sich zu Neuilly, im Besitze des Königs der Franzosen,
befindet. Der Künstler fertigte dieselbe im Auftrage des Grafen Raczynski,
dessen so eben geordnete Gallerie alter und neuer Meisterwerke eine Zierde
Berlin's bildet. Das Gemälde ist nicht gänzlich vollendet; Robert war
noch in der letzten Ausführung begriffen, als er freiwillig — die Gründe
der That sind im Dunkeln geblieben — den Faden seines Lebens zerriss.
Man fand seinen Leichnam vor dem Bilde, dem einzigen Zeugen der furcht-
baren That.

Robert's Gemälde haben stets Scenen des italienischen Volkslebens zu
Ii ihrem Gegenstande; er war der erste, welcher für Darstellungen der Art

t ein lebhaftes Interesse zu erwecken wusste. Viele Maler sind ihm auf

\ dieser Bahn gefolgt, aber keiner hat es zu ähnlich bedeutenden Resultaten

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 179

gebracht; viele gaben, Avie er, Abbildungen des italienischen Lebens und
italienischer Sitte, aber keiner theilte mit ihm die Grösse und Milde des
Geistes, den Adel und die Würde der Auffassung. Robert malte den ge-
meinen Italiener, in den unbedeutenden Zuständen, wie sie das Leben des'
Tages mit sich bringt,; aber er erkannte die bedeutende Anlage des Volkes,
er liess in den Zügen später, gesunkener Enkel die einstige Herrlichkeit
und Macht ihrer Väter nachklingen. Robert stellte überhaupt in diesen
Genrescenen etwas Andres dar, als was man mit dem Begriff des Genre
bisher zu bezeichnen pflegte: er fasste den Menschen in Mitten seines all-
täglichen Verkehres, in Mitten seines bedürfnissvollen Treibens auf, aber
er gab ihm das Siegel der Schönheit, das Zeugniss seines göttlichen Ur-
sprunges. Darum stehen uns seine Gestalten wie reinere Wesen gegen-
über, darum spiegelt sich'in ihnen das Entzücken und die Lust des Da-
seins, wird die Arbeit ihnen zum Fest, giebt der Schmerz ihnen den
Ausdruck einer höheren Weihe.

Robert's Schnitter gehören zu seinen bedeutendsten Leistungen und
werden, nach den Berichten französischer Zeitungen und kundiger Reisen-
den, nur noch von seinem „Abschiede der Fischer" (welches Bild er nach
der ersten Ausführung der Schnitter malte und welches sich zu Paris im-
Privatbesitz befindet) übertroffen. Die Composition ist durch Kupferstiche
und Lithographien allgemein bekannt. Ein mit Büffeln bespannter Wagen,
auf dem sich die Familie eines wohlhabenden Ackerhauers befindet, hält
auf der Fläche der Campagna still; der Führer der Büffel lehnt vorn an
der Deichsel des Wagens. Zur Linken kommen Mädchen mit Garben und
einige junge Schnitter herbei, zur Rechten ein Paar Tänzer mit Sackpfeife
und Sichel. Das Ganze schwimmt in dem röthlichen Lichte der unter-
gehenden Sonne. Die Wiederholung des Bildes, welche wir auf der Aus-
stellung vor uns sehen, befolgt im Wesentlichen dieselbe Anordnung, doch
sind im Einzelnen einige namhafte Veränderungen zu bemerken, wie z. B.
der eine der Tänzer, welcher die Sichel gefasst liält, auf der ersten Dar-
stellung das Haupt niedergebeugt, hier dasselbe in leichterem Schwünge
und, wie es scheint, mehr zum Vortheil der Harmonie in den Bewegungen
des Ganzen, zurückwirft. Als eine bedeutendere Verschiedenheit dürfte es
anzuführen sein, dass hier ein gemeinsamer Farbenton über das ganze Ge-
mälde gebreitet ist, während in jenem stärkere Gegensätze in der Färbung
vorherrschen.

Das Bild gewährt den Eindruck kindlich frommer, patriarchalischer
Verhältnisse; es ist das uralte heilige Band und Gesetz der Familie, das
wir in demselben vorgeführt sehen. Der Erndtewagen, in der Mitte des
Bildes und von vorn gesehen, ist der Thron, welcher' die edelsten Häupter
der Familie über die Andern emporhebt. Hier ruht ermüdet, auf der einen
Seite, ein stiller ernster Greis; seine Anordnungen sind Befehle für die
jüngeren. Hinter ihm steht sein Sohn, ein kräftiger Mann, bereit, diesen
Befehlen nachzukommen. Auf der andern Seite lehnt dessen Weib,' die
Herrin des Hauses, und hält den Säugling im Arm; in dem reinen Eben-
maass ihrer Glieder, in der Fülle und Kraft ihrer Gesundlieit ist sie den
göttlichen Gestalten des griechischen Alterthums vergleichbar. Zu den
Füssen dieser drei sieht man die beiden Büffel, welche, mit ,schweren
Ketten angeschirrt, den Wagen ziehen; das furchtbar Gewaltige in ihren
Körpern, das Dämonische ihres Blickes, was der Maler so meisterhaft dar-
gestellt hat, erscheint als die Natur, in ihrer rohen Gewalt, die hier dem

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180 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Willen des Menschen zu fröhnen gezwungen ist. Ein Mann in braunem
Mantel, den Hut ins Gesicht gedrückt, sitzt auf dem einen BülM, in einer
Hand den Stab mit dem Stachel, dem Instrument, welchem allein diese
Bestien gehorsamen. Eine der schönsten Gestalten ist der junge Knecht,
I welcher vorn zwischen den Büffeln lehnt; dun^kelglühenden Blickes schaut

er träumerisch vor sich hin; er gemahnt an jene Geschichten des alten
Testamentes, wo die. Jünglinge durch jahrelange Dienste in Haus und Feld
um die Töchter des Herrn werben mussten. So bildet sich durch den
Wagen und die ihm zugehörigen Leute ungezwungen und ungesucht, ein
bedeutender Mittelpunkt des Ganzen. Die Tänzer, welche sich ihm auf
der einen Seite anschliessen, und in behender Vergnüglichkeit für das
Vergnügen der Herrschaft sorgen, geben Anlass, dass der Wagen in seinem
Gange anhält, und dass ebenso auf der andern Seite die zur Familie ge-
hörige Dienerschaft, Mädchen und Jünglinge, herbeigeeilt sind, das Schau-
spiel des Tanzes mitzugeniessen. In grosser, gesetzmässiger Gruppirung,
verständlich für Sinn und Auge des Beschauers, ordnet sich das Gemälde,
und wie in der Führung der Linien, im Ganzen und im Einzelnen, überall
das lauterste Ebenmaass herrscht, so steht auch die Farbe durchweg in
schönster Harmonie, und das rosige Licht des leise aufdämmernden Abends,
in welches die Gestalten emportauchen, scheint sie auf eine wunderbare
Weise zu verklären, —

4 Aurel Robert, Leopolds jüngerer Bruder und Schüler, ist uns eben-

falls schon seit mehreren Ausstellungen vortheilhaft bekannt; wir sahen
W von ihm besonders venezianische Architekturen mit Gruppen des dortigen

Volkes. Solcher Art ist auch sein diesmaliges Gemälde, das bedeutendste
i der Art, welches er bisher geliefert: die Taufkapelle der St. Mar-

I kuskirche in Venedig, No. 1433. Was zunächst den architektonischen

Theil des Bildes betrifft, so war derselbe in seiner bunten Mannigfaltigkeit
schwer zu fassen; doch ist die Aufgabe mit grossem Glück gelöst. Wir
* sehen die ganze Eigenthümlichkeit jener Kapelle vor uns, die seltsamen

I Säulen, die byzantinischen Mosaiken auf glänzendem goldnem Grunde, die

alten Reliefs über dem Altar, zur Rechten das Grabmal des Dogen Andrea
i Dandolo und den uralten, aus Alexandria herstammenden Bischofstuhl, in

der Mitte das grosse Taufbecken mit den Bronzen aus Sansovino's Schule
? und mit der Johannis-Statue von Francesco Segalla, — und doch steht

y Alles, durch wohlberechnete Wirkung in Licht und Luft, in trefflichster

^ Harmonie. Zugleich wird der Reiz des Gemäldes durch die reiche Staf-

j fage, welche die feierliche Handlung einer Taufe und zuschauendes Volk

h darstellt, wesentlich gehoben. Hier ist nicht blos der äussere Zuschnitt

"l? und das Arrangement des venezianischen Kostüms mit Treue und Sorglich-

4 keit wiedergegeben; diese Leute sind in voller Existenz und Eigenthüm-

lichkeit gegenwärtig und ordnen sich, der Lokalität gemäss, in schönen,
i wohlverstandenen Gruppen. Aurel Robert hat in seinen Gestalten nicht

die Hoheit und die Idealität seines Bruders; aber er zeichnet sich durch
Ij energische Darstellung und kräftige charaktervolle Auffassung jedenfalls

auf das Vortheilhafteste unter den Malern, welche italienische Volkscenen
vorführen, aus.

tf,
ite'

Es ist ein übles Ding, über eine Kunst-Ausstellung zu referiren, die
fortwährend im Werden begriffen ist. Man möchte die Betrachtung des

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 181

Einzelnen nach allgemeinen Gesichtspunkten ordnen; aber der Mangel
bald dieses, bald jenes angekündigten Werkes erschwert die Aufstellung
der letzteren, und man läuft Gefahr, von dem Einzelnen ausgehend ein-
seitig zu urtheilen. Erst jetzt^ da uns nur noch ein Paar WocKen zur
Bilderschau übrig sind, sehen wir den grösseren Theil des Wichtigsten
zusammen; 'aber es wird jetzt wiederum schwer halten, den grossen Reich-
thum der Gegenstände, der alle früheren Ausstellungen Berlins in so
grossem Maasse übertrifft, der Kürze nach zusammenzufassen.

Von den Gemälden der Dü sseld orfer Schul e fehlt, wie es scheint,-
nicht viel Bedeutendes mehr. Namentlich haben die grösseren Künstler
dieser Schule jetzt ihre langerwarteten Hauptwerke eingesandt. Lessing,
Mücke, Hübner u, a. m. werden durch Gemälde repräsentirt, welche die
Aufmerksamkeit und das Nachdenken des Beschauers, in hohem Grade
erwecken; auch Schadow's grosses Altargemälde (No. 782) ist aufgestellt,
und es ist billig, mit dem Meisterwerke des Meisters die folgenden Be-
trachtungen zu beginnen. Das Bild ist, wie der Katalog besagt, für die
Pfarrkirche in Dülmen, als eine Stiftung des rheinisch-westphälischen
Kunstvereins, bestimmt, somit wieder eins jener hochachtbaren Zeugnisse,
in welchen dieser Verein allen übrigen deutschen Kunstvereinen mit dem
Zwecke voranleuchtet: der Kunst unsrer Zeit eine monumentale Bedeutung
zu geben, diejenige Bedeutung, durch welche die Kunst vor drei Jahrhunder-
ten zu dem Gipfelpunkte höchsterBlüthe emporgeführt ward und ohne welche
sie, trotz aller Talente und Gönnerschaften, nie eine ähnliche Blüthe erreichen
wird. — Doch ich habe von Schadow's Bilde zu sprechen und nicht von
deutschen Kunstvereinen; — indess muss ich mich auch hiebei auf das
eben Gesagte beziehen.' Das Bild entspricht seinem Zwecke: es hat einen
monumentalen Charakter, hierin besteht seine Grösse vor vielen andern,
im Detail vielleicht bedeutenderen Leistungen. Das Bild ist für eine be-
stimmte Stätte, für den Ort heiligster, injierlichster Erbauung gefertigt, und
es ist nicht blos im Allgemeinen der Würde eines christlichen Hochaltares
angemessen , — es hat in sich diejenige Erhabenheit, welche dem feier-
lichsten Orte der Kirche erst seine eigentliche Würde zu verleihen im
Stande ist. Es hat, bei dem Bestreben nach innerlicher Durchdringung
und Belebung, doch zugleich in der Composition des Ganzen, in der Stel-
lung und Geberde der einzelnen Personen, dasjenige symbolische Element,
die leidenschaftslose Hoheit, die erhabene Milde, welche den Sinn, Gedan-
ken und Gemüth des Beschauers zu reinigen und zu beruhigen vermögen.
Das Bild ist von grossen Dimensionen. In der Mitte der Stamm des Kreu-
zes, an dessen Fusse Maria sitzt, indem sie den Leichnam des Erlösers in
ihrem Schoosse hält. Zu ihren Seiten stehen zwei jugendliche Engel, mit
feierlichen, reichgeschmückten Chorgewanden angethan, der eine die Lanze
und die Nägel, der andere Ruthe und Dornenkrone haltend. Diese beiden
Engelgestalten sind es vornehmlich, welche dem Bilde seine eigenthüm-
liche Grossartigkeit verleihen. Ruhig, ^wie die Diener oder wie die Wäch-
ter des heiligen Amtes, stehen sie ,da; die einfach edlen Linien , in denen-
ihre festliche Kleidung niederfliesst, geben ihnen das Gepräge einer tiefen
Stille der Seele; in wehmüthige Gedanken träumerisch verloren, aber ohne
irdische Bangigkeit und Verzagen, blicken ihre holden Gesichter über
den Beschauer hinaus' Das heilige Amt, dem sie zur Seite stehen, ist das
Versöhnungsopfer, welches nunmehr vollbracht ist. Maria, die irdische
Mutter des Geopferten, ist eine würdige, bedeutende Gestalt, nicht in dem

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182 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

■'n

■ i-

Liebreize der Jugend ^ aber auch in den Zügen eineg mehr vorgerückten
Alters noch an die Gebenedeite unter den Weibern erinnernd, — nicht
gebrochen unter der Last des unendlichen Schmerzes, vielmehr denselben
zu tragen und zu begreifen fähig, aber ohne zugleich die Bitterkeit dessel-
ben irgend zu verleugnen. Sie scheint zugleich auf jene hochalterthüm-
liche Symbolik zu deuten, welche in ihr, bei der Darstellung dieses
Momentes, das heilige Wesen der Kirche repräsentirt findet. — Das Ge-
mälde hat, wie es die Vorzeit bei Altarbildern nicht ohne guten Grund
forderte, ein Untersatzbild (Predella): zwei Kinderengel, eine Pergament-
rolle entfaltend, auf welcher ein biblischer Spruch zur Bezeichnung des
Gedankens, der dem Ganzen zu Grunde liegt, in schöner gothischer Schrift
geschrieben ist.

Zweierlei jedoch dürfte zu rügen sein. Zuerst in der Composition
die Leere des obern Raumes, die durch den breiten, schweren Stamm des
Kreuzes und durch die nicht ganz glücklich gebildete gothische Füllung
des Rahmens nicht eben aufgehoben wird. Sodann ein Mangel an Kraft
in der Ausführung der Gestalten; sie treten dem äussern Sinne nicht mit
derjenigen überzeugenden und unausweichlichen Gewalt entgegen, in wel-
cher einmal das Werk der Kunst, die den geistigen Inhalt in sinnlicher Form
ausspricht, wirken muss. Namentlich fehlt diese Kraft der Darstellung dem
I.eichnara des Erlösers, bei dem natürlich, wie bei jeder Darstellung nack-
ter Körper, das sinnliche Element zunächst vorwiegt. Doch macht der
symbolische Charakter, in welchem das Ganze gehalten ist, diese Mängel
minder bemerklich, während sie bei dem andern historischen Gemälde
Schadow's, No. 781, ungleich mehr empfunden wurden. Denn in diesem,
Christi Gang mit den Jüngern nach Emaus — ist das symbolische Element
T (iem der besondern Handlung untergeordnet, zieht die geringere Dimen-

sion des Ganzen die Augen des Beschauers näher an sich und geht man
demnach von wesentlich verschiedenen Ansprüchen und Voraussetzungen
aus, — Ausserdem sind von Schadow noch zwei Studienköpfe zu jenen
beiden Engeln des grossen Altarblattes vorhanden (1567, 68), in denen sich
bei ähnlich sanfter und zarter Ausführung zugleich das heiterste und
aiimuthvollste Leben ausspricht; es sind zwei Köpfe von äusserst liebens-
würdigem Charakter, mit dem Ausdruck schöner, kindlicher Unschuld,
womit zugleich die Andeutung desselben reichen Costümes, welches jene
Engel tragen, wohl übereinstimmt.

Ein zweites, sehr vorzügliches Gemälde religiösen Inhalts, welches
uns die Düsseldorfer Schule geliefert hat, ist die „Bestattung der heiligen
Katharina durch Engel von H. Mücke" (624). Es ist ein äusserst rühren-
der Zug der Legende, dem zufolge der Leichnam der Heiligen, nach den
mannigfachen Martern, denen ihr irdisches Dasein erlegen ist, von Engel-
händen der traurigen Stätte ihrer Leiden entführt und nach einem fernen
Berge , dahin der Grimm der Widersacher nicht zu folgen vermag, zur
Bestattung hinüber getragen wird. Verschiedene unter den älteren Mei-
stern haben bereits das tief Poetische dieser Legende zur Darstellung
benutzt; namentlich ist ein Freskobild von Bernardino Luini (in der
Brera zu Mailand) anzuführen. Luini stellt die Gruppe der Engel dar,
wie sie bereits über der Spitze des Berges schweben und den Leichnam
in einen Sarcophag niederzulassen im Begriff sind. Der Moment, welchen
Mücke vorführt, ist etwas verschieden und, w'ie es uns dünkt, noch glück-
licher gewählt. Es ist ein stiller ruhiger Zug von vier anmuthTollen

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Fragmentarisches über die Berliner Kunstausstellung -vom J. 1836. 183

Engeln, deren vorderster das Schwert, das Zeugniss des Martyrthumes,
trägt und auf deren Armen der Leichnam der Heiligen ruht. Tief unter
ihnen breiten sich die Hügel der Erde und das weite blaue Meer in gross-
artiger, feierlicher Ruhe. Es liegt in dieser Composition etwas wunderbar
Heiliges und Verklärtes; der Körper der Katharina ist todt, ihr zurück-
gesunkenes Antlitz bleich und schmerzerfüllt, und doch so voll Frieden,
voll von jener tiefen Ruhe, welche das, Ende des Gerechten begleitet. In
den Gestalten der Engel, die wiederum mit einer Art von Chorgewanden
angethan und somit ebenfalls als Diener einer heiligen Handlung bezeich-
net sind, in der Haltung ihrer Körper, in den einfaclien, aber grossartig
bewegten Linien ihrer Gewandung drückt sich der Moment des Vorüber-
schwebens auf eine vortrelTliche Weise aus. Die Malerei ist ungemein
einfach, ohne das, was man Effekt nennt, aber man möchte bei der Ruhe,
die in der ganzen Composition liegt, hier auch kaum eine andre Behand-
lung wünschen. Das Ganze hat wieder, wenn ich mich so ausdrücken
darf, einen symbolischen Charakter; es verkörpert, unter den Formen einer
besondern Begebenheit, Gedanken und Gefühle, welche eine allgemeinere
Beziehung haben, und von denen jeder Einzelne sich persönlich berührt
findet; nicht eine Apotheose geliebter Todten, wohl aber den Frieden und
die Ruhe, darin" sie nach den Bekümmernissen der Erde eingehen und die
wir Hinterbliebenen in unbewusstem Gefühle nur zu ahnen vermögen,
stellt es in ergreifender Weise dar. Es gehört der katholischen Mythe
an, aber es ist allen Zeiten und Glaubensmeinungen gerecht; und wie es
dem rührenden Bilde "^der Dias, wo Schlaf und Tod den Leichnam des
Sarpedon aus dem Gewühle des Kampfes in seine Heimat führen (in Flax-
mann's Umrissen zu Homer meisterhaft dargestellt) ziemlich nahe ent-
spricht, so ist es nicht minder auch als Eigenthum der heutigen Zeit in
Anspruch zu nehmen.

Von J. B. Hübner sehen wir ein grösseres, für die St. Andreaskirche
in Düsseldorf bestimmtes Altargemälde ausgestellt: Christus an den Stamm
der Säule gebunden (No. 387). Auch dies Bild tritt'uns im Wesentlichen
als ein symbolisches entgegen. Es -war nicht die Absicht, eine besondre
Scene aus Christi Leben historisch zü entwickeln , vielmehr die Bedeu-
tung, welche dieser Moment für die versammelte Gemeinde hat, herauszu-
stellen. Es ist der Erlöser, in seiner Schmach und Erniedrigung, die er,
um die Sünden des menschlichen Geschlechtes zu büssen, trägt. Seiner
Herrlichkeit und Würde entäussert, halbnackt, dem Missethäter gleich
gefesselt, wendet er sein Antlitz zu dem Beschauer hinaus, um dessent-
willen er der Pein verfallen ist. Er steht allein, in demuthsvoller Dul-
dung, herberer Leiden gewärtig. Der Gedanke des Bildes hat eine eigne
Grossartigkeit und die räumliche Gesammtanordnung ist diesem Gedanken
wolil angemessen; aber die Ausführung steht mit demselben in einzelnen
Theilen in Widerspruch und schwächt die Einwirkung des Bildes auf das
Gefühl des Beschauers. Zwar hat der Kopf jene würdigen Formen, welche
dem uralten Ideal des Christuskopfes angehören, auch scheint die Zeich-
nung der Figur frei von anatomischen Fehlern; aber die Haltung ist
kümmerlich, ist der göttlichen Kraft dessen, welcher die Sünden der Welt
trägt, nicht'angemessen. Gerade in diesem Momente der tiefsten Erniedri-
gung müsste die Hoheit des Erlösers durchleuchten, müsste die Gewalt
dessen, der den Tod besiegt, dem Beschauer gegenübertreten, — aber diese
schwächlich eingesunkene Brust, diese dem Modell entnommenen Formen

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Berichte, Kritiken, Erörteruugeu.

des Körpers, dieser schlaff herabgesunkene, weiberartige Mantel sagen
nichts hievon, und auch den Zügen des Gesichtes fehlt es am Ausdrucke
der Kraft. Dazu kommt noch ein dumpfes Colorit, das über das Ganze
ausgegossen ist und das Traurige des Eindruckes nur erhöht. — Wir be-
merken leider noch in vielen Bildern der Düsseldorfer Schule, -welche die
diesjährige Ausstellung uns vorführt, einen ähnlichen Mangel an Kraft und
innerlich überzeugender Darstellung.

Weniger zunächst bei dem grösseren Bilde .von J. P. Gotting (No.
239), „Marias Abschied von der Leiche Christi", halbe Figuren, Maria
hält den Leichnam in ihren Armen, indem sie ihn mit tiefster Wehmuth
zum letzten Male betrachtet. Maria, die gramvolle Mutter, ist mit schön-
stem innerlichstem Gefühle dargestellt, und ihr Kopf, ihre Geberde, Arm,
Hand, auch die Gewandung vottrefflich durchgeführt; der Leichnam jedoch,
besonders dessen Kopf, ist wiederum wenig genügend. Zu bedauern ist
auch, dass die Composition dieses Bildes nicht gut im Räume angeordnet
ist, dass die Figureu wie das Fragment eines grösseren Gemäldes erschei-
nen. — Die Skizze einer Grablegung von Gotting (No. 240) ist dagegen
trefflich gruppirt; aber hier fehlt alles Leben der äusseren Handlung, und
das Ganze erscheint demnach ohne Wirkuug.

Von E. Deger, dessen anmuthvolle Gemälde allen Beschauern unsrer
Ausstellungen iu werthester Erinnerung sind, ist diesmal ein Bild einge-
sandt, welches den früheren in dem Liebreize, der Auffassung und Innigkeit
der Empfindung auf keine Weise nachsteht: „Maria betet das Jesuskindlein
an" (No. 152). Das Kind, auf weichem Moose gebettet, liegt in holdem
Schlummer da; es ist ein Kopf von wundersamer Reinheit und kindlichem
Adel, so, wie wir das Wesen des künftigen Erlösers gern in den Formen
noch unentwickelter Jagend angedeutet sehen mögen; die Haltung des Kör-
pers ist einfach, ungezwungen und von grosser Schönheit. Maria ruht anbetend
vor ihm auf den Knieen, und betrachtet vornübergebeugt das heilige Kind
mit tiefem Sinnen; die Demuth der Jungfrau, die Seligkeit des hohen Be-
rufes und ein sehr ernstes Nachdenken über die Geschicke der Zukunft
sprechen sich in den Zügen ihres Gesichtes auf eine rührende Weise aus.
Ihre Gestalt ist in würdigen ruhigen Linien gezeichnet. Die Ausführung
ist äusserst liebevoll, auch in den Nebendingen^ ohne diese doch mehr,
als es die Bedingnisse eines historischen Bildes erlauben, hervorzuheben;
namentlich die Landschaft, in welche man hinausblickt, ist vortrefflich im
historischen Charakter gehalten. Aber die Ausführung ist allzuzart; bei
aller Tiefe der Empfindung fehlt diesen Gestalten wiederum jene körper-
liche Kraft, ohne welche wir nicht an ihre Existenz zu glauben vermögen.
Die Kunst hat einmal ihr sinnliches Element; ist diesem nicht Genüge ge-
than, so büsst sie die Hälfte ihrer Wirkung ein. Möge Deger, dessen treff-
liches Talent zu den bedeutendsten Leistungen berufen ist, die gefährliche
Bahn erkennen, welche er eingeschlagen hat!

Ein Bild, welches wiederum wohl geeignet ist, das Interesse des Be-
schauers zu erwecken, ist „dei- Tod Mose" von Mengelberg (No. 598).
Der grosse Befreier des jüdischen Volkes ist an das Ziel seiner mühevollen
Wanderung gelangt; von der Zinne des Berges blickt er auf das gelobte Land
hinab, welches im Schimmer der Abendsonne sich in die Ferne hinbreitet.
Ep ist in die Kniee gesunken, er breitet die Arme in Sehnsucht und hoher
Freude aus und sinkt sterbend zurück; "Engel stehen zu seinen Seiten, die
seine hiubrechende Gestalt empfangen. Die Intentionen des Ganzen sind

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Fragmeutarisches über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 185

trefflich gefühlt, die Gesammtwirkung, besonders in der Farbe, ist nicht
ohne Kraft; nur die Grupjnrung dürfte, wie es scheint, bedeutender geord-
net sein. Ueber die Ausführung näher zu urtheilen, verhinderte die nicht
sonderlich günstige Stelle, die dem Bilde angewiesen ist.

Von A. G. Lasinsky d. j. ist ein Gemälde von kleineren Dimensio-
nen vorhanden, welches viel zu versprechen scheint: „Petri Befreiung aus
dem Kerker" (No. 357). Die Wächter des Kerkers, umher in verschiede-
nen Stellungen eingeschlafen, und Petrus an der Hand des Engels, vpn
welchem das Licht ausgeht, zwischen ihnen hindurchgeführt. Das Bild
zeigt im Einzelnen eine treffliche, sichre Ausführung, vornehmlich in eini-
gen Figuren d# Krieger. Die Lichtwirkung ist wohl gelungen, und der
still fortschreitende Gang des Engels (besonders in der ebehfalls ausgestell-
ten Farbenskizze des Bildes) sehr wahr und gut gedacht. Schade, dass
I im Ausdrucke dieses Engels wieder dieselbe Schwächlichkeit wahrgenom-

men wird, welche man heutiges Tages für höhere Beseelung auszugeben
I beliebt. — Ausserdem befinden sich von Lasinsky noch ein Paar kleine,

wohlgezeichnete Apostelßguren auf der Ausstellung.
I Von Ehrhardt haben wir zwei Bilder, die wir auch als Zeugnisse

I eines guten Talentes ansehen dürfen. Das grössere (No. 178) stellt „die
Tochter Jephthas" dar, welche, dem Opfertode geweiht, in's Gebirge ge-
9 gangen ist, um mit ihren Gespielinnen ihren frühen Tod zu beweinen. Es

sind gefällige, hübsch gruppirte Gestalten auf dem Bilde und in schönem
Colorit; aber wir vermissen wieder die kräftige Durchdringung der Auf-
g gäbe. Dies unschuldige und unerfahrne Kind klagt wahrlich nicht darum,
dass sie sterben soll, ohne dem Vaterlande ihren Zoll dargebracht, ohne
eine blühende, der Väter würdige Nachkommenschaft hinterlassen zu haben;
» und ihre Jungfrauen wissen eben so wenig von dem, was die Geschichte

* der Bibel erzählt. Anziehender ist Ehrhardt's kleineres Gemälde: „Chri-
stus, Maria und Martha'^ (No. 179). Es ist vorzüglich gruppirt, und wie
wir in der Gestalt, besonders im Kopfe des Herrn, schon eine Ahnung
höherer Kraft gewahren, so ist auch in der Gestalt der Maria ihr eigen-
;; thümlicher Charakter, wenigstens in den allgemeinen Zügen, wohl ange-

be deutet. — Denselben Gegenstand behandelt ein grösseres Gemälde von A.

Zimmermann (1037), doch mit geringerem Glück. Ein Gruppenverhält-
niss zwischen den Figuren fehlt. Christus ist unbedeutend, Maria ein arti-
ges Modepüppchen und nur Martha eine frische kräftige Brünette, auf der
das Auge des Beschauers mit Wohlgefallen verweilt. Die kräftige Färbung
I dieser Figur bildet einen erfreulichen Contrast zu dem schwächlichen Colorit,

I welches man leider bei so manchen Gemälden der Düsseldorfer Schule

§ bemerkt, — Fin grosses Gemälde von Clasen (127) „die ersten Christen",
die in einer Höhle mit Lesen der heiligen Schrift und erbaulichen Gesprä-
chen versammelt sind, ist im Ganzen ohne innerliches Leben; doch sind
darin ein Paar Köpfe von zartem gemüthlichem Ausdrucke (den alten Mei-
stern der umbrischen Schule ähnlich) zu bemerken.'— „Jakob und Rahel"
, von C. Duncker (170) ist ein Bild von guter, anmuthiger Composition,

I leider jedoch ohne belebende Ausführung* Die andern Compositionen die-
'i ses Künstlers sind minder anziehend.

Diesen Gemälden biblischen Inhalts schliesst sich zunächst das kleinere
A Bild von E. Bendemann (No. 58) an, dessen grosse Darstellung des Je-
f remias bereits in diesen Blättern besprochen ist. Es stellt „eine Elrndte"
dar, und zwar in den Verhältnissen jenes patriarchalischen Lebens, welches

1
Vi

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186 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

f uns in den ersten Büchern der heiligen Schrift in so gemüthvoller Weise

"I berührt. Es ist ein Bild von geringer Höhe und verhältnissmässig beträcht-

lieber Breiten-Ausdehnung, in der Art eines Frieses, und die Composition
.fi ^ ebenfalls mehr im Charakter eines Frieses gehalten. In der Mitte ein

Baum, unter dessen Schattendach der Herr des Feldes steht, indem er in
ruhiger Würde, mit dankergebener Geberde über den gereiften Segen hin-
ausblickt; um ihn her Frauen, Mädchen und Knaben, zum Theil in kind-
lichem Spiele, zum Theil mit Austheilung der Speisen für die Feldarbei-
ter beschäftigt. Zur Rec^hten hin ein hochwallendes sonniges Kornfeld, vor
und in welchem man verschiedene Arbeiter sieht, die das Korn schneiden,
Sicheln wetzen oder Garben binden; zur Linken ebenfalls nofh ein Theil des
Feldes, eine Quelle, dann ein grüner Hang, auf dem Hirten mit ihren Heer-
den ruhen. Fernere Bergzüge und Aussicht in die Weite beschliessen den
Hintergrund des Bildes, über welchem ein heitrer wolkenloser Himmel
ruht. Was uns an dem Bilde zunächst anzieht, ist dieselbe Eigenschaft,
die allen glücklichen Leistungen des jungen Meisters ihren eigenthümlich
hohen Werth verleiht; es ist jene sittliche Grazie, jene anmuthvolle Rein-
heit und Naivetät, welche uns kaum anders begegnen, als in den schönen
Leistungen der Kunst, die dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts an-
gehören. Auch in der Landschaft, die einen bedeutenden Theil der Com-
position einnimmt, tritt uns ein ähnliches Element sittlicher Reinheit und
Lauterkeit entgegen. Das Bild concentrirt sich nicht in einer durchgeführ-
ten Handlung, es hat kein durchgeführtes gegenseitiges Verhältniss der Per-
sonen, keine sonderlich wirksame Gruppirung und würde somit wenigstens
nicht für die Ausführung in grösserem Maassstabe geeignet sein. Bei den
kleineren Dimensionen, bei dem, wie gesagt: friesartigen Charakter des
Ganzen verschwinden jedoch diese strengeren Anforderungen und das Auge
des Beschauers wird von dem harmonischen Wohllaut dieser Gestalten in
erfreulichster Weise berührt. Die gediegene männliche Ausführung, mit
welcher Bendemann's Bilder in's Leben treten, ist zu bekai^it, als dass
darüber noch sonderlich zu sprechen wäre.

Dem Geiste, der Behandlungsweise nach, ist dem genannten Bendemann-
schen Bilde ein Gemälde von A. Rethel verwandt, No. 735: „Bonifacius
lässt aus der gefällten Wodans-Eiche eine christliche Kapelle bauen." In
der Mitte steht Bonifacius, im bischöflichen Gewände, indem er mit der
Spitze seines Stabes den Grundriss der Kapelle in den Sand zeichnet; vor
ihm einige neugierig zuschauende Deutsche, auf der andern Seite die Be-
gleiter des Bischofes, die zum grösseren Theile mit Zimmerarbeit beschäftigt
sind. In der Ferne sieht man versammeltes Volk und die Aufrichtung der
ersten Pfähle zum Bau der Kapelle. Dem Bilde liegt zwar eine gemein-
same Handlung, eine besondre Begebenheit zum Grunde, doch ist dieselbe
ft wiederum nicht in dem Maasse concentrirt, dass sieh das Interesse auf

einen bestimmten Mittelpunkt hinleitete; ja, an der Stelle, wo eine leben-
dige Action dargestellt ist, bei der Zurichtung des Baumstammes durch die
Gefährten des Heidenbekehrers, sind die Leute nicht eben bequem gruppirt,
und man ist nicht sicher, dass sie sich bei energischer Bewegung nicht
mannigfach verletzen würden. Dagegen ist Alles, was das Einzelleben der
dargestellten Figuren anbetrifft, Naivetät und Würde in Stellung und Ge-
berde, charaktervolle Behandlung der Köpfe, reine, gemüthvolle Stimmung,
vortrefflich und wenigstens ein sehr schätzenswerthes Talent bekundend.
Das Ganze nähert sich dem Genre, aber die kleine Dimension des Bildes

fe'-

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 187

steht lüemit iu gutem Veihältniss; die malerische Wirkung ist harmonisch,
die Ausführung solid und tüchtig.

Eine der grossartigsten Leistungen unsrer diesjährigen Ausstellung ist
Lessing's „Hussitenpredigt" (No. 554). Es ist das zweite historische
Oelgemälde von bedeutenden Dimensionen, mit welchem dieser Künstler
hervortritt. Wir sehen auf demselben eine Schaar böhmischen Volkes dar-
gestellt, welches aus dumpfer Sklaverei erwachend, von fanatischem Eifer
für Freiheit des Glaubens und Freiheit des Handelns erfüllt ist. Die rau-
chenden Ruinen im Hintergrunde, die wir für ein herrschaftliches Schloss
oder vielleicht richtiger für ein mächtiges Kloster halten dürfen, die Mord-
wail'en in den Händen der Versammelten, der fürchtbare Grimm und Trotz
ihrer Blicke lehrt uns die Weise, in welcher sie den Freiheitskampf füh-
ren. Einer von ihnen steht hervorragend über den üebrigen auf einem
Vorsprung des Felsbodens da; über ihn ist der Geist der Predigt gekom-
men, und flammende, zündende Worte sind es, die er zu seiner Umgebung
spricht. Er trägt ein weisses slavisches Wollgewaud, unter dem das Pan-
zerhemde und zur Seite das Schwert sichtbar^,werden; durch den geschlitz-
ten Aermel streckt er den^iervigen rechten Arm hervor und erhebt mit der
Hand einen reichgeschmückten Abendmahlskelch, der vielleicht den stolzen
Schätzen dos Klosters entnommen ist; es ist der Kelch der Befreiung vön
den Vorrechten des Priesterstandes, dessen allem Volk der Erde gemein-
same Gnaden er in begeisterter Rede verkündet. Der dunkelglühende Blick,
den er auf den Beschauer heftet, lässt den überschwellenden Strom seiner
Worte verstehen; wir vernehmen die Klänge der Freiheit, vermischt mit
wilden apokalyptischen Bildern, wir hören es, dass der Tag des Gerichtes
gekommen ist und dass der Herr seine Engel ausgesandt hat, die sieben
Schalen seines ^^ornes auf die Krde auszugiessen, die Stolzen und Mächti-
gen zu Boden zu treten; wir fühlen uns von der dämonischen Macht seiner
Begeisterung ergriffen und die Schauer des Wahnsinnes über uns hinstrei-
fon. Derselbe Eindruck zeigt sich in den Schaaren, die zu beiden Seiten
des Predigers stehen, mannigfach nach den verschiedenen Individualitäten
abgestuft. Hier ist es ein edler Jüngling, der sich in freudiger Inbrunst
den Worten des Propheten hingiebt, dort ein Greis, dem jetzt endlich die
lange Ahnung seines dumpfen Lebens emporstrahlt und der sich mit aus-
gestreckten Armen dem neuen Lichte zuwendet; hier kniet einer, der die
Worte des Predigers nachdenkend in sein Inneres verarbeitet und sich zur
kühnsten Todesverachtung stählt; dort lehnt ein Bauer, den zackigen Mor-
genstern über dem Arme, an dem Stamm einer Eiche in furchtbarer^-gewit-
lerdräuender Ruhe, bereit, das Amt des Rachegesandten ohne Säumen zu
vollziehen; hier ist ein Weib, hoch und stolz wie die früheren Töchter
des Landes, die das böhmische Amazpnenreich gründeten, und neben ihr
ein Knabe, hold, unschuldig und fromm, und doch bereits in seinen Zügen
eine Ahnung desselben ingrimmigen Trotzes, von dem die Männer ergriffen
sind, — es ist nicht möglich, in kurzer Beschreibung diese Menge verschie-
denartiger Charaktere und Individualitäten,, in denen allen derselbe Eifer
flammt und glüht, und welche sämmtlich das unverkennbarste Gepräge der
böhmischen National-Physiognomie tragen, zu bezeichnen. Und dabei ist
Alles, wie wir es nur von Lessing erwarten dürfen, in> vollkommenster
Existenz gegenwärtig, Alles, -—"Ausdruck, Geberde, Zusammenordnung, —
in vollkommenster Freiheit entwickelt, mit der meisterhaftesten Technik
dargestellt. — Lessing gehört ganz der neueren Zeit an, und seine gewal-

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188 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

tige Kunst ist nur nach ihrem eignen Maasse zu messen. Suchen wir ver-
wandte Geister, so dürfen wir ihn nur neben Männer wie etwa Lord Byron
oder Beethoven stellen. Er schaltet frei in seinem Gebiete und frei über
die Empfindungen des Beschauers; widerstandlos stehen wir seinen Gemäl-
den gegenüber, er zieht uns hinein in die elegische Trauer, die seine
Landschaften erfüllt, er reisst uns in den gährenden Strom seiner Leiden-
schaft, er vernichtet uns in unsrer Selbständigkeit, — und wir müssen seine
Herrschaft anerkennen.

Ein erfreuliches Bild historischen Inhalts ist das Gemälde von II.
Plüddemann, No. 675: „Columbus erblickt die neue Welt." Es ist ein
flgurenreiches Gemälde von verhältnissmässig nicht*bedeutenden Dimensio-
nen. Wir sehen das Verdeck des SchitTes vor uns, in der Mitte, an den
Hauptmast gelehnt und etwas erhöht, Columbus, um ihn her die Schiffs-
mannschaft in mannigfach aufgeregter Bewegung. Einige der Rädelsführer,
welche die lange Dauer der ungewissen Fahrt zur Rebellion gegen den
grossen Mann getrieben hat, sind ihm in bittrer Selbstanklage zu Füssen
: gestürzt, Andre umarmen sich im höchsten Jubel, Andre suchen erhöhte

Stellen und weisen freudig in die Ferne hinaus. Columbus steht still
i^f unter ihnen, die endliche Erfüllung seiner Hofl'nungen, seines Lebenszweckes

' regt ihn nicht leidenschaftlich auf, im stummen Dankgebete wendet er den

Blick nach oben. Dieser schöne Gedanke des Künstlers ist um so rühren-
der, als das Gebet aus einer strengen, scharfgezeichneten Physiognomie
hervorbricht, welche das Gepräge eines eben so tiefen Denkers wie that-
kräftigen Mannes trägt und über welche die Zeit schon ihre Furchen ge-
graben hat. Und wie in dieser Gestalt, so spricht sich in allen übrigen
die reinste Wahrheit der Empfindung, die entschiedenste Individualisirung

tau9, welche es leicht vergessen lassen, dass die Gruppirnng minder zer-
, streut, die Hauptfigur durch bedeutendere Lichtwirkung mehr hervorgeho-

ben und das Detail des spanischen Kostüms mit grösserer Freiheit behan-
I; . delt sein könnte. Dies sind Umstände, die der Künstler bei folgenden

Leistungen mit leichter Mühe wird überwinden können; jene innerliche
Kräftigkeit lässt Grosses von ihm erwarten und ist um so mehr anzuerken-
nen , als dieselbe heutiges Tages (wie schon mehrfach angedeutet) nicht
allzu häufig gefunden wird.
^'! Dies ist wiederum der Fall bei einem sonst wohl gearbeiteten Bilde

von H. Stilke „Johanna d'Arc" (No. 947). Die kriegerische Jungfrau,
halbe Figur, steht in voller Rüstung betend vor dem Altar einer Kirche.
Der Untersatz des spitzbogigen Rahmens besteht aus drei kleinen, auf
Goldgrund getuschten Bildern, welche die Weihe der Jungfrau zum Kampf,
eine Scene des Krieges, in der sie als Siegerin über die Feinde erscheint,
und ihr Ende auf dem Scheiterhaufen darstellen. Letztere sind vortrefflich
componirt und von schöner, edler Zeichnung; dem Hauptbilde jedoch fehlt
es, bei sehr sorglicher Ausführung, an energischer Duschdringung der Auf-
gabe: dies Antlitz gehört nicht jener Heldin an, unter deren Schwerte die
Tapfersten des feindlichen Heeres erlagen. — Ein zweites grösseres Bild
von Stilke (No. 948) stellt „Ludolph, Herzog von Schwaben, welcher nach
dem Aufruhr gegen seinen Vater, Otto den Grossen, im Büaserkleide um
Vergebung fleht", dar. Es ist ein waldiges Terrain, auf welchem der Kai-
ser mit seinem Jagdgefolge herabgeschritten kommt ; ihm entgegen hat sich
der Sohn auf die Kniee geworfen und wird vom Vater mit Milde aufgenom-
men. Die Ausführung des Bildes ist ebenfalls sorglich und wohl zu rüh-

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 189

incn; aber es fehlt diejenige Unmittelbarkeit der Auffassung, welche das
Interesse des Beschauers in höherem Maasse fesselt. — Ausserdem sind
von Stilke noch zwei Bilder kleinerer Dimensionen vorhanden, unter denen
vornehmlich das eine; „Syrische Christen verlassen, von den Türken ge-
drängt, das gelobte Land" (949), rühmlichst zu erwähnen ist. Es ist ein
Meeresstrand, in der Ferne eine brennende Stadt, im Vordergrunde, der
rettenden Kähne harrend, welche ein Jüngling herbeiwinkt, eine trefflich
componirte Gruppe, unter der besonders die Hauptfigur, das schöne stolze
Weib mit dem Säugling an der Brust, sehr anziehend ist. Diese Compo-
sition dürfte, bei der Ausführung in grossen Dimensionen, ein ausgezeich-
netes Werk erwarten lassen.

Eine namhafte Anzahl von Bildern der Düsseldorfer Schule bewegt
sich, wie früher, in dem sogenannten romantischen Genre, grösseren Theils
den Stoff der Darstellung aus Gedichten entlehnend. „Frithiof und Inge-
borg" von W. Volk hart (992) ist ein ansprechendes Bild; es sind zwei
edle Kinder, in freundlichem Beisammensein, und in schlichter Wahrheit
ausgeführt. — Kretzschmer's „Aschenbrödel" (513) erfreut ebenfalls durch
die Tüchtigheit der Ausführung sowohl in der zierlich nachdenkenden
Hauptfigur, als in den mannigfachen Nebendingen, welche dem Küchen-
regiment der Kleinen angehören;'sehr artig ist es, wie den Täubchen, welche
die Erbsen auslesen, sich durch's geöffnete Fenster herfein allerhand bunt-
befiederte Gäste zugesellen. Der „Burghof" desselben Künstlers führt uns eine
freundliche Scene vor, welche mit guter Charakteristik durchgeführt ist: ein
hübsches Mädchen, auf der Thürtreppe sitzend und mit weiblicher Arbeit
beschäftigt; ein rüstiger Edelknappe, der ihr zur Laute schöne Dinge vor-
sagt, und dabei ein alter Diener, der die Waffen des Herrn putzt und ins=
geheim seine launigen Glossen über das zärtliche Paar macht. Schade, dass
es dem kräftig gemalten Bilde an einer mehr durchgreifenden Haltung fehlt.
— Die Bilder von Grashoff, eine Scene aus dem Cid (245) und eine
andre nach einem Stolberg'schen Gedichte (246) entbehren noch desjenigen
lebendigen Reizes, welcher den-Beschauer verweilen macht. — Die „Nonne"
von H
Oy oll (386), die aus dem Kreuzgange des'Klosters auf eine blühende
Landschaft hinausblickt, zeigt eine edle Gestalt, der die Phantasie des Be-
schauers gern eine zartbewegte Stimmung der Seele zuertheilt. — -Die
„Scene aus Faust: Gretchen mit Lieschen am Brunnen" von J. Jacob (414)
bekundet, in sinniger Auffassung des Gegenstandes, ein erfreuliches Talent
und scheint Tüchtiges für die Zukunft zu versprechen. — Ebenso „der
Goldschmied und seine Lehrlinge" von H. Schmitz (830), halbe Figuren,
am Tisch mit kunstreicher Arbeit beschäftigt, durch lebenvolle Köpfe an-
genehm. — „Des Goldschmieds Töchterlein" von L. Blanc (75), nach
Uhland's Gedicht, ganze Figur, den Ring an den Fmger steckend, ein Bild
von nicht unbedeutender Dimension, zeigt ein ähnliches, anmuthig naives
Gesicht, wie Blanc's Kirchgängerin, die den Besuchern unsrer Ausstellun-
gen im freundlichen Angedenken ist; nur ist zu bedauern, dass sich die
Figur nicht klar aus dem Bilde loslöst. -

H. Wittich's „Edelfräulein mit einem Falken" (1023), halbe Figur,
fast Lebensgrösse, bezeichnet dagegen eine sehr bedauernswerthe Richtung.
Verschwimmende Sentimentalität, Mangel eines, gesunden innerlichen Lebens,
matte Gebrechlichkeit der ganzen Erscheinung, alles dies wird nicht durch
zierliches Kostüm und glatte Ausführung gerechtfertigt. Und doch ist in
der Behandlung des Bildes Etwas, das auf das Vorhandensein einesjecht

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'I Berichte, Kritiken, Erört«nii)gnn.

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^ri

^uten Talentes schliessen lässt. — Der ,jErlelknabe mit einem Falken" von
F. Weiss (1008) macht weniger Ansprüche und ist somit eher zu über-
gehen. — Ein recht frisches, gesundes Bild ist „der Knabe vom Berge,
nach Uhland", von Müller (634). Hoch auf der Bergesspitze, auf die
Schlösser im Thale niederschauend, steht ein fröhlicher Hirtenknabe und
schwingt seinen Hut jubelnd in die Lüfte. Schon nach der unbilligen Menge
von trüben oder sehnsüchtigen Stimmungen, die heutiges Tages consumirt
werden, erquickt es, in die Heiterkeit eines solchen Bildes zu schauen, und
eine gewisse Bendemann'sche Naivetät der Aulfassung, die auf dasselbe
übergegangen zu sein scheint, dient keinesweges dazu, die Anmuth des
Ganzen zu verringern. — ,,Der Schütz und sein Mädchen" von Körner
(1528) spricht ebenfalls durch Heiterkeit und Gesundheit des Gefühles an
und lässt glückliche Erfolge für die Zukunft erwarten. — Schliesslich ist
noch ein zierlich ausgeführtes Kabinetbild von W. Nerenz, „Scene aus
Kleist's Käthchen von Heilbronn" (648), anzuführen. Es ist die Schluss-
scene des Stückes, die Vermählung des Grafen von Strahl mit Käthchen
durch den Kaiser, während die stolze.Nebenbuhlerin zürnend das Schloss
verlässt. Die reiche Kleiderpracht der adligen Gestalten, welche den
Schlosshof erfüllen, die ritterlichen Köpfe, denen es nicht an verschiede-
nem Ausdruck der Theilnahme an dem Vorgange mangelt, die geschmack-
volle Sauberkeit der technischen Behandlung sichern dem Bilde ein eigen-
thümliches Interesse und erinnern an manche Leistungen der älteren hollän-
dischen Meister.

Ueber Steinbrück's Gemälde haben diese Blätter schon früher
berichtet. Hier ist noch hinzuzufügen, dass gegenwärtig noch eine anmu-
thige Skizze von der Hand dieses Künstlers ausgestellt ist: „die Elfen nach
L. Tieck's Mährchen" (1442J. Ein kleiner Kahn, in welchem ein freund-
liches Mädchen in verwunderter Betrachtung steht, von einem Gewimmel
kleiner nackter Elfchen umgeben, die den Kahn unter den breiten Blättern
der Wasserpflanzen hindurch ziehen, im Wasser scherzen und auf den
Blättern sich schaukeln; das Ganze von allerliebst mährchenhaftem Charak-
ter und aufs Heiterste durchgeführt.

Im'i.

Wenden wir uns nunmehr zu den Leistungen der Historienmalerei,
welche Berlin angehören. Von Wach führt das Verzeichniss ein histo-
risches Gemälde an, doch sahen wir dasselbe noch nicht ausgestellt. Von
seinen Schülern sind verschiedene hieher gehörige Bilder vorhanden, die
im Allgemeinen das Dasein trefflicher Talente bekunden. Sehr anmuthig
ist das Bild von H. Krigar „Aschenbrödel" (516). Derselbe Gegenstand,
welchen das oben angeführte Bild von Kretzschmer behandelt; das freund-
liche bescheidene Kind, am Heerde sitzend, und die Täubchen neben
ihr, welche die Erbsen auslesen. Krigar's Bild ist, trotz anmuthig vollen-
deter Einzelheiten, befangener in der malerischen Technik als jenes, aber
das traulich Mährchenhafte, das kindlich Geheimnissvolle, was zu dem
Gemüthe so fremd und doch so wohlbekannt spricht, sehen wir in diesem
Bilde auf die vorzüglichste Weise erfasst. Es gehört eine tiefe, innere
Poesie dazu, um den Hauch des erzählten Mährchens so sicher im Bilde
zu flxiren, wie es hier geschehen ist. Ein zweites Bild von Krigar „ein
schiessender Knabe, neben ihm ein älterer Mann" (517) ist freier in den
technischen Verhältnissen, aber es ist darin nicht die Poesie des ersteren;

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 191

beide Gestalten stehen in keiner inneren Beziehung zu einander, und wir
sehen in dem Bilde nur einen mehr gleichgültigen Vorgang,' der uns nicht
ein näheres Interesse einflösst. — „Die betende Waise am Grabe ihrer
Eltern" von H. L. Seefisch (908) ist ein Gemälde, das wir mit grosser
Freude willkommen heissen. Gerade hier lag die Klippe der modernen,
verhimmelnden Sentimentalität, an der, wie wir gesehen haben, so viele
junge Künstler Schiffbruch gelitten haben, nahe; gleichwohl sehen wir in
dem Schmerz dieses jungen Mädchens ein reines gesundes Gefühl hervor-
brechen, es ist die Aeusserung einer edlen unverdorbenen Natur, die uns,
wenn der Künstler auf der eingeschlagenen Bahn fortschreitet, die glück-
lichsten Erfolge für die Zukunft verheisst. Nicht in gleich erfreulicher
Weise hat A. W. Esperstedt in seiner „Beichte" (193) diese Klippe
umschilft. Die junge Dame, welche hier im Beichtstuhl kniet, ist in der
That zu süss und zu wenig von der Bedeutung des heiligen Momentes er-
füllt; in dem greisen Antlitz des ornirten Geistlichen erkennt man jedoch
eine schöne Würde und eine sorglich individüalisirende Ausführung. —
C. Schorn zeichnet sich unter den Wach'schen Schülern durch ein sehr
eigenthümliches Talent aus. Seine entschiedene Anlage zu charaktervoller
Auffassung findet in einem kleinen Bilde der diesjährigen Ausstellung wie-
derum eine anziehende Bestätigung. Es ist „Maria Stuart und Rizzio" (1580),
die Darstellung des gefährlichen Liebesverhältnisses zwischen beiden, und
im Hintergrunde der' Gemahl, welcher verderbensprühenden Blickes den
Vorhang der Thür emporhebt. Wenn zu dem Elemente geistreicher An-
deutung sich noch ein lebenvolles, venezianisches Colorit gesellte, so
würde Schorn in Darstellungen dieser Art, in denen er sich mit beson-
derem Glücke bewegt, das Trefflichste^ zu leisten im Stande sein. Sein
,,Arion" (1437) und „Pygmalion" (1579) sind weniger bedeutend und ge-
hören einer, seiner Eigenthümlichkeit fremden Sphäre an. — Die Bilder
von C. Cretius: „Auswandernde Griechen" (135) und „der Wettkampf mit
der Syrinx" (136, Concurrenzbild) haben als Studienbilder ihren Werth;'
auf dem ersteren finden sich einige ansprechende Stellungen, besonders in
dem Mann, welcher die Mitte der Gruppe bildet und in dem zur Seite
ruhenden Knaben, doch ist das Ganze noch ohne tiefere Durchdringung. —
„Die wahrsagende Meernixe" von H. Th. Schultz (898) ist ein Bild, wel-
ches mannigfach Verdienstliches in der technischen Behandlung zeigt, wenn
auch die innerliche Poesie des Gegenstandes noch nicht zum Ausdrucke
gekommen ist.

Wir reihen hier diq Arbeiten einiger Künstler an, welche, in der
Wach'schen Schule gebildet, gegenwärtig in selbständiger Thätigkeit da-
stehen. Zu diesen gehört zunächst ein sehr treffliches kleineres Bild von
Daege. Es ist eine Frau^und ein Knabe, die ermattet von tagelanger
Wanderung am Fusse eines Heiligenhäuschens niedergesunken sind; ein
pilgernder Mönch, der des Weges gezogen kam, reicht ihnen-Hülfe und
Erquickung. Das Bild athmet ein edles und gemässigtes Gefühl, die Ge-
stalten sind klar und anschaulich durchgebildet, der greise Mönch steht in
freundlicher Würde vor den Verlassenen, und der klare Abendhimmel,
der das Ganze umfängt, die stille, verdunkelnde Ferne, erwecken in dem
Beschauer eine ernste ruhige Stimmung. —Von A. Hopfgarten sind zwei
Bilder grösserer Dimension vorhanden. Das eine (369) stellt „Raphael, das
Motiv zur Madonna della Sedia findräd" dar, nach der bekannten Legende,
derzufolge das genannte Raphaelische Rundbild von ihm auf dem Böden

il

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192 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

eines Fasses, unmittelbar nach einerlebenden Gruppe, entworfen wurde.
Es ist eine Gasse Roms, im Vorgrunde, wie es scheint, das Haus eines
Winzers; auf einer Erhöhung der Treppe sitzt die junge Mutter mit dem
Kinde und andre Glieder der Familie umher; auf der Gasse der Künstler
in festlicher Hofkleidung, an dem Fasse zeichnend, zu seiner Seite ein
reiches Gefolge seiner Schüler, ältere und jüngere Männer, wie sie ihn bei
öffentlichem Ausgange insgemein zu begleiten pflegten. Das zweite Ge-
mälde (370) ,,äie Schmückung einer Braut" enthält eine Gruppe zierlicher
Frauen und Mädchen, im Kostüme des florentinischen Mittelalters. Beide
Bilder sind Scenen eines reichen, heiteren Lebens, beide, und besonders
das zweite, durch geschmackvolle, wohlüberlegte Anordnung anziehend.
Nur möchte man in beiden eine noch kräftigere, vollere Sinnlichkeit wün-
schen. — Von C. Fielgraf sieht man zwei Scenen aus dem Leben der
heiligen Elisabeth dargestellt, unter denen besonders das grössere Gemälde
(198), „die Vertreibung der Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, durch
Heinrich Raspe" (ihren Schwager), durch eine geistreiche dramatische Ent-
Wickelung des Vorganges anziehend wirkt; namentlich die Gestalten des
* - tyrannischen Grafen, welcher die Fürstin mit ihren Kindern aus dem

jj ; Schlosse weist, und die seiner Begleiter sind voll lebendigen Ausdruckes,

während man bei den übrigen auch hier zum Theil die volle Kraft der
Existenz und eine tiefere Beseelung vermisst.
. Das grosse historische Gemälde von Begas, „Kaiser Heinrich IV. im

Ii Burghofe zu Canossa", ist bereits (von einem andern Referenten) besprochen;

f.; . hier mag beiläufig noch in Erinnerung gebracht werden, wie das Haupt-

verdienst dieses Meisterwerkes in der stylistischen Gesammt-Auffassung
f bestehen dürfte, welche das zufällig scheinende historische Factum in sei-

ner innerlichen Nothwendigkeit herausstellt. Diese, der Tragödie vergleich-
bare Behandlung geschichtlicher Gegenstände eröffnet, wie es scheint, der
Kunst eine neue Bahn, und sie wird, sofern ein grossartiger Sinn und ein
gemeinsames Bedürfniss von Seiten des Volkes der Kunst entgegenkommen,
zu bedeutenden Erfolgen zu führen im Stande sein. Von Begas' überaus
reizvollem und tiefsinnigem Mährchenbilde der „Loreley", so wie von sei-
nen „zwei Mädchen auf dem Berge", dem liebenswürdigsten Genrebilde,
welches wir seit lange gesehen haben, ist schon früher, bei Gelegenheit
Ideinerer Ausstellungen, mannigfach die Rede gewesen, so dass es hier
genügen möge, diese Gemälde als eine der schönsten Zierden unsrer grossen
Ausstellung begrüsst zu haben. — Begas' Schule ist nicht zahlreich, doch
in ihren wenigen Leistungen erfreulich. Das meisterhafte Gemälde von
E. Holbein, „der sterbende Pilger", ist ebenfalls schon besprochen. —
Die Bilder von E. George: „der Prophet Elias übergiebt derWittwe von
Sarepta ihr vom Tode auferwecktes Kind" (232), und von J. Kleine:
„ein maurisches Mädchen schickt eine Taube mit Botschaft an ihren gefan-
genen Geliebten" (464), zeigen eine vortreffliche Schule; die Gestalten sind
lebendig da, wohl gezeichnet und in jenem vollen warmen Colorit gemalt,
welches von dem Meister ausgeht..
' Hensei hat ein grosses Rundbild der ,,Mirjam" (336) geliefert, Knie-

[■l^], figuren in LebensgrÖsse. Es ist der Triumphgesang, welchen Mirjam nach

dem Durchzuge durch's rothe Meer anstimmt. Sie schlägt eine Handpauke
und eröffnet in lebhafter Bewegung den Zug, eine andre Jungfrau mit der
Harfe, eine dritte mit der Flöte folgt ihr; zwischendurch verschiedne Kna-
benköpfe, weiter zurück die Schaaren des Volkes, auf einer Anhöhe Moses

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Fragmentarisches über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1886. 19;^

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und Aaron , und in der Fprue das Meer, Das Bild hat seine anzuerkcn-
ucnden Vorzüge, z B. bestimmte Farben und Licht, deren die heutige
Malerei nur zu häufig entbehrt; doch scheint es nicht aus einem unbefan-
genen Gefühle hervorgegangen und verfehlt somit die "Wirkung, die es be-
absichtigt. Eine kleine Farbenskizze, den sterbenden Moses darstellend,
zeigt dasselbe Bestreben nach äusserlichem Effekt; der daneben ausgestellte
Studienkopf des Moses giebt einen Beleg für das bedeutende Talent, mit
welchem man es hier zu thun hat.— Hensel's Schule hat unter ihren zahl-
reichen Leistungen einige ansprechende Gemälde geliefert. Vornehmlich
ist unter diesen das Brustbild eines „Novizen" von E. Ratti (712) als ein
sehr gelungenes Werk zu bezeichnen: es liegt in diesem jugendlich melan-
cholischen Kopfe ein sehr tiefes, innerliches Gefühl,, und wir freuen uns,
hier wiederum, wo die wohlbekannte Klippe verschmachtender Sentimen-
talität so nahe lag, einer gesunden, lebenvollen Darstellung zu begegnen.
Das grosse Gemälde des „verlornen Sohnes" von Ratti (713) ist ein treffli-
ches Studienbild, bei äusseren Vorzügen'ebenfalls nicht ohne inneren Ge-
halt. — Das Bild von J. Moser ,,Rahel und Jacob, bunte Stäbe schnei-
dend" (1551) zeichnet sich ebenfalls durch eine freie, heitere Naiveiät und
gelungene Behandlung aus; man hört -mit Freude, dass diesem angenehmen
Bilde der Preis der Michel-Beer'schen Stiftung zu Theil geworden ist. —
Eiu zweites Preisbild, welches aus der Hensel'schen Schule hervorgegangen,
ist das Gemälde von A. Th. Kaselowsky (448^, den Wettkampf mit der
Syrinx, nach einer Aufgabe der K. Akademie der Künste, darstellend.
Geschmackvolle raumliche Anordnung und freie, sichre Zeichnung geben
diesem Bilde eigenthümliche und sehr anzuerkennende Vorzüge, "wenngleich
dem vorgeschriebenen Gegenstande, der der Naivetät des classischen Alter-
thums angehört, eine minder sentimentale Behandlung günstiger gewesen
sein dürfte. — Das Gemälde von Hj, Löwenstein': „Joseph deutet dem
Oberschenk und Bäcker Pharaos ihre Träume" (1547) ist ein erfreuliches
Studienbild und von reiner, geschmackvoller Zeichnung; während die Ge-
stalten seines grossen Gemäldes: „Kaiser Heinrich IV., welcher mit seiner
Familie über die Alpen pilgert" etc. sich noch nicht zu eigentlichem Leihen
und Existenz entwickelt haben. — Sehr anziehend endlich ist das Bildchen
von C. Burggraf (115) „Kinder im Korn" mit Blumen spielend, in dem
sich eine zarte, heitre Gemüthlichkeit ausspricht und eine tüchtige Ausfüh-
rung das Auge des Beschauers angenehm berührt.

Unter den übrigen Künstlern Berlins ist vornehmlich der berühmte
Portraitmaler E. Magnus zu erwähnen, der uns diesmal eine grössere
Composition vorführt: „die Heimkehr eines Piraten" (576). Der Seewandrer
ist von seinen Streifzügen heimgekehrti er hat das Schiff verlassen und
wird von den Seinigen begrüsst; sein Weib hat ihm den fröhlichen Säug-
ling überreicht, und ihm die Last der Flinte und einer Kiste, in der man
reiche Schätze vermuthen darf, abgenommen; das Töchterchen und eiu
jüngerer ungestümer Knabe drängen sich jubelnd um den Vater. Man
blickt auf das Meer und die Küsten hinaus; die Abendsonne beleuchtet
die wohl zusammengestellte Gruppe mit glänzenden Streiflichtern, Mag-
nus' grosse Kunst im Colorit und in" der vollen entschiedenen Belebung
der Gestalten zeigt sich auch in diesem Bilde von der vortheilhaftesten
Seite; Alles lebt, athmet und ist von der Lust des Daseins erfüllt; die
wundersame, im ersten w\ugenblick etwas befremdliche Beleuchtung steht

Kugler, Kleine Schtiflen III. ' * jg

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V 1!)4 Berichte, Kritiken, Eröiterungeu.

damit gleichwohl in gutem Einklänge. Scheint das Bild nicht frei von
einzelnen Mängeln in der Zeichnung, so werden dieselben doch wiederum
durch besondre Schönheiten aufgehoben; namentlich ist das Weib eine
I' herrliche, kräftig stolze Gestalt. Nur mit dem Titel des Bildes kann man

sich nicht einverstanden erklären. Warum soll dieser gute freundliche
Mann, dessen Physiognomie man nichts von räuberisch keckem Gewerbe
ansieht, gerade ein Pirat sein? der Waffen, die er in seinem Gurt trägt,
möchte ein friedlicher Schiffsmann ebenso gut auf seinen einsamen See-
zilgen bedürftig sein.

Von J. Schoppe sind ein Paar treffliche allegorische Darstellungen
kleinerer Dimensionen vorhanden: „die Nacht (834),und der Tag (835) in
ihren Beziehungen zum Leben". In der geschmackvollen und geistreichen
Anordnung dieser Bilder zeigt sich eine ebenso glückliche, wie beachtens-
|II werthe Behandlung der dekorirenden Kunst, die den Andeutungen, welche

uns Schinkels umfassender Geist gegeben hat, mit erfreulichstem Erfolge
I nachgeht. Es ist zu bedauern, dass der günstige Eindruck dieser Bilder

durch andre Gemälde von Schoppe, „Badende Mädchen", (836) und „der
-j" Templer und Rebecca, nach Walter Scotts Ivanhoe" (837), < die sehr auf

einen äusserlichen Effekt ausgehen, beeinträchtigt wird.
1*1"'' A. Eybel und F. Bouterweck, beide in Berlin gebildet, verfolgen

. - ihre weiteren Studien in der Schule der neueren französischen Kunst und

haben die Proben ihrer auswärts erlangten Erfolge eingesandt. Die
„Aehrenleserin" von Eybel (195) ist ein recht tüchtiges, gesundes Ge-
mälde; die Gestalt dieses armen Weibes, welches aufrecht, den Säugling
im Arm, dasteht, und der Knabe zu ihrer Seite zeichnen sich voll und
lebendig gegen den röthlichen Abendhimnjel ab und sind in schöner, war-
mer Färbung ausgeführt. — Auch Bouterweck's Gemälde eines „Mäd-
chens , welches ihr Haar aufflechtet" (99), ist durch ein reines, warmes
Colorit ausgezeichnet, und sein kleineres Bild einer „arabischen Schild-
wach" (98) voll ernsten, energischen Lebens. In seinen historischen Com-
' Positionen: ,,Tobias opfert die Leber des Fisches" (100) und „Romeo's
Abschied von Julien" (97) — obgleich letzteres wiederum grosse Vorzüge
im Colorit hat — vermissen wir leider die Anzeichen des grossartigen
Talentes, welches in den früheren Compositionen dieses Künstlers ausge-
sprochen war.....

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Die Architektur pflegt auf unsern Ausstellungen in der Regel nur
wenig Repräsentanten zu finden. Wir müssen dies bedauern, da uns hie-
I' durch der Ueberblick über die Leistungen in einem (Jer wichtigsten Fächer

|i der Kunst untersagt wird. Freilich können Grund- und Aufrisse auf das

i- Interesse des grösseren Publikums nicht sonderlich Anspruch machen, und

j • auch die perspektivischen Ansichten verlieren sich leicht unter der grossen

|„„ * Masse mehr in die Augen fallender Gegenstände. Doch dürfte es nicht

gerade nöthig sein, Alles eben für die Augen des grösseren Publikums
berechnen zu wollen; auch kleinere Kreise von Beschauern haben ihre
Ansprüche, und oft sind diese der Anerkennung und dem Ruhme des
^ . Künstlers mehr forderlich, als das vage Urtheil^der Menge, Möchten es

' doch die Architekten sich in Zukunft mehr angelegen sein lassen, die

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Fragmeutarisclies über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836. 1047

Projekte, welche sie für diesen oder jenen Zweck gearbeitet, als wesent-
liche Erfordernisse einer umfassenden Kunst-Ausstellung einzusenden!

Doch ist unter dem Wenigen, über welches wir auch diesmal nur zu
berichten haben, Einiges von grosser TrelFlichkeit vorhanden. Dahin ge-
hören zuerst die von Stiller und Strack gemeinschaftlich gearbeiteten
Entwürfe eines „Gesellschaftslokales zu Pawlowsk bei St. Petersburg, _

Preisaufgabe der Commitee der Eisenbahn zwischen St. Petersburg und j

Pawlowsk." Die Leser erinnern sich vielleicht einer öffentlichen, von der
genannten Commit^e ^^ausgegangenen Anzeige, welche die in Rede stehen-
den Entwürfe nach vorangegangener Cöneurrenz als die gediegensten
anerkannte, die Ausführung derselben jedoch zu kostbar befunden und
demnach einem inländischen Architekten die Arbeit übertragen hat.' Es
sind Entwürfe für zwei verschiedene Lokale , das eine für die höheren,
das andre für die niederen Klassen der Gesellschaft. Das erste ist in dem
anmuthvollen Villen-Style gehalten, bietet einen mannigfachen Wechsel
der Ansichten und schliesst sich demnach der landschaftlichen Umgebung
als deren schönster Schmuck vortheilhaft an.' Ein grosser Saal in der
Mitte des Gebäudes, der mit seinen bedeutenden Giebelfronten dem Gan-
zen Ruhe und Haltung giebt; an ihn sich a,nschliessend eine Folge andrer
Räume, die mit einem prachtvollen Gewächshause endet; peinige Theile
der Anlage thurmartig emporgeführt, um als Belvedere die Aussicht zu
beherrschen; Pfeiler- und Laubgänge zur Verbindung, und zur Seite, iso-
lirt, ein zierlicher Pavillon zum Aufenthalt des kaiserlichen Hofes. Das
zweite Lokal, von geringerer Ausdehnung, ist in Blockholz construirt und
entwickelt eine' geistreiche Mannigfaltigkeit der Formen, zu welchen diese
Constructionsweise ,Veranlassung giebt. Die künstlerische Anordnung bei-
der Lokale zeugt durchweg von jenem feinen Takt und gebildeten Ge-
schmacke, von jener klaren, einfachen Schönheit, welche auch die früheren
Werke der genannten Architekten charakterisiren.

Von Strack sind ausserdem noch zwei architektonische Entwürfe
vorhanden. Der eine (1657) zu einer protestantischen Kirche; eine Kup-
pel in der Mitte, nicht tiefe Nebenhallen zu den Seiten, vier Thürme,
die in leichten Spitzen emporsteigen, mif den Ecken; das Ganze auf die
Ausführung in gebranntem Stein berechnet und in consequenter Durchbil-
dung des Rundbogens für alle überwölbten Oeffnungen; die Front vor-
nehmlich imposant durch eine hohe, von weitem Rundbogen überspannte
Vorhalle, deren Grund zur Ausführung bedeutender Freskomalerei über
den Portalen benutzt ist. Der zweite (1658) ist der Entwurf eines Wohn-
gebäudes in Berlin (Französische Str. No. 32), welches sich durch eine
eigenthümliche Pilasterarchitektur, durch verschiedenen plastischen Schmuck
— besonders in dem rothen Grunde des flachen Giebelfeldes, und durch
zierliche Anwendung farbiger Zierraten in den Details, vortheilhaft aus-
zeichnet. — Sehr anziehend ist ferner, von Gustav Stier, der „ Entwurf
zur Dekoration der Kapelle in der Domkirche zu Posen, welche dem An^
denken der beiden ersten Könige von Polen, Boleslav und Miezislav,
geweiht werden soll." (1102.) Farbiger Aufriss des Innern: eine Rotunde
von flacher Kuppel überspannt, rundbogige Nischen umher, in deren einer
die Standbilder der beiden Fürsten stehen, sehr geschmackvolle Durch-
bildung des Details und reicher Farbenschmuck, der in der Art musi-
vischer Dekoration gehalten ist; — das Ganze ernst, feierlich und in
anmuthvoller Würde. Von G. Stier ist ausserdem noch die Zeichnung

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1048 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

196

eines reichen Rahmens ausgestellt, welcher zur gemeinsamen Umfassung
verschiedener Gemälde bestimmt ist; auch hier die grosste Fülle höchst
geschmackvoller Details, die uns den Wunsch, endlich einmal wieder schöne
Gemälderahmen verbreitet zu sehen, — im Gegensatz dessen, was die Aus-
stellung hierin der Mehrzahl nach bietet — nur zu lebhaft erneut haben.
— Noch andre architektonische Entwürfe sind die von W. F. Holz (1650
—55) zu einem Rathhause, die eine tüchtige, schulgerechte Durchbildung
eines ansprechenden Princips (Ueberwölbungen der Oeffnungen im Stich-
bogen) zeigen, und die von Gärtner: „Entwurf eines fürstlichen Land-
hauses" (1198,99), im Villen-Styl, doch nicht ohne eine gewisse nüchterne
Consequenz, und ,,Idee zu einem Allgemeinen Nationaldenkmal berühmter
Deutschen" (1201), im Systeme des Spitzbogens, aber wenig ansprechend.

Diesen Entwürfen ist das Oelgemälde von Leo von Klenze (466)
„Ansicht der Südwestseite eines Schlosses für den inneren Keramei-
kos in Athen," zuzuzählen; ein grosses Gebäude, durch die Massen, be-
sonders die Pavillons auf den Ecken und in der Mitte imponirend; dorische
Säulengänge, welche die weitvorspringenden Flügel des Gebäudes verbin-
den und zwei grosse Höfe einschliessen; farbiger Schmuck, der die einzel-
nen Theile belebt, in der Zusammenstellung jedoch nicht recht harmonisch,
nur Roth und Blau, z. B. blaue Triglyphen neben rothen (nicht ornamen-
tirten) Metopen. — Sodann ein Kupferstich, welcher eine Ansicht des von
Ottmer erbauten herzoglichen Schlosses in Braunschweig giebt, ein
Gebäude, das ebenfalls durch die Masse imponirt, aber ebenfalls, wie es
scheint, nicht mit sonderlich feinem Formengefühle ausgeführt ist. Die
seltsamen Säulen z. B., welche zu den Seiten des mittleren Porticus iso-
lirt, aber mit vorgekröpftem Gebälke vorspringen, sind wohl originell, doch
nicht eben künstlerisch motivirt.

An diese architektonischen Pläne reihen sich die dem Fache des
Ornamentes zugehörigen Gegenstände an. Wir können unter den zahl-
reichen Gegenständen dieser Art nur die bedeutendsten, die sich durch einen
reinen, vollendeten Kunstgeschmack auszeichnen, namhaft machen. Vor allen
gehören hieher die Arbeiten derKönigl. Eisengiesserei zu Berlin, na-
mentlich jener grosse, aus drei Platt-en bestehende Tafelaufsatz (1178) und ein
Fruchtständer (1179), welche nach Zeichnungen des Architekten Strack von
F.A.Fischer modellirt und ebenso sehr durch die überaus reizvollen Ver-
zierungen, wie durch die feine, präcise Ausführung beachtenswerth sind. Sie
geben die erfreulichsten Zeugnisse dieser, in Berlin zur höchsten Spitze
der Vollendung gediehenen Kunsttechnik. — Sodann, unter den Werken
der Königl. Porzellanfabrik, ein Tisch mit prachtvoll bronzenem
Fusse, dessen Platte eine reiche Porzellanmalerei, Thorwaldsens Nacht, von
einem wohlcomponirten Arabeskenrande umgeben, enthält, — Endlich die
schönen Arbeiten der Gold- und Silberfabrik von G. Hossauer (1191—
93), zwei grosse silberne Vasen und eine goldene Taufschüssel, sämmtlich
mit geschmackvollen getriebenen Arbeiten nach Schinkel'scher Zeichnung
versehen; — sowie die der Bronzefabrik von C. G. Werner und Neffen
(1194—97), welche ebenfalls Schinkel'sche Vorbilder in schönster Voll-
kommenheit wiedergeben, ü. a. m.

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Fragulijutarisches über die Berliner Kunstausstellung vom J. 1836 197

Nachträgliches,

Als einen entschiedenen Verlust, den unsre diesjährige Kunstausstel-
lung erlitten hat, müssen wir es bezeichnen, dass das Bild von Christian
Köhler aus Düsseldorf: „Lobgesang der Prophetin Mirjam nach dem
Durchzug der Juden durch das rothe Meer" (No. 482) erst nach dem
Schlüsse derselben angelangt ist und — da es alsbald Ordre zur Fort-
setzung seiner Reise, zunächst nach der Dresdner Ausstellung, sodpn nach
denen des östlichen Cyklus der norddeutschen Kunstvereine, erhielt —
nicht der öffentlichen Beschauung von Seiten eines grösseren Publikums
freigestellt werden konnte. Nur wenigen Kunstfreunden war die erfreu-
liche Nachricht zugekommen, dass das Bild auf ein Paar Tage in einem
der untern Säle des Akademie-Gebäudes aufgestellt worden sei und Besuch
annehme. Ein Verlust unsrer Ausstellung war es nicht blos desshalb,
weil das Bild ein treffliches und höchst anziehendes Werk ist, sondern
weil es zugleich eine eigenthümliche Richtung und Stimmung, die diesmal,
namentlich von Seiten der Düsseldorfer, nur in geringerem Maasse aufge-
fasst war, repräsentirt. Es ist hie und da bemerkt worden, dass die nord-
deutschen Künstler, und eben besonders die Düsseldorfer (bei den Süd-
deutschen ist dies anders), sich darin wohlgeflelen, Momente einer elegischen
Stimmung, wo das Gefühl in die geheimeren Tiefen der Seele zurücktritt,
— sei es in mehr grossartigen, heroischen Scenen, sei es in denen einer
zarteren Sentimentalität, mit Vorliebe darzustellen: man hätte es gern
gesehen, wenn neben einer solchen, für sich selbst zwar vollkommen be-
rechtigten Darstellungsweise, auch zugleich Aeusserungen eines mehr
lebendigen, mehr die Oberfläche des Körpers berührenden, eine freiere
Entwickelung der Form begünstigenden Gefühles in grösserem Maasse
licrvorgetreten wären. In solchem Belange ist nun das Köhler'sche Bild
von besondrer Wichtigkeit. Hell hervorbrechende, begeisterte Freude,
anmuthvolle Gestalten im lebhaftesten Affekt, ein festlicher Rhythmus in
den Bewegungen geben diesem Gemälde sehr eigenthümliche Vorzüge, Es
ist von länglich viereckigem P'ormat, mit einer halbrunden Erhöhung des
Rahmens in der Mitte des Bildes, über der Hauptfigur. Dem Beschauer
gerade entgegen, aus der Tiefe des Meergestades empor, tritt die begeisterte
Prophetin, die Handpauke schlagend, das freudig verklärte Antlitz nach
oben gewandt, wo die-Strahlen des Lichtes über sie hereinbrechen; zu
ihren Seiten zwei andre Jungfrauen, die eine Becken schlagend, die andre
die Harfe spielend, beide den Blick auf die Prophetin gewandt, als ob
sie deren Gesänge mit Eifer folgten, und durch denselben ergriffen, in
Takt und Harmonie einstimmten. Zunächst hinter diesen noch einige
andre Frauen, die nach dem Meere zurückschauen (unter ihnen, im Schat-
ten, eine ältere Frau von höchst grossartiger Schönheit); dann den Uferrand
hinab andre Schaaren des Volkes, und in der Tiefe Moses und Aaron, auf
deren Befehl die schäumenden Wogen über die letzten der Aegypter zu-
sammenstürzen. Vergleichen wir das Bild mit dem früheren von Köhler,
der Finduug Mosis, welches bereits vor zwei Jahren allgemeine Freude
erweckte, so finden wir hier den jungen Künstler wesentlich vorgeschrit-
ten, besonders was eine reichere und vollere Behandlung der Farbe anbe-
(rifl't; nur in Rücksicht auf eine vollkommen freie und gesetzmässige Ent-
wickelung der Zeichnung dürften in einem oder dem anderen Punkte noch

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

einige Wünsc e übrig bleiben. Aber dies sind Mängel, denen ein strenges
Studium leiclit abhelfen kann: dagegen jenes Gefühl für edelste Anmuth,
jene Unmittelbarkeit in der Darstellung lebhafter und doch feierlich ge-
messener Bewegung, jener Ausdruck einer eben so zart jungfräulichen wie
grossartig prophetischen Begeisterung dem Bilde in der That Vorzüge
gewähren, die ihm nur von Wenigen streitig gemacht werden dürften, und
um so mehr, als Alles das Gepräge der freisten Ursprünglichkeit und in-
dividuellsten Autfassung trägt. Vielleicht fügt es sich später, dass das
Bild noch einmal auf längere Zeit zu uns zurückkehrt und dann diejenige
Anerkennung findet, auf die es so sehr Anspruch zu machen berechtigt ist,

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Uckermärker Landleute. Gemalt von Ad. Schrödter, lith, von
! Fischer und Tempeltei. Berlin bei C. G. Lüderitz.

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Vorliegendes Blatt ist die treffliche Nachbildung eines der Bilder von
Schrödter, die wir auf der letzten Berliner Kunstausstellung sahen. Zwei
Bauern, der eine sonntäglich geputzt mit Frau und Söhnlein, der andre
im Begriff mit seiner Tochter auf den Acker hinauszugehen, begegnen
einander an der Ecke des Dorfs. Sie gerathen in einen lebhaften politi-
schen Dispüt. Der erstere, kurz und stämmig, sich seiner bäuerlichen
"Würde bewusst, scheint eine Art Demagog-, er hält es olfenbar mit den
Christino's und sucht den andern zu überzeugen; der aber, gross und hager,
bleibt fest und sicher in seinem Glauben an die Carlisten; das Haupt
? trotzig vorgereckt, sonst aber in gänzlich ruhiger Haltung, scheint er nur

, ' mit der rechten Hand eine Bewegung zu machen, als ob er alle Argumente

II des demagogischen Freundes ausstreichen wolle. Es ist eine höchst ergötz-

liche Figur. Die Frau des ersferen blickt bewundernd auf ihren Manu,
die Kinder scheinen sich auch in feindlichen Gedanken gegenüber zu ste-
hen, die Enten im Grase lauschen emporgedrehten Hauptes dem wichtigen
Vorgange. Die lithographische Ausführung des Blattes ist vortrefflich, von
guter Haltung, und giebt die Komik des Ganzen mit feinem Sinne wieder.

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Sculptur. — Berli n.

Der Professor Hauch hat kürzlich das Thon-Modell der kolossalen
Dürer-Statue, welche für die Stadt Nürnberg bestimmt ist, vollendet
und auf einige Tage dem Anschauen des hiesigen Publi ums ausgestellt.
Wir bedauern, dass es nicht möglich war, dies grossartige Meisterwerk
unsrer diesjährigen Kunstausstellung als eine der würdigsten Zierden bei-
gefügt zu sehen und so durch wiederholten Besuch dasselbe tiefer und
fester in uns aufzunehmen.

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Sculptur. — Berlin, 199

Gross und einst steht der alte Meister d^r deutschen Malerjiunst dem
Beschauer gegenüber. Er trägt ein weites Pelzgewand, dessen lange ge-
schlitzte Aermel frei und in vollen Massen niederhängen. In der rechten
Hand hält er Pinsel, Stift und einen Lorbeerzweig, mit der andern fasst
er vorn in die Falten des Gewandes. Das Haupt schaut schlicht und ruhig,
iii frischer, kräftiger Männlichkeit hervor, das lange gelockte Haar fliesst
frei auf beide Seiten herab. Der Eindruck des Ganzen ist, wie wir ihn
bei einer vollkommenen, alle Bedingungen erfüllenden Darstellung Dürer's
erwarten dürfen: ernst, macht.yoll, imposant, und doch durchaus mit der-
jenigen Innerlichkeit, welche nicht sowohl äusseres Handeln und Eingrei-
fen in das Leben, als vielmehr den geistig schaffenden, inr Gebiete der
Phantasie thätigen Mann bezeichnet, und zugleich mit all derjenigen Milde
und Gemüthlichkeit, die den persönlichen Charakter dieses grossen Meisters
so unendlich liebenswürdig macht.

Das Vorbild, welchem Rauch bei dieser Arbeit zumeist gefolgt, ist
jenes kleine eigenhändige, Bildniss Dürer's, das sich auf seinem berühmten
Gemälde der heil. Dreifaltigkeit vpm Jahre 1511 (im Belvedere zu Wien)
befindet. Hier sieht man den Künstler in einer Ecke des Bildes stehen,
eine Schrifttafel mit Namen und Jahrzahl in seiner Hand und mit dem-
selben Pelzgewande angethan. Es ist das vierzigste Lebensjahr des Künst-
lers, die Zeit seiner vollendeten Meisterschaft', diejenige, welcher eine so
grosse Fülle der vorzüglichsten Gemälde, Kupferstiche und Holzschnitte,
die aus seiner Hand hervargegangen,« angehört. Mit bester Berechtigung
also ist gerade dieses Jahr für die statuarische Darstellung gewählt. Ebenso
auch das prachtvolle Kostüm; denn in dem genannten, wie in allen übri-
gen Bildnissen, die wir aus Dürer's früherer Zeit besitzen, hat er sich in
ähnlicher Weise dargestellt, und manche schriftlich aufbehalten? Scherze
sprechen es aus, wie ihm der Adel der äusseren Erscheinung keineswegs
gleichgültig war; auch stimmt dies sehr wohl zu dem eigenthümlichen, an
das Phantastische sich annähernden Charakter, welchen die Mehrzahl sei-
ner Werke trägt. Erst-spät, als die Wirruisse der Zeit und die Sorge des
Alters die Stimmung seines Gemüthes getrübt hatten, erscheint sein Bild-
niss einfacher und ohne den lockigen Haarschmuck, dessen sorgliche Pflege
früher überall ersichtlich wird.

Dies reichere Kostüm hat dem Bildhauer Gelegenheit, zur Entwickelung
besondrer Schönheiten gegeben. Wir sehen dasselbe mit einer Meisterhaf-
tigkeit behandelt, die in der That und vornehmlich in Rücksicht auf die
kolossalen Dimensionen, in Erstaunen setzt. Das Weiche, Wollige des
Pelzwerkes, die leichte, freie Biegsamkeit des Tuches, die feine Sprödig-
keit der Seide, Alles tritt uns in seiner besondern Eigenthümlichkeit ent-
gegen. Dabei ist,*trotz der grossartigen Ruhe und der feierlichen Haupt-
linien des Ganzen, zugleich das Momentane der Bewegung aufs Glücklichste
festgehalten und Alles leicht, ungezwungen und frei geordnet. Und wie-
derum ist das Nebenwerk den Haupt-Intentionen des Standbildes in ange-
messenster Weise untergeordnet, und das Auge des Beschauers haftet zu-
letzt immer auf den männlichen, heiter sinnenden, durchaus lebenvollen
Zügen des edlen Antlitzes. — Wir dürfen mit voller üeberzeugung vor-
aussagen , dass das Werk, in Bronze gegossen und an dem Orte seiner
Bestimmung aufgestellt, eine beneidenswerthe Zierde des an Kunstschätzen
schon so reichen Nürnbergs sein wird. Das edelmüthige Unternehmen, dem
^rossen Bürger dieser Stadt, dem lautesten Verkünder ihres alten Ruhmes,

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ein Denkmal zu stiften, wie es die Kräfte der Gegenwart vermögen, belohnt
sich hiemit in einer glänzenden Weise. Wir aber freuen uns, dass der
Künstler, den wir den Unseren zuzuzählen das Glück haben, nach so
mannigfachen, langjährigen Zeugnissen seiner Meisterschaft in immer erneu-
ter jugendlicher Kraft seine schöne Bahn verfolgt.

Deutsche Ansichten.

(Museum 1836, No. 52.)

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1. Gallerie von Weser-Ansic hten. Erste Reihe, von Münden bis
Minden. Aufgenommen, lithographirt etc. von George Osterwald. (Fol.)
Mit einem geschichtlichen Wegweiser durch das Weserthal, bearbeitet
von Dr. F. C. Th. Piderit. Rinteln, 1835, Verlag von Albr. Osterwald.

Die letzten Jahre haben in der deutschen Kunst eine Reihe von Er-
scheinungen hervorgebracht, die wir mit freudigem Antheil als die Zeug-
nisse eines mehr und mehr rege gewordenen nationalen Sinnes betrachten
dürfen. Dies sind die Ansichten und Aufnahmen vaterländischer Gegen-
den, Ortschaften, Gebäulichkeiten, die sich neuerdings in bedeutendem
Maasse vermehrt haben und die sich, in künstlerischer Vollendung, häufig
über den Rang der blossen Vedute u. dergl. erheben. Die Engländer sind,
uns in diesen Beziehungen vorangegangen; die zahlreichen Darstellungen
ähnlicher Art. welche die verschiedenen interessanten Punkte ihres Vater-
landes vergegenwärtigen, lassen es erkennen, wie ausgebreitet und leben-
dig bei ihnen eine solche Theilnahme sein muss. Namentlich auch in,
theils mehr architektonischen, theils mehr malerischen Aufnahmen der
prachtvollen Gebäude ihres Mittelalters haben sie frühe, ehe die andern
Nationen ein ähnliches Beispiel gegeben, das Vorzüglichste geleistet. Bei
uns hat man besonders mit letzteren, mit der Aufnahme mittelalterlicher
Architekturen, unter denen im Einzelnen trefflich ausgeführte malerische
Blätter vorhanden sind, begonnen; Werke eines eigentlich landschaftlichen
Inhalts sind seltner, und fast nur die vielbereisten Ufer des.Rlieines erfreuen
sich seit längerer Zeit mehr oder minder gelungener Darstellungen. Einige
andre Werke liegen uns so eben vor, über die wir der Kürze nach refe-
riren wollen.

Höchst interessant ist das obengenannte Werk. Es führt uns an die
Ufer dos Stromes, welcher als eine, der wichtigsten Lebensadern die, Flu-
ren des nördlichen Deutschlands durchziehe Reich an grossartigen ge-
schichtlichen Erinnerungen mannigfacher Art, fruchtbar und durch frühe
Sitze und Ausgangspunkte der Cultur unsres Vaterlandes berühmt, malerisch
von Hügeln und Bergen umgeben, die sich bald näher an das Bett des
Flusses herandrängen, bald anmuthvolle Ebenen zu seinen Seiten sich aus-
dehnen lassen, geben die Weser-Ufer dem Künsticr vielfach interessanten
und gern gesehenen Stoff zu bildlicher Darstellung. Doch erfordern sie

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Deutsche Ausichtöii.

grösseren Theils eine eigeiithümliche Auffassung. Die Bilder, welche sie
liefern, schränken sich selten, wie etwa die romantischen Ufer des Rheins,
in ganz enge Grenzen ein; sie machen mehr oder minder einen weiteren
Ueberblick nöthig und geben erst in solcher Weise Gelegenheit zu einer
abschliessenden Gruppirung. Hiebei ist es natürlich viel schwerer, den
günstigsten Standpunkt, der jedesmal die charakteristischen Punkte der
Aussicht in sich fasst, aufzusuchen und das Gefundene zu einer Totalwir-
kung zusammenzufassen, letzteres wenigstens, wenn (wie in den obigen
Blättern) keine Anwendung der Farbe zur weitern Ausführung gestattet
ist und wenn die einfache Zeichnung zugleich alles Einzelne in seiner be-
sondern Eigeuthümlichkeit — ohne dasselbe vielleicht durch kunstreich
hervorgesuchte Lichteffekte zu beeinträchtigen — herausstellen soll.

Diesen nothwendigen Anforderungen kommt die Arbeit des Herrn G.
Osterwald auf eine sehr befriedigende "Weise entgegen. Seine reichen
Blätter führen überall ein Ganzes von trefflicher kunstverständiger Anord-
nung vor. Dabei jedoch herrscht durchaus eine freie Naivetät der Auffas-
sung, die uns unmittelbar in die Darstellung einführt; nirgend der Anschein
absichtlich componirter Vorgründe, die anderweitig so oft angewandt wer-
den, um die Ferne zurückzutreiben oder eine dürftige Führung der Linien
zu verdecken. Mit einem eigenthümlich plastischen Sinne ist die Bildung
des Terrains erfasst und anschaulichst dargestellt: die Schwingung der
Flüsse, die Hebung oder Senkung des Erdbodens, das Vorspringen einzel-
ner Hügel oder Bergzüge, dann die von menschlicher Hand hineingetrage-
nen Veränderungen, Abgrenzungen, Wohnstätten, Ruinen, alles dies steht,
auch in tieferer Entfernung, dem Blicke des Beschauers deutlich gegenüber
und das Auge schreitet gleichsam fühlend von einem Gegenstande zum
andern vor. Die Zeichnung selbst ist einfach und hält sich streng in ihren
Grenzen, ohne an das Gebiet der Malerei anzustreifen; wir'möchten sie in
dieser Beziehung etwa mit der kräftigen Weise, in welcher die landschaft-
lichen Gründe Dürer'scher Holzschnitte oder Kupferstiche gehalten sind,
vergleichen. Dabei ist aber nichts Alterthümliches: die Behandlung der
Kreide zeigt vielmehr eine freie, geistreiche Tecknik, etwa in der Art,
wie die Franzosen ihre landschaftlichen Lithographien anzulegen pflegen.

Die uns vorliegenden Blätter der Weser-Ansichten begreifen deren
erstes und zweites Heft. Sie bestehen im Einzelnen aus folgenden: —
Ansicht von Münden. . Dem Vereinigungspunkt der beiden Flüsse
Werra und Fulda gegenüber blickt man von der Anhöhe über der Chaussde
in das breite, von mässigen Bergzögen umschlossene Thal hinab. In male-
rischen Windungen strömen dife Flüsse von beiden Seiten dem Vorgrunde
zu; zwischen ihnen, auf der Landspifze, die alterthümliche Stadt, unter
dem Schirm eines, grossen Kirchengebäudes ruhend. Die allgemeinen Ver-
hältnisse des geselligen Lebens, wie sie sich unter den lokalen Beding-
nissen geordnet, stellen sich mit Klarheit dar: zur Linken, über der Werra,
die gewölbte Brücke, die Verbindung mit den westlichen-Ländern bezeich-
nend; nahe dabei, mit Erkern und Giebelzinnen sich stolz erhebend, das
ehemalige herzogliche Schloss; weiterhin der räumliche Landungsplatz der
Weserschifle; tiefer im Bilde die kleine Brücke, welche über den Arm der
Fulda führt; der Fusssteig von da über die Fulda-Insel bis zu der Fähre,
die vorn über den Ausfluss der Fulda an das jenseitige Ufer trägt, wo
freundliche Häuser am Saume des Waldes zu ländlichem Vergnügen ein-
laden, u. s. w. Das Ganze augenscheinlich ein Mittel- und'Verbin-

-ocr page 203-

202 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

llt (iungspunkt mannigfach ausgebreiteten Verkehrs. — Carlshafen. Das

Thal eng, von felsigen, bewaldeten Bergen eiiigeschlossen; von einer An-
höhe über dem kleinen Flüsschen der Diemel blickt man hinab; zur Linken
zieht ein enger Weg sich nieder, der zu der Dieraelbrücke, an der Mün-
dung in die Weser, und zu den neuen, fabrikartigen Gebäuden des offnen
Städtchens führt; ein Bild menschlicher Tliätigkeit und betriebsamen Fleisses
inmitten einer ernsteren, Natur, die aber durch den Spiegel des Haupt-
stromes Leben und Bewegung erhält. — Polle. Neue Verbreiterung des
Thaies, durch welches sich zur Rechten der Strom in grossartiger Ruhe
hin bewegt. Die Ufer von mehr wechselnden Gestalten; in der Mitte, auf
einem leicht vorspringenden Hügel die malerischen, von hohen Bäumen
umschatteten Ruinen des Schlosses, welches seiner Lage nach einst zur
Herrschaft über die Umgegend wohl geeignet war. Seitwärts zur Linken,
in friedlicher Ruhe, der Sitz der früheren Dienstleute, das Oertchen Polle.
•I;' Das Ganze ungemein malerisch und ansprechend. — Die Schaumburg.

Ii Ein höchst anmuthvolles Bild. Von mässigen Hügeln blickt man in ein

fc weitgebreitetes Thal hinans; aus den Bergen, welche den Horizont umgrän-

zen, kommt in mehreren hell aufleuchtenden Windungen der Strom hervor
|i, und zieht dann in langgedehntem Bogen zwischen den fruchtbaren Feldern

hindurch. Zu beiden Seiten desselben mannigfache Ackertheilungen, hier
und dort Dörfer und Städtchen verstreut. Im Mittelgrunde erhebt sich ein
heiterer umwaldeter Hügel, auf dem Gipfel die Schaumburg, mit Thürmen
und Herrenhaus emporragend, welche rings umher die Aussicht beherrscht.
Hügel und Burg bilden einen trefflichen Mittelpunkt des schönen Ganzen,
und die Ferne schliesst sich dem in klarer Fülle harmonisch an. —
Hameln, Ernste ruhige Bergzüge, vor denen der Strom in stiller Klar-
heit vorüberfliesst. In den Wellen spiegelt sich die Stadt mit ihren schlan-
ken Thürmen und den zierlichen Brücken, welche sich, von beiden Seiten,
der kleinen Insel inmitten des Flusses zuschwingen. — Rinteln. Ein-
, fachste Gegend, ohne Anspruch auf malerische Natur. Die Berge sind
weiter zurückgetreten. Das breite Bette des Stromes füllt den Vorgrund;
er ist von überdachten Weserschiffen belebt, die theils ruhig hinabtreiben,
theils stromauf durch Pferde gezogen werden. Jenseit die Stadt, deren
hoher Kirchthurm, sowie einzelne Baumgruppen allein dem Auge Abwech-
selung gewähren. Und doch ist das Ganze wieder in so unmittelbarer
Wahrheit gehalten, dass auch hier die schlichten Verhältnisse menschlichen
Verkehrs dem Gefühle des Beschauers lebendig vergegenwärtigt werden. —
Varenholz. Abermals ein gedehntes Thal, dessen Ferne von dem zarten
Silberfaden des Stromes durchzogen wird. Die Bergzüge jedoch nicht ohne
charakteristische Formen. Im Mittelgrunde das Dorf, welches sich seitwärts
zu dem stattlichen Schlosse emporbaut, das mit
seinen bunten Giebeln und,
Spitzen der Niederung zu gebieten scheint. — Porta Westphalica.
Durch das mächtige Felsenthor, dessen Wände die Seiten des Bildes ein-
fassen, strömt die Wesör in breiten Windungen in die weite Ebene hinaus,
wo die Berge und die Anmuth des Berglebens aufhören. In der Ferne
lagert sich mit Thürmen und Thürmchen die feste Stadt Minden. Mannig-
fache Alleen,-mit zierlichen Pappeln bepflanzt, laufen durch die Ebene
l^M hin. Vorn lehnt sich ein Dörfchen in friedlicher Ruhe gegen den schroffen

' Felsenhang. Auf einer Anhöhe, unter leichten Bäumen, sitzt ein Schäfer-

V" knabe und blickt in die Weite hinaus.

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- 203

Deutsche Ansichten.

Soviel zur flüchtigsten Charakteristik der einzelnen Blätter. In Ge-
meinschaft mit ihnen erscheint der in der Ueherschrift genannte Wegweiser
durch das Weserthal (unter dem besondern Titel „Geschichtliche Wande-
rungen durch das Weserthal von Dr. F. C. Th. Piderit"), welcher in
einer würdigen historischen Ansicht und in ebenso schlichter wie anspre-
chender barstellung Rechenschaft über die geschichtlichen Verhältnisse
des Weserthaies giebt. Wie dies kleine Werk an sich auf das lebendige
Interesse des Deutschen Anspruch macht,'so dient es wesentlich dazu, den
Werth jener meisterhaften Blätter noch zu erhöhen.

2. Das malerische und romantische Deutschland in zehn Sek-
tionen mit 260 Stahlstichen. — Erste Sektion:-Die sächsische Schweiz
von A. Tromlitz mit 30 Stahlstichen. Erste Lieferung, Leipzig,^ Georg

Wigand's Verlag. (Gr. 8.)

Das im Vorigen besprochene Unternehmen hatte es mit einem kleinen
Striche des Vaterlandes, mit einem Theil der Ufer eines einzigen Flusses
zu thün. Hier tritt uns ein.Unternehmen von grösster Ausdehnung, wel-
ches das gesammte Deutschland umfassen wird, entgegen. Nach den ein-
zelnen, durch besondere Naturschönheit ausgezeichneten Gegenden zerfällt
dasselbe in verschiedene Sektionen, die auf dem Titel der vorliegenden
Lieferung bezeichnet werden als: die sächsische Schweiz, das Riesengebirge,
Franken, der Harz, die Donau, die Ost- und Nordsee, Steyermark und
Tyrol, Schwaben, Thüringen, der Rhein. Die bildlichen Darstellungen
reihen sich dem Faden erzählender Schilderungen an, welche den Leser
und Beschauer wie eine Wanderschaft in Gedanken von Ort zu Ort füh-
ren, alte Reise-Erinnerungen beleben. Unbekanntes vergegenwärtigen sollen;
die Namen der Schriftsteller, welche sich dieser Arbeit unterzogen haben,
gehören zumeist — wie Gustav Schwab, Carl Simrock, Ernst Raupach,
Eduard Duller u. A., zu den beliebtesten Dichtern der gegenwärtigen Zeit
und lassen Vorzügliches erwarten. Die Ansichten der sächsischen Schweiz
sind zum Theil von Prof. L. Richter und Otto Wagner für dieses Unter-
nehmen nach der Natur aufgenommen, zum Theil nach den von Richter
früher herausgegebenen Skizzen für den Stich umgezeichnet. Die Ansichten
von Schwaben sind voii L. Mayer, die des Rheines von Frommel, die des
Harzes von Richter und die thüringischen Ansichten von, 0. Wagner
entworfen.

Das vorliegende erste Heft enthält drei, von englischen Künstlern sau-
ber in Stahl gestochene Blätter: eine Gesammt-Ansicht von Dresden, vor-
trefflich aufgefasst; eine Ansicht der katholischen Kirche in Dresden, die
lebhaft in das bewegte Treiben einer grossen Stadt einführt, ein Blatt von
kräftiger Wirkung, doch ohne gesuchten Effekt; und eine Ansicht von
Lohmen in der sächsischen Schweiz, eine Scene romantischer, durch Fels
und Burg, Wasser und reichbelaubte Bäume eigenthümlieh anziehender
Natur. Die Ausstattung des Ganzen ist äusserst geschmackvoll und lässt
uns einer gediegenen Ausführung des grossartig angelegten Unternehmens
entgegen sehen, dem es an lebendiger Theilnahme von Seiten des Publi-
kums gewiss nicht fehlen wird. -

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3. Original-Ansichten der. vornehmsten Städte in Deutsch-
land, ihrer wichtigsten Dome, Kirchen und sonstigen Bau-
denkmäler alter und neuer Zeit. Herausgegeben von Ludwig

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204 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Lange, Architekt und Zeichner, und Ernst Rauch, Kupferstecher, mit
einer artist. topogr. Beschreibung von Dr, Georg Lange, Heft 6—13.
Darmstadt 1835—36. (Stahlstich, Gr. 4.)

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Ueber den grossen Werth dieses schätzbaren Unternehmens haben wir
bereits früher (Jahrg. 1835, No. 3 und 4 des Museums), nach Erscheinen
der ersten fünf Hefte gesprochen. Die acht neueren Hefte, welche uns
gegenwärtig vorliegen, dienen im "Wesentlichen dazu, unser günstiges Ur-
theil zu bestätigen und das Interesse des Publikums lebendig zu erhalten.
Einzelne Blätter namentlich, die wir im Folgenden näher bezeichnen wer-
den, sind vollkommen als kleine Meisterwerke zu betrachten; bei einigen
andern jedoch können wir nicht umhin, einen gewissen Mangel an Haltung
zu rügen: es scheint, dass bei diesen eine nicht genügende Sicherheit im
Aetzen jene scharfen und durch die Natur nicht wohl begründeten Gegen-
sätze von Licht und Schatten, die dem Auge des Beschauers missfällig
werden, hervorgebracht hat. Der Inhalt der vorliegenden Hefte begreift
die folgenden Städte: — Heft 6. Bamberg. Allgemeine Ansicht der
Stadt und verschiedene Haupttheile ihres Inneren. Vorzüglich gelungen
die Ansicht des Marktplatzes und der Kirche zu St. Martin: das Leben
der Strasse, das Ensemble der Häuser und die Fa^ade der Kirche in wun-
derlichem Jesuiterstyl geben ein Ganzes von ansprechender Wirkung. Ein
späteres Heft wird ebenfalls Ansichten von Bamberg enthalten. — Heft 7.
Passau. Verschiedene, sehr wohlgelungene Ansichten dieser äusserst
malerisch gelegenen Stadt mit ihren verschiedenen, umher gruppirten
Theilen und mit den breiten Spiegeln der Flüsse, zwischen denen und zu
deren Seiten dieselben liegen. Besonders gelungen die Total-Ansicht der
Stadt, die dem Auge des Beschauers das anmuthvollste, durch Landschaft
und Architektur hervorgebrachte Profil vorführt und durch sehr zarte,
saubere Ausführung anspricht. — Heft 8 und 9. München. Die Haupt-
ansicht, von der Ostseite der Isar aufgenommen,'entwickelt das Bild der
Stadt in anschaulicher Breite. Von schöner, heiterer Klarheit, durch die
dunkeln Wolkenmassen hier nicht beeinträchtigt, ist die Ansicht der Glyp-
tothek, der sich weiter zurück die Pinakothek anreiht. Die Ansicht der
Frauenkirche, auf einem ganzen Blatte gegeben, ist, wie es in dem Gegen-
stande der Darstellung lag, weniger anziehend. Sehr wohlgelungen und
wiederum ein Bild reichen städtischen Verkehres entwickelnd, ist die
Ansicht des Schrannenplatzes. Interessant ist das Isar-Thor in seinen
alterthümlich wieder hergestellten Formen und mit dem grossen Fresco-
bilde von Neher. Zwei spätere Hefte werden diese Ansichten vervollstän-
digen; als Vorläufer derselben erscheint bereits im lOten Hefte, ein ganzes
Blatt füllend, ein Bild der neuen Pfarrkirche in der Vorstadt Au, deren
zierlich gothische Fa§ade mit dem schlank emporsteigenden, durchbroche-
nen Thurme von heiterer Wirkung ist. Dies Blatt, von C. A. Müller
gestochen, zeichnet sich durch ebenso zarte detaillirte Ausführung, wie
durch treffliche, ruhige Haltung sehr vortheilhaft aus. — Ausserdem ent-
hält das
lote Heft Ansichten von Augsburg, denen spätere Mittheilungen
zugefügt werden sollen. — Heft 11. Regensburg. Unter den mannigfach
charakteristischen Blättern dieser Stadt heben wir besonders die Ansicht
des alterthümlichen, geschmackvoll gothischen Rathhauses hervor, welches
vornehmlich geeignet ist, ein Bild der ehrenhaften Bürgerlichkeit des
Mittelalters vorzuführen. Auch die Schottenkirche mit ihrem wundersamen

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Deutsche Ansichten. 205

Portale erfreut sich einer meisterhaften Darstellung. Der prachtvolle
Dom von Regensburg u. a. ist einem späteren Hefte vorbehaltenT —
Heft 12. Landshut. Sehr anziehende Abbildungen, Auf dem ersten
Blatte ist vornehmlich die Total-Ansicht der Stadt zu bemerken, die
von einem wohl gewählten Standpunkte aus die eigenthümliche Lage
derselben am Flusse und des zierlichen Schlosses auf der Höhe trefflich
entwickelt. Noch bedeutender ist das zweite Blatt, welches den schlank
emporschiessenden Thurm der Martinskirche und zu seinen Füssen die
alten Giebelhäuser mit ihren schweren Bogenhallen, in wohlgelungener,
harmonischer Durchführung darstellt. — Heft 13. Worms, Gesammt-An-
sicht der Stadt mit der Liebfrauenkirche vor derselben; malerische Ansicht
der alterthümlichen Paulskirche. Auf dem zweiten Blatte, wiederum das-
selbe ganz füllend, der Dom mit einem Theile des Marktplatzes, dies
jedoch, wie es scheint, nicht recht günstig aufgefasst und auch nicht in
genügender Haltung. ■

Die fünf nächsten Hefte werden die erste Folge dieses Werkes be-
schliessen; eine spätere Folge wird die Oesterreichischen Städte umfassen.
Der Text der eben besprochenen Lieferungen theilt mit den früheren das
Verdienst kurzgefasster geschichtlicher Darstellung, anschaulicher Beschrei-
bung und geistreicher artistischer Bemerkungen, Nur die Verse zu Anfang
jeder einzelnen Städtebeschreibung, die sich nicht eben durch bedeutendes
poetisches Verdienst auszeichnen, hätten wir lieber vermisst, und hoffen,
dieselben bei der neuen Folge nicht weiter fortgesetzt zu sehen. Dem
Unternehmen selbst aber wünschen wir auch ferner einen ebenso rüstigen
Fortgang, wie es bisher, zur Befriedigung der Freunde des Vaterlandes,
gezeigt hat.

4, Die klassischen Stellen der Schweiz etc., gez. von Adolph
Müller, auf Stahl gestochen von Henry Winkles in London u, a.
Heft 9—15, (Gross 8), Carlsruhe und Leipzig, Kunstverlag, W, Creuzbauer.

Auch über die früheren Lieferungen dieses Unternehmens, welches
sich, der Nationalverwandtschaft gemäss, den Darstellungen deutscher Ge-
genden und Orte anschliessen lässt, haben wir schon Gelegenheit gehabt,
ein günstiges ürtheil abzulegen. Die vorliegenden Hefte beschliessen die
erste Abtheilung, welche die Cantons Graubünden, Uri, Schwytz, Unter-
waiden, Zug, Luzern,^Glarus, St,'Gallen, Appenzell, Thurgau, Schaffhau-
sen und Basel in sich fasst. Auch hier sind die Abbildungen mit dersel-
ben Tüchtigkeit durchgeführt, ist im Einzelnen sehr Ansprechendes , 'in
Rücksicht auf den Gegenstand, auf Auffassung und Behandlung vorhanden.
So im neunten Heft* das 'grossartig wundersame Bild des Glaernisch, zu
dessen Füssen Glarus liegt; im^lOten Heft die schöne Ansicht von Luzern ;
im 11. die Ansicht des Rheinfalles, schön, bedeutend, nnd nicht, wie so
häufig, von übertriebenem, gesuchtem Effekt; im 12. das höchst reizvolle
Bild der Insel Schwanau, die sich aus der spiegelklaren Flut zwischen
den steilen Bergzacken erhebt; im 13. die schlichte und in klarer Ruhe
aufgefasste Ansicht von Schaffhausen; im 14. die Tell's-Platte am Vier-
waldstätter See; im 15, das trefflich entwickelte Bild des Münsters in Basel,
u. a, m. Der gediegene Text von Zschokke erhöht die Trefflichkeit die-
ses Werkes in sehr bedeutendem Maasse. ' "" '

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ÜBER DIE GEGE^^WlKTIGEN YERHÄLTEISSE DER

KUNST ZUM LEBEN.

(Schlussabscbnitt der ersten Auflage des Haudbuches der Geschichte der

Malerei etc. 1837.)

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Ein neuer Lebensdrang hat sich im Bereiche der Kunst geltend ge-
macht, ein neues Interesse ist für die Aufnahme ihrer Werke erweckt
worden. Es scheint, als ob sich unsre Zeit wiederum einem der Höhen-
punkte, deren die Kunstgeschichte so wenige zäiilt, anzunähern im Begrifi"
stehe. Möge es dem Verfasser verstattet sein, einige Augenblicke bei dieser
wichtigen Erscheinung zu verweilen, das gegenwärtige Verhältniss der
Kunst zum Leben in eine nähere Betrachtung zu ziehen und die Holfnun-
gen oder die Wünsche, welche für eine engere Ausbildung dieses Verhält-
nisses vielleicht noch hervortreten dürften, auszusprechen. Der Verfasser
beschränkt sich hiebei vornehmlich auf die Kreise des deutschen Vater-
landes, obgleich manche der folgenden Bemerkungen ebenso auch auf die
Nachbarländer anzuwenden sein dürften. —

Das einzelne vollendete Werk der Kunst hat in sich selbst Beginn
und Beschluss, Grund und Zweck. Seine Heimat ist die freie Region des
Geistes; es ist nicht mit unumgänglicher Nothwendigkeit bedingt, dass
äussere Umstände ihm fördernd, aufnehmend entgegentreten. Es ist denk-
bar, dass es wie ein Phänomen in dunkler Nacht emporsteige und dass es
keine Geister vorfinde, in denen es Licht anzünden könne: die Kunst-
geschichte ist w^enigstens nicht ganz von Beispielen einer solchen Erschei-
nung entblösst. Hantjelt es sich aber um eine allgemeine Blüthe
der Kunst, so muss eben auf jene äusseren Verhältnisse wesentlich Rück-
sicht genommen werden. Nur das Wechselverhältniss, in welchem Kunst
und Leben zu einander stehen, bringt jenen Sinn hervor, welcher die Er-
zeugnisse der Kunst mit Liebe aufnimmt und ihrem weiteren Gedeihen,
ihrer weiteren Ausbreitung einen ernährenden Boden zubereitet. In dem
Volke selbst muss ein künstlerischer Sinn vorhanden sein, wenn die Kunst
in ihm heimisch werden und nicht als ein exotisches Gewächs, als eine

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1

Ueber die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst zum Leben. 207

Treibhauspflanze dastehen soll. Durch alle Kreise der Gesellschaft muss
das Gefühl, die Ueberzeugung verbreitet sein, dass die Kunst zu den we-
sentlichen Interessen des Lebens gehöre, dass ohne sie das' irdische Dasein
nicht seiner Vollendung entgegenzuführen sei,^ Ohne das allgemeine Be-
dürfniss nach einer künstlerischen Gestaltung des Lebens ist eine vollen-
dete Blüthe der Kunst nicht denkbar. -

Fragen wir nun, wo diese künstlerische Gestaltung des Lebens zur
Erscheinung kommen müsse, so ist die einfache Antwort: üeberall eben,
wo die Thäligkeit des Lebens in einer körperlichen, dem Sinne fassbaren
Form hervortritt. Wenn der Form das Gepräge des Geistes gegeben wird,
wenn sie nicht bei den rohen, materiellen Bedingnissen verweilt oder sich
nicht einer willkürlichen, gesetzlosen Laune fügt, so zeigt sie das Vor-
handensein der Kunst. Wenn in der Bildung der Form ein innerer,
lebendiger Trieb,,ein klares Gesetz, ein harmonisches Verhältniss sichtbar
wird, so ist dies die Andeutung künstlerischen Sinnes, künstlerischer
Thäligkeit. Denn die Kunst hat überall den Zweck, das Bedürfniss, das
niedere wie das hohe, zu reinigen, zu veredeln und zu begeistigen.

Aber die Einwirkung der Kunst zeigt sich verschieden, je nach den
verschiedenen Stufen des Bedürfnisses; es sind deren vornehmlich drei zu
unterscheiden. Die niedrigste Stufe hat es nur mit dem gemeinen Bedürf-
niss, welches die körperliche Existenz des Menschen, die äussere Gemäch-
lichkeit des Lebens hervorruft, zu thun; bei der zweiten kommt es auf
Schmuck, Zierde, Verschönerung der Umgebungen an; die dritte bezieht
sich auf diejenigen Punkte, an welche sich die geistigen Interessen des
Lebens knüpfen, auf diejenigen Stätten, welche einer heiligen Erinnerung,
einer innerlichen Sammlung des' Gemüthes gewidmefsind, auf die Errich-
tung von Monumenten. Bei allen dreien ist, sofern es sich um eine all-
gemeine Blüthe der Kunst handelt, die künstlerische Durchdringung gleich
wichtig. Bei der Gründung von Monumenten scheint eine solche am un-
mittelbarsten gegeben, sofern "diese eben wesentlich eine geistige Bedeutung
liaben und das Gepräge derselben in ihrer äusseren Form zur Schau tragen
müssen; aber diese geistige Bedeutung kann ihnen (wie es,auf niederen
Stufen der Kultur insgemein gefunden wird), statt durch jene Bildung der
Form, welche Gehalt und Erscheinung untrennbar.vereint, auch durch
einen äusserlich willkürlichen Act, durch die Hinzufügung von Symbolen,
in die der menschliche Witz eine solche Bedeutung erst hineingetragen,
zuertheilt werden. Bei der blossen Ausschmückung der Umgebungen des
Menschen liegt es schon näher, auf andre Umstände als die künstlerische'
Gestaltung derselben Rücksicht zu nehmen: kostbare Stoffe, glänzender
Schimmer, phantastische Dekoration ersetzen hier, bei rohen Zuständen
der menschlichen Gesellschaft (ebenso aber auch bei denen einer ausge-
arteten Kultur), diejenigen Motive, welche ein Spiegelbild des geistigen
Lebens sein sollen. Bei dem Geräth und Gerüst des gemeinen Bedürfnisses
endlich scheint der Einfluss des künstlerischen Sinnes am Fernsten zu lie-
gen und erst auf besondrer Höhe der Kultur hereinzutreten.

Dies letztere ist wohl wahr; aber gerade die Rücksicht auf dies Ver-
hältniss ist für die gegenwärtige Betrachtung zunächst am Wichtigsten.
Denn erst da,
avo das Auge auch in deii Dingen des täglichen Verkehrs,
auch in dem, wovon es stündlich umgeben ist, eine schöne Form, einen
lebendigen, harmonischen Organismus der Gestalt zu sehen verlangt, wird
ein künstlerischer Sinn in seiner allgemeinsten Ausdehnung ersichtlich.

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208

lieber die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst zum Ijeben.

Dies Verhältniss bestimmt die Breite des vorhandenen Kunstvermögens: —
die Ausbildung der monumentalen Kunst, in welcher es sich um den er-
habensten Inhalt handelt, lässt dessen Tiefe erkennen. Diejenige Richtung
der Kunst, welche es mehr nur mit der Ausschmückung des Lebens zu
thun hat, steht zwischen beiden in der Mitte; sie nimmt Theil an beiden,
aber ihr Vorhandensein gewährt noch keinen so charakteristischen Maass-
stab wie jene.

Wenden wir uns von diesen allgemeinen Beobachtungen nunmehr zu
einem Ueberblick des gegenwärtigen Standes der Kunst-Interessen, so ist
es zunächst in die Augen fallend, dass der Sinn für die letztangeführte
Richtung, für künstlerische Auschmückung der Räume, in grossem Maasse
verbreitet ist. Immer zwar noch nicht so, dass er als vorherrschend und
durchgreifend zu betrachten wäre, dass nicht etwa prachtvolle Tapeten,
kostbare Spiegelgläser und ähnlicher Luxus häufig den Werken der Kunst
vorgezogen würden; doch ist es unbestreitbar, dass die neuste Zeit einen
ausserordentlichen Reichthum kleinerer, für den Privatbesitz geeigneter
Werke, namentlich kleinerer Staffelei-Geinälde, hervorgebracht hat, und
dass gleichwohl dieser Reichthum kaum zu dem lebhaften Begehren der
Liebhaber im Verhältniss steht. Der Art ist viel Treffliches und Fördern-
des ins Leben eingedrungen; Darstellungen des Lebens und der Natur,
künstlerisch gestaltet und zu einem bestimmten Eindruck auf das Gemüth
des Beschauers durchgebildet, — Situationen, in denen die Poesie des
Lebens siegreich die Schranken der gemeinen Existenz durchbricht oder in
denen das Kümmerliche der letztern durch komische Auffassung biossge-
stellt wird , sind in grosser Anzahl verbreitet worden. Die nachbildenden
Künste haben es sich angelegen sein lassen, einer solchen Verbreitung im
ausgedehntesten Maasse in die Hände zu arbeiten, und namentlich ist in
diesem Belange die Erfindung der Lithographie, in ihrer grösseren Popu-
larität, als eine sehr wichtige Erscheinung hervorzuheben. Der Schmuck
unsrer Wohnzimmer hat hiedurch eine, von dem Zustande, in dem sie
sich vor etwa fünfzig Jahren befanden, wesentlich verschiedene Beschaffen-
heit erhalten. Um unter vielen nur eins der einfachsten Beispiele anzu-
führen, so mussten sich die Jagdliebhaber zu jener Zeit, wenn sie nicht
etwa in den Besitz Ridinger'scher Blätter zu gelangen vermochten, durch-
weg mit ziemlich steifen, nüchternen, affektirten und dabei immer kost-
baren Kupferstichen behelfen, während bei ihnen jetzt die wohlfeilen Li-
thographieen der heiteren, anmuthigen und lebenvollen Compositionen von
C. Schultz und ^Andern im allerreichsten Maasse verbreitet sind. Und auf
keine Weise kann es unter solchen Umständen fehlen, dass unmittelbar
duTch diese Freude an reineren Darstellungen der Kunst auch der eigent-
lich künstlerische, vielleicht noch schlummernde Sinn geweckt und genährt
werde und zu weiterer Entwickelung der allgemeinen Kunst-Interessen
wenigstens Gelegenheit gebe.

Aber, so ausgebreitet auch in diesem Augenblicke die Kunstliebhaberei
ist, so sehr sie in jedem Jahre zunimmt und so wohlfeile Mittel ihr auch
zur nächsten Befriedigung idargeboten werden, so haben wir in alle dem
allein noch keine sichere Gewähr, dass ein solcher Zustand dauerhaft sein
und dass er sich auf eine höhere Stufe der Theilnahme emporschwingen
werde. Es liegt in dieser Kunstliebhaberei, _ wie sie in unsern Tagen
hervortritt, noch immer etwas Zufälliges und Willkürliches; es wird keine
bestimmte, durchgreifende, bewusste Richtung von Seiten der Begehrenden,

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209 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

der Empfänger und Besitzer bemerkbar; es ist möglich, dass deren Sinn,
bei anderweitig hinzutretenden äusseren Verhältnissen, auf eine andre
Richtung hinübergelenkt werde, eine andre Liebhaberei an die Stelle der
Interessen für Werke der Kunst trete. Eine zureichende Sicherung dieser
Interessen ist nur in dem Falle denkbar, wenn, wie im Obigen angedeutet
wurde, auf der einen Seite auch das gemeine Bedürfniss des alltäglichen
Verkehrs künstlerische Gestalt annimmt, auf der andern mit Ernst und
Liebe auf die Herstellung künstlerischer Monumente gedacht wird.

Diese Umstände waren es, welche vornehmlich den vergangenen grossen
Blütheperioden der Kunst, am Schlüsse des Mittelalters, und ganz beson-
ders der griechischen Kunstepoche, zu Grunde lagen. Werfen wir nur
einen Blick auf das, was uns an Bildungen menschlicher Hand aus dem
griechischen Alterthum erhalten ist, welch eine Fülle künstlerischen Sinnes
tritt uns hier überall entgegen, wie ist Alles, sei es so gering oder so be-
deutend, wie es wolle, von diesem Sinne so ganz durchdrungen, so ganz
in denselben aufgelöst! Die geringste Lampe ist in einer geschmackvollen
Form aus der Hand des Töpfers hervorgegangen, das geringste Gefäss in
einem Schwünge der Linien gebildet, mit mannigfachem Schmucke ver-
sehen, welcher den feinsten Sinn für lebenvolle Gestaltung verräth. Das
erhabenste Monument, der Tempel der Gottheit, ebenso die Grabstätten,
die Ehrendenkmale u. s. w. tragen durchweg den Stempel des edelsten
Geistes, sind geradezu der Ausdruck desselben. Der Schmuck der Wohn-
räume (wie uns Herculanum und Pompeji das nächste Beispiel bieten) ist
in einer Gemessenheit, in einer innerlichen Consequenz durchgeführt, wie
wir nichts Aehnliches in gleichem Maasse aufzuweisen vermögen. Und
diese innerliche Durchbildung der Kunst war in sich so kräftig, so fest
gegründet, dass sie noch lange, nachdem der hohe und edle Sinn ihrer
Schöpfer bereits erloschen, nachdem politisches und moralisches Verderben
hereingebrochen war, der gänzlichen Ausartung zu widerstehen vermochte,
dass ihr ursprünglicher Adel immer, auch in den spätesten Werken der
Römerzeit, noch hindurchleuchtet. ' < ^

Mit einer solchen Erscheinung dürfen wir die künstlerischen Verhält-
nisse unsrer Zeit nicht vergleichen; auch nicht mit jener späteren Kunst-
epoche am Schlüsse des Mittelalters, die das Leben in ähnlicher Weise,
wenn freilich wohl nicht in ebenso entschiedenster Bedeutsamkeit, durch-
drungen hatte. Ja, es ist oft behauptet worden, dass unsre Zeit zur Her-
vorbringung dieser Erscheinungen überhaupt nicht geeignet sei, dass andre
Interessen gegen eine solche allgemeine Verbreitung eines künstlerischen
Sinnes im direkten Widerspruche ständen; die hohe Entwicklung der
modernen Philosophie, die Blüthe der mechanischen Industrie werden
beide, von verschiedenen Seiten'her, als die Hauptgegner einer grossartigen
künstlerischen Entwickelung angeführt. Gewiss ist es freilich, dass die
Einfalt des antiken ^Lebens, wie die des Mittelalters, die klare, ruhige
Ausbildung der Kunst von vorn herein ungemein begünstigte, dass die
Zerspaltung der modernen Zeit einer solchen Begünstigung im Wege steht.
Doch dürfte es wohl denkbar sein, dass die Gegenwart, bei so ganz ver-
schiedenen Bildungsverhältnissen, vielleicht auf einen entgegengesetzten
Weg der Entwickelung hingewiesen ist, dass hier die Kunst nicht unmit-
telbar aus unbewusstem Gefühle hervorgehen, vielleicht mehr auf einem
Umwege, an den Beispielen-der Vorzeit grossgezogen, an das Leben der
Kugler, Kleine Schriften. HI. " 14 '

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210 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Gegenwart herantreten und dieses sodann in liebevoller Umfassung wieder
zur Einfalt, Natürlichkeit und zu dem Ebenmaasse zwischen Geist und
Gestalt zurückleiten soll. Und hat es die Philosophie an sich mit der
körperlosen Region des Geistes zu thun, so steht sie doch , wenn sie nicht
ein leeres Trugbild ist, wiederum in nächster Beziehung zum Leben, und
ihre Bestimmung ist eben die Läuterung und Verklärung des Lebens. Sie
kann also, in dieser vorausgesetzten thätigen Rückwirkung auf das Leben,
auch auf die Kunst nicht anders als kräftigend einwirken und muss viel-
mehr dazu dienen, die Bedeutsamkeit des inneren Gehaltes derselben klarer
hervorzuheben, tiefer zu begründen. Auch die Mechanik, die ihren Werk-
zeugen und Produkten freilich nicht immer eine künstlerische Gestaltung
verstattet, steht ebenso wenig im Widerspruche zur Kunst; sie muss im
Gegentheil dazu behülflich sein, die technischen Mittel, deren die Kunst
bedarf, zu vervollkommnen, wie man ihr in der That bereits in den unter-
geordneten Kreisen der Kunst so bedeutende Hülfsmittel und Fördernisse
verdankt. Beide bedingen nicht das Vorhandensein der Kunst, aber beide
sind ebenso wenig im Stande, alle Kräfte des Geistes an sich zu ziehen.

Wenn indess die künstlerische Thätigkeit der Gegenwart den vergan-
genen grossen Kunstepochen für jetzt weder an Breite noch an Tiefe
gleichzustellen ist, so darf gleichwohl der Wunsch, einem solchen Ziele
nachzukommen, eine gute Stätte finden. Wo die Anzeichen eines so starken
Lebensdranges, wie in der gegenwärtigen Kunst, hervorgetreten sind, da
ist es Pflicht, auf das Wesentlichste und Bedeutendste für dessen Fort-
schritt und Vollendung aufmerksam zu machen. Betrachten wir zunächst
das Verhältniss, in welchem die Kunst zu den gemeinen Bedürfnissen des
Lebens steht.

Wir haben es keinesweges zu läugHen, dass sich im Allgemeinen ein
guter Geschmack zu verbreiten beginnt, und dass die Musterbilder der
Vorzeit häufig mit Geschick und kunstverständiger Auswahl benutzt werden.
Doch macht das bunte Spiel dieser Formen auf den Beschauer noch nicht
jenen edleren, Avohlthuenden Eindruck, welchen z. B. durchweg die Ge-
räthe des klassischen Alterthums hervorbringen. Es fehlt dabei vor Allem
eine sichere Richtung, das höhere, bestimmende Gesetz eines gemeingül-
tigen Styles, welcher der Ausdruck eines gemeinsam bewussten Formen-
sinnes wäre und diesen vor den wankelmüthigen Einflüssen der Mode
schützen könnte. — Dieser Uebelstand scheint zunächst besonders in der
Trennung des Handwerkes von der Kunst zu liegen, welche in der
neueren Zeit, wie in den früheren Epochen nie, hervorgetreten ist. Die
Kunst hat sieb von dem Boden losgerissen, welcher ihr früher einen
sicheren Anhaltspunkt gewährte, sie hat sich in eine gesonderte Region
emporgehoben, das nah verwandtschaftliche Verhältniss zu dem Gebiete
des Handwerks verschmähend, von dem sie ebenso sehr, wie sie ihm
Schwung und Belebung zuertheilte, gestützt und/^getragen ward. Diese
Trennung schreibt sich, wenn ich nicht sehr irre, vornehmlich aus jener
eklektischen Periode des siebzehnten Jahrhunderts her, in welcher der
Grundsatz aufgestellt und, so gut es anging, ins Leben eingeführt wurde:
dass man nach Schulregeln ein Genie bilden, nach Schulregeln ein geniales
Werk erzeugen könne. Von dieser Zeit an glaubte man, falls man nur

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1063 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

durch Talent, Scharfsinn, Praktik, ästhetische Principien iu.dergl. ausge-
rüstet war, sich den hohen Meistern der Vergangenheit ungescheut an-
reihen zu dürfen; man hielt sich für vermögend, das Höchste, womit die
Gunst des Geschickes den Staubgebornen zu glücklicher Stunde begnadigt,
aus freien Stücken zu erringen, und man ward stolz darauf, dass man
diese vermeintliche Kraft in der eignen Hand, in dem eignen Willen fühlte.
Doch hat sich dieser Irrthum schwer gerächt. Denn wie die Künstler sich
mehr und mehr von den praktischen Tendenzen des Lebens emancipirten,
so emancipirte sich dieses auch von ihnen. Es trat eine unnatürliche
Feindschaft zwischen Leben und Kunst ein; wie die Künstler sich mit
Vorliebe in den Träumen einer idealen Welt wiegten und mit Verachtung
auf den Staub des irdischen Daseins hinabsahen, so spottete (He reale
Welt ihrer funkelnden Luftschlösser und verweigerte ihnen die gebüh-
rende Opferspende. Der Name eines Genie's, oder was damit gleichbe-
deutend war: eines Künstlers, gewann einen sehr zweifelhaften Klang,
und die Söhne ehrsamer Bürger, in denen der künstlerische Drang mäch-
tig wurde, hatten nicht gar selten mit den schlimmsten Widerwärtigkeiten
zu kämpfen, wenn sie diesem Drange nachzugeben geneigt waren. Der
Weg, welcher durch das Gebiet des Handwerkers in die Regionen der
Kunst führte, war abgeschnitten; dem Handwerk selbst war die höhere
Ehre genommen und man sah nicht mehr wohl die Möglichkeit vor sich,
auch in diesem, falls die Befähigung zum eigentlichen Künstlerthum aus-
bliebe, einer anmuth- und ehrenvollen Existenz theilhaftig zu werden.
Schlimmer aber, als diese selbstverschuldeten äusseren Misshelligkeiten,
war der innere Mangel, welcher'durch die Trennung der Kunst vom
Handwerk hervortrat. Die Kanäle, welche den künstlerischen Geist in die
Adern des Handwerkes hinübergeführt hatten, waren hiedurch grossentheils
abgeschnitten; für das Handwerk blieb nur der nüchterne Bodensatz ma-
terieller Zweckmässigkeit und Tüchtigkeit übrig, und der Schmuck, mit
dem es gleichwohl seine Erzeugnisse zu versehen trachtete, ward nun,
ohne Beziehung auf eine tiefere, reinere Schönheit, willkürlich erfunden,
ward ein leeres, unerfreuliches Spiel der Mode. Hiedurch aber erlitt der
allgemeine Kunstsinn ■ des Volkes einen empfindli^en Stoss; nicht mehr
gewöhnt, auch in der unbedeutendsten Form die Ge"setze einer lebenvollen
Schönheit zu erblicken, ward er ebenso gegen die selbständigeren Werke
der Kunst abgestumpft, und vermochte nur noch in seltnem Falle deren
liefere Bedeutung aufzufassen.

Alles dies findet zwar auf die heutige Zeit seine Anwendung nicht
mehr in dem Maasse, wie es noch vor etwa fünfzig Jahren der Fall war.
Man hat den Uebelstand dieser Spaltung erkannt und man ist bemüht,
wiederum eine Aussöhnung zwischen Kunst und Handwerk hervorzubrin-
gen. Man hat vornehmlich von Seiten des Handwerkes begonnen; man
bestrebt sich , dasselbe, so viel es möglich ist, wieder den Bahnen der
Kunst nachzuführen, und treffliche Erfolge sind hieraus , wenigstens in
vielen einzelnen Beziehungen, bereits hervorgegangen. Grosse Meister der
Kunst lassen es sich angelegen sein, das Handwerk, sofern es mit ihrer
Thätigkeit in Berührung kommt, wieder zu sich heranzuziehen; Institute
zur höheren Ausbildung des Handwerkes sind gegründet worden, und
namentlich ist in diesem Betracht das K.Gewerbe-Institut zu Berlin, durch
seine grossartige Einrichtung sowohl, wie durch seine glücklichen und
ausgebreiteten Erfolge, ein rühmliches Beispiel der Nacheiferung geworden.

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212 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Vielleicht, dass diese Bemühungen zu einer gänzlichen Wiederherstellung
jenes gestörten Verhältnisses zwischen Kunst und Handwerk führen: mit
grösserer Sicherheit werden die schönen Folgen derselben für das Leben
vorherzusagen sein, Avenn auch die Kunst von ihrer Seite ebenso die Hand
zur gegenseitigen Verbindung bietet. Die Nothwendigkeit dieses Beginnens
ist jedoch von Seiten der Künstler noch wenig anerkannt; aber gerade
hievon dürfte einer der wichtigsten Punkte für eine allgemeine, durchgrei-
fende Verbreitung des künstlerischen Sinnes abhängig sein. Gestatten es
die äusseren Verhältnisse und das innere Gefühl, dass die Künstler wie-
derum sich dem Bereiche des Handwerkes annähern, zum Theil in dasselbe
hinabsteigen, von ihm ausgehend ihre Bildung empfangen, dass in solcher
Weise die Kunst mehr nur als eine höhere Potenz des Handwerkes gilt,
so wird'^aller belebende Einfluss der Kunst auf das Handwerk wiederum
unmittelbar und von selbst statt finden, wird das Handwerk wiederum als
eine niedrigere Potenz der Kunst, somit als ihr angehörig, betrachtet
werden müssen.

Und in der That liegt in dieser Anforderung an die Künstler nichts
Beschämendes oder Erniedrigendes, vielmehr steht damit ihr eigner äusse-
rer Vortheil, ebenso wie der innere, in nächster Verbindung; es ist dabei
nur nöthig, dass man dasjenige, was die eigentlich höhere künstlerische
Thätigkeit bedingt, ins Auge fasst. Zur Hervorbringung eines höheren,
selbständigen Kunstwerkes gehört, als das wesentlichste Erforderniss,
Genie, d. h. jene wunderbar geheimuissvolle Kraft, welche ein geistig
Belebtes in körperlicher Form darzustellen vermögend ist. Zur weiteren
Vollendung des Kunstwerkes sind godann noch allerlei andre Dinge nöthig:
eine sichere Technik, ein gebildeter Geschmack, ein bestimmter Grad
wissenschaftlicher Kenntnisse u. dgl. m.; aber sie alle sind nicht, wie das
Genie, im Stande, ein selbständiges Leben zu erzeugen. Wie selten aber
ist diese höhere Kraft, wie ungewiss ist es, ob sie bei allgemein künstle-
rischer Anlage sich entwickeln, ob sie die Dauer eines Lebens hindurch
bei dem Begünstigten verweilen werde! Die Kunstgeschichte bietet uns
merkwürdige Beispiele, wie das Genie, während es das Leben des einen
von frühster Zeit an umleuchtete, bei dem andern erst in später Zeit her-
vorbrach, bei dem dritten in der Jugend zwar Herrliches wirkte, aber
nachmals schnell entschwand. Auf das Ausserordentliche, das eben in den
Wirkungen des Genie's liegt, einen Lebensberuf gründen zu wollen, dürfte
sehr gefährlich sein , und gerade in einem solchen absichtlichen Streben
ist, wie bereits bemerkt, der Grund jener Verfeindung, der zwischen Kunst
und Leben eingetreten war, zu suchen. — Dem Genie gegenüber steht das
Talent, d. h. die allgemeine künstlerische Anlage, — die Fähigkeit,
Formen und Gestalten, wie sie die Natur geschafl'en oder das Genie vor-
gebildet, nachzubilden und dieselben auf mannigfache Weise, sei es in
Geräthen des Handwerkes, sei es als einen freieren Schmuck, in die Kreise
des Lebens einzuführen. Das Vorhandensein des Talentes ist' überall
leicht zu erkennen, es ist durch die Schule auszubilden, es ist auf dasselbe,
sofern es sich in der eben angedeuteten praktischen Richtung erhält, gewiss
mit Sicherheit ein Lebensberuf zu gründen. Aus dem Talent möge sich
das Genie entwickeln und dieses alsdann seine höhere Bahn beginnen, —
die Verwechselung beider kann nur von verderblichen Folgen für, die
Kunst sein. Freilich ist zuzugeben, dass das Talent, in der Nähe des
Genie's, leicht von dessen Richtung inüuenzirt wird und auf solche Weise

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213 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Arbeiten zu Stande bringen kann, welche in einer gewissen Verwandtschaft
zu den Werken des Genie's stehen und deren anziehende Eigenthümlich-
keiten, wenn gleich mehr oder minder ohne die eigentliche innere Tiefe,
wiederholen, ja, dass das Talent, unter solchen Umständen, auch wohl zu
einer einzelnen wirklich genialen Aeusserung befähigt wird. Dies ist ins-
gemein da der Fall, wo sich sogenannte Schulen bilden, wie z.B. heutiges
Tages in der Düsseldorfer Schule. Das Publikum, unbekümmert über die
Entstehungs-Geschichte der Kunstwerke, die sein Wohlgefallen' erregen,
erfreut sich an deren Erscheinung, und wem Mittel und Gelegenheit fehlen,
ein Bild ersten Ranges zu erwerben, der ist nicht minder glücklich, wenn
er eins vom zweiten Bange besitzt. Dies war, wie es gegenwärtig in nicht
unbedeutendem Maasse der Fall ist, gewiss auch in früheren Zeiten eben-
so und wird es ohne Zweifel auch ir^ der Zukunft sein; aber die Vor-
theile, welche der Kunst, den Künstlern und dem Sinn für die Kunst hier-
aus erwachsen, sind, wie es scheint, vorübergehend oder doch zweifelhaft.
Diese Art künstlerischer Thätigkeit wird durch die Liebhaberei des Publi-
kums getragen, für deren Fortbestand wir, wie bemerkt, noch keine genü-
gende Garantie haben; und wenn das Talent, durch irgendwie veränderte
Umstände, aus dem schützenden Bereiche des Genie's verwiesen ist, so
muss nothwendig der Mangel an eigner Schöpfungskraft empfindlich her-
vortreten: die Geschichte und die Gegenwart weisen für letzteres nur zu
genügende Beispiele auf.

Der Vorwurf, dass das blosse Talent zu häufig die Region des Genie's
zu betreten unternehme, betrifft vornehmlich die Kunst der Malerei; in
der Architektur und Sculptur muss sich das Verhältniss durch die Natur
der Sache anders stellen. Die Architektur ist von Hause aus durchweg
auf das gewöhnliche Bedürfniss angewiesen, und nur im seltensten Falle
ist es dem Architekten verstattet, seine Kunst mit vollkommner Freiheit
zu üben; er steht also fast überall zur Seite des Handwerkes. Bedeutende
Werke der Sculptur werden ebenfalls nur auf seltnen Anlass ausgeführt,
und um es zu wagen, freie Productionen der Phantasie mit den grossen
Kosten, welche diese Kunst erfordert, zu unternehmen, muss der Bildhauer
sich eines allgemein anerkannten Rufes erfreuen; er wird also durch die
Nothwendigkeit gezwungen, sich häufig-dem Architekten, ebenfalls in
einer mehr handwerklichen Weise, anzuschliessen. Anders ist es bei dem
Maler; Leinwand und Farbe sind wohlfeil, so. dass er, wenn er eine Com-
position aus eigner Anregung unternimmt, wenig mehr als nur seine Zeit
dabei aufs Spiel setzt, und er darf aus diesem Gründe sowohl, als weil
überhaupt das leicht Ansprechende seiner Gemälde ein grösseres Publikum
findet, auf einen leichteren Absatz rechnen. Aber dies rechtfertigt es
immer nicht, wenn das blosse Talent einen solchen, selbst in äusserlicher
Beziehung so unsicheren Weg zu verfolgen bestrebt ist. Dem malerischen
Talente dürfte vielmehr eine andre Sphäre angemessen sein, die zwar
vielleicht nicht jenen schnell vorübergehenden Ruhm gewährte, die aber in
sich einen reicheren Lohn tragen dürfte: ich meine die einer mehr deko-
rativen Malerei. Am besten glaube ich hier verstanden zu werden,
wenn ich an die pompejanischen Wandgemälde erinnere. Nicht als ob
ich zu deren direkter Nachahmung auffordern wollte, als ob ich nicht die
eigenthümliche Hauseinrichtung, die gesammte Lebens- und Sinnesweise
der Alten, damit jene Malereien in engster Verbindung stehen, berücksich-
tigte; ich meine eben nur das Aligemeine, wie die Künstler hier in äus-

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214 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

serst durchgebildeter Weise von einer mehr oder minder reichen Ornamentik
durch mannigfache Stufen bis zu wirklichen Gemälden fortschreiten, wie
in letzteren fast durchgehend ein gewisser dekorativer Typus herrschend
bleibt und wie sie fast sämmtlich auf bestimmte Original-Compositionen
zurückdeuten, welche mit grösserer oder geringerer Freiheit benutzt, mit
grösserer oder geringerer Leichtigkeit nachgebildet sind. Dies soll einst-
weilen nur als Andeutung gelten, da die dekorative Malerei, deren Be-
stimmung es ist, in das Privatleben einzudringen, den Sinn an einen
klaren, gesetzmässigen Schmuck der Räume zu gewöhnen und somit das
Bedtirfniss nach einer künstlerischen Gestaltung der Umgebungen im wei-
testen Kreise zu verbreiten, bei uns nur erst geringe Anfänge gemacht,
mithin eine eigenthümliche Richtung noch kaum angefangen hat, und das
Meiste noch dem ungebildeten Handwerker überlassen bleibt. Aber, wenn
gleichwohl aus den vorhandenen, im Einzelnen doch schon sehr beach-
tenswerthen Anfängen geschlossen werden darf, so ist in der That zu hoffen,
dass sich auch diese Seite der Kunst schnell und mit entschiedenem Bei-
fall des Publikums entwickeln würde, falls sich bedeutende Talente, statt
ihre Kräfte an Compositionen zu verschwenden, zu deren Durchführung
das Genie einmal unumgänglich nöthig ist, mehr einer solchen, für sie
gewiss ehrenvolleren Wirksamkeit zuwenden wollten.

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In Rücksicht auf diese nothwendige Unterscheidung zwischen Genie
und Talent würden sich noch manche besondre Differenzen zwischen Leben
und Kunst in einer, wie es scheint, sehr einfachen Weise lösen. Vor allen
gehören hieher die in neuerer Zeit so viel besprochenen und so viel ange-
fochtenen akademischen Lehr-Institute. „Ihr erzieht Künstler, sagt
man, ohne zu fragen, ob das Leben ihrer künftig bedürfen wird; ihr bildet
sie nach euren beschränkten, einander sogar oft widersprechenden Ansich-
ten , statt sie dem Lehrgange, welchen ihnen die Natür und ihr eignes
inneres Gefühl vorschreiben, zu überlassen, statt dass sie praktisch unter
den Augen eines tüchtigen Meisters, in der Theilnahme an seinen Arbei-
ten, sich selbst die nöthige Fertigkeit zu erwerben bemüht sein sollten."
Allerdings liegt hierin manches Wahre, — aber nur unter jener falschen
Voraussetzung, dass ein Genie gemacht werden könne. Ich will nicht be-
haupten, dass diese Voraussetzung nicht von manchen Akademieen des
vorigen Jahrhunderts getheilt worden, und dass somit die Opposition, welche
namentlich Carstens hervorrief, ganz grundlos gewesen sei. Sollte dies
noch gegenwärtig das Streben der Akademieen sein, so dürfte es allerdings
etwas bedenklich scheinen; sollte indess (wie es im Allgemeinen bereits,
den gegenwärtigen Zeitverhältnissen gemäss, nicht anders sein kann) nur
die Absicht vorwalten, dem als vorhanden vorausgesetzten Genie die nöthige
Ausbildung und vornehmlich die Fundamente einer solchen, zu gehen, so
stellt sich die Sache schon anders. Werfen wir in dieser Rücksicht nur
einen flüchtigen Blick auf einen beliebigen akademischen Lehrplan und auf
die darin angeführten Gegenstände des Unterrichts. Die verschiedenen
Classen des Zeichen-Unterrichts nach den verschiedenen Fächern der Kunst,
von den einfachsten Vorbildern ab bis zum Zeichnen nach Gyps-Abgüssen,
nach anatomischen Präparaten und dergl. und bis zum Zeichnen und Mo-
delliren nach dem lebenden Modell; der Unten-icht in den höheren Stufen,

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215 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Gewandung, Composition, Behandlung der Farben u. s. w. (Dinge, bei
denen eben die Lehre noch etwas sehr Wichtiges ist); Unterricht in der
Anatomie, Perspektive und Optik, sowie ästhetische und kunsthistorische
Vorträge; specieller Unterricht in den architektonischen Fächern, sowie in
der Technik des Kupferstichs, Holzschnittes und dergl. m., — Alles dies
sind Gegenstände, welche, von der einen oder von der anderji Seite be-
trachtet, zur künstlerischen Ausbildung wesentlich nöthig sind, welche das
Genie keinesweges gleich mit auf die Welt bringt, und welche schwerlich
anderweitig in ähnlicher Vollständigkeit und mit ähnlich zureichenden
Mitteln, wie in den Akademieen, dargeboten werden. Der einzelne Meister,
der eine Anzahl junger Künstler als Hülfsarbeiter unter sich versammelt,
wird ihnen selten mehr als eine nur oberflächliche Bildung in den Funda-
menten der Kunst und dann freilich seine eigenthümliche Praktik und seine
Auffaseungs- und Sinnesweise mittheilen können: die Geschichte ist nur
zu reich an Beispielen der Art, in denen eine Kunstschule, die wesentlich
nur durch die Theilnahme an den Arbeiten des Meisters gebildet ward, in
der Regel wenig Andres, als nur eine verflachte Nachahmung von dessen
Eigenthümlichkeiten darbietet. Hat dagegen ein Kreis von Lehrern, durch
öffentliche Anstellung, Müsse und,Pflicht, in jedem einzelnen Fache eine
gründliche Unterweisung zu geben, so müssen nothwendig die Erfolge un-
gleich bedeutender sein. Ja, wir haben es, wenn wir die Productionen
der neuesten Zeit betrachten, nur zu häufig zu beklagen, dass die strenge
Befolgung des akademischen Unterrichts, wie es scheint, mehr xmd mehr
vernachlässigt wird. Wir sehen viel Geistreiches, Gefühlvolles, höchst
Anziehendes entstehen; aber hier fehlt es einer Gestalt an der genauen
körperlichen Durchbildung (an dem anatomischen Verständniss), dort ist
die Perspektive verfehlt, da ist die Lichtwirkung verworren u. "dergl. m.
Und mag dann ein solches Werk immerhin den Stempel inneren Lebens
tragen, Mängel der Art werden dem vollkommenen, ergreifenden Eindrucke
desselben auf den Sinn des Beschauers allezeit im Wege stehen, werden
die beabsichtigten Erfolge überall mehr oder minder aufheben müssen.

Bei alledem jedoch ist es eine bedenkliche Sache, ein Institut für das
Aussergewöhnliche, für die Ausbildung des Geiiie's, gegründet zu'sehen.
Immer wird hiebei jener alte Missverstand, durch Schulregeln ein Genie
machen zu wollen, wieder hervortauchen. Hält man hingegen die hand-
werkliche Seite der Kunst fest, giebt man es zu, dass schon dem blossen
Talent eine eigenthümliche Sphäre, und in dieser ein ehrenvoller Wirkungs-
kreis zukomme, dass es in einer solchen einen ausfüllenden Lebensberuf
finden dürfe, so stellt sich, wie^'es scheint, ein wesentlich verändertes
Verhältniss der Sache heraus. So wird auch jener Vorwurf, dass man
den Künstler, nach vorübergegangener sorgfältiger Pflege in eine unsichere,
gefahrvolle Existenz hinausstosse, ganz von selbst wegfallen und wiederum
für die Kunst der sichere Boden gewonnen bleiben. Alles was Handwerk und
Wissen an der Kunst ist, bedarf eben, wenn es zum glücklichsten Ziele
hinausgeführt werden soll, Lehre und Unterweisung, und die ausführlichste
Lehre wird hier eben auch die beste sein. Bei dem Handwerker sowohl,
welcher seine Arbeiten mit künstlerischem Geschmack auszuführen bemüht
ist, wie bei dem Künstler, welcher im Fache der dekprirenden Kunst sich
dem Handwerker annähert, ist eine möglichst vollkommene Ausbildung
auf keine Weise überflüssig. Wären die Akademieen von dem Grundsatz
erfüllt (wie sie es mit Erfolg kaum anders sein können): wesentlich nur

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216 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

auf die handwerkliche Seite der Kunst hinzuwirken, kunstgebildete Hand-
werker und handwerklich tüchtige.Künstler zu erziehen, die Kunst in ihrer
unmittelbaren Richtung auf das praktische Leben, in ihrer Bedeutsamkeit
für die Veredlung der Lebensbedürfnisse'zu betrachten, so würde gerade
in ihnen der sicherste Grund, das kräftigste Mittel für eine allgemeine
Verbreitung des künstlerischen Sinnes im Volke gewonnen sein. Der
höhere Künstler aber, dem es um freie, selbständige Behandlung der Kunst
zu thun ist, würde auch dann in ihnen immer die beste Schule vorfinden
und nach deren Beendigung, wenn er sich seiner höheren Genialität be-
wusst zu sein glaubt, unter einem anerkannten Meister, häufig aber auch
ebenso gut aus eignen Mitteln, die letzte Ausbildung empfangen können.

Nach diesen Betrachtungen, welche vornehmlich die Richtung der
Kunst auf das niedere Bedürfniss des Lebens zum Gegenstande hatten,
wenden wir uns noch einmal zu jenem zweiten Verhältniss zurück, in
welchem es sich um den freieren Schmuck unsrer täglichen Umgebungen
durch Werke der Kunst handelt. Hierüber ist, im Allgemeinen, wenig
anzumerken. Schon oben ist es ausgesprochen, dass gerade in diesen
Beziehungen sich gegenwärtig eine grosse Thätigkeit entwickelt hat, dass
aber auf die Werke dieser Art, sofern sie eines Theils lediglich aus der
Individualität der schaffenden Künstler hervorgehen, andern Theils durch
eine blosse Liebhaberei von Seiten des Publikums getragen werden, an
und für sich noch nicht die Hoffnung auf eine durchgreifende, dauerhafte
und grossartige Kunstblüthe gegründet werden darf. Doch sind hier einige
Erscheinungen näher ins Auge zu fassen, in welchen das Interesse des
Publikums für Werke dieser Art eine besondre, mehr bedeutungsvolle
Gestalt angenommen hat.

Zunächst mag hier ein Gegenstand berührt werden, der zwar nur
theilweise hieher gehört, der jedoch eben an dieser Stelle bereits einen
geeigneten Ort zur Besprechung findet: die Kunstsammlungen. Im
Sammeln von Kunstgegenständen zeigt sich, vorausgesetzt, dass es nicht
eine Sache der Eitelkeit sei, bereits ein höheres Interesse für die Kunst;
es spricht sich darin ein regeres Bedürfniss aus, sich mehrfach mit den
Werken der Kunst zu beschäftigen, in den zerstreuten Erscheinungen den
tieferen gemeinsamen Zusammenhang aufzusuchen und auf solche Weise
zu einem näheren Verständniss über das Wesen der Kunst selbst geleitet
zu werden. Es ist erfreulich, zu sehen, dass auch heutiges Tages eifrige
Sammler auftreten und namentlich, im einzelnen Falle sogai; ausschliess-
lich, Werke der gegenwärtigen Kunst zu einer grösseren Üebersicht zu
vereinen bemüht sind. Mannigfach treten ihnen öffentliche Sammlungen
zur Seite und besonders hat mW sich von Seiten der Kunstvereine für
deren Gründung interessirt. — Bei Sammlungen jedoch, die einen grossen
Reichthum von Kunstwerken in sich vereinen, tritt insgemein ein unange-
nehmer Missstand dem Beschauer entgegen, der nemlich, dass jedes ein-
zelne Kunstwerk, wie es auf selbständige Gültigkeit, insgemein auf
selbständige Ausfüllung einer besonderen Räumlichkeit, Anspruch macht,
hier fast überall durch das ebenso berechtigte Benachbarte beeinträchtigt
wird, — und dies um so mehr, wenn eine Sammlung verschiedene Perioden

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üeber die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst znm Leben. 217

der Kunst umfasst und solcher Gestalt die verschiedenartigsten Geistes-
und Sinnesrichtungen im engsten Räume zusammendrängt. Der Beschauer
wird hiebei zur Abstraction, zur absichtlichen Concentration seiner Gedanken
auf den einzelnen Gegenstand genöthigt und ihm somit die Unmittelbar-
keit des Genusses, die unmittelbare Einwirkung des Kunstwerkes auf sein
Gefühl, wenn nicht aufgehoben, so doch wesentlich gestört. Und doch
beruht gerade, wenigstens für denjenigen, der nicht durch förmliche Uebung
an solche Abstraction in der Betrachtung gewöhnt ist, ein wesentlicher
Theil jenes Eindruckes eben in einer selbständigen, durch mannigfache
Rücksicht bedingten Aufstellung des einzelnen Kunstwerkes.

Bei grossen Sammlungen , welche den verschiedenen Perioden der
Kunst angehören, befolgt man neuerdings insgemein den Grundsatz, sie in
einer geschichtlichen Folge zu ordnen; und man hat sie in.solcher Weise
nicht nur wissenschaftlich brauchbarer gemacht (ein wichtiger Punkt, da
bei allen Sammlungen, als solchen, stets das wissenschaftliche Interesse
vorwiegt!}, sondern überhaupt auch das Gefühl des Betrachtenden von
demjenigen, was am allermeisten stört, von dem plötzlichen Ueberspringen
auf das Fremdartigste, befreit. Immer aber bleibt der Wunsch zurück,
das Einzelne ganz für sich allein geniessen, es in seiner ganzen, ungetrüb-
ten Wirkung in sich aufnehmen zu dürfen. Natürlich dürfte dies bei
einer Sammlung, die nur irgend einen solchen Namen verdient, unausführ-
bar sein; es würde auch bei Werken eines mehr untergeordneten Ranges,
die wenigstens bei geschichtlichen Sammlungen immer zur Ausfüllung von
Lücken nöthig sein werden, ziemlich unpassend erscheinen. Was aber
dem Untergeordneten versagt sein muss, möchte für das Vorzüglichste sehr
wohl angebracht und wohl ausführbar erscheinen. Wenn ich mir vorstelle,
dass eine Sammlung der Art mehrere abgesonderte Räume enthalte , in
deren jedem eins oder einige der Perlen der Sammlung an günstigstem
Ort aufgestellt wären, — diese zusammengeordnet, je nachdem sie in sich
den nächsten
Zusammenhang in geschichtlicher Beziehung oder in Bezug
auf die dargestellten Gegenstände haben, — in dem einen Gemach also
Werke von Raphael oder verwandter Richtung, in dem andern etwa Meister-
werke der venezianischen Schule, dann vorzügliche Werke der Italiener
des fünfzehnten, dann vielleicht des vierzehnten Jahrhunderts; dann ebenso
die nordische Kunst: hier Werke von den Van Eyck's und Hemling, dort
von den alten Kölner Meistern, dort von-Dürer und seinen Zeitgenossen;
vorzügliche Portraits, Landschaften und Genrebilder vielleicht in längeren
Corridors frei aufgehängt, — wenn ich mir dann eine einfache Dekoration
dieser Räume denke, welche im Allgemeinen mit dem Zeitgeschmack der
besonderen Darstellungen übereinstimmt, so bin ich gewiss, dass in solcher
Weise der schönste Eindruck auf den Beschauer, somit auch die vorzüg-
lichste Wirkung auf die Bildung des künstlerischen Geschmackes, hervor-
gebracht werden müsse. Man wird alsdann ungleich richtiger die Bedeut-
samkeit der einzelnen Werke würdigen und ihre eigne Gültigkeit, sowie
auch umgekehrt ihren Werth in historischer Beziehung, ungleich richtiger
auffassen lernen. Unter Jener Dekorirung der einzelnen gesonderten Räume
soll hier nur die einfachste Andeutung des jedesmaligen Styles verstanden
sein, keineswegs aber eine gänzliche Umgestaltung derselben nach den
verschiedenen Stylen, wie es z. B. etwa vor zwanzig Jahren mit den
beliebten sogenannten „Scheinkapellen/' die zur Aufbewahrung altdeut-
scher Kunstwerke dienten, der Fall war. Die historische Anordnung der

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218 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

ganzen Sammlung -würde übrigens mit solchen gesonderten Räumen sehr
wohl zu vereinigen sein, und jene mehr untergeordneten Werke würden
immer trefflich zum Uebergange von dem einen zum andern dienen kön-
nen, Und sollte etwa von diesen durch eine solche Einrichtung die Auf-
merksamkeit der Laien mehr abgelenkt werden, — nun, so möchte ein
solcher Verlust immer zu verschmerzen sein, wenn das wirklich Bedeu-
tende eine um so bedeutendere Wirkung ausübt. Uebrigens findet eine
solche ^Einrichtung bereits in der Antikensammlung des vatikanischen
Museums zu Rom Statt, wo der Laokoon, der Ai^ollo, der Antinous in
gesonderten Gemächern, unter trefflicher Beleuchtung aufgestellt sind und
wo der Beschauer ganz im Stande ist, sich der hohen Einwirkung dieser
Meisterwerke, ohne dass seine Blicke durch zerstreuende Umgebungen
abgelenkt würden, zu überlassen. Und ich gestehe es sehr gern ein, dass
mir an jenen stillen Stätten erst die Schönheit dieser Statuen in einer
Weise aufgegangen ist, wie ich sie, so oft ich auch die Gypsabgüsse der-
selben in unsren Sammlungen betrachtet hatte, kaum zu ahnen vermögend war.

Doch haben die öffentlichen Sammlungen dieser Art, sofern in ihnen
wesentlich das historische Princip vorwiegt, nur einen entfernteren Bezug
zu den Kunstverhältnissen der Gegenwart. (Ueber einige nähere Bezüge
derselben werden unten noch einige Worte folgen.) Ungleich wichtiger
sind jene improvisirten Sammlungen, welche sich periodisch wiederholen
und das, was die jüngste Gegenwart geschaff'en hat oder soviel davon we-
nigstens zusammengetragen wird, auf einige Zeit in sich vereinigen: die
öftentlichen K un s t-Ausst ellun gen. Die Existenz dieser Ausstellungen
ist charakteristisch für die Gestaltung der Kunst unsrer Zeit. Ihre Ein-
richtung gehört zwar bereits einer früheren Epoche an, oder vielmehr liegt
es in der Natur der Sache, dass zu allen Zeiten Werke der Kunst gele-
gentlich wohl einmal zu keinem anderen Zwecke als dem der Kunstschau
werden ausgestellt worden sein. Auch hat namentlich das achtzehnte
Jahrhundert eine regelmässige Einrichtung der Ausstellungen herbeige-
führt (wenn schon in Deutschland nur die spätere Zeit desselben); aber
erst das letzte Jahrzehnt zeigt dieselben in einer Bedeutsamkeit, welche
in ihnen ein besonderes Kennzeichen für die Richtung der neueren Kunst
erkennen lässt. *

Als Beispiel dieses Verhältnisses möge hier eine Uebersicht der Aus-
stellungen, welche in Berlin Statt gefunden haben, mit der Anzahl der
in den Katalogen derselben verzeichneten Gegenstände mitgetheilt werden;
was sich hieraus ergiebt, dürfte ebenso auch für andre Sitze der neueren
Kunst, falls bei ihnen nicht etwa andre Umstände eine abweichende Rich-
tung verursacht haben, gültig sein.

Die Ausstellung vom J. 1786 zählte 335 Nummern, ^

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1787 —

396 —

1788 —

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1789 —

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1791 —

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üeber die gegenwärtigen Verhältnisse der

Kunst zum Leben.

Die Ausstellung

vom

J. 1797

zählte

409 Nummern.

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1836

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1683 .

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Dieser Uebersicht ist noch hinzuzufügen , dass bis znm Jahr 1828 die
Probe-Arbeiten der Berliner und der Provinzial-Kunst- und Gewerkschu-
len, der akademischen Zeichnen-Schulen u. s. w. mit ausgestellt waren
und in den Verzeichnissen mitgezählt hatten, dass vom J. 1830 ab dies
jedoch nicht mehr der Fall war, die vier letzten Ausstellungen also, im
Verhältniss zu den früheren, noch bedeutend reicher an eigentlichen Kunst-
werken gewesen sind, als es die Nummern der Verzeichnisse'bereits anzu*-
deuten scheinen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kunstgegenstäude, welche
auf den Ausstellungen vereinigt werden, beweglicher Art sein müssen, dass
sie demnach, wenigstens der grösseren Mehrzahl nach, nicht füglich mo-
numentaler Art sein können. Sie gehören vielmehr grösseren Theils der-
jenigen Sphäre der Kunst an, welche dem freien Schmuck der Wohnräume
dient, welche der Erfüllung von Privatzwecken bestimmt ist, wie sie glei-
cher Weise aus den Privat-Intentionen, aus der subjektiven, individuellen
Richtung der Künstler hervorgegangen sind. Sie bezeichnen also Viederum
diese Sphäre der Kunst als vorherrschend in der gegenwärtigen Zeit. Aber
sie deuten zugleich in sich auf den erfreulichen Fortschritt zu,einer höhe-
ren Sphäre. Denn sie machen jene Privatinteressen der Kunst zugleich zu
einer öffentlichen Angelegenheit, sie lassen das gesammte Volk Theil neh-
men an ihren Erzeugnissen, rufen das öffentliche ürtheil hervor und
erwecken einen rühmlichen Wetteifer von Seiten der Künstler. Die Erfolge,
für Künstler und Volk, sind ausserordentlich, und die Zeit der Ausstel-
lungen, wenigstens wo sie sich zu einer grösseren Erscheinung herangebildet
haben, wird allgemein als eine freudige Festzeit begrüsst.'' Alles ist in
aufgeregter Spannung, Alles nimmt Partei^ für und wider die hervorste-
chendsten Werke, für und wider die Leistungen der bedeutendsten Sch-ulen.
Der üebelstand, welchen hier, wie bei den Kunst-Sammlungen überhaupt,
das Zusammenhäufen verschiedener Dinge im engen ßaume hervorbringt,

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lieber die gegenwärtigen Verhältnisse der Knnst znm Leben.

wird in der allgemeinen Spannung weniger empfunden, auch zieht sich
über alle Werke das gemeinsame Band, dass sie eben den Geist der neu-
sten Kunst aussprechen, und diese Zusammenstellung kommt wenigstens
dem Begehren nach Vergleichung des Einzelnen unter einander fördersam
entgegen und dient zur anmuthigsten Zerstreuung.

Aber eben in dieser Spannung, dieser Zerstreuung, welche in den Be-
suchern der Ausstellungen erweckt wird, liegt es, dass die Einwirkungen
derselben wiederum nur vorübergehend sein können; die Kunst fordert
doch eine tiefere Sammlung des Gemüthes, eine ruhigere Stimmung, zumeist
auch eine längere Gewöhmmg von Seiten des Beschauers, wenn ihre Werke
einen bleibenden Eindruck, einen höheren Einfluss auf das Leben ausüben
sollen. Somit können die Ausstellungen immer nicht als das endliche
Ziel, als der Zweck der künstlerischen Thätigkeit, als die letzte und wür-
digste Stellung derselben zum Leben betrachtet werden. Gleichwohl be-
hält jenes aufheiternde und erfrischende Element, welches in ihnen liegt,
immerhin seinen hohen Werth, und es ist desshalb nur zu wünschen, dass
sie in ähnlicher Weise, soweit die Kunst bei der Hervorbringung beweg-
licher Werke verweilt, auch in der Zukunft fortgesetzt werden mögen.
Nur dürfte dem Interesse, welches sie darbieten, vielleicht ein noch schär-
ferer, noch mehr bestimmender, ein die Erwartung und die Erinnerung
noch länger fesselnder Punkt zu wünschen sein. Die musischen Spiele,
welche zur Verherrlichung der hohen Feste Griechenlands aufgeführt wur-
den — vielleicht die einzige Erscheinung in der Geschichte, mit welcher
unsre Kunstausstellungen auf gewisse Weise zu vergleichen sind — dürf-
ten hier das Beispiel darbieten. Nicht darin, dass sie vorzugsweise zur
Verherrlichung heiliger Stätten dienten, — dies liegt dem modernen Leben,
für den Augenblick wenigstens, zu fern; wohl aber darin, dass sie Wett-
kämpfe waren, in denen der Sieger von dem Beifall der gesammten Nation
begrüsst ward, sein Name mit den höchsten Ehren genannt ward und an
seinen Ruhm den seiner Vaterstadt zu knüpfen vermochte. Eine solche
Preisertheilung würde das gesammte Interesse für die Ausstellungen, so-
wohl von Seiten der Künstler, wie von Seiten des Volkes, noch in ungleich
grösserem Maasse erhöhen und die Ausstellungen würden dadurch an
Feierlichkeit gewinnen, was wiederum nur von wohlthuendem Eindruck
auf die gesammte Richtung des künstlerischen Sinnes sein dürfte. Finden
im einzelnen Falle bereits Preisertheilungen bei Gelegenheit der Ausstel-
lungen Statt, so entbehren sie nicht bloss der OelTentlichlceit, sondern ihr
Zweck ist wesentlich, den verdientesten Künstler mit Geld zu unterstützen,
— ein Umstand, der, wie lobenswördig er auch an sich sein mag, doch
einer ganz andern Ansicht der Sache angehört. Eben dies ist der Fall
bei jenen Concurrenzen, in denen Gegenstand, Maass der Darstellungen
u. dgl. vorgeschrieben sind, und namentlich bei den Concurrenzen, welche
zur Belohnung der vorzüglichsten akademischen Schüler angeordnet werden.
Jener Preis, um den es sich hier handelt, müsste im Gegentheil durchaus
von baarer Unterstützung absehen, vielmehr nur als eine persönliche Aus-
zeichnung und Würdigung betrachtet werden. Auch hier haben die Grie-
chen das edelste Beispiel gegeben, indem bei ihnen der Preis nur in einem
schönen Geräthe von werthlosem Stoff, aber höchst werthvoll durch die
innere Bedeutung, bestand. — Doch mag dieser Wunsch des Verfassers
immerhin als ein schöner Traum angesehen werden; in seiner Erfüllung

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üeber die gegenwärtigen Verhältnisse der Knnst zum' Leben. 221

würde vielleicht dem Leben eine Freude mehr, der Kunst an sich aber
gewiss noch nicht der nothwendige tiefere Grund, das bedeutendste Ver-
hältniss, welches ?ie zum Leben einzunehmen hat, gewonnen sein.

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Den Kunstausstellungen zur Seite und in Wechselwirkung mit ihnen
steht eine andre Einrichtung, welche ebenfalls ausgezeichnete "Wirkungen
hervorgebracht hat, und welche ganz und gar der neusten Zeit angehört:
die der Kunst-Ver ein e. Sie vor Allem haben sich als die Träger und
die Organe des öffentlichen Interesse für die Kunst und der besonderu
Richtung, welche letzteres angenommen hat, herausgestellt, und sie erfor-
dern demnach, wenn es sich um die Kunstverhältnisse der gegenwärtigen
Zeit handelt, eine sorgfältig genaue Beachtung. Auch an ihre Erscheinung
dürfte vielleicht noch ein oder der andre Wunsch anzuknüpfen sein.

Als, vor wenig über zehn Jahren, die ersten Vereine dieser Art ins
Leben traten, so konnte man gewissermaassen nur'versuchsweise beginnen;
man wusste nicht, wie weit sich die Theilnahme des Publikums anschlies-
sen, wie tief das Unternehmen selbst in die Thätigkeit der Kunst eingreifen
würde. Vor Allem war man bemüht, denjenigen Künstlern, welche das
Zeugniss höherer Befähigung gegeben hatten, die jedoch durch die noch
geringe öffentliche Theilnahme grösstentheils zu niederen Dienstleistungen
im Gebiete der Kunst genöthigt waren, Gelegenheit zur freieren Entfaltung
ihrer Kräfte zu geben. Die solcher Gestalt gewonnenen Werke mussten
untergebracht werden, und es war ganz in der Ordnung, dass diejenigen,
durch deren Beihülfe die Ausführung derselben möglich gemacht war, sie
sich durch's Loos aneigneten.

Bald jedoch stellte sich das Verhältniss anders. Jener erste Beginn
weckte die ausgebreitetste Nachfolge; ein lebhaftes Verlangen nach Kunst-
genuss, dessen Dasein man unter der Decke einer trägen Gleichgültigkeit
nimmer ahnen konnte, erhub sich aller Orten, Vereine erstanden auf Ver-
eine, begüterte Privatpersonen traten mit ihnen in den Wettkampf, und
wie gross auch die Anzahl neuer, eigenthümlicher Kunstschöpfungen war,
welche wir gleichzeitig, wie durch einen Zauberschlag, hervorgerufen
sahen, so konnte sie doch das allseitige Verlangen nicht genügend befrie-
digen. Jetzt galt es nicht mehr, hülfsbedürftige Künstler zu unterstützen.
Man Hess allenfalls, gewissermaassen ehrenhalber, einen solchen Paragra-
phen am Eingange der Vereins-Statüten stehen; aber alle Absicht war nun
auf eignen Besitz gerichtet. Die beliebtesten Künstler empfingen Bestel-
lungen auf lange Jahre voraus; die Vereine wurden von der Menge als
Lotterie-Gesellschaften für Kunstwerke betrachtet.

Gewiss ist ein" solcher Zweck, an sich nicht gemein iind verwerflich;
gewiss gehören die Werke der Kunst zu den edelsten Besitzthümern, tra-
gen die in ihnen angelegten Kapitalien hohe und stets sich vermehrende
Zinsen. Und da es nur Wenigen vergönnt ist,, die Summe, welche ein
originales Kunstwerk kostet, mit Bequemlichkeit zu entbehren, da auch
wohl erst Wenige gelernt haben , dass man für den Genuss, welchen ein
Kunstwerk gewährt, andern Genüssen entsagen könne; so ist in der That
schon der Eröffnung der Möglichkeit, durch das Loos mit dem Besitze
eines Werkes für geringen Beitrag beglückt-zu werden, die Anerkennung
nicht zu versagen. Oder noch besser; da eben diese neuerwachte Kunst-

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1074 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

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liebe im Volk noch mannigfacher festerer Begründung, Nahrung und Aus-
bildung bedarf (wie auf solche jedenfalls der tägliche Umgang mit Kunst-
werken günstig einwirken muss), so ist es dankenswerth, wenn eine, je
nach den vorhandenen Mitteln erworbene Anzahl solcher Werke, für deren
höhere Gediegenheit eine Auswahl befähigter Männer bürgt, durch Bestim-
mung des Looses in den Privatbesitz vertheilt wird, üeberdies wird in
den meisten Vereinen darauf Rücksicht genommen, dass Nachbildungen der
vorzüglichsten unter den erworbenen "Werken in Kupferstich oder Litho-
graphie an sämmtliche Mitglieder ausgegeben werden, so dass niemand
leer ausgeht, und Treffliches, Förderndes und Anregendes in möglichster
Ausdehnung in das Leben eindringt.

Hand in Hand jedoch mit diesen Bestrebungen entwickelte sich noch
eine zweite Thätigkeit der Kunstvereine, welche ungleich grossartigere
Erfolge gezeigt hat; dies ist die eben bereits besprochene Einrichtung
der Kunst-Ausstellungen. Nur wenige Orte hatten bisher das Glück
gehabt, die künstlerischen Resultate der Gegenwart in periodisch wieder-
kehrenden Ausstellungen verfolgen zu können; nur wenigen auswärtigen
Freunden der Kunst war es vergönnt gewesen, Theil an diesen festlichen
Ereignissen zu nehmen. Bei weitem die grösste Masse des Volkes ahnte
es nicht, welch ein neues kräftiges Leben im Bereiche der Kunst sich zu
entwickeln begann, oder sie war einzig auf die ungenügenden, so oft trü-
gerischen Berichte der Zeitungen angewiesen. Plötzlich, sowie Verein auf
Verein sich bildete,'"wurden Ausstellungen auf Ausstellungen, auch für die
Mittelpunkte der einzelnen Provinzen, auch für die kleineren Orte, einge-
richtet und ihnen dieselbe Gunst gewährt, welche früher nur als ein Vor-
recht der grössten Residenzen erschienen war. Was die einzelnen Vereine
erworben hatten, sollte, vor der Austheilung in den Privatbesitz, erst noch
dem gemeinsamen Genüsse der Mitglieder, der öffentlichen Theilnahme
des gesammten nächsten Bezirkes hingegeben werden; Künstler sandten
ihre noch unverkauften Werke zur Erweiterung dieser Ausstellungen ein,
indem in diesen ein günstiger Markt eröffnet schien; Besitzer von Gemäl-
den, — Privatpersonen sowohl, wie andre verschwisterte Vereine, — Hes-
sen es niclit an der liberalsten Theilnahme fehlen, indem sie die Schätze
neuerer Kunst, mit deren Besitz sie durch das Glück begünstigt waren,
gern auch dem Genüsse entfernterer Kreise mittheilten. Dieser letzte
Punkt ist es vornehmlich, welcher die höchste Anerkennung verdient;
denn gerade den Mittheilungen solcher Art verdanken diö einzelnen Ver-
eine einen grossen Theil ihrer überraschenden Ausbreitung. Freilich hat
es auch nicht an Bedenklichkeiten gegen diese Versendungen der Kunst-
werke gefehlt; man bringt die Gefahren in Anschlag, denen sie dabei
leichter ausgesetzt sind, als wenn sie an fester Stelle ruhig aufbewahrt
werden. Doch wird, zugegeben, dass auch wirklich einmal, den ange-
wandten Vorsichtsmaassregeln zum Trotz, ein Kunstwerk nicht nur be-
schädigt werden, sondern gänzlich zu Grunde gehen könne, der Künstler
und Kunstfreund in jener eröffneten grossartigeren und allgemeineren
Wirksamkeit mehr als den Ersatz für den möglichen Verlust des Einzelnen
finden dürfen. Dass geringere Missstände, wie etwa die Möglichkeit einer
Beschädigung der Gemälde-Rahmen u. dergl., gegen jene allgemeinen Erfolge
gar nicht in Betracht kommen dürfen, scheint genügend zu Tage zu liegen.
So haben'denn auch überhaupt diese Bedenklichkeiten nur geringen An-
klang gefunden. Schon ist die grösste Anzahl der deutschen Kunstvereine

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223 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

(fast sämmtliche Vereine Nord-Deutschlands) in einen engeren Verband
zusammengetreten, um sich solcher Gestalt durch .gegenseitige Theilnahme
in den beabsichtigten Bestrebungen zu unterstützen; es ist namentlich eine
bestimmtere Aufeinanderfolge der einzelnen Ausstellungen, damit gegen-
seitige Beeinträchtigungen vermieden und eine leichtere Mittheilung der
auf dem Transport begritfenen Kunstwerke möglich werde, eingerichtet;
es ist der Beschluss gefasst worden, dass von einem jeden der verbunde-
nen Vereine jährlich ein grösseres Gemälde erworben und den Ausstellun-
gen der übrigen Vereine, um für dieselben somit einen sichern Fond
bedeutsamer Gegenstände zu gewinnen, mitgetheilt werde; und gewiss
wird diese, erst in den letzten Jaiiren gestiftete Vereinigung auch für die
Zukunft von immer bedeutenderen Folgen werden.

Indess empfand man es der Mehrzahl nach sehr wohl, dass dem wah^-
ren Zweck der Kunstvereine mit diesen Resultaten noch keinesweges
Genüge geleistet sei. Das Temporäre, Spannende und Vorübergehende,
was den Ausstellungen eigen sein muss, ist schon vorhin besprochen wor-
den; und unter denjenigen Werken, welche das Loos in den Privatbesitz
hinüberführen sollte, waren die vorzüglichsten und wirkungsreichsten
häufig weder in Beziehung auf den Inhalt, noch-in Rücksicht auf ihre
grösseren Dimensionen für eine solche Bestimmung wohlgeeignet. Einige
Vereine sprachen es somit in ihren Statuten bestimmt aus, dass diejenigen
unter den Kunstwerken, welche nicht für den* Privatbesitz passend seien
und deren grossartigere Bedeutsamkeit nicht dem blinden Spiele des Zu- ^

falls überlassen bleiben dürfe, an ötFentlicher Stätte untergebracht werden,
dass sie in solcher Weise immerdar dem öffentlichen Genüsse, der gemein-
samen Erbauung freistehen sollten. In dieser Hinsicht hat sich namentlich
der rheinisch-westphälische Kunstverein, der überhaupt den Vereinen .
Deutschlands durch ein eigenthümlich liberales Streben vorangeht, bereits
mehrfaches Verdienst erworben. — Andre Vereine, namentlich solche,
welche in Provin^lalstädten und für einen kleineren Bezirk entstanden,
haben sich aus demselben Grunde, aber mit bestimmterer Rücksicht auf J

die lokalen Interessen, für die Bildung öffentlicher Kunstsammlungen
entschieden.' Ueber diese Institute ist im Allgemeinen, ebenfalls schon im'
Vorigen gesprochen worden, und gewiss beruht auch hierin von Seiten
der Vereine ein edler und lobenswürdiger Zweck. Hiedurch wird das,
was bei den Verloosungen beabsichtigt war, in höherem.Mapse erfüllt,
. wird nicht einem Einzelnen allein, sondern vielmehr einer gesammten
Bevölkerung die Gunst gewährt, sich häufig und ohne Störung einem
edelsten Genüsse hinzugeben und der Vortheile, welche aus einem solchen
hervorgehen, theilhaftig zu werden. Für Provinzialsammlungen der Art
dürften indess noch einige besondere Bemerkungen beiläufig anzufügen
sein. Natürlich wird und muss hier von Seiten der Vereine die vornehmste
Sorge dahin gerichtet sein, dass man bei der Einrichtung solcher Samm-
lungen insbesondere Werke lebender Meister zusammenstelle, sofern diese
eben dem Geiste der Zeit entsprechen und am Leichtesten Theilnahme
und Verständniss hervorrufen; doch, meine'ich, dürfte es zweckmässig
sein, wenn man nicht allein hiebei stehen bliebe. Ob die Kunstrichtung
der Gegenwart sich überall rein und würdig erhalte, ist für uns Mitlebende
schwer zu erkennen, und Werke der höchsten und reinsten Bedeutung
sind, wie gesagt, immer nur selten und oft auch bei dem grössten Kosten-
aufwande nicht zu erlangen. Hier wende man sich an die grossen Muster

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224 Ueber die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst zum Leben.

der Vergangenheit. Freilich, Originalwerke der vorzüglichsten Meister
der Vorzeit werden für Provinzial-Gallerien noch seltner erreichbar sein;
aber wenn man sich auch nur bemüht, gelungene Kopieen, vornehmlich
aber die gediegensten Kupferstiche nach den Werken eines Leonardo,
Raphael, Michelangelo u. s. w. zusammenzubringen, so wird man, bei pas-
sender Aufstellung derselben, schon so einen Fond der edelsten Entwicke-
lung der höheren Kräfte des Menschen vor sich sehen. Man lasse es sich
sodann besonders angelegen sein, Gypsabgüsse der vorzüglichsten Antiken,
die eben durchaus vollkommene Nachbildungen der Originale und ver-
hältnissmässig höchst wohlfeil sind, in entsprechenden Räumen aufzustel-
len; denn in ihnen ja beruht, für den einigermaassen erweckten Sinn, eine
höchst vollkommene Belehrung über das, was schön ist, der klarste und
verständlichste Maassstab für das Urtheil. Man bestrebe sich, was von
künstlerischen Erzeugnissen des heimischen Alterthums seine Bestimmung
verloren hat, vielleicht unbeachtet und vergessen seinem Verderben ent-
gegen geht, zu sammeln, wiederherzustellen und somit darzuthun, dass
auch der heimische Boden (wie es ziemlich ohne Ausnahme der Fall ist),
schon in früheren Zeiten eine eigenthümliche und nicht zu verachtende
Kunstblüthe hervorgetrieben hat. Man suche in ein befreundetes Verhält-
niss zu den Vereinen für vaterländische Geschichte, deren in allen Pro-
vinzen Deutschlands bestehen, zu treten, und, wenn es irgend möglich ist,
die Sammlungen der Alterthümer, welche diese Vereine angelegt haben,
mit den Kunstsammlungen zu verbinden, damit solcher Gestalt gegenseitig
Ergänzendes bei einander sei und eine gehörige Breite der Sammlung dem
Beschauer Abwechselung und mannigfach verschiedenartiges Interesse ge-
währe. Gewiss wird es unter solchen Umständen auch nicht fehlen, dass
noch viel Wünschenswerthes an den somit gewonnenen Stamm anschiesse;
dass liberale Kunstsammler ihre Besitzthümer, oder einen Theil derselben
lieber an öffentlichem Orte als in den eignen oft wenig passenden Wohn-
zimmern aufgestellt sehen, wie solches z. B. in Prag durch die „Gesell-
schaft patriotischer Kunstfreunde" bereits die glänzendsten Erfolge gezeigt
hat; dass namentlich die Regierungen freundlich fördernd ins Mittel treten,
und von dem Ueberfluss der in den grösseren Residenzen aufgehäuften
Kunstschätze das Entbehrliche mittheilen, „Filial-Gallerieen" in den Pro-
vinzen neben den „Central-Gallerieen" jener Residenzen errichten helfen,
wie eine Einrichtung der Art z. B. im Königreich Baiern begonnen ist,
wo Städte wie Augsburg und Nürnberg sich bereits schöner Kunstsamm-
lungen neben den grossen Museen von München erfreuen,, und wie Aehn-
liches gegenwärtig auch in Preussen ins Werk gesetzt werden soll. Denkt
man sich nun eine in solcher Weise gewonnene Sammlung zweckmässig
nach den Fächern geordnet, durch einen Katalog erläutert, welcher das
Fremdartige, Alterthümliche, einer vergangenen Geistesrichtung Angehö-
rige, auch für den Nichtkenner fasslich macht, die Sammlungen endlich
in wohlgewählten Stunden (etwa den Mittagsstunden des Sonntags) für den
Besuch des grösseren Publikums eröffnet, so wird man in der That hie-
durch bereits einer nachhaltigen Einwirkung auf den Sinn und-Geist des
Volkes gewiss sein können. Nur beiläufig möge hier noch erinnert wer-
den, wie mannigfache Hülfsmittel den höheren Bildungsanstalten zugleich
in solchen Sammlungen erwachsen würden.

Noch ist von verschiedenen Kunstvereinen ein besondrer Nebenzweck
ihrer Wirksamkeit ausgesprochen worden, nemlich der, dass'man im All-

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225 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

gemeinen (nicht bloss in der so eben angedeuteten Beziehung) für die Er-
haltung der vaterländischen Kunstalterthümer, d. h. der in
früherer Zeit gegründeten Monumente der Kunst, Sorge tragen wolle;
und es ist auch im Einzelnen bereits sehr Rühmliches der Art unternom-
men worden. Ein solches Bestreben halte ich, so sehr es für den ersten
Augenblick als ein nur untergeordneter Zweck erscheint, seiner Tendenz
nach für wichtiger als alles bisher Berührte. Denn hierin ist es bestimmt
ausgesprochen, dass man nicht bloss eine,Einwirkung der Kunst auf die
Einzelnen im Volke, sondern auch auf das Volk selbst als Gesammt-
Individuum, — nicht bloss den Werth eines zufälligen künstlerischen
Schmuckes, sondern auch die Fähigkeit der Kunst,,in die besonderen*Le-
bensverhältnisse des Volkes einzudringen und dieselben zu verklären , —
nicht bloss Privat-Interessen, sondern den wahrhaft öffentlichen, monu-
mentalen Charakter der Kunst anerkenne. In der Errichtung von Monu-
menten, seien sie architektonischer Art, seien es Bildwerke oder Gemälde,
besteht die grösste moralische Kraft der Kunst; sie sind Gedächtuissstätten,
in welchen die Momente grosser gemeinsamer Begeisterung Form und
Gestalt gewonnen haben; sie sind es, welche das Band dieser Begeiste-
rung stets lebendig, in steter unwandelbarer Kraft erhalten. Die Monu-
mente sind die grossen Buchstaben der Geschichte, mit denen dieselbe
sich in die Herzen des Volkes, von Nachkommen zu Nachkommen, ein-
prägt. Ein Volk ohne Monumente ist ein Volk ohne Geschichte, ohne
Heimat. Ein Volk ohne Monumente hat wenig Bürgschaft für ^lle die-
jenigen Tugenden, welche aus der iJiebe zum Vaterlande entspriessen'). —
Aber der Sinn des Menschen känn umdüstert werden, dass er diese Schrift
nicht mehr zu lesen vermag. Die Interessen und Leidenschaften des Tages
können seine Gedanken auf eine fremde Bahn hinlenken, dass er die Be-
deutung dieser Buchstaben vergisst, dass er kalt und empfindungslos au
ihnen vorübergeht und gleichgültig der Zerstörung zusieht, welche die
rohe Gewalt der Elemente, die rohere eines gewinnsüchtigen Frevels über
die Monumente hereinführt.. Darum ist es so schön und gross, wenn man
mit Absicht und Entschlossenheit ans Werk schreitet, um einer solchen
Zerstörung, wo sie eingerissen, wiederum Einhalt zu thun, um jene Schrift,
wo sie erloschen ist, wiederum lesbar zu machen, um das Volk durch ent-
schiedene That wiederum zu überzeugen, welch ein unerschöpflicher Nah-
rungsquell seiner edelsteUj unbesiegbarsten Kräfte in dem Vorhandensein
jener Monumente verborgen ist. Wo die grosse Scheidung zwischen Gegen-
wart und Vergangenheit wiederum aufgehoben wird, da treteh die Geister
unsrer Vorfahren in einen Bund mit uns, dessen Stärke durch keine äus-
sere Gewalt gebrochen werden kann.

Was jedoch die Ausführung der Restaurationen vorhandener Monu-
mente anbetrifft, so glaube ich, dass man gerade hierin mit der äusser-
sten Sorgfalt verfahren müsse, dass man sich mit grösster Bestimmtheit die
neue Gefahr vergegenwärtige, welche so leicht durch missverstandenen
Eifer herbeigeführt werden kann. Wir haben es. zur Genüge erlebt, wie

') Es versteht sich von selbst, dass obige Bemerkungen-in ähnlicher Weise,
wie für die Monumente der bildenden Kunst, so anch für die Monumente der
Sprache, der Musik, der Sitte u. _dergl. Gültigkeit haben; obgleich alle diese
insgemein nicht von ebenso unmittelbar überzeugender Wirkung sein können.

Kugler, Kleine Schriricn. UI, 15

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1078 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

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jenes, an sich so edle und ruhmwürdige Streben geradezu in eine verwerf-
liche Neuerungssucht umartete, die, indem sie aufs Neue die geschichtliche
Bedeutung der Monumente verkannte, neue Werke aus den alten herzu-
stellen bemüht war, die von dem Princip eines eingebildeten Schönheits-
gefühles ausgehend, umzugestalten begann, wo noch Werthvolles vorhan-
den war, — Ordnung und Symmetrie nach nüchternen Schulregeln ein-
führte, wo dieselben in höherem Sinne nur Missordnung zu nennen sind, —
abglättete und ausputzte, wo die Farbe der Geschichte (die natürlich etwas
Andres ist als Schmutz und Verderbniss) gerade den mächtigsten Eindruck
auf das Gemüth des Beschauers hervorbrachte.

Es ist, ich wiederhole es, schön und würdig, dass die Kunstvereine,
als die Organe des Volkes, für die Erhaltung vorhandener Monumente zu
sorgen begonnen haben; aber die angedeuteten Gefahren sowohl, als auch
der Umstand, dass dies Geschäft, sollte es mit einiger Genüge durchge-
führt werden, der anderweitigen — möglicher Weise auch noch höheren
Thätigkeit der Vereine bedeutenden Abbruch thun würde, lassen es wün-
schen, dass die Regierungen selbst diesen Punkt einer näheren Aufmerk-
samkeit würdigen möchten. Im Einzelnen ist für denselben zwar von den
Regierungen ebenfalls schon Bedeutendes und geradezu Grossartigstes (die
Restauration ganzer Dome) angeordnet worden; doch, meine ich, dürfte
es für die Sache noch ungleich erspriesslicher sein, wenn man dabei mehr
systematisch und nach einem geordneten Plane zu Werke ginge. Wollte
man z. B. eine Commission befähigter Männer ernennen, welche die oberste
Leitung dieser Angelegenheiten in Händen hätte , welche damit anfinge,
das gesammte Land, Kreis für Kreis, zu durchforschen und sich somit
zuerst über die Menge, den Werth und Zustand des Vorhandenen zu ver-
gewissern, — welche sodann, in der Ausführung des Restaurations-
Geschäftes, Schritt vor Schritt von dem dringendsten Bedürfniss zu dem
bloss Wünschenswerthen überginge, — welche dasjenige, was im Laufe der
Zeit seine Bestimmung verloren hat und gänzlicher Vernichtung anheim-
gegeben ist, nach Möglichkeit sammelte oder sonst dessen Erinnerung den
späteren Geschlechtern sicherte, — welche endlich eine fortwährende In-
spection über diese Gegenstände ausübte; so dürfte man gewiss auf die
allererfreulichsten Erfolge rechnen können. Auch dürfte in der That den
Regierungen aus einem solchen Institute ein kräftiger Wall gegen die be-
fangene Umwälzungslust unsrer Tage erwachsen; den Beweis des Gegen-
theiles wenigstens hat die Geschichte geführt. Die französische Revolu-
tion, die einen ganz neuen Zustand der Dinge hervorrufen wollte und es
wohl erkannte, wo Treue, Anhänglichkeit und Vaterlandsliebe ihren Sitz
haben, begann folgerecht damit, dass sie die theuersten Gedächtnissstätten
und Heiligthümer des Volkes in frechem Muthe zernichtete und schändete.

Doch kehren wir noch einmal zu der Wirksamkeit der Kunstvereine
zurück. Ich deutete eben auf ein noch höheres Ziel derselben, als es die
Sorge für Erhaltung vorhandener Monumente ist, hin: ich meine die Er-
richtung neuer Monumente für die Gegenwart. Denn die Gegenwart
hat doch das höchste Recht, sie verlangt doch die höchsten Aeusserungen
des Lebens. Was nützt eine Reihe grosser Ahnen, wenn der Enkel sich
ihnen nicht würdig anreiht? was die ererbte Scholle, wenn wir sie nicht
aufs Neue bestellen? Ja, und wo ein Volk ohne .Heimat ist, da kann es
sich diiBselbe erwerben, und seine Heimat wird da sein, wo es dem Boden
das cigenthümliche Gepräge seines Geistes aufgedrückt hat., In der Grün-

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227 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

dung öffentlicher Monumente empfängt das Volk erst dag eigentliche Be-
wusstsein seiner edelsten Geistes- und Gemüthskräfte, lernt es die Kunst
erst in ihrer höchsten Würde und durchgreifenden Bedeutsamkeit erkennen,
wird dem Künstler erst die Gelegenheit zur vollkommensten'Entwickelung
gegeben. Hieher zu wirken, scheint mir der schönste, der eigentliche Le-
benszweck der Knnstvereine, sofern diese das künstlerische Organ des
Volkes sein wollen, — und ihre Ausdehnung, ihre jährlich vermehrte An-
zahl lässt nicht mehr bezweifeln, dass sie es wirklich sind. Auf die Er-
füllung dieses Zweckes müsste ihr vorzüglichstes Streben gerichtet sein,
auch wenn sie andre Nebenabsichten, schon der äusseren Subsistenz wegen,
nicht ausser Acht lassen dürfen. Sie sollten sich nicht bloss passiv ver-
halten und empfangen, was ihnen die Künstler geben, sondern mit eigner
Thätigkeit in die Kunstrichtung der Zeit eingreifen. Sie sollten die Kunst
nicht bloss momentan und pekuniär unterstützen, sondern durch würdigste
Aufgaben den allgemein vorhandenen Sinn für die Kunst — und somit
zugleich die Künstler und die Kunst selbst zur höchsten Entwickelung för-
dern. Denn die Geschichte beweist es, dass die grossartigsten Leistungen
der Kunst keinesweges aus der eignen Machtvollkommenheit der Künstler
hervorgegangen sind, dass sie vielmehr nur da entstanden, wo dem Drange
des Genies ein Gegenstand gegenübertrat, dessen Inhalt die tiefsten In^
teressen in Zeit und Volk umfasste und dessen Darstellung durch würdige
Stätte vermittelt und bedingt war.

Auch in dieser Beziehung jedoch fehlt es bereits nicht an einzelnen
sehr beachtenswerthen Anfängen, um die Thätigkeit der Kunstvereine zu
ihrer höchsten Wirksamkeit hinüber zu leiten, und vor allen ist hier wie-
derum des rheinisch-westphälischen Kunstvereins, durch dessen Mittel und
Unterstützung schon verschiedene Werke monumentaler Kunst zu Stande
gekommen sind, mit rühmlichster Anerkennung zu gedenken. Was durch
diesen Verein in dem weiten Umkreise seiner Wirksamkeit geleistet wird,
dürfte, wie 'es scheint, in noch leichterer, noch bestimmterer Weise von
denjenigen Kunstvereinen nachzuahmen sein, die für enger geschlossene
Bezirke, für lokale, im Einzelnen sogar städtische Zwecke gegründet sind,
und die somit spezielle Verhältnisse, spezielle Wünsche und Bedürfnisse
am Besten ins Auge zu fasseu vermögen. ^

Ehe wir hierauf jedoch weiter eingehen, ist es wiederum nöthig, noch
andre Erscheinungen der Gegenwart näher zu berücksichtigen. Die^ Stel-
lung der Vereine zu Kunst und Leben ist,- wie wir gesehen haben, trotz
ihrer ausgebreiteten Thätigkeit bis jetzt im Allgemeinen nur eine mehr
äusserliche geblieben. Sie haben vielfach zur künstlerischen Produktion
und zum Wohlgefallen an derselben angeregt, aber sie haben es, bis'auf
die einzelne Ausnahme,, noch nicht vermocht, dieser Produktion, diesem
Begehren eine entschiedene Richtung, einen tieferen Inhalt zuzuertheilen.
Gerade aber dieser tiefere Inhalt der Kunst und die allgemeine Anerken-
nung und die allgemeine Forderung desselben bedingen erst die monu-
mentalen Erzeugnisse der Kunst, und somit die Erscheinung einer aus
dem edelsten Keiine hervorgegangenen Kunstblüthe. Blicken wir demnach
umher, was von andern Kreisen des Lebens aus, für die Hervorbringung
künstlerischer Monumente geschieht.

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lieber die gegenwärtigen Verliältnisse der Kunst zum Leben.

228

Hier haften unsre Augen vor Allem, was in ähnlicher Beziehung an
andern Orten ins Leben tritt, auf den grossartigeu Kunst-Unternehmungen,
welche zu München durch den Willen des jetzt regierenden Königes
Ludwig von Bayern hervorgerufen worden sind und täglich neu hervor-
gerufen werden. Alles, was auf den Befehl dieses begeisterten Schützers
der Künste unternommen Avird, hat in der That ein monumentales Ge-
präge; Alles dient der Offenbarung, der Verherrlichung tiefsinniger und
fruchtbringender Ideen; Alles, wie reich es auch in die mannigfaltigsten
Theile gegliedert sein mag, vereinigt sich auf einander entsprechende
Weise zu einem grossen, bedeutungsvollen Ganzen. Und die Fülle, die
Breiten-Ausdehnung dieser Unternehmungen ist so ausserordentlich, dass
vielleicht in der gesammten neueren Kunst-Geschichte kein Beispiel von
ähnlich umfassender Anwendung der Kunst aufzufinden sein dürfte.

Die Baukunst bietet den ganzen Reichthum ihrer Formen dar, um
diese emporragenden Kirchen, diese majestätischen Paläste, diese zahlrei-
chen Gebäude zu gemeinnützigen Zwecken diese Ehren-Denkmale in man-
nigfachster Verschiedenheit prangen zu lassen. Die Bildhauerkunst schliesst
sich diesen Werken der Baukunst an, indem sie ihnen, im edelsten Style,
Leben und Seele zu geben bemüht ist. Ebenso die Kunst der Malerei;
und sie vornehmlich ist es, welche sowohl in Bezug auf den, fast unüber-
sehbaren Reichthum der Gegenstände, als auf die geistreiche Behandlung
der Stoffe, hier ein vorwiegendes Interesse gewährt. Für die hochräumige
Ludwigskirche werden von Cornelius die grossartigsten Fresken bereitet,
welche die Hauptmoraente des christlichen Glaubens in bedeutsamer Ent-
faltung vorführen; die bereits vollendeten Cartons zu diesen Fresken werden
allgemein als Werke von vorzüglichstem Werthe gepriesen. Die Aller-
heiligen-Kapelle ist von H. Hess mit Freskomalereien auf Goldgrund ver-
sehen, in denen die wichtigsten Begebnisse, Personen und Gedanken des
alten und des neuen Bundes einander gegenübergestellt sind. Die pro-
testantische Kirche enthält ein kolossales Deckengemälde von C. Hermann,
ebenfalls tiefsinniger Bedeutung voll. Die gothische Kirche in der Vor-
stadt Au empfängt einen Schmuck leuchtender Fensterbilder, welcher den
kunstreichsten Erzeugnissen des deutschen Mittelalters die Wage hält.
Die Festsäle der Glyptothek führen in den wundersamen Compositionen
von Cornelius die Mythen der griechischen Götter- und Heroenwelt ebenso
lebendig wie in organischem Zusammenhang und Verhällniss vor die
Augen des Beschauers; sie leiten aufs Würdigste die Betrachtung der
Meisterwerke klassischer Kunst, welche dies Gebäude aufbewahrt, ein.
Die Corridore der Pinakothek werden, in einer gemessenen Folgereihe, mit
charakteristischen Scenen aus der Geschichte der neueren Malerei ge-
schmückt. Die Wohnung des Königes (der neue Königsbau) prangt mit
zahllosen, von beinahe dreissig Künstlern gefertigten Wandgemälden,
welche die Erzeugnisse der deutschen und der griechischen Poesie in
lebendiger Form und Gestalt darstellen und welche in solcher Weise den
Ort, auf den die Augen des Volkes mit Vertrauen geheftet sind, als die
milde Behausung der Musen erscheinen lassen. In einem zweiten neueu
Flügel der königl. Residenz, der für die grossen Hoffeste bestimmt ist,
wird Schnorr die Geschichte der Hohenstaufen, jenes an höchstem Glanz
und tragischem Geschicke so reichen deutschen Kaiserhauses, malen. "^In
den öffentlichen Arkaden des Hofgartens sieht man eines Theilsidie Haupt-
momente aus der Geschichte des bayrischen Königshauses und würde-

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Ueber die gegoiiwärtigen Verhältnisse der Kunst zuDi Leben. 229

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volle allegorische Figuren in Bezug auf diese Geschichte, andern Theils
eine grosse Reihenfolge berühmter' italienischer Gegenden von Rottinann
dargestellt, denen sich Ansichten des griechischen Landes, welches mit
Bayern in so naher Beziehung steht, anreihen werde'n. Das alte Isar-Thor,
ein Denkmal aus den mittelalterlichen Zuständen der Stadt, ist mit einem
grossen Freskogemälde von Neher, den siegreichen Einzug Ludwig's des
Bayern, eine der schönsten Erinnerungen aus der bayrischen Geschichte,
darstellend, geschmückt. — Die Zunge des Erzählers ermüdet, indem sie
all diese, mehr oder ndinder tief bedeutsamen Gegenstände, welche der
künstlerischen Darstellung dargeboten wurden und denen sich ausserhalb ,
Münchens noch so mannigfach Wichtiges anschliesst, aufzuführen bemüht
ist. Möge es hier genügen, nur flüchtigst an das Umfassendste erinnert
zu haben.

Wenden wir uns von diesen Unternehmungen, welche mehr als ailles
bisher Berührte geeignet sein dürften, die Kunst unsrer Zeit dem schönsten
Punkte ihrer Entfaltung entgegenzuführen, nunmehr zu dem Verliältniss,
in dem sie zu den allgemeinen Interessen der Gegenwart stehen! — Die
Frage, die sich hiebei zunächst aufdrängt, inwiefern sie nemlich aus all-
gemein vorhandenen Bedürfnissen und Gefühlen hervorgegangen sind, kann,
wie es scheint, als ziemlich überflüssig, unberücksichtigt bleiben. Die
Existenz dieser Kunstwerke, ihre innere Bedeutsamkeit, der Umstand, dass
sie von einem Theile der vorzüglichsten Künstler, welche Deutschland
besitzt, ausgeführt sind, ~ dürfte eine mehr als genügende Antwort auf
eine solche Frage abgeben. Ihre Gültigkeit beruht vor Allem, wie die
eines jeden grossartigen Kunstwerkes, in ihnen selber. Wohl aber dürfte
eine zweite Frage schärfer ins Auge zu fassen sein: die nemlich, ob nun
diese Kunst-Unternehmungen vermögend sein werden, der deutschen Kunst
im weiteren Umkreise ihre monumentale Würde wiederzugeben, die Noth-
wendigkeit der letzteren — wenn es sich um die höheren Interessen des
Lebens handelt — klar und folgerecht herauszustellen, und somit den
Sinn des Volkes auf diese künstlerische Gestaltung seiner höheren Interessen
mit Ueberzeugung hinüberzuleiten.

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine so bedeutende Erscheinung
nicht ohne weitere Wirkung vorübergehen kann. Schon die Darlegung
der Möglichkeit, dass iinsre Zeit allerdings monumentaler Erzeugnisse eines
solchen Umfanges fähig sei, und eine Darlegung so glänzender Art, wie
es hier der Fall ist, muss in hohem Grade auf das Gemüth des Betrach-
tenden einwirken, muss auch dem Ausländer den Wunsch nach ähnlichen
Besitzthümern tief und lebendig einprägen. Sodann ist in diesen Unter-
nehmungen zugleich eine Schule für die monumentale Kunst eröffnet, wie
wir sie seit langer Zeit nicht vor uns gesehen haben. Das Anschauen
früherer Werke nützt in diesem Betracht nur wenig, da ihr Inhalt eben
nicht mehr den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht: dagegen hier eines
'Theils eine neue, selbständige Uebung in der Behandlung der mannigfach-
sten, dem modernen Leben angemessenen Stolfe uns entgegentritt, andern
Theils die verschiednen technischen Bedingnisse grossräumiger Kunst in
der erschöpfendsten Weise neu ergründet und ausgeführt werden. Aber
Alles dies deutet doch nur mehr darauf hin, dass die Mittel vorhanden
sind, monumentale Werke auch anderweitig in würdiger Weise durchzu-
führen, nicht aber, dass auch bereits'das Begehren nach solchen in die
ferneren Kreise des Lebens fühlbar eingedrungen is't. Die Kunst-Unter-

.Ml.

-ocr page 231-

Ueböi' die gegenwärtigen Verhältnisse der Knust znni Leben.

iielimungen zu Mflachen haben durchweg und ausschliesslich ihren Mittel-
punkt in der Person des Königs; was in ähnlicher Weise bis jetzt in
Bayern hervorgetreten ist, dürfen wir noch nicht wagen, einem andern, als
dem unmittelbaren Einflüsse desselben zuzuschreiben. Zwar knüpfen sich
überall die grossen Erscheinungen der Geschichte an einzelne hervor-
stechende Persönlichkeiten an, aber dauerhaften Einfluss und Fortschritt
haben sie stets nur dann gewonnen, wenn ihnen in der Menge ein em-
pfänglicher Sinn entgegen trat. Nur wenn wir die Spuren eines solchen
aufzufinden vermögend sind, dürfen wir von jenen Unternehmungen und
von den durch sie hervorgerufenen Mitteln die weiteren günstigen Erfolge
erwarten.

Die Kunstvereine, von denen im Vorigen gesprochen wurde, gehören
vornehmlich, sofern man die Gegenden ihrer ausgebreitetsten Thätigkeit
in's Auge fasst, Norddeutschland an; wir dürfen sie gewissermaassen als
den Gegenpol jener, durch König Ludwig hervorgerufenen Bestrebungen
betrachten. Diese zwiefache, einander entgegengesetzte Gestaltung der
Kunst-Interessen, — die zugleich den beiden hervorstechendsten Richtun-
gen der gegenwärtigen deutschen Kunst (der Düsseldorfer und der Münch-
ner Schule) vornehmlich Nahrung und Pflege geben, — dürfte jedoch von
vornherein, bei grösserem Ueberblick, nicht eben als ungünstig zu betrach-
ten sein; wenigstens lehrt die Geschichte, dass insgemein in Folge von
ähnlich auseinandertretenden Richtungen, durch das somit erlangte Bewusst-
sein der Gegensätze, eine höhere, vollkommnere Einigung erfolgt ist.
Doch dürfte die Hoffnung für die Zukunft, die hierin zu suchen wäre,
Vielen allzu trügerisch und unsicher erscheinen. Suchen wir also nach
bestimmten Zeugnissen, inwiefern etwa an andern Orten das Begehren nach
monumentaler Kunst hervorgetreten ist.

Von Seiten der übrigen Fürstenhöfe und Regierungen ist nicht Vieles
geschehen, was die Kunst in ähnlicher Bedeutsamkeit, wie es in München
der Fall ist, hervortreten liesse. Aber auch das Einzelne ist zu berück-
sichtigen. Die Architektur erfreut sich in dieser Beziehung, wie es in der
Regel der Fall zu sein pflegt, der vorzüglichsten Begünstigung; die Pracht-
gebäude Berlins, welche in den letzten Decennien entstanden sind, müssen
hier vornehmlich als das Schönste, was die Gegenwart in dieser Kunst
hervorgebracht hat, angeführt werden. Die Sculptur hat in Berlin eben-
falls einen grossartig monumentalen Charakter gewonnen und die Ehren-
denkmale, welche Rauch's und Andrer Künstlerhand für Berlin, sowie für
andre Orte geschaffen hat, zeugen von dem gehaltvollen Aufschwünge
auch dieser Kunst. Die Malerei hingegen wird nur wenig zu höheren
Zwecken benutzt. Das Museum von Berlin zeigt hinter der Prachtreihe
seiner ionischen Säulen noch die öden Wände, welche zur Aufnahme jener
ebenso tiefsinnigen wie anmuthreichen Compösitionen Schinkel's bestimmt
waren. Die Wandgemälde in der Aula der Universität von Bonn (die vier
Fakultäten darstellend), jene Malereien, die gegenwärtig im grossherzog-
lichen Schlosse von Weimar nach den Dichtungen von Goethe und Schiller
begonnen werden, stehen neben einigen andern Unternehmungen nur als
sehr vereinzelte Anfänge da.

Doch ist auch diesen Anfangen immerhin wenigstens die Anerkennung
nicht zu versagen. Wichtiger für die Belebung des Sinnes für monu-
mentale Kunst ist eine Reihe andrer Erscheinungen, die in der jüngsten
Vergangenheit in's Leben getreten sind und denen sich von Jahr zu Jahr

230

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231 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Neues anreiht. Ich meine jene Gedächtnissstatuen berühmter» Männer,
welche hier und dort durch einzelne Kreise begeisterter A^erehrer, durch
freiwilliges Zusammentreten zu rühmlichem Zwecke, errichtet werden.
Hierin spricht sich in der That schon die weitere -Verbreitung jener Ge-
sinnung aus, dass man überhaupt monumentaler Werke zur würdigen Aus-
füllung des Lebens bedürfe und dass man eine künstlerische, d. h. in sich
vollendete und abgeschlossene Gestaltung dieser Werke anerkenne. Frei-
lich handelt es sich hier nur um eine einzelne Richtung monumentaler
Kunst, aber wenn der Sinn wirklich für das Eine erwacht ist, so dürfen
wir auch wohl der Hoffnung leben, dass er weiter um sich blicken und
allmälig auch das Nähere und Fernere mit in den Kreis dieses Bedürf-
nisses hineinziehen werde: - -

Mit der Malerei sieht es für diesen Augenblick freilich weniger gün-
stig aus. Wenn wir einige wenige Altarblätter, die durch die Regierun-
gen, durch kirchliche Gemeinden oder durch begüterte Privatleute gestiftet
worden sind, ausnehmen, so finden wir kaum noch andre Bestrebungen,
die auf die Beschaffenheit monumentaler Gemälde hinausgingen. Und doch
ist die Malerei, die dem Gefühle des Menschen fast vor Allen am näch-
sten steht, gerade am nächsten geeignet, seinen Sinn auf eine höhere
Richtung zu leiten, ihm in der verständlichsten Sprache die höheren In-
teressen des Lebens gegenüberzuführen! Und doch ist für sie gerade.aller
Orten die günstigste Gelegenheit zur Behandlung dieser höheren Interessen
gegeben! Blicken wir in die frühere Blüthezeit der Kunst zurück, wie trat
dort Überall in jene Orte,^ an welchen die Verhältnisse des öffentlichen
Lebens sich concentrirten, die Kunst der Malerei verschönernd, belebend,
beruhigend und würdigend hinein! Und sollten wir denn so ganz unem-
pfindlich gegen die hohen Vortheile sein, welche aus einer solchen Um-
gebung hervorgehen müssen ? Vor Zeiten gab es kein Rathhaus, in welchem
nicht Zeugnisse männlicher Tugend, strengen Rechtes, göttlicher Ordnung
von den Wänden zu dem Beschauer sprachen; -wir aber begnügen uns in
den Sitzungszimmern unsrer Behörden mit den öden Wänden, als ob wir
jener edlen Mahnungen nicht mehr bedürften. Die Innungen und Zünfte,
welcher Art sie sein mochten, setzten einen Stolz darin, sich bei ihren
Versammlungen von den würdigsten Gestalten'und Ereignissen, die zur
Nachfolge anspornen konnten, umgeben zu sehen; unsre freien Gesellschaften
und Vereine (die an die Stelle jener getreten sind) verschmähen das schöne
Band, welches in jenen Bildern gewoben war, Und gerade in diesem
Verhältniss könnte der Kuri'st ein Feld gewonnen werden, welches der
glücklichsten Bestellung sicher sein würde. Wie mannigfaltig sind die
Vereine, die sich zu unsrer Zeit gebildet haben, und wie umfassend könn-
ten die Gegenstände sein, welche sie zum Schmuck ihrer Versammlungs-
orte dem Künstler darbieten dürften! — So bauen wir auch wohl, wie
die Vorzeit, noch Hallen zum Schmuck öffentlicher Orte, zur Bequemlich-
keit des Handels und Wandels, aber vergebens suchen wir nach den Bil-
dern der Grossthaten unsres Volkes, welche dort mit redender Zunge zum
Volke sprechen könnten.

Und unsre Kirchen! — Aller Gipfelpunkt der Kunst vereinte sich zu
allen Zeiten mit den religiösen ISedÜrfnissen und Verhältnissen des Lebens.
Das höchste Kunstwerk entstand stets nur da, wo der höchste Inhalt, der
religiöse Glaube, behalidelt ward, und es diente ebensosehr dazu, diesem
Inhalt die nöthige, würdig entsprechende äussere Gestalt zu geben. Aber

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232 lieber die gegeiiwärtigeu Verhältnisse der Kuust zum Leben.

Avir haben ja kaum eine Kirche, welche dem Verlangen der Gegenwart
entsprechend wäre, — Gebäude wohl, in denen m()glichst viel Menschen
zum Anhören einer beliebigen Predigt Platz finden, keins aber, welches
unser Gemtlth von selber, durch seine unmittelbare Umgebung, zu den
höchsten Gedanken emporheben könnte. Und wir haben auch keine reli-
giöse Malerei. Zwar giebt es Manche, die da behaupten, das Gebiet der
christlich religiösen Malerei sei in den früheren Stadien bereits durchlau-
fen, und was einmal vorüber, dürfe nicht wieder nachgeahmt werden. Aber
ist unser Glaube denn so kurz, dass er nur von den Seiten, welche die
Vorzeit zunächst erfasste, immer und immer wieder dargestellt werden
müsse ? Umfasst er nicht die ganze Natur und die ganze Geschichte ? Giebt
es denn nicht, wenn ihr jene heiligen Bilder des Schmerzes verschmäht,
eben so gut auch unzählige Bilder der Freude, der Weisheit, der Erfül-
lung, welche der Darstellung harren? Gehen wir doch nur, um ein Bei-
spiel andrer Auflassung zu geben, als es im Mittelalter der Fall war, auf
jene ältest-christllchen Darstellungen zurück, in welchen, mit wie mangel-
hafter und verdorbener Form auch, gleichwohl eine Fülle der anmuth-
vollsten und sinnreichsten Situationen vorgebildet war. Und sollten uns
diese nicht möglicher Weise zu ähnlichen Auffassungsweisen hinleiten
dürfen?

Die Wiedereinführung der Kunst in die Kirche und in das Öffentliche
Leben, d. h. ihre monumentale Bestimmung, dies ist es, wovon vornehm-
lich die tiefere Begründung einer neuen Kunstblüthe abhängen wird, —
ebenso wie ihre grössere Verbreitung durch das nähere Verhältniss zum
Handwerk bedingt ist. Es fehlt nicht an bedeutenden künstlerischen Kräf-
ten, es fehlt nicht an mannigfachem Wohlgefallen an der Kunst, es fehlt
auch nicht an einzelnen, sehr beachtenswerthen Zeugnissen für das Vor-
handensein jenes tieferen Sinnes für die Kunst. Aber erst dann, wenn
derselbe weiter im Volke um sich gegriffen hat, dürfen wir einem wahr-
haft grossartigen Aufschwünge entgegen sehen, denn das Einzelne kann
immer keine Gewähr für die Zukunft geben. Vielleicht jedoch ermuntern
jene einzelnen Beispiele zur weiteren Nachfolge; vielleicht lassen es sich
die Kunstvereine angelegen sein, statt der zweifelhaften Erfolge, die sie
bisher erreicht, einen grösseren Ernst hervorzurufen und in Verbindung
mit andern Kreisen des Lebens selbstthätig und zum einzeln bestimmten
Zwecke in die Kunst einzugreifen; vielleicht auch ist das Bedürfniss nach
einer dem Öfl'entlichen Leben gewidmeten Kunst schon unbewusst vorhan-
den, und wartet nur eines ähnlich kräftigen Anstosses, wie üm die Kunst-
vereine bereits nach einer andern Richtung hin, so viel erfolgreicher als
man vermuthen durfte, gegeben haben.

Dies wird uns die Folgezeit lehren. Inzwischen schreitet die Gegen-
wart vorwärts, aber unsre Hoffnungen sind in ihrem Geleit,

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BEIUCHTE, KRITIKEN, ERÖRTERUNGEN^.

1837 — 1841.

Portrait-Statuetten. ~ Berlin.
(Museum 1837, No. 4.)

Im Atelier äes Herrn Prof. Rauch, in welchem der Gypsabguss der
nunmehr vollendeten kolossalen Dürer-Statue aufgestellt und seiner Ab-
sendung nach Nürnberg (zum Bronzeguss) nahe bereit ist, sahen wir kürz-
lich den talentvollen Schüler des Meisters, Hrn. Bläser, beschäftigt, eine
kleine Copie dieses "Werkes, welches durch Gegenstand, wie durch Aus-
führung gleich anziehend ist, anzufertigen; so dass* den Verehrern des
deutschen Malerfürsten die Hoffnung bleibt, in solcher Weise dereinst einen
eben so erfreulichen als würdigen Schmuck ihrer "Wohnungen empfangen
zu dürfen,

Herr Drake (gegenwärtig auf einer Reise in Italien begriffen) hat vor
seiner Abreise eine treffliche kleine Portraitstatue, das'Büdniss des Herrn
Professor Wach, hinterlassen. Der Künstler ist in schlichter Stellung, im
einfachen Ueberrock, die Palette in der Linken und den Pinsel in der
Rechten, das Haupt sinnend vorwärts geneigt, dargestellt und bei jener
einfachen Gesammt-Auffassung, welche die Gesetze der Plastik erfordern,
von einer individuellen Lebenswahrheit, welche höchst anziehend wirkt.
Diese Figur schliesst sich im Grössenmaass und in der Behandlung jenen
andern Statuetten Drake^'s an, welche bereits so mannigfachen Beifall ge-
funden haben; denen von Schinkel, Rauch, Alexander und Wilhelm,,von
Humboldt, und den auf der letzten Berliner Ausstellung gesehenen Figu-
ren Schiller's und Beethoven's, — letztere in zwiefach verschiedener Weise,
einmal mehr in nachdenkender Ruhe, das andremal in mehr begeistörter
Bewegung dargestellt..

Mit Vergnügen entsinnt sich Referent hiebei jener zahlreichen Reihen-
folge kleiner Portraitstatuetten der berühmtesten Maler, welche von Herrn

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234 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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Schwanthaler zu München als Modelle der für die Pinakothek bestimm-
ten Statuen gefertigt sind. Auch diese meisterhaften Arbeiten dürften, bei
einer weitern Verbreitung, gewiss für den Privatbesitz von Seiten der
Kunstfreunde eifrig gesucht werden.

Ueber geschichtliche Compositionen.

(Museum 1837, No. 10, f.)

Die künstlerische Behandlung geschichtlicher Stoffe hat bedeutende
Schwierigkeiten, zumal wenn durch eine Reihenfolge von Bildern die
Hauptmomente im Leben eines Staates oder Volkes vorgeführt werden
sollen. Diejenigen Begebenheiten, an welche in den Jahrbüchern der Ge-
schichte die Charakteristik der einzelnen Epochen vorzugsweise angeknüpft
wird und welche sich bisher zumeist einer künstlerischen Darstellung
j erfreuten, sind nur zu häufig von einer Beschaffenheit, dass sie ungleich

I mehr eine äusserliche Eepräsentation (einen zumeist symbolischen Akt) ent-

f halten, als sie den inneren, lebendigen und wirkenden Geist der geschicht-

|t' , liehen Epochen, aus denen sie hervorgegangen, zu vergegenwärtigen dienen.

Ein Beispiel, in Bezug auf den weiter unten zu besprechenden Gegenstand,
I, möge dies deutlich machen. Die Belehnung des Kurfürsten Friedrich I.

von Hohenzollern mit der Mark Brandenburg bildet einen der wichtigsten
Punkte in der brandenburgischen Geschichte, und allerdings eignet sie
sich im Allgemeinen ganz wohl zu einer bildlichen Darstellung: ihre
historische Bedeutung aber beruht auf keine Weise in ihr selbst, sondern
in ihren Ursachen und ferneren Folgen, die natürlich ein Bild nicht vor-
führen kann; eine Darstellung dieser politischen Förmlichkeit wird somit
weder von den Einwirkungen des Kurfürsten auf seine Zeit, noch von
seiner Persönlichkeit oder von den Elementen, die ihm feindlich gegen-
überstanden und die er besiegt hat, eine Anschauung hervorzurufen ver-
mögen. Sucht man dagegen nach irgend einem prägnanten Momente etwa
der Art und Weise, wie Kurfürst Friedrich I. dem zerrütteten Lande
Frieden und Gesetz zurückbrachte, die Rebellen bändigte und hiedurch
den Grund zu einer neuen Zeit legte, so wird ein solcher die günstigste
Gelegenheit geben, auch in bildlicher Darstellung von der geschichtlichen
Bedeutung dieses grossen Mannes einen auf Sinn und Gemüth wirkenden
Eindruck hervorzubringen. Für künstlerische Behandlung der Geschichte
sind ebenso, wie für die poetische Behandlung derselben, die ethischen
Momente ins Auge zu fassen, diejenigen, in welchen das einzelne Indivi-
duum mit seiner hervorragenden Geisteskraft in die Interessen der Zeit
hineingreift, um dieselben zu grossen Zwecken umzugestalten oder um im
tragischen Kampfe gegen sie unterzugehen; in solchen Momenten wird
sich überall ein für die Gesetze der bildlichen Darstellung geeigneter
Punkt auffinden — oder, wenn die geschriebene Geschichte (wie freilich
sehr häufig) nur allgemeinere Umrisse vorlegt, aus 'letztereti, kraft der
künstlerischen Divinution, erfinden lassen. Freilich hat das, wie gesagt,

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ÜMII

Ueber gfischichtliche Compositionen. 235

seine Schwierigkeiten, und hierin scheint zunächst ein Hauptgrund zu
liegen, dass man sich bisher vornehmlich an jene äusserlich repräsentiren-
den Akte der Geschichte gehalten hat.

Eine zweite, nicht minder bedeutende Schwierigkeit ist die: bei ge-
schichtlichen Darstellungen die höhere Wörde der Kunst festzuhalten, sie
nicht ins Genremässige herabsinken zu lassen, in ihr vielmehr stets, im
Ganzen wie im Einzelnen des Bildes, diejenige Gemessenheit und inner-
liche Gesetzmässigkeit zu bewahren, welche man insgiemein mit dem Worte
„Styl" zu bezeichnen pflegt, ~ mit einer würdigen stylistischen Behand-
lung zugleich die geschichtliche Wahrheit und Treue, vornehmlich in
Rücksicht auf das Kostüm und Alles, was hiezu gehört, genügend zu
verbinden. Das Kostüm des klassischen Alterthums ist fast durchweg so
künstlerisch gestaltet, dass hier nichts weiter zu erinnern bleibt. Auch
das Kostüm des Mittelalters ist zumeist mehr oder minder der künstleri-
schen Behandlung günstig, fast überall wenigstens für malerische Effekte
brauchbar; aber schon hier tritt manches Störende hervor. Sehen wir von
vorübergehenden Moden des Mittelalters, welche "die Formen des Körpers
unschön verunstalteten, ab, so sind doch einzelne durchgehend vorkom-
mende Umstände in Erwägung zu ziehen, z. B. bei Schlachten die Ver-
hüllung des Gesichtes durch die Helmvisiere; ein figurenreiches Gemälde,
in welchem kein einziges Gesicht zu sehen wäre, dürfte einen leidlich
komischen Eindruck hervorbringen. Noch schlimmer wird es bei den
Kostümen der neueren Zeit, des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts,
welche jeder grossartig künstlerischen Behandlung geradezu im Wege zu
stehen scheinen. In Fällen der Art dürfte sich, wenn statt Würde und
Schönheit nicht das Element des Genre oder gar des Ungeschmacks die
Oberhand behalten soll, die Nothwendigkeit ergeben: die historische Treue,
— so wichtig für den Künstler auch in diesem Betracht die strengsten
Vorstudien sind, — nur bis auf einen gewissen Grad festzuhalten, gewisse
Modiflcationen eintreten zu lassen, welche zum Theil nur andeutungsweise
den Charakter der Zeit wiedergeben. So ist man in den früheren grossen
Epochen der Kunst, wo es sich um die Darstellung grosser Ereignisse des
Lebens handelte, verfahren; so war es vornehmlich zu den Zeiten der
griechischen Kunst. Die bekannten Statuen der äginetischen Helden, wel-
che noch einer minder vollendeten Periode der Kunst angehören, tragen
noch, obschon eine ideale Behandlung überwiegend hervortritt, einige An-
deutungen seltsamen Mode-Kostüms, wohin z. B. jene Schiene .gehört, .die
vom Helme, statt eines Visiers, über die Nase herabläuft; dagegen in der
periklei'schen Zeit nichts mehr der Art gefunden wird. Der panathenai-
sche Festzug (der innere Fries am Parthenon), welcher fast ganz dem un-
mittelbaren Leben angehört, verbannt Alles, was irgend den Eindruck der
Formen beeinträchtigen könnte, während wir doch mit Zuversicht anneh-
men dürfen, dass das Leben jener Zeit sich, zumal bei festlichem'Pomp,
nicht mit so gänzlicher Einfalt des Kostüms begnügt, sich nicht geradezu
in dieser idealen Weise bewegt haben werde. Hieraus soll freilich nicht
gefolgert werden, dass auch das Mittelalter und die neuere Zeit eich etwa
in griechischer Nacktheit darzustellen haben, wohl aber, dass auch bei
ihnen Modiflcationen, ohne den historischen Charakter zu beeinträchtigen,
zulässig sein werden. Auch haben unsre Maler sich-nicht gescheut^ der-
gleichen für das Mittelalter in Anwendung zu bringen. Keiner (oder höch-
stens der Franzose Debon auf seinem Schlachtbilde ergötzlichen Ange-

i' H

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236 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

clenkens, -welches wir auf der letzten Berliner Ausstellung sahen) malt
eine Ritterschlacht mit lauter gesenkten Visieren, obgleich dem scrupulö-
sen Beschauer dabei die geringe Sorge gegen die umherfliegenden Pfeile
beängstigend seih möchte; keiner führtj wenn nicht etwa eines beabsich-
tigten komischen Effektes wegen, jene aus hundert Ellen Zeug zusammen-
gebauschten Kleider vor, welche im sechzehnten Jahrhundert Mode wurden.
Für die neuere Zeit haben diese Modificationen freilich ihre missliche
Seite, theils weil der Beschauer den Begebenheiten noch zu nahe steht
und somit mehr reale Wirklichkeit verlangt, theils weil das Kostüm selbst
den Gesetzen der Schönheit ferner steht. Aber eben dies Letztere macht
auch hier eine freiere Behandlung doppelt nöthig, falls überhaupt ein
"Werk der Kunst, das mehr ist als ein blosses Abbild der realen Wirk-
lichkeit, hervorgebracht werden soll.^)

Zu diesen Betrachtungen veranlasst uns eine Reihenfolge lithogra-
phischer Blätter, die, von einem jungen Künstler herrührend, in nicht
unbedeutenden Dimensionen (gross Fol.) ausgeführt und jüngst der Oeffent-
lichkeit übergeben sind:

Denkwürdigkeiten aus der Brandenburgisch-Preussischen
Geschichte, in 12 Blättern componirt und lithographirt von A. Men-
zel, mit erläuterndem Text von Dr. Friedländer, herausgegeben von
L. Sachse & Comp., Kunst-Verlagshandlung in Berlin.

Das grosse Interesse des Gegenstandes, der würdige Zweck und das
vorzügliche Talent, welches sich hier in Erfindung und Ausführung aus-
spricht, fordern zu einer nähern Betrachtung und Werthschätzung dieser
Blätter auf, indem wir keinen Anstand nehmen, den höchsten Maassstab
an sie anzulegen. — Das erste nothwendigsteBedingniss eines jeden Kunst-
werkes, — dasjenige, welches sich nie durch Lehre und Studium gewinnen,
nur ausbilden lässt: ein durchgreifendes inneres Leben tritt uns überall in
diesen Darstellungen entgegen; jede Gestalt, wenn auch im Einzelnen
an ihr Mängel bemerklich sind, jedes Motiv der Bewegung ist voll-
kommen wahr, frei und innerlich empfunden; nirgend wird eine kalte,
willkürliche Berechnung des Verstandes, nirgend ein Streben nach äusser-
lichem Effekt sichtbar. Diese frische Lebendigkeit steigert sich sodann,
in nicht minder wirksamer Weise, zu einer mannigfach durchgebildeten
Charakteristik; keine Figur ist müssig oder der blossen Schaustellung
wegen vorhanden: einer jeden ist das Bild eine^bestimmten Persönlich-
keit aufgeprägt, die nach ihrer Weise an dem Vorgange, welchen die ein-
zelne Darstellung enthält, mit Bewusstsein und eigenthümlichem Interesse
Theil nimmt. (Nur hie und da wird eine gewisse Monotonie in der etwas
schweren und breiten Form der Gesichter bemerkbar, welche gleichwohl
zum Theil durch anziehende Gegensätze gemildert ist.) Endlich tritt
überall ein höchst lobenswerthes historisches Studium dem Beschauer

') Nachträglich. Das oben Gesagte wird für viele Fälle des Einzelnen
seine Richtigkeit behalten.. Im Ganzen aber ist die Sache allerdings noch tiefer
zu fassen. Es handelt sich nicht bloss um die Form, sondern zugleich um die
Gesetze einer grossen malerischen Gesammthaltung; , in diese wird unter Um-
ständen auch dai formal widerstrebende Einzelne aufgehen können; (Die eigent-
lich geschichtliche Kunst ist erst von jüngstem Datum.) 4

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Ueber geschichtliche Compositionen.

entgegen; die Charaktere der Gestalten sind im Wesentlichen trefflich den
verschiedenen dargestellten Bildungsepochen gemäss aufgefasst, das ganze
Element des Kostüms ist mit der grössten Treue behandelt und auch da,
wo es an genaueren Vorbildern fehlte, in dep frühsten Epochen, mit
glücklichem Sinne geistreich erfunden: so dass aus allen diesen Umständen
die in Rede stehenden Blätter in den Geist der verschiedenen Epochen
und Verhältnisse, welche sie darstellen, einzuführen wohl geeignet sind.

Aber wir haben im Vorigen'von einer höheren, wahrhaft künstleri-
schen Behandlung geschichtlicher Aufgaben, sofern sie die Geschichte in
ihrer tiefern Bedeutung auffassen und dem Sinne anschaulich darstellen
sollen, gesprochen; es fragt sich, wie dieser Behandlung in den vorliegen-
den Lithographieen genügt ist. Gewiss fehlt es dem Künstler nicht" an
jenem stylistischen Elemente, welches den Gegenstand in einer würdigen
Weise zu erfassen fähig ist. Einzelne Gestalten erscheinen in einer schö-
nen, grossartigen Bildung der Formen, in einer lauteren, gesetzmässig
geordneten Gewandung, einzelne Compositionen in so trefflicher Weise
gruppirt, in ihren Haupttheilen dem inneren Gedanken der Darstellung und
seiner Entwickelung so gemäss angeordnet, dass sie ah sich schon dem
Sinne des Beschauers eine wohlthuende Befriedigung gewähren. 'Aber
noch wird die Notliwendigkeit dieser höheren Auffassung nicht überall
ersichtlich, wenn schon in der Folge der Blätter selbst ein Fortschritt zur
grossartigeren Anordnung hervorleuchtet;^ noch erscheint dieselbe als ein
fast zufälliges Ergebniss und im Gegentheil (wie insgemein bei jungen
Künstlern von bedeutendem Talent) das Element der Charakteristik über-
wiegend, so dass durch den Einfluss des letzteren die höhere Ruhe des
Ganzen häufig gebrochen wird; ebenso ist noch zu viel Sorge auf die
historische Genauigkeit des Kostüms, d. h. auch auf alle äusserlichen
Zufälligkeiten desselben gewandt, im Einzelnen jene höhere Würde der
historischen Darstellung beeinträchtigend. Endlich auch ist die Auswahl
eines Theiles dieser Darstellungen nicht diejenige, welche in die Tiefen
der Geschichte hinabsteigt und die Elemente ihres geistigen Lebens zur
Gestaltung bringt; vielmehr sind es zum Theil wiederum 'nur je.i^
mehr äusseren repräsentativen Akte, die der Künstler uns vorführt." Doch
sind einzelne Darstellungen vorhanden, welche den Geist der Geschichte
anschaulich entwickeln, und gerade sie haben zur treffllichsten künstleri-.
sehen Behandlung Gelegenheit geboten. ■— Eine flüchtige Uebersicht 'der
Blätter möge zur näheren Motivirung dieses Urtheils dienen.

Titelblatt (Federzeichnung). ^ Arabeskenartig in .einer gothischen
Architektur angeordnet, die aus knorrigen Baumstäben und Aesten gebil-
det wird. Einzelne darein verflochtene Figuren bezeichnen die Haupt-
momente der vbrandenburgisch-preussischen Geschichte und vereinigen sich
zu einem'ruhigen und gleichmässigen Ganzen. Vorzüglich schön istdie weib-
liche Gestalt imGiebelraume, welche die Geschichte personiflcirt; sie ist in
hohem Alter dargestellt, sitzend und in ein grosses Buch schreibend, in
weite Gewände gehüllt, deren .Faltenwurf in meisterhafter Gemessenheit
durchgeführt ist; die ganze Figur ebenso würdig wie voll höchst energi-
schen Lebens. Nicht minder trefflich die allegorische weibliche Figur zur
rechten Seite des Blattes, deren Bedeutung die untergeschriebene Jahrzalil
1815 angiebt: im. Lederharnisch, mit aufgeschürztem Unterkleide, ein
Bärenfell als Mantel, in der Rechten eine Keule, in* der Linken einen
Kreuzstab mit.einem Eichenkranze haltend; leine ebenso kräftige wie an-

m

i.ma^mf

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238 Berichte, Kritiken, ErSrteruugen.

rauthvoll araazonenartige Jangfrau, Aach die andern Gestalten des Blattes
haben mannigfache Vorzüge, —; durchweg bezeugen sie den schönsten
Sinn für classischen Styl.

1. Vicelin predigt den Wenden das Christenthum, um das
Jahr 113 7. Sehr günstige Aufgabe, in der allgemeinen Anlage zweck-
mässig und glücklich aufgefasst. Auf der einen Seite, die geringere Hälfte

' des Blattes einnehmend, die Christenpriester, hinter denen ein Rechen

christlicher Lanzen emporragt, auf der andern eine Schaar wendischen
Volkes, über denen, im Opferdampfe, ein ungestaltetes Götzenbild herein-
blickt; vorn der wendische Fürst, ein Opferpriester und eine abenteuerliche
Norne mit einem Runenstabe. Die "Wenden, in der Weise, wie die Pre-
digt verschiedenartig auf sie einwirkt, sie anzieht, staunen macht oder zu
wildem Grimme bewegt, sind meist vorzüglich dargestellt, ihr Kostüm (nach
den geringen Berichten, die wir tiber dasselbe besitzen), mit Geist und
malerischem Sinne behandelt, — vielleicht nur ein wenig zu räuberhaft
in Bezug auf die Elemente der Bewaffnung.') Die christlichen Priester
dagegen sind minder ansprechend, theils'darch die aulfallend kurzen Ver-
hältnisse der Figuren, theils durch eine nicht wohl zu vertheidigende Cha-
rakteristik, welche die tadelnswürdigen Aeusserungen pfäffischer Institu-
tionen, Ignoranz, Gier u. dergl., in einer Weise durchblicken lässt, die
gerade hier und für den Zweck des Ganzen unschicklich erscheint.

2. Markgraf Albrecht der Bär erstürmt die Feste Brenna-
bor (Brandenburg) 1157. Ein Theil der Festungswälle, die vorn mit
Sturmleitern erstiegen werden und auf die zur Seite ein hölzerner Belage-
rungsthurm einen Strom geharnischter Ritter ausgiesst. Kühne, höchst
lebenvolle Motive im Einzelnen, aber das Ganze zu wild durcheinander,
als dass dem Auge ein ansprechendes Bild erscheinen könnte. Selbst die
beiden Heerführer treten dem Beschauer nicht bedeutend genug entgegen,
obgleich der Grimm und das Entsetzen des wendischen Fürsten, des hohen
Jacza von Köpenick, vortrefflich dargestellt ist.

3. Friedrich Graf v, Hohenzollern wird Churfürst von
Brandenburg d. 18. April 1417. Ueber das minder Günstige dieser
Aufgabe ist bereits gesprochen. Die Anordnung ist im Uebrigen mit
Ueberlegung und künstlerischem Sinne durchgeführt; die scharf ausge-
prägte Charakteristik der einzelnen Figuren, besonders der drei im nächsten
Vorgrunde stehenden Churfürsten, benimmt der formellen Handlung das
Trockene.

4. Kurfürst Joachim II. tritt zum Lutherthum über, den 1.
Novbr. 1539. Die Anordnung ebenfalls zweckmässig ujid mit Einsicht
in das Oeremoniell einführend. Das Ganze in feierlicher Ruhe; der Aus-
druck in den nächst betheiligten Personen wohlgelungen. Aber auch hier,
obgleich die dargestellte Begebenheit den tiefsten geschichtlichen Interes-

'f sen angehört, liegt in der Aufgabe wiederum ein grosser Theil äusserlicher

w Repräsentation (Ceremoniells), so dass die höhere Einwirkung der Darstel-

lung auf den Beschauer beeinträchtigt bleibt.

5. Friedrich Wilhelm, der grosse Kurfürst, empfängt die

Die Wenden standen auf einer eigenthümlicli ausgebildeten Stufe der
Cultnr und waren vornehmlich in der Fabrication der Waffen berijhmt, so dass
ihnen bereits König Heinrich I. die Einfuhr ihrer Waffen auf deutschen Märkten,
um die heimische Industrie nicht beeinträchtigen zu lassen, verbieten musste.

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Ueber geschichtliche Compositionen. 239

Erbhuldigung der preussischen Landstände, zu Königsberg,'
d. 18. Octbr. 1663. Ebenfalls nur die Darstellung einer politischen
Förmlichkeit, mannigfach interessant jedoch durch die trefflich behandelten
nationellen Kostüme und einige Köpfe voll Charakter und geistreichem
Ausdruck. Vorzüglich zu rühmen ist die ganze Gestalt des Bischofs von
Ermland. .

6. Schlacht bei Fehrbellin, d. 18., Juni i675. Lobenswürdige
Darstellung, etwa im Charakter der Rugendas'sehen Schlachtbilder gehalten.
Die Schweden werden vom Kampfplatz verdrängt, man sieht seitwärts ihre
Flucht und letzte Gegenwehr; der'Kurfürst, in der Mitte des Bildes, über
Leichen hinsprengend, giebt den Befehl zur Verfolgung.. Der Vorgang im
Allgemeinen ist ziemlich anschaulich entwickelt, die einzelnen Scenen
des Kampfes voller Leben. Doph scheint es, als ob der Moment des Sie-
ges einer noch grossartigeren, unmittelbarer überzeugenden Darstellung
fähig gewesen wäre. Das Ganze ist, wie insgemein die Schlachtbilder,
mehr genreartig gehalten, während der historische Styl eine grössere
Massenwirkung verlangt. ^ . " .

T. Friedrich, erster König von Preussengesalbt zu Kö-
nigsberg, d. 18. Jan. 1701. Wiederum ein politisch repräsentativer
Actus, der überdies durch das Kostüm jener Zeit für höhere künstlerische
Behandlung wenig begünstigt ist. Aber auch hier im Einzelnen der Figu-
ren eigenthümlich individueller Charakter, die Gestalt und Geberde des
Königs eben so wahr, wie bildlich bedeutend; die Herren und Damen
vom Hofe, im ausgesuchtesten Prunk, auf der Tribüne im Hintergrunde
trefflich emporgebaut.

8. Die einwandernden Salzburger Protestanten, 1732.
Eine Composition, die zu den trefflichsten des ganzen Werkes und zu den
schönsten geschichtlichen Darstellungen gehört, welche uns seit lauge be-
kannt geworden sind. Man sieht die Strasse einer märkischen Stadt vor
sich, seitwärts im Hintergrunde das alte Thor, durch welches der Zug der
Einwandrer hereinkommt. An ihrer Spitze schreiten dip Pfarrer des
Ortes, die sie in der neuen Heimat begrüsst haben; hinter diesen, in
Leihen , die Salzburger , Männer und Greise, Frauen und Kinder , mit
mannigfachem Gepäck beladen; sie halten Gesangbücher in ihren Händen
und singen. Ihre ganze Erscheinung, das nationell Bäuerliche ihrer Klei-
dung, der reine religiöse Ausdruck ihrer Gesichter,, das Kräf^ge, Offene,
Freie, "selbst innig Heitere, was in diesen Gestalten liegt, vereint mit den
Zeugnissen mühseliger Wanderschaft, bringt auf den Beschauer einen
ebenso wohlthuenden wie rührenden Eindruck hervor. Der Zug macht
die Mitte des Bildes aus; ihm schliessen sich,- zu den SeitÄ des Vor-
grundes, zwei Gruppen an, welche dem Ganzen eine würdige Ruhe geben.
Zur Linken, auf dem Stein eines Eckhauses, sitzt ein älterer Wandrer,
welcher sich durch seinen Sohn den wunden Fuss verbinden lässt, wäh-
rend die schöne Tochter,von einer'wohlthätigen Bürgersfrau ein Almosen
empfängt; drüber ist ein Balkon,'von dem ebenfalls Almosen herabgewor-
fen werden. Zur Rechten eine Gruppe zuschauender-Bürger und\Frauen,
— Das Modekostüm der Zeit ist zum Theil trefflich behandelt. Leider
scheint dies so vorzüglich erfundene und so zart und geistreich lithogra-
phirte Blatt beim Aetzen der Platte gelitten zu haben. ' '

9. Schlacht bei Mollwitz^v 1741. In der Hauptanlage ebenfalls
trefflich componirt. In zwei grossen Massen stehen die Reihen der Oester-

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240 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

reicher und der preussischen Grenadiere einander gegenüber, letztere im
Begriff, mit gefälltem Bajonett auf die Oesterreicher einzudringen. Diese
Massen-Anordnung wirkt sehr günstig und selbst das, im Einzelnen nicht
eben malerische Kostüm gewinnt hiedurch und durch den gemeinsamen
grossartigen Zug der Bewegungen eine eigenthümliche Bedeutung. Dabei
ist zugleich nichts Steifes, nichts was vorwiegend an das Exercitium erin-
nerte, vielmehr im Einzelnen überall dieselbe individuelle Kraft und Fri-
sche, welche wir schon bei den meisten der vorigen Blätter rühmend
hervorheben mussten; trefflich ist die Episode mit dem österreichischen
Ausreisser, der durch den Corporal in die Schlacht zurücligeprügelt wird.
Zu wünschen bleibt bei diesem Bilde nur, dass der beginnende Sieg der
Preussen schärfer angedeutet, — und dass die Figuren der Verwundeten
im Vorgrunde etwas mehr in künstlerischer Weise angeordnet sein möchten.

10. Schlacht bei Leuthen, 1757. Friedrich der Grosse, im Kreise
seiner Generale, indem er ihnen die denkwürdige Anrede vor der schick-
salsvollen Schlacht hält. Auch diese Composition ist gut geordnet und
alle Figuren voll Charakter und Lebenstüchtigkeit. Doch dünkt uns hier
die Wahl des Stoffes wiederum sehr wenig passend. Man sieht eben nur,
dass ein Feldherr zu seinen Generalen spricht und dass diese ihm mit
Ergebenheit zuhören; die ergreifenden Worte des Königs waren nicht dar-
zustellen, und um so weniger, als die Sitte des achtzehnten Jahrhunderts
bei den Zuhörenden einen lebhafteren Erguss der Begeisterung verbieten
musste. Noch weniger ahnt man es, dass hier derjenige glorreiche Tag
dargestellt werden sollte, welcher das Schicksal Preussens entschied.

11. Die Freiwilligen! 1813. Die Strassen einer norddeutschen
Stadt, durch welche sich der Zug der ausmarschirenden Freiwilligen hin-
bewegt; schöne, begeisterte Männer und Jünglinge, denen man es ansieht,
dass der Krieg ihnen kein Handwerk ist, sondern dass sie, friedliche Bür-
ger, die Waffen zur Vertheidigung des Heiligsten ergriffen haben. Zu den
Seiten ältere Männer, Knaben und Frauen, die den Fortziehenden in ern-
ster Trauer nachblicken und Abschied nehmen. Die Composition würde
jener der einwandernden Salzburger an Trefflichkeit nahe stehen, wäre
nicht die Kleidung der Frauen mit zu grosser Aengstlichkeit in der höchst
unschönen Mode jener Zeit gehalten und gerade dadurch der Eindruck
des Ganzen wesentlich beeinträchtigt.

12. Victoria! Der Abend der Völkerschlacht von'Leipzig. Im
Vorgrunde des Bildes sitzen Verwundete, tief Ermüdete, tief Nachsinnende.
Hinter ihnen, etwas erhöht, eine Gruppe von LandwehTm^ännern, die sich
im ernsten Dankgebete nach oben wenden; der eineihält die wallende,
durchlöcherte Fahne, welche die Spitze der Gesammtcomposition bildet;
zwei umarmen sich in freudiger Begeisterung; andre Verwundete, Betende,
Rastende zu iliren Seiten. Zur Linken, an dem Saume der versammelten
Schaaren entlang, ein Blick über die Ebene des Schlachtfeldes, wo man
mannigfach mit Verwundeten beschäftigt ist. Die Abendsonne wirft ein
helles Streiflicht über das iBild. Die Composition ist von einer Tiefe des
Gefühles, einer grossartigen Würde in der Gesammtanordnung, einer so
edlen Durchbildung des Gedankens in Inhalt und Form, dass sie wirklich
den höchsten Bedingnissen historischer Kunst entspricht und nur in gewis-
sen Einzelheiten, z. B. den Figuren des Vorgrundes, einige wenige Abän-
derungen wüiischen lässt. Wir entsinnen uns kaum, unter den Darstellun-

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^ Sculptnr. — Berlin. 241

gen moderner Zeitgeschichte ein Werk von ähnlicher Tiefe, der Intentionen
gesehen zu haben. , *

So geben uns diese Blätter, wie sie im Airgemeinen das Gepräge einer
lebenvoll künstlerischen Schöpfungskraft tragen, in der That bereits ein-
zelne sehr beachtenswerthe Beispiele jener Richtung auf die Gesetze des
höheren Styles geschichtlicher Darstellung; wenn freilich das Bewusstsein
von der Nothwendigkelt dieses Gesetzes in andern Fällen noch nicht be-
stimmt hervortritt, die Momente der Darstellung demselben nicht überall
entsprechend ausgewählt sind und die künstlerische Productivität noch mehr
ihr eignes Gesetz als das einer höheren Nothwendigkeit anerkannt zu haben
scheint. Immer aber bilden diese Blätter eine höchst erfreuliche Erschei-
nung für die Gegenwart und bezeugen es, neben mannigfach andern Lei-
stungen verwandter Art, wie das Bestreben der höheren Kunst gerade jetzt
in den Erinnerungen der Geschichte ein würdiges Feld der Bearbeitung
zu gewinnen im BegrliT ist. Möge dies Bestreben zu einer glücklichen
Vollendung hindutchgeführt werden, Und möge Herr Menzel, der in den
besprochenen Blättern ein vollgültiges Zeugniss seiner Befähigung abgelegt
hat, sein schönes Ziel mit derjenigen Energie verfolgen, welche irv diesen
Zeugnissen dem Beschauer schon auf so gehaltvolle Weise entgegentritt.

. ' '

Sculptur. — Berlin. v . ^

(Museum 1837, No. 10.)

Unter den plastischen Werken, welche das Verzeichniss der vorjähri-''
gen Kunstausstellung von Berlin namhaft.machte, war eins der bedeutend-
sten ünd anziehendsten zur Zeit der Ausstellung nicht eingetroffen;' das-
selbe befindet sich erst seit Kurzem in unsern Mauern , vorläufig in einem
der Gypssäle der königl. Akademie der Künste aufgestellt. Es ist eine
Statue des Paris von August Wredow, in Gyps gearbeitet, 6 Fuss 6
Zoll hoch, und bereits im Jahre 1835 z\i Rom vollendet. Die Composition
dieser Statue bezieht sich auf die Verse der Ilias, Buch VI., Vers 321,

und 322: . ^

• • *

Ihn im Gemach jetzt fand er, die herrlichen Waffen durchforschend,,
Panzer und Schild, und glättend das Horn des krummen Geschosses.

•Wir sehen den trol'schen Jüngling, wie er den hohen Bogen mit er-
hobener Linken vor sich hält, indem er ihn mit dem Tuch in der Rechten
zu putzen und zu glätten im Begriff ist; der linke Fuss ist auf einen nied-
rigen Tn.tt ^stützt; neben ihm liegt der Harnisch und der Helm, er selbst
ist unbekleidet. Das Motiv der Bewegung ist mit geistreicher üeberlegung
so gewählt, dass die Figur nach den verschiedenen Standpunkten hin das
anmuthigste Wechselspiel der Formen entwickelt; alles Einzelne-ist.in
glücklicher Naivetät, mit Freiheit und LebenswahrhTeit ausgeführt. Wie
Kugler, Kleine Sehriflen. III. . , = . " 16

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242 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

solchergestalt die Statue in ihren allgemeineren Beziehungen zunächst den
äusseren Sinn in wohlgefälliger Weise berührt, so fesselt sie auch bei län-
gerer Betrachtung durch ihre eigenthümlich charaktervolle Durchbildung.
Form und Bewegung gehören nicht bloss den allgemeinen Gesetzen der
Schönheit an, sie tragen zugleich das Gepräge einer bestimmten, in sich
abgeschlossnen Persönlichkeit: sie geben ein lebenvolles Bild jenes Königs-
sohnes, der kräftig und keck zu gewagten Abenteuern auszuziehen und
siegreich den Preis der Schönheit zu gewinnen wusste. Seine Glieder, in
einer elastischen Spannung, zeigen die edelste Ausbildung, aber sie ver-
mählen sich zugleich mit einer zarten "Weichheit, einer Fülle der Formen,
welche aufs Entschiedenste den Charakter des anmuthvollsten Helden er-
kennen lassen würde, auch wenn er hier seine gewöhnliche Bezeichnung,
die phrygische Mütze, nicht trüge. Diese mit meisterhafter Sicherheit
durchgeführte Verbindung von Kraft und Zartheit, von rüstiger Keckheit
und weichem Verlangen, die klare Schönheit des Ganzen, geben, der Statue
höchst rühmliche Vorzüge und erwecken den lebhaften Wunsch, ein so
reiflich durchdachtes und so gediegen gearbeitetes Werk in dem edleren
Stoffe des Marmors ausgeführt zu sehen. —

Vor Kurzem hatten wir Gelegenheit, zwei interessante Statuen von der
Hand eines Künstlers von München, F. Schönlaub, welche sich im Be-
sitz eines Kunstfreundes zu Berlin befinden, zu sehen. Es sind zwei Engel,
beide etwas über 4 Fuss hoch und in Gyps gearbeitet; ein jeder von ihnen
hält einen hohen, kandelaberartigen Stab, als Träger einer Kerze, in den
Händen, wodurch sich die kirchliche Bestimmung der Figuren ergiebt. Sie
I sind in lange, faltige und einfach gegürtete Gßwande gekleidet, deren

^ . Säume reich mit vergoldeten Ornamenten geschmückt sind, was ihnen ein

schönes, eigenthümlich feierliches Gepräge gewährt. Der Styl beider Figu-
ren bewegt sich in jener schlichten frommen Weise, welche besonders den
Freunden von Eberhard's Arbeiten (denen die in Rede stehenden über-
haupt verwandt erscheinen) so sehr werth ist. Die stille Anmuth und
Reinheit der Formen, die einfache Klarheit des Faltenwurfes, der zarte
gemüthvolle Ausdruck der Köpfe, vornehmlich die milde Demuth des" einen
Engels, welcher niederwärts blickt, üben auf den Beschauer einen tiefen,
innerlich wohlthuenden und beruhigenden Eindruck aus. Gewiss würden
diese Figuren einer jeden Kirche zur wahrhaften Zierde gereichen; wir
sind überzeugt, dass sie, wenn das hiesige grössere Publikum Gelegenheit
hätte, sie näher kennen zu lernen, auch ftir die Kirchen unsrer Gegenden
mannigfach gesucht werden dürften.

Bilder und Worte.

(Museum 1837, No. 17.)

- Das Wohlgefallen an einer künstlerischen Ausstattung literarischer
Werke verbreitet sich von Tage zu Tage mehr, und es gehen manche
beachtenswerthe Erscheinungeii daraus hervor. Die Phantasie verlangt zu

'II

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_ Bilder und Wortö. v 243

den Worten des Dichters, des Erzählers Anschauung und Hintergrund, wie
zu dem Dialog des Dramatikers Kostüm und Scenerie. Man hat ein sol-
ches Streben wohl als verderblich.gescholten; doch ist dies, wenn ich
nicht irre, ein einseitiger Vorwurf: verderblich wär es allerdings, wenn es
eben das letzte Ziel für Kunst und für Poesie bilden sollte; wo aber das
eine von ihnen sich in anmuthigem Spiele dem andern unjerordnet, um
seinen Eindruck zu verstärken, seine Stille zu beleben, seinen Ernst zu
erheitern, da kann nur ein befangenes Auge eine Beeinträchtigung voraus-
sehen. , '

Die mannigfachen bildlichen Darstellungen, welche Retzsch, Ruhl
und Andre zu Dichterwerken geliefert, siud bekannt.; ebenso die geist-
und poesiereichen Randzeichnungen Neureuther's zu'den Liedern deut-
scher Dichter. Auch von Re.inick's interessantem Unternehmen, der
seine Gedichte, mit Original-Radirungen Düsseldorfer Maler geschmückt,
herausgiebt, ist bereits in diesen Blättern gesprochen. Wir haben Gelegen-
heit, noch Über eins oder das andre vpn Arbeiten ähnlicher Art, einige
Bemerkungen vorzulegen. • ' ' , >

Als ebenfalls aus" der Düsseldorfer Schule hervorgegangen, müssen wi^-
die Radirungen anführen, welche Adolph Schrodter im vorigen Jahre
zu der wohlbekannten „wundersamen Geschichte Peter Schlemihl's" von
A. v. Chamisso geliefert hat. (Chamisso's Werke, Leipzig 1836, vierter
Band). Es sind vier Blätter, in jener leichten, geistreichen Weise gear-
beitet, welche Schrödter so eigen ist. Der Künstler trat hier nicht ohne
Nebenbuhler auf. Chamisso's Lesern sind die Radirungen des Engländers
G. Cruikshank bekannt, welche die englische Uebersetzung des Schlemihl,
und in Nachstichen die späteren deutschen Ausgaben desselben,"schmück-
ten. Aber in den Auffassungen beider Künstler herrscht soviel verschie-
dene Eigenthümlichkeit, dass wir sie gleichwohl eine wie die andre gelten
lassen dürfen. Cruikshank.ist, wie überall in seinen Werken, phantasti-
scher, ich möchte sagen phahtasmagorischer, — Schrödter mehr auf dem
Boden der realen Anschauung. An Humor fehlt es Beiden nicht. Was
bei Schrödter am meisten anzieht, ist, auf dem ersten und letzten Blatt,
die Gestalt des dürren, unheimlichen grauen Mannes, den.er. so dargestellt
hat, dass man hier in der That an seine Existenz glauben kann; es ist.
zugleich ein kluger Teufel und zugleich ein dummer Teufel, und dabei
fehlt es ihm, trotz seiner unheimlichen Trockenheit, nicht an derjenigen
Körperlichkeit, die einmal zum Leben in der menschlichen Gesellschaft
nöthig ist. Der Schlemihl selbst hat dem Referenteo nicht ganz so wohl
zugesagt; er hat wohl das Ungeschickte von Chamisso's Helden, weniger
jedoch von dessen innerer Liebenswürdigkeit. Jedenfalls ist es erfreulich,
ein so" hohes Talent, wie das. Schrödter's, auch in einer solchen Stellung
zum Publikum zu sehen." -

Noch ein andres Werk wird so eben begönnen,* für dessen Aüsschmük-
kung Künstler der Düsseldorfer Schule thätig sind: „Rheinlands Sagen,
Geschichten und Legenden, herausgegeben von A. Rejimont, Köln und
Aachen, 1837", mit acht Stahlstichen nach Zeichnungen von Kretzsch-
mer, Plüddemann, Rethel und Sonderland. ' In dem ersten Heft,
welches uns so eben vorliegt, machen wir besonders auf das Blatt auf-
merksam, welches nach einer Zeichnung von Rethel von Ernst Rauch
mit Sauberkeit und gehaltener Kraft gestochen ist. Es stellt Kaiser Karl
den Grossen dar, der am Ufer des' Frankenberger Sees sitzt und in die

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1096 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Flut hinabschäut, in welcher eine leis angedeutete Gestalt ihm den zaub-
rischen Ring seiner geliebten Gemahlin zeigt. Die Gestalt des Kaisers ist
voll tiefer, gedankenhafter Ruhe, das Motiv der Stellung bedeutend ent-
wickelt und durch grossartigen Faltenwurf hervorgehoben. Lässt sich auch
nicht ganz die Abkunft dieses Kaisers von dem „trauernden Königspaar"
verläugnen, so sind wir doch nicht gewillt, dies hier als einen Vorwurf
auszusprechen; wir freuen uns vielmehr, dass ein so grossartig angeschla-
gener Klang, wie in Lessing's Meisterwerk, hier am wohl geeigneten Orte
und für ein bereitwilliges Publikum noch einmal nachtönt. ...

Bei dieser Gelegenheit gedenken wir auch des „Festkalenders in Bil-
dern und Liedern, geistlich und weltlich, von F. G. v. Pocci, G. Gör-
res und ihren Freunden", davon bereits zwei vollständige Theile vor uns
liegen. Der Festkalender ist eigentlich als ein Volksbuch für das katho-
lische Deutschland zu betrachten und in der That in solcher Weise ausser-
ordentlich, besonders in Bayern, verbreitet, so dass der erste Theil schon
zum zweiten Mal aufgelegt ist. Es sind Gedichte, . mit leichten Rand-
zeichnungen geschmückt. Die Randzeichnungen (grösseren Theils von dem
Gr.
V, Pocci) sind in ganz volksthümlicher Weise ausgeführt, holzschnitt-
l| artig, ohne zumeist Anspruch auf höheres Kunstverdienst zu machen; da-

bei aber liegt ihnen ein gesundes, schlichtes Gefühl zu Grunde, welches
im Ernsten, wie im Humoristischen seinen Eindruck auf das unbefangene
Gemüth keineswegs verfehlt. Hier zeigt es sich zugleich recht, wie — bei
gewissen, geringeren Ansprächen — Wort und Bild in trefflicher Ergän-
i zung zu einander stehen, eins die Wirkung des andern heben und steigern

f " könne. Uebrigens haben auch einige vorzügliche Meister Theil an diesen

Randzeichnungen, wie z, B. Kaulbach zwei anmuthvolle Zeichnungen
geliefert hat, eine andre von L. Wolf, noch andre von, zum Theil unge-
nannten Künstlern gefertigt sind.

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Malerei. — Berlin.
(Museum 1837, No. 20.)

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Im Atelier des Herrn Professor von Klöber sahen wir jüngst ein so
eben vollendetes Gemälde des Künstlers, welches eine Ernte darstellt. Es
ist von länglichem Format, beinahe 1 Fuss hoch und etwa 4 Fuss breit;
es stellt das frische heitre Leben eines jugendlichen Volkes dar, welches
den Segen der Natur mit rüstiger Freude entgegennimmt; das Kostüm er-
innert, wie die Landschaft, an südliches Lokal und gegenwärtige Zustände,
I. aber es ist auf eine durchaus ungesuchte Weise dem Idealen angenähert,

vornehmlich dadurch,- dass viele der dargestellten Jünglinge die in der
Hitze lästigen Oberkleider von sich geworfen haben und dem Beschauer
den Anblick schöner, 'freibewegter Körperformen darbieten. Das Ganze
zerfällt in drei Haupttheile. Zur Linken sieht man, ziemlich tief ins Bild
hinein, eine Reihe eifriger Schnitter, welche das Korn mit den Sicheln
^ abschneiden; im Vorgrund wird dasselbe zu Garben zusammengebnnden.

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Enuperungen aus SpauieD. , 245

Zur Rechten steht ein mit weisen Stieren'bespannter Wagen,!. zu dem
Jungfrauen die Garben Jhinaufreichen, die ein Jüngling empfängt; ein and-
rer, der Führer des Wagens, lehnt sich an den einen der Stiere. In der
Mitte ist ein breit, gewölbter Baum, welcher kühlen Schatten verbreitet;
darunter sitzt ein Mann, die Sichel schärfend; neben ihm drei Mädchen,
die eine leis schlummernd, die; andrie einen Kornblumenkranz windend;
die dritte reicht einem Jünglinge, der nebst zwei andern in fröhlichem
Gespräche hinter den Mädchen steht, einen Becher. Die ganze Mittelgruppe
ist im Schatten, während die Seitengruppen hell von der Sonne beleuch-
tet werden; hiedurch sondern sich die Hauptmassen und Scenen der Handr
lung auf eine klar ersichtliche Weise von einander und geben dem reichen,
mannigfach bewegten Ganzen eine angenehme Ruhe, ein wohl übereinstim-
mendes Verhältniss für das Auge, In tieferer Ferne erblickt man noch
andre Schaaren von Schnittern, und als Begrenzung des Horizontes einen
blauen Bergzug, der sich gegen den klarsten Himmel erhebt. Das" Gefühl
von Anmtth'und Kraft, welche die Arbeit zum erheiternden Spiele umge-
stalten, weht durch das ganze Bild; bei den kleinen Dimensionen dessel-
ben sind die zahlreichen Figuren, die sich im lieblichsten Wechsel hin
und wieder bewegen, in gleichmässiger Zartheit ausgeführt; so wird es
dem Gemälde nirgend an Freunden und Bewunderern fehlen. , •

Erinnerungen aus Spanien von Wilh. Gail. Nach der Natur und
auf Stein gezeichnete Skizzen aus dem Leben in den Provinzen Catalonien,
Valenzia, Andalusien, XSranada und Castilien, mit Fragmenten maurischer
und altspanischer Architektur und Veduten, nebst erläuternden Auszügen
aus dem Tagebuche des Herausgebers. München, literarisch artistische

Anstalt. Fol.

(Museum'1837, No, 22 f.) .

Wir besitzen bereits manch ein mehr oder minder umfangreiches
Prachtwerk, welches uns landschaftliche Ansichten und Darstellungen der
architektonischen Monumente Spaniens vorführt; aber das eigenthümliche
Leben, der Charakter und die Sitte des spanischen Volkes ist bisher
noch nicht in genügender Weise bildlich dargestellt worden, und wo sich
dergleichen vereinzelt vorfindet, da bemerkt man in der Regel, dass mehr
nur die äusseren Formalitäten der Kostüme und Gebräuche, als die inner-
lich nationalen und provinziellen Eigenthümlichkeiten 'der Menschen auf-
gefasst sind. "Hierin besteht.der wesentliche Vorzug des joben angeführten-
Werkes vor allen uns bisher bekannt gewordenen. Es führt uns unmittel-
bar in das Leben und Treiben des Volkes ein und bildet mit Geist, aber
auch mit Unbefangenheit und Treue die Erscheinungen des Lebens nach.
Es trägt durchaus den Stempel einer freien, objectiven Auffassung, und die
leichte Ausführung der Blätter, welche der Herausgeber selbst nur als
„Skizzen" 'bezeichnet, weiss doch ^überall in Gestaltung, Geberde und
Physiognomie, im Verkehr des Einzelnen unter der Umgebung., welche
aus Gewohnheit und Bedürfniss hervorgegangen ist^v in den Andeutungen
der klimatischen Verhältnisse das Bedeutende und Entscheidende genügen^

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246 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

hervorzuheben. Dabei fehlt es diesen Skizzen nicht an interessanten An-
deutungen des historischen Hintergrundes, auf welchem sich das Leben
des spanischen Volkes entwickelt hat, und wie in den dargestellten Volks-
scenen hier und da ein alterthümliches Gebäude sichtbar wird, so sind
naehrere Blätter auch selbständig der Darstellung von Architekturen oder
von besonders merkwürdigen Theilen derselben gewidmet.

Wir geben eine kurze Uebersicht der, auf den 30 Hauptblättern des
Werkes und in den Vignetten des Textes enthaltenen Darstellungen. Wir
sprechen zuerst von den wichtigsten architektonischen Monumenten und
beginnen mit denen, welche der romantischen Periode der maurischen
Herrschaft angehören. Schon der äussere Umschlag des Werkes gehört
hieher. Er ist mit'einem kunstreich ineinander gefügten Ornament ver-
sehen und mit buntverschlungenen Rahmen und Koransprüchen umgeben,
alles dies den Verzierungen des Königsschlosses der Alhambra entnommen.
Die Titelvignette enthält, in einer geschmackvoll leichten Federzeichnung
ein Bild des vielbesungenen Löwenbrunnens im mittelsten Hofe der Al-
hambra. Die Dedication (an den Kronprinzen von Preussen gerichtet) ist
mit der Darstellung eines mächtigen Burgthores umgeben, welches, wenn
wir nicht sehr irren, ebenfalls demselben Gebäude angehört. Nur Ein
Blatt (T. 19) giebt uns eine Ansicht des Innern der Alhambra; es ist der
reizende Myrtheuhof mit seinem weiten Bassin und der überaus anmuthi-
gen Bogenstellung zur Seite des Wassers; durch eine geöffnete Thür blickt
man zugleich tiefer, in die Säulenstellung des Löwenhofes hinein. Das
Aeussere der Alhambra führt ein andres Blatt (T, 15) vor;-es ist der Blick
von dem gegenüberliegenden Garten des Generalife aus; malerisch erheben
sich die Mauern, Thürme und Pavillons des alten Königsschlosses über
dem steilen Abhänge, aber bedeutend ragt wiederum über sie der stolze
j Palast Carls V. empor; in der Tiefe erblickt man einen Theil der Sfadt

(Granada) und der fruchtbaren Vega. Das Blatt ist mit wenigen Mitteln
gearbeitet und doch von trefflich malerischer Wirkung. — Die Alhambra
ist der letzte Glanzpunkt des maurischen Lebens; ebenso wird auch die
% ältere Kunst des fremden Volkes in verschiedenen Beispielen vorgeführt.
Hier ist vor allen das Blatt (T. 12) zu nennen, welches eins der Portale
der altberühmten Moschee von Cordova vorführt; schwer, streng und dazu
mit überreichem, fabelhaft buntem Schmuck angefüllt. Wie die Architekturen
der Alhambra, so ist uns auch die Moschee von Cordova aus früheren Abbil-
dungen bereits wohlbekannt; aber hier verschwindet die geometrisch genaue
Aufnahme vor der unmittelbaren, malerischen Auffassung,; und die höchst
geistreiche Staffage der beiden Pfaflen, welche so eben heraijstreten und den
jungen Damen wie dem alten Bettler ihren wohlthätigen Segeh spenden, ver-
setzt uns unwillkürlich an Ort und Stelle; wir möchten dies vorzügliche Blatt
in Farben ausgeführt sehen. Dieselbe alterthümliche Zeit maurischer Ar-
chitektur vergegenwärtigt uns das (schon aus Delaborde bekannte) Fenster
P — oder wahrscheinlicher, wie der Herausgeber bemerkt, die Einfassung

einer Nische, welche im Kreuzgange des Orangenhofes der Kathedrale von
Taragona vermauert ist (T. 6). Dem Uebergange der älteren zur späteren
Zeit dürfte das Sonnenthor zu Toledo mit seinen mächtigen Thürmen und
dem zierlicheren Zwischenbau angehören, welches wir auf T. 10 in einer
malerischen Ansicht vor uns sehen. . ■

% Verwandten Geist-mit der maurischen Kunst, wenn auch im Allgemei-

nen weniger in der einzelnen Bildung der Form als in 'dem zu Grunde

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Erinnerungen aus Spanien. 247

liegenden Gefühle, lassen nicht selten auch diejenigen spanischen Archi-
tekturen ernennen, welche dem christlichen Mittelalter angehören. Doch
ist unsrc Kunde von diesen Gebäuden bisher durch bildliche Anschauung
nicht in gleichem Grade begünstigt worden; so müssen wir das hier Dar-
gebotene, wie wenig Punkte dasselbe auch nur berührt., do(^ mit vorzüg-
lichem Danke aufnehmen. Zuerst erwähnen wir des schon genannten
Orangenhofes vor der Kathedrale zu Taragonä (T. 5). "Der erläuternde
Text bemerkt hiebei: „Ene wesentliche und überaus reizende Eigenthüm-
lichkeit der Hauptkirchen Spaniens ist der^mit jeder derselben in Verbin-
dung stehende — mit verschiedenen Bäumen und-Brunnen des klarsten,
mit Fischen belebten Wassers benetzte — Garten, von der darin vorherr-
schenden Baumgattung „Orangen- oder Myrthenhof" genannt. Wer die
Innigkeit jener Gefühle kennt, mit der die heilige Dämmerung eines ehr-
würdigen alten Domes das Gemüth umfasst, und in dieser Stimmung aus
jenen dunkeln Träumen in diesen luftigen heitergrünen und stillen Yorhof
tritt, wird eine Wonne empfinden, die kein Baustyl erregen kann, der
nicht die Elemente des murmelnden Wassers, der sinnigen Pflanzen und
des heiteren Himmels mit den Gebilden phantastischer Sculpturen so innig
zu verbinden weiss. Der Grund der Entstehung dieser — für Jedermann
zugängliclien — Kirchengärten ist gewiss climatisch, und findet sich bei der
alten Moschee von Cordova, wie'bei allen christlichen Kirchen der frühe-
sten Zeit in Spanien^). Die Kathedrale in Taragona selbst soll röm'ischen
Ursprungs, und — nachdem sie 1299 zur christlichen Kirche umgewan-
delt — eingestürzt und so lange verlassen geblieben sein, dass Bäume,
welche in ihrem Innern wurzelten, weit über das Gemäuer emporgeragt
haben. Ihre zweite Restauration im spanisch-gothischen Style mit dem
Vorhofe von vergrössertem Umfange mit zweifachen, übereinander stehen-
den Bogengängen umgeben, widerstand den Unbilden der Zeit bis auf jene
des Befreiungskrieges im Jahre 1810, welche sie jedoch auch nicht weiter,
als bis zu der pittoresken^Ruine zerstören konnten, in der sie sich neben
ihrem Orangenhofe auf dem fünften Blatte darstellt, und mit der dunklen
Farbe ihrer Ziegel einen malerischen Anblick gewährt." Auch dieser Ge-
genstand ist bereits in Delaborde's Reise, sogar von einem nur wenig ver-
schiedenen Standpunkte aus, dargestellt worden, doch nicht mit gleicher
Genauigkeit in leichter Aufi'assung der architektonischen Details. Höchst
interessant ist die Structur des (unteren) Bogenganges im Kreuzhofe: leichte
Halbkreisbögen, von Säulen getragen, ihrer drei von einem höheren Spitz-
bogen zusammengefasst, die Spitzbögen aber durch Pfeiler und Halbsäulen,
welche bis zn dem buntgeschmückten Gesimse emporlaufen, von einander
getrennt. Darüber erheben sich die hohen kahlen Mauern der Kirche, die
nur an der,' mit horizontalem Gesims abgeschlossenen Giebelfront durch
ein gothisches Radfenster ausgefüllt werden. Sehr alterthümlich macht
sich die Chornische, deren Gesims von Rundbögen getragen wird, welche
auf grösseren oder kleineren Consolen ruhen; es hat Etwas, das auf den
ersten Anblick an römisches Werk erinnern,möchte. • '' .. '

1) Eine solche Einrichtung gehört überhaupt zu der ältesten Anlage christ-
licher Kirchen und findet sich ebenso in den Beschreibungen der altrömiscben
Basiliken, wie in der Sophienkirche zu Gonstantinopel. Auch finden sich in
Italien noch mannigfache Reste von Anlagen ähnlicher Art.

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248 Berichte, Kritikeu, Erörterungen.

Zu den älteren Werken christlicher Architektur gehört ausserdem der
Kreuzgang von St. Paul in Barcellona (Vignette im Text), der an die
zierlich byzantinischen Kreuzgänge nordischer Architektur erinnert; die
Bögen, welche die nach der Tiefe gekuppelten Säulchen verbinden, sind
der bekannterP, gebrochenen, halbrosetten- artigen Bogenform auf gewisse
Weise ähnlich. Doch darf hier von Bögen eigentlich nicht die Rede sein,
da die Steine horizontal übereinander liegen und sich nur — jenem ur-
ältesten Ueberdeckungsprincip analog ~ kragsteinartig tragen; auch ist
hiedurch die ebenerwähnte rossten-artige Form nicht unwesentlich mo-
diflcirt. — Mehrere'Blätter sind den Beispielen gothischer Architektur ge-
widmet; drei der bedeutendsten von ihnen führen uns aber nicht die An-
sichten ganzer Gebäude, sondern nur einzelner Theile, und zwar oberer
Bekrönungen derselben, vor; es ist interessant, hierin detaillirte Beispiele
von dem besonderen. Formengefühle der spanisch-gothischen Kunst vor
sich zu sehen. Von der nordischen unterscheidet sich letztere, wie es
scheint, — und wie es Überhaupt bei den südlich-gothischen Gebäuden
gefunden wird, — durch das Vorherrschen der Horizontallinie, oder viel-
mehr durch eine bestimmt begränzte Einrahmung der bewegteren Formen
dieses Baustyles; dagegen sind die Details in einer eigenthümlichen Weich-
heit und Fülle gebildet, ohne die Schärfe der deutschen und ohne die
Nachahmungen antiker Formen, welche letzteren im Italienischen oft stö-
rend hineintreten, sondern mehr in einer gewissen leisen Hinneigung zu
Ifi dem schwungvollen Charakter der eingewanderten orientalischen Kunst,

f Das erste dieser drei Blätter (T. 1) gehört dem Rathhause von Barcellona

an; das zweite (T. 11) der Börse von Valenzia, welche von Jacob von
Arragon im dreizehnten Jahrhundert erbaut und um 1480 durch Ferdinand
den Katholischen restaurirt wurde; eigenthümlich macht es sich bei letz-
terer, wie die, in geringen Abständen angeordneten gothischen Spitz-Pfeiler
zwar, dem Style gemäss, über das Hauptgesims emporragen, aber doch
nur an breitere, zinnen-artige und in Kronen ausgehende Mauerstücke an-
lehnen. Das dritte Blatt (T. 16) giebt einen Theil der Chorverzierungen
• an der Kirche de los Reyes in Toledo. Diese Kirche wurde, während
König Ferdinand die Mauren bekriegte, von der Königin Isabella in Folge
eines Gelübdes für den glücklichen Erfolg des Krieges, und zwar in den
'ir Jahren 1494—1498 erbaut, wie die Chronik des Gebäudes besagt, welche

*|,f auf einem an allen Hauptmauern desselben fortlaufenden Schriftbande in

castilischer und lateinischer Sprache enthalten ist. Die mitgetheilte De-
koration ist in prachtvollem, spätgothischem Style ausgeführt: Feld an Feld
nebeneinander, und durch Heiligen-Statuen geschieden, sieht man kolossale
Adler, welche das castilische Wappen tragen, das unlerwäSts durch Löweu
vertheidigt wird und zu dessen Seiten überall ein Joch und ein Bündel
Pfeile (Symbole der Stärke und Eintracht) befindlich sind. — Sodann ist
hier noch der Hof der Kathedrale von Sevilla (T. 20) zu erwähnen, wel-
cher auf der einen Seite einen Flügel der Kathedrale, unvollendet, im
barock gothischen Style, und daneben den älteren-Glockenthurm zeigt.
Dieser ist, mit Ausnahme des oberen Aufsatzes, wiederum noch ein
zierlich arabisches Werk und führt auch noch gegenwärtig den arabischen
Namen „la Giralda", — die Stolze. Eine Schlussvignette endlich giebt ein
Bild des Quai's von Sevilla am Guadalquivir, mit dem mächtigen „Torre
del oro", dem Thurm, in welchem das erste, von Columbus. aus Amerika
eingeführte Gold aufbewahrt wurde, und mit der Kathedrale in der Ferne,

y-
f

a

1

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Erinnerungen aas Spanien. 249

Doch haben wir uns bei den, deni Raurae nach mehr untergeordneten
Theilen des Werkes vielleicht schon zu lange aufgehalten; es ist nöthig,
dass wir auch auf dasjenige, wprin sein" eigenthümlichstes Verdienst be-
steht , eiiien Blick werfen, auf die.Darstellungen spanischen Lebens und
nationaler Sitte. Hier stellt sich dem Beschauer eine reiche Folge von
Genrebildern vor, die, wie sie mit Lebendigkeit in das fremde Lokal «in-
führen, so sich nicht minder in wohlgefälliger'Weise zum künstlerischen
Ganzen abrunden. Von den Mönchen vor der Pforte der Kathedrale von
Cordova haben wir bereifs gesprochen, bie Geistlichkeit bildet (oder
müssen wir heutiges Tages etwa schon sagen „bildete"?) ein sehr bedeu-
tendes Ingrediens im spanischen Leben, und so begegnen wir den Personen
ihres Standes noch mehrfach in den vorliegenden Blättern. So gleich zu
Anfang des Werkes (Bl. 2),. ^wo zwei von ihnen als Reisende vor dem
alten arabischen Thore von Alcala la real halten: der eine hager, nach-
denklich, im Dominikaner-Habit, sitzt auf einem reich behängten Maul-
thiere; der andre, ein Franziskaner, wohlbeleibt und lebhaft, frägt einen
herzutretenden Jägersmann nach der Herberge, während ein mit einer
Decke bekleideter Knabe bettelnd sein Mützchen hinstreckt; beide Mönche
mit den langen-, seitwärts aufgekrämpten Sonnenhtiten'bedeckt. — Zwei
andre Mönche, einem^ gemeinsamen Orden angehörend, aber in gleichem
Contrast der Persönlichkeit sehen wir auf Blatt 14, am Strande von Ma-
laga; sie sprechen mit einem wohlgeputzten Reiter, dessen Kleidung die
kecke Würde ^eines Majo verräth, und der seine Maja, nicht minder zier-
lich kostümirt, neben sich sitzen hat. Ein altes Tabernakel zur Seite, ein
Klosterbau im Hintergrunde charakterisiren die interessante Lokalität. —
Majo und Maja, den Glanz des Volkslebens-bezeichnend, finden wir auf
Blatt 17 wieder, wo sie, die Castagnetten schwingend, lebhaft und keck
bewegt, den Bolero tanzen. Zuschauendes Personal zur Seite; darunter
ein Mönch vornehmeren Ordens und ein Knäbchen im Franziskanerhabit,
der seinen Hatnpelmann ebenfalls'zum Tanze aufzieht. — Saurathiere, mit
schweren Waarenballen bepackt, mit Quasten, Schellen-und Glöckchen
behängt, ziehen auf Bl. 4 an uns vorüber; es ist eine der wilden, unfahr-
baren Strassen in der Sierra Morena; auf dem einen Thiere sitzt der Führer
des Zuges, der sich in fröhlichem Gespräche zu seinem Mitreisenden, einem
älteren, in den Mantel gehüllten Reiter, zurückwendet. Schiessgewehre
deuten auf die Sorge für die Sicherheit des Zuges, ei;n Kreuz am Wege,
mit dem Namen eines Erschlagenen, auf die Nothwendigkeit dieser Vor-
sicht. — Den Räuber -selbst führt uns Bl. 7 vor; es ist der berühmte Jose
Maria, in der Majö-Tracht auf stolzem "andalusischem Rosse sitzend, zwei
bewaffnete Gesellen zur Seite. Hier jedoch ist nichts mehr von ihm zu
fürchten, da uns der erklärende Text belehrt, dasb er durch einen Gon-
tract mit der'Regierung sich bewogen gefunden hat, sein früheres Leben
mit dem entgegengesetzten Geschäft eines Wächters der Strassen zu ver-
tauschen. Das Gewerbe des Räubers und des Contrebandisten sind nahe
verwiindt; auf BL 3 sehen wir einen solchen vor einer valenziäner Venta
(Wirthshaüs) sitzen, sein schwer bepacktes Ross-neben jhm; er- spricht mit
den Leuten des Hauses, die sich durch ihre einfache Tracht und durch ihr
mönchs-artig geschorenes Haupthaar von den audeyn Provinzen wesentlich
unterscheiden. Eine zweite Venta desselben Landes mit mancherlei bäuer-
lichem Volk ist auf Blatt 18 dargestellt. — Noch andre Blätter führen uns
in das Treiben des Landbewohners 'ein. So Blatt 8, das Dreschen des

mF

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250 Berichte. Kritiken, Erörterungen.

Getreides in der Mancha, luftige Pferde, die, an ein leichtes Brett ge-
spannt, im Kreise über das ausgebreitete Korn hinjagen, und Blatt 9, ein
ungefüger Getreidewagen mit der zugehörigen Familie., — Auf Blatt 13
endlich sehen wir die Promenade von Sevilla vor uns, wo hohe und nie-
dere Stände, Frauen, Geistliche, Militairs, Bettler u. s. w. durcheinander
wogen; im Vorgrunde die nöthige Bude eines Wasserverkäufers.

Das gesammte letzte Drittheil des Werkes (10 Blätter und mehrere
Vignetten) enthält Darstellungen des Stiergefechtes. Hier entwickelt sich
uns in anschaulichster Weise das Bild dieses merkwürdigen und interes-
santen Schauspiels in seinen verschiedenen Stadien; wir glauben, dass
gerade diese Blätter dem Herausgeber eine besondere Theilnahme sichern
werden, indem hiefür die blossen Beschreibungen, wie wir deren allerdings
besitzen, auf keine Weise zureichend sind, und in den Zeichnungen sich
hier vorzugsweise das Talent einer lebenvollen, geistreichen Autfassung
und Darstellung kund giebt. Die Lokalität ist Sevilla, und in mehreren
der Blätter ragt ernst über das Amphitheater der Zuschauer der Dom mit
seinem Glockenthurm herein. Zuerst (Nr. 1) werden wir in den Vorhof
geführt, wo die verschiedenen handelnden Personen des ernsten Schau-
spieles in ihren Vorbereitungen beschäftigt sind. Dann sehen wir (
Nt. 2)
den Zug der Kämpfer vor einem alten Marienbilde halten und die Mutter
der Gnaden ernstlich um Hülfe in dem bedrohlichen Spiele anflehen; zur
Seite der pathetische Alguazil in altspanischer Tracht. «Da öfltnet sich die
Pforte unter dem Marienbilde (Nr. 3), und heftig stürmt der Stier auf den
ersten Picador los, der ihn aber mit sicherem, gewaltigem Lanzenstosse
empfängt. Bedenklicher ist die Erwartung des zweiten Angriffes (Nr. 4),
wo der Stier mit gesenktem Haupte, mit den Füssen scharrend, des gün-
stigen Momentes harrt, während der Picador ihm stratf und aufmerksam
die Lanze entgegenstreckt und die Banderilleros ihn mit ihren Mänteln
scheu zu machen suchen. Aber der Picador ist mit seinem Pferde nieder-
geworfen (Nr. 5) und wüthend bohrt der Stier seine Horner in das Fleisch
des Pferdes, während der zweite Picador zur Hülfe heransprengt und die
Banderilleros nicht minder beschäftigt sind. Zu Fusse verlässt der erste
den Kampfplatz (Nr. 6), ohne jedoch Hut und Lanze schmachvoll verloren
zu haben, während einer der Wärter den Sattel trägt und die andern
Kämpfer den Rückzug zu decken bemüht sind. Dann (Nr. 7) geht das
leichte Spiel der Bauderilleros los, welche den furchtbaren Gegner im
zierlichsten Tanze necken und durch die klappernden Bauderillen, die sie
* ihm an den Leib schleudern, seine Wuth zu immer höherem Grade stei-

gern. Von ihm verfolgt lassen sie ihm (Nr. 8) die MänteiJ über den Kopf
ä fallen oder schwingen sich, im Momente der Giefahr auf die sicheren Bar-

rieren. Aber in kühnem Fechterschritt tritt (Nr. 9) der Matador dem
mächtigen Thiere entgegen, bohrt ihm den Degen bis ans Heft ins Genick,
dass die gewaltigen Glieder, noch im Sprunge, zusammenbrechen. Der
wilde Jubel, unter welchem der Getödtete von" dem buntgeschmückten
gallopirenden Maulthiergespann hiuausgeschleift wird (Nr. 10), um einem
gleich gewaltigen Nachfolger Platz zu raachen, beschliesst die Scene.

Der erläuternde Text, der sich namentlich über die Angelegenheiten
des Stiergefechtes ausbreitet, auch einen ganzen Anschlagzettel einer sol-
chen Feierlichkeit miftheilt, ist in einer schlichten, ansprechenden Weise
geschrieben. — Wir wünschen, dass der Herausgeber, dessen Mappen
I gewiss noch viel Anziehendes über jenes merkwürdige und noch immer

py

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Ausstellungs-Literatur. , 251

so wenig gekannte Land enthalten, bald mit einer Fortsetzung seines Wer-
kes aufs Neue vor dem Publikum erscheinen möge. —

Wir verbinden mit der Anzeige des eben besprochenen Werkes die
eines andern von verwandtem Inhalte,von welchem uns so eben zwei
Lieferungen vorliegen: , '

Souvenirs de Grenade et de l'Alhambra par Girault de Pran-
ge y. Lithographies, executöes d'aprfes ses tableaux, "plans et dessins faits
sur les lieux en 1832 et, 1833. Paris 1836. Fol.

t >

Dies Werk unterscheidet sich von dem des deutschen Ktinstlers zu-
nächst dadurch, dass es einem enger geschlossenen Bezirke angehört, und
dass es nicht vorzugsweise das Leben desJVolkes, sondern nur landschaft-
liche und architektonische Ansichten giebt; dann aber enthält es nicht
Skizzen, sondern sorgfältige, -von verschiedenen französischen Künstlern
ausgeführte lithographische Blätter. In diesen tritt uns allerdings eine
höchst vorzügliche Technik, ^.-wie wir es nur von den besten Leistungen
der französischen Kunst gewohnt sind, entgegen; aber wir können es nicht
unbemerkt lassen , . dass dabei zum-Theil jene frische'Unmittelbarkeit,
welche in dem deutschen Werke so anziehend wirkte, verloren gegangen
ist, in mehreren der Veduten sowohl, wie vornehmlich in'der Staffage.
Doch gewährt auch in seiner Weise noch das französische. Werk mannig-
faches Interesse; einige • der Blätter namentlich sind von meisterhafter
Vollendung. . .

w

Eine Gesammt-Ansicht von Granada, mit. den Schneehäuptern der
Sierra Nevada, die über der Alhambra hereinragen, eröffnet das Heft. Von
schöner Wirkung ist eine Ansicht der Alhambra (etwa unterhalb des
Generalife aus genommen) und eine zweite des Thores, welches zu dem
Schlosse einführt, mit dem Niederblick auf die Ebne. In zierlichster Aus-
führung zeigt sich eine Darstellung des Löwenhofes, in den man durch,
die schlanken Säulen der Vorhalle hineinblickt, und eins der bunten Ge-
mächer des Palastes, das Kabinet'dej Infanten. Mehrere Blätter führen
sorgfältig gezeichnete architektonische Details der Alhambra vor. — Mit
besondrem Vergnügen haben wir die folgenden Blätter betrachtet: Ein
Blick durch die Laubengänge des Klosters San Domingo, -durch welche
das Sonnenlicht mit schwerer Glut hereinzittert; zwei kleine,"eigenthüm-
lich malerische Ansichten alter Baulichkeiten in der Alhambra und auf
dem Albaycin; und eine Ansicht des seltsamen- Gartens im Generalife.
Diese Blätter zeichnen sich auch vornehmlich durch eine geistreich freie
Behandlung aus.- '

Ausstellungs-Literatur. " !

'(Museum 1837, No. 23.) ; "

* Wir hätten diesen Titel füglich bereits früher in Anwendung bringen
können. Ein grosser Theil der Kunst-Ausstellungen, die sich heutiges
Tages in allen, nur ^auf einige Bedeutung Anspruqli machenden Städten

-ocr page 253-

252 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Deutschlands wiederholen, führt Hand in Hand mit diesen dem Publikum
auch zugleich sein eignes kritisches Blatt zu. Man will die Kunst-Kri-
tiken nicht mehr allein in den allgemeinen Tage - und Wochenblättern,
nicht mehr beiläufig neben den Gegenständen der Politik, der Conversa-
tion, der Literatur, der Mode empfangen; man will das, woran man sich
mit eignen Augen ergötzt hat^ auch in selbständig geschlossenem Räume
ausgesprochen sehen und so zur fortgesetzten Unterhaltung, zur Schärfung
des ürtheils, zur bleibenden Erinnerung aufbewahren. Gewiss ist die Er-
scheinung dieser kleinen Ausstellungsblätter nicht eigentlich auf Rechnung
derer, die sie schreiben, zu setzen; wäre nicht ein Publikum da, welches
ein wirkliches Verlangen nach ihnen hätte und dieses Verlangen durch
den Ankauf der Blätter bestätigte, so würden sie, wie es einmal der Lauf
der Dinge ist, nicht füglich erscheinen können. Allerdings zwar lässt es
sich voraussetzen (und es beweist sich im Einzelnen auch durch die That),
dass nicht alles, was in solcher Weise geschrieben wird, Meisterwerk sei;
auch würde dergleichen, wenn es nur als eine vereinzelte Erscheinung auf-
tauchte, nicht eben eine aussergewöhnliche Beachtung verdienen. Dadurch
aber, dass die Kritiken dieser Art eine so grosse Ausdehnung gewinnen,
lassen sie sich bereits als ein Organ des Volkes betrachten , heben sie
durch den Widerspruch des Einen gegen das Andre sdie Einseitigkeit des
ürtheils auf und bilden sie ein nicht zu übersehendes Zeugniss über das
Verhalten des Publikums zu der neu emporstrebenden Kunst. Möchten
es sich doch die Bibliotheken, sowie die Privat-Sammler literarischer
Ephemeren, angelegen sein lassen, auch von diesen flüchtigen Erscheinun-
gen möglichst vollständige Sammlungen anzulegen! Gegenwärtig wird
» dies noch mit leichter Mühe möglich sein ; in zehn oder zwanzig Jahren,
r wenn diese merkwürdige Ausstellungsperiode vorübergegangen ist (und sie

II' wird und muss, als eine nur vermittelnde Erscheinung, vorübergehen)

dürfte es seine iDedeutenden Schwierigkeiten haben; aber erst dann wird
man den Werth, alles Geschriebene der Art in durchgreifender Uebersicht
vor sich zu sehen, vollständig beurtheilen können.

Unter den neuen Erscheinungen, welche uns so eben vorliegen, er-
wähnen wir zuerst der Hannoverschen Kunstblätter für 1837 (10
Nummern, 40 S. in gross 4.). Diese Blätter sind nicht eine Fortsetzung
der von Osterwald für die beiden vorangegangenen Jahre herausgegebenen
Blätter gleiches Namens, welche sich durch ihre, mit der Feder gezeich-
neten Skizzen der bedeutendsten unter den besprochenen Bildern vor
allen bisherigen Unternehmungen der Art ausgezeichnet haben; sie sind
als „Extrablätter" der von G.Harrys redigirten „Posaune" erschienen.
Sie besprechen in mannigfacher Weise die Erscheinungen der diesjährigen
hannoverschen Ausstellung, die sich, wie die früheren, durch einen nam-
haften Reichthum an Bildern aus München auszeichnete. An Düsseldor-
fern findet sich dabei jedoch ebenfalls kein Mangel; mehr an Berlinern,
Dresdnern u. s. w., dagegen Holland und Frankreich diesmal in anziehen-
des der
Weise beigesteuert hatten. Für die fehlenden Umrisszeichnungen, die

man nicht gern vermisst, werden ausführliche Biographieen vaterländischer
Künstler mitgetheilt, wofür dem Redacteur besonders Dank zu sagen ist.
Unter diesen begegnet uns zuerst Carl Oesterley, geb. 1805 zu Göttin-
gen; daselbst von 1821 bis 24 studirend^und zum Doctor pronaovirt; 1824
bis 27 in Dresden künstlerischen Studien obliegend; 1827 bis 29 in Italien

thätig; dann nach Göttingen zurückkehrend, als Privatdocent, seit 1831

'v!

m

iii:

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Ausstellungs-Literatnr. 253

als Professor die neuere Kunstgeschichte lehrfend; mannigfach für Verbrei-
tung des Kunstinteresse thätig; endlich "seit Errichtung des hannoverschen
Kunstvereins auch mit eignen grösseren Gemälden histojischer Art — und
zwar mit glücklichstem Erfolge — beschäftigt und zur, Vervollkommnung
seines Colorits auf einige Zeit in Düsseldorf ansässig. — Ferner August
von der Embde, zu Cassel im Jahre 1780 geboren, erst spät der Aus-
übung der Kunst sich annähernd, 1804 und 5 auf den Akademieen zu
Dresden und Düsseldorf thätig; als Portraitmaler vielfach und glücklich
beschäftigt (man zählt von ihm bis jetzt 428 Portraits); endlich auch e r
vornehmlich erst seit Bestehen des hannoverschen Kunstvereins zu ander-
weitigen Leistungen, zu jenen Genrebildern, die so allgemeinen Beifall
gefunden haben, angeregt. — C. W. Tischbein, W. Ahlborn u. A.—
"Wir deuteten schon oben an, dass nicht alle Erscheinungen dieser
Ausstellungs-Literatur meisterhaft s^in werden; im Gegentheil findet sich
auch wohl Manches, das man lieber ungelesen lässt. Ein gewissenhafter
Recensent kann in solchen Fällen nicht a:nders, als das Publikum benei-
den, welches sich mit einer Leetüre von zwei Seiten beruhigen darf. Der
Recensent muss bis auf die'letzte, enggedruckte Seite ausharren, das ist
seine Pflicht; er soll das Publikum nicht blos. auf angenehme Pfade leiten,
er soll es auch von den widerwärtigen zurückhalten; dazu muss er diese
kennen. Dazu gehört Geduld, viel mehr Geduld, als diejenigen meinen,
"denen die Früchte seines Fleisses zu Theil werden. — Doch ich wollte
nicht von Recensenten sprechen, sondern von den neusten Aüsstellungs-
Berichten; zur Erkl^ärung des Vorausgeschickten beinerke ich somit nur,
dass ich sö eben die „Kreuz- und Quergedanken eines Dresdener
Ignoranten vor den Düsseldorfer Bildern, über die Düssel-
dorfer Bilder und ma'nches Andre, von Heinrich Paris. Zur
Erinnerung .für Freunde. Zweite durchgesehene Auflage.
Dresden und Leipzig, 183 7" durchgelesen habe. Der Titel des Wer-
kes (56 enggedruckte Seiten) ist vielleicht das Einzige,'was nicht übel ge-
wählt ist. Die Gedanken gehen in der That kreuz und quer: — gegen
deutsches Wesen, gegen die neue Zeit,' gegen das Unkünstlerische des
Ghristenthums, z. B. gegen die DarstellUTigen des ^Abendmahles (an Leo-
nardo's unsterbliches Meisterwerk scheint' der Verfasser hiebei, wie an so
vieles Andre, nicht gedacht zu haben) u. s. W,; dann liegt dem Ganzen
eine höchst merkwürdige naive Ignoranz zu Grunde, in Bezug auf Geschichte
im Allgemeinen, wie .ajif die Kunstgeschichte insbesondre, über welche
beide der Ignorant sich -gleichwohl sehr dictatorisch' auslässt', Über die
Gegenwart nicht minder,' z. B. darin, dass er die Münchner Schule gänz-
lich ignorirt. U. s. w., u. s. w, — Wenn man aber das Büchlein gelesen
hat, dann auch noch die gesammten, .in modern anspruchvoller Weise vor-
getragenen Aussprüche zu widerlegen, diess hiesse von einem Recensenten
zu viel verlangt; auch kann er ein solches Geschäft um so eher von sich
ablehnen, als in der That bereits „Drei Briefe zur Widerlegung
der Kreuz- und Quergedanken eines Dresdeüer Ignoranten etc.
von Herrn. Frhr. voTa Friesen, April 1837, Dresden" (42 Seiten)
erschienen sind. Diese enthalten eine würdige Widerlegung der Haupt-
punkte obiger Schrift, namentlich was die christliche Grundlage der mo-
dernen Kunst, was die BMeütung der jüngst vergangenen, neu-alterthüm-
lichen Bestrebungen' anbetrifft u. s,,w. Auch wird hier von den grass-
artigsten Bildern der, Ausstellung,'Lessing's Hussiten und Bendemann^s

-ocr page 255-

254

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Jeremias, die der Ignorant merkwürdig missverstanden hatte, eine treffliche
Charakteristik vorgelegt. Sehr Vieles freilich wäre noch gegen die Masse
der in der ersten Schrift enthaltenen unwahren oder schiefen Ansichten zu
sagen gewesen; aber es ist Niemand zu verdenken, wenn er die Lange-
weile scheut; und gewiss hat die letztere Schrift der ersten schon zu viel
Ehre angethan.

CoHeccion de las Vistas de los Sitios Reales y de Madrid,
litografiadas de Orden del Seftor Rey D. Fernando VII, y a su falleci-
miento mandadas continuar por su Escelsa Esposa la Reina Gobernadora
Dorla Maria Cristina de Borbon. En su Real Establecimiento de Madrid.

Gr. Fol.

.(Museum 1837,, No. 24.) '

jf/

Wir haben kürzlich, bei Betrachtung der Gail'schen Skizzen aus Spa-
nien, Gelegenheit gehabt, das spanische Volk in seiner nationalen Eigen-
thümlichkeit kennen zu lernen und zugleich einen Blick auf die roman-
tische , ritterliche Vorzeit des Landes zu werfen, wie sich diese in den
Monumenten des Mittelalters ausspricht. Ein andrer Geist weht uns aus
den, bisher erschienenen Theilen des vorgenannten Werkes entgegen, wel-
ches der Pracht der königlichen Hofsitze gewidmet ist; in diesen, deren
Gründung dem Ende des sechzehnten und dem siebzehnten Jahrhundert
angehört, ist bereits ein düstrer Ernst oder der Prunk der Etikette an die
Stelle der früheren ritterlichen Zierlichkeit getreten; auch die moderne
Staffage, mit welcher die vorliegenden Ansichten angefüllt sind, zeigt uns
vielmehr das Cereraoniel des Hofes oder das allgemeine europäische Niveau
der vornehmeren Stände, als den eigenthümlichen Charakter des Volkes.
Aber auch in dieser Rücksicht bieten sie dem Beschauer mannigfaches
Interesse. Ehe wir jedoch .die einzelnen Abtheil'ungen näher betrachten,
ist es nöthig, auf^ die künstlerischen Verhältnisse des Werkes, die uns
einen namhaften Theil modern spanischer Kunstthätigkeit vorführen, einen
Blick zu werfen. Es sind sämmtlich landschaftliche oder architektonische
Ansichten, nach Gemälden von F. Brambilla lithographiirt; die Auffas-
sung, welche diesen Ansichten zu Grunde liegt, ist nicht sonderlich poeti-
scher Art; selten sind die dargestellten Gegenstände so ^ntworfen, dass
sie sich zu einem geschlossenen Ganzen abrunden, noch seltner sind die
Wirkungen des Lichtes, der Luft, der Wärme zur Hervorbringung ergrei-
fender künstlerischer Effekte benutzt. An jene reizvolle Auffassung, in
welcher z. B. einige Ansichten der Gärten zu Aranjuez von Velasquez (im
Madrider Museum befindlich) gemalt sind, ist hier nicht zu denken. Es
sind eben nur Nachbildungen vorhandener Gegenstände, unter einem will-
kürlich gewählten Rahmen abgeschnitten ; aber sie tragen somit zugleich
wenigstens die Gewähr einer äusseren Richtigkeit, welche Nichts für an-
derweitige Zwecke aufopfert, an sich. Dasselbe gilt v.bn der lithographi-
schen Technik;
einzelne'Blätter sind recht lebendig gearbeitet, andre
ängstlich und geistlos, die Mehrzahl in einer gewissen mittelmässigen

-ocr page 256-

Colleccion de las Vistas de los Sitios Reales y de Madrid. 255

Tüchtigkeit. Bei weitem die meisten der Blätter führen den Namen eines
französischen Lithographen, Asselineau; unter diesen finden sich vor-
zugsweise die besseren. Der Staffage,. die zumeist in grösseili Reichthum
angewandt ist, fehlt es noch mehr als den landschaftlichen Elementen an
innerem Leben: die Figuren scheinen nur mit Zagen zu gehen, zu stehen
und zu laufen; doch kann man nicht läugnen, dass gerade dies den cere-
moniösen Eindruck, der schon dem Allgemeinen der Gegenstände einwohnt,
in einer, noch mehr charakteristischen Weise hervorhebt. Auf einigen
Blättern Ist aber auch die Staffage gut, und lustig macht es sich, wie hier
und da die Hof-Equipagen, mit''galoppirenden Maulthierzügen bespannt,
einherbrausen. Die Arbeit des Aetzens und Druckens scheint ungenügend;
die Blätter, haben durchweg etwas Rauhes und Hartes. *

Die erste Abtheilung, aus 18 Blättern bestehend, führt den Titel:
Colleccion de las Yistas del \R. Sitio de San Lprenzo; 1832.
Dies ist der königliche Landsitz des Escorials-am Abhänge des Gua-
darramagebirges, welcher zur Herbstzeit vom Hofe besucht zu werden
pflegte. Seine berühmteste Zierde, denjenigen Gegenstand, zu dessen Er-
läuterung vornehmlich die vorliegenden Blätter dienen, bildet das mäch-
tige Hieronymitenkloster des heiligen Laurentius, "welches unter Philipp IL
im Jahre 1563 von Juan Bautista de Toledo begonnen und 158.4 von des-
sen Schüler Juan de Herrera vollendet wurde. Es ist ein ungeheures Vier-
eck von 740 Fuss Breite und 580 Fuss Tiefe, auf mächtig gewölbten Sub-
structionen ruhend, mit emporragenden Thürmen auf den vier Ecken, in
der Mitte sich hindurch ziehend der Bau der Kirche, diese mit zwei
Glockenthürmen am Eingange und mit einer gewaltigen Kuppel, welche
von allen S^eiten her als der Schlussstein des colossalön Werkes erscheint.
Ansichten von verschiedenen Standpunkten aus, in grösserer oder geringe-
rer Ferne aufgenommen, geben ein Bild der Gesammtmasse in ihrer cha-
rakteristischen Eigeri'thümlichkeit und in ihrem Verhältnisse zu der Um-
gegend, namentlich zu dem riesigen Gebirgszuge, der sich nahe hinter dem
Kloster erhebt. Das ganze Gebäude trägt den Charakter eines imponiren-
den Ernstes, aber es liegt etwas Düstergewältiges darin; lässt auch die
majestätische Kuppel der Kirche die religiösen Zwecke des Baues nicht
misskennen, so gemahnt derselbe, mit seinen endlosen Reihen kleiner
Fenster, den Beschauer doch eher fast wie eine Festung oder wie ein Ker-
ker; man ahnt es, dass dieser Bau dem Triumphe derjenigen Kirche errichtet
ward, welche sich mit furchtbaren Waffen über ihre feindlichen Gegner
erhob und wie ejn blutiges Geriet über der Heiterkeit des Landes wal-
tete. Auf einem: der Blätter,, einem der geistreichsten des ganzen Werkes,
steigert sich dieser Charakter »indess zu. einer eigenthümlicli poetischen
Wirkung; hier lagert sich der Bau des Klosters bedeutsam über den klei-
nen Gebäuden der umgebenden Ortschaft, aber in einer noch ungleich
grossartigeren Weise erheben sich im Hintergrunde die steilen Anhöhen
des Gebirges,, denen der .Duft uüd Schijnmer des Morgenlichtesi die land-
schaftliche Stimmung des Blattes angenehm erheiternd, zugesellt ist. —
Eben, jenen ernsten, strengen Charakter tragen dann auch die sämmtlichen
Einzelheiten der Anlage, die auf mannigfach wechselnden Blättern vorge-
führt werden.' So^ zunächst -die Eingangsseite des Ganzen, welche, der
Hauptmasse nach schmucklos und nur an einigen Portalen mit schwerer
Zierde versehen, wiederum vorzugsweise an den Festungscharakter erin-
nert. Der Vorhof der Kirche (Pafeo
de los Beyes) ist nicht geeignet, die-

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II"

256

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

sen Eindruck sonderlich zu verwisclien; namentlich dieFa^ade der Kirche
selbst, mit ihren beiden massiven Glockenthürraen, bringt eine trübe, dumpfe
Wirkung in dem Gemüthe des Beschauers hervor. Nach unten zu hat die
Fa^ade grosse römisch-dorische "Wandsäulen, über deren Gebälk sich die
riesigen Gestalten biblischer Könige erheben; hinter letzteren und bis hoch
an den Giebel empor ist nur eine öde, formlose Fläche, die aber nicht,
■wie man es so häufig bei italienischen Domen findet, ursprünglich für eine
anderweitige Dekoration bestimmt gewesen sein kann. Das Blatt, welches
den
Patio de los Beyes darstellt, enthält, als reiche Staffage, zugleich eine
militairische Parade und feierliche Kirchenprocession, die dem nordischen
Beschauer ein eigenthümliches Interesse gewährt. So ist ferner auch das
Innere der Kirche in einem strengen, aller Heiterkeit ermangelnden Style
gebaut. Man hat sie mit der Peterskirche von Rom verglichen, aber es
fehlt ihr die Pracht und der Schmuck dieses Gebäudes; die ganze Archi-
tektur besteht aus nüchternem römisch^dorischem Pilasterwerk, über dessen
gänzlich zierdelosen Friesen die Gewölbe aufsetzen. Die bunten Gewölb-
malereien von der Hand des Luca Giordano reichen nicht hin, diesen
freudelosen Charakter der Architektur, welche fast an Steenwyck's Gefäng-
nissbilder erinnert, aufzuheben. Zwei Blätter stellen das Innere der Kirche,
von verschiedenen Standpunkten aus, dar; das eine den Hochaltar, das
andre einen der Seitenflügel, in welchem ein eignes Monument von nicht
unbeträchtlicher Grosse, in der Gestalt eines römisch-dorischen Kuppel-
baues, errichtet ist; riesige Kerzen sind hier um die Stufen des Monuments
aufgestellt und verbreiten eine eigenthümliche Beleuchtung durch die wei-
ten Hallen der Kirche, ^die in diesem einzelnen Falle (als Lithograph er-
scheint hier wiederum ein Franzose, Blanchard) trefflich ausgeführt ist.
Chor und Sakristei, auf besondern Blättern vorgeführt und mit der Dar-
stellung solenner Ceremonien angefüllt, sind weniger anziehend; die Sakristei
zeigt mannigfach barocken Schmuck und an ihren Wänden eine Reihe von
jenen Gemälden grosser Meister, die ihrerseits nicht minder für den Ruf
des Eskorials wirksam gewesen sind. Die Gruftkapelle, in welcher die
Könige des Landes seit Philipp II. ruhen, führt den seltsam stolzen Namen
des Pantheon; hier zeigt sich fast^die grösste Pracht der .Gesammtanlage;
geschmückte korinthische Pilaster, zwischen denen Nischen' angeordnet
sind, in welchen — über einander, den Grabnischen der römischen Kata-
komben ähnlich, — die barock verzierten Särge der Könige stehen, jeder
derselben mit deiü Namen des darin Ruhenden bezeichnet. Doch jpoch
ein zweites Blatt führt uns den Aufwand grosser Pracht vor die Augen;
dies ist der weite gewölbte Saal der berühmten Bibliothek des Klosters,
der mit Malereien und Stukkaturen bunt erfüllt ist. Die übrigen Räume,
welche wir in diesen Blättern vor uns sehen, entsprecheil wiederum dem
strengen Geiste modern römischer Architektur, so die Ansicht der Haupt-
treppe, und vornehmlich der weite Klosterhof
(Patio de los EvangeUstas)
der, in zwei Geschossen, mit massenhaften römischen Bogenstellungen um-
geben ist. Zwei Ansichten endlich stellen ein Paar kleine königliche
Villen in der Nähe des Klosters dar, deren Architektur- indess nichts
Beachtenswerthes enthält.

Die zweite Abtheilung des Gesammtwerkes: Colleccion de las
Vistas dei R. Sitio de Aranjuez, 1832, — enthält 27 Blätter. Aran-
juez ist dasjenige unter den königlichen Lustschlössern Spaniens, in wel-
chem der Hof, nach den strengen Vorschriften der Etikette, die Frühlings-

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Collecpioii de las Vistas de los Sitios Reales y de Madrid. 257

monate zubrachte. Aber es war auch für diese Zeit sehr wohl geeignet.
Hier begegnet dem Auge nichts von jenem düsteren Ernste des Eslibrials;
fruchtbar grünende Gärten breiten sich in dem schönen Thale des Tajo
hin, und die fürstliche Residenz selbst hat den Charakter eines einfacheren
Privatbesitzes. Einen heitern Anbliclt gewährt eins der vorliegenden
Blätter, auf welchem man, von einem höheren Standpunkte aus, die ge-
sammte Ortschaft, das Schloss zur Seite, wie artiges Kinderspielzeug hin-
gebreitet sieht; mehrere andre zeigen das Schloss in verschiedenen näheren
Ansichten, indem es sich mit den Bäumen des Parkes in einer anmuthig
landschaftlichen Weise verbindet. Es ist in einfachem italienischen Styl
erbaut (ebenfalls noch unter Philipp II., von dem oben genannten Herrera)
und. nur die Hauptfa^ade des inneren Hofes, mit ihren barock empqrgebau-
ten Giebeln, entwickelt in Etwas eine grössere Pracht. Die Gärten beste-,
hen, nach verschiedenen Blättern zu urtheilen", grösseren Theils nur aus
künstlerisch ausgebildeten Naturaulagenf insgemein wird uns der Spiegel
des Flusses mit den hohen Uferbäumen an seinem Rande vorgeführt. Hier
und dort ist der Fluss von Kähnen belebt; auf dem einen Blatte sehen
wir die prächtige königliche Gondel vund die Ufer mit unzählbaren Schaa-
ren von Zuschauern bedeckt, wodurch ein ansprechendes Ganze hervorge-
bracht ist. Ebenso fehlt es nicht an leicht geschwungenen Brücken, unter
denen besonders eine, die'durch ein zierliches Hängewerk getragen wird,
von eigen landschaftlichem Reize ist. Aber auch allerlei Künstlichkelten
sind vorhanden. So sehen wir auf einem Bilde (das wiederum jedoch
als eins der besseren zu bezeichnen ist) eine Eremitenhütte,' auf einem"
andern einen zierlich eingehegten kleinen See mit Insel-Pavillons, von
denen der eine in der Gestalt eines kleinen ionischen Rundtempels, ein
zweiter -j- schon der modernen Romantik angehörig — in gothischem
Style ausgeführt ist. Dann sieht man eine, Reihe von Fontainen', die, wie
sie sich weniger durch üeberfülle des Wassers und besondres Raffinement
in dessen Vertheilung auszeichnen, um so mehr die Sculptur vorherrschen
lassen. Einzelne dieser S.culpturen machen sich, wenigstens in landschaft-
lichem Bezüge., gut, andre aber nicht, wie z. B. bei der einen Fontaine
ein dicker Bacchus, auf einem Fasse reitend, als die Hauptfigur erscheint.
Auch finden wir kleinere Nebenorte dargestellt, unter denen sich nament-
lich die
Casa del labrador als eine anmuthig einfache Villa zeigt. Sehr
anziehend aber ist das Blatt, welches, in weiter Landschaft, eine Ansicht
von Antigola, einem Oertchen im nahen Gebirge, giebt; durch den See im'
Vorgrunde, durch die ruhigen Massen der Bergzüge und die gute Beleuch-
tung bildet dies Blatt ein erfreuliches ^anze und führt uns, als ein seltnes
Beispier in dem ganzen Werke, entschieden in das südliche-LokaV ein.

Die dritte Abtheilung ist die reichste; sie enthält 30 Blätter und fahrt
den Titel: CoHeccion de las Vi'stas del R. Sitio de S: Ylde-
fonso, 1832. San Ildefonso, als der Aufbewahrungsort einer-grossen An-
zahl bedeutender Kunstschätze bekannt, ist, wie das Eskorial, am Abhänge
des Gu'adarramagebirges belegen. Die landschaftliche Umgebung wird uns
auf mehreren Blättern .vergegenwärtigt, welche — mit grösserem oder ge-
ringerp'm Glück — See, Gebirg un'd Wald in die Grenzen künstlerischer
Darstellung zu ziehen suchen. Namentlich" ist unter diesen Qin Blatt her-
vorzuheben., welches .einen wilden Wassersturz darstellt; aber die gross-

Kugler, Kleine Schriften. III. . • 17

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

artigen Motive der Natur sind hier nicht zu einer entsprechenden künst-
lerischen "Wirkung durchgebildet. Die Architektur des Schlosses ist wenig
bedeutend, die Hauptfa^ade mit einer Reihe von Säulen im französischen
Geschmack verziert. Auch über den Garten, in seiner landschaftlichen
Anordnung, ist wenig zu sagen: nach einigen Blättern zu urtheilen, scheint
hier der altfranzösische Styl mit den Kunststücken der Gartenscheere uiid
dergl., in Anwendung.gebracht. Aber den Glanz dieseä Styles sieht man
in der endlosen Menge prunkvoller Wasserkünste, mit denen der Park —
und so auch die grössere Mehrzahl der vorliegenden Blätter — angefüllt
ist. Bald sind es Cascaden, die sich, in sorgfältig gemessenen Abständen,
schäumend übereinander ergiessen, bald gewaltige Strahlen, die mit Macht
senkrecht emporgetrieben werden, bald Kreise kleinerer Fontainen vor
barock ausgeschmückten Nischen u. s. w. Hier erhebt sich aus dem Mit-
telpunkte des Bassins eine ungeheure glänzende Wassergarbe, dort sind
aussen und innen Köpfe am Boden angebracht, die in wildem Kampfe die
Wasserbögen gegen einander speien. Vornehmlich ist es die Darstellung
mythologischer Personen (und zwar in einem bedeutend manierirten Style),
welche die Spiele des Wassers vermitteln hilft. So tragen die drei Gra-
zien, sammt andern Huldinnen und Unholden die Schale, daraus der
Springquell emporsteigt; oder es ist der Triumphzug des Meergottes in wei-
tem Bassin, welcher die glänzenden Strahlen in die Lüfte sendet, Andro-
meda sieht man au den Felsen gefesselt, Perseus über ihr hängend und
gegen den Drachen gewandt, der aus Rachen und Nüstern den Gischt em-
porspeit. Dann ist ein grossartiger Bau in verwunderlichem Zopfstyl auf-
gebaut; bunte, spielende, Cascatellen springen zu seinen Seiten herab;
seltsame Häupter schiessen von oben weite Wasserbögen, wie zur Verthei-
digung, nieder; und dazwischen baden sich, riesig gross und bronzßschwarz,
die jungfräuliche Göttin der Jagd und ihre holden Nymphen. Ein andres
Bassin ist rings von einem Kreise kolossaler Bronzefrösche umgeben, welche
dicke Wasserstrahlen theils in die Luft, theils gegen den Mittelpunkt hin
speien, in dessen glitzerndem, hoch verstäubendem Schaume — wie es die
Unterschrift des Blattes besagt — Latona verborgen ist. Anderwärts sieht
man, auf einem emporragenden Felsstück, einen kolossalen bronzenen
Hippogryphen und darauf die geflügelte Gestalt der Fama, aus deren Helm,
statt des Federbusches, ein 150 Fuss hoher Wasserstrahl emporschiesst;
unter den Hufen des Pferdes stürzt, kopfübergewandt, ein ungefüger Dä-
mon vom Felsen, während an dessen Fusse, unter dem Ueberhange des
Wassers, günstigere Gottheiten in bequemer Ruhe liegen. U. s. w.

Soviel über die bisher erschienenen Lieferungen. Wie es mit der
Fortsetzung des königlichen Werkes bei den dermaligen "Zeitumständen
sich verhalten möge, wissen wir nicht. ,

258

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Stahlkifh. üeber deutsche Denkmäler. 259

Stahlstich:
(Museum 1837, No. 25.) ; , ^

Der Nürnberger Verein von Künstlern und Kunstfreunden hat als
Gedächtnissblatt für das Jahr 1836 einen Stahlstich von Ph. Walt er nach
einem Gemälde von C. Kreul: „das Bäckermädchen", ausgegeben. Die
Wahl des Gegenstandes müssen wir als sehr glücklich bezeichnen, indem
derselbe ebenso auf den Beifall des grossen Publikums rechnen darf, wie
er die Ansprüche des Kenners wohl zu befrie'digen im Stande ist. Man
sieht die geöffnete Thür eines Bäckerladens vor sich, auf deren Yorbau,
sowie auf einer vorgerückten Bank und Korbe, über sauberen Leinen-
tüchern Brode, Semmeln und Kuchen aufgebaut und geschüttet sind.
Oberwärts rankt sich Wein an dem Hause empor. In der Thür lehnt die
junge Verkäuferin und blickt zum Beschauer heraus; es ist eine frische,
anmuthig kräftige Gestalt in einfacher, tüchtiger, zugleich nicht \m-
moderner Kleidung. Das blonde Köpfchen ist, fast wie in trüben Ge-
danken, ein wenig vorgeneigt, eine abgepflückte Sternblume, die sie aus dem
vor ihr stehenden, alterthümlichen Glase ergriffen hat, und deren Blätter zer-
streut am Boden liegen, scheint anzudeuten, wohin ihre Gedanken gehen.
Referent ist kein sonderlicher Enthusiast für die Sentimentalitäten, die
uns in der heutigen Kunst nur zu häufig geboten werden; hier aber,
bei der Gesundheit und Frische der ganzen Auffassung und bei der ein-
fach derben Umgebung macht diese sentimentale Beimischung einen ganz
ansprechenden Eindruck. Der Stich (87^ Zoll .hoch und T'/s Zoll breit)
ist vortrefflich durchgeführt, mit einer Sorgfalt, Kraft und Freiheit, welche
uns für die weitere Cultivirung des Stahlstiches bei grössereh Arbeiten die
schönsten Erfolge verspricht; nur bei einzelnen Partieen dürfte noch eine
gewisse vollere Breite der Taillen wünschenswerth sein. Wir hoffen im
Interesse des Publikums, dass dies anmuthige Blatt bald in den Handel
werde gegeben werden. ' ' .

V. - ■

Ueber deutsche Denkmäler.

(Museum 1837, No. 26.)

Betrachten wir die Kunst-Interessen des heutigen Tages,, je nachdem
sie die höchsten Wechselverhältnisse zwischen Kunst und Leben, — somit
die bedeutendste Einwirkung der Kunst auf das Leben zu ihrem Gegen-
stande haben, so ist es vor allen ein Kreis von Erscheinungen, der uns als
grossartig und würdig entgegentritt, der — von den Privat-Intentionen der
Künstler, von den «Privatliebhabereien des Publikums absehend — für die
Kunst
einen'gemeingültigen Inhalt, für gemeinsame Interessen des Volkes
eine künstlerische Gestaltung in Anspruch nimmt. Es sind jene plastischen

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260 Berichte, Kritilicn, Erörterungen.

Denkmäler, Welche den gefeierten Männern des Vaterlandes durch freiwil-
lig zusammengetragene Beiträge errichtet werden. In ihnen sehen wir die
Kunst wiederum in ihrer höheren monumentalen Bedeutung anerkannt,
sehen wir eine Gelegenheit eröffnet, für die Werke der Kunst jene edlere
stylistische Behandlung, welche allein vor "Willkür und Manier schützt,
wiederzugewinnen, — nicht minder eine Gelegenheit für die Künstler, ihre
Kräfte am würdigsten Gegenstande zu prüfen und zu entwickeln.

Auffallend aber muss es uns erscheinen, wenn ein Theil dieser, der
Ehre des deutschen Volkes, dem Schmucke des deutschen Bodens gewid-
meten Werke, — theils was die Erfindung, theils was die technische Aus-
führung betrifft, -r- Künstlern anvertraut wird, welche nicht der deutschen
Nation angehören. Gewiss ist es in andern Rücksichten kleinlich und
thöricht, an den starren Begriffen der Nationalität festzuhalten, das Grosse
und Herrliche, was in Kunst, Wissenschaft und Leben von den bevorzug-
ten Geistern fremder Völker geleistet und geschaffen wird, nicht anzuer-
kennen; gewiss ist es schön und erhebend, wenn befreundete Nationen
einander die-Hand reichen und die eine die Mängel der andern auszuglei-
chen bemüht ist. Aber es scheint eben so billig wie der eignen Würde
angemessen, dass man erst dann über die Grenze des Vaterlandes hinaus-
blickt, wenn man sich überzeugt hat, dass in den Kreisen der Heimat ein
entschiedner, auf keine Weise abzuhelfender Mangel vorhanden ist. Haben
wir jedoch, was den vorliegenden Fall anbetrifft, im Süden oder Norden,
im Osten oder Westen unsers Vaterlandes irgend einen Mangel an tüch-
tigen Bildhauern?^) ist es nicht unsre Pflicht, dass wir denen, die sich
ohnedies nur zu häufig mit Arbeiten eines untergeordneten Ranges be-
schäftigen müssen, ^auch die Freude derjenigen Werke zutheilen, welche
ihrer Talente würdig sind und letztere durch den Ruhm, der sich an diese
Werke knüpft, zur Entfaltung ihrer edelsten Kräfte steigern müssen ? ist
es nicht unsre Pflicht, dass wir hiedurch der vaterländischen Kunstübung
alle diejenigen Vortheile zukommen lassen, welche sich an die Ausfüh-
rung von Werken des höchsten Styles knüpfen?

Wenn vaterländische Denkmäler von Fremden ausgeführt werden, so
ist dies entweder das Eingeständniss eigner Schwäche, oder — falls das
Vorhandensein einer solchen durch andre Zeugnisse widerlegt wird — das
Eingeständniss einer bedauernswürdigen Parteilichkeit gegen die Leistungen
der Heimat, oder vielleicht einer noch weniger ehrenvollen Gleichgültig-
keit gegen die letzteren. Wie wird die Nachwelt über einen, solcher
Gestalt bethätigten Patriotismus richten? Und muss man dem Deutschen
das Beispiel des französischen Volkes, welches niemals eiti ähnliches Ver-
halten beobachten wird^ vorführen? —

Die Errichtung einiger besondern Denkmäler für grosse Männer des
deutschen Volkes — für Beethoven, Mozart, u. s. w. — ist neuerlichst in
Anregung gebracht, auch zum Theil bereits thätig für die Gewinnung der
nöthigen Geldmittel gearbeitet worden; noch aber verlautet nichts über
diejenigen Künstler, welche man für die Ausführung dieser Monumente aus-
ersehen. Möge man hier endlich, und so auch bei den künftigen Plänen,

Um nnr einige anerkannte Küristler zu nennen, führen wir hier an, In
Berlin: Bauch, Tieck, Wichmann, Drake, Wredow; in Dresden: Rietschel;
in Cassel; Henschel; in Frankfurt: v. Launitz; in Mainz; Scholl; in
München: Schwanthaler; in Wien: Klüber und Schaller. ü. a. m,

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Oruameutik. 261

mit Entschiedenheit von dein Grundsätze ausgehen: deutsche Denk-
mäler nur durch deutsche Künstler ausführen zu lassen! Möge
man aber einen solchen Grundsatz zugleich auf die freisinnigste Weise
ins Leben einführen! Wo es sich um. Denkmäler handelt, welche das ge-
meinsame Interesse des Volkes in Anspruch nehmen, da ist es würdig und
gerecht, die Arbeit nicht nach ausschliesslichem.yorurtheil dem einzelnen,
auf diese oder jene Weise bereits bevorzugten Meister zu übertragen,
sondern alle im Vaterland vorhandenen Talente zu einer^freien öffent-
lich en Concurrenz aufzufordern. Durch die, für eine solche Concur-
renz eingesandten Entwürfe wird man sich jederzeit der würdigsten Auf-
fassung des Gegenstandes versichern können, wird man dem höheren Streben
der Künstler, der lebendigeren Theilnahme des Volkes an den Leistungen,
welche seine edelsten Interessen berühren, die beste Grundlage darbieten
können. Ueber die äusseren Bedingungen und Einrichtungen einer solchen
Concurrenz wird man sehr leicht ins Klare .kommen, auch was. den Punkt
anbetrifft, dass man natürlich nur den Entwurf eines Künstlers, der sich
bereits in der Ausführung grösserer Arbeiten "auf irgend eine Weise be-
währt hat, auswählen dürfte. —

Es ist zu hoffen, dass die übrigen deutschen Zeitungen uhd Zeitschrif-
ten, als die Organe der öffentlichen Interessen, es sich nicht minder werden
angelegen sein lassen, bei dieser Angelegenheit die Ehre des deutschen
Namens zu vertreten. ;

Ornamentik.

(Museum 1837, No. 27.)

S

Einen neuen Beleg über ^die tüchtige Schule, die sich im Fache der
Ornamentik bei uns — vornehmlich in Berlin — gebildet hat, giebt die
eben erschienene 4te Lieferung des

Ornamenten-Buches zum praktischen Gebrauche für Architekten,
Dekorations- und Stubenmaler, Tapeten-Fabrikanten u. s. w. Berlin, bei

George Gropius. -

Zwei von den 6 Blättern dieses Heftes sind von S. E. Hoffmann, die
übrigen von H, Asmus erfunden und auf Stein gezeichnet; sie enthalten
sowohl verschiedenartig anzuwendende Verzierungen, als bestimmte Muster
für den Schmuck der Zimmer und der äusseren Haus-Fa^aden. In allen
spricht sich ein reines, gebildetes Gefühl, welches mit wenig Mitteln das
Ansprechende zu leisten versteht, aus,; in einzelnen Blättern werden sehr
geschmackvolle und zarte Erfindungen mitgetheilt. Nur Eine Bemerkung
wollen wir hiebei nicht zurückhalten.. Alle diese Blätter, in wie guter
Harmonie auch die bei ihnen angewandten Farben zu einander stehen,
bringen diese Harmonie doch nur auf dem leichteren Wege des Zusammen-
stellens gebrochener, abgetönter Farben hervor; es wäre aber wohl zu
wünschen, dass mau mit letzteren hier und da zugleich kräftige, leuchtende

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262 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

Farben verbunden h^tte, deren Anwendung auf unser noch immer so zag-
haftes Gefühl nur vortheilhaft einwirken könnte, wenn sie — was freilich
ungleich schwieriger zu erreichen ist — durch gediegene Muster vor der
Gefahr der Disharmonie geschützt würde.

Wir können das eben genannte Werk mit um so grösserer Anerken-
nung aufnehmen, als es sich neben einem zweiten Unternehmen derselben
Art, —von dem es sich seit einiger Zeit gesondert hat und dessen Treff-
lichkeit schon d,urch den Namen des Herausgebers genügend bezeichnet
wird, — in eigenthümlicher Selbständigkeit geltend macht. Letzteres
ist das

Ornamentenbuch etc., erfunden und auf Stein gezeichnet von C. Bot-
tich er, Architekt,'Lehrer am K. Gewerbe-Institut zu Berlin. Berlin, bei

Schenk und Gerstäcker.

r

Hievon liegt uns das eben erschienene zweite Heft der neuen Folge
vor, welches nicht minder einen grossen ßeichthum geschmackvoller Dar-
stellungen enthält. Zum Theil sind es strenger stylisirte Ornamente, wie
die Muster für architektonische Gliedermalereien (ein sehr dankenswerther
Beitrag für unsre immer weiter ausschreitende Ornamentik), für Relief-
streifen und für Schabionenmalerei (farbige Wandfriese); zum Theil aber
ist die Stylisirung leichter gehalten und vermählt sjch auf eine anspre-
chende, künstlerische Weise mit den freieren Formen der Natur. Diese
leichte Stylistik, die unstreitig — falls überhaupt ein gesetzmässiges Prin-
cip festgehalten werden soll — die schwerste ist, wird in einigen muster-
haften Blättern entwickelt, von denen das eine ein zierliches Blätterwerk,
für Theilstreifen auf Decken und Wänden anwendbar, die andre ein unge-
mein reizvolles Damastmuster enthält. Der Farbendruck ist in dem in
Rede stehenden, wie auch in dem vorigen AVerke sehr wohlgelungen.

Das Publikum kann mit der Rivalisation der beiden Ornamentenbücher
nur äusserst zufrieden sein, indem hiedurch, wie bei aller Concurrenz, die
Kräfte und die künstlerische Thätigkeit in einer Spannung erhalten wer-
den, deren Resultate — wie in den beiden vorliegenden Fällen ~ nicht
ohne wesentlichen Vortheil für die Kunst sein müssen.

Ein Bild von Biard.
(Museum 1837, No. 27.)

Unter den mannigfachen Werken fremder, vornehmlich französischer
Malerei, die wir durch die hiesige Kunsthandlung des Hrn. L, Sachse
in stets erneutem Wechsel kennen zu lernen Gelegenheit haben, war es
in diesen Tagen vornehmlich ein Gemälde von Biard, welches das leb-
hafteste Interesse der Kunstfreunde erweckte. Es ist ein Bild von grösse-
ren Dimensionen, durch Gegenstand und Ausführung wohlgeeignet, von
den Leistungen dieses Künstlers, die sich gegenwärtig in Paris eines so

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Ein Bild von Biard. 263

>

vortheilhaften Rufes erfreuen, einen anschaulichen Begriff zu bekommen.
Es stellt eine "Wachsfiguren-Bude dar. Durch die geöffneten Vorhänge
der Thür sieht man zur Linken auf die Gasse hinaus, in welche ein furcht-
barer Regenguss niederströmt. Ein Offizier hat sich, ausserhalb, dicht in
die Vertiefung der Thüre gedrängt, um einigermaassen vor dem Regen
geschützt zu sein; eine Frau mit einem Schirme und ein Kind wanken in
weiterer Ferne mühsam durch das Unwetter fort. Auch in das Innere der
Bude dringt der Regen ein. Zunächst an der Thür steht der Direktor und
blickt zu den hängenden Wolken empor, durch welche die Besucher seiner
Kunstschätze fern gehalten werden; das romantische Kostüm, das ihn von
den gewöhnlichen Klassen der bürgerlichen Gesellschaft unterscheiden soll,
hat er einstweilen noch mit einem bedeutend abgetragenen Oberrocke be-
deckt. Mit untergeschlagenen Armen, in der Hand den langen Stab, der
die einzelnen Wachsfiguren zu bezeichnen dient, schaut er hinaus; auf
seinen Lippen schwebt ein ziemlich lesbarer Fluch. Hinter ihm, in der
Mitte des Bildes, sieht man die Gruppe seiner Angehörigen. Die Haupt-
figur ist die Altmutter der Gesellschaft, die, prächtig bettelhaft geschmückt,
auf einem Lehnstuhl sitzt und die Kasse der Gesellschaft auf ihrem Schoosse
hält; wahrscheinlich verwaltet sie das wichtige Geschäft des Einkassirens.
Die Schatulle ist geöffnet; sie zeigt deren Inhalt, der nur aus einigen
Kupfermünzen besteht, Das regt die Uebrigen, vornehmlich die Aelteren,
zu mannigfachen Betrachtungen an. Alle diese sind mit den fabelhaftesten
Kostümen angethan; sie tragen Musik-Instrumente in den Händen und
scheinen bei den Präsentationen der Wachspuppen, in Uebereinstimmung
mit dem phantastischen Charakter der letzteren, als Orchester^ zu fungiren.
Man sieht unter ihnen eine jugendliche Schöne, auf deren knöchernem
Halse die dicken Glasperlen arge Schlagschatten werfen, auf der einen
Seite am Boden sitzen; sie trägt eine halb türkische Kleidung'und streicht
die Geige. Aijf der andern Seite sitzt einer, im Kostüm eines amerikani-
schen Wilden> der sich,-im unbefangenen Widerspruch zu seinen braunen
Haaren, einen langen schwarzen Bart vorgebunden hat; er ist beschäftigt,
eine alte Lampe zu scheuern. Einhaltes Weib im Grunde prüft die Töne
ihres Fagotts. U, s. w. In allen Physiognomieen ist der Charakter des
vagabundirenden Lebens neben dem Ausdrucke des Verdrusses und Aer-^
gers oder einer gedankenlosen Gleichgültigkeit, vortrefflich dargestellt; das
karikirt Phantastische ihrer gesammten Erscheinung bildet einen scharfen
Contrast mit dem Gepräge der Dürftigkeit und Rohheit ihrer Existenz.
Hinter ihnen erhebt sich die Gallerie der Wachsfiguren, jener verwunder-
lichen Gebilde, die, wie sie den wirklichen Nahrungsquell dieser Gesell-
schaft ausmachen, so zugleich über ihr halbverwildertes Treiben den
Schimmer einer seltsamen Poesie auszugiessen scheinen. Da sieht man
Judith mit dem Haupte des Holofernes, dessen verdrehte Augen durch das
Dunkel leuchten; daneben die keusche Susanne im Bade und zu ihren
Seiten die beiden alten Sünder; dann eine Assemblde türkischer Sultane;
französische Notabilitäteü, u. s. w: Ein Diener steckt eben die Lampen
vor den Figuren an, so dass das glänzende Wachs der letzteren und ihre
bunten Kostüme in glitzerndem Scheine aufblinken. — Wie endlich Alles,
was den poetischen Theil des Bildes anbetrifft, so ist nicht mindet die
gcsiunmte malerische Technik von grossem Verdienste. Die Totalwirkung
ist durchaus klar und erfreulich, die Zeichnung sicher und bewusst, die
Pinselführung leicht und geistreich. Die Behandlung des Helldunkels

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.»WOTtT!»* - 'T-T—IlHI'^^ "•■II

264 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

zeugt vornehmlich von einer gediegenen Herrschaft des Künstlers über
seine Mittel, und einzelne Partieen, wie das beschattete Gesicht jener
alten Dame, sind in^ ihrer Art, ebenso wie das Ganze , vollendete
Meisterstücke.

Die Verklärung Christi, Oelgemälde von C. Begas, — Berlin.

(Museum 1837, No. 29.)

Im Atelier des Herrn Professor Begas sahen wir kürzlich ein so eben
vollendetes Gemälde, die Verklärung Christi darstellend. Das Bild ist im
Auftrage der kleinen Gemeinde von Krumoels (einem schlesischen Markt-
flecken, in der Nähe von Liebenthal) für den Schmuck der dortigen Kirche
gemalt worden, — eine Erscheinung, welche, aller gerühmten Kunstlieb-
haberei unsrer Tage zum Trotz, noch immer zu den namhaftesten Selten-
heiten gehört, die aber, weil sie eine Anerkennung der Kunst in ihrer
höchsten Bedeutung für das Leben bezeugt, auch selbst der höchsten An-
erkennung würdig ist, und die im gegenwärtigen Falle manch einen gros-
seren Ort beschämen muss.

Bei einer Darstellung der Verklärung Christi werden unsre Gedanken
unwillkürlich zu Raphaels letztem Werke zurückgeführt; wie dieser Gegen-
stand in der neuern Kunst nur selten behandelt ist, so scheint es uns,
als ob von dem grossen Meister des sechzehnten Jahrhunderts der noth-
wendige Typus desselben mit um so grösserer Bestimmtheit vorgezeichnet
sei. Aber in Raphaels grossem Gemälde nimmt die Scene der Verklärung
selbst nur einen verliältiiissmässig geringen Theil ein, und sie steht in
nothwendiger Wechselbeziehung zu der unteren Hälfte des Bildes, in wel-
cher uns das Leiden, die Rath- und Hilflosigkeit der irdischen Welt vor-
geführt wird. Andre Verhältnisse mussten eintreten, wo diese Beziehungen
wegfallen. Zwar hat Raphael auch die Auffassung der oberen Scene an
sich nicht willkürlich erfunden, sondern nur ältere, durch längeren Gebrauch
sanctionirte Typen, wie sich diese bereits bei Giotto und noch früher vor-
finden, ausgebildet, Typen, zu denen namentlich das Schweben der drei
verklärten Gestalten und die Art ihrer Gegeneinanderstellung, sowie die
Weise gehört, in welcher die drei Jünger unter ihnen daliegen; — doch
kann man auch'in dieser Rücksicht bemerken,-dass eine solche Auffassung
dem wunderbaren Vorgange noch mehr Mystisches giebt, als in den ein-
fachen Worten der Schrift gegeben zu sein scheint, obgleich wir auf keine
Weise in Abrede stellen dürfen, dass, wie schon angedeutet, bei Raphaels
Gesammt-Composition, bei dem symbolischen Charakter seines grossen
Werkes, diese Erhöhung des Wunderbaren sehr wohl an ihrer Stelle ist.
Die dreifach wiederholte Erzählung der heiligen' Schrift von dem Vorgange
der Verklärung hält dagegen das rein menschliche Element fest, sie spricht
nur vom Beten des Erlösers, von seinem Gespräche mit den beiden frem-
den Männern (Moses und Elias) und nur davon, dass sein Gesicht und
seine Gewänder, wie auch die der beiden Andern, hell und kuchtend ge-
wesen seien. In ihr hat sich der Erlöser seiner Menschheit, der Schwere

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Die Verlslärung Christi, Oelgemälde von C. Begas. 265

der irdischen Natur noch nicht entäussert, und mir das glänzende Licht,
welches seine Gestalt überströmt und von ihr ausgeht, bezeugt seine Cre-
nieinschaft mit höheren Wesen. Dieser Auffassungsweise gemäss finden
sich denn auch, im Gegensatz gegen die angeführten Werke, bereits ältere
Gemälde, welche die biblische Erzählung in ihrer einfachen (und an sich
doch schon so grossen) Bedeutung darstellen, wie z. B. ein Bild von Gio-
vanni Bellini im Museum von Neapel, in welchem man Christus mit Moses
und Elias auf der Höhe des Berges Tabor stehen sieht. Derselben Weise
ist auch Begas in seinem neusten Werke gefolgt^

Seine Composition zerfällt in zwei Thelle. Die Tiefe des Vorgrundes
nehmen die drei Jünger ein, welche vor dem himmlischen Glänze nieder-
gesunken sind. Auf der einen Seite kniet Johannes, innig betend, das
schöne Haupt geneigt, die Augen geschlossen. In der Mitte ist Jacobus,
der sich emporrafFt, indem er, wie es scheint, -Johannes aufzumuntern oder
ihn
um^die Bedeutung der überraschenden Erscheinung zu fragen im Be-
griff ist; er wendet sein Haupt hastig, von heiliger Furcht ergriffen, zu
den verklärten Gestalten empor. Petrus, auf der andern Seite, sitzt halb
der Erscheinung zugewandt, hinten übergebeugt, indem er vergebens seine
Augen gegen den Glanz zu öffnen strebt; er breitet die Hände aus und
scheint, in kindlich unbewusstem Gefühle der Seligkeit des Momentes, die
Worte zu sprechen: Herr, hie ist gut sein; willst du, so wollen wir hie drei
Hütteri machen u. s. w. Um ein weniges hinter den Jüngern, über ihnen
erhöht, stehen die drei verklärten Gestalten. Christus in der Mitte, dem
Beschauer gerade entgegen gewandt, den Mantel in schönen Falten um
das Untergewand geschlagen, breitet die-Arme betend empor und blickt
mit dem Ausdrucke einer hohen Begeisterung vor sich aufwärts. Auf der
einen Seite steht Moses in ernster Würde, die Gesetztafeln in der Hand;
auf der andern Elias, der in lebhafter Bewegung anbetend dem Erlöser
naht. Beide sind dem letzteren zugewandt, ihre Blicke sind auf ihn ge-
richtet, .in seiner Verklärung scheint ihnen das, was sie geahnt und vorver-
kündet, offenbar zu werden. Das Antlitz Christi erinnert an jene altge-
heiligten Formen, wie sie die frühere christliche Kunst für tlie Züge des
Erlösers ausgeprägt hat; aber die strenge Symmetrie, obgleich das Gesicht
auch hier gerade von vorn gesehen wird, ist zu einem eigenthümlich
individuellen Leben-durchgebildet. Begas hat schon früher, bei seiner
Auferstehung Christi (in der Werder'schen Kirche zu Berlin) diesen Typus
mit Ernst neu zu beleben gestrebt; was dort vielleicht noch zu streng er-
schien, zeigt sich hier aufs Erfreulichste gemildert.

Das Ganze der Composition ist durchaus bedeutend. Es ist jener vor-
übergehende Moment aus dem Leben des Erlösers, von dem uns die Schrift
erzählt, und'doch ist eine Würde, eine Feierlichkeit, eine Grösse des Styles
darin, welche ihn als einen Vorgang voll des tiefsten Inhaltes, als vorzüg-
lich geeignet für den Zweck eines Altarbildes erkennen lassen. Die Ge-
stalten, ihre Bewegung, die Linien ihrer Gewandung verrathen das Gefühl
für die edelste Raumausfüllung, für das schönste Gleichgewicht der
Massen und ihrer Gliederung in sich; aber das individuelle Leben, die
unmittelbare Aeusserung dessen, was eine jede einzelne der dargestellten
Personen bewegt, Alles, was dem Bereiche der Körperlichkeit angehört,
ist ebenso frei, natürlich • und gediegen. Der grösste Vorzug ind^ess in
Bezug auf die künstlerische Ausführung des Qemäldes besteht in der
Licht-*und Luftwirkung des Ganzen, in einer Freiheit und Leichtigkeit

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1118 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

266

der Farbeiibehandlung, welche gegenwärtig selten ihres Gleichen finden
dürfte. Der wunderbare Totaleffelit, wie das Licht von den drei verklär-
ten Gestalten, deren Gewänder in hellen, harmonisch gebrochenen,Farben
gehalten sind, und wie es vornehmlich von der leuchtenden Glorie des
Erlösers ausgeht und die Wolken über ihnen und die Personen des Vor-
grundes umspielt, ist durch die meisterhaftesten Mittel erreicht. Die ganze
Luft des Bildes scheint vom Lichte erfüllt, so dass alle Schatten wiederum
durch die mannigfachsten Reflexe erhellt werden, ja Manches, was wir
wirklich als Schatten erkennen, andern beleuchteten Stellen an Helle des
Farbentones nicht nachsteht; dabei aber ist dieser ganze magische Elfekt
wiederum so natürlich gehalten, als ob sein Vorbild nicht in der Phantasie
des Künstlers, sondern in einer wirklichen Erscheinung da gewesen wäre.
Auch mag es schliesslich wohl zu bemerken sein, dass das Bild in einer
überaus kurzen Zeit, somit fast ganz alla prima gemalt ist, — ein Umstand,
der indess bei einem Werke, wo Alles, was der künstlerischen Ausführung
angehört, gerade auf die grösste Unmittelbarkeit der inneren Anschauung
ankommt, wohl nur fördersam sein kann.

"Wir können der Gemeinde, welche das Bild bestellt hat, zu dem Be-
sitz eines Werkes, das wir den vorzüglichsten Leistungen unsrer Zeit zuzu-
zählen kein Bedenken tragen, nur aufrichtigst Glück wünschen.

S c u 1 p t u r.

(Museum 1837, Nu. 30, f.)

Leipzig und Glogau,

1. Thorwaldsens Werke. 1. Heft. Rom 1837.

C. Flemming. Fol.

„Wir legen dem Publikum (so heisst es in dem erläuternden Texte des
genannten Werkes) hier das erste einer Reihe von Heften vor, welche
vorerst nur die neueren Arbeiten Thorwaldsen's enthalten. Glückliche
Umstände setzen uns in die Lage, dieses Werk unter des grossen Bild-
hauers eigner Anordnung und specieller Aufsicht über j Zeichnung und
Stich, sowie mit seiner eignen artistischen Beschreibung erscheinen zu
lassen." — Diese Worte dürften hinreichend sein, um eine lebhafte Theil-
nahme des kunstbefreundeten Publikums für das beginnende Unternehmen
hervorzurufen, und in der That zeigen uns die, in radirten Umrissen aus-
geführten Blätter des ersten Heftes, in denen uns Compositionen des gros-
sen Meisters aus den jüngstverflossenen Jahren vorgeführt werden, aufs
Neue jene bewundernswürdigen Eigenschaften, jene Sinnigkeit der Com-
position, jenen schlichten Adel, jene stille Anmuth der Darstellung, welche
a5 den !Namen Thorwaldsen geknüpft sind und auch das höhere Alter des
Künstlers mit einer unverwelklichen Jugend schmücken.

Das erste der vorliegenden Blätter scheint nicht zu Thorwaldsens Com-
positionen zu gehören; - es enthält, in einem Medaillon, das Profilbildniss
des Meisters mit der Beischrift: „Küchler del et sculp." Die Züge des

^ I

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Sculptur. Tliorwaldseus Werke. 267

verehrten Antlitzes sind wolilgetroffen, wenn wir auch bemerken müssen,
dass sie, wie es uns scheint, etwas weniger scharf gespannt sein könnten.

— Das zweite Blatt (N5. 1 der eröffneten Folge) stellt das Basrelief der
Nemesis dar. Auf einem, mit zwei Pferden bespannten "Wagen steht die
geflügelte Göttin des Schicksales. Die Pferde sind, durch Inschriften auf
dem Geschirr, als „gehorsam" und „ungehorsam" bezeichnet; erst&res, mit
lose nachgelassenem Zügel, schreitet ruhig fort: das andre bäumt,sich em-
por und wird mit scharf artgezogenem Zügel und'geschwungener Geissei
durch die Göttin gestraft. 'Das Rad des gchicksalswagens führt, auf den
Wechsel des Lebens hindeutend, die Inschriften: Glück und Unglück,
Keichthum und Armuth. (Sämmtliche Inschriften sind italienisch.) Hinter
der Göttin schreiten zwei Genien, von denen der eine, ein Füllhorn und
Kränze tragend, dem Guten seinen Lohn, der andre mit dem»Schwerte dem"
Bösen seine Strafe bringt. Vor den Pferden geht ein Hund, als Sinnbild
der warnenden Treue, voraus. Im Grunde des Reliefs ist der Thierkreis
angedeutet, und oberwärts in demselben," über der Göttin, schwebt ein
Genius mit dem Zeichen der Waage, an die unwandelbare Gerechtigkeit
des Geschickes erinnernd. Es sind Herders inhaltreiche Worte, welche
zu dieser tiefsinnigen Composition Veranlassung gegeben haben. „Die
hehre Göttin, welche die Welt regiert, belohnt, .straft, den rechten Weg
andeutet und das Rad des Schicksals dreht'S ist es, die uns hier in einem
lebenvoll durchgeführten Bilde gegenübersteht. Wie aber das Zusammen-
fassen so mannigfacher symbolischer Bezüge, ebenso ist deren künstlerische
Gestaltung im Einzelnen und im Ganzen von gediegenster Wirkung.- Durch
jenes bäumende Pferd, welches zu dem ruhig kräftigen Gange des andern
einen schönen Contrast bildet, wird der Wagen der Schicksalsgöttin vorn
mit emporgehoben, so dass die Göttin selbst zu einer lebhafteren Stellung,
die sich indess wiederum durch das Anziehen der Zügel mässigt, genöthigt
ist und in dieser Weise, obgleich durch den Bug des Wagens zum Theil
verdeckt, eine edle Gestalt in anmuthreichem Wechsel der Bewegung ent-
wickelt. Sehr lieblich sind die beiden Genien, welche dem Wagen folgen,
und auch in ihnen contrastirt der Ernst des strafenden anziehend mit der
heiteren Bewegung des andern, welcher das Füllhorn trägt. — Die vier
folgenden Blätter enthalten Medaillons mit den Darstellungen-der vier
Jahreszeiten. Ist unter diesen das erste, die Darstellung des Frühlings,
weniger befriedigend (vornehmlich durch die etwas gespreizte Hauptfigur,
ein junges Mädchen, welches Kränze windet), so bieten die drei andern-
wiederum grosse Schönheiten. — In'dem Medaillon des Sommers sieht
man eine liebliche Gruppe vpn Schnittern. Ein kräftiger junger Mann, in
der Mitte des Reliefs, umfasst eine Schnitterin und hält ihr scherzend eine
Frucht,-zur Erquickung bei der Arbeit, hin; eine zweite Schnitterin kniet
zur Seite, im Begriff, die Aehren zu schneiden, und blickt in schöner leb-
hafter Bewegung zu den andern empor. — In der Darstellung des Herbstes
sieht man einen Jäger, der mit der Jagdbeute zu seinem weinberankten
Hause heimkehrt; vor dem Hause sitzt sein Weib, welches, den Säugling
an der Brust, mit letzterem ebenfalls eine sehr anziehende Gruppe bildet. '

— Von vorzüglicher Schönheit aber ist das Medaillon des Winters: ein
Greis, der am Kohlenbecken sitzt, indem er seine ausgestreckten Hände
erwärmt','" und ihm gegenüber, an den Tisch gelehnt, eine alte Frau, di<}
eine Lampe anzuzünden im Begriff-ist. ,Beide Gestalten, bei aller schlich-
ten Einfalt ihrer Bewegungen, sind auf eine eigen grossartige Weise, be-

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1118 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

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sonders in der Gewandung, behandelt und einigen sich mit dem häuslichen
Geräth ungezwungen zum trefflichsten Ganzen.

Wir hoft'en, dass das Unternehmen in rascher Folge vorschreiten werde.
Bereits 200 Platten mit den neusten Werken Thorwaldsens liegen fertig
vor. Das zweite und dritte Heft werden Schillers Denkmal zu Stuttgart
und Gutenbergs Denkmal zu Mainz enthalten.

2. Gutenbergs IXenkmal von Thorwaldsen.

Vielleicht als Vorläufer des dritten Heftes der im Vorigen besproche-
nen neuen Ausgabe von Thorwaldsens Werken sind in demselben Verlage
zwei mit lithographischer Kreide gezeichnete Blätter erschienen, deren
eines die für Mainz gearbeitete Statue des Erfinders der Buchdruckerkunst,
das andre zwei Basreliefs des dazu gehörigen Piedestals darstellt. Sie
lassen uns eine, wenigstens allgemeine Vorstellung dieses so vielfach ge-
priesenen Werkes zukommen und geben uns zu einem selbständigen, von
Zeitungsberichten unabhängigen ürtheil über dasselbe Gelegenheit.

Betrachten wir zunächst das erste Blatt. Eine kräftige männliche Ge-
stalt steht dem Beschauer in ernster und ruhiger Stellung gegenüber. Ein
langer faltiger Kock mit einem Pelzkragen, nach vorn weit geöffnet, fällt
in grossen Linien von den Schultern nieder und gestattet einen freieren
Anblick der edeln Körperbildung, die sich, was namentlich die Beine be-
trifft, unter der leicht anschmiegenden Tricot-Hose nur in gewissem Maasse
beengt zeigt. Die rechte Hand, niedergesenkt, hält einige Buchstaben und
Stempel; in der Linken, die vor die Brust emporgehoben ist, ruht das Buch
der heiligen Schrift. Das Haupt ist mit einer kleinen Pelzmütze bedeckt;
vom Kinn fliesst ein langer, zwiegespaltener Bart auf die Brust herab. Das
Ganze der Gestalt trägt das Gepräge eines männlichen Ernstes; in dem
Wechselverhältniss der Linien untereinander, in dem Gleichmaass der ein-
zelnen Theile spricht sich eine schöne Ruhe und Lauterkeit des plastischen
Gefühles aus, was auf das Auge des Beschauers zunächst einen anziehen-
den, bedeutsamen Eindruck hervorbringen muss.

Bei längerem Anschauen jedoch vermissen wir Etwas in der Erschei-
nung dieser Gestalt. Die eben angedeuteten Vorzuge, in denen uns nur
mehr allgemeine Eigenschaften vergegenwärtigt werden, genügen uns nicht;
wir wollen tiefer in das persönliche Wesen, in den eigenthümlichen Cha-
rakter, in die selbständige Bedeutung dieser Gestalt, die uns zu Anfange
so imponirend entgegen getreten ist, hineinblicken, abet es wird uns nur
wenig solcher näheren Bezüge dargeboten. Bei einer nackten Gestalt ist
es der körperliche Organismus, und zwar die besondre — mehr kräftige
oder zarte, mehr strenge oder weiche — Durchbildung desselben, was eine
bedeutende Gesammt-Erscheinung in ihrer nothwendigen Gliederung erken-
nen lässt. Bei einer frei gewandeten Gestalt {vornehmlich irn Sinne des
klassischen Alterthums) ist es jenes eigenthümliche Linienspiel der Falten,
was einem mannigfach wiederholten und gebrochenen Echo vergleichbar,
auf die Eigenthümlichkeit der körperlichen Ausbildung zurückdeutet und
wiederum eine so oder anders geordnete Gliederung hervorbringt. Hier
aber ist, wenigstens in den Haupttheilen der Figur (in der von der glatten
Weste umschlossenen Brust, in den Hosen, welche Leib und Beine bedecken),
ein Mittelding von Nacktheit und von Gewandung, das weder die Schön-

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Sculptnr, Thorwaldsens-Werke. 269

heiten des einen, noch die des andern zu entwickeln gestattet, beide be-
schränkt und eine nicht ganz erfreuliche Leere der Formen zu "Wege bringt.
Es scheint die Absicht des Künstlers gewesen zu sein, die Besonderheiten
des mittelalterlichen Kostüms, als beschränkend für die Entwickelung der
Körperformen, soviel wie möglich aufzuheben; aber der reichere Schmuck,
zu dem dasselbe hätte Veranlassung geben können, wäre nach unsrer
Ansicht sehr wohl geeignet gewesen, die eben angeregten Missstände durch
eigenthümliche Vortheile zu ersetzen. Denn eben dadurch, dass der Künst-
ler fast alles besondre Detail des Kostüms verschmäht hat, entbehrt die
Figur zugleich der näheren historischen Bezeichnung, sowohl in'Rücksicht
auf die Zeit, welcher der Dargestellte angehört, als der eigenthümlichen
Stellung, welche er in dieser seiner Zeit einnahm, — ohne dass doch statt
dessen der Eindruck dner idealen Gestalt erreicht worden wäre. Das
Einzige, was an besondres Kostüm erinnert, ist der weite Rock mit dem
Pelzkragen, die Schuhe und — der Hösenlatz. ^

Nächst dieser Frage nach dem historischen Charakter, der bei dem
Standbilde eines historisch bedeutenden Mannes erforderlich ist; haben
wir die Art und Weise, wie uns sein persönlicher Charakter vorgeführt
wird, in Erwägung zu ziehen. Auch die Ausprägung des letzteren ist hier
nicht so entschieden, so individuell prägnant, dass sie unser näheres Inte-
resse, unsre persönliche Theilnahme erwecken könnte. Nur jene allgemei-
nen Eigenschaften, von denen inl Obigen bereits gesprochen wurde, nur
eine kraftvoll männliche Würde, zugleich eine gewisse milde Ruhe treten
uns entgegen. Auch die Züge des Gesichts, als des verständlichsten Spie-
gels der Seele, geben uns nicht mehr Eigenthümliches; wir haben hier
nur jene Form des langen zwiegespaltenen Bartes', als mit dem adligen
Charakter des Mannes wohl übereinstimmend hervorzuheben. (Ob die von
Manier nicht freie Behandlung der Haare in den kurzen Locken des Haupt-
haares und im Bart dem Zeichner des vorliegenden Blattes, oder ob sie
dem Modell des Bildhauers zuzuschreiben ist, können wir nicht entschei-
den.)— Allerdings scheint es, als ob es zur Abweisung unsrer Ansprüche
zu entgegnen genüge, dass .kein authentisches Portrait von Gutenberg
keine Beschreibung seiner Gestalt, auch nur verhältnissmässig Weniges
aus der Geschichte seines Lebens bekannt ist. Aber auch dies Wenige,
was wir über ihn wissen, giebt uns gleichwohl ziemlich sichere Züge, aus
denen, mit einiger künstlerischen Divination, sehr wohl eine bestimmte,

Auf den Namen eines authentischen Portraits dürfte jenes im Kupferstich
vorhandene Bildniss Gutenberg's, dessen Original sich, wenn yich nicht sehr irre,
auf der Bibliothek zu Strassburg befindet und welches auch auf mehreren ihm
zu Ehren geprägten Medaillen wiederkehrt, keinen Anspruch haben. Das Kostüm

— die breite Halskrause , der polnische Schniirrock, die geschlitzten Pelzärmel

— ist auf keine Welse daä der Zeit, sondern gehört bereits etwa dem siebzehnten
Jahrhundert an Auch ist Thorwaldsen, wie wir gesehen haben, diesem Kostüme
nicht gefolgt; doch scheint er dem Bildniss jenen langen zwiegespaltenen Bart
und die, ebenfalls 'ein wenig befremdliche runde Pelzmütze entlehnt zu haben.

— Auf den Reliefs des Piedestals ist'die Figur Gutenbergs mit derselben Pelz-
mütze bedeckt, die jedoch hier mit einem nach hinten überhangenden Zipfel
versehen ist. Ob dieser Zipfel auch bei der Statue beibehalten ist, kann^aus
der vorliegenden Vorderansicht derselb"en nicht mit Sicherheit geschlossen wer-
den. Sollte es aber der Fall sein — und die Form der Mütze auf den Reliefs
lässt es so vermuthen, — so^dürfte dies für die Seitenansicht der Statue kein
sonderlich günstiges Motiv bilden. '

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1118 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

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270

eigenthüralich selbständige Anschauung zu entwickeln sein dürfte. So ist
zunächst zu berücksichtigen, <lass Gutenberg einem alten Patriciergeschlechte
angehörte, mit dem er in früher Jugend, vor der Macht der Neubürger
weichend, auszuwandern genöthigt ward, und dass er auch in späterer
Zeit als seines vornehmeren Ursprunges bewusst auftritt; (so z. B. in dem
bekannten Processe mit Fust, wo er vor .Gericht in eigner Person zu er-
scheinen verschmähte, und wo der Adel seines Wesens, der gemeinen
betrüglichen Habgier des Fust gegenüber, ein nur um so helleres Licht
zu erhalten scheint; so namentlich in den letzten Jahren seines Lebens,
welche er, dem gewerblichen Treiben abgethan, im Hofdienste des Kur-
fürsten Adolph von Nassau zubrachte.) Sodann tritt in ihm, wie es über-
haupt bei dem Elrfinder einer so schwierigen Kunst'nicht anders gedacht
werden kann, ein lebhaft grübelndes Wesen hervor, welches wir schon
früh, ehe er die grosse Erfindung zur Vollendung gebracht (namentlich
während seines Aufenthalts in Strassburg)\ mit allerlei geheimen Künsten
beschäftigt erblicken, und welches, in mannigfachen Versuchen sich ab-
mühend , den Ruin seines Vermögens zur Folge hatte. Zugleich aber hat
dies grübelnde Wesen eine gewisse einseitige Abgeschlossenheit, indem
ihm wenigstens der künstlerische Sinn, welcher eine geschmackvollere, zier-
lichere Ausbildung der Erfindung hätte herbeiführen können, entschieden
zu fehlen scheint. (Man vergleiche in dieser Beziehung die von ihm ge-
fertigten Lettern mit den prachtvollen und höchst schönen, die das erste
Auftreten Peter SchÖtfer's bezeichnen.) Diese beiden charakteristischen
Eigenthümlichkeiten, die Vornehmheit des Geschlechts und des Geistes,
und der unruhige, geheimnissvolle, halb zum Phantastischen geneigte
Drang des Gemüthes wären es also, die wir in der Gestalt Gutenberg's
vor Allem erwarten, und die uns somit etwa eine -ähnliche Erscheinung,
wie die Albrecht Dürer's, vergegenwärtigen müssten. Von Beidem aber
tritt uns in Thorwaldsen's Figur nur Weniges entgegen.

Wenden wir uns nunmehr zu dem zweiten der vorliegenden Blätter,
welches die beiden Reliefs des Piedestals darstellt und in diesen die beiden
Hauptmomente der Erfindung zusammenfasst. Das eine zeigt die Zusam-
mensetzung von Worten durch einzelne Lettern. An einem Tische, auf
dem ein schräges Palt steht, sitzt Gutenberg (an seinem langen Barte er-
kennbar) und weist einem Manne, der sich an der andern Seite des Tisches
auf eine mit verkehrter Schrift bezeichnete Tafel lehnt ~ vermuthlich
Fust — eine der Lettern. Das andre Relief stellt die Arbeit der Presse
dar. Ein junger Arbeiter ist beschäftigt, die Presse zu drehen; vor der-
selben lehnt Gutenberg und betrachtet einen gedruckten Bogen; andres
Druckgeräth wird daneben sichtbar; oberwärts ist eine Anzahl von Druck-
bogen auf einer Leine zum Trocknen aufgehängt. — In der Reliefdarstel-
lung, in dem Symbolischen, welches ihre Behandlung erfordert, musste
Thorwaldsen's Genius unstreitig ein ungleich angemessneres Feld finden,
und so sehen wir hier denn auch im Einzelnen sehr grosse Vorzüge;
namentlich die Gestalt des Gutenberg auf dem zweiten Relief ist von einer
Schönheit, Rühe und edlen Harmonie, wie'' diese Eigenschaften nur den
trefflichsten Compositionen des Meisters eigen sind. Doch können wir
auch hier nicht ganz umhin, Ungehöriges zu rügen, vornehmlich was die
Beiwerke des ersten Reliefs betrifft. Hier hat der Bildhauer die mittel-
alterliche Zeit specieller charakterisiren wollen und demgemäss die Sei-
tenflächen des Tisches und des Pultes mit gothischem Rosettenwerk reich-

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Sculptur. Thorwaldseiis Werke, 271

licl» verziert.' Gleichwohl ist die Anwendung dieser Verzierung (welche
beträchtlich an die weiland beliebte Periode des „Frauentaschenbuches"
erinnert) dem Charakter der Zeit nicht sonderlich entsprecherici, indem
wenigstens der Tisch in seiner Hauptform nicht sowohl ein mittelalter-
liches, als ein antikes Gepräge zeigt; auch passt dies bunte Wesen auf
keine Weise zu der mehr klassischen Einfalt', die in der ganzen Dar^l-
lung vorherrscht. — ' - ^

Unbefangene Leser werden dem Referenten über Vorstehendes keine
Einseitigkeit vorwerfen. Er zählt sich den begeistertsten Verehrern Thor-
waldsen's zu; er schätzt sich glücklich, zu einer Zeit geboren zu sein , in
welcher Männer, wie dieser, die Kunst wiederum zu ihrer schönsten Würde
zurückführen. Aber warum sollte es, weil Thorwaldsen ein hoher, herr-
licher Meister-ist, geläugnet werden, dass er bestimmte Kreise hat," in
denen er sich vorzugsweise mit Glück bewegt. Sein Feld ist die Rich-
tung der Kunst, welche, im Sinne des klassischen Alterthüms, vorzüglich
auf die Bildung idealer Gestalten, auf eine Behandlungsweise, die ich als
eine miähr symbolische bezeichnen möchte, ausgeht; und wenn er damit
zugleich noch eine grössere Tiefe des subjektiven Gemüthslebens verbin-
det, so zeigt dies nur* dass Thorwaldsen kein sklavischer Nachahmer der
Antike ist, dass er zugleich vollständig der Gegenwart angehört. Jene
Kunstrichtung aber; •welche, im Gegensatz gegen die vorige etwa als die
historische benannt werden könnte, in welcher es vorzugsweise auf Cha-
rakteristik, Individualisirung, Durchbildung eines durch allerlei Umstände
bedingten Einzellebens ankommt, scheint seinem Genius ferner zu stehen.
Hierin darf die norddeutsche Kunst sich rühmen, das Bedeutendste der
neueren Zeit geleistet zu haben. •

Ich kann nicht schliessen, ohne noch ein andres Wort beigefügt zu
haben. Ich habe mich jüngst über die Ausführung „deutscher Denk-
mäler" ausgesprochen und, aus allgemeineren Gründen, die Ansicht auf-
gestellt, dass es sich für uns nicht gezieme, solche an andre Künstler als
Deutsche zu übertragen. Thorwaldsen ist einer derjenigen, dem bereits
mehrere solcher Aufträge zu Theil geworden sind, sofern man in dem,
gewiss so wohl verdienten Ruhme des grossen Isländers den genügendsten
Grund zu einer solchen Wahl zu finden glaubte. Sein Gutenberg-Monument
aber lässt es erkennen, dass gerade Arbeiten solcher Art nicht in seinem
eigenthümlichen Bereiche liegen; und zu dem früher ausgesprochenen Vor-
wurfe gegen die Leitung von Unternehmungen, wie das in Rede stehende,
tritt nun auch noch der hinzu: diejenigen Meister des Vaterlandes, von
denen in der monumentalen Plastik bereits ,so ' namhaft Vollkoramneres
geleistet ist, übergangen und durch ein unpatriotisches Verfahren nicht
einmal das Vorzüglichste, was zu erreichen war, hergestellt zu haben.

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W

1 Ä

Vi'

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272 Berichte, Kritiken, Erorterdiigoii.

M a 1 e r e i. — B e r 1 i 11.
(Museum 1837, No. 31.)

M

iMj-U . M .„j,,. . . jjyi

•l<«rzlich hatten wir Gelegenheit, drei neue Gemälde der Düsseldorfer
Schule zu sehen. Das eine ist ein Rundbild von mittleren Dimensionen,
von J. Hübner gemalt. Es stellt, auf Wolken thronend und von einer
lichten Glorie umgeben, das Christuskind dar, mit einem v^'eissen, zierlich
gestickten Kleidchen angefhan, in der linken Hand einen Lilienstengel,
die rechte zum Segen erhoben. Das Bild ist von ausserordentlicher An-
muth und vereint holdselige Kindlichkeit und milden Ernst auf die glück-
lichste Weise; die Malerei ist überaus zart und lichtvoll. Es ist für den
Hrn. Senator Jenisch in Hamburg bestimmt. — Die beiden andern Bilder
sind kleine Landschaften von A. Schrödter. Die eine stellt im Hinter-
grunde einer sandigen märkischen Ebene eine hochstämmige Kiefernwal-
dung dar, über welcher sich der helle Glanz des Abendhimmels erhebt.
Vorn, unter einem Kiefernbaume, sitzt einsam ein hagerer alter Jägers-
mann, nachdenklich zusammengebückt; es ist eine jener seltsamen Ge-
stalten, wie sie wohl nur auf den öden Heiden des nordöstlichen Deutsch-
lands gesehen werden; in seiner Darstellung erkennen wir die Hand des
humoristischen Genremalers, der in diesen Bildern von seiner gewöhnlichen
Bahn, aber keinesweges ohne glücklichen Erfolg, abgewichen ist. Das
zweite Bild trägt den Charakter der Küsten von Helgoland: hohe Ufer-
felsen, gegen welche die See, im Schimmer des Mondes auffeuchtend, an-
spült. Im Vorgrunde ist eine Grotte, in der sich Fischer um ein sprü-
hendes Feuer versammeln.

Ueber das Studium classischer Kunst auf den Gymnasien.

(Museum 1837, No. 32.) -

In der „Einladungsschrift zum Oster-Examen (18.35) iju Königl. Gymna-
sium zu Lissa, von Georg Schöler, Director und Professor", — welche
uns vor Kurzem freundlich mitgetheilt worden ist, befinden sich zwei
Schulvorträge: „Zusammenstellung der griechischen und christlichen Kunst",
und „Charakteristische Uebersicht der griechischen Plastik." In Bezug auf
diese, für den Schulunterricht gewiss seltenen Gegenstände bemerkt der
Verfasser (Hr. Director Schöler), dass dieselben zu einer Reihe von zwölf
Vorträgen gehörten, welche er den Primanern während des Winters in
Vicariatstuüden in der Art vorgeführt, dass er mit einer allgemeinen Cha-
rakteristik der griechischen und christlichen Kunst beginnend zu einer
geschichtlich-charakterisirenden, durch bildliche Anschauung unterstützten
Darstellung der griechischen Architektur, Plastik und Malerei fortgeschritten
sei und für die Architektur sodann eine Kunst-Geographie, für die Plastik

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Ut'.ber das Studium classisclio.r Kunst auf den Gymnasien. 273

aber eine Mnseographie (nach eigenen Reisebemerkungen) hinzugefügt habe.
Dabei verstehe es sich, jiach der Weise, des Schuhjnterrichts, von selbst,,
dass nach Abschluss eines jeden zusainmengehörigen Gebiets von Ansichten
und Schilderungen die Zuhörer durch Frage uud Antwort, theilweise selbst
durch Veranlassung zum" Zeichnen an der Tafel in Selbstthätigkeit gesetzt,
und zur klarern Auflassung des Ueberlieferten angeleitet worden seien.
„Warum (so schlies^t der Verfasser seine Vorerinnerung) warum Gymna-
siasten, die ohnehin genug Lehr-Gegenstände betreiben müssen, auf ein
solches Gebiet geführt wurden, wird hoffentlich niemand fragen, der es.
mit vielen Freunden des Alterthums bedauert, dass es bis jetzt noch so
schwer ist, die Gymnasialjugend mit einer Seite des Alterthums bekannt
zu machen, welche so ausserordentlich interessant und selbst für die
höhere Weltbildung unabweislich ist.''

Gewiss können wir das hierin gegebene Beispiel nur als ein höchst
erfreuliches betrachten, und wir müssen dies um so mehr, als aus den,
in demselben Programm enthaltenen „Verordnungen und Mittheilungen
der vorgesetzten Hohen Behörden" hervorgeht, dass es mit dem ausdrück-
lichen Wunsche der letzteren im Einklänge steht,
(30. September 1834:
„Das Königl. Provinzial-Schul-Collegium eröffnet mehrere treffliche Vor-
schläge, wie auf eine zweckmässige Weise die Gymnasialjugend der oberen
Classen auch von Seiten der Kunst zu einer edlern, nicht bloss gramma-
tisch-philologischen Kenntniss des Alterthums eingeweiht werden könne.")

— Wir möchten sogar auf diese Angelegenheit, rücksichtlich des Gymna-
siälunterrichts, noch ein grösseres Gewicht legen, als der Verfasser in den
oben angeführten Worten auszusprechen scheint. Denn jenes Ebenmaass,
jene Lauterkeit, jene Sammlung, mit einem Worte, jene reine Idealität der
classischen Kunst muss, ganz abgesehen von ihrer archäologischen Bedeut-
samkeit , ungleich erfolgreicher auf die Entwickelung edler Lebenssitte,
einen der schönsten Zwecke höherer Schulbildung, einwirken, als dies auf
anderem Wege zu erreichen ist. Die Beschäftigung mit der classischen
Poesie könnte Aehnliches leisten, aber eines Theils hat sie nicht dieselbe
Unmittelbarkeit, anderen Theils dient sie auf der Schule viel mehr dem
philologischen Studium, und selten nur dürfte beim'Beginn des Jünglings-
alters eine solche Kraft gefunden werden, dass das ästhetische Studium
nicht das philologische (und umgekehrt) beeinträchtigen sollte. Gerade
hiefür aber würde die Beschäftigung mit der classischen Kunst den wohl-
thätigsten Abieiter geben, — wobei freilich vorausgesetzt wird, dass es
nicht an genügenden Gegenständen der Anschauung, vornehmlich an Gyps-
abgüssen, mangle.

Jedenfalls wünschen wir dem Unternehmen des Verfassers, welches,
soviel wir wissen, in dem Gymnasialwesen noch sehr vereinzelt dasteht,
die ausgebreitetste Nachfolge, nicht minder aber auch überall eine gleich
treffliche Behandlung. Ohne Zweifel dürfte es für diesen Zweck, —sowie
für die Bekanntschaft mit dem Wesen classischer Kunst im weiteren Kreise,

— sehr günstig sein, wenn der Verf.-den gesammten Cyklus seiner yor-
träge dem Drucke übergäbe. Denn bezeichnet er dieselben zwar nur als
Farben-Skizzen zu weitläuftigeren Gemälden, als die Grundlage zu einem
mehr ins Einzelne gehenden, freiern, vom Momente belebten und erwärm-
ten Vortrage, so ist doch auch schon diese Grundlage in den mitgetheil-

Kugler, Kleine SchrifUn. HI. . ' . ~ " ■ .18

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274 Bericlite, Krifikeu, Erörterungen,

ten Beispielen in einer so umfassenden, anschaulichen und geistreichen
Weise abgefasst, dass sie zur Erreichung des ,vorgesteckten Zieles die
beste Gelegenheit geben muss.

Neuere Gemälde. — Berlin.
(Museum 1837, No. 36.)

Eine Erscheinung von eigenthümlichem und sehr bedeutendem Inter-
esse für die hiesige Kunstwelt bildet ein Gemälde des französischen Malers
Biard, welches seit kurzer Zeit in der Kunsthandlung des Hrn. Sachse
ausgestellt ist. Es hat, was die Dimensionen anbetrifft, 7 Fuss Breite zu
5 Fuss Höhe und enthält eine Darstellung des Sclavenhandels. Ein krie-
gerischer Negerstamm bringt eine Schaar von Gefangenen, die einem über-
wundenen Stamme angehören, auf den Schauplatz und verhandelt dieselben
au Europäer. Auf der rechten Seite des Bildes liegt der Sklavenhändler,
in leichter europäischer Kleidung, auf Matten hingestreckt, und leitet mit
I einer fast nachlässigen Gleichgültigkeit das Geschäft; vor ihm sitzt der

Negerhäuptling, seine Pfeife schmauchend, am Boden und beobachtet das-
I selbe in einer nicht minder gemüthlosen Ruhe. Hinterwärts werden die

1 Reihen der Gefangenen, mit starken Bastseilen zusammengefesselt, herbei-

! getrieben. Die Hauptscene ist in der Mitte des Bildes. Ein Neger liegt

I am Boden gestreckt; zwei Matrosen sind beschäftigt, seine Körperbeschaf-

I » fenheit (vornehmlich die Gesundheit seiner Zähne) zu untersuchen und

" ihrem Herrn darüber zu berichten; es scheint, dass sie — ob mit Grund

I oder bloss betrüglicher Weise, vermögen wir nicht zu ermitteln — Mängel

I zu rügen haben, die natürlich einen geringem Preis für den Untersuchten

I herbeiführen müssen; wenigstens sind die vier geschmückten Negerkrieger,

p' welche den Handel führen, in sehr lebhafter Bewegung, und Staunen,

f Eifer, heftiger Zorn malt sich bei der ausgesprochenen Anerbietung in

: ihren Zügen. Daneben wird durch einen dritten Matrosen, dem ein Knabe

I. die brennende Laterne hält, eine Sklavin mit dem glühenden Stempel auf

r. dem Rücken gezeichnet. Zur Linken, wo im Vorgrunde ein vierter, halb-

1 nackter Matrose mit der eisernen Fessel steht, sieht man die bereits Er-

^ kauften, die sich noch der letzten freien Bewegungen erfreuen, noch den

letzten Abschied von einander nehmen, weiter zurück aber schon in den
Kahn hinabgetrieben werden, der sie dem unglückseligen Loose, welches
in dem, am ferneren Horizonte vor Anker liegenden Schiffe ihrer wartet,
entgegenfahren solL Das Ganze der Begebenheit ist meisterhaft erzählt,
die Anordnung so, dass sich Alles von selbst vor den Augen des Beschauers
entwickelt. Zugleich sind die Scenen auf den beiden Seiten dem eigent-
lich spannenden Vorgange in der Mitte des Bildes der Art untergeordnet,
dass dieser das vorzüglichste Interesse in Anspruch nehmen muss und als
die Hauptgruppe zunächst in die Augen springt. > Mit grosser Kunst ist in

. - ' . •
Seltsamer Weise hat der Künstler in .dem Sklavenhändler sich selbst
portraitirt. . .

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Neuere Gemälde. Berlin. 275

dem Bilde ein bedeutender Raum gewonnen, indem die namhafte Anzahl
der Personen — und vornehmlich trifft di_ese Bemerkung die Hauptgruppe
— sich vollkommen frei und ungehindert nebeneinander bewegt. Es ist
besonders die im höchsten.Grade vollendete Luftperspective, durch welche
ein solches Hineinschreiten des Bildes in die Tiefe möglich gemacht wird.
Nicht minder indess, wie die Gomposition an sich, di^nt auch die male-
rische Ausführung, eine vorzügliche Gesammtwirkung hervorzubringen. Es
ist eine Harmonie in dem Bilde, die um so mehr auf Bewunderung An-
spruch hat, als die Menge der dunkeln Negerflguren dieselbe natürlich um
ein Bedeutendes erschweren musste. Ueberhaupt zeugt Aljes, was dem
Elemente der malerischen Technik angehört, von einer höchst ausgebilde-
ten Meisterschaft; die mannigfachen Stolfe und Geräthschaften, das Nackte^
an Europäern und Negern, die warme, abendlich geröthete Luft, — Alles
ist aufs Höchste naturwahr, man möchte sagen: in vollkommener Wirk-
lichkeit vorhanden. Ebenso gelungen ist die Charakteristik der einzelnen
Gestalten, und diese vorzüglich giebt dem A'organge sein eigenthümliches,
ergreifendes Gepräge. Das stumpfe, nur von thierischer Leidenschaft be-
wegte Leben der Neger tritt hier in ebenso lebendiger Entwickelung und
mannigfacher Abstufung, wie die grauenvoll gleichgültige Barbarei, welche
den Adel des europäischen Menschenschlages noch unter jene beklagens-
werthe Nation hinabwürdigt, aufs Bestimmteste vor die Augen des Ber
schauers. — Aber ist dies ein Gegenstand für die Kunst? darf es dem
Künstler erlaubt sein, die grösste Schmach, welcher das menschliche Ge-
schlecht verfallen ist, in bildlicher Darstellung fest zu halten? — Gewiss
mag Vieles in der modernen französischen Kunst unter dieser oder ähn-
licher Rücksicht nicht zu vertheidigen sein: bei dem in Rede stehenden
Bilde, glaube ich, gilt ein solcher Vorwurf nicht. Hier ist nicht das phy-
sisch Widerwärtige, hier ist nur das moralisch Furchtbare dargestellt, und
wir müssten consequenter Weise alle bildliche Darstellung des Verbrechens
aus dem Bereiche der Kunst ausschliessen, wollten wir das Einzelne darum,
weil es unser Gemüth mit heftigster Gewalt triü^, nicht gelten lassen. Für
den Schmuck eines zierlichen Boudoirs, für einen eleganten Festsaal passt
das Bild freilich nicht ; in einer Gallerie geschichtlicher Darstellungen ab6r
würde es ein sehr bedeutendes Kapitel auszufüllen geeignet sein. Es ist
in der That in dem Bilde, obgleich es nach gewöhnlicher Rubricirung
vielleicht unter das Genre gezählt werden könnte, ein, wenn auch sehr
bittrer, so doch zugleich sehr grosser und eindringlicher geschichtlicher
Ernst, der es nicht nöthig macht, für diese Personen und dieses Lokal
noch besondere Namen (die so häufig den tragischen Inhalt ersetzen müs-
sen!) aufzuführen. —

Wir können nicht umhin, bei dieser Gel%enheit' der Bilder eines
Berliner Künstlers zu gedenken, welche sich ebenfalls in der Kunsthand-
lung des Hrn. Sachse befinden. Es sind die. drei ersten Versuche im
Fache der Oelmalerei von Hrn. A. Menzel, einem Künstler, der bisher
nur durch seine eigenthümlich geistreichen Zeichnungen (meist Lithogra-
phieen mit der Feder oder mit der Kreide) das Interesse der Kunstfreunde
gewonnen hat. Trägt das erste dieser Bilder noch das entschiedene Ge-
präge des Versuches, so hat das zweite doch schon sehr anziehende Vor-
züge. Es ist eine ziemlich reiche Gomposition, die Darstellung eines
mittelalteHichen Hausflures , auf dem die" Bewohner, in lebhafter Unruhe,
theils beschäftigt sind, sich zum Kampfe zu rüsten, theils Kostbarkeiteii

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27G Berichte, Kritiken, Erörternngen.

verbergen, indem vorausgesetzt wird, dass die Stadt vom Feinde bestürmt
werde, — freilich eine Voraussetzung, auf die nicht jeder Beschauer als-
bald verfallen dürfte, und die somit dem Vorgange etwas Unverständliches
lässt. Auch hat derselbe eine mehr als günstig zerstreute Comijosition
erhalten, und das Hauptinteresse verweilt bei einzelnen Gestalten, welche
letzteren jedoch in der That bereits auf einen ungleich mehr routinirteu
Maler schliessen lassen würden. — Aufs Höchste überraschend aber ist
das dritte Gemälde, ein kleines, höchst ergötzliches und anziehendes Genre-
bild. Man sieht das Zimmer eines Advokaten, im Style des siebzehnten
Jahrhunderts; in der Fensterbrüstung lehnt der Herr des Hauses und
horcht, mit gemessenem Ernst und seines gewichtigen Wortes sich be-
wusst, den Vorträgen zweier Männer, zwischen denen "eine Process-Ange-
legenheit zu schweben scheint. Der jüngere von diesen sitzt vorn, dem
Advokaten entgegengewandt; er ist stutzerhaft nach der Mode jener Zeit
gekleidet und spricht leicht, behende und mit sehr zierlichen und verbind-
lichen Redensarten; dabei aber ist etwas Verlegenes in seinem "Wesen,
was er vergebens zu bemänteln sucht und was den Beschauer die geringe
Gültigkeit seines Rechtes ziemlich deutlich erkennen lässt. Diese Gestalt ist,
frei von aller Uebertreibung, mit höchst erquicklicher Laune dargestellt, mit
einer Meisterschaft und Sicherheit in der Physiognomik und Allem, was
dazu gehört, dass ihr die grösste Bewunderung des Beschauers zu Theil
werden muss. Zwischen beiden Männern, etwas weiter zurück und im
Halbschatten, steht der Gegner des jungen Stutzers, ein älterer Mann,
ruhig erwartend, bis die Reihe an ihn kommen Avird, mit der Urkunde in
der Hand, die sein gutes Recht verbürgt. Ebenso wie dieser poetische
Theil des Bildes, ist aber auch dessen technische Ausführung gleich wohl-
gelungen; die Lebenswärme und Kraft der Farben, die Reinheit der Luft-
perspective und des Helldunkels, die Harmonie des Ganzen, die durch
das bunte, etwas barocke Ameublement des Zimmers auf keine Weise
gebrochen wird, — Alles dies lässt es gänzlich vergessen, dass hier erst
von einem dritten Oelgemälde des Künstlers die Rede ist Hr. Menzel
hat sich, soviel wir wissen, ohne Schule gebildet; er berechtigt uns durch
Leistungen, wie die in Rede stehende, zu den allererfreulichsten Erwartungen
für die Zukunft. —

Im Atelier des Genremalers, Hrn. E^ Meyerheim, sahen wir kürzlich
ein neues, fast ganz vollendetes Gemälde, welches sich den sauberen, an-
muthigen und gemüthvollen Bildern dieses Künstlers, deren sich die Be-
sucher unsrer Ausstellungen gern erinnernj aufs Vortheilhafteste anreiht.
Es stellt Personen dar, die nach geendigtem Gottesdienste die Kirche ver-
lassen; das Kostüm, besonders das der Frauen, welche einen weiten schwar-
zen Mantel mit zierlich abstehendem kleinem Kragen tragen, erinnert an
Thüringen; die Grösse der Figuren ist hier etwas bedeutender, als man es
gewöhnlich in Meyerheims Bildern findet. Auf der rechten Seite des Bil-
des blickt man die Aussenwand einer gothischen Kirche entlang; das
Terrain erscheint nach dem Hintergrunde zu abschüssig, so dass man an-
nehmen darf, die Kirche liege auf einem Berge, isolirt von der dazu gehö-
rigen Ortschaft. Das Ganze ist hell von der mittäglichen Sonne beschienen.

Das Bild hing neben dem eben besprochenen Gemälde von Biard; aber
die Gewalt des Golorits in letzterem vermochte jenem gleichwohl keinen Ab-
bruch zu thun.

mm

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Lewis's Illustrations of Constantiiiople. 277

Aus der Thür der Kirche, zunächst im Vorgrunde, sind soeben einige
Leute herausgetreten. Die Hauptfigur ist die eines jungen Mädchens, wel-
ches man im Profil sieht,, und "welches gesenkten Blickes, mit leichten
jungfräulichen Schritten hingeht. Hinter ihr sieht man ein altes Mütter-
chen und hinter dieser, noch in der Kirchthüre, einen kräftigen jungen
Mann. Zur linken Seite erblickt man die Reihe der Vorausgegangenen,
die den Berghang hinabschreiteii, nnd an denen, je nach ihrem verschie-
denen Alter, das mehr oder minder Gemessene des Schrittes vortrefflich
beobachtet ist. Das ganze Bild athmet eine schöne sonntägliche Stimmung,
das Gefühl einer erbaulichen Sammlung, welche aus dem Gotteshau^e mit
in das Leben hinabgetragen wird, zugleich aber auch (ohne die gefahr-
volle und gegenwärtig so oft beliebte Klippe des Sentimentalen zu berüh-
ren) eine volle Gesundheit und frische Naivetät, so dass es auf den Be-
schauer den wohlthuendsten Eindruck hervorbringt.

Lewls's Illustrations of Constantinople, niade during a Residente
in that City etc. in the Years 1835 — 6. Arranged and Drawn on Stone
from the original Sketches of Coke Smyth by John F. Lewis. London.

Gr. Fol.

(Museum 1837, No. 36.) ' '

Unter den, rücksichtlich der Zahl noch immer nicht sehr bedeutenden
Leistungen englischer Lithographie haben wir das vorstehend genannte
Werk als eins der interessantesten und eigenthümlichsten hervorzuheben.
Die in demselben enthaltenen Darstellungen sind in einer eben so leichten
wie gefälligen Weise behandelt, die, wenn sie freilich auch nicht scharf
und vollendend in das Detail jeingeht, so doch eine vortreffliche Wirkung
im Ganzen hervorzubringen geeignet ist und für mehr skizzirte Scenen
der Art wohl eine weitere Anwendung verdienen dürfte. Die Blätter sind
auf einer gelblichen Tonplatte mit ausgesparten, aber im Einzelnen (z. B.
in den Wolken) zugleich vortrefflich abgetonten Lichtern gedruckt; die
Zeichnung mit der schwarzen Kreide giebt sodann nur in einer leichten
Weise die Umrisse und die bedeutenderen Schattenpartieen. Auch bei
uns sind wohl ähnliche Blätter geliefert worden, doch sind uns keine Bei-
spiele bekannt, in'denen sich eine ähnliche Behandlung der Lichter, ähn-'
liehe Kraft derselben und, wo .es nöthig ist, ähnlich zarte Nüancirung
bemerkbar macht. — In 28 Darstellungen, deren jede, bis auf ein Paar
unbedeutende Ausnahmen, ein grosses Blatt einnimmt, werden uns Ansich-
ten-von Gonstantinopel und seinen Umgebungen, aufs Mannigfachste mit
der elgenthümlichen StaiTage belebt, oder selbständige Scenen des dortigen
Volkslebens, vorgeführt. Die reizvollen Ufer des Bosphorus, an denen
sich die mächtige Stadt hinbreitet; Bilder des Hafens mit dem bunten
Verkehre der Schiffer; die stolzen Moscheen mit den emporgewölbten
Schaaren ihrer Kuppeln und mit den schlanken Minarets; die überaus
zierlichen Brunnenhäuser mit ihren weitausladenden Schattendächern; —

I

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ffpwillgliiPli^lipi . .. .WI. .1. ......'■■ IL.,

'278 Bericlite, Kritiken, Erörterungen.

dann Kaffeehäuser, wo die Türken, des kühlen Schattens sich erfreuend,
in bequemer Ruhe zusammenkauern; Bazare, wo um die kostbaren Waa-
ren gefeilscht wird; das Innere der "Wohnungen, wo hier der Pascha, dort
die Schönheiten des Harems, dort eine gefangene griechische Jungfrau auf
den bequemen Polstern sitzen, — alles' dies geht in bunter Reihe den
Augen des Beschauers vorüber. Hier reizt das bunte, nachlässige Wesen,
in welchem die Wohnungen neben oder übereinander gebaut sind, zu
näherer Betrachtung; dort eigenthümlich kunstvollere Architekturen, theils
einer frühen Vorzeit angehörig, theils aber auch die wunderlichen Aus-
artungen des occidentalischen Haarbeutelstyles auf's Wunderlichste den
orientalischen Formen anfügend; dort sind es die reichen Details des tür-
kischen Kostüms, die süssen Gesichter der Frauen (die den englischen
Zeichner zu verrathen scheinen), welche auf ein besondres Interesse An-
spruch machen, oder auch die Einflüsse modern europäischer Bildung, die
wenigstens an den vollständig durchgeführten Garde-Uniformen des Sul-
tans, seiner hohen Umgebungen und seiner Soldaten sichtbar werden. Im
Allgemeinen müssen wir indess bemerken, dass das ganze Werk wohl nur
zu einer mehr flüchtigeü Unterhaltung im Drawing-Room bestimmt ist:
eine tiefere Poesie der Aliffassung tritt selten hervor, und ebenso scheint
auch jene schärfere Charakteristik, welche uns belehrend in die Erschei-
nungen eines fremden Lebens einführen könnte, nicht sonderlich durch-
gebildet zu sein. . ,

i * Die Hunnenschlacht. Grosser Carton von Wilhelm Kaulbach.

(Museum 1837, No. 40.)

Der kleine Carton der Hunnenschlacht, — einer Composition, deren
Ruhm aller Orten verbreifet ist — ist von Hrn. Kaulbach im Auftrage
des Grafen A. Raczynski in sehr grossem Maassstabe ausgeführt wor-
[ den. Diese grössere Arbeit ist kürzlich in Berlin angekommen und in der

äj, " prachtvollen, höchst geräumigen Gemälde-Gallerie des Grafen Raczynski,

'.'■f in welcher sie die eine der beiden Seitenwände gänzlich ausfüllt, aufge-

stellt. Die Composition ist indess auch hier nur, obgleich die Figuren im
Vorgrund volle Lebensgrösse (wenn nicht eine noch grössere Dimension)
haben, als eine getuschte Zeichnung, mit brauner Oelfarbe auf der weiss-
grundirten Leinwand, behandelt.

Die ganze Darstellung ist in allem Wesentlichen eine Wiederholung
des kleinen Cartons. Nur in einzelnen Gestalten sind Abänderungen an-
gebracht, welche theils für die grössere Klarheit der Bewegung, für die
reinere Melodie der Linienführung, theils für einen mehr harmonischen
Abschluss und Sonderung der Gruppen günstig sind; nur einige Lücken,
die bei der ungleich, grösseren Dimension störend hervorgetreten sein
würden, sind durch neue Gestalten ausgefüllt, die zugleich, wenn sie auch
mehr oder minder untergeordnete Stellen einnehtnen, mit Energie in die
Gesaramtwirkung der Composition eintreten. Was aber dem neuen Carton,

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'' Die Ilunnensclilacht. 279

im Verhältniss zu dem älteren, eine so bedeutsam erhöhte Wirkung giebt,
das ist vorzugsweise jene grössere Dimension und die der letzteren ange-
messene Ausführung. Es giebt Gegenstände so grossartigen, hochtragischen
Inhalts, dass sie,die volle Gewalt und Erhabenheit ihrer Existenz nur in
einem gleich grossartigen Maassstabe aussprechen können. So ist es eben
hier der Fall; und es war'dieser grossartige Maassstab, wenn die Inten-
tionen des Künstlers dem Beschauer unmittelbar ergreifend gegenübertreten
sollten, hier um so nothwendiger, als das Ganze des "Werkes von mannig-
fachst widerstreitendem Leben erfüllt ist, und in der-kleineren Dimension
natürlich die Bedeutung des Einzelnen durch den , wenn auch übersicht-
lichen, Reichthum des Ganzen beeinträchtigt werden musste.

"Wir lassen die Beschreibung des Bildes, wie uns dasselbe nunmehr
vor Augen steht, folgen. Veranlassung zu der Composition gab eine Sage
aus'den Zeiten des untergehenden'Alterthums, dass nemlich vor den Tho-
ren Roms eine wüthende dreitägige Schlacht zwischen Hunnen und Römern
geliefert worden, dass alle Kämpfer gefallen seien, dass aber die Geister der
Erschlagenen sich zu nächtlicherweile wiederum erhoben und den Kampf
der neuen gegen die alte Welt mit unvertilgbarem Grimme fortgesetzt
hätten.') So sehen wir auf dem'Bilde, am Horizont, die ewige Weltstadt
in ruhiger, dunkler Pracht liegen, mit ihren Mauern, Thoren und Zinnen
und mit den stolzen'Denkmälern alter^ Herrlichkeit, unter denen wir das
Mausoleum Hadrians mit seinen luftigen Säulenkreisen und die Tempel
des Kapitols zu erkennen vermeinen. Der Boden ist, bis gegen den Vor-
grund, mit einzelnen Leichen Erschlagener bedeckt, welche sich hier .und
dort in luftigen Schaaren erheben und>in die Nacht.hinausschwirren. Zu-
nächst im Vorgrunde unterscheidet man auf der einen Seite! die Römer,
auf der andern die nordischen Barbaren. Dort schwebt eine Gruppe römi-
scher Frauen, die sich krämpfhaft umschlingen »und emporzuschweben
beginnen; andre, welche hinter ihnen verzweifelt am Boden kauern; sie
begleiten das Schauspiel, welches sich über ihren Häuptern entwickelt, .mit
einem tiefen Wehgesange. Eine der Frauen ist bemüht, einen schönen
römischen Krieger, der über sein Pferd gestreckt liegt, aus seinem tiefen
Schlafe zu erwecken. Neben diesem liegt, wunderbar schön, ein,hunni-
sches Weib mit ihrem Knaben; weiterhin eine andre, die eben erwacht zu
sein scheint und in blödem Entsetzen nach dem Gewimmel über ihr empor-
schaut. Zur äussersten Rechten ein älterer hunnischer Krieger, der, halb
aufgerichtet, noch zwischen Schlaf und Wachen-schwankt. Andre Krieger
der Hunnen steigen hier in die Lüfte empor; die unteren erheben sich
noch mühsam, höher hinauf sind sie bereits gerüstet "und fertig zur
Schlacht; noch höher begrüssen sie in wildem Geheul der Begeiste-
rung den Feldherrn, der sie zum Kampfe ruft. Dies ist Attila; in hef-
tigster Bewegung, eine eherne Geissei zum zermalmenden Schlage schwin-
gend, steht er auf einem Schilde, w^elpher von andren schwebenden Gestalten
getragen-wird. Aus der Ferne stürmen und winden sich immer neue
Schaaren, neue Züge kainpflustiger Barbaren empor; in toller Lust reiten
einige auf dem Rücken römischer Sklaven heran. Aehnlich steigen auf
der entgegengesetzten Seite die Schaaren der R-ömer in den Kampf .empor.
Auch hier, über der erwähnten Gruppe der klagenden Weiber, sehe» wir

») Die Erzählung der Sage findet sich bei Damasclus, einem griechischen
Schriftsteller aus dem Aufauge des sechsten Jahrhunderts.

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iwii!

280 Berichte, Kritiken, ErörtHruugeri.

zuerst Gestalten, welche von der Schwere der körperlichen Natur noch
nicht ganz befreit sind und langsam und nur durch Hülfe Anderer sich
in die Lüfte emporheben. Dann ordnen sicli die Schaaren, schöne adlige
Gestalten, die im schnellen Zuge vorwärts brausen. Ueber und vor ihnen
schwebt der Imperator, erhaben, voll klassischer Majestät, voll des Aus-
druckes einer angeerbten, lang berechtigten Hoheit und Macht; zwei
schöne Knaben schweben zu seinen Seiten und stützen ihn unter den
Achseln. Links oben wird das strahlende Kriegeszeichen des Kreuzes
herbeigetragen und emporgerichtet; hoffend, voll freudiger Zuversicht,
weisen die römischen Schaaren auf das Zeichen, in welchem, mehr als in
der eignen Kraft, ihr Heil beruht, zurück. Zwischen den beiden Heer-
führern entbrennt heftiger Kampf. Oberwärts, ein wenig entfernt, sieht
man Hunnen, welche zu kühn vorausgedrungen sind und nun vor den
gewaltigen Schlägen römischer Krieger angstvoll zurückweichen. Unter-
wärts senkt sich ein wilder Knäuel des Handgemenges wie eine gewitter-
I schwere Wolke über der Mitte des Bildes nieder; in hastigem Entsetzen,

wie vom Sturme zurückgetrieben, fliehen die Vordersten der Römer vor
i dera Schilde, welcher den König der Hunnen trägt.

I Diese Schilderung giebt nur die' Hauptzüge des grossen Werkes; die

mannigfach verschiedenartigen Individualitäten, welche dasselbe vorführt,
die Durchführung des reich gegliederten Gedankens in allen einzelnen
} Gestalten, die Kraft und Freiheit der Bewegungen, die unwiderstehliche

Wahrheit, mit welcher hier die traumhaft poetische Fictlon auftritt, alles
dies kann nicht durch das blosse Wort bezeichnet werden, indem dies bei
der Charakteristik des Details doch nur ein unklares Bild hervorrufen
würde. Nur im Allgemeinen mag es bemerkt werden, dass die beiden
Grundcharaktere der dargestellten Figuren, — der des edlen, gebildeten
Volkes der classischen Welt und der des wilden, noch durch keine höhere
, Sitle gebändigten Naturvolkes,— mit ebenso grosser Meisterschaft durchge-

führt sind, wie in der Formenbildung überall die grösste Reinheit und Ge-
messenheit, in der Bewegung überall die vollkommenste Klarheit und
Naivetät, in der Gruppirung überall (und ganz besonders in den Aus-
gängen der Gruppen) das lauterste Ebenmaass, — in jeder einzelnen Ge-
stalt, in jeder Gruppe ebenso wie ,in dem Ganzen der Composition, der
reinste, edelste Styl hervortritt.

Im Einklänge mit diesem vollendeten Style der Zeichnung steht es
sodann auch, dass diese Composition nicht auf eine phantastische, über-
raschende Lichtwirkung (wozu der Gegenstand nach andrer Aulfassung
allerdings hätte Anlass geben können) berechnet ist, sondern dass über
das Ganze sich ein gleichmässiges (wenn man will:
Conventionelles) Licht
verbreitet, welches überall eine günstige Entwickelung, der Formen ge-
stattet. Hieraus ergiebt sich von selbst, dass die Darstellung in ihrer
gegenwärtigen, wenn auch farblosen, Ausführung gleichwohl als ein abge-
schlossenes, in sich ^vollendetes Werk zu betrachten ist, und dass es, wenn
schon die Farbe noch ein neues, vielleicht sehr bedeutendes Element der
Belebung hinzugetragen haben würde, keinesweges als eine blosse Unter-
malung, welche noch der weiteren Farben-, Licht- und Luft-Effekte mit
Nothwendigkeit bedürftig wäre, zu betrachten ist.

Wohl aber dürfte es in Frage kommen, ob nun diese höhere streng-
stylistische Auffassung und Behandlung, diese Entäusserung all jener
f wundersamen nächtlichen Effekte bei einem Gegenstande, dessen Inhalt

It

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Berlin. — Malerei: 281

gauz in das dunkle Gebiet der Träume und Gespenster einzuführen scheint,
günstig, ob überhaupt nur zulässig sei. Gewiss muss diese Frage mit Nein
beantwortet werden, wenn man nur das Unheimliche, Phantastische des
Gegenstandes festhält, wenn man darin nichts weiter sieht, als eine Wie-
derholung jehes-alten Mährchens, das sich aller Orten an das Gedächtniss
grosser Schlachten anknüpft, aller Orten aus dem Grauen vor den blutge-
tränkten Stätten hervorgegangen ist. Aber die höhere Kunst hat das Ver-
mögen , den darzustellenden Gegenstand nicht bloss in seiner nächsten,
sondern zugleich in einer tieferen , symbolischen Beziehung aufzufassen,
diese Beziehung in eigenthümlicher Behandlung sichtbar herauszustellen.
Und wohl sind wir ermächtigt, in jenes Mährchen von der Geisterschlacht
zwischen Hunnen und Römern einen tieferen Sinn zu legen. Hier ist es
kein Kampf, der nur um die kleinlichen Interessen des Mein und Dein
gekämpft worden ist: hier sind es die letzten Nachkommen einer älte;i
Welt,'die ersten Vorfechter einer neuen, die im verzehrenden Sturme zii-
saihmentrelfen und sich gegenseitig in naturnothwendigem Hasse vernichten
müssen, bis spät erst über ihren Gräbern ein neues Leben emporsprossen
kann. Es ist jener unaustilgbare Kampf der alten und neuen Geister, der
noch lange, nachdem die Wogen der Völkerwanderung in geregelte Bah-
nen gelenkt sind, insgeheim fortdauert^ der noch oft, in schauerlichen
Sagen, die halbverklungenen Gestalten der alten Welt emportauchen und
unheilbringend in das neugeschaffene Leben eingreifen lässt, Diese Be-
deutung ist es, welche wir in Kaulbach's Composition erkennen müssen;
dieser grossartige, welthistorische Charakter ist es, welcher in dem Bilde
eine vollkommen klare Entwickelung, ein abgewogenes Maass, eine über-
schauliche Ruhe des Ganzen nothwendi^'machte; dieser ernstere Siiin ist
es, welcher jene überraschenden Effekte, jene dämmerhaften Gestaltungen
des Unheimlichen abweisen mnsste, um in der Darstellung reiner (freilich
nicht charakterloser) Schönheit reichlichen Ersatü zu geben. —

Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass einem Werke, welches zu
den ersten Leistungen unsrer Zeit gehört, welches die Bedeutung der in
unsrer Zeit vorhandenen Kräfte abschätzen lässt wie wenig andre Werke
der Kunst, und welches keinen Vergleich mit den Leistungen der Vorzeit
zu scheuen hat, in unsern Mauern ein Aufbewahrungsort zu Theil gewor-
den ist, wo es, durch die Liberalität seines Besitzers, dem Genüsse eines
jeden Kunstfreundes friei steht.

Berlin. — Malerei,
jk

(Museum 1837, No. 42.)

Im Atelier des Hrn. Professor G. W. Völcker sahen wir kürzlich
ein so eben vollendetes Gemälde, welches für I. M. die Königin det Nieder-
lande" bestimmt ist und den Rosengarten S. K. H. des Prinzen Albrecht
von Preussen vorstellt. Es ist 7 Fuss , 7 Zoll hoch und 5 Fuss 8 Zoll
breit. Das Bild enthält reichbepflanzte ßosenbeete, theils niedere Sträu-

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

282

eher, theils schlanke Bäumchen mit ihren Blumenkronen; im Hintergründe
sieht man den Gang einer Weinlaube, über den sich höhere Bäume und
das Gebäude einer Dampfmaschine erheben; der Himmel ist mit grauen
Wolken bedeckt, und dient in solcher Färbung dazu, den Glanz des Vor-
grundes noch mehr hervortreten zu lassen. Mit grosser Kunst sind hier
die mannigfaltigsten ßosengattungen zu einem malerischen und für das
Auge wohlgefälligen Ganzen vereinigt: die Centifolie und die weisse
Rose, diese in verschiedener Abstufung jenes leis röthlichen Anhauches
im Innern, der ihr einen so eigenthümlichen Reiz giebt, herrschen vor;
mehr in der Tiefe und weiter zurück zeigen sich dunkler gefärbte, gelbe,
orangefarbig^ u. a. Rosen. Hier und da flattern Schmetterlinge um die
Blumen her. In solcher Art spiegelt sich in dem Bilde jene liebliche
Verwirrung, die unser Auge bei dem Einblick in reiche Blumengärten an-
zieht, die aber hier durch schöne Harmonie der Gegensätze zugleich in
beruhigender Weise gelöst ist. Für die Meisterschaft der Ausführung
bürgt der Name des Künstlers. Selten dürften Blumenstücke von so gros-
sem Maassstabe vorkommen: in dem angemessenen Lokale eines grossen
Prachtsaales denken wir uns dasselbe von erfreulichster Wirkung.

Die Düsseldorfer Maler-Schule iu den Jahren 1834, 1835 und
1836. Eine Schrift voll flüchtiger Gedanken, von A. Fahne. Düssel-
- • ' dorf, 1837.

(Museum 1837, No. 43.)

1$

M

Wiederum ein Buch (es enthält 178 Seiten), bei dessen Lesung Re-
ferent seine Zeit hingegeben, damit es Andre nicht weiter nöthig haben.
Den Hauptbestandtheil bilden Recensionen, die-.vermuthlich bei Gelegen-
heit der, im Titel namhaft gemachten Ausstellungsjahre für irgend ein
Journal niedergeschrieben wurden und die, wie heftig der Verfasser auch
gegen die ungebildete Subjectivität seiner Cöllegen eifert, sich doch eben
nicht sonderlich über denselben Standpunkt erheben. Wichtiger dürften
die „Vorbemerkungen" (S. 5—57) erscheinen, in denen, ausser den Prin-
cipien des Verfassers, eine Art Geschichte der gegenwärtigen Düsseldorfer
Schule geliefert wird, — d. h. jedoch nur eine Geschichte der Privat-
Verhältnisse dieser Schule, der Elemente, aus denen dieselbe sich gebildet
hat, und der Missstände, welche aus der verschiedenen Natur dieser Ele-
mente hervorgegangen sein sollen. Der Verfasser giebt als den Grund der
letzteren die Opposition der Rheinländer gegen die aus den östlichen
Provinzen herübergekommenen Künstler an; letztere sollen von Seiten der
Akademie wie des rheinisch-westphälischen Kunstvereines (in Folge dessen
auch von Seiten der öffentlichen Kritik) auf eine ungebührliche. Weise
bevorzugt und dadurch der zunächst in Anspruch zu nehmende Einfluss
der Akademie, als künstlerischer Bildungsanstalt für die westlichen Pro-
vinzen des preussischen Staates, wesentlich beeinträchtigt worden sein.
Zwar spricht der Verfasser diese Anschuldigungen nicht ohne Vorsicht

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Die Düsseldorfer Malersfhule in den Jahren 1834, 1835 u. 1836. 283

aus; er legt sie den zunächst Betheiligteu in den Mund, aber ör lässt
zugleich seine eigne Meinung zwischen den .Zeilen j deutlicher in den
uaclifolgenden Recensionen, die das Verdienst der Rheinländer und-West-
phalen nicht selten auf Kosten der Ostländer hervorheben, ziemlich deut-
lich erkennen; Uns, die wir mit den Privat-Verhältnissen der Schule
nicht bekannt sind, steht hier kein Urtheil zu; wir werden im Folgenden
sehen, was näher -Betheiligte erwidert haben.^ Bedauern aber müssen wir
es, dass eine Schrift, wie die vorliegende, an sich gewiss wenig geeignet
sein kann, für die Lösung jener Missstände, falls"sie sich wirklich in der
angeführten Art kund gegeben, mitzuwirken. •

Doch theilt der Verfasser Behufs dieses Zweckes einen Plan mit, den
wir, wenigstens seiner Ergötzlichkeit wegen, nicht üliergehen dürfen. Nur
ein Mittel (so sagt er) wüsste ich, dem Künstlerleben seine würdige Ruhe
zu geben, es besteht darin, dass .eine strenge, ernste Kritik unsrer Schule
sich annimmt, eine Kritik, welche ebenso klar und deutlich, als wissen-
schaftlich und, tief etc. etc. die Interessen der ganzen Kunst ins Auge fasst.
Zu einer solchen Kritik, meine, ich, müssten wir uns aber noch anders
zusammenfinden. Nirgend scheint mir eine coliegialische.Ver-
fassung nothwendiger. f)tc. etc. Wir sind diese Kritik der Schule
schuldig, wir niüssen sie ^chon der Lehrer willen veranstalten, damit
diesen das schwere Amt erleichtert werde. Aber die Kräfte? — Sie werden
nicht fehlen. Es ist ja Alles der Einigkeit so leicht, lasst uns döch einig
sein, lasst uns doch anfangen! Die Ausstellung ist zu gewissen
Zeiten nur denjenigen offen, welche, zu "der zu schaffenden
Gesammtkritik beitragen wollen. Wer zu dieser Zeit Ein-
tritt findet, muss sein Urtheil über, die Kunstgegenstände
geben. Es wird so lange diskutirt, bis man über di.e äus-
sersten Gründe einig ist. Die Gründe werdfen mit dem Resul-
tat gedruckt, letzteres entscheidet auch über den Ankauf
der Kunstprodukte." — Wir dürfen es, dem geneigten Leser selbst
überlassen, sich die praktische Ausführung -eines solchen Planes sainmt
den Folgen, die daraus entspringen würden, zu vergegenwärtigen, —

Natürlich musste die genannte Schrift, rücksichtlich ihrer „Vorbemer-
kungen", in Düsseldorf und der dortigen Umgegend einige Sensation machen
und eine Prüfung der vorausgesetzten Thatsachen, welche den Verfasser
befugt, sich zum Spt-echer einer angeblich unterdrückten Partei aufzuwer-
fen, veranlassen. Dies ist zunächst durch zwei einfache öffentliche An-
zeigen in der Düsseldorfer Zeitung (Juni d. J.) geschehen. Die eine rührt
von Seiten des Kunst-Vereines her und weist es durch Zahlenverhältnisse
nach, dass — wenngleich es ^nicht die Absicht des Vereines sei, nach
lokalen, sondern nur nach rein künstlerischen Interessen anzukaufen —
gleichwohl die Rheinländer und Westphalen wesentlich bevorzugt, und
dass ebenso (was Hr. Fahne dem Verein gleichfalls vorgeworfen) die Geld-
mittel des Vereines keinesweges in irgend überwiegendem Maasse zu öf-
fentlichen Zwecken verwendet worden sind '). Die andre Anzeige war
von der Düsseldorfer Kunst-Akademie ausgegangen, widersprach zunächst
der Behauptung, dass die Akademie speziell fftr die Rheinlande und West-
phalen gestiftet sei und wies es sodann wiederüm durch Zahlenverhältnisse

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') Aber ist das eine gross artige Zeit, wo eine Erklärung, wie diese letz-
tere, gefordert wird? ,

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284

.Berichte, Kritiken, Erörterungen.

nach, dass gleichwohl rücksichtlich der Unterstützungen für unvermÖgeude
Schüler, die aus diesen Provinzen gebürtigen Künstler vorzugsweise be-
günstigt worden seien. c

Ausserdem ist aber auch noch eine eigne Schrift zur Widerlegung der
„Vorbemerkungen" des Hrn. Fahne erschienen. Sie führt den Titel:

Die Düsseldorfer Malerschule, oder auch Kunst-Akademie in
den Jahren 1834, 1835 und 1836; und auch vorher und nach-
her. Eine Schrift zur Aeusserung einiger Gedanken, von J. J. Scotti,
Düsseldorf, 1837. (178 Seiten und mehrere grosse Beilagen).

Diese Schrift können wir dem Leser mit bestem Gewissen empfehlen,

— zunächst, wenn letzterer die Fahne'sche Schrift wirklich gelesen haben
und vielleicht von den falschen oder schiefen Aussprüchen des Verfassers,
die oft für den ersten flüchtigen Anblick nicht grundlos erscheinen, in-
fluenzirt sein sollte. Schritt vor Schritt geht Hr. Scotti, in unterschied-
lichen Episteln und Kapiteln, den Behauptungen seines Vorgängers nach
und deckt nicht bloss das Unlogische in dessen Raisonnements, sondern,
was ungleich wichtiger ist, das Irrthümliche und Unwahre in allen Ein-
zelnheiten thatsächlicher Beziehung auf, so dass hiedurch die angeführten
Spaltungen in der Schule lediglich nur, wie es aber auch in der An-
sammlung so verschiedenartiger Individuen an Einem Orte gar nicht be-
fremden kann, als Missverständniss und Missstimmung von Seiten weniger
Einzelnen (und gewiss nicht der Tüchtigeren) erscheinen müssen.^ Der
Styl, in welchem Hr. Scotti seine Episteln schreibt, bewegt sich in einem
gewissen Carnevals-massigen Humor, der zu Anfange vielleicht etwas Be-
fremdliches für einen östlichen Leser hat; bald aber, und vornehmlich
durch die zu Grunde liegende Treuherzigkeit bewogen, gewöhnt man sich
daran, und am Ende muss man es zugestehen, dass eine andre Behand-
lung der Fahne'schen Misere gewiss wenig geniessbar gewesen wäre. Da-
bei aber ist die Schrift mit der grössten Sorgfalt gearbeitet, und durch
die genaue, vollkommen aktenmässige Darstellung aller sachlichen Verhält-
nisse der Düsseldorfer Schule wird sie, was ihr grösseres Verdienst ist,
ein sehr wichtiger .Beitrag für die Kunstgeschichte unsrer'Zeit. Dies ge-
schieht besonders in mehreren grossen und ausführlichen Beilagen. Wir
lassen hier nur, zum Zeugniss für die Wichtigkeit dieser Beilagen, die
Titel der bedeutenderen unter ihnen folgen: „Katalog der Kunst-Akademie
zu Düsseldorf; oder: Verzeichniss der, seit Wiedererrichtung der Kunst-
schule zu Düsseldorf im J. 1821, bei, derselben in Selbstäpdigkeit gewirkt
habenden Meister, Künstler und Schüler; und der von denselben bis
einschliesslich des Jahres 1836 producirten Gegenstände.") — „Nachweise
der bei der Düsseldorfer Kunst-Akademie seit dem J. 1826 bis incl. 1837,
alljährlich Unterricht genossen und gewirkt habenden Schüler und Künst-
let, mit Unterscheidung derselben nach den Stufen ihrer Ausbildung und
der Verschiedenheit ihrer Heimath." etc, —■ „Nachweise und Erläuterung
über die Räume in den Düsseldorfer Akademie-Gebäuden, wie sie in den
vormaligen Bilder-Gallerie- und Schloss-Lokalitäten ursprünglich bestanden
haben und .... durch successive Ausbauung allmählig entstanden sind.-'

— „Uebersicht der in den Rechnungen des Kunstvereines für Rheinland
und Westphalen nachgewiesenen wirklichen Einnahmen und Ausgaben seit
Errichtung des Vereines, vom J. 1829 bis zum J. 18^735-" " j,Nachwei-

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Das Scheibenschiessen.

285

sung und Uebersicht der seit Errichtung des Kunstvereines für Rheinland
und Westphalen in dessen Rechnungen pro 1829 bis incl. 18^735 aufge-
führten Erwerbungen von Gemälden'und desfalls, sowie zur^Ausschmückung
öffentlicher Gebäude verwendeten Beiträge; mit Unterscheidung des Vater-
landes der Producenten." — '

Das Scheibenschiessen. Peint par E. Meyerheim, lith., par Herr-
maun Eichens. Berlin, bei L. Sachse und Comp.

(Museum 1837, No. 43.)

Das vorliegende Blatt veröffentlicht eins der ansprechendsten Erzeug-
nisse unsrer modernen Genremalerei, welches die Zustände heutigen Ver-
kehrs mit lebendiger Frischelauniger Charakteristik und künstlerischer
Vollendung dargestellt' hatte' Es .ist nach jfehem Gemälde Meyerheim's
ausgeführt, das auf der letzten Berliner Ausstellung so zahlreichen Bei-
fall fand. Man sieht ein fröhliches ländliches Fest vor sich; das Kostüm
der Personen deutet auf westphälische Gegend. Im Hintergrund^ auf einer
Anhöhe das Wirthshaus, von hohen Bäumen umgeben, daneben der Schiess-
stand und die emporgerichtete Stange einer Sternscheibe. Im Vorgrund
der Glückliche, der den königlichen Schuss gethan, mit Bändern, Medaillen
und Blumensträussern geschmückt, das Gefühl seiner neuen Würde nicht
gänzlich verhehlend. Zierliche Mädchen und Frauen kommen von der
einen Seite, ihm zu gratuliren, von der än"dern ein jovialer Alter, ver-
muthlich der Scheukwirth. Gegenüber sind einige Freunde, welche mit
lautem Jubel auf die GesWdheit des Schützenköniges trinken. Zwischen
beiden Gruppen naht sich der Zug der Schützen, dem neuen Oberhaupte
ihren Respekt zu erweisen ; sie werden von der Bande der Dorfmusikanten
angeführt, die es sich weidlich angelegen sein lassen, ihr Bestes zu-leisten;
vorauf geht, im Tanzschritt, ein Knabe, der die abgeschossene^Scheib'e
emporträgt. Zuschauende stehen-umher, unter ihnen der Künstler selbst.
An einem Tisch, im Mittelgrunde, sitzt Einer, vielleicht der Schützen-
könig des abgelaufenen Jahres, der sich halb verdriesslich abwendet und
von seiner Umgebung verspottet wird. Die Lithographie giebt dies Alles
auf eine erfreuliche Weise wieder; die Ausführung ist, der Feinheit des
Originales nachgehend, äusserst sorgfältig, aber sie verbindet mit diesfer
Zartheit zugleich eine grosse Kraft und Sicherheit. Die gemüthliche Laune,
die geistreiche Individualisirung, die Meyerheim's Bildern, neben seiner
schönen Technik, einen so grossen Werth verleihen, sprechen auch hier
lebhaft zum Beschauer. Das figurenreiche Gänze ist in guter Harmonie
gehalten, die Luft-Verhältnisse wohl beobachtet. Der Drück des Blattes
ist vortrefflich. ' • ** ' .

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1118 liorichte, Kritikeu, Erörterungen.

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Malerei. — B erlin.
(Museum 1837, No. 44.)

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In der Kunsthandlung des Hrn. L. Sachse, die, wie bekannt, durch
den reichsten Wechsel an Werken der heutigen Kunst den Freunden der-
selben ein stets anhaltendes Interesse gewährt, sahen wir in der neueren
Zeit mannigfach Gemälde von Bleclien ausgestellt, die eine um so grös-
sere Theilnahme erwecken mussten, als sie den Rest dessen ausmachen,
was seit lange von diesem, in seiner Art so einzigen Meister gearbeitet ist,
und die vielleicht die letzten Werke seiner Hand sein werden. Die Mehr-
zahl derselben bestand aus Darstellungen italienischer Gegenden, zum Theil
nur'^in leichter skizzenhafter Weise hingeworfen, alle aber voll scharfer
Naturwahrheit und in jener eigenthümlich herben, aber stets ergreifenden
Stimmung aufgefasst, welche überall seinen Leistungen zu Grunde liegt.
Unter den jüngstausgestellten Werken machen wir vornehmlich die folgenden
namhaft: — Die Aussicht aus einer Ufergrotte, in welcher ein Mönch, in ein-
samen Gedanken sitzt, auf die Ruine des Palastes der Königin Johanna
bei Neapel, um den die "Meeresfluth aufgeregt sich bewegt; der Himmel
grau, wie nebelhafter Regen. — Eine Partie aus dem Mühlenthaie von
Amalfl. — Ein Berghang, auf dessen Höhe ein Kloster liegt; neben trocknen
Cypressenstämmen führt ein steiler Weg dahin empor; ein Paar Mönche
bewegen sich langsam auf dem Wege. — Ein Ueberblick von Neapel, von
der Reben-umgränzten Höhe des Posilipp's aus; zunächst die Villa Reale,
dann das scharf charakterische Profil der Stadt, von der hohen Citadelle
S. Elmo bis auf das Castell dell' uovo hinab; im Hintergrunde der dampfende
Vesuv, — Ein Klosterhof von Viterbo, über dem die Mittagshitze brütet;
vorn rastende Mönche und Esel; im Hintergrunde eine Stiege, den Berg
empor, auf welcher Maulthiere hinaufklimmen. — Maulthiertreiber, durch
eine offene Felsenhalle hinziehend. — Zwei neapolitanische Fischer, am
Meergestade sitzend; das Meer tief dunkelblau, die Köpfe der Männer und
die Profile der fernen Inseln von der,eben aufgehenden Sonne beleuchtet.
— Ein Bild unsrer heimathlichen Natur: ein öder Sandhügel mit einem
Fuchsbau; davor der Fuchs, der sich in ungestörter Einsamkeit behaglich
in der warmen Sonne streckt, höchst meisterhaft dargestellt. — Endlich
ein Stillleben: ein an einem Nagel aufgehängtes Rebhuhn, mit vorzüglich-
ster Naturwahrheit gemalt und mit grosser Feinheit ausgeführt, die viel-
seitige Richtung des genialen Künstlers bekundend. '

Sculptur. — Berlin.
(Museum 1837, No. 47.)

Im Atelier des Hrn. Prof. Rauch war in diesen Tagen das so eben
vollendete Thonmodell des Monumentes,, welches den beiden ersten christ^
liehen Beherrschern Polens, dem Herzoge Miecislav (st. 992) und seinem

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■Scnlptar. — Berlin, 287 ^y

Sohne', dem König Boleslav Chrobri (st. 1025), im Dome von Posen ge-
setzt werden soll, öffentlich ausgestellt. Ueber die Veranlassung zu die-
sem Unternehmen, über'die ersten Pl^ne und die,durcli den verstorbenen
Erzbischof v, Wolicki veranstalteten Sammlungen, sowie über die wesent-
liche Förderung, welche dem Unternehmen neuerdings durch die thätige *
Theilnahme des Grafen Eduard Raczynski zu Theil geworden ist^ hat da's
Museum bereits berichtet. — Die Opfer, welche die Errichtung eines sol-
chen Moumentes erheischt, zeigen sich gegenwärtig bereits, durch die wür-
digste Lösung der Aufgabe, aufs Schönste belohnt: sie ist ein Zeugniss
mehr für die Meisterschaft Rauch's, für den hohen und eigenthümlich
ausgebildeten Standpunkt, welchen die monumentale Plastik unsrer Tage
einnimmt. . .

Die Auffassung und Anordnung des Ganzen ist äusserst einfach. Beide
Fürsten stehen ruhig, ein wenig zueinander gewandt, vor dem Auge des
Beschauers da; das Kreuz des Stabes, welchen der ältere von ihnen in der
Hand hält, erhebt öich über, ihren Häuptern und schliesst die Gruppe auf
eine sinnvolle Weise. Die Höhe der Gestalten beträgt 7 Fuss 2 Zoll. Ihr
Kostüm ist ganz das ihrer Zeit, ausgewählt in Bezug auf'die Persönlich-
keit eines jeden von ihnen, , somit charakteristisch für Zeit und Persön-
lichkeit, zugleich aber (wie es in der That bei dem Kostüm des früheren
Mittelalters der Fall ist) höchst günstig für Jiünstlerische Behandlung. Der
ältere der beiden Herrscher, Miecislav, der Gründer des Ghristenthums in
Polen, erscheint als der Fürst des Friedens. Er trägt eine lange, reich-
gemusterte Tunika, welche bis auf die Knöchel hinabreicht und mit dem
Schwertgurte umgürtet ist. Die Aermel der Tunika reichen bis zum El-
bogen; von da ab, bis zum Handgelenk, wird der'Aermel des Ketten-
hemdes sichtbar, welches der Fürst (als Bezeichnung des immer noch so
kriegerischen Zustandes seiner Zeit und seines Landes) unter der Tunika
angelegt hat. Die Füsse sind mit Schuhen bekleidet. , Ueber der TuniKa
trägt er den fürstlichen Hermelin-Mantel, welcher auf der rechten Schulter
durch ein Schloss zusammengefasst wird und nach vorn und hinten in
reichen Falten niederfällt, so jedoch, dass die rechjte Seite der Figur unter
dem Mantel frei hervortritt. Der linke Arm, dessen Hand den Kreuzstab
hält, hebt auf seiner Seite, den Mantel ein wenig empor, wodurch eine
contrastirende Bewegung in den grossen Linien der Falten hervorgebracht
wird. Die rechte Hand, frei ^
ot die Brust.gehoben, weist nach dein Kreuze
empor, auf das Symbol, welches die Grundbedeutung des Monumentes J

enthält, hindeutend. Das Haupt, dem Beschauer entgegengewandt, ist ein |

wenig geneigt^ es ist mit einem Helme, den ein. Kronen-artiger Reif um- |

giebt und dessen Spitze ein kleines Kreuz schmückt, bedeckt. In den |

edlen Zügen des Gesichts ist der Ausdruck der Milde vorherrschend. Das '1

Haupthaar ist lang, der volle Bart ebenfalls nicht gekürzt.

Der jüngere Fürst, Boleslav< der sich dem Vater zuwendet, trägt in
seiner gesammten .äusseren Erscheinung das Gepräge'derjenigen kriegeri-
schen Gewalt, mit welcher er'die polnischen Waffen weit über die Nach-
barländer hinaustrug. und dem neubegründeten Chfistei^ithum eine eiserne
Sicherung verlieh. Er ist ganz gepanzert. Die Beine sind mit Ketten-
hosen bekleidet,, welche sich eng um-die Formen des Körpers schmiegen
und die Linien derselben dem Auge "des Beschauers rein entgegentreten
lassen. Den Leib-bedeckt ein^ Kettenhemde mit langen Aerm'eln, das etwa
bis zur Hälfte des Oberschenkels.hinabföllt und hier in gezackte'Spitzen

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Berichte, Kritiken, Erörtfirungeii.

ausgeht. Die Brust ist, über dem Kettenhemde, mit einem Schuppenpanzcr
umgeben. Den Kopf bedeckt eine Kettenhaube, welche zugleich Hals und
Schultern umschliesst', darüber ist der gekrönte Helm aufgesetzt. Die Hüf-
ten umgiebt, lose hängend, ein breites Schwertgehänge von zierlich durch-
brochener Arbeit. Die rechte Hand hat das Schwert gefasst, welches der
Fürst vor sich, auf den Boden gestützt, hält; die linke ist in die Seite
gestemmt. Der Königsmantel ist frei über die rechte Schulter geworfen,
fällt in grossen Massen über den Eücken und ist dann um den linken Arm
gewickelt, so dass er hier in «chönen Falten zur Seite der Figur nieder-
fiiesst. Das Gesicht, jünger als das des Vaters und mit kürzerem Barte,
vereint mit ähnlichen Zügen den Ausdruck grösserer Kraft und Festigkeit.

Das Kostüm, sowohl das des Krieges bei der einen, wie das des Frie-
dens bei der andern Figur, befolgt, wie bereits bemerkt, aufs Genaueste
diejenige Art und Weise, welche in jener früheren Periode des Mittel-
alters gebräuchlich war. Es bezeichnet somit zunächst die allgemeine
historische Stellung der beiden gefeierten Männer. Dabei ist zugleich das
sorgfältige Vefständniss, die vollkommenste Naturwahrheit, mit welcher
dasselbe im vorliegenden Falle behandelt ist, hervorzuheben. "Vornehm-
lich gilt dies von der kunstreichen Behandlung
des Kettengewebes, dessen
eigenthümliche Last an den Stellen, wo es frei hängt, dessen festes An-
schmiegen an die hervortretenden Formen, dessen Verschiebung bei der
Bewegung jedes einzelnen Gliedes und wo es sich in kleinere oder grös-
sere Falten legt, dem Beschauer in täuschender Naturwahrheit entgegentritt.
Nicht minder meisterhaft sind aber auch die sämmtlichen anderweitigen
Stoffe behandelt; namentlich der feine Pelz der fürstlichen Mäntel ist von
überraschender Weichheit. All dieser hervorstechende Eeichthum des Ko-
stüms muss natürlich bei dem Bronzeguss (dazu das Modell bestimmt ist)
einen vorzüglich schönen Effekt hervorbringen; auch hören wir, dass
demselben in der Bronze noch ein andrer Schmuck: — Säume und andre
Verzierungen, die aus Silber eingelegt werden sollen, sowie edle Steine
an den passenden Stellen, — hinzugefügt werden wird, wozu denn eben
der Gesammt-Stoff des Metalles, sowie der besondre romantisch-historische
Charakter der Figuren vornehmlich passend ist.

Zugleibh aber sind, wie bereits bemerkt wurde, die Besonderheiten
dieses .Kostüms ebenso geeignet für eine freie künstlerische Behandlung,
wie fto die persönliche Individualisirung. Der enganschliessende Ketten-
und Schuppenpanzer verstattet die freie, lebendige Entwickelung der Form
und lässt den Beschauer die Kraft der kriegerischen Gestalt, die Rüstig-
keit der Bewegung ungehindert in sich aufnehmen. Die weiten, durch
keinen Modesclfnitt (wie im späteren Mittelalter) beengten Gewänder des
älteren Fürsten geben dagegen die Gelegenheit zur Darstellung des gross-
artigsten Faltenwurfes. Hiedurch entsteht zugleich die schönste Wechsel-
wirkung in den Linien, welche die beiden Gestalten umschreiben. Auch
ist zu beachten, dass der Mantel, welcher dem kriegerischen Fürsten, zur
Bezeichnung seiner Würde sowohl, wie zur Hervorbringung der nöthigen
Fülle des Ganzen, gegeben werden musste, frei und leicht umgeworfen ist,
somit das Lebendige, mehr Momentane in der Bewegung dieser Gestalt
ebenso hervorhebt, wie er durch den- mehr wechselnden Schwung der
Linien zur Durchführung des angedeuteten Contrastes dient., ^

"^Alle diese angeführten Elemente der historischen Treue, der Charak-
teristik, der Naturwahrheit aber bewegen sich in dem Grund-Elemente

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Sculptur. — Berlin. 289

der reinen plastischen Schönheit. Es herfscht in jeder einzelnen Gestalt
ebenso, wie in ihrem-Zusammenwirken als Ganzes, ein Ebenmaass, eine
Klarheit, eine Harmonie der Linien und Verhältiiisse", eine durchgebildete
Gesetzmässigkeit bei aller Freiheit des Einzelnen, — mit einem Wortej
eine-Vollendung des Styles, wie sie eben nur di^ Bedingung der auf
ihrem Gipfelpunkte angelangten Kunst ist. Und wenn der Beschauer, bei
dem engen Räume, darin das kolossale Modell aufgestellt war, zunächst
auf das Einzelne, auf die kunstreiche Behandlung der Stoffe, auf die
historische Eigenthümlichkeit der Darstellung, auf die charaktervolle Auf-
fassung der Gestalten verwiesen wurde, so musste doch allmählig die hohe
Würde des Ganzen, die feierliche Bedeutsamkeit seines Inhalts, die lau-
tere Majestät dieser Erscheinungen den"» überwiegendsten Eindruck hervor-
bringen. ~ »

Ein von dem vorigen wesentlich verschiedenes, aber in seiner Art
ebenfalls sehr interessantes Thon-Modell sahen wir im Atelier des Bild-
hauers Hrn. Kl
SS. Der Gegenstand desselben gehört nicht der Geschichte,
sondern dem Bereiche der Phantasie an und führt, von äusseren Beding-
nissen frei, den Beschauer in die Urzustände menschlicher Existenz zu-
rück. Es ist eine sehr kunstreich componirte Gruppe. Eine Amazone,
nur um die Hüften mit einem leichten Gewände geschürzt und den Kopf
mit der bekannten phrygischen Mütze bedeckt, sitzt auf einem kräftigen
Rosse, dem eben ein Tiger entgegengesprungen ist, indem er sich an dessen
Brust, die er mit wüthendem Bisse zerfleischt, .ahgeklammert hält. Däs^
Pferd, scheu und heftig emporgebeugt, strebt fruchtlos, sich seines Feindes
zu erwehren; die Amazone dagegen^ in leicht gekrüminter Stellung, ist.
so eben im Begriff, mit der,erhobenen Lanze den .Tiger zu durchbohren.
Das ganze Werk ist voll des höchsten, "aufgeregtesten Lebens; ebenso ist
die Charakteristik der drei Figuren in vortrefflicher Weise durchgeführt.
Der Adel, die heftige Anstrengung, der Schmerz und Grimim in dem Pferde
steht im fühlbarsten Contrast gegen das Wilde, Heimtückische, Katzen-
artige in der Gestalt des Tigers, dessen Obergewalt, trotz seiner klei-
neren Dimension, trefflich hervorgehoben ist. . Gegen beide aber bil-
det die leichte Behendigkeit der Amazone, deren zierliche Formen
zugleich eine kräftige Entwickelung und die volle Anspannung des Mo-
mentes zeigen, einen noch interessanteren Gegensatz, und in ihr vornehmr
lieh concentrirt sich das Interesse des Beschauers. Wildes Naturleben,
Kraft und Anmuth vereinigen sich in dieser Arbeit auf die ansprechendste
Weise, Bei der grossen Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der Bewegun-
gen herrscht indess auch hier ein schönes plastisches Ebenmaass, und die
Linien bewegen sich, je nach den verschiedenen Gesichtspunkten, stets
auf eine eigenthümlich harmonische Weise. — Die Ausführung des in Rede
stehenden Modells ist in verhältnissmässig kleinen Dimensionen gehalten'5^
der Künstler hat dasselbe nur als Vorstudium eines- grösseren gearbeitet,
welches dreimal so gross -- das Ganze gegen 12 Fuss hoch und 16 Fuss
breit (die Amazone in einer Höhe von 9 Fuss, das Pferd in den Dimen-
sionen der Schlüter'schen Reiterstatüe deß grossen Kurfürsten) — ausge-
führt werden soll. Gewiss dürfen wir, bei den so sehr anerkennungswür-
digen Vorzügen, welche berpits^ das vorläufige Modell entwickelt, hier
wiederum einer der anziehendsten Leistungen der Berliner Plastik ent-

Kugler, Kleine Schriflcn. "fU. . ' r , - .. - Jt)

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

gegensehen, und wii liaben nur zu wünschen, dass sich, da Hr. Kiss seine
Arbeit ohne äusseren Anlass unternommen hat, die Gelegenheit zum
Bronzeguss des Werkes (darauf dasselbe berechnet ist); sowie zur wilr-
digen Aufstellung an einem öffentlichen Orte nicht fehlen möge.

Die Gemälde-Samnilung des Königl. Schwed. u. Norweg. Consuls
J. IL W. Wagen er in Berlin.

(Vorwort zum Verzeichniss derselben. Januar 1838.)

Die Gemälde-Sammlung , deren Verzeichniss im Folgenden vorgelegt
wird, ist, nach ihren wesentlichen Beziehungen, der deutschen Kunst unsrer
Tage gewidmet. Ein verhältnissmässig nur geringer Theil der Sammlung
(bereits früher der Familie des Besitzers angehörig) begreift Werke von
Meistern einer um Jahrhunderte älteren Zeit in sich; alles Uebrige besteht
aiis Gemälden, deren Sprache, deren innerliches Lebens-Elcment uns un-
mittelbar berührt, deren Urheber — erst wenige von ihnen sind von der
Bühne des Lebens abgetreten — die Interessen der Gegenwart und die der
jüngsten Vergangenheit mit uns getheilt haben. —

Die Gegenwart ist ein flüchtiges, räthselhaftes Wesen. In mannigfach
wechselnden Gestalten rauscht sie an uns vorüber; wir sind nicht im Stande,
sie zu fassen, die Züge ihres Angesichts klar zu schauen, uns von ihrer
Eigenthünälichkeit einen deutlich bestimmten ßegriif zu machen. Ebenso
ziehen unsre eignen Neigungen und Bestrebungen uns hier und dort hin;
und wenn wir es auch mit Ernst uns angelegen sein lassen, einen einzel-
nen Punkt der Gegenwart festzuhalten, mit ausdauernder Sorgfalt in sein
Inneres einzudringen, so ist unterdessen wiederum unzähliges Andre ent-
schwunden, ist das, was wir gewonnen haben, eben nur ein Fragment.
Es geht uns mit der Betrachtung der Gegenwart wie mit der eines aus
zahlreichen Theilen zusammengesetzten, in mannigfachem Wechsel der
Theile emporgeführten Gebäudes: nicht in der Nähe, — nur erst von
einem ferneren Standpunkte aus vermögen wir den Total-Eindruck dessel-
ben in uns aufzunehmen. j

Wenn es indess auch seine Schwierigkeiten hat, aus dem flüchtigen
Gewebe der Ereignisse und Handlungen, deren bunt ve^rschlungene Fäden
unser Auge verwirren, ein Urtheil über die Gegenwart zu gewinnen, so
können wir gleichwohl auf einem andern, einem leichteren und sichreren
Wege hiezu gelangen. Die Spiegelbilder, welche begabte Geister von den
vorübereilenden Erscheinungen im günstigen Momente zu erfassen und
festzubannen verstehen, die Werke, welche aus dem Geiste der Gegenwart
erschaffen und, in vollendeter Abgeschlossenheit, für die freie Betrachtung
hingestellt werden, sind es, die uns zu einem Schluss über den Charakter
und das Wiesen der Gegenwart Gelegenheit bieten. Freilich tritt in ihnen
ein Conflikt zwischen dem allgemeinen Geiste der Zeit und dem besondren
des schaffenden Individuums hervor; aber der letztere bildet doch eben

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Die Gemäldesaminnilmig des K. Scliwed. Consiils Wagoner in Berlin. 291

nur einen Tlieil des ersten, so dass dieser Gegensatz bei höherer Betrach-
tung sich wiederum auflösen muss. Die "WerkeNler Wissenschaft und die
Werke der Kunst sind es, die in solcher Art das Vorübereilende in ein
Bestehendes, in ein Mess- und Erkennbares umwandeln. Aber die Werke
der Wissenschaft sind nur den geringen Kreisen der Eingeweihten zNigäng-
lich: die Werke der Kunst sprechen zu dem Sinn und dem Geiste eines
jeden Empfänglichen. In den Worten uiisrer Dichter, In den Tönen unsrer
Componisten, in den Schöpfungen unsrer .Maler, Bildner und Architekten
tritt uns das geheime Seelenleben unsrer Zeit, dasjenige, was ihren Hand-
lungen und Ereignissen den^verborgnen Impuls, die dunkle Richtung giebt,
fühlbar und anschaulich entgegen. In ihnen läutert sich das mannigfach
verworrene Streben zum klaren und aufklärenden Bewusstsein.

Natürlich aber muss, wie bemerkt, bei Betrachtung des einzelnen Wer-
kes auf die Persönlichkeit des einzelnen Künstlers und auf den Einfluss
desjenigen Kreises, dem er zunächst'angehört, Rücksicht genommen wer-s
den; unabhängiger hievon kann man nur dann über die im Allgemeinen
zu Grunde liegende Richtung urtheilen, wenn man eine grössere Reihen-
folge von Werken zu überblicken im Stande ist. Nur eine Sammlung
von gleichzeitigen Kunstwerken lehrt uns diese Richtung erkennen. Dazu
aber eignen sich vorzugsweise die bildenden Künste, die im Räume neben
einander angeschaut werden können, und unter ihnen keine in gleichem
Grade w'ie die Kunst der Malerei. Eine genügend ausgedehnte Sammlung
von Gemälden unsrer Zeit — wie die in Rede stehende Sammlung ein
solches Beispiel darbietet — wird uns somit das augenfälligste, klarste,
umfassendste Bild von der Sinnes- und Gefühlsweise unsrer Zeit vorzu-
führen im Stande sein. 5

Doch ist hiebei noch ein besondrer Punkt zu bevorworten. Wirk-
liche, reale Vollständigkeit einer solchen Sammlung ist nicht wohl mÖg^
lieh; alles Bedeutende, was die Zeit an Werken der Art hervorbringt,
kann nicht an Einem Orte zusammengebracht werden; — es kann sogar
ganze Richtungen der Kunst geben, deren Eigenthümlichk'eit schon den
äuss^rlichen Bedingnissen des Sammeins widerspricht. Und gerade ein
solcher Fall, der von sehr grosser Wichtigkeit für die Kunst der Gegen-
wart ist, findet heutiges Tages statt. Um jene grossartigen Freskomalereien
von München, welche durch'das "Wort eines kunstbefreundeten Herrschers
zur bedeutungsvollen Zierde seiner Residenz hervorgerufen sind, kennen
zu lernen, müssen wir unsre Schritte zu den Stätten, wo sie ausgeführt
wurden, hinwenden; sie sind an ihre Stelle festgebunden, ihre Bedeutung
ist vorzugsweise an diese Stelle geknüpft; und selbst wenn man „ähnliche
Werke, auf beweglichem Material geschaffen, fordert, so werden zu ihrer
Aufstellung Räume in Anspruch genommen, -wie sie wenigstens nur im
seltnen Falle zu finden sind. Immerhin aber können Mängel dieser Art
wiederum, ob auch auf bedingtere Weise, ausgeglichen werden. Wo so eigen-
thümliche Richtungen, wie die eben genannte, vorherrschen, da werden
diese auch auf andre, in der räumlichen Ausdehnung mehr untergeordnete
Gattungen der Kunst einen bestimmten und bestimmenden Einfluss aus-
üben; da werden die letzteren, in dem bespndern Gepräge ihrer Sinnes-
und Gefühlsweise, nothwendig auf jene vorherrschenden.RLchtungen zutück-
deuten müssen. Wie das Bild eines Gebirgszuges, welches auf" der
Fläche von wenigen Zollen ausgeführt ist, doch die bestimmte Idee von
den Formen einer mächtigen Naturerscheinung giebt; wie der Botaniker

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

nur der Anschauung kleiner Blüthenfäderi bedarf, um das Geschlecht des
mächtigsten Baumes zu erkennen, so wird sich auch in dem Kunstwerke
der kleinsten Art und hiemit übereinstimmenden Inhalts die Auffassungs-
und Behandlungsweise angleich grossartigerer Unternehmungen, innerhalb
deren Bereiches dasselbe entstanden ist, abspiegeln müssen. Aehnliche,
aber ungleich mehr in die Augen springende Verhältnisse werden natür-
lich da statt finden, wo aus mehr gleichartigen Kreisen einzelne Werke
in die Sammlung übergegangen sind.

In der That giebt die in Rede stehende Gemäldesammlung eine Ueber-
sicht von den Leistungen der deutschen Kunst unsrer Zeit, welche —
soweit dies überhaupt bei Staffelei-Gemälden kleinerer und mittlerer Di-
mension möglich ist — die verschiedenen Richtungen, in denen dieselbe
auseinander geht, und in ihnen die Elemente unsrer heutigen Sinnesweise
anschaulich erkennen lässt. Aber sie gehört nicht lediglich den letzten
Jahren an. Mit Interesse hat der Besitzer die ganze Periode des neusten
Aufschwunges unsrer Kunst verfolgt, so dass wir hier zugleich neben dem
Werdenden das Gewordene, neben dem Gepräge, welches die Gegenwart
gewonnen hat, zugleich Beispiele der Vorstufen zu dessen eigenthümlicher
Ausbildung vor uns sehen. ' So tritt in dieser Rücksicht denn auch jener
Theil der Sammlung, welcher die Werke älterer Meister umfasst, zu ihr
in ein näheres Verhältniss.

Diese letzteren Werke bestehen fast ausschliesslich aus Gemälden
niederländischer Künstler des siebzehnten Jahrhunderts; ihnen reihen sich
einige wenige von ihnen abhängige Arbeiten deutscher Künstler an. Ihre
kunstgeschichtliche Stellung deutet mehr auf die Richtung der heutigen
Gegenwart, als auf die der früheren Vergangenheit hin. Die^ Blüthen-
periode der altdeutschen Kunst, die der grossen italienischen Meister,-wenn
gleich sie ihnen der Zeit nach näher steht als die Gegenwart, liegt doch
wie ein abgeschlossenes wundersames Reich hintier ihnen: die kirchliche
Reformation des sechzehnten Jahrhunderts bildet die grosse Kluft, welche
die alte und die neue Zeit, die alte und die neue Kunst von einander
sondert. Die Reformation löste, wie den Gedanken des Menschen über-
haupt, so auch die Kunst aus den Fesseln der Kirche; sie gab der Kunst
die Freiheit, alle Gegenstände des Lebens zu durchdringen, jedes Einzelne
der irdischen Existenz zu einem bedeutungsvollen Ganzen "zu gestalten.
Ein solches Beginnen der Kunst erblicken wir in den niederländischen
Bildern des siebzehnten Jahrhunderts; die älteren Bilder der Sammlung,
von der hier die Rede ist, — Landschaften, Genrebilder, Stillleben, ge-
statten uns, einen Rückblick auf dies erste Beginnen der ihres frühern
Dienstes entledigten Kunst zu werfen.

Freilich sehen wir die Kuiast, von dieser Zeit ab bis zum heutigen
Tage, nicht in einer reinen, stetigen Entwickelung begriffen. Reactionen
der einen und der andern Art fanden statt, zum Theil gewiss dadurch
veranlasst, dass die Kunst, das neuerworbene Element ausbeutend, gar
manchen der früheren Vortheile aufgegeben hatte. Das achtzehnte Jahr-
hundert dürfte, auf den ersten Anblick, als eine ähnliche Kluft zwischen
den genannten Bestrebungen und denen der Gegenwart erscheinen, wie es
das sechzehnte Jahrhundert in Rücksicht auf die frühere Zeit gewesen war.
In der That aber ist dies nicht der Fall; nach manchen unbestimmten
Schritten wurde dasselbe Element auf's Neue aufgenommen, nur ausgefüllt
von einem neuen Lebensdrange, nur geläutert durch die Gewinnste, welche

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Die Geiuäldesauimluijg des K. Schwed, Consuls Wagener iu Berlin. 293

durch Jene Reactionen herbeigeführt waren. Unter diesen ist die bedeut-
samste diejenige, welche die Formenreinheit des classischen Alterthums
neu zu gestalten bestrebt war: einen Nachklang derselben dürfen wir,
wenn auch vielleicht durch anderweitige Einflüsse modificirt, u. a. in
den Gemälden von G. v. Kügelchen, welche die Sammlung enthält,
erkennen. -

Die jüngste Reaction war diejenige, welche, fast im direkten "Wider-
spruch gegen die genannte, das Wesen der mittelalterlichen Kunst, deren
eigenthümlichster Vorzug nicht sowohl in der äusserlichen Form als in
dem Ausdrucke des Gemüthslebens beruht,"neu zu erwecken strebte. Ihr
verdanken wir jene zartere Beseelung, welche das Eigenthum der heutigen
Kunst geworden ist; sie bildet die letzte Entwickelungsstufe derselben.
Vielfach, zum Theil mit grosser Ausschliesslichkeit, ging man dabei auch
auf die ganze Darstellungsweise der mittelalterlichen Kunst zurück; -aber
dies war kein Ergebniss leerer Willkür, vielmehr zeigt sich in dieser
ganzen Periode ein eigenthümlich romantischer Sinn vorherrschend, der in
mannigfachen Erscheinungen auch selbständigere Leistungen hervorgebracht
hat. Beispiele hiefür bieten uns unter den im Folgenden verzeichneten
Gemälden u. a. die Compositioneii Kolbe's, die Laudschaftien Frie-
drich's, die Architekturbilder von D. Quaglio, vornelimlich aber die
Landschaften Schinkel's, an denen die Sammlung-einen seltenen Besitz
enthält und die, durch eine bedeutende Reihe würdiger Copieen vermehrt,
einen Ueberblick über diesen Theil von Schinkel's künstlerischer Thätig-
keit gestatten, wie solcher vielleicht in keiner andern Sammlung gefun-
den wird.

Das letzte Jahrzehnt (oder doch nur eine wenig längere Zeit) hat
nach solchen Vorgängen eine neue deutsche Malerei von durchgreifender
Selbständigkeit, von mehr und mehr vollendeter Ausbildung, von pösstem
Reiclithume der Leistungen erstehen sehen. Nicht ßndet Kiebei eine Ver-
läugnung, ein Widerspruch gegen das in den jüngst vergangenen Perioden
Erworbene statt; Formenstadium und gemüthvolle Durchdringung des
Gegenstandes vereinigen sich mit einer durchgebildeten malerischen Tech-
nik, um ein möglichst gediegenes Gleichmaass innerlichen und äusserlichen
Lebens hervorzubringen. Vor Allem aber ist es jene vollkommene Frei-
heit der Kunst, welche die;^sämmtliQhen Gebiete der Natur und des Lebens
erfasst, was auch hier, wie in jenem Beginn der neuen Zeit, in beachtens-
werther Weise hervortritt. Nicht ausgeschlossen^ist das Heilige, aber man
bemüht sich, dasselbe menschlich nahe zu führen; nicht ausgeschlossen
ist der geringste Gegenstand, welcher der irdischen Existenz angehört,
aber man lässt es sich angelegen sein, denselben mit aller Lieb'e des Lebens
zu umfassen, und auch in dem scheinbar .Leblosen den Widerschein der
eignen Seelenstimmung auszudrücken. — Dass hiedurch übrigens nicht
eine absolute Abschätzung des Werthes zwischen alten und neuen Kunst-
werken ausgesprochen, -dass vielmehr nur auf das verschiedene Streben,
auf die verschiedene Richtung derselben hingedeutet sein soll, braucht
wohl nicht in Erinnerung gebracht zu werden.

Eine schärfere Auffassung des Gesammt-Charakters unsrer neueren
Kunst wird gegenwärtig indess wiederum dadurch erschwert, dass dieselbe
sich iu verschiedenen Kreisen verschieden ausgebildet hat. Im Allgemei-
nen sind diese Kreise nach den.beiden Gegensätzen, in welche deutsches
Leben und deutsche Weise zu aller Zeit auseinander traten, zu unter-

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Berichte, Kritiken, Erörterungeu.

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schoiden: als eine süddeutsche und eine norddeutsche Kunst. Der Haupt-
sitz der süddeutschen Kunstthätigkeit ist gegenwärtig München, der der
norddeutschen Düsseldorf. Viele Verhältnisse wirken gleichzeitig ein,
um diese Unterschiede mit namhafter Bestimmtheit festzuhalten. Das Her-
vorstechende, was in München geschieht, wird durch den Willen eines
Einzelnen, des kunstliebeüden Herrschers, ins Leben gerufen; durch ihn
sind die Gegenstände der künstlerischen Darstellung, ihr räumliches Ver-
hältniss, ihre äussere Behandlung vorgeschrieben; — in Düsseldorf herrscht
kein allgemeines Gesetz der Art; die Künstler arbeiten nach ihrer eignen
Willkür; das Volk (die einzelnen Privaten, wie die Repräsentationen des
Volkes durch die Kunstvereine) empfängt von ihnen, was es als seinen
eignen Kunst-Interessen angemessen anerkennt. In München stehen wenige
einzelne Meister (die schon unter sich durch entsprechende Bildungs-
Perioden Verwandtschaft gewonnen haben) an der Spitze jener grossartigen
Kunst-Arbeiten da; ihr eigenthümlicher Styl geht dadurch, dass sie die
letzteren in Gemeinschaft mit ihren Schülern und Gehülfen ausführen, auf
diese über; — in Düsseldorf ist zwar ebenfalls ein einzelner Meister als
der Leiter der Schule namhaft zu machen; seine Einwirkung auf letztere
besteht aber vornehmlich darin, dass er (wie die Geschichte der Kunst
kaum ein Beispiel ähnlich bedeutenden Erfolges kennt) die eigenthüm-
liehen Kräfte eines jeden Individuums in vollständiger Freiheit zu ent-
wickeln und herauszubilden weiss. Die Gegenstände der Münchner Kunst
gehören (immer in Rücksicht auf das^ Ueberwiegende ihrer Leistungen)
vorzugsweise einem einzelnen Gebiet: dem der Geschichte, wie sich diese
im Mythus, im Gedicht und in der wissenschaftlichen Ueberlieferung des
Geschehenen darstellt, an; es sind die grossen Thaten, die grossen Ereig-
nisse der Vergangenheit, welche als ein bestimmt Gegebenes, Objectives
aufgefasst und der Gegenwart bildlich vorgeführt werden; — in den Ge-
genständen, welche die Düsseldorfer Kunst behandelt, ist dagegen nicht
eine solche Aufgabe vorherrschend; ein^Jeder wendet sich hier derjenigen
Gattung der Malerei zu, welche seiner Individualität gerade zusagt; und
das durchgreifende Princip der Autfassung, welches allerdings auch bei
ihnen hervortritt, besteht umgekehrt darin, dass die Künstler ihr subjec-
tives Gefühl,, mit dem sie zu dem frei erwählten Gegenstande hingezogen
wurden, bei der Darstellung des letzteren auszudrücken streben. In Mün-
chen ist es somit im Allgemeinen mehr das Ereigniss, die Handlung, die
That, was dargestellt wird; in Düsseldorf mehr die Situation, die Stim-
mung, der Affekt. Dort tritt mit grösserer Bestimmtheit die körperliche
Gestalt, durch welche die Handlung geschieht, hervor; hier ist es mehr
darauf abgesehen, jene Aeusserungen des Lebens, die unter der körper-
lichen Hülle verborgen liegen, zur Anschauung zu bringen. Diesen ver-
schiedenen Auffassungsweisen gemäss hat sich denn auch die Behandlung
verschieden ausgebildet. In der Münchner Kunst kommt es vorzugsweise
auf eine bestimmte Zeichnung, auf eine plastische Ausbildung der Form
an, und der Schmelz der Farbe erscheint bei ihr nicht als ein gleich
Nothwendiges (womit denn auch die Bedingnisse der grossräumigen Fresco-
malerei wenigstens in einem gewissen iiälieren Verhältnisse stehen); — der
Ausdruck tieferer Gemüthszustände aber, der in der Düsseldorfer Kunst
zunächst hervorgehoben zu werden, pflegt, kann gerade nur durch das
weicliere Element der Farbe erreicht werden, und die Zeichnung erscheint
bei ihr erst als ein zweites Bedingniss der Darstellung. In allen diesen

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Die Gemäldesammlung des K. Schwed Gonsiils Wageiier in Berlin. 295

Beziehungen wiederholen sich, mehr oder minder, die schon mannij^fach
lind bei vielen andern Gegenständen hervorgehobenen Gegensätze des
Klassischen und Romantischen, des Epischen und Lyrischen, des Naive'n
und Sentimentalen: Dass natürlich zwischen beiden, durch den heutiges
Tages so sehr erleichterten Verkehr der Kunst, sowie durch besondre
persönliche Anlage, manche einzelne Annäherung, manch ein einzelner
Uebergang stattfinden kann, muss in der Natur der Sache begründet sein.

Wie schon bemerkt, kann die ganze Eigenthümlichkeit der Münch-
ner Schule nicht aus StaiFeleigemälden kleinerer Dimension und minder
grossartigen Inhalts, bei denen zugleich all jene äusserlich bestimmenden
Bedingnisse wegfallen, beurtheilt werden; wohl aber müssen auch diese
in ihrer eigenthümlichen Erscheinung immerhin den Kreis bezeichnen,
welchem sie angehören, müssen auch sie die allgemeine Richtung, die
Behandlungs- und Auifassungsweise der Schule erkennen lassen. In dieser
Beziehung nun bieten die der Münchner" Schule angehörigen Genrebilder
und Landschaften, welche sich in der Gemäldesammlung des Hrn Wa-
gener in nicht geringer Anzahl vorfinden, mannigfach charakteristische
Beispiele, die im Einzelnen auch einen tieferen Blick in den Geist und
das Wesen der Schule verstatten. Umfassender konnte die Düsseldorfer
Schule repräsentirt werden, nicht nur durch die grössere Auswahl von
historischen Gemälden, Genrescenen, Landschaften und Stillleben, sondern
auch aus dem Grunde, dass sich der gemeinsame Charakter dieser-Schule
auch in jedem einzelnen Werke freier und vollständiger zu entwickeln ver-
mag; —' Die einzelnen Namen'der Künstler dieser Schulen, deren Werke
in der Sammlung enthalten sind, \hier anzuführen, scheint überflüssig, da
das Verzeichniss stets das Lokal namhaft mächt,^ dem die Bilder rück-
sichtlich ihres Ursprunges angehören.

Die neueren Leistungen der Berliner Kunst (an denen die Samm-
lung wiederum sehr zahlreich ist) stehen zwar ebenfalls nicht ohne nam-
hafte Bedeutung für die Gegenwart da, lassen sich jedoch nicht unter
ähnlich allgemeine Gesichtspunkte zusammenfassen. Einzelne Meister bil-
den auch hier hervorstechende Mittelpunkte, doch haben sich nicht gleich
ausgedehnte Schulen um sie versammelt. Unter ihren Werken sind , in
Bezug auf die in Rede stehende Sammlung, zunächst* vornehmlich die
Werke Wach's hervorzuheben. An Einflüssen der Düsseldorfer Schule,
bei dem nahen Verhältniss der letzteren zu Berlin, fehlt es nicht; mehr
jedoch herrscht, in Genre und Landschaft, theils eine selbständige, einfach
unbefangene Auffassung der heimischen, oder allgemeiner bezeichnet: der
nordischen Natur vor, theils giebt die glänzendere, zumeist in idealer Rich-
tung aufgefasste Natur und das ganze Leben des italienischen Südens das
Vorbild. Die Beispiele aufzuzählen, welche die Sammlung auch in dieser
Beziehung darbietet, würde zu weit führen.

Ueberhaupt ist Italien, sei es durch seine grossen Musterbilder der
Kunst, sei es eben nur durch seine Natur und Sitte, noch immer in viel-
facher Beziehung als ein Bildungs-Element der heutigen Kunst zu betrach-
ten; und die in der Sammlung des Hrn. Wagener vorhandenen Bilder von
E.Magnus, Catel, Reinhold', Weller, E.
Meyer-(aus Kopenhagen
gebürtig), J. B. Maös (aus Gent) u. a. m. geben hiefür mannigfach be-
deutende Belege.. Die Italiener selbst verhalten sich dagegen in neuerer
Zeit nur wenig productiv; doch bieten auch für sie die Bilder von Mig-
1 iara Beispiele. * ■

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Berichte, Kritiken, Eiöiteniiigeti.

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Von ausserdeutscher Kunst sind ausser den ebengeiiaunteii endlich
noch die Gemälde Schotel's und van Haanen's anzuführen, welche
uns zu einem flüchtigen Blick auf den schönen Aufschwung, den die heu-
tige Malerei u. a. auch in Holland^ aufs Neue gewonnen hat, Veranlas-
sung geben.

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Entwurf zur Börse auf dem Adolphsplatze in Hamburg. Von
A. de Chateauneuf. Berlin, im Verlag von G. Gropius 183S.

(Kunstblatt 1838, No. 49.)

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Die Aufforderung zur Concurrenz für Entwürfe eines Börsengebäudes,
welche von der Hamburgischen Bau-Deputation unter dem 31. Januar v. J.
erlassen wurde, ist mehrfach öffentlich besprochen worden; das Auftreten
vön zwölf namhaften Hamburgischen Architekten gegen die in jener-Auf-
forderung gestellten Bedingungen, die ungenügenden Erfolge der Concur-
renz sind bekannt. Ueber einen ebenfalls fruchtlos gebliebenen Schritt,
den die grössere Mehrzahl jener zwölf Architekten, zur würdigen Begrün-
dung einer allgemeinen Theilnahme an diesem so höchst wichtigen Unter-
nehmen , im Herbste v. J. unternommen, sind im letzten Jahrgang^ des
Museums (Blätter für bild. Kunst, 1837, No.v-40) Mittheilungen gegeben.
Ueber den gegenwärtigen Stand dieser Dinge ist, so viel ich weiss. Nichts
öffentlich bekannt geworden. Das Vorwort des in der Ueberschrift ge-
nannten Werkes giebt hierüber nur eine allgemein^ Andeutung:

,Bei

der grösseren Verbreitung dieser meiner ersten architektonischen Heraus-
gabe (so sagt der Verf.) bin ich leider zugleich genöthigt, um Nachsicht
für die Mangelhaftigkeit des Stiches zu bitten. Um für Hamburg vor dem
Beginne der Ausführung einer mir anscheinenden Unzweckmässigkeit noch
von irgend einem Einflüsse zu sein, war die Zeit der Anfertigung verhält-
nissmässig sehr kurz gestellt, und die im Fache architektonischer Stech-
kunst erprobten Männer sind uns leider nicht überall zur Hand u. s. w."
Wir haben somit das vorliegende Werk (welches aus drei Blättern Text
und drei Blättern mit Grund- und Aufrissen, Durchschnitt und perspek-
tivischer Ansicht des Aeusseren und Inneren, in gross Folio, besteht) nur
in Bezug auf die eigenthümlichen Ideen des Architekten zu betrachten,
ohne auf ihr Verhältniss zu dem, was etwa über die Atisführung des Baues
angeordnet worden ist, eingehen zu können.

Der Plan des Gebäudes gestaltet sich hier einfach so, dass der Haupt-
theil desselben aus einer grossen Halle von etwa 200 Fuss Länge, 120 Fuss
Breite und gegen 80 Fuss Höhe besteht, mit der sich an der einen Langseite
(der Nordseite) kleinere Räume in drei Geschossen — Versammlungs- und
Gesellschafts-Zimmer, Lokale für das Handels-Gericht und für die Biblio-
thek— verbinden. Die grosse Halle, der eigentliche Börsenraum, ist mit
flacher Decke versehen und wird durch Bogenstellungen getragen, welche
aus zwei Reihen von je vier schlanken, achteckigen, durch weite Halb-
kreisbögen verbundenen Pfeilern bestehen. (Diese Bögen sind jedoch nicht
in der Richtung der Längenaxe des Raumes, sondern in der Breitenaxe

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Entwurf zur Börse auf dem Adolphsplatze zu Hamburg,

geschlagen, wodurch, wenn man die Halle der Tiefe nach überblickt, ein
reicherer, bedeutenderer Wechsel der Linien hervorgebracht wird, als'im
entgegengesetzten Fall stattgefunden haben würde.) Im Innern der grossen
Halle correspondiren diesen Bogenstellxingen leichte Wandpfeiler, im Aeus-
sern des Gebäudes vorspringende Contreforts, welche in der Form leichter
Thürmchen frei über das Krönungsgesims emporgeführt sind; stärkere und
höher emporsteigende Thürme, in denen Wendeltreppen angebracht sind,
springen an den vier Ecken des Gebäudes hervor und dienen, wenigstens
für das Auge des Beschauers, zum festeren Zusammenschluss der Masse.
Zwischen den Contreforts und den Eckthürmchen sind die Mauern mit
hohen und weiten, im Halbkreisbogen überwölbten Fenstern durchbro-
chen. An der vordem Front befinden sich fünf solcher Fenster, und unter
einem jeden derselben ein breiter, ebenfalls im Halbkreisbogen überwölbter
Eingang; unter den Fenstern der Seitenfronten sind zwischen den beträcht-
lich vorspringenden Contreforts kleine Gemächer eingebaut, welche sich
nach dem Innern des Gebäudes öffnen und zu Makler-Comtoirs bestimmt
sind. Als Hauptmaterial des ganzen Gebäudes ist gebrannter Stein gedacht,
der im Aeussern ohne Bewurf bleiben und auch zur Ausführung aller
Gesimse und Ornamente dienen sollte. (Die grosse Zweckmässigkeit dieses
Materials und dieser Anwendung desselben darf wohl nicht mehr in Frage
gestellt werden.) Die Fensterrüstungen sind von carrarischem Marmor an-
genommen, als dem wohlfeilsten und dauerhaftesten Material zu diesem
Behufe; für die hohen und schlanken Pfeiler im Innern schlägt der Ver-
fasser das schöne Material des geschliffenen Granits vor.

Alle wesentlichen Bedürfnisse eines Börsengebäudes sind bei diesem
Entwürfe aufs Genügendste erfüllt. Die eben angedeutete Art, wie die
Decke der grossen Halle getragen wird, gestattet die grösste Freiheit des
Verkehrs, hemmt nirgend die volle Verbreitung des Lichts; durch- die
breiten Eingänge der Vorderseite wird jede Stockung in der Bewegung der
Menschenmassen, die hinein- oder herausdrängen, vermieden^, mit den
Nebenräumen, namentlich mit den Makler^Comtoirs, ist die genügendste
Verbindung gegeben; endlich ist durch die
eigenthümliche Anordnung
der Fenster für die vollkommenste Helligkeit des innern Raumes gesorgt.
Letzterer Umstand namentlich verdient eine besondere Anerkenntniss;
durch die grossen Dimensionen der Fenster, durch die Lage der Haupt-
front gegen Süden, der Seitenfronten 'gegen Ost und West findet das gün-
stigste Licht reichlichen, Zugang; durch die geschlossiene Wand auf der
Nordseite der Halle (wo sich die übrigen Geschäftsräume in drei Geschossen
anreihen) wird das Licht, zur Verstärkung seiner Wirkung, in der ganzen
Breite des Raumes zurückgeworfen. Kein Oberlicht, namentlich durch die
Seitenfenster aufgesetzter Laternen, würde im nordischen Klima'eine ähn-
liche AVirkung hervorzubringen vermögend sein; die Anwendung von Gal-
lerieen und Tribünen würde den so nöthigen Reflex des Lichtes mehr oder
weniger aufgehoben haben. ' , . •

Nicht minder ist diö ästhetische Wirkung dieser Anlage, wie sie in
den genannten Entwürfen vor uns liegt, aufs Rühmlichste zu erwähnen.
Die weitgesprengten Rundbögen, an den Ffeilerstellungen des Innern, an
der Architektur der Fenster und Portale, sind es besonders, was dem Ein-
druck des Ganzen eine eigenthümliche Würde und Freiheit giebt. Die
emporstrebenden Contreforts und Eckthürme lassen im Aeussern zwar das
vertikale Verhältniss cinigermaassen vorherrschen, doch verbinden sich

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Berichte, Kritiken, Erörterungeu.

damit die horizontalen Gesimse (diese vornehmlich durch die flache Decke
im Innern motivirt) auf eine sehr harmonische Weise. Hiedurch entsteht
ein ruhiger, klarer Einschluss der Bogenformen, liberhaupt der Eindruck
einer gemessenen Solidität, welcher dem kühnen Schwünge der Bögen auf
eine wohlthuende Weise das Gleichgewicht hält. In entsprechender Weise
sind denn auch die anderweitigen Einzelheiten, besonders die Contreforts
und die Eckthürme (welche letzteren sich oberwärts leicht verjüngen) be-
handelt und gegliedert. Nur Eins schien dem Referenten in einem ge-
wissen Widerspruch mit dem schönen Organismus des Ganzen zu stehen,
— das Stabwerk der Fenster; dasselbe schliesst sich theils den grossen
Bogenwölbungen nicht recht ^harmonisch an, theils stimmen die darin
reichlich angebrachten gothisirenden Rosetten wohl nicht ganz mit den im
Uebrigen vorherrschenden Hauptformen. Doch ist dieser Umstand nicht
von der Art, dass er den grossartigen und -erhebenden Eindruck des Gan-
zen wesentlich beeinträchtigt.

Der Platz, auf dem die Börse errichtet werden sollte, war gegeben-,
der Verfasser hat seinen Entwurf als auf der Nordseite desselben anzu-
legen, — die hintere Front unmittelbar am Ufer des den Platz begren-
zenden Flusses, — angenommen. Indem hiedurch auf der Südseite eine
grössere Entfernung von den gegenüberstehenden Häusern gewonnen wird,
entsteht der doppelte Vortheil, dass zu jeder Jahreszeit die Sonnenstrahlen
sich über das ganze Gebäude, erleuchtend und erwärmend, ausbreiten
können , und dem Auge des Vprüberwandelnden günstige Punkte zur Be-
trachtang des Gebäudes dargeboten werden. Auch gab diese Stellung des
Gebäudes Gelegenheit, vor der Vorderfront desselben'eine der Wagenfahrt
unzugängliche, um vier Stufen über dem Strassenpflaster erhöhte Terrasse
anzulegen, welche den Börsenverkehr, wie Aehnliches auch an andern
Orten stattfindet, noch ins Freie auszudehnen gestattet. Beide Vortheile
waren so überwiegend, dass gegen sie die Gewinnung eines andern: — an
dieser Stelle eine mangelnde Fahrverbindung zwischen getrennten Stadt-
theilen herzustellen, zurückstehen musste. (Der Verfasser setzt zugleich
auseinander, dass eine solche an einer andern Stelle der Stadt günstiger
einzurichten sein würde.) Zur Verbindung der Hinterfront der Börse mit
dem jenseitigen Ufer des Flusses hat der Verfasser eine Fussbrücke ange-
ordnet ^ welche unmittelbar in die Börsenräume einzuführen und zugleich
eine weitere Communication zu bewerkstelligen bestimmt ist. Sehr beach-
tenswerth fügt der Verfasser, im erläuternden Texte, hinzu: „Die meisten
Börsen der Welt dienen ausser der Börsenzeit als Durchgänge, weshalb
sollte die unsrige eine Ausnahme davon machen? Solche Hallen sind
vielmehr dem Publikum, wenn immer möglich,
zU öfl'nen; denn es hat
etwas Verletzendes, wenn man aus Räumen, welche nur während einer
einzigen Tagesstunde benutzt werden und dazu noch öffentliches Eigen-
thum sind, während der übrigen Stunden sich zurückgewiesen sieht, und
das Gebäude selbst möchte leicht den Eindruck einer leblosen Magse geben.
Dagegen bietet die Oeffnung der Hallen den angenehmsten Winterspazier-
gang, und bei freiem Durchgang würde eine edle Architektur auch Dem-
jenigen, den ein Geschäftsweg in diese Gegend führt, eine wohlthätig an-
sprechende Abwechselung gewähren. Hat mau doch anderwärts solche
Rücksichten selbst mit der Würde der kirchlichen Architektur nicht un-
vereinbar gefunden." — •

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Einige Worte über das Deukmal des Cheruskers Hermann. 299

Die Aufgabe, welche der Verfasser bearbeitet hat, gehört zu den sel-
tenen Gelegenheiten, in welchen die Kunst der Architektur sich in ihrer
grossartigen Bedeutung vollständig entfalten kann; für eine Handelsstadt
ist das Börsengebäude das Palladium, das auch in seiner äussern Erschei-
nung die Macht der das öffentliche Leben bewegenden Interessen verkOr-
])ert darstellen muss. Dem Verfasser ist die Bearbeitung seiner Aufgabe
in schönstem Maasse gelungen,; seine Entwürfe gehören zu den gediegen-
sten Leistungen der modernen Architektur; ihre Ausführung würde der
Vaterstadt des Architekten die edelste Zierde, das würdigste Andenken
der Gegenwart für die folgenden Geschlechter gegeben haben. Es fehlt
der Kunst unseres Tages nicht an den vorzüglichsten Talenten; aber im
Publikum — so reich es auch an Privat-Liebhabereien ist -- findet sich
nur in sehr seltenem Falle der Sinn für die öifentliche Bedeutung der
Kunst, ohne welche diese Talente, und mit ihnen die -ganze würdigere
Gestaltung des öffentlichen Lebens, nicht zu ihrer schönsten Entwickelung
geführt werden können. • .

Einige Worte über das Denkinal des Cheruskers Hermann.

(Kunstblatt 1838, No. 57.)

Die deutschen Zeitungen haben seit einiger Zeit von dem kolossalen
Denkmale berichtet, welches dem Vernichter der römischen Legionen in
der Gegend seines grossen Sieges, auf dem höchsten Gipfel des Teutobur-
ger Waldes, errichtet werden soll. Die Idee findet, wie es scheint, einen
guten Anklang-im deutschen Volke, und es dürfte die Hoffnung, ein Mo-
nument von so grossartiger nationaler Bedeutung ausgeführt zu sehen,
nicht, wie so manch ein Unternehmen ähnlicher Art. unerfüllt bleiben.
Aufforderungen, sowie Lithographieen und Umrisse nach dem von dem
Bildhauer Ernst von Bändel gefertigten Modell zu diesem Denkmale,
sind mannigfach verbreitet worden; Vereine zur Sammlung von Geldbei-
trägen haben sich gebildet- und scheinen ihre Wirksamkeit nicht ohne
Erfolg anzutreten. Möge es auch dem Kunstfreunde vergönnt sein, ein
Wort über dies Unternehmen öffentlich auszusptechen.

Wir können der Idee des Unternehmens Überhaupt, auch der Art
und Weise, wie das Monument, den Hauptintentionen nach, von dem
Künstler gedacht ist, unsre lebhafteste Anerkennung nicht versagen. Dass
Deutschland denjenigen Moment, da sein Volk zuerst in das Leben der
Weltgeschichte eintrat, dass es-den Helden, der in diesem Momente sein
Führer war, durch ein würdevolles Denkmal feiere, bedarf keiner Recht-
fertigung, so lange überhaupt die hohe Bedeutung historischer Denkmäler
durch die materiellen luteressen des Lebens noch nicht ganz verflunkelt
ist. Dass man dies Denkmal auf hohem Bergesgipfel, kolossaPauf mäch-
tigem Unterbau emporragend, errichte, dass es, in der Gegend jener ver-
hängnissvollen Ereignisse^ weit durch die deutschen Gauen sichtbar sei,
im weiten Umkreise an dÄi ersten Glanzpunkt unsrer Vorzeit erinnere,

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300 - Berichte, Kritiken, Erörteruugen.

scheint ebenso wohl bedacht. Nicht minder die eigentliche Composition
des Monumentes. Wir sehen die Gestalt des Helden vor uns, wie er,sich
auf den hohen germanischen Schlachtschild stützt, mit dem linken Fuss
den römischen Adler und die Fasces, das Zeichen der Sklaverei, zu Bo-
den tritt und mit der Rechten das Schwert in die Lüfte erhebt, Sieg und
Freiheit den deutschen Gauen zu verkünden.

Doch können wir nicht umhin, gegen die besondre Behandlung dieser
Gestalt, — wie uns dieselbe in der ausgeführten Lithographie, die uns
vorliegt, entgegentritt, — ein Paar Bemerkungen auszusprechen. J'ür's
Erste eine Notiz in Bezug auf das Kostüm. Der Künstler scheint uns das
letztere sehr wohl getroffen zu haben, mit Ausnahme des Mantels, den er
in weiten und langen Dimensionen angenommen und der Gestalt in kunst-
reichen Falten umgehängt hat. Dies streitet eines Theils gegen die histo-
rische Ueberlieferung, indem Tacitus (Germ. c. 17) ausdrücklich berichtet,
dass allen Germanen das Sagum (ein kurzer Mantel) zur Bedeckung ge-
dient habe. Bei einem langen, faltenreichen Mantel haben wir, abgese-
hen davon, dass er für den Gebrauch im Kriege ganz unpassend wäre,
einen ungleich mehr entwickelten Culturzustand vorauszusetzen, indem
das Tragen eines solchen ungleich mehr Ruhe des äusseren, somit auch
mehr Ruhe des inneren Lebens bedingt, als wir bei den Germanen jener
Zeit irgend annehmen dürfen. Ich erinnere an das Studium, dessen die
Römer zum bequemen Tragen der Toga bedurften. Andern Theils aber
dürfte dieser Mantel auch für die ästhetische Wirkung nicht sonderlich
vortheilhaft sein. Denn da das Standbild vornehmlich auf fernere Gesichts-
punkte berechnet sein soll, so scheint es nothwendig, dass sich vor Allem
der Hauptumriss deutlich, ich möchte sagen: silhouettenartig, hervorhebe,
was bei dieser Figur, bei welcher mehr nur die ästhetische Wirkung in
der Nähe berechnet sein mag, nicht füglich stattfinden kann. 'Vielleicht
hat der Künstler dem Ganzen hiedurch mehr Masse geben wollen; doch
möchte auch eine solche Absicht nicht genügend gerechtfertigt sein, da
Massenwirkung der Art immer ein gegenseitiges Verhältniss (etwa zu einem
Bauwerke) voraussetzt, ein solches hier aber nicht vorhanden ist. End-
lich dürfte auch der-Umstand in Erwägung zu ziehen sein, dass die Statue
den lieftigsten Stürmen ausgesetzt sein wird, dass sie — 40 Fuss hoch und
aus Kupfer getrieben — die grösste Sicherstellung nothwendig macht, dass
letztere aber durch den weiten Mantel, der- dem Winde eine volle Fläche
darbietet und d^m sich überdies der grosse Schild zugesellt, sehr gefähr-
det sein dürfte.-^

Ein zweites Bedenken trifft die Formation der Gestalt selbst. Der
Künstler hat ohne Zweifel dem Helden des alten Germaniens das Gepräge
der.grössten Körperkraft geben wollen, aber er ist dabei — soviel wenig-
stens die zwar sorgfältig ausgeführte grosse Lithographie erkennen lässt,
— über die Grenze hinausgegangen. Statt kräftig entwickelter, zu aus-
dauernder Anstrengung geeigneter Körperformen, führt er uns breite, fast
gedunsene, vor. Auch die Stellung der Figur selbst, obgleich in den
Hauptmotiven sehr wohl gedacht, erscheint ziemlich schwer und ohne eine
frische, lebenvolle Elasticität. Man mag hiegegen vielleicht behaupten,
dass die grosse Höhe des Standpunktes stärkere Formen nöthig mache,
damit dieselben, den optischen Gesetzen gemäss, nicht umgekehrt als mager
erscheinen. Wir wollen^» dies gelten lassen ; aber-eine derartige, vielleicht
hX' nothwcndige Abweichung von der Naturform wird nur mit der allergröss-

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Album deutscher Künstler in Original-Radirungeu. 301

ten Vorsicht gestattet sein (wir erinnern an das Minimum der Schwellung,
welches bei der griechischen Säüle angewendet wurde); keinesfalls kann
hiedurch eine der ganzen Bedeutung der Gestalt widersprechende Schwere
in Form und Bewegung gerechtfertigt sein.

Endlich haben wir auch gegen den projectirten Unterbau, wie sich
dieser auf einem uns vorliegenden Umrissblatte zeigt, Einiges einzuwen-
den. Dieser wird nemlich durch einen festen, cylinderförmigen Kern, ge-
bildet, über dem das Standbild ruht, und der durch eine kolossale Säulen-
stellung umgeben ist. Die Architektur der letzteren kann man als ein
rohes Spätgothisch bezeichnen. Wozu aber diese Bauform, die unsre
Gedanken gleich an eine anderweitig bestimmte Periode, und zwar an die
des-spätesten Mittelalters fesselt? Wozu aufs Neue diese architektonische
Spielerei, die in den Formen einer ausartenden Kunst die Ursprünge des |

heimatlichen Formensinnes zu entdecken wähnte? Warumä^nicht eine ge-
diegen durchgebildete, eine wirkliche Architektur, !,wie sie der constructive
Zweck bedingt? Denn in der That, die rohen, unbehauenen Säulen, über
denen sich hier die schweren Spitzbögen erheben sollten, sind so wenig
auf irgend eine Weise historisch-bezeichnend, wie sie — was noch viel
wichtiger ist — irgend eine künstlerische- Geltung haben können. Das
Monument aber soll nicht bloss an die Zeit des Gefeierten erinnern ^ "'es
soll auch zur Ehre derjenigen Zeit, welche dies Denkmal gründete,
dastehen. - '

Ob schliesslich der Unterbau nicht, im Verhältniss zu der Gestalt (be-
sonders für nahe Gesichtspunkte), zu weit vortrete, ob es nicht vielleicht
besser sei, die Statue noch dyrch einen höheren Untersatz über die Archi-
tektur des Unterbaues zu erheben, mag hier, da uns die Lokalität unbe-
kannt ist, dahingestellt bleiben.

Möge man diese Worte nur als das aufnehmen,-was sie sind: als aus
dem lebendigsten Interesse für eine Sache hervorgegangen, welche die
Theilnahme eines jeden Deutschen erwecken muss. Es scheint billig, dass
über ein Unternehmen, welches nicht einen einzelnen Punkt des Vater-
landes allein angeht, sondern für welches die Mitwirkung aller Kräfte
desselben in Anspruch genommen wird, vor der Ausführung auch eine
freie Berathung, eine freie Abgabe der Stimmen und eine Berücksichtigung
derselben stattfinde. Möge man diese Worte als eine einzelne Stimme
solcher Art betrachten und sie, in Bezug auf ihre Gültigkeit oder Ungül-
tigkeit prüfen.

1

Album deutscher Künstler in Original-Radirungcn. Lief. 1.
u. II. Düsseldorf, Verlag von Julius Buddeüs.' 1839. Fol.

Wir dürfen es als eine der wahrhaft erfreulichen Aeusserungen in
dem Kunststreben unsrer Tage 'betrachten, dass die. Kunst des Radireps,
die seit geraumer Zeit, im Verhältniss zu den übrigen künstlerischen Ver-
vielfältigungs - Mitteln , in den Hintergrund getreten war, sich wiederum
einer mehr und mehr verbreiteten Theilnahme, einer mannigfachen An-

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302 liürichte, Kritiken, Erörternngeu.

Wendung auf die verschiedenen Weisen bildlicher Darstellung zu erfreuen
beginnt. Denn indem in ihr die Originalität des Künstlers, seine frische,
schalTende Kraft in voller Unmittelbarkeit hervortritt, so wird sie ohne
Zweifel ein wohlthätiges
Gegengewicht gegen den eleganten, aber häufig
nur zu wenig gehaltlosen Tand wohlfeiler Stahlstiche und Lithographieen
herstellen, mit dem in neuerer Zeit das genusssüchtige Auge der Halb-
oder gar nicht Gebildeten genährt worden ist. Auch ist keine andre Kiuist
geeignet, die Eigenthümlichkeiten des Zeichners in gleich Charakteristik
scher Weise wiederzugeben, als eben die Radirung; selbst nicht die Li-
thographie, obgleich bei deren Anwendung der Zeichner, der eigenhändig
die lithographische Kreide führt, noch weniger beschränkt scheinen dürfte.
Immer wird die Radirung das voraus haben, dass in ihr ein jeder einzelne
Strich sich als das unmittelbare Ergebniss des Gefühles kund geben muss,
dass mau in ihr das künstlerische Schaffen wie im Ganzen so in den ein-
zelnen Theilen bis in deren feinste Nuancen hinab, und zwar überall mit
vollkommenster Bestimmtheit, nachempfinden kann.

Wenn ich nicht irre, so haben die von Rein ick herausgegebenen
„Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde" ein vorzüg-
liches Verdienst an der neueren Verbreitung dieser schönen Kunst. Wohl
die Meisten, die uns bis dahin radirte Blätter geliefert, waren entweder
ausschliesslich Kupferstecher oder doch durch längere Uebung mit den
Bedingnissen des Kupferstiches vertraut; die üebrigen, besonders die Ma-
ler, mochten glauben, dass das Radiren allerlei unbequeme Vorstudien
erfordere und dass dadurch ihrem sonstigen künstlerischen Treiben Ab-
bruch geschehe. Durch Reinick's Liederbuch sah man plötzlich, dass
es einer ganzen Reihe von Malern gelungen war, die Radiruadel auf er-
freuliche Weise zu führen, und dass, wenn auch nicht Alles, weder an
eigentlich künstlerischer ßedeutiing noch an technischer Ausführung, glei-
chen Werth hatte, so doch bei Weitem das Meiste als wohlgelungen be^
zeichnet werden musste. So ist in der kurzen Frist, seit jenes Werk
erschienen, manch ein treffliches Blatt gearbeitet, manch ein grösseres
Werk begonnen, wodurch uns die entschiedensten künstlerischen Indivi-
dualitäten in charakteristischer Weise gegenübertreten und den Kunst-
freunden mannigfach willkommener und belehrender Genuss dargeboten
wird. Gewiss wird man immer mehr sich dahin verständigen, dass, wenn
auch das Radiren und Aetzen seine besondre Uebung erfordert, diese doch
eben nicht allzu mühsam ist und durch die Freude, die der Künstler
seinen Freunden und unbedenklich auch sich selbst bereitet, genügend
aufgehoben wird.

Unter den neueren Werken solcher Art dürfte das in der Ueberschrift
genannte als eins der interessantesten zu bezeichnen sein. Es hat den
Zweck, so viel als möglich von allen namhaften Künstlern, deren sich
Deutschland heutiges Tages erfreut, eigenthümliche und eigenhändig ge-
arbeitete Blätter zu liefern, so dass dadurch, wenn das Ganze zu einiger
Vollständigkeit gelangt sein wird, dem Beschauer die anziehendste üeber-
sicht eröffnet sein muss. Der Umschlag der vorliegenden Lieferungen
macht eine bedeutende Reihe von Künstlern namhaft, von denen zunächst
Beiträge zu erwarten sind; zwei Lieferungfen, jede zu 3 Blättern, sind bis
jetzt erschienen, die schon gegenwärtig zu interessanter Vergleichung An-
lass geben. ~

m

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303

Architektur.

Die Blätter der ersten Lieferung siud von Künstlern der Düsseldorfer
Schule gearbeitet. Wir sehen darin zuerst ein lebenvolles Waldbild von
Joh. Wilh. Schirmer, knorrige mächtige Eichen darstellend, die ihre
Wurzeln in einen heimlich umschlossenen Schilfsee hinabstrecken, ein
Blatt, das eine freie und kühne Führiing der Nadel zeigt und besonders
im Vorgrunde von grosser Wirkung ist. Darauf folgt eine Arabeske von
A. Schrödter: Don Quixote, der auf seiner Rozinante, die Schaflieerde
verfolgend, durch kunstreich verschlungene Rankengewinde hinsaust, —
einen neuen Beleg für die geiiiale Grösse des Schrödter'schen Humores
und für seine Meisterschaft im Fache der Radirung bietend. Das dritte
ßlaft, „Friedrich mit der gebissenen Wange auf der Flucht von .der Wart-
burg", ist von L. Ha ach gearbeitet; eine historische Composition, die
eine glückliche Folge der durch Lessing eröffneten Richtung ankündigt,
mit sparsamen Mittelrf für eine malerische Wirkung wohl angelegt, doch,
wie es scheint, im Aetzen nicht genügend abgetont. — Die zweite Lie-
ferung führt uns Künstler der Münchner Schule vor. Zuerst ein sehr
geistreiches und zart radirtes Blatt von E. Neureuth er, „Kupferplatte
und Scheidewasser", dessen Bedeutung durch das untergeschriebene Disti-
chon ^erläutert wird:

Schützen wohl magst du den Mund vor dem Geist ans ätzendem Wasser:

Gegen den Kobold in ihm schützet kein Mittel dein Bild.

Es enthält eine Genrescehe, welche die Sorgen im Momente des Aetzens
lebendig darstellt; aus der Arabeskeneinfassung entwickeln sich ph^xnta-
stische Dämonen, die den glücklichen Erfolg der Arbeit bedrohen. Das
zweite Blatt, „der Klosterbrunnen", von W. Ga'il, stellt eine Scene des
spanischen Lebens vor; auch dies ist mit grosser Meisterschaft behandelt
und bringt eine ansprecheude malerische Wirkung herv'or. Den Beschluss
macht ein Viehstück von L. Habenschaden, trefflich und mit feinem
Gefühle gezeichnet, nur vielleicht etwas zu rauh geätzt, wenigstens
-Was
den landschaftlichen Hintergrund anbetrifft. ,

Wir wünschen dem schönen Unternehmen den glücklichsten Fortgang
und sind überzeugt, dass dem Verleger (der sich zugleich als Herausgeber
nennt) der entschiedene Beifall der 'Kunstfreunde nicht fehlen wird.

"A" r c h i t e k t u r.

(Kunstblatt 1841, No. 15.)

Uns liegen so eben verschiedene auf Stein gezeichnete Bauzeichnungen
von Kirchen vor — in Grund- und Aufrissen, in Durchschnitten und man-
nigfachen Details, — welche Hr. v. Lassaulx entworfen und in der
Umgegend von Koblenz zur Ausführung gebracht hat. Es ist eine sehr
erfreuliche Erscheinung, in diesen sämmtlichen Entwürfen (es sind deren
acht) ein .und dasselbe architektonische Princip durchgeführt zu sehen,
wenn dasselbe auch auf mannigfaltige Weise, je nach den vorhandenen
Mitteln und Bedürfnissen, modincirt erscheint. Es spricht sich darin eben

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...........................üfU'" "WljlUWMili»........

304 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

eine sichere und bewusste Sinnesrichtung aus, durch welche allein die
Architektur des heutigen Tages zu einer eigenthümlichen und selbständigen
Gestaltung zu gelangen vermag. Um so mehr hat dies Bestreben auf un-
sere Anerkennung Anspruch, als die eingeschlagene Richtung auf einem
durchaus würdigen, dem Zweck der Gebäude angemessenen Formensinne
beruht, der nicht nach willkürlicher Laune aus dem grossen Vorrath,
welchen die Geschichte der Architektur uns darbietet, Einzelnes auswählt,
sondern sich nur von dem Gefühle, welches die Bedeutung der Aufgabe
erkannt hat, leiten lässt. Allerdings zwar ist auch hier die geschichtliche
Grundlage unverkennbar; es sind die Hauptformen, die Grundmotive des
romanischen Baustyles, von denen Hr. v. Lassaulx durchweg ausgegangen
ist; aber gerade diese dürften den kirchlichen Interessen der Gegenwart
sowohl, als dem Bildungsgange, den die heutige Kunst durchgemacht hat,
am Vorzüglichsten entsprechen. Sodann sind diese Motive mit Freiheit
und Einsicht benutzt und ausgestattet, so dass sie gleichwohl zu einem
wesentlich Neuen umgebildet erscheinen; bei dem Ernst, bei der Würde,
die wir in kirchlichen Anlagen suchen, finden wir hier zugleich diejenige
Bestimmtheit und Klarheit, ohne welche unser heutiger Formensinn sich
nicht befriedigt fühlt. Vorzüglich bedeutend sind die beiden grösseren,
dreischiffigen Kirchenbauten, deren Gewölbe durch schlanke achteckige
oder runde Pfeiler gestützt werden, und die sonst an Fenstern, Portalen
und Gesimsen mancherlei feineren Schmuck enthalten; die eine von ihnen
ist zu Vallendar, die andere zu Güls an der Mosel gebaut, die letz-
tere bereits vollendet, die erstere ihrer Vollendung nah. Aber auch die
kleineren Kirchen — zu Weissenthurn, Capellen, Cobern, Boos,
Valwig, Waldesch — bieten mannigfaches Interesse und bezeugendes
namentlich, wie auch im kleinen Maasse und bei geringen" Mitteln, durch
richtigen Sinn, das Angemessene und Bedeutende zu erreichen ist.

An diese Entwürfe reiht sich eine kleine Schrift von Herrn v. Lassaulx:
„Beschreibung einer neuen Art Mosaik aus Backsteinen (abgedruckt aus
den Verhandlungen des Gewerbevereins zu Koblenz vom Jahr 1838), Kob-
lenz, 1839." Der Verfasser hat ein sinnreiches Verfahren erfunden, die
Fussböden kirchlicher und andrer Räume von Bedeutung durch einfache
musivische Arbeit zu überkleiden, die sich ebenso durch ihren anmuthigen
Eindruck auf das Auge auszeichnet, wie sie sich durch W^ohlfeilheit und
vorzügliche Dauer empfiehlt. Angostelite Versuche haben die leichte Aus-
führbarkeit dieses Schmuckes, der sich auch zur Verzierung.von Fagaden
eignen dürfte, bereits zur Genüge dargethan. Die kleine Schrift, der ein
näher erläuterndes lithographisches Blatt beigefügt ist, wird von den aus-
übenden Architekten ohne Zweifel mit beifälliger Theilnahme aufgenom-
men werden.

n

5.-V
idi^

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KARL FRIEDRICH SCIIINKEI

Eine Charakteristik seiner künstlerischen Wirksamkeit.

(Berlin,'l842.) " ■

Pfir ritornar lä donde venue fiiora,
Jj'inimortal forma, aUsuo carcer terrnno
C()na!..aiJgt)I venne.

Michelangelo Buonarotti.

Das Jahr 1840 hatte'uns die Kunde manch eines herben Verlustes,«
der uns betroffen,'gebracht; zu den schmerzvollsten Nachrichten geh(Jrte
die, dass Schinkel' den:wir noch kurz zuvor in anscheinend bltihender
Gesundheit gesehen, plötzlich einer unheilbaren, unsäglich trostlosen
Krankheit verfallen sei. Schon zur Trauer gestimmt, mussten wir durch
diese Nachricht-in dem tiefsten • Innern' unsres Gemüthes erschüttert * wer-
den; CS fehlte, uns an" "Worten^ um den Schmerz auszudrücken, dass ein
Stern, der bis dahin in ungetrübter Klarheit und Lauterkeit unsern Blicken
vorgeleuchtet hatte, jetzt durch ein furchtbares Geschick — um so furcht-
barer, als unsern Gedanken eine Enträthselung desselben unmöglich blieb,
— verdüstert sein sollte, Wohl Keinen gab es, der nur irgend an den
künstlerischen Interessen des heutigen Tages Antheil genommen, der sich
dem allgemeinen Schmerze und der allgemeinen Klage zu entziehen' ver-
mocht hätte. Und fort und fort, von Woche zu.Woche, von Monat "zu
Monat hielt dieser beängstigende. Zustand an. Blitzte' auch zuweilen ein
schnell verlöschender Holfnungsschimmer hervor, schien auch die Wehklage
unter den vielfachen Anforderungen, die das Leben machen musste, all-
mählig zu verstummen; doch bedurfte es nur des geringsten Anlasses, —
und zumal hier in Berlin, wo uns die Werke des Meisters täglich vor
Augen stehen, konnte es nimmer an einem solchen mangeln, — um den
Schmerz und- die bange Erwartung in uns stets aufs Neue zu erwecken.
Endlich, nach mehr als jahrelangem Leiden,-lösten sich die Bande, welche
diesen hohen* Geist gefesselt hatten. Was an' seiner Erscheinung'irdisch

Kugler, Kleine Schriften. III. " 20

Ui .

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30Ü Karl Fnedridi Schinkel.

war, ward der Erde übergeben. Er war-von uns gescliieden; aber Avir
fanden Trost und Beruhigung in dem Gefühle, dass für ihn ein neuer
Tag angebrochen war, und wir Vermochten es, das Bild, das er von sich
in unserm Geiste hinterlassen, wiederum rein und ungetrübt anzuschauen.

Wenigen Menschen war so, wie ihm, das Gepräge des Geistes aufge-
drückt. Was in seiner Erscheinung anzog und auf wunderbare Weise
fesselte, darf man nicht eben als eine Mitgift der Natur bezeichnen. Schin-
kel war kein schöner Mann; aber der Geist der Schönheit, der in ihm
lebte, war so mächtig-und trat so lebendig nach aussen, dass man diesen
Widerspruch der Form erst bemerkte, wenn man seine Erscheinung mit
kalter IBesonnenheit zergliederte. In seinen Bewegungen war ein Adel
und ein Gleichmaass, in seinem Munde ein Lächeln, auf seiner Stirn eine
Klarheit, in seinem Auge eine Tiefe und ein Feuer, dass man
sich schon
durch seine blosse Erscheinung zu ihm hingezogen fühlte. Grösser aber
noch war die Gewalt seines Wortes, wenn das, was ihn innerlich beschäf-
tigte, unwillkürlich und unvorbereitet auf seine Lippen trat. Dann öffne-
ten sich die Pforten der Schönheit; die tausend und aber tausend hem-
menden Schranken, welche das Leben des Tages aufgestellt hat, verloren
mehr und mehr an Kraft, bis sie zuletzt gänzlich zu verschwinden schie-
nen; die Bilder eines idealen Lebens, wie wir uns Griechenland in den
Zeiten seiner schönsten Blüthe so gern vorstellen, zogen klar und beseli-
gend an uns vorüber; bis das Gespräch zum Schlüsse dennoch auf die
Anforderungen des Tages zurückkehren musste und in - wehmüthigen
Akkorden der Sehnsucht verklang. Ich habe zu Schinkel nicht in
einem näheren Yerhältnisse gestanden; doch habe ich zuweilen das
Glück gehabt, dass er mich einer vertraulichen Unterredung solcher
Art würdigte. Könnte ich jetzt wiedergeben, was er in jenen Stunden zu
mir gesprochen! Wohl hat niich's schon mehrfach bitter gereut, dass ich
nicht unmittelbar nach diesen Gesprächen die Feder zur Hand genommen
und getreulich aufgezeichnet habe, was mir von seinen Worten im Ge-
dächtniss geblieben war. Jetzt würde ich unbedenklich allzuviel des Mei-
nigen hinzuthun. Der Eindruck, den die schönsten Stellen in Wiuckel-
mann's Schriften nach dem Lesen in uns hinterlassen, giebt ungefähr einen
H Begriff der Stimmung, welche durch Schinkers Worte angeregt wurde.

Schinkel's äusseres Leben erscheint uns, etwa mit Ausnahme seiner
früheren Jahre, einfach als das eines Geschäftsmannes) der freilich durch
die Ueberlegenheit seines Geistes- schnell von Stufe zii Stufe emporstieg.
Um so reicher jedoch ist unbedenklich sein inneres. Leben gewesen. Den
Entwickelungsgang seines Inneren, seines Geistes'und seines Talentes zu
verfolgen, müsste für uns im höchsten Grade anziehend und belehrend
sein; aber eine Darstellung solcher Art kann nur von Denjenigen gegeben
werden, welche ihm nahe genug standen, um ihn in der geheimen Werk-
; Stätte seines Schaffens zu beobachten, und denen er willig sein Inneres

erschloss. Dann lässt sich's fast mit Zuversicht voraussetzen, dass es für
solche Darstellung auch nicht an mancherlei wichtigen schriftlichen Urkun-
'1 den, Briefen u. dergl, mangeln werde. Zwar war Schink'el vor Allem

Künstler, und er wird sich als solcher arii liebsten deS Stiftes und des
Pinsels bedient haben, um seine Gedanken auszu'spreclien; zugleich aber
war er auch der Feder mächtig, „wie man esi bei den Künstlern nicht
häufig findet; ein Paar Aufsätze,' deren am Schlüsse der folgenden Be-
trachtungen gedacht ist, geben dessen ein sehr gültiges Zeugniss. Möge

'm!

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Vorwott.

uns das Denkmal seines iinieren Entwiekelungsgaiiges nicht vorenthalten
bleiben! • •

Grossaitigere Denkmäler seiner Thätigkeit stehen freilich in denjeni-
gen Werken da, welche von seiner Hand oder nach seinen Entwtlrfen
ausgeführt wurden; noch -nach Jahrhunderten werden sie die Höhe und
die Lauterkeit seines Geistes in beredter Sprache verkündigen^ Seine
Arbeiten im Fache der Baukunst sind tiberdies, vornehmlich durch die
Herausgabe seiner schönen „Sammlung architektonischer Entwürfe", auch
den fernsten Kfeisen bekannt geworden, — einer, Sammlung, welche fort
und fort, auch wo die Anschauung der ausgeführten Werke nicht vergönnt
ist, dem architektonischen Studium als gewichtige Grundlage dienen wird.
Nicht in gleichem Hausse bekannt ist seine erfolgreiche Thätigkeit in den
Fächern der bildenden Kunst, indem seine Entwürfe zur bildnerischen
Dekoration der Architekturen nicht überall zur Ausführung gekommen und
seine selbständigen Werke dieser Gattung in einzelne Sammlungen verstreut
sind. Wohl wäre es im höchsten Grade wünschenswerth, wenn man es
möglich machte, auch von diesen Arbeiten-eine umfassende Herausgabe
zu veranstalten; der Geschichte der Kunst würde dadurch, bis auf ferne
Zeiten hin, ein'so merkwürdiges wie nothwendiges Material dargeboten
sein. Wie wichtig Unternehmungen dieser Art sein dürften, bezeugt, um
nur Ein Beispiel anzuführen, die künstlerische Thätigkeit eines der'be-
deutsamsten Vorgänger Schinkel's im Fache der historischen Malerei, des
Asmus Carstens, die eben,' weil es bisher an einer Herausgabe seiner
Werke gemangelt hat, durchaus noch nicht nach,ihrem hohen Werthe an-
erkannt ist. Auch dürften sich, meines Bedünkens, die zweckmässigen
Darstellungsmittel für ein solches Unternehmen ohne sonderlich erhebliche
Schwierigkeit finden lassen, selbst bei den reichsten und eigenthümlichsten
Werken, welche Schinkel hinterlassen; so entsinne ich mich sehr bestimmt,
dass er, als einst das Gespräch auf die schwierige Herausgabe seiner, für
die Vorhalle des Berliner Museums .entworfenen Gemälde kam , die Mittel
der farbigen Lithographie als dazu vorzüglichst geeignet bezeichnete.

Die folgenden Betrachtungen bedürfen einer nachsichtigen Aufnahme
von Seiten des geneigten Lesers. Dass es mir unmöglich fallen musste,
das Bild des geschiedenen Meisters in seiner ganzen Eigenthümlichkeit,
vornehmlich in dem Entwickelungsgange sesines Innern., darzustellen, ist
in den vorstehenden^ Bemerkungen bereits angedeutet. Ich konnte somit
nur eine sehr flüchtige biographische Skizze vorangehen lassen, obgleich
ich hiebei einzelne Angaben, die mit Schinkel selbst gelegentlich mitge-
theilt, benutzen durfte;- ebenso war es mir auch bei der Betrachtung seiner
Werke unmöglich, auf den biographischen Standpunkt nähere Rücksicht
zu nehmen. Es war vornehmlich nur meine Absicht, die Stelle zu be-
zeichnen, welche Schinkel, seiner künstlerischen Thätigkeit gemäss, in
dem allgemeinen kunsthistorischen Entwickelungsgange einnimmt. Hiebei
genügte es freilich nicht, mit einfachen Worten etwa nur auszusprechen,
dass Schiukel im Fache der Architektur eine Bedeutung hat, wie seil vier
und mehr Jahrhunderten kein andrer Meister, und dass er im Fache der
bildenden Künste' den merkwürdigsten Geistern seiner Zeit gleich steht;
es musste das ihm "Eigenthümliche, mit näherer Hinweisang auf seine
Werke, in besondrer Charakteristik angedeutet werden. Aber auch ein
solcher Versuch "hat seine schwierigen Seiten. Das innere Wesen der
Kunst, und vornehmlich das der Architektur, ist überall schwer in Worte

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308 Karl Friedrich Schinkel.

zu fassen; ihre Werke sind nicht (oder doch nur die Entwürfe derselben)
gleich denen der Literatur zur leichteren Uebersicht unmittelbar neben-
einander zu stellen; auch handelt es sich hier darum, die Werke ver-
schiedener Künste unter Einen Gesichtspunkt zu bringen, das Gemein-
same ihrer Richtung bei verschiedenartigen Mitteln der Darstellung, her-
vortreten zu lassen. Dazu kommt ferner der JJmstand, dass der Architekt
stets von äusseren Verhältnissen abhängig ist, dass er das Werk seines
! Geistes äusseren Bedingungen gemäss entwerfen, selbst wohl während der

Ausführung mannigfach verändern muss, dass es somit nicht selten zwie-
fach schwer wird, das ihm innerlich Eigenthümliche in dem ausgeführten
Werke zu erkennen und nachzuweisen. Ob es mir gelungen , diesen
Schwierigkeiten mit einigem Glück zu begegnen, muss ich dem billigen
Ermessen des Lesers anheimstellen. Dass meine grosse, fast mijchte ich
sagen: unbegrenzte Verehrung gegen Schinkel mich nicht gehindert hat,
mir ein freimüthiges Urtheil über seine Werke zu bewahren und mich da
auch tadelnd zu äussern, wo — meiner Ansicht nach —,ira Einzelnen
seiner Werke ein minder gültiges Streben hervorgetreten ist, wird mir
hoffentlich kein billig Denkender verargen. Hätte ich mich doch eher,
, dem dermaligen Stande unsrer Literatur gemäss, die nur zu häufig das
Heiligthum alles Grossen und Schönen mit frecher Hand anzutasten liebt,
eben meiner Verehrung wegen rechtfertigen sollen. Dies aber halte ich für
überflüssig, da ich mit denen nichts gemein habe, die keine Liebe kennen.

Ich bemerke schliesslich, dass die folgenden Betrachtungen, ihrem
grösseren Theile nach, bereits einige Jahre vor Schinkel's Tode geschrie-
ben sind. In ihrer früheren Fassung finden sie sich in den Hallischen
Jahrbüchern (1838, in den Blättern des Monates August) gedruckt. Da
gegenwärtig ein erneuter Abdruck gewünscht wird, so habe ich demsel-
ben, ausser andern Erweiterungen, diejenigen Veränderungen und Zusätze
beigefügt, welche durch.die seitdem veränderten Verhältnisse, und durch
die neuerlich herausgegebenen Werke Schinkels nöthig geworden waren.

Biographisches. .

Karl Friedrich Schinkel wurde am 13. März 1781 zu Neu-Rup-
pin, in der Mark Brandenburg, geboren. Seinen Vater, der das Amt eines
Superintendenten bekleidete, verlor er- in seinem seclisten Jahre. Seine
erste Bildung erhielt er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, seine spä-
tere auf dem berlinischen Gymnasium, unter Gedike, nachdem seine Mutter,
im Jahre 1795, nach Berlin hinübergezogen war. Er war hier bis zur
ersten Classe vorgerückt, und wandte sich nijnmehr, einer Neigung folgend,
die schon frühzeitig bei ihm hervorgetreten war , dem ausschliesslichen
Studium der Kunst, vornehmlich dem der Architektur, zu. Ein Jahr lang
genoss er für solche Zwecke zunächst den Unterricht des Geheimen Ober-
bauraths David Gilly zu Berlin; dann ward er Schüler von dem ausge-
zeichneten Sohne des letzteren, dem Bau-Inspector und Professor Fried-
rich Gilly, als dieser, im Winter des Jahres 1798, von grösseren Reisen
zurückgekehrt war.

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309

w'mm'^^rw'mmmmm

Biograpliisclies.

Schinkel erfreute sich des Verhältnisses zu Friedrich Gilly zwav iijcht
lange Zeit, denn schon im August 1800 starb sein Meister, wenig über
neun und zwanzig Jalire alt; doch .war dasselbe ohne Zweifel von dem
entscheidensten Einflüsse auf seine ganze Zukunft. Fr. .Gilly ist einer
derjenigen, welche mit grössfer Genialität und mit glticklichstem Erfolge
gegen die verdorbene Geschmacksrichtung des achtzehnten Jahrhunderts
augekämpft , welche zuerst die Reinheit und die-Würde der griechischen
Kunst als Grundlage des höheren architektönischen Studiums hingestellt
haben. Seine architektonischen Werke (verschiedene Privatgebäude in
Berlin und in der Umgegend rühren von ihm her) zeichne'n sich, im Ge-
gensatz gegen die Haarbeutelformen seiner "Vorgänger, durch eine ernste
Einfalt aus; mit demselben Geiste-war er,bemüht, die Leistungen des
Handwerkes zu einer edleren Schönheit durchzubilden. Zugleich war er
ein bedeutender Meister im Fache der bildenden Kunst; nicht bloss in der
landschaftlichen Darstellung von Architekturen, auch in historischen Com-
posltionen hat er Ausgezeichnetes geleistet. Das,Geschick, welches ihn zu
früh hinwegraffte, hat nichts von seinen grösseren selbständigen Entwürfen
ausgeführt auf die Nachwelt kommen lassen; ich kann mich hier, zur
Bezeichnung seiner merkwürdigen Darstellungsweise kaum auf etwas An-
deres berufen, als auf seine malerischen Ansichten des Sehlosses Marien-

' w

bürg in Preüssen, deren grossartig kühner Vortrag in dem von Frick
herausgegebenen Praclitwerke über dasselbevortreflVich- nachgeahmt ist.
Auch kann ich hinzufügen, dass er seinen Freund Gentz bei dem Bau des
Münzgebäudes zu Berlin fördernd unterstützte, und dass namentlich der
ursprüngliche Entwurf für die Darstellungen des grossen Frieses am Aeus-
sereu dieses Gebäudes, der von Schadow mit Abänderungen ausgeführt ist,
von ihm herrührt. Die Blätter eines seiner grossartigsten Entwürfe, ein
Denkmal Friedrich's des Grossen enthaltend, werden im Locale der Ober-
Baudeputation zir Berlin aufbewahrt. ,Levezow hat in einer schönen
Denkschrift (1801) die Häuptmomente seines künstlerischen Verdienstes
und seiner persönlichen Eigenschaften zusammengefasst; seine Büste findet
sich, zur steten Erinnerung an das, was die Gegenwart ihm schuldig ist,
in einem der Lehrsäle der Berliner Kunstakademie aufgestellt.

Die Ideen, zu denen sich Gilly in der kurzen Bahn seines künstleri-
schen Wirkens emporgearbeitet hatte, gingen auf Schinkel als eine schöne
Grundlage für weitere'Bestrebungen über: die Hoffnungen, zu. denen jener
einen so begründeten Anlass gegeben hatte, sollten durch einen Schüler,
der ihm "weder an lebendigem Sinne für den Ernst der Schönheit, noch
an Energie des Willens und'ausgebreitetem Talente nachstand, erfüllt
werden. Zunächst diente der plötzliche Tod'des Meisters dazu, Schinkel-
in eine ausgedehnte Praxis einzuführen und ihm so eine reiche Uebung
seiner künstlerischen Kräfte zu gewähren. Gilly hattp ihm nemlich, als
er die Badereise antrat, auf welcher sein Tod erfolgte, die Leitung seiner
architektonischen Geschäfte übertragen, und Schinkel wurde nunmehr, nach
Gilly's Tode, veranlasst,, diese Arbeiten selbständig fortzuführen. Neben
diesen praktischen Arbeiteri setzte Schinkel übrigens auch das theoretische
-Studium der Bauwissenschaften, auf der Bauakademie zu Berlin, fort.

Als ein zweites Moment in-der Bildungsgeschichte Schinkel's ist eine
grössere Reise. nach Italien, die er im Jahre 1803 antrat, zu nennen,
lieber Dresden, Prag, Wien ging ei--nach Tiiest, durchforschte zunächst
die Denkmäler von Istrien, besuchte sjodaun Venedig, Florenz und Rom,

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310 Karl Friedrich Srhiul<el.

im Jahre 1804 Neapel und Sicilien, uiid kehrte im folgenden Jahre über
Frankreich nach Berlin zurück. Welche Einwirkung das Studium der
Monumente der classischen Architektur auf ihn haben musste, braucht hier,
wie es scheint, nicht weiter ausgeführt zu werden. Zugleich veranlassten
ihn die schönen Gegenden des Südens, besonders die von Sicilien, zu
mannigfachen landschaftlichen Studien, von denen noch gegenwärtig seine
Mappen ein interessantes Zeugniss geben. Ebenso unterliess er nicht, für
die bildliche Darstellung der menschlichen Gestalt Studien nach den Ge-
mälden der grossen Meister, besonders Raphaels, nach den parthenonischen
Sculpturen, auch unmittelbar nach dem Leben, zu machen. Als ein charak-
teristischer Zug mag es ferner anzuführen sein, dass Schinkel, inmitten
dieser künstlerischen Beschäftigungen und unter den Reizen des südlichen
Lebens, das Bedürfniss nach einer strengeren Geistesnahrung empfand,
wozu ihm die Werke Fichte's, die er mit auf die Reise genommen, Gele-
genheit boten. Später war Schinkel ein eifriger Zuhörer von Fichte.

Völlig ausgerüstet, umidas. Bedeutendste in seinem eigenthümlichen
Fache beginnen zu können, war Schinkel nach Berlin zurückgekehrt.
Aber die Zeitverhältnisse sollten auch über ihn eine Prüfung heraufführen-,
die Ereignisse, die mit dem Jahre 1806 begannen, traten allen bedeuten-
deren architektonischen Unternehmungen in Preussen hemmend in den
Weg. Schinkel wusste indess den Reichthum seines Talentes nach einer
andern Seite zu benutzen; er ward Landschaftsmaler, und eine Reihe der
merkwürdigsten P]rscheinungen in diesem Fache der Kunst verdankt den
traurigen Verhältnissen der Zeit ihre Entstehung. Seine landschaftlichen
Gemälde fanden bald Anerkennung. Yieles malte er für Gneisenau, der
an diesen Arbeiten das lebhafteste Interesse nahm und mitten aus dem
Ijager und dem Getöse der WaflPen mit ihm über alle Einzelheiten des
Auszuführenden correspondirte. Auf lebendige Weise hatte er in diesen
Bildern die besondern Eigenthümlichkeiten der Natur (das Klimatische)
mit denen des Werkes der Menschenhand (vornehmlich der Architektur)
zu einem charaktervollen Ganzen zu verschmelzen gewusst. Dies führte
ihn dahin, auch grössere, für die öft'entliche Schau bestimmte Darstellungen
ähnlicher Art, in derjenigen Richtung, in welcher die spätere Dioramen-
Malerei so interessante Erfolge gehabt hat, zu bearbeiten; noch gegen-
wärtig wird der wundersame Reiz, den er in solche Darstellungen zulegen
gewusst, von denen, welche dieselben zu sehen Gelegenheit hatten, höch-
lichst gerühmt. Neben andern Bildern werden vornehmlich ein Paar grosse
Ansichten des Inneren der Peters-Kirche zu Rom und des Domes von
Mailand hervorgehoben; sodann Daistellungen der sieben Wunderwerke
der Welt; vor allen aber ein förmliches Panorama von Palermo, welches
er in Oel gemalt und in sechs Wochen beendet hatte. — Eis darf übrigens
wohl mit Zuversicht'ausgesprochen werden, dass auch diese Periode seiner
künstlerischen Thätigkeit, abgesehen von der selbständigen Bedeutung der
eben genannten Arbeiten, auf die Entwickelung seines Talentes nur för-
dernd .eingewirkt haben kann. Die freie Beweglichkeit seiner Phantasie
hätte sich vielleicht, wäre er statt solcher'Beschäftigungen gleich von
strengeren Berufsarbeiten in Anspruch genommen worden, minder glän-
zend entwickelt. Und fast ist es wunderbar, dass er sich dennoch eine
so gemessene Strenge des architektonischen Systems bewahrt hat, wie aus
all seinen späteren Werken ersichtlich wird.

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mpuiuiip , I JIM, yiii.

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Biographisches. .311

Im Jahre 1810 hatte Sehinkel's'amtliche Thätigkeit im.Baufache be-
gonnen, indem, er ,als Assessor in die neueirichtete Baudeputation gesetzt
ward. Nachdem der Friede für den Staat zurückerkäinpft war,'wurde er
schnell von den mannigfachsten Arbeiten in Anspruch genommen; bedeu-
tende architektonische'UnteTnehmungen" boten ihm die Gelegenheit, sich
nunmehr in seiner-voilen Meisterschaft zu zeigen; in kurzer Zeit wurde
er zmden einflussreichsten Stellen befördert. Im Jahre 1811 hatte ihn die
königliche Akademie der Künste zu Berlin unter ihce ordentlichen Mit-
glieder aufgenommen, im December 1820 ward er Professor bei derselben
und Mitglied des akademischen Senates. Im Mai ,1815 rückte erj'n die
Stelle eines Geheimen Oberbaurathes auf: 1819 ward er Mitglijed der tech-
nischen Deputation im'Ministerium für Handel,. Gewerbe und Bauwesen.
Im Jahre 1839 erhielt ex>die höchste Stelle, welche der Staat für das Fach
der Architektur darbietet, die des Ober-Landes-Baudirectors. Von seinem
Könige, von auswärtigen F'ürsten, von gelehrten und künstlerischen GeSeil-
schaften ward ihm vieKache Anerkennung zu Theil, ebengp,. wie die Stimme
aller Gebildeten der Nation seine hohe, oder vielmehr einzige Bedeutung
bald anzuerkennen gewusst hatte. Die Worte derjenigen, die kleinlichen
Sinnes sein hohes" und reines^
Streben nicht zu begreifen vermochten, sind
lange verhallt. . Mit besonderem Vertrauen beehrte, ihn der, damalige
Kroiiprinzvvon Preussön, Se. Majestät der jetzt regierende König. "

Die schönste Entwickelung seiner künstlerischen .Kräfte schien den
Tagen seines Alters vorbehalten, als Friedrich Wilhelm IV,, ein Fürst,
der, wie wenige, die erhabene Bedeutung der Kunst, und vor Allem die
der Architektur, erkannt hat, den Thron seiner Väter bestieg. Aber das
Schicksal hatte es anders beschlossen. Schon längere Zeit war, Schinkels
Gesundheit bedenklichen Zufällen unterworfen gewesen, Welche die ihm
Näherstehenden mit Besorgniss erfüllten? aber doch nicht die tuaurige Ka-
tastrophe, die so plötzlich hereinbrechen sollte, ahnen Hessen. Unmittelbar
nach der Rückkehr von einer Kurreise, die er im Somnier 1840, in Beglei-
tung seiner Familie, unternommen hatte, erlagen seine Kräfte einem orga-
nischen Gehirnleiden, das sich langsam'und allmählig entwickelt hatte.
Am 9. September verfiel .er in einen besinnungslosen Zustand, aus dem-er
bis an seinen Tod, der erst nach dreizehn Monaten erfolgte,' nicht wieder
erwachte. Nur wenn Erscheinungen an sein Läger traten, die ihm vorzüg-
lich interessant waren und' die durch'ihre Neuheit-überraschend auf ihn
wirkten', schien das'Bewusstsein auf kurze Augenblicke zurückzukehren;
rührend ist es, dass vornehmlich Thorwaldsen's Erscheinung, der'zü dieser
Zeit Berlin besuchte, in^solcher Art anregend auf seine Lebensgeister
wirkte. Am 9.- Oktober 1841 starb Schinkel ')• Am 12.. October ward
seine entseelte Hülle ^bestattet; eine unzählige Menge von Leidtragenden
geleitete ihn zu seiner letzten Ruhestätte, ein Trauerzug, wie ihn die grosse
Residenz selten gesehen hat, ein sprechendes Zeugniss, wie allgemein der
grosse Verlust, der uns betroffen, gefühlt ward. j - '

Se. Majestät der König hat befohlen, dass Schinkel's- Standbild in
Marmor in der Vorhalle des von ihm erbauten Museums aufgestellt werde.

Die Kraukheitsgeschichte Schinkel's ist von seinem Arzte, Hrn. Dr. Paetsch,
für die medicinische Wochenschrift des Hrn. Geheimen Käthes Casper bearbeitet
worden. . • - ' ' . .

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312 Karl Friedrich Schinkel.

■|ilU.IIIU|,!.,Jj„ . . ... , . ,,,.-,>1;

Schinkel's künstlerische Richtung im Allgemeinen.

Schinkers künstlerische Richtung ist mit Entschiedenheit als eine
klassische zu bezeichnen. Am unmittelbarsten ergiebt sich dies aus der
Betrachtang seiner architektonischen Werke, in denen vorherrschend
die Formen der antiken Baukunst die Grundlage bilden, und zwar in einer
Weise, welche durchweg auf die edelste Blüthezeit dieser Kunst, auf die
griechischen Werke aus dem Zeitalter des Perikles, zurückgeht. Schinkel
hat uns den reinen Styl dieser Werke, den lebenvollen Organismus ilirer
Bildung, die befriedigende Harmonie ihrer Composition aufs Neue' zur
Anschauung gebracht. Aber er steht nichtvunter der Botmässigkeit seiner
Vorbilder. Ohne zwar (wie es in der sinkenden Zeit des antiken Lebens
nnd von minder befähigten Nachahmern der Antike oft geschehen ist)
die Einzelheiten der griechischen Architektur willkürlich zu zerstückeln,
ohne den inneren Zusam'menhang, durch den sie bedingt werden, aufzu-
lösen, weiss er ihre Formen nicht nur dem jedesmaligen äusseren-^Bedürf-
nisse, wo ein solches gebieterisch bestimmend gegenübersteht, mit Ge-
schmack anzupassen, weiss er überhaupt nicht nur ihr gegenseitiges Ver-
hältniss zu dem beabsichtigten Eindrucke auf den Sinn des Beschauers,
nach dieser oder jener Richtung hin, maunigfach zu modificiren; auch
in ganz neuer und eigenthümlicher Zusammenstellung führt er uns diese
I Formen vor, ganz neue und eigenthümliche Compositionen lässt er aus

Ii dem inneren Geiste der antiken Kunst sich mit vollkommener Freiheit

" entwickeln.

■ i Dies ist ein Punkt, der hier zunächst mit Nachdruck hervorzuheben

sein dürfte. Die'Aufnahme der antiken Formen für die Zwecke unsrer
heutigen Architektur wird gewöhnlich mit dem bequemen W,orte der
„Nachahmung" abgefunden-, und allerdings, wenn mau im Volksgarten zu
Wien einen Theseustempel, in London ein Erechtheum (als St. Pancratius-
Kirche) erbauet, so ist das eben nichts weiter als Nachahmung, und es
. kann eine solche Kopie, im besten Ealle nur das A'^erdienst einer ge-

schickten Nachahmung haben. Wesentlich-verschieden aber ist es schon,
wenn man ein Gebäude, dessen Fagade etwa durch eine griechische Säu-
lenhalle gebildet wird, ohne ein bestimmtes Vorbild für letztere aufführt.
Denn wo es die Absicht ist, eine Architektur aus Säulefa und.liorizontaler
Decke zu bilden, da tritt uns überall die griechische Kunst in einer Voll-
endung, in einer fast naturnothwendigen innerlichen Consequenz entgegen,
dass nur für seltene, ganz vereinzelte Fälle/abweichende Combinationen
der Architekturtheile denkbar sein dürften; — da werden somit die grie-
chischen Formen weniger als Vorbilder, vielmehr nurals 'Mittel der
architektonischen Darstellung betrachtet werden müssen. Wie diese For-
men aber sowohl in ihrem gegenseitigen Verhältniss als iii den besondern
Eigenthümlichkeiten ihrer Bildung die mannigfaclisteu feineren Unter-
schiede gestatten, wie die für architektonischen Schmuck bestimmten Theile
(die eigentlich nie au einem Gebäude griechischen Styles fehlen dürfen)
in den wechselndsten Gestaltungen auszuführen sind, braucht liier nicht
weiter dargelegt zu werden; gerade aber darin, wie der Architekt diese
gegebenen, diese — ich wiederhole das Wort — fast naturnothwendigen

Formen für seine Zwecke ausbildet, zeigt sich seine selbständige künst-

m

1 .

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Scliiiikers künstlerische Kiclituiig iui Allgemeiiieii. 313

lerische Bedeutung. lu alle dem- steht der Architekt mit dem bildenden
Künstler, der die Schönheit'der hienschlichen Gestalt zum Gegenstande
seiner Darstellung macht, beinahe auf gleicher Stufe: die menschliclie
Gestalt ist ebenso ein durch die Natur Gegebenes, isf ebenso durch die
Griechen in'den vollendetsten Musterbildern hingestellt, — in Musterbil-
dern, welche jederzeit die Bahn zur Ergründung der Schönheit bezeichnen
werden; und doch-sind auf derselben Bahn, auch für den heutigen Künst-
ler, fort und fort neue und eigenthümliche Erfolge zu gewinnen.

Noch weniger aber kann von einer blossen Nachahmung griechischer
Architektur die Rede sein, wo es sich um grössere Compositionen im
Style dieser Kunst handelt. Das wesentlich Charakteristische der grie-
chischen Architektur als solcher besteht eben vorzugsweise nur in jener
Säulenhalle, wie dieselbe z. B. die Front-oder die gesammte Umgebung
der Teinpel bildet; wenigstens sind uns von anderweitigen architektoni-
schen Compositionen nur sehr wenige Beispiele erhaltei'i. Die griechischen
Gebäude erscheinen uns demnach, -soweit wir sie kennen, vorheri^schend
als von sehr einfacher Anlage; wesentliche Unterschiede werden durch
abweichende Aulagen, durch complicirtere Aufgaben' durch eine Zusam-
nienfügung verschiedener Massen zu einem grösseren Ganzen u. dergl. her-
vorgerufen. Hier - werden'die Details der griechischen Architektur natür-
lich durch ihr Verhältniss zu einem veränderten Organismus des Ganzen
wiederum mannigfach modiflcirt werden müssen, werden die Säulenstellun-
gen selbst oft nur als mehr untergeordnete Theile-eines grösseren Ganzen
erscheinen.. Natürlich kann unter niiesen Umständ^en (wie es leider der
Beispiele zur Genüge^ giebt) gegen die Grundgesetze der griechischen Kunst
gar arg gesündigt werden; im Allgemeinen aber sind_ihre Formen keines-
wegs in so enge Grenzen beschlossen, dass sie nicht auch eine weitere
Anwendung für veränderte Zwecke gestatten sollten, dass nicht auch rei-
chere Compositionen im griechischen Geiste durchzuführen wären.

Hiebei drängt sich uns iiide^s noch eine andre Frage auf. Wenn .auch
die griechische "Architektur der mannigfachsten Beweglichkeit, fähig Ist,
wenn auch durch (Jie Befolgung ihres Styls eigenthümliche und selbstän-
dige Leistungen auf keine Weise, beeinträchtigt werden, ist es darum'Ge-
setz 'für uns, ist es der Sinnes--'und Gefühlsrichtung unsrer Zeit ange-
messen, dass unsre Bauwerke überhaupt ini griechischen,Style ausgeführt
werden? Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Gewiss ist der
griechische Architekturstyl nicht als der einzig und überall gültige unter
denen, welche die Geschichte der Baukunst uns kennen lehrt, zu'betrach-
ten; gewiss reichen die griechischen Formen-, wie sie,.uns vorliegen, nicht
hin, um die ganze Reihe derjenigen räumlichen Eindrücke hervorzubrin-
gen, die wir heutiges "Tages zu einer vollendeten Befriedigung unsrer
Existenz Verlangen,—^.so \yenig wie unsre Technik und unser Baumaterial
sich überall ohne Zwang diesen Formen fügen. .Wir \verden somit unt)e-
dingt ~ und dies ist überall geschehen, wo die griechische Architektur von
andern Völkern und andern Culturperioden aufgenommen wurde — für
mannigfache Fälle, auch andre Formen zur Anwendung bringen müssen.
Aber wir haben nicht ausser Acht zu lassen, dass unsre Bildung seit drei
bis vier Jahrhunderten wesentlich auf dem Studium des classischen Alter-
thuras begründet ist, und dass' wir die Gegenwart nicht füglich anders
auffassen kylitien, >ls, nach'den Elementen, .aus denen sie hervorgegangen.
Wir können demnach diese Elemente nicht plötzlich von uns werfen, nicht

-ocr page 315-

314 Karl Friedrich Schinkel,

— um bei dem Gegenstände dieser Betrachtung stehen zu bleiben — mit
Einem Schlage einea neuen Architekturstyr erfinden oder, wie von andern
Seiten bereits vorgeschlagen worden, statt des griechischen Styles irgend
einen andern der Vorzeit (z. B. den gothischen) für unsie Zwecke adop-
tiren. Nicht minder ist auch der Umstand in Erwägung zu ziehen, dass

— was die Kunst, und vornehmlich die Architektur anbetriift — ein gti-
tiges Geschick uns erst in der jüngsten Vergangenheit die reinen "Werke
des griechischen Styles 'kennen gelehrt hat, während derselbe früherhin
nur in seiner getrübteren Gestalt (in der römischen Nachbildung) bekannt
gewesen war; dass wir somit, durch das Studium der Werke, in den
Stand gesetzt sind, jene geläuterte Harmonie, jenes klare Maass, jenes
feine Gefühl, worin eben die wesentlichen Vorzüge der griechischen Kunst
bestehen, wiederum in uns aufzunehmen und auch die neuen künstleri-
schen Elemente, die wir für unsre heutigen Bedürfnisse anzuwenden für
nöthig finden, in'griechischem Geiste durchzubilden. Wir können uns,
falls unsrer Kunst eine grossartigere Zukunft entgegenkommen sollte, einen
architektonischen Styl in das Leben eingeführt denken, der auch in den
Hauptformen sich als ein neuer und eigenthümlicher zeigte, dessen Be-
handlung aber nichtsdestoweniger aus der griechischen Gefühlsweise her-
vorgegangen wäre und dessen Werke somit auf keine Weise fremdartig
(wie z. B. die in gothischem Style ausgeführten Bauten) neben den An-
lagen eines wirklich griechischen Styles daständen. In Schinkels Werken
aber finden wir die merkwürdigsten Andeutungen, im Einzelnen die über-
zeugendsten Resultate in Bezug auf die Ausbildung eines architektonischen
Styls, der die abweichenden Bedürfnisse der Gegenwart nach jenem klas-
sischen Sinne gestaltet.

Die streng klassische Richtung Schinkels muss natürlich diejenige, wel-
che man im Gegensatze gegen diese als die romantische bezeichnet, aus-
schliessen. Dass ihm gleichwohl die vollkommenste Ergründung der ro-
mantischen (der mittelalterlichen) Baustyle nicht fremd war, dass er auch
in diesen sich mit geistreicher Benutzung aller Mittel, welche sie darbie-
ten, zu bewegen verstand, geht, auch wenn nicht andre Umstände zu die-
sem Schlüsse berechtigten, überzeugend aus seinen Architekturgemälden,
aus seinen Entwürfen zu einer vollständigen Restauration der berühm'testen
gothischen Dome (von Cöln, Strassburg, Mailand), sowie besonders aus
seinen, für die königlichen Theater.zu Berlin entworfenen Dekorationen
hervor. In diesen weiss er die Bilder der verschiedensten Zeiten,,, der
verschiedensten, Culturperioden, in deren jedesmalige Eigenthümlichkeit
der Beschauer eingeführt werden soll, lebendig und in ihrer ganzen Be-
deutsamkeit zu entfalten. Eine unmittelbare Anwendung solcher Studien
auf die Architektur selbst findet in seinen Werlien nicht statt, und wo

— zumeist ohne Zweifel auf äusseren Anlass^— einzelne seiner architek-
tonischen Werke in einem romantischen ,Style angelegt sind, da tritt
nichtsdestoweniger die Consequenz jener Richtung wiederum charakteri-
stisch hervor. Denn ^„natürlich konnte es bei der romantischen'Reaction,'
die unsre gesammte Kunst in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts
durchzumachen hatte, nicht fehlen dass auch hievon sich Einwirkungen
in seineu architektonischen Leistungen zeigen mussten, dass auch von ihm
Entwürfe in einem mittelalterlichen Baustyle begehrt wurden. So finden
sich mehrere Werke von ihm (theils ausgeführt, theils nur im Entwürfe),

i welche der Richtung des gothischen Baustyles folgen. Aber Schinkel be-

f
f

1 In

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TTT

Sehinkers Werkji im antiken Architekturstyle. 315

mühte sich, auch fliesen night minder'nach deli Principien der classischen
Kunst umzubilden; — ob indess eine solche Umbildung, im Allgemeinen^
zu den erwünschten Erfolgen führe, mag vorläufig dahingestellt bleiben.
Für unmittelbare Aufnahme 4es sogenannten byzantinischen ßaustyles,
dessen Zweckmässigkeit für unsre heutigen Bedürfnisse durch einige der
bedeutendsten Architekten in den südlichen und westlichen G^enden
unsres Va'terlandes vertreten wird, finden sich keine Beispiele unter Schin-
kel's architektonischen Leistungen: wenn-ich aber nicht irre, so dürfte
das Resultat, auf welches jene Männer hiniüustreben scheinen, sich am
Ende mit den neuen Gestaltungen der classischen Kunst, für welche
Schinkel die Beispiele gegeben hat, in harmonischer..Weise vereinigen.

Was Jn diesen Bemerkungen über Schinkels Wirken_ im Fache der
architektonischen Kunst im Allgemeinen gesagt ist, wird sich bei einer
Uebersicht seiner Leistungen näher nachweisen lassen. -Günstige ^Gelegen-
heit zur Aufstellung einer solchen Uebersicht bietet die von ihm'heraus-
gegebene Sammlung seiner architektonischen Entwürfe, die gifegenwärtig bis /
zum acht und zwanzigsten* Hefte angewachsen ist, dar; wobei zugleich zu ,
bemerken ist, dass diese Entwürfe, auch wenn sie nicht zur Ausführung ^
gelangt, doch überall für die Ausführung bearbeitet sind, dass sie somit j.;
durchweg in unmittelbarer Beziehung'zu den Interessen und Bedürfnissen , , i
der Gegenwart stehen, durchweg wenigstens die Bestimmung hatten, aus .
dem' Gedanken des Künstlers verkörpert in däs Leben der »Gegenwart i
hineinzutreten. Am zweckmässigsteri ist'diese Uebersicht nach dem Cha- ^ r;
rakter der einzelnen Entwürfe anzuordnen; eine Anordnung, welche etwa ^
vorzugsweise besondere Entwickelungsmomente des Architekten selbst be- i s'
obachtete, ist hier im Ganzen minder passlich, einmal, .weil es bis jetzt
überhaupt (wie bereits oben l)eraerkt) seine Schwierigkeiten hat, diese
Entwickelungsmomente genügend nachzuweisen; sodann und-.vornehmlich . 'J
desshalb,^weil die ausgedehntere Wirksamkeit Schinkel's,'von deren Be- r
ginn diese Mittheilungen anfangen, die'Stufen der Vorbereitung schon
hinter sich hat und'er überall den als gültig anerkannten Principien treu 'S
bleibt. In den frühsten wie. den spätesten Heften ist es der Styl der grie- |
chischen ^Architektur, in welchfem Schinkel sich'mit ebenso inniger Hin-
gebung wie mit freier Meisterschaft bewegt. Doch ist zu bemerken, dass
die aus diesem Elemente hervorgebildeten neuen Formen mehr den spä- [ ~
teren Heften, die Versuche einer Aneignung des gothischen Styles für die h
eigeiithümliche Richtung mehr den früheren angehören. ^

. Werke im antiken Architekturstyle. .

V ■ 't

Ich beginne mit der kurzen Betrachtung eines Entwurfes, welcher
nicht in der genannten grösseren Sammlung, sondern jn'einem eigenen,
kürzlich begonnenen Prachtwerke erschienen ist, — des Entwurfes für das v

K'önigsschloss von G'riechenland, das auf der Akrbpojis Athens
aufgeführt werden sollte '). Diese Arbeit eignet sich- vorzugsweise^ obgleich

') Der günannte Entwurf, auf 12 Blättern im griissten Folioformat, bildet
die drei'ersten Lieferungen der „Werke der Löhereti Baukunst, für die Ausfüh-

i;

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316 Karl Friedrich Srhiul<el.

sie erst vor wenigen Jahren entstanden ist, ziii- Eröflnung dieser Uebcr-
sicht, indem hier, — auf demjenigen Boden, der die schönsten Blüthen
griechischer Kunst getragen hatte, in unmittelbarer Nachbarschaft mit den
Denkmalen der Periklei'schen Zeit, unter klimatischen Yerliältnissen, die
noch dieselben sind wie vor zweitausend Jahren, wenn aucli die anderweiti-
gen Bedürfnisse des Lebens sich verändert haben mögen, — eine entschie-
dene Wiederaufnahme der griechischen Bauformen durch eine innere Noth-
wendigkeit bedingt schien, somit die classische Richtung des Meisters sich
ganz in das Element, aus dem sie ihre Nahrung empfangen hatte, versen-
ken durfte. Scheinbar äussere Beschränkungen der Anlage dienten nur
'dazu, einer solchen Behandlungsweise des Ganzen noch grössere Berechti-
gung zu geben. Die Monumente, welche, wenn auch zum Theil als Rui-
nen, der Akropolis seit dem Zeitalter des Perikles zur unvergänglichen
Zierde gereicht haben, — die Propyläen, das Erechtheum und der Parthe-
non, durften auf keine Weise durch die neue Anlage beeinträchtigt wer-
den. Selbst in Bezug auf die Höhendimension beschloss Schinkel, dass
wenigstens der Parthenon nach wie vor sein bedeutsames Verhältniss zu
den umgebenden Gebäuden behaupten müsse. Dann war der einzig taug-
M liehe. Platz, der hintere, östliche Theil der Akropolis, auch in seiner

Breiteuausdehnung beschränkt. Ein Schloss nach unseru modernen Be-
griffen, von regelmässigem Grundplan, stolz in vielen Geschossen empor-
gebaut, mit Thürmen ^und mächtig imponirender Bekrönung, war hier somit
nicht ausführbar. Der Architekt folgte, die gegebene Räumlichkeit mit
Umsieht benutzend, den unregelmässigen Linien, welche die alte Mauer
der Akropolis über ihrem Östlichen x\bhange l»eschreibt, liess auch die
westliche Seite der neuen Anlage harmonisch sich gegen die einzelnen vor-
handenen Gebäude gestalten und führte den ganzen Bau mit Ausnahme
einzelner Theile nur in der Höhe eines Hauptgeschosses durch. So er-
scheint der Entwurf des Schlosses für den ersten Anblick mehr, als ein
Aggregat verschiedener Theile '), die sich mit den vorhandenen Heilig-
thümerh durch mannigfache Gartenanlagen, in denen die im Schutte der
Akropolis aufgefundenen Denkmale aufgestellt werden sollten, zu einem
grossen Ganzen verbinden. Alles dies aber bot eben die günstigste Gele-
genheit, die Räume ganz für die freie Behaglichkeit des südlichen" Lebens
und ihre Architektur ganz im eigcnthümlichsten Charakter der griechischen
zu gestalten. Hier war es minder nöthig (wie in unserm Norden), den Bau
als eine schirmende Veste gegen das Ungemach der Witterung durchzu-
führen; hier kam es vorzugsweise darauf an, Bedeckung gegen die Strah-
len der Sonne und gegen die kurze Dauer des Winterregens zu gewähren,
im üebrigen aber der freien Luft so viel Zugang, so viel-Bewegung als
möglich zu verstatteh. Daher sind im\lnnern der Anlage verschiedene

rung erfunden und dargestellt von Dr. C. F. Schinkel." Doch sind hiervon erst
zwei Lieferungen erschienen ; die meisterhafte Behandlung der in ihnen enthal-
tenen Blätter, in. Stich, Lithographie und Druck, konimt dem wundersamen
Effekt in Schinkel's Originalblätteru nah. Eine 13eschreibung und ein kleiner
Grundriss der ganzen Anlage waren bereits früher durch Hrn. A. F. von Quast
mitgetheilt:, im „Museum', Blätter für bildende Kunst," 18,34,.No. 29, und in
einer besondern Schrift: „Mittheilungeu über Alt- und Neu-Athefi." — Uier-
durch entstand der grosse Vortheii, die ganze Anlage allmählig, je nach den
Bedürfnissen und nach den vorhandenen Geldmitteln, ausiuhreu zu können, wäh-
reud die bereits ausgeführten Theile stets für sich benutzbar gewesen wären.

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Scbink«l's Werke im antiken Arcliltekturstylo. 317 f

- ■ I'

grössere und kleinere Gartenliöfe, zuraeist-mit schattigen Säulenhallen um-
geben, angeordnet, öffnen sich die bedeutendsten Räume ebenfalls durch
freie Säulenstellungen gegen diese Höfe, ziehen sich auch im Aeusseren ^ Ij

des Schlosses fast überall Säulenhallen umher, welche kühlenden Schatten
vor den Wänden der Gemächer verbreiten; Die ganze Anlage gemgihnt ,

uns an die grosse Anmuth, in welcher das häusliche Leben des Alter-
thums.— soweit davon^Kunde auf unsre Zeit gekommen — sich bewegte; ''
oder, um ein bekannteres Bild zum Vergleiche hinzustelleuj an den Zau- i
ber, mit dem die Räume des maurischen Königschlosses der Alhambra den ^
Reisenden erfüllen und den auch wir in'den Abbildungen derselben nach- '
ziifühlen vermögen. Aber statt des. phantastischen Schmuckes, der die
Räume der Alhambra, das Auge des Beschauers verwirrend, erfüllt, tritt
hier die klare Gesetzmässigkeit des griechischen Architekturstyles, wel- |
ciier durch den gesammten Säülenbau motivirt und, wie bemerktj durch "
die Nähe der antiken Monumente bedingt wird,- ebenso befriedigend wie
erheiternd überall hervor. Bei- alledem indess fehlte es, besonders im |
Innern der Hauptsäle, nicht an mannigfacher Gelegenheit, wünschenswevthe
Resultate auch dur1:h neue Bildungen im griecliischen Sinne zu erreichen. i
— Als die Entwürfe zu dieser merkwürdigen Anlage (Schinkel hatte den |
Auftrag dazu, wenn ich nicht irre, im J. 1834 erhalten) vollendet waren,
riefen sie bei Allen, die sie sahen, einen förmlichen Enthusiasmus hervor: {
für die Akropolis Athens und für ihre Monumente, die vom Leben der
Gegenwart abgetrennt, nur ein Kapitel des archäologischen Studiums aus- }
maclien können, schien hiedurch ein schöner.Tag der Verjüngung an- ^^
gebrochen. Die Ausführung, wie bekannt, ist unterblieben. f
Als eine Anlage von verwandter Beschaffenheit erscheint der Entwurf v.
zu einem Landhause, welches im Auftrage Sr. Majestät des jetzt regie-
renden Königs von "Preussen unfern von Cliarlottenhof (im Park von
Siinssouci, bei Potsdam),, ausgeführt werden sollte. Der Entwurf fiudet
sich im letzten (im XXVIIL) Hefte von SchinkeFs grösserer „Sammlung
architektonischer Entwürfe". In den Dimensionen und in der Anzahl der
Räumlichkeiten allerdings, wie es die äussere Bestimmung, mit sich brin^
gen musste, von dem.griechischen Königsschlosse abweichend, lässt gleich-
wohl auch dieser Plan ein- nicht 'minder geistreiches und lebenvoll,es
Eingehen.auf die sämmtlichen Bedingnisse der'antiken Architektur und
ihrer Zusammenordnung zu einem mälerisch,entwickelten Ganzen erken-
nen. Ja, fast noch .in einem höheren Grade, als die vorgenannten Blätter.
Es scheint n'emlich die bestimmte Absicht gewesen zu sein, hier das Bild
einer völlig antiken Villa, mit' all denjenigen Einrichtungen, welche das
Leben'des classischen Alterthums so anmuthvoll und so behaglich gestal-
teten, neu belebt in die Gegenwart einzuführen. Ein Säulen-Porticus führt
in das Atrium des Gebäudes, zu dessen Seiten zwei gewölbte Rundsäle,
im Inneren einen kühlen Aufenthalt für die Tage deS Sommers gewährend»
im Aeusseren durch ihre emporragende Gestalt die Gesammt-Anlage^ be-
herrschend , angeordnet sind. Dem Atrium schliesst sich das Tablinum
an'; diesem der mit einem.zierlichen Peristyl umgebeiie Hof, und dem
letztern das Viridarium, welches ebenfalls von lüftigen Säulengängen ein-
geschlossen wird. * Aber das AlleS; ist nicht etwa nüchtern und trocken
nach den Regeln, welche wir in den alten Schriftstellern über solche
Anlagen vorfinden, und wie unsre architektonischen Handbücher uns der-
gleichen vorzuführen pflegen, aufgezeichnet, vielmehr auf eine so indivi-

! t
1

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318 Karl Friedrich Srhiul<el.

(luelle Weise, mit so bewusstem Geffilile, mit so vollendeter künstlerischer
Kraft reproducirt, dass uns liier in der That der Hauch des classischen
Zeltalters entgegen zu wehen scheint. Zu einer solchen Belebung trägt
freilich auch die gesammte Ausstattung'der Anlage, welche Schinkel in
seinem Entwnrfe zugleich angedeutet,- wesentlich bei; ich meine, der
Schmuck an Bildwerken, an springenden Wassern, an blühenden Gewäch-
sen und Gartenanlagen, die sich im reizvollen Wechsel mit den strengem
architektonischen Formen mischen. Eine grössere, eigenthümlich gestaltete
Gartenanlage ist seitwärts neben der Villa angeordnet; sie hat die Gestalt
eines Hippodroms, ziemlich genau jener Anlage entsprechend, welche
Plinius als das Prachtstück seiner toskanischen Villa ausführlich schildert.
Nur dieser Hippodrom ist bis jetzt zur Ausführung gekommen. — Auf die
übrigen interessanten Baulichkeiten von Charlottenhof komme ich weiter
unten zurück.

In der ganzen Reihe der anderweitigen Entwürfe Schinkel's (die'nun-
mehr vornehmlich den Inhält der von ihm herausgegebenen grösseren
Sammlung ausmachen), finden sich nur wenige, in denen der griechisfche
Architekturstyl ohne Modificatioiien der einen oder andern Art angewandt
ist. Ausser den Plänen für'rein monumentale Zwecke, von denen ich
später sprechen werde, sind. in diesem Bezüge zunächst nur ein Paar
Werke hervorzuheben.

Die unmittelbarste Aufnahme des griechischen Styls zeigen die beiden
kleinen Gebäude zu den Seiten des Potsdamer Thores in Berlin (Heft
YIII). Es sind viersäulige dorische Prostyle, durchweg von einer Rein-
heit und Vollendung der für diese Säulenordnung überlieferten architek-
tonischen Formen, dass sie geradehin als
eine Wiederbelebung des Schön-
sten, was das classische Alterthum hierin geleistet hat, betrachtet werden
müssen. Nur in einem Punkte stehen sie gegen die Werke des letzteren
zurück: in dem Mangel der dekorirenden Theile (der Akroterien und des
freieren Schmuckes in den Giebelflächen und Metopen), die für^einen
vollkommen abschliessenden Eindruck des Ganzen theils wünschenswerth,
theils aber auch, wie es mir scheint, nothwendig sind. Doch ist hierbei
zu bemerken, dass wenigstens die lejchtere Weise, in welcher einzelne
Theile dieser Dekoration bei den Griechen zuweilen (und ohne Zweifel
eben bei Gebäuden eines minder ausgezeichneten Ranges) ausgeführt wur-
den, ich meine die Anwendung gemalter Darstellungen statt sculptirter, wie
überhaupt der grössere Reichthum der gesammten (theils gemalten, theils
plastischen) Dekoration , erst in Folge der 'jüngsten Forschungen näher
bekannt geworden ist. — Eine einfache Aufnahme der griechischen Formen
zeigt ferner die Anlage des Trinkbrunnens zu Aachen (Heft IV.): ein
Rundbau, dessen vordere Seite durch einen olfenen Halbkreis dorischer
Säulen gebildet wird, und dem sich zu beiden Seiten niedrige Portiken,
ebenfalls dorischer Ordnung, anschliessen.

Bedeutender bereits erscheint die Anlage der Hauptwache Ber^
lins (Heft I.). Hier macht sich, bei der Anwendung griechischer Bau-
formen, schon eine eigenthümlich freie Behandlung derselben, sowohl in
der Hauptanlage, wie auch iu besondern Einzelheiten, bemerklich. Der
Körper des Gebäudes hat, seiner kriegerischen Bestimmung gemäss, einen
kastellartigen Charakter: feste Mauern' mit vorspringenden Eckthürmen,
mit einer kräftigen, reichgebildeten Bekrönung griechischen Styles abschlies-
send. Zwischen den beiden Eckthürmen der Vorderseite tritt eine geräu-

r

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Scliinkcrs "Werke im antiken Arcliitekturstyle. 319

mige Halle hervor, welche in det Form eines dorischen Portikus von zwei
Reihen Säulen gebildet ist. Dieser Porticus macht allerdings den vorzüg-
lichsten Schmuck des Gebäudes aus , ist dein Ganzen aber in Hi3he und
Breite untergeordnet' und bestimmt keineswegs allein den Haupteindruck,
den dasselbe auf den Beschauer hervorbringt. In dem Gebälk des Por-
ticus hat Schinkel eine eigeuthtimllche~ Einrichtung getroffen: statt der
strengen Form der Triglyph.en nemlich sind in dem Friesej über jeder
Säule, schwebende Victoriengestalten in Hautrelief, auch in das'Gesimse
desselben einige feinere Verzierungen, als gewöhnlich angebracht. Wie
das Gebäude gegenwärtig vor unsern Augen Steht, erscheint die Behand-
lung der dorischen Ordnung zwar nicht ganz )iarmonisch; die zierlichen
Gestalten der Victorien entsprechen nicht ganz, den starken Massen der
ilbriiren Bautheile. Die Entwürfe indess belehren uns, dass dieser Miss-
stand nicht in Schinkel's ursprünglicher Absicht lag; seine Zeichnung giebt
auch in dem (gegenwärtig leeren) Giebelfelde eine reiche,' vortrefflich ge-
dächte plastische Composition an, kriegerische Scenen, in der Mitte die.
Göttin des Sieges, den Kampf lenkend, — wodurch natürlich die Victo-
rien im Friese niclitTmehr als ein vereinzelter; willkürlicher Schmuck
dastehien. Das Ganze des Gebäudes vereinigt in solcher Weise Ernst,
Festigkeit und Kraft mit dierjenigen reicheren Pracht, welche der Haupt-
wache einer königlichen Residenz und d^n glänzenden Umgebungen, unter
denen sie aufgeführt wurde, entsprechend ist.. ^ Das Gebäude der Schloss-
wache zu Dresden (Heft-XXHI.) gestattete nicht eine ähnliche'bedeutende
Hauptanlage, indem hier eine Menge 'ungünstiger äusserer Bedingungen zy
überwinden war.; doch zeigt sich in der Weise,- wie das Widerstrebende
gleichmässig und ohne Zwang in die
grossen,,klaren Linien des griechi-
schen Styles eingefasst wurde, eine merkwürdige Meisterschaft, Der
Haupttheil des Gebäudes ist mit einem Porticus von reicher ionischer^
Ordnung geschmückt, der wiederum (auch mit den dekorirenden Theilen)
als das schönste Muster griechischer Architektur erscheint; ihin lehnen sich
zu den Seiten zwei niedrigere Flügel an. Durch letztere Einrichtung ist
demGanzen eine ei'genthümlich ansprechende malerische Wirkung gesichert.

Zu Schinkel's grossartigsten Bauanlagen gehört unstreitig, die des Mu-
seums zu Berlin (Heft VI und'XVII.). Sphon die dem Baue vorünge-
gangenen-'Unternehmungen, die nicht bloss ~ im wörtlichen Sinne des
Wartesi— den Grund und Boden für das Gebäude schaffen mussten, son-
dern die überhaupt zur Vollendung des schönsten Stadttheiles von Berlin
unter sehr erschwerenden Verhältnissen wesentlich beitrugen, geben ein
interessantes Zeugniss für die Energie seiner baukünstlerischen Thätigkeit.
Die Anlage des Gebäudes selbst'erscheint im Ganzen sehr einfach, gross- p;

artige Hauptformen fassen-die zwiefachen Geschosse auf eine würdevolle
Weise zusammen und geben ihnen das Gepräge der Einheit. Der Charak-
ter dieser Hauptformen wird durch die Architektur der Fa?ade bestimmt,
welche aus einer Halle von achtzehn kolossalen ionischen Säulen und den
correspondirenden Wändpfeilern auf beiden Seiten besteht. Was die Schön-
heit dieser Säulenhalle anbetrifft', in -der sich der ioniscKe Baustyl in
seinem grössten Reichthurne-und mit der zartesten Durchbildung alles De-
tails entwickelt, so ist hierüber, wie es scheint-, keine weitere Auseinan-
dersetzung Höthig; auch in diesen Formen spricht sich auis Neue der

. J

Das Giebfilfeld liat später seine l)i]diiHriSfhe Ausstattung criialt«n.

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320 Karl Friedriclj Schink«!.

reinste Geist des classischen Alterthums aus Gleichwohl sind selbst
hier gewisse Motive wahrzunehnaea, die wiederum auf eine besondere
Weise die Aneignung der griechiscVien Formen für das heutige Bedürfniss
erkennen lassen. Diese bestehen eines Theils darin, wie die Säulenhalle
sich als ein integrirender Theil einem massiven Gänzen einordnet und
nicht, wie gewöhnlich im ■Griechischen, einen blossen Vorbau desselben
bildet. Nirgend verliert man bei der Betrachtung des Gebäudes das Ge-
fühl, welches der Eindruck, jener grösseren Masse hervorbringt. Dies
wird vornehmlich durch den grösseren Unterbau, durch die breiten Wand-
pfeiler, welche die Halle auf beiden Seiten abschliessen und durch die
stärkere Bekrönung bewirkt, indem statt der feinen Stirnziegel, welche
sonst bei der griechischen Architektur üblich sind, die mehr imponirenden
Gestalten der Adler (auf das preussische Wappen anspielend) auf einer
kleinen Attika über dem Kranzgesimse, und noch grössere plastische Ge-
stalten über den Ecken desselben angeordnet sind. Auch dient der über
der Mitte des Gebäudes emporsteigende viereckige Schutzbau der Kuppel
(welche den mittleren Raum der ganzen Anlage bedeckt) dazu, das Gefühl
der Masse stets vorherrschend zu erhalten. Anderen Theils ist die von
aussen sichtbare Verbindung der Halle mit den innern Räumen des Mu-
seums für dieselben Zwecke wirksam: ich meine die zweite Reihe von
vier Säulen hinter der Mitte der ersten und die hinter jener befindlichen
ott'enen Treppenräume, die zugleich, aus dem Innern, eine eigenthümlich
malerische Aussicht durch die Zwischenräume der Säulen auf den Platz vor
dem Museum und auf die umgebenden Prachtgebäude gewähren. Uebri-
gens hatte die Halle selbst den Zweck, das Gebäude des Museums dieser
Umgebung auf eine würdige Weise anzureihen oder vielmehr der ganzen
grossartigen Lokalität einen bedeutsamen Abschluss zu geben, zugleich
aber auch einen Raum herzustellen, der schon an sich zum edelsten Ge-
nüsse einladend wirkte, der als. ein Zeugniss der freieren Cultur unsrer
Zeit dastände und in dem die Denkmale verdienstvoller Männen, gegen
die Witterung geschützt, errichtet werden könnten. Wir sehen der frohen
Holfnung entgegen,' dass alles dies gegenwärtig zur Ausführung kom-
men wird, vornehmlich die, Composition der grossen Frescogemälde, die
von Schink'els eigener Hand bereits entworfen, die sämmtlichen Wände
beider Hallen schmücken und-die Bedeutung des Gebäudes in tiefsinniger
Bilderschrift aussprechen sollten. Ich komme auf diese merkwürdigen
Arbeiten weiter unten zurück. — Nicht minder interessant, wie diese ge-
sammte Facjade, ist die Architektur der innern Räume des Museums,vor
Allem die von jener Kuppel bedeckte Rotunde. Hier schliessen .sich die
griechischen Formen aufs Schönste — und wie kein zvyeites Beispiel bei
ähnlichen Anlagen zu finden sein dürfte — der Architektur, des Gewölbes
(mit der sie unmittelbar nie in eine harmonische Verbindung zu brin-
gen sind) an. Das grandiose Kuppelgewölbe hat seine feste Lage über
der cylinderförinigen Umfassungsmauer; frei-vor dieser läuft ein Kreis von

') Nur Einer störenden und ungfiechischen Anordnung kann ich nicht um-
lüii zu erwähnou. Ich meine die der colossalen'Buchstaben der Inschrift im
Friese, deren Form und Schwere in harterd Widerspruch gegen die zierlich leich-
ten architektonischen Details stehen. Bei den Griechen, und zumal in der
weichen ionischen Rauweise, hat der Fries nur die Bedeutung eines Dekora-
tionstheiles. ' ' — '

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Schinkel's Werke im antiken Architekturstyl. 321

zwanzig Säulen umher, deren Gebälk und Decke eine offene Gallerle bilden.
Die Säulen zeigen die edelste Durchbildung jener seltenen griechisch-
korinthischen Ordnung, in der sich die freie Anrauth der Dekoration önd
die Strenge des architektonischen Gesetzes in reinem Ebeninaasse durch-
dringen. Farbiger Schmuck giebt den Gliederungen ihres Gebälkes Reich-
thum und Bewegung und führt das Auge empor zu den hiemit überein-
stimmenden, in warmen Farbenlönen ausgemalten Kassetten des Kuppel-
gewölbes, während die Wand hinter den Säulen in einem kühleren Grau
gehalten ist, aus dem sich die zwischen-den Säulen aufgestellten Mar-
morbilder. feierlich hervorheben. Der Aufenthalt in diesem Raurae ist
von dem wohlthuendsten Eindrucke auf das Gefühl des Beschauers; der
Contrast zwischen der ruhigen-P^rhabenheit des Gewölbes und dem rhyth-
misch bewegten Spiele der Säulenstellung ist^in einer durchaus harmoni-
schen Weise gelöst. Für die Aufstellung griechischer Götterbilder konnte
kein günstigerer Raum erdacht werden. — Aber auch die übrigen-Säle,
welche eine reicher durchgebildete Architektur habpn, — ich meine die
grossen Säle für anderweitige Sculpturen, deren Decken durch Säulenstel-
lungen getragen werden, zeigen die eben so sichere wie freie Weise, mit
der sich Schinkel in dem Elemente der griechischen Kunst bewegt. Er
hat für diese Säulenstellungen (über denen nicht, wie bei den Portiken
der eigentlich griechischen Architektur, die ganzen Massen des im Aeus-
sern nothwendigen Gebälkes ruhen) ein eigenes, zierlich componirtes Ka-
pital erfund.en. Die' Säulen haben ungefähr die Verhältnisse der ionischen
Ordnung, aber ihr Kapitäl hat nicht.das charakteristische, imposante Kenn-
zeichen der Voluten; statt dessen sind die übrigen Haupttheile desselben
mit reicheren, feineren Ornamenten Versehen. Diese Ornamente wechseln
je nach den verschiedenen Sälen, welche die Säulenstellungen einnehmen,
so, dass sich an ihnen eine Reibe eigenthümlich durcligebildeter Formen
für den genannten Zweck entwickelt. — Es würde zu weit führen, wollte
ich noch auf die Menge' anderweitiger Details eingehen, mit denen das
Gebäude des Museums durchweg gescWückt ist. Auf das praktisch Zweck-
gemässe der Anlage einzugehen,' das sich vorzüglich in der sinnreichen
Anordnung der Räume für die Gemälde-Gallerie kund giebt, liegt ausser-
halb des Zweckes dieser Betrachtungen. - '

Das merkwürdigste Beispiel indess, wie Schinkel die Formen der
griechischen Architektur für die heutigen Zwecke anzuwenden, wie er aus
ihnen in freier Combination ein eigenthümliches Ganze zu gestalten und
doch überall den consequentesten Organismus durchzuführen weiss, bildet
das von ihm erbaute Schauspi elhaus'zu Berlin'(Heft II, nebst erster
und zweiter Folge). Die ganze Architektur dieses Gebäudes ist um so
merkwürdiger:;' als hier sehr schwierigen und verwickelten äusseren Be-
stimmungen Genüge geleistet werden musste: das-Gebäude sollte nicht
allein zu dramatischen Aufführungen dienen, es sollte zugleich eine Menge
für die Theaterökonomie nothwendiger Räume (namentlich Probe'säle von
bedeutender Dimension) und zugleich ein grossärtiges Fest- und Concert-
Lokal in sich fassen; dabei war die Umgrenzung desselben Tsestimmt vor-
gezeichnet. Jene verschiedenen Bedingungen ^ber waren es gerade, denen
gemäss der Architekt eine eigenthümlich grossartige Hauptanläge für diesen
Bau zu gewinnen wusste, indem er denselben in drei Theile sonderte, den
mittleren (für das Theater bestirnmten) Theil zu bedeutenderer Höhe empor-

Kugler, Kleine Sihriflen. III. . 21 '

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322 Karl Friedrich Schirike].

l'ülirte und die beiden andern Theile (für die TheaterÖkönomie und für
das Festlokal) sicli jenem als Flügelgebäude anlehnen Hess. In der Höhe
der letzteren trat, als die vorzüglichste Zierde des ganzen Werkes, an der
Stirn des mittleren Theiles ein freier Portikus von sechs reichgebildeten
ionischen Säulen, mit einem Giebel bekrönt, hervor; eine entsprechende
Giebelbekrönung erhielt der Oberbau des mittleren Theiles. Die Archi-
tektur des Portikus gab sodann die Hauptformen auch für die Flügelge-
bäude, die Doppelgeschosse derselben in grossartige Linien einschliessend.
Eine eigene Fenster-Architektur war hiebei zugleich vermieden, und statt
deren zwei Pilasterstellungen übereinander angeordnet, zwischen denen
ein reichlicheres Licht in das Innere des Gebäudes einfallen konnte. Aehn-
liche Pilasterstellungen füllen auch die Wände des Oberbaues der Mitte
aus. Indem diese ganze Einrichtung (und namentlich die der Pilaster-
stellungen) in einer überrasclienden Consequenz durchgeführt wurde, hat
es Schinkel möglich gemacht, das ganze Werk in einer Weise zu glie-
dern, welche überall eine lebendig entwickelte Architektur, nirgend-eine
todte, starre Masse zur Erscheinung bringt, während nichtsdestoweniger
I die bedeutsam hervortretenden Hauptformen das Ganze eben als ein sol-

I ches zusammenhalten. Zu alle dem kommt endlich der grosse Reichthum

I des plastischen Schmuckes, der theils die sämmtlichen Giebelfelder an der

I Vorderseite und über den Flügelgebäuden ausfüllt, theils als eine Reihen-

|> folge freier Statuen und Gruppen die Spitzen und Ecken der Giebel be-

1 krönt und in geistreicher Bildersprache die Bedeutung des Gebäudes ent-

I' wickelt. — Diese Mannigfaltigkeit in der Architektur des Ganzen, diese

j strenge Gesetzlichkeit, die sich nach Einem Principe über alle Theile des

I Gebäudes hinbreitet, diese Harmonie der Verhältnisse im Einzelnen unter

einander und im Bezüge des Einzelnen zum Ganzen, diese Freiheit, mit
welcher die griechischen Formen, ohne irgend ihre eigenthümliche Bedeu-
' tung zu verlieren oder mit Fremdartigem gemischt zu werden, sich zu
einem Ganzen von durchaus neuer Compoisition vereinigen, — alle diese
i. Umstände geben dem Gebäude des Schauspielhauses einen ebenso 'grossen

.jj, Reiz für den Beschauer, wie sie dasselbe als einen vorzüglich charakteri-

stischen Punkt in der neuesten Architekturgeschichte erscheinen lassen. —
Auf die umsichtige Anordnung und Zusammen^ordnung der inneren Räume
<:(■ ■ Ist hier nicht der Ortj näher einzugehen; auch auf den grossen Reichthum

geschmackvoller Verzierungen, die sich in den Haupträumen, in Verbin-
dung mit der freien Kunst der Malerei entfalten, kann, hier nur im All-
1 gemeinerf hingedeutet^ werden. Doch ist wenigstens die Architektur des

I' grossen Concertsäales, die wiederum die schönste und doch eine freie

Anwendung der griechischen Formen zeigt, und in der sich reiche Pracht
und klare Harmonie zum edelsten Eindrucke auf das Auge des Beschauers
vereinigen, besonders hervorzuheben. ,

Den ebengenannten Gebäuden reihen sich noch die Entwürfe zu eini-
gen prinzlichen Palästen an, deren Hauptformen ebenfalls das klare
Gepräge des griechischen Styles tragen. Vornehmlich die Entwürfe zu
dem Neubau eines Palais des Prinzen von Preussen am Opernplatze zu
Berlin (Heft XXVI), von denen der eine, in dessen Ausdehnung der !^latz
I des alten BibliothekgebÜudes hineingezogen wurde, sich in einer südlich

I , heitern Grossartigkeit zeigt und durch seine Verbindung mit festlicher

Garten-Anlage von ungemein malerischer Wirkung erscheint; während der
andre, beschränkter in der Ausdehnung, durch brillanten Säulenschmuck

I

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Schinkers Werke im antikflii Architekturstyl. 323

eia mehr monumentales Ansehen gewinnt. Auch ist hier der geschmack-
volle Umbau des alten Johanniter-Ordens-Palais zu Berlin zu einem
Palais für den Prinzen Karl (Heft XXVIII) zu erwähnen.

Eine Reihe andrer Bauwerke, deren Anlage von Schinkel entworfen
wurde, konnte, ihrer Bestimmung gemäss, nicht einen ähnlichen Reich-
thum der architektonischen Formen wie die vorgenannten Gebäude ent-
wickeln. Bei ihnen machen somit die griechischen Elemente sich theils
nur mehr in der Fassung des Ganzen, theils in gewissen hervorgehobenen
Einzelheiten bemerklich; es wird über sie, für den Zweck dieser üeber-
sicht, an kürzeren Andeutungen'genügen. Doch kann ich mir nicht ver-
sagen, hier vorerst noch einen Entwurf hervorzuheben, den-ich, wenn er
im Ganzen auch nur einfach gehalten ist, doch zu den schönsten Arbeiten
Schinkel's rechnen muss, und der um so mehr zu berücksichtigen sein
dürfte, als er leider nicht zur Ausführung gekommen ist. Ich spreche
von seinem Entwürfe für das Gebäude der Singakademie zu Berlin
(Heft III). Die Fa^ade erscheint in den einfachsten Formen: nichts .als
die ruhige Masse der Wand mit ihren Sockel- und ^Krönungsgesimsen,
die nur durch den Pilasterbau des Portals, sowie durch ein breites Feld
mit einer Inschrift unterbrochen wird, und über der sich ein griechischer
Giebel mit Sculpturen und mit der Dekoration der Akroterien erhebt.
Aber es ist in diesen einfachen Verhältnissen ein feierlicher Wohllaut, in
den Verzierungen des Portals und des Giebels eine ernste Anmuth, welche'
die würdigste Vorbereitung auf den Genuss, den die inneren Räume darzu-
bieten bestimmt waren, gewähren mussten. Dasselbe Gefühl wiederholt
sich bei der Betrachtung des grossen,-für die Aufführungen geistlicher Musik
bestimmten Saales, dessen Architektur aus einer klaren dorischen Säulen-
stellung besteht, die sich, die Tribünen von dem Hauptraüme sondernd,
an allen Seiten des Saales umherzieht. Leider macht das Gebäude, wel-
ches für die Zwecke der Singakademie zur Ausführung gekommen ist,'die
einfache Schönheit des Schinkel'schen Planes nicht vergessen. — Neben
dem letzteren sind sodann hervorzuheben: die Anlage der neuen Packhof-
gebäude zu Berlin (Heft XXI), ein Ganzes von eigenthümlich malerischer
Gruppirung, das vorderste Gebäude mit reichem Giebelschmucke versehen;
— die Sternwarte von Berlin (Heft XXV) ebenfalls, den Bedürfnissen ge-
mäss, von malerischer Anlage .und mit zierlicher Giebelkrönung der Häupt-
fronte; — die Fa^ade der Artillerieschule zu Berlin (Heft III), durch eine
kräftig vortretende korinthische Pilasterstellung vor den Gebäuden eines
gewöhnlichen Ranges ausgezeichnet; — die Verlängerung der Wilhelms-
strasse zu Berlin (Heft III), das Casinogebäude zu Potsdam (Heft XII),
verschiedene bürgerliche Wohnhäuser (Heft IX u. X), besonders das des
Ofeufahrikanten Feilner zu Berlin (Heft XVIII), dessen Fa^ade ganz aus
gebrannten Steinen ohne Putz ausgeführt und mit dem grössteu Reichthum
zierlicher Ornamente desselben Materials versehen ist- — In allen diesen
Gebäuden (denen noch sehr viele andre, von Schinkel nicht herausgege-
bene Entwürfe zugezählt \yerden müssen), sind es wiederum, wie bemerkt,
die klaren, einfachen Linien, die ruhigen Verhältnisse der classischeu
Kunst, welche das an ihnen hervortretende künstlerische Element charak-
terisiren; auch sie geben Zeugniss für die eigenthümliche Richtung Schiij-
kel's und für. die ansprechende Anwendung derselben auf heutiges Be-
dürfniss. ■ *

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324 Karl Friedrich Srhiul<el.

Wenn bei der Anlage der eben genannten Gebäude das äussere Be-
dürfuiss vorlierrschend war und es nicht die ausschliessliche Absicht sein
konnte, dieselben in einer höheren künstlerischen Durchbildung erscheinen
zu lassen, so sind ferner jedoch einige andre Gebäude und Entwürfe zu
besprechen, in denen die grössere Freiheit des ländlichen Verkehrs,
für den sie bestimmt sind, der eignen Freiheit des Künstlers wiederum
einen weiteren Spielraum gewährte. In mannichfach wechselnder Anwen-
dung, bald ernster und gemessener, bald heiterer und spielender, weiss
Schinkel in diesen Anlagen aufs Neue die Beispiele einer klassischen Ge-
staltung dessen, was die Gegenwart bedarf, vorzuführen, dem Leben des
Tages durch eine solche Gestaltung seiner Umgebungen gewissermaassen
einen höheren Werth zu verleihen. Dahin gehören: das grossartig impo-
nirende Schloss Krzescowice (Heft VII) ^ das so anmuthvolle, wie interes-
sante Schlösschen nebst Casino, dem Prinzen Karl gehörig, zu Glienicke
bei Potsdam (Heft XXVIII); das Gesellschaftshaus, welches im Friedrich-
Wilhelms-Garten bei Magdeburg erbaut wurde (Heft XVI); der Umbau
des Schlösschens Tegel (für Wilhelm von Humboldt, Heft IV), und der
von Charlottenhof, ein^m Sr. Majestät dem jetzigen Könige zugehörigen,
bei Potsdam gelegenen Landhause (Heft XVIIl). — Eine eigenthümliche
Anlage, die Gebäude einer Gärtnerwohnung, denen sich Säulen- und
Pfeilerstellungen, kleine Pavillons und Aehnliches anreihen (Heft XXIV),
wurde in der Nähe des letztgenannten Gebäudes (zu derselben Besitzung
gehörig) ausgeführt. Durch plastische Zierden und springende Wasser,
durch Blumenbeete und Laubgänge belebt, von kleinen Seen, Canälen und
Baumpartieen umgeben, bildet diese Anlage ein Ganzes von der eigen-
thümlichsten malerischen Wirkung; der reichste Wechsel von Bildern
eines idyllischen Lebens zieht beim Aufenthalte in diesen Räumen vor
<' dem Auge des Beschauers vorüber. Und auch hier sind es die klaren

'4 » Formen und Verhältnisse der classischen Kunst, die alle Theile dieser

Anlage, selbst die einfachsten und unscheinbarsten, aufs Merkwürdigste zu
den Zeugnissen einer edlen Bildung, einer höheren Gesittung des Lebens
ausprägen. Schinkel hat in dieser Anlage ein Beispiel für die anmuthvolle
Gestaltung einfacher Landwohnungen, für die früherhin nur barbarische
Formlosigkeit beliebt war, gegeben , welches bei den Nachfolgern seiner
Richtung schon mannigfach erfreuliche Früchte getragen hat. (Von dem
4 Entwurf eines zweiten, in völlig antikem Style gehalten,en Landhauses für

Charlottenhof ist bereits oben gesprochen.) — Endlich ist hier noch das
I' im Posen'schen für den Fürsten Radziwill erbaute Jagdschloss Antonin

I« (Heft IV) anzuführen. Ganz in Holz aufgeführt und die Eigenthümlich-

keiten einer solchen Construction auf keine Weise verläugnend, zeigt sich
auch in den Formen dieses'Gebäudes eine reine classische Durchbildung,
während zugleich das Ganze desselben, seinem Zwecke gemäss, wieder-
um einen eigenthümlichen Eindruck gewährt.

Zu den Werken Schiukers, die ein möglichst vollkommenes Zurückgehen
t;]' auf antike Bauanlage und Fornienbehaadlung aussprechen , gehören namentlich

noch, schon der Natur der Aufgabe nach, seine merkwürdigen'Restaurationen
von Piinins Tuscum und Laurentlnum, welche in dem „Architektonischen
Album, redigirt vom Architekten-Verein zu Berlin", Heft VII,nerschienen sind.

j«.

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Schiukel's Werke, vom antiken Architekturstyle abweiclieud. 325

Werke, vom antiken Architekturstyle abweiphend,

Ausser einigen Kirchenplänen (von denen ich hernach sprechen werde)
finden sich nur wenige Entwürfe unter den-von Schinkel herausgegebenen,
in denen er die Formen andrer Baustyle der Vorzeit,''als die des griechi-
schen, zur Anwendung gebracht hätte. Ein ungemein schönes Beispiel
dieser Art stellt der projectirte Entwurf eines Umbaues des im Posen'schen
gelegenen Schlosses Kurnik vor (Heft XXIIl). Auf Veranlassung des Be-
sitzers ist hier der gothische Baustyl angewandt und das Gebäude in
eine Art mittelalterlich-romantischen Castells umgewandelt. Bei der ma-
lerischen Anordnung, die hier mit Gltlck durchgeführt ist, bemerkt man
aber zugleich, dass Schinkel die späteren Formen des gothischen, die des
sogenannten burgundischen Styls, zur Ausführung gebracht hat, die wie-
derum seiner eigenthümlichen Richtung näher stehen und in denen sich—
geschichtlich betrachtet — schon die Uebergänge zur Aufnahme der anti-
ken Elemente anzukündigen scheinen. — Nicht minder anziehend ist der
Entwurf zu dem Schlosse des Prinzen von Preussen auf dem Babelsberge
bei Potsdam (Heft XXVI), von dem wenigstens der grössere^Theil bereits
zur Ausführung gekommen ist. Auch dies Gebäude erscheint im gothi-
schen Style, aber ebenso in einer Fassung, welche der classischen Rich-
tung nicht allzu entschieden widerspricht und welche überhaupt für Bau-
werke von nicht monumentalen Zwecken vorzüglich passend ist. Es tritt
hier nemlich eine gewisse Verwandtschaft mit der Bauweise englisch-go-
thischer Castelle hervor. Zugleich ist zu bemerken, dass die malerische
Wirkung dieser Anlage noch bedeutender ist, als die der vorigen.

Einige Entwürfe zeigen eine grössere oder geringere Verwandtschaft
mit dem Baustyle der toskanischen Paläste des . fünfzehnten
Jahrhunderts. Den letzteren entsprechend erscheint,hier eine gross-
artig freie Aufnahme mittelalterlicher Motive, aber in einer Umgestaltung,"
welche eine mehr oder weniger entschiedene Durchbildung im griechischen
Sinne gestattet. Unter diesen ist zunächst anzuführen das Palais des Grav
fen Redern in Berlin (Heft XXlIl), welches in seiner Hauptform vorzugs-
weise an den burgähnlichen Charakter der altflorentinischen Paläste erin-
nert, im Detail aber, zugleich die volle Lauterkeit griechischen Formensihnes
verräth. Aehnlich, aber heitrer und freier entwickelt, der Entwurf zu
einem Palais für den Prinzen von Preussen, welches am Pariser Platze
zu Berlin, dem Redern'schen Palais gegenüber, erbaut werden sollte (Heft
XXVI). Aehnlich ferner, nur ungleich einfacher, das schöne Rathhaus zu
Zittau (Heft XXVII), und'die für einen jümbau des Berliner Räthhauses
projectirte Fa^ade (Heft I). ^ . "

— Dann ist' seine wuiidersame Composition des kaiserlichen Palastes Oriauda
in der Krimm anzuführen, die, in grossartigen Prachtblätternin der zweiten
Abtheilung der schon genannten „Werke der höheren Baukunst" herausgegeben
ist. Die grossartige Disposition antiken Sinnes vermählt sich hier, in Aufbau
und Ausführung, mit einem eigenthümlich phantastischen Element und.hat darin,
unwillkürlich,--aber höchst bezeichnend, einen verwandtschaftlichen Zug mit den-
jenigen Werken classischer Zeit, in welchen das Helleneuthum Elemente alturien-
talischer Geschmacksrichtung in sich aufnimmt.'

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;j26 Karl Friedrich Schinkel.

Interessanter noch zeigt sich die Behandlung abweichender Hauptfor-
raen im Geiste der griechischen Kunst an einigen andren Gebäuden: diese
gehören zu denjenigen wichtigen, im Obigen bereits berührten Punkten,
in welchen eine weitere Fortbildung der heutigen Architektur auf stetige
Weise, ohne willkürlichen Sprung oder Rückschritt, wahrzunehmen ist.

Unter ihnen sind zunächst die beiden kleinen Gebäude zur Seite des
neuen Thor es von Berlin (Heft XXV) zu nennen. Von sehr einfacher
Anlage, zeichnen sie sich nur durch die grossen Hallen, die sich an ihren
Vorderseiten öflfnen und die durch Pfeiler mit Halbkreisbögen gebildet
werden, aus. Das mächtig Aufstrebende, was in dieser Bogenform liegt,
erhält hier durch klaren Einschluss diejenige Ruhe, die dem Charakter
der classischen Kunst entsprechend ist; die Details der griechischen Archi-
tektur geben den Hauptlinien Leben und feinere Bewegung. — In ver-
wandtem Style, aber ungleich reicher in der Gesammtcomposition und
durch besondre Abtheilungen in einzelne Haupttheile auseinander gelegt,
ist die Architektur des Hamburger Schauspielhauses (Heft XII) ge-
halten; doch scheint es mir, dass hier — trotz der grossen Consequenz in
der Durchführung des angewandten Systems — doch noch nicht eine voll-
kommen harmonische Durchdringung der Bogenarchitektur mit den Formen
der griechischen Kunst statt gefunden habe.

Die vollkommenste Eigenthümlichkeit dagegen, wie solche unmittelbar
durch das Bedürfniss und durch die heimische Weise der Construktion
hervorgerufen war, und zugleich eine Formation des Einzelnen, bei wel-
cher die griechische Bildungsweise durchaus naturgemäss erscheint, zeigt
das Gebäude der neuen Bauschule zu Berlin (Heft XX u. XXV). In
mehreren Geschossen übereinander ausgeführt, sind die Räume desselben
grösstentheils durch flachgewölbte Decken von einander getrennt. Diese
Struktur gab Anlass, im Aeusseren breite Strebepfeiler, als Gegendruck
gegen die Gewölbe des Inneren, hervortreten und an den Fenstern und
Portalen die Andeutung der entsprechienden Bogenform sichtbar werden
zu lassen. Zwar erhielten die Fenster der beiden Hauptgeschosse nur
eine viereckige Lichtöffnung, aber die BekrÖnung des Bogens, mit dem sie
eingewölbt wurden, trat als zierlich geschwungener Giebel überall bezeich-
nend über ihnen vor. Zugleich gab das Material des gebrannten Steines,
aus dem das Gebäude aufgeführt wurde, und das im Aeusseren überall
sichtbar blieb, den Anlass zu eigenthümlicher Formatioi;i des Details: da
seine Beschaffenheit nemlich stärkere Ausladungen unmöglich oder wenig-
stens sehr schwierig machte, so wurden statt dessen feinere Gliederungen
und reichere Dekoration angewandt. Die zierliche Umfassung der Fenster
ward an ihren inneren Seiten reichlich mit Ornamenten geschmückt; da
sie, für ülTentliche Räume bestimmt, zugleich eine grössere Ausdehnung
haben mussten, so wurden in ihnen leichte Pfeiler, Hermenartig abschlies-
send, zur Unterstützung der Einfassung angebracht; unter dieser Einfassung
wurde eine, reich mit Sculpturen geschmückte Brüstung, — über dersel-
ben, unter dem Giebelbogen, eine Füllung mit sinnreichen Ornamenten
angeordnet, auch der Giebelbogen selbst mit zierlichem Schmucke bekrönt.
In gleichem Reichthume an Sculpturen und Ornamenten erscheinen die
Portale. Neben all diesen feineu Formen halten sodann die kräftigen
Strebepfeiler das Gerüst der Architektur zusammen, und eine feste, reicli
gegliederte Bekrönung schliesst das Ganze auf eine beruhigende Weise.
Das Gebäude steht seit kurzer Zeit vollendet da; der Eindruck, den es

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Schirikel's Kirchenpläne. 327

hervorbringt, ist neu, überraschend5 aber die klare Gesetzmässigkeit des
Ganzen Avirkt befriedigend auf das Auge des Beschauers; der Reichthum
des Einzelnen, des'architektonischen.Details sowohl, wie der geistreich
erdachten und in schönster Anmutli ausgeführten Sculpturen, hält das
Interesse stets lebendig'; und -Wenn wir uns zum Bewusstsein bringen, was
vor Allem'in der Anlage des Gebäudes auf unser edleres Gefühl wirkt, so
ist es eben wiederum der griechische Geist, der auch hier, obgleich in
verwandelter Gestalt, zu uns^ spricht. Das Gebäude der Bauschule scheint
mir in diesem Bezüge ein ^ebenso merkwürdiges Erzeugniss der neueren
Architektur, wie es das Berliner Schauspielhaus in der oben angegebenen
Rücksicht ist.

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. • . ' ' '

K i r c h e n p 1 ä n e.

Ich habe bisher absichtlich nicht von Schinkel's Kirchenplänen ge-
sprochen. Ich hätte dieselben eigentlich an den Beginn dieser Uebejsicht
setzen müssen, da der Baü des Gotteshauses, nach derjenigen Ansicht,
welche durch den ehrwürdigen Gebrauch vieler Jahrtausende — seit der
Mensch zuerst seine Gedanken an eine feste Stätte zu knüpfen begann —
sanctionirt ist, als die höchste Aufgabe der Architektur betrachtet werden
muss. Denn bei dem Bau'des Gotteshauses, als eines solchen, fallen alle
die unendlichen äusseren' Bedingungen, die fast bei allen übrigen Anlagen
zu überwinden sind, hinweg; sein Zweck ist im Wesentlichen ein idealer;
es soll vornehmlich dazu dienen, unser, Gemüth über die Gedanken des
Irdischen' emporzuheben, die Stimmung unsres Inneren zu läutern und zu
verklären, durch seine unmittelbare Umgebung uns bereit machen, den
Gedanken der Heiligung in uns aufzunehmen. Aber4diese Aufgabe ist für
den Architekten unsrer Zeit leider eine allzu seltene. Die Kirchen, die
wir, zumal in den protestantischen Landen, bauen, haben nicht in sich
selbst ihren Zweck; dies sind nur Häuser für die Predigt: möglichst klein,
möglichst viel Menschen fassend, möglichst bequeme Sitzplätze darbietend,
möglichst berechnet aiif dies Gesetze der. Akustik, — und gewöhnlich auch,
ich muss es hinzusetzen, möglichst wqhlfeil ausführbar. Alles dies sind
freilich, fasst man nur den Einen Zweck der Predigt, oder nur ihn als die
Hauptsache, ins Auge, sehr anerkennungswürdige Bedürfnisse; aber es sind
Bedürfnisse, die wiederum die Freiheit des Architekten oder vielmehr das
Gesetz (das innerliche) der Kunst wesentlich beeinträchtigen; ihnen vor-
zugsweise nachfolgend wird eine KJrche der Art in künstlerischer Bezie-
hung selten mehr als nur einen negativen Werth haben können, den nem-
lich, nicht erniedrigend, wie leider auch häufig genug, auf den Sinn des
Beschauers zu wirken; eine positive.,, selbständige Wirkuiig, wie die im
Obigen angedeutete, wird sie schwerlich auszuüben vermögen oder sich, im
günstigsten Falle, nur auf mehr untergeordnete Weise einer solchen annähern
können. Doch ist hier nicht der Ort, diesen Gegenstand nach 'seiner ganzen
Bedeutung zu besprechen.. — Nach alledem ist es übrigens leicht erklär-
lich, dass unter Schinkel's architektonischen Entwürfen (die, wie bemerkt,
stets für bestim'mte gegebene Zwecke ausgearbeitet sind), liur wenig Kircheil-
pläne von einer, die höchste Aufgabe -erfüllenden Bedeutung vorkommen.

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328 Karl Friedrich Schiukel.

Zwei der grösseren Kirchenpläne Schinkels sind in gothiscliem
Style ausgeführt; der eine ist der der Werderkirche p Berlin (HeftXIII)?
welche seit mehreren Jahren bereits nach diesem Plan'e vollendet dasteht;
der andre (Heft V) war zu einer grossen Kirche bestimmt, welche neben
dem Spittelraarkte von Berlin erbaut werden sollte, aber nicht zur Aus-
führung gekommen ist. Dass die Anwendung des gothischen Baustyls
gewissermaassen als eine Ausnahme unter der Gesammtzahl von Schinkel's
architektonischen Leistungen erscheint, ist schon im Obigen bemerkt wor-
den; die Behandlung desselben aber giebt nichtsdestoweniger die eigen-
thümlich'e Richtung seines Formensinns zu erkennen. Schinkel bemüht
sich, die Gliederungen und das Ornament der gothischen Architektur ein-
facher — mehr der antiken Gefühlsweise verwandt — zu bilden, die
grossen Massen vorherrschen zu lassen, ihnen durch entschiedenen hori-
zontalen Abschluss diejenige Ruhe zu geben, welche an den antiken Ge-
bäuden so kräftig wirkt, sie endlicli der grösseren Menge jener willkürlich
scheinenden, mehr oder minder frei durchbrochenen Verzierungen zu ent-
kleiden, mit welchen einzelne Theile ihrer Masse bedenkt sind. Und ich
darf wohl nicht erst hinzusetzen , dass dies Alles in seinen Entwürfen an
sich mit eben demselben Geschmacke ausgeführt ist, der nicht den gering-
sten Vorzug seiner anderweitigen Leistungen bildet. Aber, ich muss es
gestehen, ich habe mich mit einem solchen Bestreben im Allgemeinen nicht
zu befreunden vermocht. Mir scheint, dass hiedurch dem Style der gOr
thischen Architektur ein grosser Theil, demAeusseren des in gothischem
Style aufgeführten Gebäudes der wesentlichste Theil seiner Wirkung
genommen wird. Mir scheint, dass jene complicirten Verhältnisse des
Gewölbes, welche sich in der gothischen Architektur (aber mit innerer
Consequenz) entwickelt haben, eben auch eine complicirte'Formation der
Gliederungen nothwendig machen, dass die Wirkung dieser Verhältnisse
des Gewölbes auch im Aeusseren bezeichnend •— die grosse'n Massen
durch die Streben unterbrechend — hervortreten müsse; dass der horizon-
tale Abschluss des Aeusseren mit der Form des Spitzbogens, die in sicli
keine Ruhe hat, in Widerspruch stehe; dass diese Form, für das Aeussere,
erst durch die emporstrebende Bekrönung des Spitzgiebels ihre Gültigkeit
und Bedeutung erlange; dass überhaupt in der gothischen Architektur ein
Element des Emporstrebens vorhanden sei, welches, organisch gegliedert,
auch jenen reichen, gesetzmässig wiederkehrenden Wechsel derjenigen
i Theile, die zunächst nur als Verzierungen erscheinen, und ihr mehr oder

tf minder freies Hervortreten aus" der Masse bedinge. Böi alledem ist es

natürlich nicht ausgeschlossen, dass, wie das Einzelne dieser gothischen
Gebäude Schinkel's an sich mit Geschmack gebildet Ist, auch in den Ver-
hältnissen und den Hauptformen, besonders des Inneren, sich ein edles,
würdiges Gefühl ankündigen kann, wie dies in der That in der Werder-
kirche stattfindet und wie ohne Zweifel das andre grössere Gebäude, durch
die eigenthümlich geistreiche Anordnung seines gesammten Inneren, noch
'I eine ungleich bedeutendere, überraschende Wirkung ausgeübt haben würde.

— Diesen beiden Entwürfen schliesst sich noch ein dritter für ein kleine-
res Gebäude, für eine Kapelle, die im kais"erlichen Garten zu Peterhof bei
Petersburg erbaut worden ist (Heft XXI), an. Hier nähert sich die ganze
Architektur ungleich mehr den mittelalterlichen Principien des gothischen
Baustyls, und die sämmtlichen verzierenden Theile sind im grösslen

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Schiukers Kirchenpläne. 329

Reichthume ausgebildet; das Gebäude hat ausnahmsweise das Gepräge
einer zierlichst roffiantischeu Dekoratioo.

- Ein früherer Entwurf für' die Werderkirche zu Berlin (Heft'VIII),
statt dessen nachmals der 'so eben besprochene gothische ausgeführt wujde,
ist in einem Style gehalten, den man, seinen Hauptformen nach, mit ita-
lienischen Gebäuden der modernen Bauperiode vergleichen dürfte. Nur
unterscheidet er sich von diesen, Schinkel's eigenthümlicher Richtung ge-
mäss, durch eine Behandlung in mehr griechischem Geiste, wozu hier
natürlich, da die modern italienische Architektur auf der der spätem An-
tike fusst, die gültigste Gelegenheit war. Das ganze Innere des Gebäudes
gewährt einen festlich würdigen Eindruck.

Für, die Mehrzahl seiner Kirchenpläne hat Schinkel die Anlage der
Basiliken zum Muster genommen, einer Gattung von Gebäuden"", die
— ursprünglich dem classischen Alterthume .angehörig — natürlich der un-
mittelbaren Anwendung classischer Formen vor allen günstig sein musste.
In diesem Betrachte dürfen zunächst die vier Kirchenpläne, welche das
elfte seiner Hefte enthält, als Beispiele anzuführen sein. Der erste dieser
Pläne erscheint als die edelste Durchbildung des Balsilikenbaues für die
heutigen Bedürfnisse: ein Langhaus mit doppelten Säulenstellungeu im
Innern, durch welche Emporen an den Seiten und an der Giebelwand ge-
bildet werden, flach gedeckt, und eine grossattige gewölbte Nische, dem
Eingange gegenüber; im Aeusseru die Giebelseite durch einen vorsprin-
genden Porticus geschmückt, die Seitenwände — der Einrichtung des In-
nern angemessen — mit einer Doppelreihe griechisch eingerahmter Fenster
versehen. Aehnlich der zweite Entwurf, nur in den Verhältnissen abwei-
chend; ähnlich auch'der dritte, doch mit dem bedeutenden Unterschiede,
dass hier, bei kleinerer'Dimension, die Säuleustellungen des Innern fehlen.
Gewähren diese' Anlagen im Allgemeinen einen edlen, klaren Eindruck,
so ist doch nicht zu läugnen, dass das eigentlich liirchliche Element an
ihnen nur
wenig hervortritt; das ruhige Genügen,' welches den innern
Charakter der griechischen Kunst ausmacht, scheint demjenigen Gefühle,
welches wir in dem Gebäude der Kirche suchen, nicht ganz zu entspre-
chen. Es scheint, dass allein die aufstrebende Form des Bogens und Ge-
wölbes geeignet ist, dies mehr erhebende Gefühl in uns hervorzurufen
(wesshalb denn eben die gothische Architektur so mächtig in diesejr Rich-
tung auf uns wirkt, ja vielleicht in einem Grade, dass sift wiederum
unsrer heutigen "Sinnesweise — aber aus dem entgegengesetzten Grunde —
nicht mehr angemessen sein dürfte,). Die einzige, erbaulich wirkende Form
in den genannten Plänen ist somit nur die grandiose Nische des Altars,
die
(Wenigstens dem Ganzen einen feierlich erhabenen Schluss hinzufügt. —
Bei dem vierten Kirchenplane des genannten Heftes ist- zwar die ipnere
Einrichtung ähnlich, aber Thüren-und Fenster sind im Halbkreisbogen
überwölbt hnd zugleich im Aeussern, wenn auch
einfach, so doch auf eine
•gemessen wirksame Weise, angeordnet, so dass hiedurch wenigstens das
Aeussere schon einen gewissen feierlichen Eindruck auf das Auge des Be-
schauers hervorbringt. — Ungleich bedeutender aber-erscheint diese An-
ordnung bei einem fünften Entwürfe, bei dem für eine zu Straupitz in
der Lausitz erbaute Kirche (Heft XIV). Hier sind diese gewölbten .Oeff-
nungen nicht bloss im* Aeussern, und besonders für .den Eindruck der
Fa^ade wirkungsreich, angeordnet, sondern auch das Innere hat durch eine
entsprechende Bogenconstruction im Ganzen mehr Feierlichkeit' erhalten."

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330 Karl Friedrich ScLiiikel.

Die Decke nemlich wird hier durch grosse ßogenstellungen unterstützt,
zwischen denen die zwiefachen Emporen eingebaut sind, so dass diese
mit der Altarnische correspondirende Anordnung auf kräftige Weise vor-
herrschend bleibt. — Hiemit verwandt erscheinen diejenigen Einrichtun-
gen, durch welche Schinkel dem Innern der Johanniskirche zu Zittau
(Heft XXVII), bei dem neuerlich erfolgten Umbau derselben, ein wür-
digeres Gepräge zu geben gewusst hat.

In der Reihe der eben besprochenen Entwürfe ist indess im Allge-
meinen, mehr oder minder, eine grosse Einfachheit vorherrschend. Eine
reichere Durchbildung, die in einzelnen Beispielen wiederum "zu den
merkwürdigsten Resultaten für Schinkel's Umgestaltung der classischen
Elemente führt, tritt uns in einer zweiten Folge von Kirchenplänen ent-
gegen, die in dem ebengenannten vierzehnten und in den beiden folgen-
den Heften enthalten sind. Es sind fünf Pläne, welche von Schinkel, um
eine reichere Auswahl darzubieten, für zwei in den Vorstädten Ber-
lins zu bauende Kirchen entworfen wurden. Doch scheinen mir die
beiden ersten von ihnen ebenfalls noch von einer minder hervorstechenden
Bedeutung. Der eine (der zweite in der Folge) ist nemlich wiederum eine
Basilika, aber im Innern mit drei Stellungen dorischer Säulen übereinan-
der, was natürlich, wenn es auch für die Gewinnung zahlreicher Emporen
zweckmässig ist, doch die ruhige Erhabenheit des Eindruckes auf gewisse
Weise beeinträchtigt. — Der zweite Entwurf (der erste in der Folge) hat
im Aeussern, an den Fenstern und Thüren, eine durchgeführte Bogen-
architektur, die im Wesentlichen mit dem bei dem Hamburger Schauspiel-
hause angewandten Systeme übereinstimmend ist. Im Innern ist auch hier
eine zwiefache Reihe von Emporen angeordnet, deren ganzes Gerüst aber,
selbst mit Einschluss der Stützen, aus Eisen construirt ist, — höchst
zweckmässig für den Bedarf, aber eben, da dieser ganz vorherrschend ist,
um so weniger für eine erbauliche Stimmung der Gemeinde wirkend, wozu
hier freilich noch der Umstand kommt, dass durch dies Gerüst die Fen-
sterarchitektur vielfach durchschnitten wird, somit für das Innere ohne
eine höhere ästhetische Wirkung bleibt. \

Wesentlich verschieden von diesen beiden Entwürfen sind die drei
folgenden. Au ihnen treten, wenn auch durchweg auf jene äussern Bedürf-
nisse eine besondere Rücksicht genommen ist, grossartigere Hauptformen,
den Hauptaindfuck des Ganzen bestimmend, hervor, — Formen, in denen
sich, wie es mir scheint, religiöse Würde und ein klares, heiter erhabenes
Lebensgefühl in schönstem Maasse vereinigen, in denen zwischen der ab-
geschlossenen Ruhe des Griechischen und dem geheimnissvollen Drange
des Gothischen die befriedigendste Mitte gehalten ist. Der erste dieser
Entwürfe (Heft XV) hat mit dem zuletzt besprochenen in der Hauptanlage
einige Aehnliclikeit: auch er behält die Grundform der Basilika bei, und
die zwiefache Reihe seiner Emporen wird ebenfalls durch ein leichtes,' aus
Eisen construirtes Gerüst gebildet. Die Decke dieser Kirche ist aber nicht
horizontal, sondern sie besteht aus leicht gespannten Kreuzgewölben, die
von den schlanken Stützen, jenes Gerüstes getragen werden; indess kann
ich mich nicht überzeugen, dass, wie praktisch ausführbar und äusserlich
zweckmässig auch diese Einrichtung sein mag, hiedurch ein harmonisches
oder gar ein organisches VerhäUniss zwischen Gewölbe und Stützen wurde
liervorgebracht werden. Wichtiger scheint mir, dass das ..ganze Gerüst so
angeordnet ist, dass es die Wirkung der Fensterarchitektur, und nament-

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I'

Schinkers Kirchenpläne. - , 331

lieh die der grossartigsten oberen Fensterreihe, auf das Innere möglichst
wenig beeinträchtigt. Diese Fenste^architektur ist es, vornehmlich, was
die eigenthümliche Schönheit unjii Bedeutung dieses Entwurfes ausmacht.
Die Fenster sind 4ra Halbkreise (Iberwölbt; aber es ist nicht die starre,
schwere Form dieses Bogens, welche in der antiken Kunst gebräuchlich
und allein durch willkürliches Ornament reicher auszubilden ist: Bogen
und Seitenwände 'der Fenster sind auf eine organische Weise geglijedert,
so dass, statt der todten Quadersteine, Säulchen und Einziehungen ein
bewegtes Leben entwickeln und das Aufstreben der Masse und die elasti-
sche Spaunung des Bogens anschaulich und wirkungsreich aussprechen.
Diese Anordnung hat viel Verwandtes mit den Formen der sogenannten
byzantinischen Kunst in ihrer späteren Ausbildung; aber wiederum tritt
hier Schinkels classisches Princip hinzu, welches sowohl, wie es scheint,
in der Bildung der vorzüglichsten Details, als'» vornehmlich durch einen
klären gesetzmässigen Einschluss der Bogenformen vermittelst kräftig ge-
führter Horizontallinien (welches Alles zur Vollendung der Rundbogen-
architektur eben so nothwendig ist, wie es bei der gothischen widerspre^
chend erscheint) Ruhe, Maass und" festen Halt in das^Ganze der Anlage
liineinbringt. Besonders grossartig erscheint die Fa^ade dieses Gebäudes,
deren Giebelwand, von zwei schlanken Thürm'en eingeschlossen, durch
ein einziges grosses, reich in dieser Weise gebildetes Fenster ausgefüllt
wird, unter weilchem eine offene Bogenhälle, wiederum von ähnlicher
Constniction, vortritt. — Der zweite von den in Rede stehenden Entwür-
fen (Heft XV) hat eine wesentlich abweichende Gruhdanlage. Es ist ein
Rundbau, von einer mächtigen Kuppel bedeckt, die von zwölf Pfeilern
getragen wird. Die Pfeiler sind durch halbkreisförmige Tonnengewölbe
verbunden xmd enthalten tiefe Nischen zwischen sich, in denen ringsumher
dreifache Emporen übereinander angeordnet sind. Diese Anordnung scheint
für das Innere eine grossartigere Wirkung zu begünstigen, indem die Em-
poren, wenn gleich von sehr bedeutender Anzahl, doch die Hauptformen
der Architektur nicht wesentlich beeinträchtigen; die Gewölbe, besonders
die den ganzen Hauptraum des Innern überspannende Kuppel, lassen ein
hehres, würdiges Gefülil vorherrschen, und die an den zumeist vortreten-
den Formen durchgeführte Gliederung (ähnlich wie bei der Fensterarchi-
tektur des vorigen Entwurfes) löst die strenge Erhabenheit des Ganzen
zugleich in ein heiter bewegtes Leben auf. Gestatteten es die äusseren
Bedürfnisse, statt der drei Emporen in jeder Nische nur deren zwei an-
zulegen, so würde auch für die g(3genwärtigen Zwecke des protestantischen
Gottesdienstes kaum eine würdigere Gestalt zu erfinden sein. "" Auch das
Aeussere dieses Gebäudes ist als Rundbau gehalten. An den Einzelheiten
zeigt sich hier wiederum die edelste Durchbildung der (dem -Innern ent-
sprechenden) Formen im Sinne der clas^ischen Kunst; aber die Reihen
kleiner Fenstergruppen welche mit besondrer Rücksicht auf die einzelnen
Nischen und die einzelnen Emporen derselben angeordnet sind, lassen das
Ganze fast zu ernst und düster erscheinen. Mehr nur dient die hoch em-
porstrebende Schutzlcuppel, die sich.über der ganzen Anlage erhebt, dazu,
ihr auch im Aeussern ein feierlich erhabenes Gepräge zu geben. — Der
dritte Entwurf endlich (Heft XVI) hat im Grundrisse des Innern eine
Kreuzfprm; die Arme des Kreuzes .sind-mit kolossalen Tonnengewölben
überspannt und in dreien derselben einfache Säulenstellungen, mit einer
Empore darüber, angebracht; im vierten Arme des Kreuzes steht die gran-

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332 Karl Friedrich Schinkel.

diose Altarnische. Darüber erhebt sich in der Mitte ein offener cylinder-
förmiger Raum, der mit einer nachgespannten Kuppel schliesst. Die Fenster,
unter der Kuppel und über den Emporen, sind halbkreisförmig überwölbt
und ilu-e Wände wiederum (wenn auch ohne die Anwendung von Säul-
chen) gegliedert. Da hier eigentlich gar kein Verbauen durch Emporen
stattfindet, so ist natürlich das gesammte Innere von einer grossartig freien
Wirkung. Noch bedeutender indess erscheint mir hier das Aeussere des
Gebäudes, welches (mit theilweiser Ausfüllung der Ecken zwischen den
Armen des Kreuzes) eine aufstrebende achteckige Gestalt gewinnt, über
der sich iu der Mitte der Rundbau, erhebt. Hier spricht sich in allen
Theilen jene heitere Würde aus, von der ich oben sprach; hier ist die
schönste, durchgreifendste Vermählung der classischen Sinnesweise mit
denjenigen Formen, die unsre Zeit für die Zwecke der religiösen Baukunst
in Anspruch zu nehmen scheint; hier tritt uns wiederum ein architektoni-
scher Styl entgegen, der vollkommen classisch ist, der aus den Werken
der Griechen seine erste Nahrung, seine Kraft empfangen hat, und der
doch ein neuer und eigenthümlicher, ein de*n veränderten geistigen Be-
dürfnissen der Zeit angemessener ist.

Gewiss werden die Beispiele einer neuen Umgestaltung der Architek-
tur, die Schinkel in diesen Entwürfen gegeben hat, nicht ohne entschie-
denen Einfluss auf seine Nachfolger bleiben. Wie ungleich bedeutend,
wie viel mehr ergreifend und kräftigend aber würde ihre Einwirkung sein,
wenn es ihnen vergönnt worden wäre, in körperlicher Existenz unmittel-
bar in das Leben hineinzutreten! Dies sollte indess nicht stattfinden.
Schon waren zwei dieser Entwürfe (der zuerst genannte in der Basiliken-
form und der erste der drei zuletzt besprochenen) zur Ausführung gewählt,
schon die Fundamente zu dem einen derselben gelegt, als Schinkel den
Auftrag erhielt, statt dieser zwei Kirchen vier kleinere von ziemlich über-
einstimmendem Grundplane ,„^ber verschieden in der äusseren Gestalt, zu-
gleich ohne Erhöhung der Gesammtkosten, aufzuführen. Hier musste also
Alles wieder auf eine möglichst einfache Weise eingerichtet werden. Das
zwei und zwanzigste Heft enthält die Entwürfe, nach denen diese vier
Kirclien aufgeführt wurden, das vier und zwanzigste Heft die inneren An-
sichten von zweien derselben. Der Hauptanlage nach sind es sämmtlich
Basiliken mit Emporen an den Seiten. Am meisten Kirchliches finde ich
wiederum in denen von ihnen, deren Fenster und Thüren im Rundbogen
überwölbt sind, und besonders in der einen, welche zu Moabit (bei Berlin)
gebaut worden ist. Hier erscheint nemlich nicht bloss das gegammte Aeussere,
vornehmlich die Fagade, in einer freien Würde, sondern auch das Innere
hat bei einfachen Mitteln ein eigenthümlich feierliches Gepräge erhalten.

, Sie ist nemlich im Innern nicht (wie die andern Kirchen) mit einer hori-
zontalen Bretterdecke abgeschlossen; statt deren liegen die geneigten Dach-
flächen und das Balkenwerk derselben offen vor dem Auge des Beschauers
da. Aber die Hauptstreben dieses Balkenwerkes sind in grossen Rund-
bögen quer übet die Kirche geführt, wodurch wiederum diese grossartige
Form vorherrschend bleibt und sich harmonisch den Formen der Altar-
nische und der Fenster anschliesst. Im Ganzen erscheint somit auch hier
jene neue Durchbildung der Architektur vorherrschend, und es dürfte
gerade dies Gebäude für Kirchen von ähnlich,kleiner Dimension höchst
nachahmungswürdig zu betrachten sein.

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Schirikel's Kirchenpläne. 333

Noch ^ist Ein Kirchenplan Schinkel's anzuführen, derjenige, welcher
für die Nicolaikirche in Potsdam bestimmt war (Heft'XXII). Die Anlage
des Innern dieser Kirche hat Aehnlichkeit mit der letzten in der Reihe
jener fünf Entwürfe, von denen im Vorigen die Rede war: ein Kreuz,
dessen Arme mit mächtigen Tonnengewölben überspannt sind; darüber
ein hoher und weiter Cylinder (ein sogenannter Tambour), mit einer gross-
artigen Kuppel überwölbt. Im Ausseren aber bildet die Grundform (mit
Ausfüllung der Räume zwischen den Armen des Kreuzes) ein Viereck,
und es sind hier durchweg wiederurh die Formen der griechischen Archi-
tektur vorherrschend. Ein griechischer Porticus springt an der Eingangs-
seite vor; ein Kreis von 28 Säulen umgiebt in luftiger Höhe jenen oberen
Rundbau, der die innere Kuppel trägt; und darüber erhebt sich, noch von
einer Pilasterstellung getragen, die äussere Kuppel. Das ganze Aeussere
macht den Eindruck eines mächtig imposanten Thurmbaues; es scheint,
als ob Schinkel das Gebäude vornehmlich aus der Rücksicht in einer sol-
chen Gestalt gehalten habe, dass es nicht bloss im Allgemeinen das feier-
lich Erhabene eines kirchlichen Baues ausspräche, sondern dass es auch
speciell für die Stadt, aus deren Schooss es emporsteigen sollte, als Mittel-
punkt und Kern dastände, dass es in solcher Art der gesammten anmuth-
vollen, aber nicht grossartigen Umgegend von Potsdam ein ernsteres; be-
deutungsvolleres Gepräge gäbe. Und'in der That würde dies in hohem
Maasse der Fall gewesen sein, wäre das Gebäude, wie es uns im Entwürfe
vorliegt zur Ausführung gekommen. Dies ist indess nicht geschehen. Es
wurde nur der untere Theil desselben aufgeführt, der zwar an sich schon
mächtig aus den tibrigen Gebäuden der Stadt emporragt, der aber, was
das Aeussere anbetrifft, im Wesentlichen nur den Untersatz zu dem oberen
Theile bildet, an dem erst eine' freiere Architektur sich entwickeln sollte.
Der Raum des Inneren wurde statt jenes offenen Cylinders, der die Kuppel
tragen sollte, mit einem flachen Gewölbe abgeschlossen, so dass derselbe,
wenn immer auch von grosser Wirkung, doch derjenigen freieren Erhe-
bung entbehrt, auf die er auch berechnet war. ') ImUebrigen indess fehlt
es dem Gebäude, wie es ausgeführt ist, nicht an reichem Schmucke und
auch nicht an den Beweisen der geistreichen Eigenthümlichkeit des Archi-
tekten. Vornehmlich ist dies an dem schörien Porticus des Einganges der
Fall, dessen Säulen in einer freien.korfnthischen Ordnung, mit Engelge-
stalten; die sich aus'dem Blätterwerke der Kapitäle erheben, gebildet sind.
In den Giebeln des Aeusseren und an den Akroterien derselben sind vor-
treffliche Sculpturen angebracht; die Nische des Altars ist mit Fresko-
malereien auf goldnem Grunde ^geschmückt; der kleine Bau der Kanzel
vereinigt die anmuthvollsten architektonischen und plastischen Zierden.
Man darf wohl-hoffen, dass die Einzelheiten dieses Baues in einem spä-
teren Hefte der Sammlung von'Schinkel's architektonischen Entwürfen noch
erscheinen werden.

' ■ t ' *

') Auch der Oberbau ist später hinzugefügt worden.

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Kar] Friedricli Schinkel.

Denkmäler.

Den Schluss dieser Uebersicht von Schinkels architektonischen Ent-
würfen mache ich mit denjenigen, welche für rein monumentale
Zwecke gearbeitet sind. In diesen Werken, welche zunächst natürlich
nur die Bestimmung hatten, dem Beschauer als ein freies ktinstlerisches
Gebilde, ohne irgend einen materiellen Zweck, gegenüber zu treten, war
dem Architekten die Gelegenheit gegeben, seine Eigenthümlichkeit eben-
falls am Freisten, am Unabhängigsten zu entwickeln. Und wiederum
finden wir hier (bis auf eine einzelne Ausnahme) eine entschiedene Aneig-
nung der griechischen Bauformen, so dass sich gerade an ihnen die classi-
sche Richtung Schinkels in ihrer schärfsten Consequenz — aber immer
mit derjenigen Selbständigkeit, auf die ich bereits oben hingedeutet habe,
— ausspricht. Mit der Architektur tritt übrigens an diesen Werken die
bildende Kunst in die unmittelbarste Wechselbeziehung, und auch die
letztere zeigt, harmonisch mit jener, eine vollkommen classische Behand-
ln ngswse.

Einen eigenthümlichen und den wichtigsten Cyklus unter diesen Ent-
würfen machen diejenigen aus, welche für ein in Berlin zu errichtendes
grossartiges Denkmal Friedrichs des Grossen bestimmt sind. Doch
gehört der Gedanke, dem Begründer des preussisclien Glanzes in der
Hauptstadt seines Reiches ein Denkmal zu setzen, welches, wenn der
Zweck desselben auch nicht füglich dahin auszusprechen wäre, dass es
die Erinnerung an seine Thaten festhalten sollte (denn dessen bedarf es
nicht füglich), sondern eben nur dazu dienen sollte, der Verehrung der
Nachkommen eine der Grösse dieser Verehrung angemessene Stätte zu bie-
ten, — dieser Gedanke gehört nicht allein der jüngsten Zeit an. Oft und
immer aufs Neue und immer von mannigfach verschiedenen Gesichtspiink-
ten aus ist dieser Gegenstand in Berathung gezogen worden, und es dürfte
eine Geschichte der dahin einschlagenden Arbeiten und Entwürfe" gewiss
ebenso interessant und belehrend für die monumentale Kunst im Allge-
meinen, wie charakteristisch für die Zeiten sein, in welchen verschiedene
Generationen der vorzüglichsten Künstler des Vaterlandes bestrebt waren,
dem Ruhme des Vaterlandes ihre besten Kräfte zu wi(Jmen. Schon un-
mittelbar nach Friedrichs des Grossen Tode begannen die Entwürfe für
ein solches Denkmal. Am Lebendigsten erscheinen diesb Bemühungen in
zwei grossen Concurrenzeri, welche für diesen Zweck äuf Befehl seines
Nachfolgers, Friedrich Wilhelms II., eingerichtet wurden. Die eine Con-
currenz fand im Jahre 1791 statt; es erschien hier eine Reihe von Ent-
würfen, welche den König in einer Reiterstatue, zumeist mit verschieden-
artigen Reliefs auf dem-Piedestal, darstellten. Bedeutender Avar die zweite
Concurrenz, welche im Jahr 1797 eröffnet wurde; bei den Arbeiten, die
für diese geliefert wurden, war die Absicht vorherrschend, die bildliche
Darstellung des Königs durch eine würdige Umgebung von dem lauten
Verkehr der Strasse abzusondern, ihr gewissermaassen ein eignes Heilig-
tham zu erbauen und dasselbe mit anderweitigen Bildwerken, die grossen
Thaten des Königs darstellend, auszuschmücken. Die Entwürfe gehörten
somit vorzugsweise dem Bereiche der Architektur an; es waren Tempel
im Charakter des classischen Alterthums, in denen, an der heiligsten Stelle.

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Schinkels Denkmäler. 335

die Statue des Königs errichtet werden sollte. Schon hatte der eine dieser
Entwürfe (unter denen sich auch der am Eingang angeführte von F. Gilly,
Schinkels Lehrer, befand), — ein Rundtempel von zwölf ionischen Säulen,
von Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Thores zu Berlin, ent-
worfen, die königliche Genehmigung erhalten, und es war für denselben
der Platz am Ende der Linden (zwischen der Bibliothek und dem jetzigen
Universitätsgebäude) bestimmt worden, als der plötzlich erfolgte Tod des
Königs, wie es scheint, die Ursache ward, dass das eingeleitete Unterneh-
men unterbrochen wurde. Doch fehlte es auch in den folgenden Jahren
so wenig an wiederholt ausgesprochenen Wünschen, wie an Projecten
mancher Art für das alle Preussen so lebhaft interessirende Unternehmen:
die bedeutendsten Entwürfe, die nach den Zeiten der Unterdrückung und
der Befreiungskriege vorgelegt wurden, sind die in Rede stehenden Schin-
kel'schen. Diesen reihen sich, als der jüngsten Gegenwart angehörig, noch
drei Modelle von Rauch an, welche im Jahr 1836 geliefert wurden, und
welche wiederum eine höchst eigenthümliche Lösung der Aufgabe vorleg-
ten. Es ist bekannt, dass von des Hochseligen Königs Majestät die Aus-
führung des einen dieser R'auch'schen Modelle befohlen und dazu kurz
vor Seinem Tode der Grundstein gelegt wurde.

Der erste von Schinkel's Entwürfen findet'sich in'den früheren Thei-
len seiner Sammlung (Heft V). An ihm gehört die Hauptsache der Sculp-
tur an; die Architektur bildet nur das zum Tragen jener dienende Gerüst.
Schinkel hat den König in einer reichen Gruppe dargestellt: Ideal geklei-
det, im griechischen Chiton, aber mit dem Königsmantel, in der Linken
das Scepter haltend, die Rechte segnend ausgestreckt, steht er auf einer
prächtigen Quadriga, deren Rosse in lebhaft ktihner Bewegung vorwärts
schreiten; zwei Gestalten, der Gruppe auch an ihrer hintern Seite Fülle
gebend, folgen dem "Wagen'auf beiden Seiten, die Gestalt der Gerechtig-
keit und die eines nach dem Kranze ringenden Kriegers. Die Gruppe wird
durch einen Bau von starken freistehenden Pfeilern getragen, der sich
über verschiedenen Stufen erhebt. Die nach den äusseren Seiten hinaus-
tretenden Fronten der Pfeiler sind mit Reliefgestalten von symbolischer
Bedeutung geschmückt, auf die Thateh des Königs und auf die Wohltha-
ten, die er seinem Lande erwiesen, anspielend. Vier reich dekorirte Kan-
delaber erheben sich auf den Ecken des Monuments. Die einfachen grie-
chischen Formen, in denen der gesammte Unterbau ausgeführt ist , bilden
einen wirkungsreichen Contrast gegen das bewegte Linienspiel der Gruppe,
welche auf ihm ruht; hier ist eine Fülle der kräftigsten, aber durch ein
harmonisches Gesetz umschlossenen Aeusserungen des Lebens, zugleich
der Ausdruck feierlichen Ernstes, hoher Majestät. In grossartig symboli-
schen Zügen spricht sich die Bedeutung aus; was an der Erscheinung des
Königs vergänglich war, was der flüchtigen Willkür seiner Zeit angehörte,
ist in dieser Darstellung abgestreift und nur das seinem inneren Wesen
Eigenthümliche, nur der Grundzug seines Charakters beibehalten. In freier
Idealität (die zur Charakteristik einer grossartigen Persönlichkeit nicht der
Nachahmung äusserlicher Zufälligkeiten bedarf), tritt diese Gruppe vor
unser Auge, in ungetrübter Schönheit spricht die Kunst in ihr den erha-
benen Gedanken aus. Auch scheint Schinkel selbst gerade eine Compo-
sition, wie diese,* als die wüdigste Erfüllung der Aufgabe betrachtet zu
haben, indem er sie bei seinen spätem Entwürfen noch zweimal, in Ver-
bindung mit reicherer Architektyr, da angewanj^ hat, wo seine Phantasie

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836 Karl Friedrich Schinkel.

sich von äusserer Vorschrift frei bewegen durfte. — Ich sehe mich hier
zu einer Bemerkung veranlasst. Schinkel steht mit der idealen Behand-
lung historischer Monumente,'vi^ie in dem eben besprochenen Falle, einer
Richtung der historischen Sculptur gegenüber, die heutiges Tages vielen
Anklang findet, die gewiss ebenfalls ihre gute Berechtigung hat, und die
gerade durch einen der nächsten Freunde Schinkel's vertreten wird. Ca-
nova, Thorwaldsen haben ihre historischen Monumente fast durch-
gängig, wie er, auf ideale Weise behandelt; Rauch in Berlin ist es, durch
den eine Weise der Darstellung, die auch von der äusserlichen Umgebung
der zu feiernden Männer (ich meine von dem Kostüme ihrer Zeit) alles
Wichtige und Bezeichnende beibehält, zu ihrer schönsten Vollendung ent-
wickelt ist. Diese Behandlungsweise zu rechtfertigen, darf ich eben nur
an den bedeutsamen Eindruck, den Rauch's Meisterwerke gewähren, erin-
nern; vornehmlich scheint mir das eine seiner Modelle zu dem Denkmale
Friedrichs des Grossen, das den König zu Pferde in seiner eigenthümlichen
Tracht (aber mit dem Königsmantel) und an dem Piedestale die Bilder
der vorzüglichsten Männer, mit denen er seine Thaten vollbrachte, dar-
stellt, die Würde eines höheren Styls aufs Gediegenste mit einer mehr
portraitmässigen Auffassung zu vereinigen. Welche von diesen beiden
Richtungen für unsre Zeit die gültigere sei, hierüber traue ich mir kein
Urtheil zu. Die geläuterte Idealität der einen, die unmittelbare Gegenwart
des Lebens in der andern Richtung scheinen beide ein gutes Recht zu
haben; die Zeit — falls überhaupt das Bedürfniss nach einer durchgreifen-
den Einwirkung der Kunst vorhanden ist — wird hierüber entscheiden.
Ich wollte nur auf die Opposition, wie sie da ist, hindeuten, um Schin-
kel's Richtung hiedurch anschaulicher zu machen, indem diese ebenso auch
bei seinen anderweitigen Arbeiten im Fache der bildenden Kunst, auf die
ich unten zurückomme, wiederkehrt.
, Die andern Entwürfe Schinkel's für ein Monument Friedrich's des

Grossen, sechs an der Zahl, sind jünger als der ebengenannte und füllen
das neunzehnte Heft seiner Sammlung. In ihnen macht sich, neben der
bildlichen Darstellung des zu Feiernden, das architektonische Element
mehr oder weniger geltend. Sie wurden gleichzeitig bearbeitet, als (im
J. 1829) der Gegenstand aufs Neue zur Sprache gekommen war, und sollten
vornehmlich dazu dienen, eine Reihe der gültigsten Hauptformen für das
Monument, in seiner grossartigeren Bedeutung, zur Auswahl vorzulegen;
zugleich war bei diesen verschiedenen Formen specielle Rücksicht auf
diejenigen Plätze im Mittelpunkte Berlins, die sich.für den Bau des Mo-
numents eignen konnten, genommen worden.

In der ebengenannten Zeit hatte der Gedanke, das Monument in der
Form einer grossen Säule, wie die des Trajan zu Rpm, auszuführen,
Theilnahme gewonnen; um den Schaft der Säule sollte,' ebenso wie dort,
ein Band mit Reliefsculpturen, die Thaten des Königs vorstellend, sich
f emporwinden; die Statue des Königs sollte dieselbe krönen. Diesem Ge-

danken gemäss ist der erste der in Rede stehenden Entwürfe ausgearbeitet;
^ doch hat Schinkel die Säule nicht (wie es in andern neueren Nachahmun-

gen dieser Form der Fall ist) isolirt hingestellt, sondern sie mit einem
Porticus kleinerer Säulen umgeben, aus dem sie in die Lüfte emporsteigt.
Dieselbe Einrichtung hatte an der trajanischen Säule stattgefunden, und
sie scheint nothwendig, um den Eindruck einer wirksameren Masse zu
gewinnen. Die Archite^ur dieses Porticus zeigt eine geschmackvolle

L'i'

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Schinkel's Deiikmälc.r. 337

Behandlung der dorischen Ordnung, die wiederum, dem Zwecke des Ganzen
angemessen, gewisse charakteristische Eigeuthümlichkeiten enthält. — Doch
hat die Form der Trajanssäule (ursprünglich bereits der sinkenden Kunst
des Alterthuras angehörig) manche Inconvenienzen, die mit den Anforde-
rungen eines höheren Schönheitssinns nicht wohl zu vereinigen sein dürften.
Schinkel selbst spricht dies aus und fügt somit dem ersten Entwürfe einen
zweiteq hinzu, der das charakteristisch Freie jener Form zu bewahren,
aber sie den höheren künstlerischen Zwecken gemäss umzugestalten sucht.
Statt der runden Gestalt der Säule, die für die Aufnahme von Sculpturen
wenig geeignet ist, hat er eiue viereckige, obeliskenähnliche Form erfun-
den, deren Flächen in einzelne Felder übereinander zerfallen, welche einen
zweckmässigen Einschluss für die einzelnen Reliefs bieten; statt der Bild-
nissstatue, deren Züge in der grösseren Höhe wenig erkennbar bleiben,
bekrönt er den Obelisken mit einer Yictoriä, deren Gestalt sich leicht
und frei gegen die Luft abschneidet, und das Bildniss des Königes selbst
stellt er, als eine ideal kostumirte Reiterstatue, auf hohem Sockel vor den
Obelisken. Das Monument ist zu den Seiten und hinten mit einem dori-
schen Doppelporticus umgeben, zwischen dessen Säulenreihen'sich tren-
nende Wände hinziehen, die mit Frescomalereien, die Thaten des Königs
darstellend, geschmückt sind. Das Ganze zeigt die classische Kunst wie-
derum in einer neuen, eigenthümlichen Combination; doch kann ich nicht
umhin, zu bemerken, dass die Trennung der Hauptfigur von dem hervor-
ragendsten Theile des Ganzen (wie gerechtfertigt aucJi in ästhetischer Be-
ziehung) doch eine gewisse Zerstückelung in der Gedankenfolge der reich-
gegliederten Composition hervorbringen dürfte, die die Wirkung derselben
auf das Innere des Beschauers vielleicht wiederum beeinträchtigte. — Ein
dritter Entwurf besteht aus einer kolossalen Reiterstatue auf mächtigem,
reich mit Sculpturen geschmücktem Postaraente, ebenfalls auf drei Seiten
mit einem Doppelporticus 'umgeben, dessen Giebel durch das Postament
der Statue noch überragt werden und dessen mittlere Wände gleichfalls
mit Malereien geschmückt sind. Hier vereinigt sich grossartige Erhaben-
heit mit einer reichen, fein ausgebildeten Umgebung zum würdigsten Ein-
drucke auf den Sinn des Beschauers. — Der vierte Entwurf enthält jenes
reichgebildete Sculpturwerk, welches bereits oben besprochen wurde (den
König auf einer Quadriga stehend): aber statt des einfachen Unterbaues
erhebt sich dasselbe über einer kräftigeren Masse, welche rings von einem
ernsten dorischen Porticus umgeben ist und äurch einen gewölbten Raum
ausgefüllt wird, in dem die Schriften und andere Reliquien des Königs
aufbewahrt werden sollten. Was von der Sculpturgruppe oben gesagt ist,
gilt auch hier; aber der Unterbau scheint ihr hier noch eine grössere
Würde und Bedeutsamkeit zu geben. — Der fünfte Entwurf wiederholt
zunächst dasselbe Monument, auch mit dem ursprünglich dazu bestimmten
Unterbau. Dahinter erhebt sich sodann, zu beiden Seiten ein wenig vor-
tretend, eine mächtige Colonnade, deren Wände wiederum zur Ausfüh-
rung von Frescogemälden bestimmt sind. Oberwärts aber, in der Mitte,
ruht auf-diesen Wänden (der besondern Lokalität, auf welche der Entwurf
berechnet ist, angemessen) noch ein hoher tempelartiger Bau, rings von
Säulenstellungen umgeben, dessen Inneres auch hier zur Aufbewahrung der
Reliquien dienen sollte. Die ganze Anlage,'in korinthischer Säulenord-
nung ausgeführt, entwickelt ein Bild grossartigst bedeutsamer Pracht. —

Kugicr, Kleine Schriflen. HI. . \ ' 22

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Karl Friödrich Schinkel.

An Kolossalität, an Pracht und einer, den ganzen Charakter der Stadt
beherrschenden Wirkung ist endlich der sechste Elntwurf vorzugsweise
ausgezeichnet. Dieser ist von quadratischer Grundfläclie und besteht aus
drei übereinandergesetzteu Geschossen, die sicli durch hohe korinthische
Säulenstellungen nach aussen ölfnen. Ueber dem obersten Geschosse ruht
noch ein leichter Bau von kleinerer Grundtläche (die Reliquienkammer
enthaltend), dessen Gipfel mit reicher Verzierung und der Statue einer
Victoria gekrönt ist. Jedes der drei Geschosse besteht, durch eigenthüm-
liche Stellung der Mauern, aus vier offenen Hallen, deren Wände mit
Malereien geschmückt sind. Im Grunde der vorderen Halle des ersten Ge-
schosses, in einer Nische, ist die sitzende Kolossalstatue des Königs ange-
bracht. Auch hier sind manche geistreiche Eigenthümlichkeiten in der
Behandlung der antiken Bauformen zu bemerken; so namentlich die leich-
tere Composition des Gebälkes, die in Rücksicht auf das Uebereinander-
stellen der verschiedenen Säulenreihen (sehr beachtenswerth für ähnliche
Fälle) angeordnet ist; so auch die kräftigen, reichgeschmückten Eckpilaster,
welche der Structur des Ganzen Zusammenhalt und festen Schluss gewäh-
ren, u. dergl. m.

Die übrigen monumentalen Entwürfe Schinkel's beziehen sich auf die
Ereignisse der Befreiungskriege. Zu diesen gehört zunächst das wirk-
lich zur Ausführung gekommene (in Eisen gegossene) Denkmal, welches
sich auf dem Kreuzberge bei Berlin erhebt (Heft III). Die Architektur
desselben ist, wiedenim als seltene Ausnahme und wohl mehr auf äussere
Veranlassung, im gothischen Style gehalten. Im Grundriss ein Kreuz bil-
dend, ist jeder Arm des Kreuzes an jeder seiner drei Seiten mit einer Nische
versehen; in diesen Nischen stehen kolossale Statuen von symbolischer Be-
deutung, die Hauptschlachten der Befreiungskriege bezeichnend. Ueber
ihnen erheben sich die Giebel, die Spitzen der Streben, die mittleren
Theile des Monuments leicht und frei in die Luft, so dass das Ganze die
Gestalt eines mannigfach gegliederten pyramidalen Thurmbaues annimmt.
Es ist hier somit das aufstrebende Element der gothischen Kunst (eine
Ausnahme auch unter den wenigen Entwürfen gothischen Styls) mit Ab-
sicht aufgenommen; aber auch hier muss ich es bekennen, dass mich das
Ganze nie in dem Maasse befriedigt hat, wie es vor so vielen andern
Werken Schinkel's stets der Fall ist. Indem ich mein Gefühl in Worte
zu fassen suche, möchte ich dies dahin erklären, dass eines Theils die
Statuen zu beengt zu steheri scheinen, andern Theils aber der ganzen
oberen Hälfte des Monuments die allmählig fortschreitende Entwickelung
fehlt, indem die sämmtlichen, zwar an Höhe und Stärke verschiedenen
Thürmchen in gleichem Momente aus der Giebelarchitektur hervortreten,
somit nicht eine gegenseitige Bedingung ihrer Existenz enthalten. Auch
dies scheint mir ein Beweis dafür, dass Schinkel's Eigenthümlichkeit in
der mittelalterlichen Kunst nicht ihre ursprüngliche Heimat findet.

Ein älterer Entwurf als der ebengenannte, ebenfalls ein Denkmal der
Befreiungskriege darstellend, ist als ein öffentlicher Brunnen gedacht
und besteht der Hauptsache nach ganz aus freier Sculptur. Ein Unterbau
von Granit bildet ein weites rundes Bassin, aus dem sich, von demselben
Materiale, der Sockel des Monuments, mit vier, nach verschiedenen Seiten
vorspringenden Schalen erhebt. Darüber beginnen die in Bronze gegos-
senen Sculpturen. Zunächst ein breites Fries, dessen Reliefs die Haupt-
ereignisse des Krieges darstellen und der von vier Gruppen sitzender

33S

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Schiukel's Denkmäler. 839

Statuen bekrönt wird; die Bedeutung dieser Gruppen bezieht sich, sym-
bolisch, auf die Haupteleinente, welche das Leben des Staates bilden; in
der Mitte jeder Gruppe ist ein Delphin, aus dessen Rachen das Wasser in
die darunter befindliche Schale hinabströmt. 'In der Mitte des Ganzen aber
ragt, von mehreren Stufen getragen, der thronende Genius Preussens em-
por, eine Gestalt von sehr kolossaler Gr()sse, geflügelt, ein flammendes
Schwert in der erhobenen Rechten. Auffassung und Behandlung zeigen
hier wiederum die entschieden classische Richtung des Meisters; das Ganze,*
frei emporgebaut und durch die springenden Wasser heiter belebt, musste
von höchst ergreifender Wirkung auf das Auge des Beschauers sein, — und
dies um so mehr, als einer der schönsten Plätze Berlins, der Schlossplatz,
für die Aufstellung des Monuments bestimmt war, wo die umgebenden
Gebäude einen würdigen Maassstab für die kolossale Dimension desselben
geliefert hätten. Schon im Jahre 1814 war, durch eine Corporation von
Ständen, der Auftrag zu diesem Entwürfe gegeben', die Ausführung indess
unterblieb. Brunnendenkmale sind in unsrer (freilich an Denkmalen über-
haupt noch sehr armen) Zeit fast gar nicht beliebt worden, und doch
tragen die springenden Wasser so günstig zur Belebung des Ganzen bei,
und wird umgekehrt durch die plastische Composition dem Spiele des
Wassers ein wirkungsreiches Motiv gegeben. Wie ungleich schöner würde
z. B. unter solchen Verhältnissen die im Lustgarten zu Berlin , vor dem
Museum, emporspringende Fontaine zu gestalten sein!

Ein einfaches Monument, das Grabdenkmal Scharnhorst's (Heft IX),
reiht sich diesen grösseren Werken an. Seine Hauptform ist mit Rück-
sicht auf die bergige Localität, für die dasselbe ursprünglich bestimmt
war, gewählt: ein schlichter Untersatz, über dem sich zwei starke, kurze
Pfeiler erheben., die einen Sarkophag tragen. Auch dieser ist von ein-
facher Gestalt^ aber ringsum mit Reliefs geschmückt, welche die Haupt-
momente aus dem Leben des Helden darstellen, üeber dem Sarkophag,
das Ganze in würdiger Fülle schliessend, ruht die kolossale Gestalt eines
schlafenden Löwen. iDas Denkmal, in seiner ernsten Form von ergreifen-
der Wirkung, in seiner Idee, seinen Verhältnissen, seinen sparsamen De-
tails wiederum ganz im classischen Geiste gebildet, ist auf dem Invaliden-
kirchhofe bei Berlin aufgestellt worden.

Endlich ist hier noch Ein Entwurf Schinkel's anzuführen, der, einen
materiellen Zweck aufs Grossartigste erfüllend, hiemit zugleich die edelste
monumentale Bedeutung verbindet. Dies ist die neue Schlossbrücke zu
Berlin (Heft III), die sich in majestätischer Breite, den umgebenden Plätzen
auf ihrer Oberfläche einen neuen Platz hinzufügend, über einen Arm der
Spree hinwölbt. Die Geländer, der Brücke sind reich durch die bildende
Kunst verziert; ungleich bedeutender aber erscheint diese Dekoration in
dem Entwürfe, indem sich über 'den kolossalen Granitwürfeln, welche
gegenwärtig die (nicht abschliessende) Bekrönung der Brückenpfeiler aus-
machen, hohe Postamente mit Statuengruppen, Helden und Siegesgöttinnen
vorstellend, erheben sollten. Diese Gruppen sind, ihrer Behandlung und
ihreir Bedeutung nach, ganz ideal gedacht, aber in Uebereinstimmung mit
den Umgebungen, wo rings die Denkmale der Helden stehen und wo auch
die erst entworfenen, wie z. ß. das Denkmal Friedrichs des Grossen, ihre
Stelle finden sollten: — ein Held, der von einer Siegesgöttin in den
Kampf geführt wird: ein andrer, von ihr gekrönt; ein dritter, im Kampfe
unterstützt; ein vierter, sterbend in den Armen der Siegesgöttin u. s, w.

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340 Karl Friedrich Schinkel.

Auch hier also tritt uns, wie in der architektonischen Anordnung, so vor-
nehnalich in der bildlichen Darstellung, die frei erhabene Anschauungs-
weise des classischen Alterthums in unmittelbarem Bezüge auf die Gegen-
wart, — wozu sie eben durch ihre Freiheit berechtigt und, wie es scheint,
berufen ist, — entgegen. Wie es verlautet, haben wir gegenwärtig der
Ausführung dieser Gruppen, und somit ohne Zweifel einer der schönsten
Zierden Berlins, entgegen zu sehen. • .

Rückblick auf Schinkel's architektonische Principien.

Die letzten Entwürfe haben uns schon bezeichnende Beispiele von
Schinkel's Thätigkeit im Fache der bildenden Kunst und von der "Weise,
wie er auch diese behandelt, gegeben. Ehe ich indess ganz zu der letz-
teren übergeh'e, dürfte es günstig sein, noch einmal die Grundzüge des an
seinen architektonischen Werken sich aussprechenden Charakters zusam-
menzustellen. — Die einfachen Formen der griechischen Architektur, in
ihrer klaren Gesetzmässigkeit, sind es, von denen Schinkel vorzugsweise
ausgeht. Aber er ist kein Copist dieser Formen; er hat vielmehr ihr in-
neres Wesen in sich aufgenommen und schafft lebendig und frei aus dem
Geiste der griechischen Kunst heraus. Eben aus diesem Grunde weiss er
die verschiedenartigsten Aufgaben stets auf eine classische Weise zu ge-
stalten , Grosses und Geringes mit classischer Consequenz durchzubilden,
und die griechischen Elemente zu mannigfach neuen Combinationen, den
umfassenderen Bedürfnissen der Gegenwart gemäss, weiter zu führen. Er
bleibt zugleich nicht einseitig bei diesen Elementen stehen; wo dieselben
für die höheren Bedürfnisse der Gegenwart nicht ausreichen, da führt er
neue Formen in die Kunst ein, welche den edelsten Ausdruck für diese
Bedürfnisse enthalten; und gleichwohl spricht sich in der Durchbildung
dieser neuen Formen wiederum derselbe classische Geist aus. So treten
uns seine architektonischen Principien in einer klaren innerlichen Harmo-
nie entgegen; so erscheint uns in diesen Principien ein bedeutsames Ele-
ment des Fortschrittes, welches das Gegebene nicht bloss in seiner reinsten
Gestalt aulfasst, sondern dasselbe auch als ein Entwickelungsfähiges be-
zeichnet und selbst diese Entwickelung in grossartigen Zügen darlegt. So
repräsentirt er uns eine innerlich lebensthätige Kunst, welche dfen Mitleben-
den die schönste Genugthuung gewährt. :

Freilich ist Vieles von dem Wichtigsten, was er geleistet, eben nur
im Entwürfe vorhanden, nicht in körperlicher"Ausführung in das Leben
eingetreten; freilich kann man vermuthen, dass er selbst vielleicht, durch
grössere Aufgaben und die angemessene Ausführung solcher angeregt, noch
Bedeutenderes, noch tiefer Einwirkendes würde geleistet haben. Doch ist
wenigstens das, was in seinen Entwürfen vor uns liegt, gewiss auf keine
Weise verloren und wird auch so von dem entschiedensten Einflüsse auf
den weiteren Gang der Kunst bleiben. Schon ist eine Schaar von zum
Theil höchst vorzüglichen Schülern und Nachfolgern da, w^elche sich
seine Principien mit lebendigem Sinne angeeignet haben und dieselben in
den mannigfachsten Leistungen zur weiteren Anwendung bringen; schon
ist in und bei Berlin eine Menge von Gebäuden emporgestiegen, die durch

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Rückblick auf Schiiikers architöktonische Principieii. 341

ihren schönen, reinen Styl auf die Einflüsse des Meisters, von dem dieser
Styl ausgebildet wurde, zurückdeuteu. Zwar finden sich im Ganzen fast
gar keine Anlagen von höherer, monumentaler Bedeutung unter diesen
Gebäuden; sie sind fast sämmtlich eben nur für den Bedarf des täglichen
Lebens bestimmt, aber auch so bieten sie in der Fassung des Ganzen und
in schmückenden Einzelheiten mannigfach interessante Beispiele dar; auch
besteht der grössere Theil derselben aus Landhäusern, in denen wiederum
eine grössere Freiheit der Form, als bei der Enge des städtischen Ver-
kehrs, gestattet ist. Die freieren Elemente von Schinkel's späteren archi-
tektonischen Leistungen sind es besonders, die an diesen Gebäuden her-
vortreten, — zuweilen zwar in einer Weise, die sich wiederum von der
gemessenen Consequenz Schinkel's mehr oder weniger zu entfernen scheint.
Doch liegt dies, wie es mir scheint, eines Theils eben nur darin, dass
diese Gebäude zumeist von jüngeren Architekten gebaut wurden, bei
denen das Höchste, was der Künstler aus eigener Kraft zu erringen hat,
das Maass in der Kunst, noch nicht in gleicher Weise zum Bewusstsein
hervorgedrungen sein mochte; andern Theils darin, dass auch dies Momente
in der Entwickelung der Architektur selbst sind, in denen natürlich, da
man nach einem noch nicht vollendeten Ziele hinstrebte, da man sich so-
mit dieses Zieles noch nicht mit voller Deutlichkeit bewusst war, das
Maass nur um so schwerer gefunden werden konnte. Jedenfalls spricht
sich in der Mehrzahl dieser Leistungen ein frischer, zumeist sehr gehalt-
voller Lebensdrang aus, der die schönste Zukunft zu yerheissen scheint
und dessen Leistungen von denjenigen unendlich verschieden sind, die für
ähnliche Bedürfnisse/einige wenige Beispiele ausgenommen) etwa zu An-
fange dieses Jahrhunderts hervorgebracht wurden.

Entwürfe zu plastischen Arbeiten, zumeist fiir architektonische

Zwecke. . ,

Die Kunst der Architektur erscheint überall, und besonders in denje-
nigen Perioden, in denen sich eine höhere Cultur entwickelt, mit der
bildenden Kunst verbunden; die Werke der letzteren, innerhalb einer
solchen Verbindung, sind als ein integrirender Theil von den Werken der
ersten zu betrachten. Die Bildwerke dienen der Architektur nicht bloss
als ein zufälliger, auf diese'oder jene Weise zu gestaltender Schmuck,
dessen Dasein etwa nur den grösseren oder geringeren Reichthum der An-
lage bezeichnet: sie sind der Form und der Idee nach wesentlich noth-
wendig zur Vollendung des architektonischen Ganzen. Die architektoni-
schen Formen können immer nur die allgemeinen Gesetze der
Erscheinung ausdrücken; wo diese zu individueller Bedeutung erhoben
werden sollen, da muss die bildende Kunst, die' Darstellung der beseelten
Gestalt, hinzutreten. Wo es darauf ankommt, die eigenthümlich besondre
Bedeutung des einzelnen Werkes der Architektur auszusprechen, da kann
dies (so lange man überhaupt das höhere Element der Kunst als ein gül-
tiges anerkennt) nur durch bildliche Darstellung, die eben das Einzelleben
und die Contlikte desselben zum Gegenstand hat, geschehen. Natürlich
aber darf diese bildliche Darstellung nicht auf eine willkürliche Weise

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34-2 Kai'l Friedrich S^-liiiikel.

gefasst werden; da aus der Verbindung von Architektur und bildender
Kunst Ein Ganzes hervorgehen, da die Bildwerke in dieser Beziehung nur
die Blüthe, die sich aus dem Stamme der Architektur entwickelt, vorstel-
len sollen, so ist es nöthig, dass eben dieses Yerhältniss sich kund gebe,
dass den freien Werken der Kunst dieselben allgemeinen Gesetze, zu Grunde
liegen, dass sie nach den Bestimmungen eines, mit den architektonischen
Principien übereinstimmenden, streng gemessenen Styles behandelt wer-
den. Für das Ganze, in seiner Idee und in deren Gestaltung, ist es also
nöthig, dass Beides, Architektur und Bildwerke, aus Einem Geiste geschaf-
fen werde, dass Ein Künstler es sei, der dieses Ganze erfinde, wenn es
auch nicht nfithig ist (in vielen Beziehungen sogar nicht zweckmässig sein
würde), dass er überall selbst an die technische Ausführung Hand anlege.

Eine hohe Anforderung wird nach alledem an den Architekten ge-
macht, wenn er seine Kunst in ihrer ganzen Bedeutung vertreten soll.
Wenige Architeliten aber sind in der neueren Zeit aufgetreten, die einer
solchen Anforderung Genüge geleistet hätten; eines lebendigeren Talentes
für die bildende Kunst ermangelnd, waren sie zumeist genöthigt, einen
Haupttheil ihrer Arbeit der Willkür Andrer zu überlassen, und sehr selten
nur hat es der Zufall gefügt, dass diese auf die Idee des Ganzen, auf eine
entsprechende stylistische Behandlung einzugehen wussten. Um so bedeu-
tender wiederum steht Schinkel da, indem ein gütiges Geschick seinem
Geiste die reichste Fülle bildlicher Anschauungen gegeben, indem er selbst
dies sein Talent für die bildende Kunst zu einer grossen Vollendung
durchgebildet hat. In seinen architektonischen Entwürfen sind auch die
hierher bezüglichen Theile ebenso lebenvoll, mit derselben Rücksicht auf
das Ganze durchgearbeitet, wie die Formen der Architektur selbst. In der
stylistischen Behandlung schliessen sie sich durchaus harmonisch der letz-
teren an; in Bezug auf die Idee der Darstellung spricht sich in ihnen die
specielle Bedeutung des Gebäudes, für welches sie entworfen wurden, in
grossartig freien Zügen aus.

Schon bei der Betrachtung von Schinkel's monumentalen Entwürfen
wurde bemerkt, dass auch in diesen Werken seiner Hand seine classische
Richtung sich mit Entschiedenheit geltend macht. Natürlich war dies bei
denjenigen bildlichen Darstellungen, welche sich einem architektonischen
Ganzen unterordnen, um so mehr bedingt, als die Bildwerke hier mit wirk-
lich griechischen, oder im griechischen Geiste componirten Bauformen in
Uebereinslimmung stehen mussten. Es sind die idealen Gestalten der
classischen Kunst in ihrer rein menschlichen Würde, es ist jene einfach
symbolische, mit Wenigem Vieles andeutende Darstellungsweise, was auch
in diesen Werken unserem Auge gegenübertritt; aber Schinkel schafft in
diesem Elemente wiederum frei von innen heraus, er hält eben nur das
Allgemeingültige, Allgemeinverständliche desselben fest, ohne (wie es an-
derweitig Beispiele genug giebt), das was nur der archäologischen Wissen-
schaft angehört, neu beleben zu wollen.

Für eine der geistreichsten Compositionen dieser Art halte ich dieje-
nige, welche von ihm für den Fronton der Hauptwache Berlins ent-
worfen wurde. Ich habe auf ,dieselbe schon im Obigen hingedeutet. Sie
enthält, in einer Reihenfolge von Gruppen, ein umfassendes Bild des
Krieges. Zwei Kriegergruppen auf zweispännigen Kriegswagen stürmen in
der Mitte des Giebelfeldes gegen einander; zwischen ihnen ist die Sieges-
göttin , welche die Rosse des einen Wagens lenkt und die des andern

"V'

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Schinkels Entwürfe zu plastischen Arbeiten, 343

zui'ückscheucht, so dass hier bereits der Lenker der Rosse dem Wagen
entflieht. Hinter dem letzteren sieht man Seenen der Verwüstung, welche
die jetzt Besiegten über das Land hereingeführt: ein Krieger schleift eine
Jungfrau an den Haaren sich nach, Unbewaffnete flüchten^ in der Ecke des
Giebels Weiber, Kinder und Greise um Hülfe flehend. .Auf der andern
Seite folgen auf den von der Victoria geführten Wagen zunächst einige
Gruppen, welche die gänzliche Niederlage der Feinde bezeichnen, sodann
in der Ecke die Klage einer Familie über den Leichnam eines gefallenen
Helden. Der reiche Inhalt ist hier mit wenigen Mitteln klar ausgespro-
chen; die verschiedenen Gruppen reihen sich auf eine harmonische Weise,
den Raum ebenmässig ausfüllend, an einander; die Gestalten, nackt oder
in einer Gewandung, welche die Bewegung der Körperformen klar wieder-
giebt, treten überall deutlich und bestimmt aus dem reichbewegten Ganzen
hervor. Die, leichte Skizze, welche Schinkel von dieser Composition mit-
theilt, gab Gelegenheit, ein höchst interessantes, der Würde jener Lokalität
sehr wohl 'entsprechendes plastisches Werk auszuführen; wie nothwendig
dasselbe zur Vollendung des Gebäudes (schon in allgemein ästhetischem
Bezüge) gewesen wäre, ist bereits früher angedeutet.

Noch verschiedne andre Compositionen, besonders für die Giebelfelder
griechischen Styles, hat Schinkel in der Sammlung seiner architektonischen
Entwürfe bekannt gemacht. Ich will hier nur kurz auf den schönen
Giebelschmuck des Packhofgebäudes und auf den der Sternwarte zu Ber-
lin hindeuten, welche beide, von plastischen Künstlern ausgeführt, den
genannten Gebäuden zur vorzüglichsten Zierde gereichen. — Am Interes-
santesten aber sind die Sculpturen, welche das Gebäude der neuen Bau-
schule zu Berlin schmücken und die, nach Schinkel's Entwürfen, voll-
ständig und zwar durchweg mit einer grossen Trefflichkeit ausgeführt sind.
(Sie bestehen, wie das gesaramte Aeussere des Gebäudes aus gebranntem
Thon.) Diese Sculpturen zerfallen nach den Räumen, zu deren Ausstattung
sie dienen, in verschiedne Cyklen. Als einen Hauptcyklus kann man zu-
nächst diejenigen betrachten, welche in den Fensterbrüstungen des Hauptge-
schosses angebracht sind. Es sind die Bilder einer Architekturgeschichte, d. h.
einer solchen, die mit freien Zügen nur einige grosse Phasen ihrer Entwicke-
lung andeutet, ohne sich gerade sonderlich viel auf das der Wissenschaft
angehörige Detail einzulassen. Die Reihenfolge beginnt mit den Zerstörungen
des Glanzes der alten Welt : umgestürzte, zerbrochene Theile antiker Gebäude,
über denen Erschlagene hingestreckt liegen oder neben denen Wehklagende
sitzen; Dann sieht man den Aufschwung zu neuem Leben. Der Genius
mit Fackeln in den Händen schwebt heran^ und Blumen spriessen unter
ihm hervor; neue Thätigkeit beginnt; einzelne Formen der Arbeit deuten
auf die Periode des Mittelalters. Dann folgen zahlreiche Bilder eines
frisch bewegten Geschäftes; Steine werden herbeigeführt, zusammengefügt,
Balken behauen, Gewölbe aufgerichtet, Malerei und Bildhauerkunst bringen
dem neu gewonnenen Dasein ihre verschönernden Gaben. Die Auffassung,

Ich freue mich, hier die Bemerkung hinzufiigen zu können, dass in der
That eine plastische Ausführung drir genannten Composition, in der entsprechen-
den Grösse, vorhanden ist. Sie findet sich im Inneren des Zeughauses von Ber-
lin, zum Schmuck eines der grossen .Waffensäle desselben , angewandt. (Es ist
schon bemerkt, dass die Composition später au^h an der für sie bestimmten
Stelle ausgeführt ist.)

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344 Karl Friedrich Schiukol.

die Behandlung in diesen Sceuen ist wiederum ganz classisch; die reine,
nackte Körperform herrscht durchaus vor, die Bewegungen entwickeln sich
demgemäss in freier Unmittelbarkeit, in unbefangener Naivetät; aber darin
besteht gerade die Schönheit dieser Darstellungen, dass sie eben, wie die
Antike, das Leben in seiner reinen Natürlichkeit, in Kraft und Unschuld
zugleich, fassen. Von einer Nachahmung der Antike kann hier jedoch gar
nicht die Rede sein, indem diese Darstellungen eben nur auf das Nächst-
liegende, auf das allgemein Menschliche, ausgehen und nur hierin die
Bedeutung des Gebäudes aussprechen. Nicht minder interessant und eigen-
thümlich ist der zweite Hauptcyklus, der die Darstellung an den Gewänden
der beiden Portale umfasst; an dem einen derselben sind nämlich die Bil-
der der Architektur in ihrer Bedeutung als schöne Kunst (besonders die
Personiflcationen der Säuleuordnungen), an dem andern die Bilder der
lg Architektur als Wissenschaft vorgestellt. Es würde zu weit führen, wollte

ich auch noch auf die andern Zierden dieses merkwürdigen Gebäudes, —
das in seinen bildnerischen wie in seinen architektonischen Theilen gleiche
Bedeutung für eine neue, auf classischer Grundlage frei entwickelte Kunst
hat, — näher eingehen.

In seinen kirchlichen Entwürfen hat Schinkel im Ganzen wenig von
bildnerischen Darstellungen in grösserem Maassstabe mitgetheilt; als Grund
hiefür darf man wohl annehmen, dass die zumeist beschränkten Mittel
diesen reicheren Schmuck seltner verstattet haben, dann aber auch, dass
von den bedeutenderen Entwürfen nur sehr wenige zur Ausführung gekom-
men, somit diese Einzelheiten auch niclit in gleichem Maasse, durchgear-
beitet sind. Doch finden sich auch s o Andeutungen genug für eine Be-
handlungswelse der hierher gehörigen Darstellungen in classischem Sinne,
wozu natürlich, da die gebräuchlichen Typen derselben'bis in das clas-
sische Alterthum hinaufreichen, eine sehr gültige Veranlassung war. Dass
eine solche Behandlungsweise die christliche Auffassung nicht nothwendig
beschränke, ist genügend durch die Geschichte der Kunst erwiesen. Aber
gerade für dies Verhältniss findet sich ein merkwürdiges Beispiel in Schin-
kels Entwürfen, welches, wie es scheint, eine besondre Aufmerksamkeit in
Anspruch nimmt: ich meine seine (in verschiednen Heften sich wieder-
holende, wenn auch mehrfach modificirte, Behandlung des Crucifixes,
das zum Altarschmucke bestimmt ist. Schinkel hat diesem Gegenstande
eine mehr künstlerische Fassung zu geben versucht; er stellt den Erlöser
nicht am Kreuze hängend, sondern vor demselben auf einer Kugel stehend
dar, so dass nur die Arme an das Kreuz geheftet bleiben. Um den Unter-
körper des Erlösers hat er ein volleres Gewand geschlagen, zumeist auch
über die Arme des Kreuzes selbst,ein teppichartiges Gewand gehängt, um
so dem Ganzen mehr Fülle und plastische Wirkung zu geben. Diese Dar-
stellung soll natürlich nicht dazu dienen, den Moment der Kreuzigung
selbst zu vergegenwärtigen; sie ist — im Sinne der classischen Kunst —
symbolischer Art; sie deutet allerdings auf den Opfertod des Erlösers hin,
aber sie fasst den Erlöser nicht als den seinen Qualen erliegenden Men-
schen, sondern als den Sieger über das Leiden der Welt auf; sie giebt
uns nicht den steten, abschreckenden Anblick eines zu Tode Gefolterten,
sondern leitet unser Gefühl von dem Opfer zu dessen gnadenreichen Fol-
gen hinüber; sie wirkt auf unser Gefühl in einer wahrhaft erhebenden
Weise und schliesst sich, auch in Bezug auf die äussere Form, würdig
einer würdigen Umgebung an. Die Darstellung ist in classischem Sinne

=1 >

w

II.

iiiim

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Schiukel's historische Malerei. 345

erfunden , aber ebenso mit christlichem Gefühle gedacht. Auch findet in
der Tliat jene düstere Vorstellung dadurch keine Sanction, dass sie eben
lange Zeit in Gebrauch gewesen: ihre Erfindung, ihre grösste Verbreitung
gehört denjenigen Perioden an, da in der Kunst materielle Elemente vor-
zugsweise überwiegend waren. Die hohe Kunst des christlichen Alter-
thums (mangelhaft in der äusseren Form, höchst tiefsinnig und würdig in
ihrem inneren Wesen) kennt durchaus keine Crucifixe; wenn man in jener
Zeit den Erlöser darstellen wollte, so geschah dies am liebsten unter dem
zarten Bilde des guten Hirten; so ist z. B. die Darstellung eines Sarko-
phages, an dem der gute Hirt als Jüngling zwischen zweien Schafen steht
und das eine derselben liebkost, ebenso edel künstlerisch gedacht, wie aus
dem innigsten Gefühle hervorgegangen. Erst inyder düstern Kunst der
Byzantiner werden die Crucifixe häufig und mit Vorliebe, zugleich von
vornherein in der abschreckendsten Gestalt, gebildet. Das grossartige vier-
zehnte Jahrhundert, die erste Blüthezeit der modernen Kunst, hat wieder-
um im Ganzen nur wenig solcher Darstellungen, dagegen sie im fünfzehn-
ten (der Zeit, in welcher man überall bestrebt war, die formale Seite der
Kunst, oft mit grosser Einseitigkeit, durchzubilden) wiederum häufiger her-
vortreten. Auch auf dem Gipfel der modernen Kunstentwickelung, in den
ersten Decennien des sechzehnten Jahrhunderts, finden sich, in Italien
wenigstens, diese Darstellungen sehr selten, und nur in der, nicht zu ihrer
Vollendung gediehenen Kunst des Nordens kommen sie auch in dieser
Zeit mehrfach vor. Am meisten aber beliebt und mit kaltblütigster Sorg-
falt durchgearbeitet erscheinen die Crucifixe in der Zeit des siebzehnten
Jahrhunderts, da aufs Neue, im Süden wie im Norden, derbsinnliche Auf-
fassungsweise in der Kunst vorherrscht und sich dieser, wenigstens in vie-
len Schulen, ein gewisses, ich möchte sagen: fanatisch-religiöses Element
zugesellt, was damit eben im besten Einklänge steht. Das aber ist, wie
es mir scheint, wiederum eine der dankenswerthesten Einwirkungen der
Antike auf die Kunst unsrer Zeit, dass sie, indem sie die Formen der
letzteren läuterte und reinigte, diese Formen eben auch zur Aufnahme ge-
läuterter und erhabener Ideen würdig machte, ohne dass man irgendwie
mit Grund sagen kann, dass hiedurch zugleich die Einführung speciell
pantheistischer Elemente bedingt werde. Oder ist es nöthig, dass ich hier,
um noch ein anderes Beispiel als Schinkels Zeiclinung anzuführen, etwa
an Thorwaldsen's kolossale Christusstatue erinnere, die, im reinsten classi-
schen Sinne gebildet, zugleich ihre Aufgabe löst, wie vielleicht kein Werk
früherer Zeiten? - " . -

Historische Malerei. ■

Die bisher besprochenen Entwürfe Schinkel's .für Werke bildender
Kunst sind solche, welche im.unmittelbaren Bezüge zur Architektur stehen,
vornehmlich solche, welche durch die Formen der Architektur bedingt wer-
den und sich diesen, als ein wesentlich nothwendiges Glied des Ganzen,
anschliessen. Aber Schinkel hat auch selbständige Werke .bildender Kunst
geliefert, wenn schon in ihnen, oamentlich in denjenigen, welche dem
Fache der historischen Malerei angehören, — wie es sich durch alles Vor-

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346 Karl Friedrich Schinkel.

hergehende ergeben muss, — -wiederum eine verwandte Weise der Aufassung
und Behandlung zu Grunde liegt. Die Hauptstelle unter diesen nehmen seine
Entwürfe zu den, in den Vorhallen des Berliner Museums auszufüh-
renden Wandmalereien ein, Arbeiten von einer so eigenthümlichen Voll-
endung, in Bezug auf die äussere Darstellung wie auf die Durchbildung
des ihnen zu Grunde liegenden Gedankens, dass ihnen, obgleich sie nie-
mals öffentlich ausgestellt wurden, doch bereits die entschiedenste Aner-
kennung im weitesten Kreise zu Theil geworden ist. Der erste Eindruck,
den diese Malereien (denn sie sind, wenn auch in kleinerem Maassstabe,
aufs Sorgfältigste in Farben ausgeführt) auf den Beschauer hervorbringen,
hat etwas eigen Ueberraschendes, eben in Bezug auf den Adel der
Form, auf den Reichthum der Gestaltung, auf die grossartige Harmonie der
Färbung, die in ihnen herrschen; man erwartete auch hier (wie es in den
oben besprochenen, für die baulichen Zwecke bestimmten Compositionen
der Fall ist) mehr nur skizzenartige Entwürfe, mehr nur die Andeutung
der Ideen, nach denen der bildende Künstler, um sich so den Anforderun-
gen des Ganzen zu fügen, würde zu arbeiten gehabt haben; man ist nicht
darauf vorbereitet, den Architekten auch in der frei bildenden Kunst als
einen vollendeten Meister wiederzufinden. Doch stehen diese Arbeiten
nicht vereinzelt da; noch manche andere reihen sich ihnen au, die man
in gewissem Sinne vielleicht als die Vorbereitungen zu diesen betrachten
kann. So glaube ich hier ein grosses kraftvolles Oelgemälde vom Jahre
1827, welches, inmitten eines dichten südlichen Haines, eine idyllische
Scene zwischen einem Mädchen und einem Knaben darstellt, nennen zu
dürfen, ein Bild, in dem das edelste Formenstudium hervortritt. So war
Schinkel ungefähr gleichzeitig mit diesem Gemälde (oder zunächst vorher),
mit ausgedehnten historischen Compositionren beschäftigt, welche den Er-
eignissen der Freiheitskriege gewidmet sein sollten. Er hatte die Absicht,
diese Compositionen ganz ideal (d. h. also: im Sinne der classischen Kunst)
zu halten. Sie sollten kein Portrait jener Ereignisse sein, was nur zur
Darstellung mehr oder weniger zufälliger Einzelheiten führen, aber nicht
den grossen Gang, den allgemeinen Inhalt derselben andeuten kann; sie
sollten eben diesen Gang, die wichtigsten Ereignisse jener denkwürdigen
Jahre als ein Ganzes — gewissermaassen als eine Parallele der Wirklich-
keit — zusammenfassen. Alles demnach, was an die Zufälligkeiten der
heutigen Existenz erinnert (namentlich die Beschränkung des Kostümes)
sollte wegfallen, nur das allgemein Menschliche sollte in ihnen hervortreten,
dabei aber das aufgenommen werden, was zur höheren Charakteristik, viel-
leicht in einer gewissen symbolischen Weise, nothwendig gewesen wäre.
Jene Composition für das Giebefeld der Berliner Hauptwache, so wie
manche Scene der für das Äluseum bestimmten Gemälde dürfte uns die Be-
handlungsweise, die sich Schinkel hiebei vorgezeichnet, erkennen lassen.
Indess sind von diesem Unternehmen nur einige Theile zur Ausführung
gekommen.

Die für die Vorhallen' des Berliner Museums bestimmten Malereien
wurden von Schinkel im Jahre 1828 begonnen. Ich bezeichnete sie vor-
hin als selbständige Werke bildender Kunst, im Gegensatz gegen diejeni-
gen, welche unmittelbar, als ein nothwendiges Glied, dem architektonischen
Ganzen angehören. Das sind sie gewiss: darum aber stehen sie keineswegs
ohne ein nälieres Verhältniss zu dem Gebäude, für welches sie bestimmt
wurden, ~ weder zu der Architektur, noch zu dem Zwecke desselben, da.

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347

Sdlirikel'b historische •Maitrei.

Audi sie fügen sich den allgemeinen architektonischen Bedingungen und
entsprechen dem angewandten architektonischen Style, aber in derjenigen
freieren Weise, dass die Architektur für sie gewissermaassen nur den
Rahmen und Einschluss bildet; auch sie sprechen die besondre Bedeutung
des Gebäudes aus, aber freilich in einer ungleich reicheren, umfassenderen
Weise, als es bei den im Obigen besprochenen bildlichen Entwürfen ver-
stattet sein konnte. Man mag dies Verhältaiss wenn man will, auch hier
immerhin noch als eine Schranke bezeichnen; aber es ist eine Schranke,
welche nicht die Freiheit, sondern nur die Willkür der bildenden Kunst auf-
hebt, eine Schranke, welche der Darstellung ein höheres Gesetz zu Grunde
legt und a.lles Niedrige, was den Zufälligkeiten der Erscheinung angehört,
daraus entfernt hält. Denn das eben bedingt überall die Grösse der monumen-
talen Kunst (in ihrer
höchsten Bedeutung), dass sie wesentlich auf die Idee
der Erscheinung, auf das Ursprüngliche und Dauernde derselben, eingehen
muss und dass sie in solcher Art, selbst wenn kein äusseres Gebot da ist,
mit den strengeren Gesetzen der Architektur in Uebereinstimmung tritt.

Schinkel's Malereien stellen die Entwickelungsmomente der Cultur, —
der harmonischen Gestaltuiig des Lebens in seiner Erscheinung, sofern die-
selbe aus dem Geiste der Schönheit hervorgeht, dar. Sie bezeichnen somit
den Zweck jenes Gebäudes in seiner erhabensten Bedeutung, inclem das-
selbe vor allem bestimmt ist, durch die Monumente, welche es bewahrt,
die unmittelbaren Zeugnisse eben desselben Entwickelungsganges der
menschlichen Cultur vor die Augen des Beschauers zu führen. Diese
Monumente aber sind nur einzelne Bruchstücke, ihre Entstehung war durch
unendliche äussere Verhältnisse bedingt: — den Zusammenhang im Gros-
sen und Ganzen zu fassen und frei zu veranschaulichen, sollten eben jene
Malereien am Aeusseren des Gebäudes dienen. Sie sind also, dem Begriife
nach, ganz allgemein gehalten; in einer durchaus idealen Weise behandelt;
sie gehen auf die einzelnen Momente der,Geschichte oder Tradition, die
eben den Blick wieder auf die äusseren zufälligen Verhältnisse des Lebens
führen würden, auf keine Weise näher ein. Ihre Gestalten haben nur in
sich selbst und in ihrem Zusammenhange, nur als Personiflcationen allge-
meiner Ideen, ihre Bedeutung. Aber es sind nicht die Erfindungen einer
nüchternen Abstraction; es sind lebendige Gedanken, die sich in ihnen
verkörpert haben; in freier Individualität, in naiver Aeusserung des Lebens
reilien sich dieäe Gestalten harmonisch aneinander. Einige von ihnen ge-
hören der Atischauungsweise des griechischen Alterthums an; aber auch
an diesen ist eben nur jene allgemeinere Bedeutung (sofern sich dieselbe
in ihnen vorzüglich klar ausgeprägt hatte), nichts dagegen von den spe-
ciellen Verhältnissen und Beziehungen der Mythengeschichte, aufgenommen.

Einige Andeutungen über den Inhalt dieser Malereien im Einzelnen
(denn eine ausführliche Beschreibung würde hier zu weit führen, würde
auch nur wenig Anschauliches bieten können), mögen dazu dienen, die
eben ausgesprochenen Bemerkungen über die Idee des Ganzen näher zu
bezeichnen. Die Malereien zerfallen, der Räumlichkeit gemäss, in zwei
Cyklen; der bedeutendere ist derjenige, welcher die Wände der grossen
äusseren Halle des Museums schmücken soll; der zweite war für die Halle
über der Treppe bestimmt. Jeder von diesen Cyklen sollte aus vier Ge-
mälden bestehen. In dei: äusseren Halle (wo die Malereien etwa die obere
Hälfte der Wände einnehm(jn sollen), sind dies die schmalen Seitenwände,
mit Gemälden von quadratischer Form, und die Hauptwände zu den Sei-

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348 Karl.Friedrich Sthiokel.

ten des Einganges, mit Gemälden, die etwa sechsmal so laug wie hoch
sind. Dem Inhalte nach sondert sich dieser äussere Cyklus in zwei Haupt-
theile, von denen der eine, makrokosmisch, die Entwickelung der Welt-
kräfte (als Wesen ethischer Bedeutung) von der Nacht zum Lichte, der
andre mikrokosmisch, die Entwickelung der geistigen Cultur des Menschen,
vom Morgen zum Abende des Lebens, darstellt. — Das erste Bild ist das
der linken Seitenwand: ein dunkler, purpurschiminernder Kreis, der von
seligen sternetragenden Gestalten, die sich in harmonischen Bewegungen
durcheinander schlingen, erfüllt wird; in der Mitte ein riesiger Greis, —
Uranus, die Arme liebevoll ausbreitend. Es ist die Darstellung der göttlichen
Kräfte in ihrer ursprünglichen Heiligkeit und Reinheit. — Das folgende
Gemälde, eins der breiten Langbilder, stellt das Hinaustreten dieser Kräfte
in die Welt dar. Es enthält einen langen Zug unzähliger schwebender
Gestalten, die aus nächtlich graublauem Dunkel sich in das lichte Blau
des Tages hinüberziehen. Zu Anfange sieht man Kronos und die Titanen
in das Dunkel hinabweichen, Zeus und lichttragende Wesen vor ihm zur
neuen Herrschaft emporsteigen. Die Nacht, ein grosses schönes Weib,
breitet ihren Mantel, unter dem mannigfache Gruppen Schlafender ruhen,
über sich empor. Von da zieht es in das Leben des Tages hinaus, anfangs
noch träumerisch und zögernd, dann immer kräftiger, entschlossener, be-
wegter. Geberden und Attribute bezeichnen hier die Hauptmomente der
Existenz; Kampf gegen die verfolgenden Gestalten der Tiefe, das Hinab-
giessen des Thaues, Hinabstreuen von Samen und Blüthenstaub u. dgl. m.,
giebt die mannigfachsten Motive für die Darstellung. Immer lebendiger
und heitrer wird es; Eros und Venus Urania erscheinen; endlich, neben
verschiednen andern Gestalten , Phöbus auf dem Sonnenwagen und die
Grazien, die über ihm schweben. — Das dritte Gemälde (wiederum ein.
Langbild) enthält, wie bemerkt, die eigentliche Darstellung menschlicher
Cultur. Es beginnt mit dem Jugendalter des Menschen; sibyllinische und
dichterische Begeisterung, Versuche bildender Kunst ziehen den Wilden
zu dem Bande der Sitte heran und wandeln die Uebung roher Kraft zum
heitren Spiele; das Fest der Erndte bezeichnet die Freude am heimatlichen
Boden. Auf der Mittaghöhe des Lebens entspringt unter den Hufen des
Flügelpferdes der Quell der Phantasie; er stürzt hinab in eine kühle Grotte,
in deren Tiefe, halb verdeckt von dem Schleier des fallenden Wassers,
die Göttinnen des Schicksals sitzen. Nymphen sind mannigfach am Rande
der Grotte beschäftigt, Helden und Dichter werden mit ihrem Wasser er-
frischt, Werkleute und Gesetzgeber holen von da Kräftigung für ihr
Thun. Jenseit der Grotte geht es in den Abend des Lebens hinein; hier
wird zur Erfüllung, was vorher Ahnung war. Die Kunst breitet sich in
erhabenen Werken aus, der Genius hat sich dem schaifendfen Künstler zu-
gesellt; an die Säulen des Tempels lehnt sich die W^einlaube und das
fröhliche Fest der Kelter. Die Musen tanzen hier, dem greisen Dichter
nah, ihren feierlichen Reigen; edle Krieger kehren siegreich heim, von der
Göttin des Sieges geleitet. Auf einsamer Höhe schaut der Weise zu den
Gestirnen empor, und nach unbekannten Küsten hinaus zieht der SchiflFer,
dem die Müsse ihren segensreichen Gruss mitgiebt. — Das vierte Bild
endlich zeigt den Schluss des Irdischen und seine Verklärung. Wehkla-
gend ist eine Familie auf den Stufen eines Grabmales vereint, das von
nächtlichen Wolken beschattet wird. Ueber den Wolken aber bricht der
Schimmer eines neuen Tages'herauf; eine verklärte Gestalt schwebt zum

fcl'N <

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349

Schinkel's historische Malerei.

Lichte empor, von seligen Wesen empfangen. — In diesen Bildern ist es
indess, wie reiche Composition sich darin auch entfalte, mehr nur die Cultur
an sich, welche dargestellt wird; das Leben erscheint hier im Allgemei-
nen in einer hohen, ungetrübten Heiterkeit. Die Frucht, welche die Cul-
tur auch für das Leben in seinen beschränkten, in seinen widerwärtigen
Verhältnissen bringt, — die moralische Bedeutung der Cultur — stellt sich
in den beiden, nur zur Vollendung gekommenen Bildern des zweiten Cyklus
dar. Diese zeigen den Menschen im Kampfe mit dem von aussen herein-
brechenden Unglücke und die innere Kraft, mit der er es wagt, der Ueber-
macht entgegen zu treten. Das erste Gemälde ist die Darstellung einer
Ueberschwemmung und der aufopfernden Liebe, M'elche Rettung versucht
und möglich macht. Das zweite stellt den Einbruch barbarischer Horden
in friedliche Wohnungen dar, Gewandtheit und Kühnheit im Gegensatz
gegen rohe Gewalt. Die beiden noch nicht entworfenen Bilder dieses
zweiten Cyklus sollten, soviel ich weiss, die Ueberlleferung der durch das
Leben und im Culturverbände gewonnenen Resultate, in der Wissenschaft
auf der einen, in der Kunst auf der andern Seite, enthalten.

Ich konnte den Inhalt der Bilder nur,in flüchtigen, ungenügenden
Zügen andeuten-, die lebenvolle Entwickelung dieser Ideen, das heitere
Spiel dieser fast unzählbaren Gestalten, die hohe Schönheit, die überall
in ihnen waltet, kann nur im Anschauen der Gemälde selbst empfunden
werden. Es ist wiederum der Geist der
classischen"Kunst, aus dem sie
gebildet sind, aber dieser Geist nur, sofern er die Natur selbst in ihrer
edelsten Würde erfasst oder sie darauf zurückführt; es ist eine classische
Compositionsweise, die in ihrer Behandlung hervortritt, aber auch diese
nur, sofern hierin diejenige freie Symbolik der Kunst zu Grunde liegt,
welche die Darstellung der Idee mit den einfachsten Mitteln erreicht; es
entwickelt sich in diesen Bildern, von den classischen Elementen aus,
wiederum eine Weise der Anschauung welche den inneren Bedürfnissen
der modernen Zeit entspricht, aber die letzteren eben durch jene Elemente
zu einer neuen Läuterung emporführt. — Aber freilich ist mit Zuversicht
hinzuzufügen, dass der Eindruck und die Wirkung dieser Compositionen
sich noch um ein Bedeutendes steigern werde, wenn sie in dem nothwen-
digen grösseren Maassstabe und in derjenigen architektonischen Umgebung,
auf welche sie berechnet sind, zur Ausführung gekommen sein werden.
Wir hatten sie lange in den Hallen des Museums schmerzlich vermisst; so
schön das Gebäude ist, so machte es dennoch, mit seinen leeren, kalten
Wänden, fast den Eindruck einer Ruine. Jetzt werden die sehnlichsten
Wünsche aller Kunstfreunde Berlins in Erfüllung gehen, wird das theuerste
Vermächtniss, welches Schinkel uns hinterlassen, dem Leben des Tages
frei dargeboten"*werden. Se. Majestät der jetzt regierende König hat die
Ausführung der Gemälde, al Fresco, befohlen; Cornelius hat die Leitung,
C. H. Hermann, einer der tüchtigsten Freskomaler, und andere Künstler
haben die Ausführung übernommen, und schon sind die Vorbereitungen
dazu begonnen.

Schinkel's architektonische und bildnerische Leistungen, wie sie im
Vorigen besprochen sind, stehen, wie bemerkt, in gegenseitigem Verhält-
nisse zu einander; die Gesamratanschäuung beider-Richtungen giebt erst
ein zureichendes Bild seines künstlerischen Charakters.. Doch ist mit ihnen
seine Thätigkeit im Fache der Kunst keineswegs abgeschlossen: noch in

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350 Karl Friedrich Schinkel.

manchen andern Zweigen hat er bedeutend und folgenreich gewirkt imd
auch letztere dürfen nicht übergangen werden, wenn es sich darum han-
delt, den ganzen Reichthum dieser seltnen Erscheinung zu würdigen.

t

Landschaftliche Gemälde.

Schinkel wird den vorzüglichsten Landschaftsmalern zugezählt, welche
an dem neuen Aufschwünge der Kunst im gegenwärtigen Jahrhunderte
Theil hatten; seine Arbeiten in diesem Fache gewähren aber nicht bloss
in Bezug auf dies Verhältniss, sondern auch an sich ein eigenthümliches
Interesse. Um die Richtung näher zu bezeichnen, die er in seinen land-
schaftlichen Gemälden befolgt, kann man wiederum von dem Mittelpunkte
seiner künstlerischen Wirksamkeit, von der Architektur, ausgehen. Er liebt
es, grossartige Baulichkeiten zum Hauptgegenstande seiner landschaftlichen
Darstellungen zu machen und die Scenen der ofl'nen Natur und die des
menschlichen Verkehrs in üebereinstimmutfg mit ihnen zu gestalten: er
giebt in diesen Bildern gewissermaassen die Architektur in ihrem Verhält^
nisse zum Leben, Doch ist hierin insofern ein bedeutender Unterschied
von seinen wirklich architektonischen Leistungen, als er in diesen Gemäl-
den die Architektur nicht ausschliesslich nach dem Principe behandelt,
welches er für die Gegenwart als das Angemessene erkannt und ausgebil-
det hat, sondern dieselbe objektiv, in derjenigen Gestalt aufnimmt, in
welcher sie als Denkmal der verschiedenen Entwickelungsperioden der
Geschichte dasteht. Seine landschaftlichen Gemälde sind zumeist Bilder
dieser Entwickelungsperioden selbst, indem er durch ihre ganze Composi-
tion bestimmte Zeiten und bestimmte Gögenden der Erde auf umfassende
Weise charakterisirt. Solcher Objektivität entspricht denn auch die male-
rische Behandlung. Jenes Element gemüthlicher Stimmung, welches die
Natur zum Spiegel des inneren Seelenlebens macht und welches in unsrer
neusten Landschaftschule zu einer so bedeutsamen Entfaltiing gediehen ist,
(ich nenne besonders Lessing als Repräsentanten dieser Richtung) tritt in
Schinkel's Bildern weniger hervor; ungleich mehr sind sie, was die Be-
handlung anbetrifft, der plastischen Ruhe und klaren Naivetät derjenigen
älteren Landschaftschule verwandt, welche sich im siebzehnten Jahrhun-
dert auf italienischem Boden (zumeist zwar durch Ausländer gepflegt) ent-
wickelte. Mau hat die Richtung der letzteren als die classische Landschaft
bezeichnet, gewiss nicht ohne guten Grund in Bezug auf die genannten
Eigenschaften, — wie denn auch die wenigen antiken Landschaftsbilder,
die wir kennen, auffallend an den Styl eines N. Poussiu erinnern; — wir
mögen auch Schinkels Landschaften mit demselben Worte bezeichnen und
werden somit wieder auf den Grundzug seines künstlerischen Charakters
zurückgeführt. Uebrigens ist nicht ohne Ausnahme in den sämmtlichen
hieher gehörigen Gemälden seiner Hand die Architektur vorherrschend;
einige enthalten nur die freien Gestaltungen der Natur, aber auch in die-
sen macht sich dieselbe Behandlungsweise bemerklich.

Ich will nur einige wenige Beispiele Schinkel'scher Landschaften an-
führen, um das eben Gesagte näher zu belegen; ich will besonders auf

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Schinkel's landschaftliche Gemälde.

351

zwei Gemälde aufmerksam machen, die seine eigne Wohnung schmücken
und die nach verschiedner Richtung hin, seine Auffassungsweise zu cha-
rakterisiren vorzüglich geeignet sind. Das eine Bild stellt griechische
NaJ.ur und griechisches Leben in ihrer Blüthe dar. Man sieht im Mittel-
grunde desselben die Gebäude einer griechischen Stadt mit emporragenden
Tempeln hingebreitet-, zur Linken zieht sich die steile Höhe der Akropolis
empor, auf deren Plateau, mehr im Vorgrunde, ein dorischer Porticus und
vor diesem die kolossalen Gruppen der Dioskuren hervortreten. Am Ab-
hänge dieses Berges bemerkt man verschiedne kleinere Heiligthümer; ein
Wäldchen von Platanen und Kastanien führt zur Stadt hinab; vor der
letzteren ist ein Öffentlicher Versammlungsort, in welchem gymnastische
Spiele ausgeführt werden. Das Ganze ist in heitrem südlichem Lichte
gehalten; die Ferne, deren Berg- und Uferformen in den schönen Linien
der südlichen Natur gezeichnet sind, erscheint in klarem, bläulichem Dufte.
— Das andre Bild entwickelt die Pracht des nordischen MittelaltersI Auf
einer Anhöhe, deren Fuss mit Eichen bewachsen ist, erblickt man das
reiche Gebäude eines gothlschen Domes; der eine seiner Thürme erhebt
sich in den freien, kühnen Formen dieser Architektur in die Lüfte; über
dem andern, der noch nicht ganz vollendet ist, wallt eine grosse Fahne.
Zur Seite des Domes steht das Gebäude einer kaiserlichen Pfalz, dem
eine festlich geordnete Schaar von Knappen, Rittern und Herren,'in der
Mitte der Kaiser unter dem Baldachin, entgegenzieht. Weiter zurück und
mehr in der Tiefe breitet sich, von einem Flusse durchschnitten, eine
mittelalterliche Stadt mit mannigfachen Gebäuden hin; die Ferne wird
durch Bergzüge abgeschlossen. Der Himmel ist mit dunkeln Regenwolken
erfüllt, vor denen der hell beleuchtete rothe Sandstein des Domes einen
wifkungsreichen Contrast bildet; das Ganze ist in den ernsten Tönen ge-
halten, welche der nordischen Natur die längere Zeit des Jahres hindurch
eigen sind.

In ähnlicher Weise hat Schinkel noch in manchen andern Bildern
theils das griechische Leben, theils das nordische Mittelalter charakteri-
sirt. Unter den ersten ist namentlich ein Gemälde berühmt, welches eben-
falls die Ansicht einer griechischen Stadt in der schönsten Blüthe Griechen-
lands darstellt und welches für die Prinzessin Friedrich der Niederlande
(wenn ich nicht irre, im J. 1825) gemalt wurde; hier tritt indess mehr als
in seinen andern landschaftlichen Gemälden das Element der Historien-
malerei hervor, iu,dem im Vorgrunde ein Tempelbau und zahlreiche
Gestalten griechischer Jünglinge, die an der Ausführung des Baues arbei-
ten, dargestellt sind» In seinen bildlichen Darstellungen gothischer Pracht-
gebäude folgt Schinkel ganz der reichen Entwickelung dieses Styles, welche
vornehmlich in Frankreich und Deutschland, in den Zeiten des dreizehn-
ten und vierzehnten Jahrhunderts statt gefunden hatte, ohne dieselbe durch
seine eigne Ansicht über die Gültigkeit derselben zu beschränken.') In

') Ebenso ist Schinkel bei der Restauration der bedeutendsten mittel-
alterlichen Bauwerke des preiiiss. Staates, die in den letzten Deceunlen
statt fand und deren obere Leitung seinen Händen anvertraut war, — bei der
Restauration der Dome von Cöln, Magdeburg, Brandenburg, des Schlosses Ma-
rienburg u. s. w. überall auf das, der Anlage dieser Gebäude zu Grunde gelegte
System mit Sorgfalt eingegangen und hat eben nur dieses System in seiner In-
tegrität herzustellen gestrebt.

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352

mm

Karl Friedrich Schinkel.

manchen seiner Gebäude entwickelt sich auch die vornehme Pracht ita-
lienischer Architektur, wie sich diese in der Zeit um den Schluss des
Mittelalters gestaltet hatte, und wiederum sind die Natur und die Staffage
demgemäss behandelt. So sieht man auf einem dieser Bilder den AUan
eines fürstlichen Parks vor sich, der von zwei hohen Bäumen überschattet
wird und auf dem der Fürst, Ritter und Edelknaben sich versammelt ha-
ben; in der Tiefe die Gebäude einer italienischen Stadt und einen von
hohen Bergen umschlossenen See; das Ganze im südlichen Abendglanze
gehalten. Eine der schönsten Compositionen Schinkels enthält ein Schloss
und den dazu gehörigen Park im altfranzösischen Style, über welches sich,
fast wehmüthig, eine tiefe Stille ausbreitet. (Die Idee zu dem Bilde rührt
von Clemens Brentano her.) In seinen landschaftlichen Bildern ohne
Architektur hält Schinkel gewöhnlich bestimmte Motive, theils der südli-
chen, theiis der heimischen Natur, fest. — In Berlin sieht man eine grosse
Anzahl seiner landschaftlichen Compositionen in der berühmten Gemälde-
gallerie des Consuls Wagener, verschiedne im Original, eine grosse Reihe
in trefflichen Copien von Ahlborn.

Endlich muss ich an dieser Stelle auch noch der grossen landschaft-
lichen Zeichnungen erwähnen, die Schinkel auf seinen Reisen, theils in
Italien (vornehmlich in Sicilien) , theils besonders in Tyrol, angefertigt
hat. Es sind meisterhaft durchgearbeitete Federzeichnungen, in welchen
man, schon in der Bestimmtheit ihrer Behandlungsweise, ebenfalls seine
eigenthümliche künstlerische Richtung ausgesprochen findet. Den einhei-
mischen Kunstfreunden sind diese interessanten Arbeiten wohl bekannt.
Ein Paar von ihnen hat er mit der Feder auf Stein gezeichnet.

Entwürfe zu Theaterdecorationen.

Ein eigenthümliches Interesse gewähren ferner die Theaterdecorationen,
welche Schinkel für die Berliner Bühne, in der Blüthezeit derselben wäh-
rend der Intendantur des Grafen Brühl, entworfen hat. Es wurde in die-
ser Zeit eine grosse Reform im Decorationswesen eingeleitet, die von der
Berliner Bühne aus auch in weiteren Kreisen gewirkt,hat. Man war eines
Theils bemüht, die grellen Effecte, die bis dahin in der Decorationsmalerei
beliebt gewesen waren, aufzuheben und statt deren eine harmonische, der
Erscheinung des Schauspielers sich anschliessende Wirkung zu erreichen;
anderen Theils bestrebte man sich. Ort und Zeit des einzelnen Drama
auch in der scenischen Umgebung auf eine möglichst charakteristische
Weise zu vergegenwärtigen. Für das Erste erreichte man dadurch sehr
bald den erwünschten Zweck, dass man, statt der bisher üblichen Behand-
lungsweise, malerische Compositionen berühmter Meister zum Vorbilde
nahm, wie z. B. die schöne Decoration der Scene in der Oper Armide,
in welcher Rinald im Zaubergarten der Armide entschläft, die unmittel-
bare Copie eines Gemäldes von Claude Lorrain — für den beabsich-
tigten Zweck höchst passend — enthält. In dem zweiten Bezüge wandte
man sich an Schinkel's Talent, welches hierin wiederum Gelegenheit zur

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Schinkel's Entwürfe zu Tlieaterdecorationeii.

reiclihaltigsten Manifestation erhielt. Seine Decorationen sind auf gewisse
Weise mit seinen eigentlichen Landschaftsbildern zu vergleichen; auch
hier treten, zumeist zwar ausschliesslich unter den Formen der Architektur,
die Culturzustände verschiedener Zeiten und Länder in unmittelbarer Ge-
genwart vor unsere Augen. Natürlich aber mussten diese Bestrebungen
hier, den wechselnden Aufgaben gemäss, sich ungleich mannigfaltiger ge-
stalten, so dass wir gerade hiedurch Gelegenheit gewinnen, den grossen
Umfang seiner architekturgeschichtlichen Bildung und die Lebendigkeit,
mit welcher er die verschiedensten Zustände in ihrer innersten Eigenthüm-
lichkeit aufzufassen vermochte, zu bewundern. Gar manche, von diesen
Entwürfen dürfen wir als die geistreichsten Restaurationen für diejenigen
Kunstepochen, deren Zeit sie vergegenwärtigen sollten, betrachten.

Ein grosser Theil dieser Entwürfe Schinkers ist in colorirten Blättern
herausgegeben; es sind fünf Hefte, zwei in gross Fo^o, drei in klein Folio.
Diese geben uns zu einigen näheren Andeutungen Anlass. Für die Wieder-
belebung classischer Architektur sind besonders die Decorationen einiger,
im classischen Alterthum . spielenden Opern von namhafter Wichtigkeit.
Dahin gehören vornehmlich die der Olympia, unter denen die innere An-
sicht des ephesischen Dianentempels (für den ersten Act) ohne Zweifel als
die gelungenste Restauration dieses merkwürdigen Gebäudes, überhaupt
griechischer Hypäthraltempel, zu betrachten sein dürfte; auch das kleine
Heiligtlmm der Diana (für den dritten Act) giebt ein. höchst anspreciiendes
Bild griechischer Götterverehrung. Der Hypäthraltempel dos Apollo, für
die Oper Alceste, ist ebenfalls als eine bemerkenswerthe Restauration her-
vorzuheben"; Meisterhaft sind auch die Decorationen zur Vestalin u. a. m.
~ Die Decorationen zur Zauberflöte entfalten ein reiches Bild ägyptischer
Cultur, welches hier freilich, - der Oper gemäss, auf eine geistreich freie
Weise, besonders in den mehr phantastischen Scenen, behandelt ist. Die
Darstellung der Burg Sion für die Oper Athalia giebt uns ein anschauliches
Bild althebräischer Pracht, als dem ägyptischen Architektuistyle verwandt
aufgefasst. — Andre Blätter führen uns in die verschiedenen Perioden des
Mittelalters ein. Altnordisclie Holzbaukunst erscheint in reichster Aus-
bildung in einer für das Schauspiel Ratibor und W^anda bestimmten Deco-
ration. Die ganze phantastische, theils erhabene, theils düstere Pracht der
sogenannten byzantinischen Architektur tritt uns in den Decorationen des
Trauerspiels Yngurd gegenüber. Ebenso der Reichthum des "gothischen
S(yles, theils in seiner früheren, strengeren Ausbildung, — in der feier-
lichen Kirche füi- das Trauerspiel Axel und Walburg; theils in der späte-
ren Eleganz, — in den Decorationen für die Jungfrau von Orleans u. a.
Kine der trefflichsten Decorationen ist, nach meiner Ansicht, die für den
ersten Act der Braut von Messina entworfene: eine Säulenhalle, in welcher
der antike Architekturstyl in demjenigen romantischen Sinne aufgenommen
ist, der sich in Italien und besonders in Sicilien in der frühesten und in
der spätesten Zeit des Mittelalters häufig findet, so dass hier die Verbin-
dung des classischen und romantischen Elementes, die Schiller in seiner
Tragödie beabsichtigt hat, schon durch den blossen Anblick der Scene
dem Beschauer lebendig gegenübertritt. U. s. w. Ich wiederhole, was ich
früher bereits angedeutet habe, dass vornehmlich diese Entwürfe (denen
noch viele andre nicht herausgegebene, z. B. ohne Zweifel einige der De-
corationen zu Gluck's Iphjgenia in Tauris, anzureihen wären) uns vou

Kugicr, Kleine Schriften, UI. 23

353

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364 Karl Friedrich ScLiiikel.

Snhinkel's causgebrelteten Studien im Fache der schönen Baukunst Zeug-
niss geben, und dass gerade durch eine solche Bemerkung die strenge Con-
sequenz desjenigen Systems, welches er in seinen eigentlich architektoni-
schen Arbeilen befolgt, nur um so characteristischer und um so achtungs-
würdiger hervortritt.

Einwirkung auf das Handwerk.

Noch ist endlich eine Richtung von Schinkels künstlerischer Thätig-
keit zu besprechen, welche wiederum entschieden auf dem Grunde eben
dieses Systems beruht und welche, in unmittelbarster Verbindung mit dem
Leben, von dem ausgedehntesten Einflüsse auf die Bildung des Formen-
sinnes unsrer Zeit gewesen ist. Ich meine seine Einwirkung auf das
Handwerk. Unter mannigfachen Verhältnissen hat Schinkel Gelegenheit
gehabt, den Leistungen des Handwerkes das Gepräge des Adels und der
Schönheit zu verleihen und so das Erzeugniss des materiellen Bedüiinisses
zum inhaltreichen Werke der Kunst umzugestalten. Hier tritt wieder das
classische Element seiner künstlerischen Eigenthümlichkeit in seiner schön-
sten Bedeutung hervor, indem es vor Allem jene klaren, gemessenen, in
lebendiger Elasticität bewegten Linien der classischen Kunst sind, in denen
er die Geräthe, deren der heutige Lebensverkehr bedarf, gebildet und mit
denen er sie geschmückt hat. Die geläuterten Formen, welche den Erzeug-
nissen der Kunstindustrie Berlins gegenwärtig einen so grossen Vorzug
verleihen, hat man grossentheils dieser seiner Wirksamkeit zu verdanken.
Sehr schwer aber ist es, wie es in der Natur der Sache liegt, hier die
Wege seiner Einwirkung nachzuweisen; doch sind als die vorzüglichsten
Momente wohl diejenigen hervorzuheben, in denen er die ganze innere
Decoration und Ausstattung von Prachtgebäuden zu leiten hatte, so dass
bei solcher Gelegenheit eine Menge der trefflichsten Vorbilder in den Be~
siz des Handwerkes übergegangen ist. Namentlich ist in diesem Bezüge
die innere Ausstattung einiger prinzlichen Paläste anzuführen; für die Ar-
beiten des Malers und des Stuccateurs, für die Ausführung gewirkter Tep-
piche, für Mobilien und Geräthschaften der mannigfachsten Art hat er hier
die grösste Anzahl höchst reizvoller Muster, immer neu und immer in
jener classischen Reinheit, geliefert, so dass die in solcher Weise geschmück-
ten Räume auf das Gefühl des gebildeten Beschauers den wohlthuendsten
Eindruck hervorbringen müssen.

Herausgegeben ist von solchen Arbeiten nicht eben eine umfassendere
AnzahL Manches indess findet man in den auf Kosten des Staates und
unter Schinkel's Mitwirkung herausgegebenen prachtvollen „Vorbildern für
Fabrikanten und Handwerker." Von seiner Hand sieht man unter diesen
Blättern vorzüglich schöne Gefässe, Schalen, Pokale u. a., theils von ein-
facher Form, theils mit reichen figürlichen Darstellungen geschmückt, —
Glasgeräthe, Candelaber, Teppichmuster, reiche Mobilien,, Gemälderahmen
von verschiedener Form (welche letzteren zum grössten Theile für die vor-
züglichsten Gemälde des Museums, den Eindruck derselben auf eine an-
gemessene Weise erhöhend, ausgeführt sind) u. a. m. Eins der geschmack-

Ta

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Einwirkung auf das Handwerk.

365

vollsten Werke ist der Entwurf zur Decoration eines springenden Brun-
nens , der auf dem Hofe des Gewerbeinstituts zu Berlin auögeführt ist. —
Ein anderes, seit einig^er Zeit begonnenes Prachtwerk (von dem Architekten
Lohde herausgegeben) enthält die Darstellungen mannigfacher Mobilien, die
von Schinkel für verschiedne fürstliche Paläste entworfen wurden. Auch
hier sieht man die gediegensten Bilder eines edlen, durchaus geläuterten
Styles.

Schliesslich ist zu bemerken, dass der erläuternde Text, welcher die
eben genannten „Vorbilder" etc. begleitet, in seiner Einleitung zwei von
Schinkel geschriebene Aufsätze enthält: über die architektonischen Glieder
und über die Säulenordnungen. Zunächst nur dazu bestimmt, die Grund-
sätze, auf denen ein Theil jenes Prachtwerkes beruht, auseinanderzusetzen,
dienen diese Abhandlungen zugleich dazu, Schinkels eigne Grundsätze
und die Gesichtspunkte, aus denen er die Architektur auffasst, näher ken-
nen zu lernen. Besonders die erste der beiden Abhandlungen scheint mir,
obgleich sie nur aus wenigen Blättern besteht, von grosser Wichtigkeit,
indem sie (wie mir wenigstens kein früheres Beispiel bekannt ist) die Be-
deutung der einzelnen architektonischen Formen anschaulich und belehrend
darlegt und zugleich den lebendigen Sinn bezeichnet, mit welchem Schin-
kel in alles Einzelne seiner Kunst eingeht.

Hiermit dürfte das Bild von Schinkels künstlerischer Wirksamkeit, —
soweit dieselbe seine eignen selbständigen Leistungen anbetrifft, — abzu-
schliessen sein. Ich habe mich bemüht, soviel mir Kunde davon zugekom-
men, den ausgedehnten Kreis seiner Thätigkeit und das Ziel, welches er
innerhalb dieses Kreises mit beharrlicher Consequenz verfolgt hat, zu be-
zeichnen. Dies Ziel ist,, ich wiederhole es, die Schönheit in ihrer unmit-
telbarsten Erscheinung, in derjenigen Idealität, welche die Griechen zuerst
für die Gestaltung der Bedürfnisse ihrer Zeit gewonnen hatten, in dersel-
ben Reinigung von allen den Zufälligkeiten der Existenz, welche" mehr
oder weniger als ein' verhüllendes Gewand für die begeistigte Form be-
trachtet werden müssen. Sein Streben ging stets dahin, auch die Bedürf-
nisse des heutigen Tages, die höchsten wie die niederen, in dem Sinne
eben dieser Schönheit zu gestalten, den Zwiespalt zwischen dem inneren
Wesen der Dinge und den so mannigfachen äusserlichen Bedingnissen
ihrer Erscheinung aufzulösen. Und gewiss ist sein Streben ni-cht fruchtlos
gewesen. Hat er auch nicht Alles erreicht, was seinen Kräften und seinem
Willen bestimmt gewesen zu sein scheint, — wann aber ward solche Gunst
einem Menschen zu Theil? — so hat er doch in einer Weise gewirkt, dass
seine grosse Bedeutung für die Gegenwart unverkennbar dasteht und dass
wir noch nicht im Stande sind, die ganzen Folgen dieser seiner Wirksam-
keit zu übersehen. Die Nachwelt wird ihn den thätigsten Begründern
einer humaneren Cultur zuzählen.

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Karl Friedricli Schinkel.

Nachtrag.

Während des Druckes der vorstehenden Betrachtungen (1842) sind mir
durch die gütige Vermittelung des Verlegers dieser Schrift, Herrn G. Gro-
pius, mancherlei nähere Nachweise und Mittheilungen über jene merk-
würdige und so wenig gekannte Früliperiode von Schinkel's künstlerischer
Thätigkeit, in welcher er, der Ungunst der öffentlichen Zustände trotzend,
sich fast nur mit Arbeiten im Fache der Malerei und insbesondere mit
den, auf eine brillant dekorative Wirkung berechneten, Dioramen-artigen
Bildern beschäftigte, zugekommen. Ich glaube, den Freunden des grossen
Meisters und seiner Werke einen Dienst zu erweisen, wenn ich diese
Nachrichten, zur Vervollständigung der oben gegebenen biographischen
Notizen hier noch anreihe. Zwar sind auch sie nicht geeignet, jene Pe-
riode genügend zu erschöpfen; doch geben sie immerhin ein näheres Bild
von der grossen Regsamkeit und Energie seines Talentes, und vornehmlich
haben sie das Verdienst, unmittelbar aus der ersten Quelle geflossen zu
sein. Sie gründen sich auf Schinkels freundschaftlichem Verhältnisse zu
der Gropius'schen Familie; für Herrn Wilhelm Gropius, den Vater, malte
er eine bedeutende Reihenfolge von Bildern für öffentliche Ausstellungen;
der Theater-Inspector und Dekorationsmaler, Herr Carl Gropius, wurde
von ihm in dieses Kunstfach eingeführt und leistete ihm bei den späteren
Arbeiten der in Rede stehenden Art hülfreiche Hand. Der letztere ist
noch gegenwärtig im Besitz einer grossen Menge Schinkel'scher Zeichnun-
gen und in Farben ausgeführter Skizzen.

So ist zu erwähnen, dass Schinkel, noch vor seiner ersten italienischen
Reise, vielfach för die Eckartsteinische Fayence-Fabrik beschäftigt war,
indem er für dieselbe Zeichnungen zu allerhand Gefässen lieferte, auch
Teller, Vasen u. dergl. eigenhändig mit Malereien versah. Er hatte hier
ein festes Einkommen, welclies sich auf 300 Thaler belief.

Nach seiner Rückkehr aus Italien, und nachdem jene traurigen Zeit-
verhältnisse eingetreten waren, malte Schinkel jährlich Bilder für die
kleinen Weihnachtsausstellungen des Hrn. W. Gropius, die zu ihrer Zeit
grossen Beifall beim Publikum fanden. Zunächst, im J. 1808, eine An-
sicht des Hafens der Capstadt.

In demselben Jahre hatte er das Panorama von Palermo, — wie bereits
erwähnt, in der kurzen Zeit von vier Monaten, — gemalt. Er war mit
eisernem Fleisse vom Morgen bis zum Abend bei dieser Arbeit beschäf-
tigt, ohne unterdessen eine andre Nahrung zu nehmen, als die er des
Morgens zu sich gesteckt hatte, und ohne sich durch die unerträglichsten
Kopfschmerzen, die ihn schon damals Öfters heimsuchten, abhalten zu
lassen. Das Panorama, war das zweite bedeutendere Oelbild, mit welchem
er auftrat; als das erste wird eine Ansicht des Theaters von Taormina
(im Besitz des Hrn. Bau-Inspector Berger) genannt. Anfangs hatte Schinkel
das Panorama für eigene Rechnung ausgestellt; dann ging es durch Kauf
au Hrn. W. Gropius, später in andre Hände über. Die merkwürdige Zeich-
nung zu demselben, die auf höchst meisterhafte und grossartige Weise mit
dem Tuschpinsel entworfen ist und die, bei 3 Fuss Höhe, eine Länge von
30 Fuss hat, findet sich im Besitz des Hrn. Inspector G. Gropius.

Im Jahre 1809 malte Schinkel zwei Cyklen von je sechs „perspek-
tivisch-optischen Gemälden." Den ersten Cyklus stellte er im Anfange

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t.

Itt'

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Nachtrag. 357

wiederum für eigene Kechnung aus und verkaufte denselben nachher eben-
falls an Hrn. Gropius, der die Bilder sodann in Berlin und an andern
Orten sehen liess. Ein uns vorliegendes Textblatt, welches bei den spä-
teren Ausstellungen zur Erklärung der Bilder ausgegeben wurde, giebt
eine Idee von der Auflassung derselben und zugleich von der Wirkung,
welche die damals noch so neue Kunst-Technik auf die Beschauer hervor-
zubringen geeignet.war '). "Wir halten es nicht für überflüssig, dasselbe
liier in wörtlichem Abdrucke folgen zu lassen:

Perspektivisch-optische Gemäl de.

Einer UTisrer jetzt lebenden berühmtesten Künstler, Herr Schinkel in
Berlin, suchte in einer eignen Gattung von Gemälden Gegenstände der Natur
und Kunst dem Auge so darzustellen, dass die Wirkung, welche die Behandlung
gewöhnlicher, schon bekannter Panoramen für das Auge hat, in ihrer höchst
möglichsten Vollkommenheit nicht nur erreicht, sondern auch bei weiten! über-
troffen werde. Wenn das Auge bei Vorlegung eines Panoramas, welches nur
den allgemeinen Ueberblick einer ganzeu Gegend in weniger bestimmten Gren-
zen beabsichtigt, ungewiss von einem Gegenstande zu dem andern irrt, und,
ohne gewissen Standpunkt, das Bild des Ganzen zwar aufnimmt, die einzelnen
vorzüglich schönen Partien aber in der Masse zahlloser näherer oder entfernterer
Gegenstände verliert oder nur unvollkommen beobachten kann; so gleitet es bei
diesen Gemälden, sobald der Vorhang aufrollt, aus dem magischen Dunkel, wel-
ches es vorher umschloss, durch eine wohlgeordnete perspektivische Colonade
auf Scenen, welche mit Kunst und Geschmack gewählt, zweckmässig beleuchtet,
bei einem bestimmten Gesichtspunkte, den forschenden Blick des Verstandes
fesseln, ohne dem freien Fluge der Phantasie Grenzen setzen zu wollen. — Das
reizende Land, worin die Wirklichkeit ein lieblicher Traum der Phantasie zu
sein scheint, wo Natur und Kunst Meisterstücke aufzustellen wetteiferten, gab
dem Künstler Sujets, deren getreue Darstellung schon den Lohn seiner Erfindung
sicherten. — Er führt uns zu der Hauptstadt des noch vor zwei Jahrhunderten
so mächtigen, glücklichen und blühenden Freistaats Venedig, dem damals schützen-
den Mäcen der Gelehrsamkeit und schönen Künste. Hier war der Zusammenfluss
von Schätzen aller Welttheile, Venedig die Stadt, um deren Gunst die mächtig-
sten Fürsten sich beeiferteri, die Herrscherin der Meere. So sehen wir sie noch
hier. Naht man sich auf dem Adriatischen Meere den friedlichen Lagunen, der
ersten Wiege dieser schönen Stadt, so hat man den Standpunkt, von welchem
der Künstler den herrlichen Theil des

Markusplatzes

den Broglio, umgeben mit den sehenswürdigsten Gebäuden aufnahm. Noch fes-
selt die Euhe die Menge geschäftiger Venetianer und neugieriger Fremden in
ihren Zimmern und lässt uns ungestört in unsern Beobachtungen. Einzelne
schwarze Gondeln und ein englisches Schiffsboot durchschneiden die Lagunen,
in denen mehrere verschiedene Schiffe ruhig vor Anker -liegen. Die Masten der
grÖssten Kauffahrteischiffe verlieren sich in Nichts gegen den kolossalen Markus-
thurm, welcher sich links hinter dem einen Theile des grossen, öffentlichen Ge-
bäudes, welches den eigentlichen Markusplatz iimschliesst, erhebt. Rechts, nahe
au den Lagunen, ist der alte Dogenpalast, im gothischen, nahe au den orienta-
lisch-persischen grenzenden Geschmacke erbaut, hinter welchem sich in einiger
Entfernung die alte Markuskirche, und zwei von deren fünf Kuppeln dem Auge
darstellen. Den Hintergrund des Gemäldes schliesst derjenige Theil des grossen

') Auch von der hingebenden Stimmung, mit welcher man damals, charak-
teristisch genug, derartige Erscheinungen aufnahm.

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358

Karl Friedrich Schinkel.

Öffentlichen Gebäudes, in welchem die Bank ist, und worauf sich die berühnite
astronomische Uhr befindet. Zwei Merkwürdigkeiten, welche ehedem die Auf-
merksamkeit der Fremden hier fesselten, kann Venedig jetzt nur noch im Bilde
zeigen, nämlich die Marmorsäule mit dem darauf befindlichen antiken bronzenen
Löwen, dem Wappen Venedigs, ehemals am Dogenpalaste aufgestellt, und -vier
bronzene, von den Venetianern bei der Eroberung von Konstantinopel erbeutete
Pferde, welche an der alten Markuskirche angebracht waren. Beide sehen wir
zwar noch hier, sie sind aber jetzt nach Paris gebracht. Nur eine Marmorsäule
ziert jetzt noch diesen Theil des Markusplatzes, nämlich die, auf welcher der
Schutzheilige von Venedig, der heilige Markus, ruht.

Ein Gegenstück zu dem heitern, freundlichen Venedig giebt der Anblick der
grotesken, schauerlichen

M e e r e s g r 011 e n bei S o r r e n t o,

einer bedeutenden Stadt am grossen Golfo von Neapel. Die Küste des Busens
von Neapel selbst ist hier oft gespalten und bildet die mannigfachsten Höhlen.
Mächtige Revolutionen in der Natur, wodurch so viele wunderbare Erscheinun-
gen bewirkt wurden, schleuderten wahrscheinlich von dieser Küste eine zahl-
lose Masse ungeheurer Felsenblöcke in das Meer, wodurch die groteskesten und
abenteuerlichsten Gestalten entstanden, und welche zu gleicher Zeit den räube-
rischen Barbaresken von Tunis, Algier und Tripolis, die unaufhörlich die Küsten
des Golfos umschwärmen, zu sichern Schlupfwinkeln dienen. Das Schauerliche
dieser Gegend wird durch das fürchterliche Getöse der im Sturm an den Felsen
sich brechenden Meereswogen vermehrt.

Eine solche Grotte sehen wir auf diesem Gemälde. Es ist Mitternacht,
dichte Finsterniss würde uns den Anblick dieser Schauder erregenden Massen
ganz verbergen, erleuchtete nicht das Feuer, an welchem mehrere Barbaresken
auf einer Barke ihre Nahrung sich bereiten und den Anbruch des Tages, mit
ihm den längst erwünschten Raub erwarten, einen Theil derselben; denn die
milden Strahlen des Mondes, welche in den Wellen des hohen Meeres zittern,
dringen nicht in diese Grotte. Uaberrascheud ist der Uebergang von diesem
Anblicke zu der Ansicht eines friedlichen

I

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4

Ci.

k

Schweizerthales am Fusse des Montblanc.

Statt jener stürmischen Wogen, Gefahr drohenden Felsen, liegt ein stiller See
im Piemontesischen Gebiete, umgürtet von blühenden Fluren, auf dessen Fläche
nur die kleinen Nachen der Fischer, die in seinem Schoosse Nahrung suchen,
schweben, von der Morgensonne beleuchtet, vor uns. Links auf einer Anhöhe
ein einsames Kloster, hinter dessen Thurmspitze sich neben der hohen Alpen-
kette, neben dem fernen, erhabenen St. Gotthard, der Jungfrau, dem Schreck-
horn u. s. w., ein Theil des ehrwürdigen Montblanc erhebt. Ueber den grünen-
den vorliegenden Gebirgen steigt dieser Koloss weit über die Wolken ; unser
Blick kann ihm nur durch nackte, unfruchtbare Regionen bis an das in Wolken
verhüllte, schneeweisse Haupt folgen, dessen höhere Spitze kaum noch als Schat-
ten dem forschenden Auge sichtbar bleibt, und uns im Gefühl unsrer Schwäche
das Entfernte nur noclh dunkel ahnen lässt.

An dieses Meisterstück der schaffenden Natur reiht sich in einer folgenden
Darstellung eines der grössten Stücke menschlicher Kunst und Grösse, der

D 0 m V 0 n M i I a n 0,

ein Gebäude im edelsten gothischen Style aufgeführt, mit einer unendlichen
Mannigfaltigkeit der Verzierungen und der grössten Vollendung künstlicher Ar-
beiten geschmückt, mit Thürmen und Statuen in unendlicher Zahl ausgestattet.
Itu vierzehnten Jahrhunderte schon legte ein deutscher Baumeister den Grund,
man baute ununterbrochen fort und noch bis auf den heutigen Tag ist der

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Nachtrag. 359

Bau nicht ganz Tollendet, obschon die jetzige Regierung unnmehr eine namhafte
Summe zur Beendigung desselben bestimmt hat. — Das Mondenliclit bricht matt
das Dunkel der Nacht. Wir glauben einen fernen heiligen Gesang zu hören.
Ein Zug frommer Beter, welche in feierlicher Procession nach dem Innern des
heiligen Tempels, an dessen Fenstern sich der Schein der festlichen Fackeln
spiegelt, wallen, reisst uns unwillkürlich zur Andacht hin. Es ist der Tag des
heiligen Carl, des Schützers dieses Doms.

Von dön Gemälden stiller, erhebender Andacht sehen wir uns plötzlich zu
dem sehreckenvollen aber majestätischen Schauspiele des verheerenden

Ausbruchs des Vesuvs bei Neapel

versetzt. Nicht der reinen warnenden Flamme des durch viele Bastionen ge-
schützten Leuchtthurms bedarf es, dem nach Neapels Hafen steuernden Schiffer
die sichre Strasse zu zeigen, die furchtbare Glut des feuerspeienden Vesuvs
glänzt in dem glatten Spiegel des Meeres. Ueber dem glücklichen Resina und
Portici steigen aus dem schwarzen Krater himmelan die glühenden Massen des
zürnenden Vulkans, Schrecken verkündend den Bewohnern der fruchtbaren Ebe-
nen und zeugen schwarze Wolken arn hohen Himmel. Hier rechts, vor jenem
Hügel, liegt das einst glückliche Herculanum, verschüttet durch den Staub des
speienden Vesuvs, und steht jetzt Torre del greco auf seinen Ruinen erhoben,
hinter ihm das einst so heitere Pompeji, ebenfalls ein Raub der Flammen, nur
in einzelnen dem Schoosse der Erde wieder entrissenen Resten der Nachwelt als
schreckendes Denkmal erhalten. Eine neue Gefahr scheint jetzt wieder der nahen
Gegend zu drohen, des Vulcans Wände sind zerrissen, eine unwiderstehlich alles
vernichtende Lava giesst sich aus seinem unerschöpflichen Innern. Das Auge
weilt mit Zagen bei dieser Scene, der Verkündigeriu der Macht Gottes.

Freude mischt sich der Trauer, Fröhlichkeit dem bangen Schrecken, So
auch hier. Die letzte der Vorstellungen zeigt uns die prachtvolle

Erleuchtung der Kuppel der St. Peterskirche in Rom,

an dem Tage des heiligen Paulus und Petrus. Zwar werden nicht mehr, wie
ehedem, die ganze Fa^ade der Kirche nebst den Colonaden des sie begrenzenden
grossen Platzes, auf ein mit der Glocke gegebenes Zeichen, durch mehr als tau-
send Hände mit brennenden Fackeln erleuchtet; man beschränkt sich, die Kup-
pel durch transparente papierne Ballons zu erhellen; allein selbst diese lassen
die über 200 Fuss hohe Kuppel in ihrem vollen Glänze erscheinen, welcher noch
dadurch vermehrt wird, dass um Mitternacht durch alle Oeffnungen der Kuppel
brennende Pechpfannen ausgesteckt werden, und sich in eine einzige grosso.
Flamme vereinigen zu wollen scheinen. Bei dieser prächtigen Erleuchtung sehen
wir den im Vordergrunde liegenden grossen Springbrunnen, den 120 Fuss hohen
aus einem einzigen Stücke Granit gearbeiteten ägyptischen Obelisk , ein Denk-
mal der Macht des alten Roms; rechts und links Colonaden des unermesslichen
Petersplatzes, wovon uns nur ein Theil hier sichtbar wird, vor welchen grosse
Springbrunnen unaufhörlich eine Wasserüuth in die Luft schleudern und ein
beständiges Rauschen hören lassen. Rechts über den Colonaden der Vatican mit
den vor ihm befindlichen Arkaden, berühmt durch R.aphaels Zauberpinsel.
Das Ideal einer Feenwelt liegt vor uns — und kehren wir zur Wirklichkeit zu-
rück, so danken wir dem Künstler, der dies Bild uns schuf.

Die Bilder des zweiten Cyklus wurden zuerst durch Hrn. Steinmeyer
(der noch im Besitz der Skizzen ist) im Königl. Stallgebäude üfl"entlich
ausgestellt; auch sie gingen später an Hrn. W. Gropius über. Die Gegen-
stände dieser Bilder waren:

1) Das Baptisterium und der schiefe Thurm zu Pisa.

2) Das Theater zu Taormina. ^ .

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Karl Friedrich Scbinkiil.

3) Innere Ansicht des Domes von Mailand.

4) Das Innere der Peterslurche zu Rom, mit der Kreuzbeleuchtung.

5) Das Capitol zu Rom, bei Mondschein.

6) Aeussere Ansicht des Domes von Mailand.

Bei der für den,Schluss des Jahres bevorstehenden Rückkehr der
Königlichen Familie nach Berlin sollten im Königl. Palais manche Ver-
änderungen vorgenommen vs'erden, doch fehlte es durchaus an einem be-
kannten Architekten, der zur Leitung derselben geeignet gewesen wäre.
Schinkel wurde, während er mit der Anfertigung der vorgenannten Bilder
beschäftigt war, dem Hofmarschallamte empfohlen; er unterzog sich gern
dem ehrenvollen Auftrage, und seinen Einrichtungen ward bald darauf die
lebhafteste Anerkennung von Seiten der Königin zu Theil. Als die Kö-
nigin die Ausstellung der Bilder im Stallgebäude besuchte und man, den
Eindruck zu erhöhen, die Schau der Bilder durch passende Gesänge be-
gleiten liess, steigerte sich das Interesse für den Künstler so, dass seine
Anstellung im Staatsdienste die unmittelbare Folge hievon war.

In demselben Jahre hatte Schinkel ferner ein grosses vortreffliches
Tapetenbild von 9 Fuss Höhe und 21 Fuss Länge für den verstorbenen
Hof-Zimmermeister Glatz, in der kurzen Frist von drei Wochen, gemalt;
dasselbe stellt die Küste von Genua, der Schinkel auf der rechten Seite
des Vorgrundes ein altes Kloster als freie Composition hinzugefügt hat,
dar. (Bei dem jüngst erfolgten Verkauf und Abbruch des Glatz'schen
Hauses, für den Bau des neuen Museums von Berlin, ist das Gemälde
durch Hrn. Glatz jun. erstanden worden.)

Endlich malte Schinkel für die Gropius'sche Weihnachts-Ausstellung
des Jahres 1809 eine Ansicht von Rom mit dem Ponte molle.

Für die Weihnachts-Ausstellung des Jahres 1810: eine Ansicht des
Markusplatzes von Venedig; — für 1811: den Palast von Belfonsi. (Dies
war ein fingirter Name, der die Composition einer prächtigen Palast-
Architektur italienischen Styles, in glänzender Festbeleuchtung, einführen
sollte); — für 1812 mehrere Bilder, unter diesen: zwei Ansichten eines
Bergwerkes in Calabrien, deren noch vorhandene Entwürfe sich durch
grossartig groteske Composition und frappante Beleuchtung auszeichnen,
und die Ansicht eines Domes im Lichte des anbrechenden Morgens.

Etwa in demselben Jahre 1812 erschienen Schinkel's meisterhafte Dar-
stellungen der sieben Wunderwerke der Welt, die wiederum von Gropius
ausgestellt wurden, nemlich: 1) Das Grabmal des Königs Mausolus in
Carien; — 2) das ägyptische Labyrinth; — 3) die ägyptischen Pyrami-
den ; — 4) der Tempel der Diana zu Ephesus: — 5) der Koloss zu Rho-
dus; — Oj die hängenden Gärten der Semiramis; — 7) der olympische
Jupiter. Diese Compositionen waren, ohne irgend in willkürliche Phan-
tasterei auszuarten (wozu die Gegenstände doch so leicht hätten Veranlas-
sung geben können), durchweg vielmehr mit der besonnensten Benutzung
der Berichte, die sich über die genannten Werke in den Schriftstellern
des Alterthums vorfinden, ausgeführt worden; sie dürfen unbedenklich
als die geistreichsten Restaurationen derselben genannt werden, wie u. a.
namentlich jener vielbesprochene und vieldurchforschte Thron des olym-
pischen Jupiter hier in einer vollendet künstlerischen Darstellung ent-
gegentrat. Zugleich aber hatte Schinkel, mit vollkommener poetischer
Freiheit, die Werke in ihrer klimatischen Umgebung aufgefasst und sie
durch verschiedenartige Lichtwirkung auf eine Weise behandelt, dass sie

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361

Nachtrag.

unmittelbar gegenwärtig zu sein schienen. So-waren die ägyptischen Py-
ramiden, ihrer schlichten Kolossalität sehr angemessen, in dem Dämmer-
lichte des Mondes gehalten, aus dem im Vorgrunde, zur Seite und halb
von Palmen verdeckt, die riesige Gestalt einer Sphinx auftauchte; so war
für die hängenden Gärten die Beleuchtung der untergehenden Sonne, und
zwar von dem Hintergrunde ^des Bildes, angenommen, so dass die Glut-
strahlen der Sonne durch einen Theil der geöffneten Substructionen gegen
den Vorgrund durchbrachen; so war der innere offene Raum des Hypä-
thraltempels von Olympia durch die fast senkrecht einfallenden Strahlen
der Mittagssonne beleuchtet, deren Reflexe die Schatten der Colonnaden
spielend erhellten. U. s. w. - Leider hat sich von diesen merkwürdigen
Darstellungen Nichts erhalten, als zwei ausgeführte Zeichnungen, die des
ephesischen Tempels und des Labyrinthes, und mehr oder weniger flüch-
tige Skizzen der übrigen Compositionen (im Besitz des Hrn. C. Gropius).
Ein, zur Erklärung ausgegebenes Textbüchlein, giebt nur das zum Ver-
ständniss der Darstellungen nöthige Material aus den alten Schriftstellern,
ohne auf die Darstellungen selbst näher einzugehen.

Ein ungemeines Aufsehen, das freilich durch den Enthusiasmus jener
Tage zunächst hervorgerufen war, erregte das für die Gropius'sche Weih-
nachtsausstellung des Jahres 1813 gemalte Bild: der Brand von Moskau.
Schon um 6 Uhr des Abends waren alle Strassen in der Nähe der Aus-
stellung mit Equipagen gefüllt, und nur mit wahrer Lebensgefahr vermochte
man zum Eingange zu gelangen. — Die letzten Bilder, welche Schinkel
für diese Ausstellungen malte, waren die Ansichten der Insel Elba und
St. Helena. Doch blieb er, wie bemerkt, stets in freundschaftlichem Ver-
hältnisse zu der Gropius'schen Familie; und vornehmlich nahm er an der
Einrichtung des Gropius'schen Diorama und an der Ausführung der gros-
sen I3ilder desselben fortwährend lebhaften Antheil.

Noch ist hier ein Cyclus von grossen Tapetenbildern zu erwähnen,
welche Schinkel in der Zeit der Jahre 1813 und 1814 für Herrn Kaufmann
Humbert zu Berlin, zur Ausschmückung eines Saales in dessen Hause,
malte. Sie befinden sich noch gegenwärtig an ihrer Stelle; sie sind in
Oel gemalt, und leicht, geistreich, mit freiem, derbem Pinsel, aber mit
vollstem Bewusstsein der beabsichtigten Wirkung ausgeführt. In letzterem
Bezüge kann man sie nur mit den grossen Decorationsbildern, die von den
beiden Poussin's gemalt sind und die zum Theil in den italienischen
Prachtsammlungen aufbewahrt werden, vergleichen. Die Bilder sind sämmt-
lich Landschaften, die, in Gemässheit der Beleuchtung an den verschiede-
nen Stellen dös Saales, die Charaktere der verschiedenen Tageszeiten er-
kennen lassen; zum Theil sind sie mit Architekturen geschmückt. Zwei
von ihnen haben eine grössere Breiten-Ausdehnung; es sind: die Nacht
(10 Fuss breit), eine gothische Kirchenruine und zu ihrer Seile ein See,
über welchem der Mond steht; und der anbrechende Morgen (16 Fuss
breit), ein See mit hohen Felsufern, im Charakter jener schönen Seen,
welche sich aus den Südabhängen der Alpen in die Fluren der Lombardei
hineinziehen. Die andern Bilder, vier an der Zahl, sind mehr oder we-
niger schmal: ein Wald mit einem Bauergehöft und einer weidenden
Heerde, im l.ichte des Mittags; eine Felswand mit einem hohen Tannen-
baume, in welchem der Sturm saust, in nachmittäglicher Beleuchtung; ein
Wald, zwischen dessen Stämmen die Glut der untergehenden Sonne hin-
durchbricht; und ein steyrisches Bauergehöft, im abendlichen Dunkel. —

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Karl Friedrich Schinkel.

In uumitteJbarem Zusammenhange mit den Malereien, wie die bisiier
besprochenen, stehen sodann die Entwürfe zu den Theaterdecorationen, die
zu den ersten öffentlichen Arbeiten von höher künstlerischer Bedeutung,
welche Schinkel zu Theil wurden, gehören. Ueber diese habe ich bereits
im Vorigen gesprochen. Doch muss ich hier noch einmal hinzufügen, dass
die herausgegebenen Blätter keineswegs geeignet sind, um zur genügenden
Würdigung des glänzenden Reichthums der Phantasie, welchen Schinkel
in diesen Arbeiten kund gegeben, zu dienen; und dass man aus denselben
noch weniger auf die grossartig freie künstlerische Behandlung, welche in
den erhaltenen sehr zahlreichen Original-Entwürfen seiner Hand ersichtlich
wird, schliessen kann. In der That zeigen die letzteren durchweg nicht
bloss eine Genialität der Composition, sondern zugleich eine so lebenvolle
Wahrheit und eine so höchst poesiereiche Durchführung der Lichteffekte,
dass sie unbedenklich zu den merkwürdigsten und eigenthümlichsten Lei-
stungen, welche die Kunst in solcher Art jemals hervorgebracht hat, gezählt
werden müssen. —

Ich kann nicht schliessen, ohne aufs Neue den Wunsch auszusprechen,
dass eine möglichst umfassende Herausgabe von Schinkel's Werken in den
Fächern der bildenden Kunst — wozu ein so viel reichlicheres Material
vorliegt, als man auf den ersten Augenblick vermuthen möchte — veran-
staltet werde. Noch wichtiger indess scheint es mir, wenn man, soviel
es die Verhältnisse irgend zulassen, Bedacht darauf nähme, seine Original-
Arbeiten zu sammeln und sie solcher Gestalt als ein'^reiches Ganze der
Nachwelt zu erhalten. Noch dürfte der Zeitpunkt zu diesem Unternehmen
sehr geeignet sein; in einigen Jahrzehnten möchte Vieles sich hier und
dorthin zerstreut haben und der Wunsch, die Werke des grossen Meisters
zu einer umfassenden üebersicht zusammenzustellen, bereits unausführbar
geworden sein 'J.

1) Der oben ausgesprochene Wunsch ist durch die Gründung des Schinkel'-
schen Museums (ina Gebäude der Bauschule zu Berlin) auf umfassendste
Weise iu Erfüllung gegangen. Hier ist eine ansehnliche Fülle seiner Malereien
— historische Compositionen verschiedner Art, Landschaften, Bilder zu Theater-
dekoratiouen u. s. w. — vorhanden; hier sind, in überaus grosser Menge, seine
Entwürfe für bauliche, auch für figürliche Compositionen, seine Reiseskizzen und
dergl. zusammengeordnet und der Theilnahme des Kunstfreundes, dem Studium
des Kunstjüngers freigestellt. Der Reichthum dieses in seiner Art so ganz ein-
zigen Talentes entfaltet sich hier dem Beschauer noch vielseitiger und eindring-
licher, als es sich aus dem Studium seiner herausgegebenen Werke entnehmen
lässt. Seine classische Reinheit, seine nie versiegende Phantasie sprechen hier
noch beredter, noch inniger zu uns; aber--— im Abschauen dieser Welt lieb-
lichster und sinnigster Wunder wird es uns jetzt zugleich klar, dass eben doch
ein idealistischer Zug durch sie hindurchgeht, welcher die Befriedigung einer
entschiedenen Existenz nicht immer in sich trägt. Wir erkennen es jetzt, was
es war, das uns vor Jahren, wenn wir uns in den Geist des hohen Meisters
verloren hatten, das Gefühl sehnsuchtsvoller Wehmuth zurückliess.

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U e l» e r

FERDINAND EOBELL UND SEINE RADIEUNGEN.

Einleitendes Vorwort zu der neuen Ausgabe von F. Kobell's Radirungeu in

178 Platten. Stuttgart 1842.

Die Nachrichten über das Leben des Künstlers, dessen Werke uns
vorliegen und der mit diesen seinen Arbeiten eine entscheidende Bedeu-
tung für die Geschichte der neuern Kunst hat, sind einfach und gewähren
nicht eben ein romantisches Interesse. Doch ist es nothwendig, diese
Nachrichten voranzuschicken, ehe wir uns zur Betrachtung der Werke
wenden, indem überall erst der Künstler unter Berücksichtigung der Zeit-
verhältnisse und der äussern Umstände, unter denen er sich gebildet hat,
gewürdigt werden kann. .. , '

Ferdinand Kobell wurde am 7. Juni 1740 zu Mannheim, der damali-
gen Residenz der pfälzischen Kurfürsten, geboren. Sein Vater war kur-
fürstlicher Rath. Der Sohn war von seiner Jugend an dazu bestimmt
worden, der Laufbahn des Vaters zu folgen ; er besuchte, nachdem er die
gesetzliche Reife erlangt hatte, die Universität Heidelberg, und ward nach
Ablauf seiner Studien als Hofkammer-Sekretair angestellt. Doch hatte sich
bei ihm schon früh die Neigung zu künstlerischen Beschäftigungen hervor-
gethan; der Aufenthalt in dem glücklichen Heidelberg war es vornehmlich,
was diese Neigung mächtig zur Blüthe trieb. Dort stehen dem Schauen-
den die mannigfaltigsten Bilder einer so grossartigen wie anmuthvollen
Natur gegenüber. Zwischen'grünen Bergen zieht sich, in weiteren und
engeren Windungen, bald von sammtenen Matten eingefasst, bald tiefrothe
Sandsteinfelsen in seinen Flulhen widerspiegelnd, der Neckarstrom hin.
Ein Kastanienwald, der aus einer südlichen Zone hieher versetzt zu sein
scheint, umgürtet das alte Heidelberger Schloss; weiter hinauf am Berge
und über die andern Höhen und Thäler des Gebirges breitet sich Eichen-
und Buchwald. Aller Orten zwischen den Bergen begegnet man Quellen
und Bächen, die plätschernd theils zum Neckar, theils zum Rheinthal hin-
aus eilen, hier eine heimliche Waldwiese bewässernd, dort unter Gestrüpp
und Schlingpflanzen hinmurmelnd, dort die Räder einer einsamen Mühle
treibend. Von den Höhen am Rande des Gebirges blickt man über die
weite Ebne, welche der Rhein durchströmt; Weingärten, reiche Saatfelder,
mit Obst- oder Wall nussbäumen besetzt, Städte und Dörfer, oft mit lusti-
gen Hopfenpflanzungen umgeben, erfüllen die Ebne, welche jenseit des
Rheins durch die duftig blauen Berge des Hardtgebirges abgegrenzt wird.
In Heidelberg bedarf es nur eines Ganges von zehn Minuten, wenn man

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364 üeber Ferdinand Kobell und seine Radiruiigon.

Verlangen trägt,""sich in die Stille und Abgeschiedenheit der Natur zu
versenken. Wenn der Student mit seinem Pandektenheft ins Collegium
geht, da schauen Berg und Bäume fröhlich in die Strasse nieder und rufen
ihm ihren frischen Morgengruss zu; da ist es schon Manchem geschehen,
dass er den Katheder des Professors vergass und wohlgemuth hinauseilte,
sich ins Grüne zu lagern und den geheimnissvollen Lehren zu lauschen,
welche der Geist der Natur für den verwandten Menschengeist bereit hat.
Auch Ferdinand Kobell folgte dieser Stimme. Er war nicht müssig in
Heidelberg: aber das Zeichenbuch ward ihm lieber als das Pandektenheft.
Er liess es sich angelegen sein, die Bilder, die ihm draussen entgegen-
traten, mit Stift und Pinsel festzuhalten, das rastlos stille Walten der
Natur im engumgrenzten Räume, in künstlerischer Gemessenheit wieder-
zugeben. Er hatte keinen Lehrmeister bei diesen Studien, aber die Natur
war seine Lehrerin; mehr und mehr verstand er ihre Sprache und stets
sichrer und deutlicher wurden die Entwürfe, in denen er diese Sprache
auszudrücken suchte. Er war, neben seinen wissenschaftlichen Studien,
schon ein ganz tüchtiger Landschafter geworden.

Doch waren alle diese Bemühungen vorerst ohne weitern Erfolg. Nach-
dem er Heidelberg verlassen, musste er, wie bereits bemerkt, in die amt-
liche Laufbahn eintreten. Jetzt blieben ihm nur wenig einzelne Stunden
übrig, in denen er sich, ganz insgeheim, an seiner künstlerischen Thätig-
keit vergnügen durfte. Dem Vater des jungen tlofkammer-SeUretairs
konnte eine Leidenschaft wenig zusagen, welche alle Pläne, die er für das
Wohl des Sohnes mit kluger Umsicht ins Werk gerichtet, zu zerstören
drohte. Denn in der That, wenn überall die Wahl eines künstlerischen
Berufes zweideutig und selbst gefahrvoll ist, so musste sie für die Verhält-
nisse jener Zeit und jener Gegend ganz besonders ungünstig erscheinen.
Die Pfalz fing erst an, sich allmählig von den unsäglichen Leiden zu er-
holen, die über sie durch die Kriege, fast ein ganzes Jahrhundert hin-
durch, heraufgeführt waren. Die materiellen Interessen waren durchaus
■ vorherrschend; es fehlte sowohl an Mitteln, sich künstlerisch einzurichten,

als auch an Sinn für die Bedeutung der Kunst. Die Städte, das junge
I' Mannheim nicht ausgenommen, waren arm, der Adel ohne höhere Bildung,

^^ der Glanz der Klöster, die einst der Kunst eine so reichliche Förderung

/ gewährt hatten, war lange verschwunden; und was als das Schlimmste

k bezeichnet werden muss, die Kunst selbst war derjenigen Verderbniss und

^^ Entnervung verfallen, welche ihr die allgemeine Herrschaft des damaligen

französischen Geschmackes bereitet hatte, so dass die wenigen Freunde
des Schönen sich fast ausschliesslich nur den Werken der älteren Meister,
die so hoch über denen der Gegenwart standen, zuwandten. Nur der Kur-
, fürst allein, Karl Theodor, der im Jahre 1742 zur Regierung gelangt

1 war, bemühte sich, für die Pflege einer höheren geistigen Bildung in sei-

i nem Staate zu sorgen. Nur von ihm konnte dem künstlerischen Talente,

i welches unter den ungünstigen Zeitverhältnissen und unter dem wider

f Willen getragenen Drucke der Amtsgeschäfte zu verkümmern drohte. Hülfe

kommen, — und sie kam. Es fand sich, im Jahre 1762, die Gelegenheit,
ihm einige Arbeiten des Hofkammer-Sekrefairs vorzulegen. Er erkannte
das darin ausgesprochene Talent, entband diesen seiner Amtsgeschäfte,
und setzte ihn durch eine Pension, die er ihm grossmüthig aus seiner
Privatkasse bewilligte, in den Stand, sich vollständig für den künstleri-
schen Beruf
aus7Aibilden.

»l

I

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lieber Ferdiuaud Kobell und seine Radirungen.

Ferdinand Kobell, bis dahin ohne alle künstlerische Unterweisung,
besuchte nunmehr zunächst die Kunstakademie von Mannheim, welche
damals unter der Direction des berühmten Bildhauers Peter Verschaf-
felt stand. Er durfte seine Träume verwirklichen, sich frei und rückhalt-
los dem Berufe hingeben, für welchen ihn die Natur bestimmt hatte, durfte
alles das nachholen, was bisher, bei dem ungeregelten Gange seiner künst-
lerischen Beschäftigungen, versäumt sein mochte. Doch sollte er auch
jetzt noch den wichtigsten Theil seiner ^Ausbildung dem eignen Talente
zu verdanken haben. Er fand in Mannheim keinen Landschaftsmaler, der
ihn in die Eigenthümlichkeiten dieses besonderen Faches der Kunst hätte
einführen können. Er blieb in diesem Bezüge, ausser auf die Natur, nur
auf die Vorbilder älterer Meister, welche die Gallerie von Mannheim ent-
hielt, angewiesen; doch stand ihm bei dem Studium dieser Werke der
Rath seines Freundes, des Gallerie-Inspektors Franz Pichler, hilfreich
zur Seite, indem der letztere, zwar selbst kein ausübender Künstler, dem
jungen Landschaftsmaler all seine Bemerkungen über das Aesthetische und
Technische der Vorbilder gern mittheilte. Als Beschluss der Studienzeit
ist eine Reise nach Paris zu nennen, welche Kobell als Begleiter des kur-
fürstlichen Gesandten am französischen Hofe, des Grafen von Sickingen,
im Jahre 1768 antrat. Er verweilte in Paris achtzehn Monate.

Nach seiner Rückkehr ward Kobell zum kurfürstlichen Hofmaler und
zum Professor an der Mannheimer Akademie ernannt. Von dieser Zelt ab
lebte er still in seiner Vaterstadt, eifrig thätig in seinem schönen Berufe,
allgemein geschätzt wegen seiner Arbeiten, von den ihm Näherstehenden
wegen seiner liebenswürdigen Persönlichkeit hoch verehrt. Doch sah er
sich im Jahre 1793 durch die Unruhen des Kriegs veranlasst, Mannheim
zu verlassen; er ging nach München, wo er, nach dem Tode des Direktors
der Mannheimer Gallerie, J. F. von Schlichten, dessen Stelle erhielt. Er
starb am 1. Februar 1799.

Ein sehr grosser und wohl der bedeutendste Theil von Kobell's künst-
lerischer Thätigkeit bestand in der Anfertigung radirter Blätter; man zählt
deren 242, theils von kleinerem, theils von grösserem Format. Neben eini-
gen Reihefolgen mit figürlichen Darstellungen enthalten sie fast sämmtlich
Landschaften. Die Daten, mit denen sie versehen sind, reichen vom Jahre
1769 bis zum Jahre 1796. Man sagt, dass die freundschaftliche Verbin-
dung, welche Kobell in Paris mit dem berühmten Kupferstecher Johann
Georg Wille und mit dem, besonders im Fache der Aetzkunst namhaften
Philipp Parizeau eingegangen war, ihn vorzugsweise dazu veranlasst
habe, sich mehr der Radirnadel als des Pinsels zu bedienen. Ohne Zwei-
fel wird diese Angabe begründet sein, und gewiss muss ein solches Ver-
hältniss für ihn sehr vortheilhaft gewesen sein, sofern es sich um die gründ-
liche Aneignung der gesammten Technik des Radirens und Aetzens han-
delt. Dennoch müssen wir annehmen, dass ein tieferer Grund vorhanden
war, der Kobell mehr zu der bloss zeichnenden Darstellung als zu der-
jenigen führte, welche sich des umfassenderen künstlerischen Mittels der
Farbe bedient. Es ist in der That vorauszusetzen, dass sein Talent eine
gewisse Beschränkung hatte, dass es ihn mehr dahin trieb; die landschaft-
liche Composition als solche, die Umzeichnung ihrer Formen, die Licht-
und Schattenwirkung, sowie das Spiel des Helldunkels, — mit einem Worte:
die allgemeinen Grundzüge der künstlerischen Darstellung aufzufassen und
wiederzugeben, als dieselbe zugleich auch zum weichen, quellenden Leben

365

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Ueber Ferdinand Kobell iind seine Radiningen.

zu erwärraen. Und mehr als wahrscheinlich ist es, dass auf eine solche
Richtung sein ungeregelter Bildungsgang und die, immerhin späte Zeit, in
welcher er sich erst ausschliesslich der Kunst widmen durfte, den wesent-
lichsten Einfluss hatten. Denn so hoch auch die Kraft des Genies zu ver-
ehren ist, so bedarf dasselbe dennoch, um vollendet in die Erscheinung
treten zu können, einer frühen und folgerechten Gewöhnung, welche ihm
die äussern Mittel der Darstellung zu einer leicht fliessenden Sprache
macht; wir sehen es an allen, auch den bedeutendsten Künstlern, die erst
im vorgerückten Alter in ihren Beruf eintraten, dass ihren Werken mehr
oder weniger die Andeutung einer skizzenhaften Behandlungsweise bleibt.
Um so mehr aber werden wir den richtigen Tact anerkennen müssen, der
Kobell vorzugsweise in einem Fache wirksam sein liess, welches die An-
sprüche, denen zu genügen er möglicherweise.nicht im Stande war, fern-
hielt und, obschon in enger gezogenen Grenzen, die anmuthigste Entwicke-
lung seiner eigenthümlichen Richtung und seines eigenthümlichen Talentes
gestattete. Wir werden annehmen müssen, dass sein Aufenthalt in Paris
und das dortige, eben angeführte Verhältniss ihm das Wesen seines künst-
lerischen Berufs nur zum klareren Bewusstsein gebracht habe.

Wie indess diese Verhältnisse zu betrachten sind, jedenfalls gehören
Kobell's Blätter zu den bedeutendsten Radirungen im landschaftlichen
Fache. Er schliesst sich mit ihnen, obwohl mehr als ein halbes Jahrhun-
dert dazwischen liegt, unmittelbar den ähnlichen Leistungen an, welche
die holländischen Meister uns hinterlassen haben; er ist der erste, der
unter den Deutschen mit umfassenden Arbeiten solcher Art auftrat. Die
glücklicheren Arbeiten der Holländer reichen bis in den Beginn des acht-
zehnten Jahrhunderts herab; unter den Deutschen zählt Kobell nur sehr
wenig Vorgänger, die auf eine höhere Bedeutung Anspruch haben. Die
beiden Scheits, Matthias und Andreas, um den Schluss des sieb-
zehnten Jahrhunderts thätig, sind als solche noch nicht anzuführen;
Joachim Franz B ei ch (1665—1748) und Peter von Bemmel (1689-
1754) haben mehrere geistreiche Blätter hinterlassen, die jedoch bei die-
sem das Gepräge eines nur skizzenhaften Entwurfs tragen, bei jenem nicht
frei von conventioneller Behandlung sind; unter den Blättern eines nähe-
ren Zeitgenossen von F. Kobell, des Franz Edmund Weirotter (1730
—1773), finden sich auch nur wenige, die in edler Radirmanier durchge-
führt sind. U. dgl. m. Ja, wir müssen hinzufügen, dass Kobell überhaupt
als derjenige zu bezeichnen ist, der die landschaftliche Radirung, was die
äusseren Elemente der Darstellung anbetrifft, zuerst auf umfassende Weise
zu einer eigentlich vollendeten Durchbildung gebracht hat. Wenigstens
linden sich bei den grossen holländischen Landschaftern des siebzehnten
Jahrhunderts nur einzelne Blätter, in denen eine solche Behandlung er-
strebt ist, die somit eine eigentlich künstlerische Beschlossenheit haben,
während bei weitem die Mehrzahl durchgehend nur auf die Andeutung
einer malerischen Wirkung hinarbeitet und sich mehr nur als Entwurf
zu einem Gemälde, denn als ein selbständiges und für sich gültiges Ganze
zu erkennen giebt. So ist es z. B. bei den meisten der im üebrigen so
geistyollen Blätter des Anton Waterloo der Fall, von denen nur einige
wenige eine wirklich plastische Durchbildung zeigen: so noch ungleich
mehr bei den wenigen schönen Entwürfen, die von Jakob Ruisdael
radirt sind; so selbst bei den Blättern von Hermann Swanevelt, ob-
gleich dieser mit vorzüglichem Glück auf Massenwirkung und allgemeine

366

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1219

Ueber Ferdinand Kobell und seine Radirungen. 367

Haltung hinzuarbeiten versteht. U- s. w. Eine wesentliche Ausnahme
macht eigentlich nur Aldert van Everdingen. der in seinen anziehen-
den Blättern von vornherein mehr die Zeichnung in ihrer Selbständigkeit
als jene Andeutung einer malerischen Wirkung im Sinne hat, und der in
der zierlichen Bestimmtheit der Umrisslinien, in der plastischen Modelli-
rung an Fels und Bäumen vorzüglich ausgezeichnet ist. In diesen Elemen-
ten der Behandlung sind Everdingen's Blätter als die wichtigsten Vorbil-
der, welche Kobell vorlagen, zu nennen; aber
auch sie wiederum enthalten
häufig mehr nur die Angabe der Composition, als dass in ihnen überall
die Mittel, welche schon die Zeichnaug an sich gewährt, und besonders
die ganze Wirkung des Helldunkels, zur vollkommenen Erscheinung kämen.

Doch nicht bloss, in der gründlicheren Feststellung der Technik beruht
die Bedeutung von Kobell's Radirungen; sie siud zugleich die schönsten
Zeugnisse für das neue sinnvolle Eingehen auf das stille Wirken der
Natur in ihrer schlichten Reinheit, welches zu jener Zeit in Deutschland
erwachte, welches die Fesseln des französischen Geschmackes, der selbst
in Wiese und Wald seine knechtische Unnatur hinausgetragen hatte, von
sich warf und den neuen Aufschwung der Kunst einleitete, dessen wir
uns heutiges Tages erfreuen. Wir haben Kobell mit seinen Radirungen
als einen der glücklichsten Vorkämpfer für solche Bestrebungen anzuer-
kennen; seine Wirksamkeit musste um so grösser sein, als das scheinbar
kleine Fach, welches seine vorzüglichste Thätigkeit ausmachte, die zahl-
reichste Verbreitung seiner Leistungen gestattete. Mau hat es beklagt, dass
Kobell, ausser jener Reise nach Paris, die deutsche Heimat nicht verlassen,
dass er namentlich nicht in dem glänzenden Italien seine künstlerischen
Studien gemacht habe; man meint, sein Talent w^ürde sich dann in grösse-
rem Reichthum entfaltet haben; aber es dürfte sehr in Frage zu stellen
sein, ob eine grössere Mannigfaltigkeit der Erscheinungen nicht vielleicht
seinen Blick verwirrt, nicht die Reinheit, die keusche Naivetät der Auf-
fassung, die in seinen Blättern vor Allem so anziehend wirkt, getrübt haben
möchte. Auch bot ihm schon seine nächste Heimat des Schönen und An-
muthigen gar viel. Ja, es ist fast auffallend, dass er die vorzüglich gross-
artigen, die vorzüglich malerischen Bilder, die sich ihm bei den Spazier-
gängen und bei kleinen Studienreisen in der Heimat selbst darbieten muss-
ten, keineswegs so benutzt hat, wie es unzweifelhaft ein Landschaftsmaler
des heutigen Tages thun würde. Wir finden in seinen Radirungen Nicht?,
was an die wundersame Romantik des Heidelberger Schlosses, das in sei-
ner Zerstörung einen so mächtig phantastischen Reiz ausübt, erinnerte;
Nichts, was etwa dem zweiten Glanzpunkte des Neckarthales, der Gegend
von Neckarsteinach, entnommen wäre; Nichts, was auf die so ganz eigen-
thümlich malerischen Theile des Hardtgebirges, namentlich auf die Umge-
bungen von Auweiler, oder was auf die weiter nördlich belegenen roman-
tischen Theile des Rheinthaies hindeutete. Im Gegentheil zeigt sich bei
Kobell, bis auf einzelne Ausnahmen, die durch einen, hievon ganz ver-
schiedenartigen Einfluss hervorgebracht sind und von denen weiter unten
die Rede sein wird, eine sehr entschiedÄe Vorliebe für die einfachste
landschaftliche Situation. Von der sogenannten heroischen oder allgemei-
ner, von der idealischen Landschaft finden wir nur vorübergehende An-
deutungen in seinen Blättern; es ist die Natur in ihrer grössten Einfalt
und Stille, die Verbindung derselben mit dem schlichtesten menschlichen
Verkehr, was er am häufigsten und mit vorzüglichstem Glücke darstellt.

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368 Ueber Ferdinand Kob(»ll und seine Radirungeu.

Eine solche Richtung der landschaftlichen Darstellung war aber durch-
aus nothwendig, wenn überhaupt mit Erfolg ein reineres Streben in das
betreifende Kunstfach eingeführt werden sollte; man konnte von der Un-
natur nur frei werden, indem man mit voller Absicht und Entschiedenheit
auf die naivste Natürlichkeit der Natur zurückging. Dasselbe Bestreben
tritt uns zu jener Zeit in Deutschland auch in andern Beziehungen und in
nicht minder anerkennungswürdiger Weise entgegen. Für das Fach der
figürlichen Darstellung erinnere ich hier nur an die unnachahmliche Nai-
vetät, durch welche Chodowiecki's Kupferblätter einen so hohen Werth
behalten. In der Poesie zeigt sich ganz dieselbe AuflFassung der Natur.
Hier klingt sie schon im Anfange des Jahrhunderts durch den, mit Un-
recht fast vergessenen Brockes herein; entschiedener bei Kleist; ihren
Culminationspunkt erreicht sie in Göthe's Werther (1774). Die Naturschil-
derungen, die zu den wesentlichsten Schönheiten des Werther gehören,
sind in der That den Darstellungen, welche Kobell mit Vorliebe giebt,
auffallend verwandt; auch ist hier ein völlig gleiches Verhältniss zu den
Bildern der Natur, welche dem Dichter bei der Abfassung seines berühmten
Buches vorschwebten. Es ist bekannt, dass die Lokalität und die dama-
ligen geselligen Verhältnisse von Wetzlar die Grundlage zum Werther
ausmachen. Wer das liebliche Thal des Lahnflusses kennt, in wclchem
Wetzlar liegt, findet es vielleicht ähnlich auffallend, dass Göthe uns durch-
weg nur in die schlichtesten und stillsten Situationen jener Gegend ein-
führt, dass er Alles, was einen höhern, romantisch landschaftlichen Reiz
darbietet, ganz unberührt lässt, und dass sich in seinem Buche auch nicht
die leiseste Hindeutung auf so glänzend malerische Punkte, wie die Gegend
des unfern belegenen Weilburg oder wie die von Limburg, findet.

Bei solcher Richtung erscheint Kobell jedoch durchaus nicht als ein-
seitiger Naturalist; im Gegentheil tritt in seinen Radirungen durchweg die
vollste und gemessenste künstlerische Besonnenheit hervor. Hierauf deutet
schon, was oben über das Allgemeine der technischen Durchbildung seiner
Blätter gesagt ist. Auch lässt sich in den letzteren ein klar vorschreiten-
der Bildungsgang ziemlich deutlich verfolgen. Wir sehen, wie er sich,
allerdings zwar auf der Grundlage einer selbständigen Naturauschauung,
durch das Studium der älteren Meister zum vollkommenen Bewusstsein
über die Grundsätze seiner Kunst entwickelt. So tragen zunächst die-
jenigen Arbeiten, die in der Zeit seines Pariser Aufenthaltes und in den
nächstfolgenden Jahren gefertigt wurden, das Gepräge der holländischen
Landschaftschule, die als ein gewiss sicherer und gültiger Wegweiser
betrachtet werden muss, wenn mau die ruhige Einfalt der Natur auf künst-
lerische Weise zur Darstellung bringen will. Hieher gehören auch die
wichtigeren unter den Blättern, in welchen Kobell figürliche Darstellungen
gegeben hat. Dann wendet er sich auf eine kurze Frist derjenigen Rich-
tung der Landschaft zu, welche die Natur in einer mehr idealen Weise,
mehr nach dem Vorbilde der Gegenden Italiens, behandelt und welche
besonders durch die beiden Poussins und deren Nachfolger vertreten wird.
In dieser Periode tritt Kobell aj^rdings mehr oder weniger aus seiner son-
stigen Eigenthümlichkeit heraus; doch auch in den Darstellungen dieser
Zeit erscheint die ihm eigne Einfachheit der landschaftlichen Situation
zumeist vorherrschend. Bald aber verlässt er auch diese Richtung und
zeigt sich nunmehr in seiner vollen Selbständigkeit, die mit grösserer oder
geringerer Entschiedenheit nur das Vorbild der heimischen Natur befolgt.

f.

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üeber Ferdinand Kobell und seine Hadirnngen. 369

Einzelne unter den Blättern seiner dritten Periode enthalten zwar Com-
positionen, die wiederum auf eine» gewisse Grossartigkeit des Eindruckes
hinzuarbeiten scheinen, aber auch hier ist die Fassung so, dass sie den-
noch dem einfach schlichten Verkehr des Lebens und Daseins j^ahe gerückt
werden. So behalten z.B. seine-grösseren Darstellungen von Wasserfällen
durch den malerischen Bau der Holzbrücken, die er hier über das Wasser
führt, ganz das Trauliche, menschlich Gemüthliche, was auch seine
schlichtesten Scenen so ansprechend macht.

Ferner ist zu bemerken, und hierin besteht wieder ein sehr wesent-
licher Vorzug seiner Blätter, dass sie durchweg ein vollendetes, in sich
beschlossenes künstlerisches Ganzes ausmachen. Wie einfach die Scene
der Natur oder des in ihr vorgehenden menschlichen Verkehrs, die er
uns vorführt, auch sein mag, überall hat sie ein bestimmt charakteristi-
sches Gepräge, überall spricht sich in ihr eine entschiedene Stimmung
aus, überall ist sie vollkommen ausgerundet und beendet. Die Linien-
führung erscheint durchweg harmonisch, Licht und Schatten und Alles,
was dem Elemente des Helldunkels angehört, durchweg in gemessener
Haltung. Alles in seinen Blättern ist freie und wahre künstlerische Con-
ception. Er hat fast nie eine sogenannte Vedute gefertigt, fast nie eine
vorhandene Scene der Natur für seinen Bedarf ohne Weiteres nachge-
schrieben. Ja, er ging in dieser freien Auffassung der Natur so weit, dass
er, seit er von seiner Pariser Reise zurückgekehrt war, kaum noch Studien
nach der Natur machte; nur Einzelheiten, deren er etwa für die Vor-
gründe der Bilder bedurfte, pflegte er seit dieser Zeit nach der Natur zu
zeichnen; im üebrigen war er nur bemüht, ihre Erscheinungen mit dem Auge
aufzufassen und unmittelbar dem-Gedächtnisse einzuprägen, indem er gern
äusserte, dass man mit,jenen Studien doch nie der Wirklichkeit nahe
komme und dass sie nur als ein Spott auf das Vermögen der Kunst er-
schienen. Gleichwohl spricht sich auch im Einzelnen seiner Darstellungen
die feinste Beobachtungsgabe aus, und nicht minder ein sehr glücklicher
Sinn, das Einzelne in seiner Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit mit
den beschränkten Mitteln der Radirnadel charakteristisch anzudeuten. Alles
dieses hat unsern Künstler zu einer feinen stylistischen Behandlung der
Landschaft geführt, wie solche bei der künstlerischen Darstellung über-
haupt, besonders aber bei der ebengenannten beschränkteren Darstellung.s-
weise nöthig ist. ^

Hiebei darf indess nicht verschwiegen werden, dass Kobell in dieser
Stylistik zuweilen um einen Schritt zu weit geht, dass das Streben nach
Gemessenheit seiner Darstellung zuweilen eine, wenn auch nur leise An-
deutung von conventioneller Manier giebt. Dies zeigt sich besonders da,
wo er sich bemüht, das Laub der Bäume in grösseren Massen zusammen-
zuhalten und solchergestalt eine mehr plastische Wirkung hervorzubringen.
Ohne Zweifel erklärt sich dieser üebelstand — denn so müssen wir es
allerdings nennen — zunächst durch die ebea angeführte Weise des Stu-
diums, welche er in der langen Zeit seiner späteren künstlerischen Thätig-
keit befolgte. Wie lebendig er das unmittelbare Vorbild der Natur wie-
derzugeben vermochte, ergiebt sich, um nur Ein Beispiel anzuführen, aus
dem schönen Blatte von seiner Hand, welches die Inschrift führt: ^Im
Neckarauer Wald. 1779. Ferd. Kobell." Dies Blatt erscheint, ausnahms-
weise, als ein blosses Studium, es hat auch nicht die volle Beschlossen-
heit, die sonst seinen Arbeiten eigen zu sein pflegt; dafür aber tritt hier
Kurier, Kleine Schriften. Hl. 24

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370

Ueber Ferdinand Kobell und seine Iladirungen.

die meisterlichste Freiheit in Aufifassung und Beliandlung hervor. Aber
indem Kobell im Ganzen, wie bemerkt, mehr mit dem Auge als mit der
Hand studirte, indem er dem Gedächtnisse vielleicht zu viel zutraute, ge-
rieth er dahin, wiederum in Etwas von der vollen Naturwahrheit abzu-
weichen. Doch ist auch für diese Erscheinung noch ein tieferer Grund zu
suchen, Kobell steht erst im Beginn einer neuen und freiem Zeit; es ist,
in Geraässheit aller menschlichen Entwickelungs-Verhältnisse, sehr natür-
lich, dass er die Gesetze der alten nicht mit einem Schlage vollständig ab-
zuschütteln vermochte, dass diese Gesetze auch noch auf ihn, obschon er
ihr Gegner war, eine leise, doch immerhin erkennbare Nachwirkung äus-
serten. So löst sich von selbst der Widerspruch, dass er, für die freie
Naturwahrheit in der Kunst mit glücklichstem Erfolge wirkend, dennoch zu-
gleich unter dem Einflüsse einer in Etwas conventionellen Naturauffassung
erscheint.

Doch ist dieser Uebelstand schon an sich nur gering und zugleich, wie
bemerkt, unmittelbar mit einem sehr gültigen Streben verbunden. Er tritt
aber noch ungleich mehr zurück, wenn man die anderweitigen, so erheb-
lichen Vorzüge der Kobell'schen Blätter, von denen bereits die Rede war,
in Erwägung zieht. Blickt man gar auf andre Arbeiten, die gleichzeitig
mit diesen im Fache der landschaftlichen Radirung entstanden, so wird
man sehr geneigt, den kleinen Fehler völlig zu übersehen. Man vergleiche
z.B. die berühmten Radirungen des Salomon Gessner mit den seinigen.
Auch hier sehen wir ein ausgezeichnetes Talent für landschaftliche Dar-
stellung, auch hier in einigen wenigen Blättern eine freie Wahrheit in
Auflassung und Behandlung; aber bei Weitem die Mehrzahl von Gessner's
Blättern verliert sich in eine süssliche Sentimentalität, welche die keusche
Einfalt der Natur aufs Neue, und zwar in sehr durchgreifender Weise, in
conventioneile Bande schlägt.

So nehmen Kobell's Radirungen eine durchaus ehrenvolle und bedeut-
same Stelle in der Geschichte der neueren Kunst ein. So gewähren sie dem
Freunde der Darstellungen einer schlichteren Natur einen vorzüglich reich-
haltigen und nachwirkenden Genuss. So sind sie, wie wenig andre ihres
Faches, sehr wohl geeignet, dem jungen Künstler zum Studium zu dienen,
ihm über die wichtigsten Punkte, welche bei der landschaftlichen Zeich-
nung zur Sprache kommen müssen, mannigfachen Aufschluss zu gewähren,
und nicht minder auch in den Kunstschulen als höchst brauchbare Vor-
bilder benutzt zu werden. Der neue Abdruck der Platten, die sich von
ihm erhalten haben, wird demnach ohne Zweifel mit Beifall aufgenommen
werden. Es sind dieselben, die bereits im Jahre 1809 bei J. F. Frauen-
holz in Nürnberg, unter dem Titel:
^Oeuvre complet de Ferdinand KohelV-
etc,, doch nur in einer sehr geringen Auflage erschienen. Eine kleine
Anzahl andrer Platten war bereits früher in Paris herausgegeben; es
scheint, dass diese untergegangen sind. Dasselbe ist mit Zuversicht von
den Platten andrer KobeH'schen Radirungen anzunehmen. Ein Verzeich-
niss der sämmtlichen Radirungen Kobell's, in welchen die Platten des
ehemals Frauenholz'schen Verlags durch ein Sternchen bezeichnet sind, ist
von einem vieljährigen Freunde des Künstlers bearbeitet und mit biogra-
phischen Nachrichten über den letztern im Jahre 1822 herausgegeben. Es
führt den Titel:
y,Catalogue raisonne des estarnpes de Ferdinand Kobell.
Par Etie?ine Baron de Stengel.

I'

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BERICHTE UND KRITIKEN.

1842 — 1843.

Lithographie. — Berlin.
(Kunstblatt 1842, No. 13.)

.... Ich habe eines trefflichen künstlerischen Unternehmens von zu-
nächst vaterländischem Interesse zu gedenken, das sich gegenwärtig hier
vorbereitet. , Dasselbe betrifft die Herausgabe von lithographirten Bildnis-
sen der pieussischen Könige in ganzer Figur, nach Originalgemälden,
welche sich in den königlichen Schlössern befinden. Der Baron Still-
fried, der durch verschiedne vaterländisch-artistische Unternehmungen,
namentlich durch seine Denkmäler des Hauses Hohenzollern, ehrenvoll
bekannt ist, veranstaltet dies Unternehmen; der Lithograph V. Schertie
hat die Ausführung der Blätter übernommen. Ich hatte kürzlich Gelegen-
heit, die fast vollendete Steinzeichnung zu dem Bilde Friedrich's L, nach
dem meisterhaften Gemälde von A. Pesne im weissen Saale des hiesi-
gen königlichen Schlosses, zu sehen; sie verspricht eine höchst gediegene
Erfüllung der Aufgabe. Schertie hat sich seither längere Zeit in Russland
aufgehalten; in seinen Mappen sah ich eine grosse Anzahl der von ihm
ausgeführten, durchweg meisterhaften Lithograpliiecn, so z. B. eine bedeu-
tende Reihe lebenvoller Bildnisse, die er, in Petersburg und in Warschau,
unmittelbar nach der Natur auf den Stein gezeichnet hatte. Vornehmlich
.fedoch waren mir zwei seiner in Petersburg gefertigten Lithographieen
interessant: die eine nach Raphaels Madonna aus dem Hause Abba, in
der Gallerie der Eremitage, die, mit der-grössten Zartheit durchgeführt,
den Raphaelischen Geist noch besser wiederzugeben scheint, als der be-
kannte Stich von Desnoyers; die andre nach dem, durch Müllers Stich"
und zahllose Copien desselben so allgemein verbreiteten Brustbilde des
Evangelisten Johannes von Domenichino, dessen Original sich gegen-
wärtig im Besitz der Kaiserin von Russland befindet. Müllers schöner
Stich scheint das Original in etwas flacher Idealität aufgefasst zu haben;
in dieser Lithographie tritt alles Mark und die Kraft, überhaupt die ganze
eigenthümliche Behandlungsweise des Domenichino aufs Ueberzeugendste
hervor. Es wäre im höchsten Grade wUnschenswerth, diese trefflichen,
gegenwärtig nur im russischen Eunsthandel befindlichen Blätter auch im
deutschen Kunsthandel verbreitet zu sehen. Vielleicht entschliesst sich der
Künstler zu einer Wiederholung derselben^ die sie auch für uns allgemei-
ner zugänglich machen könnte.

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BerichtP. und Kritiken,

372

M j 11 h e i 1 u n g e n aus Berlin.

(Kunstblatt 1842, No. 74.)

1 f

Ein grosser künstlerischer Genuss ward uns vor Kurzem zu Theil,
indem der Professor Rauch die sechs in Marmor gearbeiteten Kolossai-
statuen der Victorien , welche für die Walhalla des Königs von Bayern
bestimmt und nunmehr vollendet sind , vor ihrer Absendung ötfentlich
ausstellte. Seit einer Reihe von Jahren war Rauch mit diesen Arbeiten
beschäftigt gewesen; wir hatten früher wohl bereits Gelegenheit gehabt,
eine oder die andre Statue, theils im Modell, theils im vollendeten Stein-
bilde zu sehen; jetzt ward uns die Freude, den ganzen Cyklus überblicken
und über die neue Meisterschaft, die sie uns darlegen, und über die geist-
reich wechselnden Modificationen Einer Grundidee, die in ihnen entwickelt
ist, ein bestimmtes Urtheil fassen zu können. In der That wirkt zunächst
dies Letztere, die geistvolle Weise, wie das gegebene Thema sechsfach
verschieden variirt ist, so überraschend wie anziehend. Die Statuen der
Victorien — Symbole des edelsten Strebens und des glücklichsten Erfol-
ges — werden bekanntlich dazu dienen, an den Langwänden im innern
Räume der Walhalla, an denen die Büsten der Gefeierten aufgestellt sind,
bestimmte Abtheilungen zu bezeichnen und solcheTgestalt dem Auge feste
Ruhepunkte zu gewähren; vor eine jede Wand werden ihrer drei zu stehen
kommen. Dieser Zweck wäre zunächst durch eine einfache, mehr nur
dekorative, mehr architektonisch strenge Behandlung zu erreichen gewesen;
dabei aber wären die Gestalten nur allgemeine, nur äusserlich wirksame
Symbole geblieben. Rauch wusste sie, ohne ihnen doch da;s nothwendig
Gemessene ihrer Erscheinung zu nehmen., zugleich zu individualisiren; er
wusste sie zu lebenvollen Wesen, die dem Menschen als freundliche Genien
nahe sind, umzugestalten, wusste in ihnen den Begriff, das Gefühl, die
Stimmung des siegreichen Strebens auf eindringliche und wirkungsreiche
Weise zu verkörpern. Es ist Ein Gedanke, der ihnen zu Grunde liegt;
aber er steigert sich vom leichten, seiner kaum noch bewussten Spiele bis
zum tiefsinnigen Ernst. Diese Entwickelung und Durchbildung des Einen
Gedankens durch eine Reihe von sechs lebenvollen Gestalten hat etwas
eigenthümlich Poetisches; sie bringt eine Charakteristik hervor, die — im
besten Sinne des Wortes — echt modern ist und desshalb unser Inneres
mit verwandten und befreundeten Klängen berührt; dabei aber ist sie
durchaus in derjenigen Würde und Idealität gehalten, deren für alle Zeit
gültige und nothwendige Basis die Antike ist. Rauch hat, was zunächst
das Aeussere der Anordnung betrifft, die Einrichtung'getroffen, dass die
Mitte einer jeden der beiden Wände durch eine sitzende Statue eingenom-
men wird, während die übrigen Statuen stehend dargestellt sind. Die
mittlere Statue der einen Seite, mit welcher wir, wie es scheint, den Cyklus
beginnen müssen, ist zart und jugendlich gehalten; in feinem, flüssigem
Unlergewande, den Mantel über den Schooss geworfen, sitzt sie leicht da,
vorgewandt, fast spähend, als ob sie im Begriff" sei, dem erkornen Lieb-
linge schnell, wie im Spiele, den Kranz aufzudrücken; es ist in dieser
Gestalt eine fast wunderbare Grazie und Anmuth; die Zusammenwirkung
der unbefangensten Naivetät mit dem vollen Adel des Styles bringt eine
überaus liebliche Wirkung hervor. Die ihr zur Linken erscheint in ähn-

-ocr page 374-

Mittheilung«n aus Berlin. 378

lieber Gewaudung uiid auf ähnlich zarte Weise behandelt; den Mantel
über den Arm geworfen, schreitet sie, wie im heitern Tanzschritt, ,dem
Beschauer entgegen; auch ihre Erscheinung vergegenwärtigt noch den
mühelosen Sieg, den die Gunst des Genius verleiht, aber es ist in ihr
bereits die Vorempflndung desselben ausgedrückt. Die zur Rechten schrei-
tet feierlicher, ruhiger, mehr gemessen; das Gewand ist bereits strenger,
mehr wie für den Tempeldienst geordnet, ihr ganzes Wesen mehr den an-
tiken Victorien verwandt; auch sie hält uns noch im Kreise jugendlichen
Strebens, aber sie Vergegenwärtigt schon ein höher erwachtes Bewusstsein.
Noch höherer und bedeutsamerer Ernst durchdringt die drei Gestalten der
andern Seite. Die mittlere, sitzende, ist ruhig harrend dargestellt; in rei-
chen, harmonisch sich entwickelnden Linien legt das volle Gewand sich
um ihren Körper; sie sitzt fest und ernst, und doch fühlt man in ihren
Gliedern die Elasticität, dass sie schnell in feierlicher Erhabenheit unsern
Blicken würde gegenüberstehen können; wir dürfen sie etwa als die voll-
kommne Sicherheit des Gelingens bezeichnen. Die ihr zur Rechten stehende
Gestalt richtet sich in kühner Hoheit empor; sie hält den Kranz über
ihrem Haupte und scheint im Begriff, sich selbst damit, zu schmücken;
ihre Glieder, ihre ganze Bewegung drücken die schönste jugendliche Kraft
aus, sie selbst die ISähe an dem errungenen Ziele. Die zur Linken end-
lich erscheint in voller, majestätischer Gewandung, die in grossen, ernsten
Linien niederfällt; ihr Haupt ist mit einem breiten Eichenkranze geschmückt
und, wie unter der Last des Kranzes, ein wenig gebeugt; durch die Züge
ihres Gesichtes geht ein leiser Hauch wie von schmerzvoller Ermüdung;
sie schliesst die Gedankenfolge ab, und sie scheint es anzudeuten, dass
der Sieg nicht ohne Opfer erkauft wird. — Rauch gilt grö.sstentheils nur
als Meister im Fache der historischen Sculptur; die bei weitem überwie-
gende Zahl der Aufgaben, die ihm zu Theil geworden sind, gehört in
dieses Fach, und die idealen Compositionen, welche dabei mehrfach an
Sockel und Piedestalen angebracht sind, fallen wenigstens, wie es in der
Sache liegen muss, minder ins Auge, wie hohe Schönheit sich auch schon
an ihnen entfalten möge. (Ich erinnere in diesem Betracht nur an die,
wiederum eigenthümlich bedeutungsvollen Victorien an dem Piedestal der
Statue Bülow's, neben der Hauptwache von Berlin.) Die kolossalen Vic-
torienstatuen für die Walhalla treten uns dagegen als ideale Gebilde von
selbständiger Grossartigkeit entgegen und von einer' Vollendung und
Durchbildung, dass wir fortan in der That zweifelhaft sein müssen, in
welcher Gattung der Sculptur wir die liöchste Entfaltung seiner Meister-
schaft suchen sollen. Denn so geistvoll der in diesen Statuen durchge-
führte Gedanke ist, so innig ist das Leben, welches sie durchdringt, so
gediegen der Adel und die Würde des Styles, in dem ihre Linien entwor-
fen sind. Die Verschmelzung des klarsten Ebenmaasses mit der feinsten
Beobachtung des Lebens, die sich hier auf eine Weise durchdringen, dass
sie als der Ausfluss ein und desselben künstlerischen Gefühles erscheinen,
bildet einen der wesentlichsten Vorzüge dieser Statuen. So gemessen die
Linien sind, so ist doch jeder, auch der leiseste Uebergang, das zarteste
Muskelspiel, wie der feinste Bruch der Gewandfalten, der Natur vollstän-
dig abgelauscht; der Weichheit und jugendlichen Elasticität des Nackten
entspricht durchweg die bestimmte Charakteristik der Gewandstoffe, je
nach ihrer grösseren Leichtigkeit, Schniiegsamkeit oder Schwere. Es ist
wohl eine seltne Erscheinung in der Geschichte der Kunst, dass ein Mann,

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Berichte uud Kritikeu.

874

der schon seit dreissig Jahren und IKnger als ein anerkannter Meister
thätig ist, fort und fort zu einer höheren und stets gediegneren Entwicke-
lung vorschreitet.

Der Erlös der eben genannten Ausstellung war für die Kasse des hie-
sigen Vereins für den Kölner Dombau bestimmt. Rauch hatte ausser den
Victorien auch noch einige andre seiner neusten Arbeiten ausgestellt. So
die Skizze zu dem Monumente Frledrich's des Grossen, welches unser
König hier in Berlin errichten lässt, und das lebensgrosse Modell der
Keiterstatue desselben Monuments, die aber in doppelter Lebensgrosse aus-
geführt wird. Ueber diese Arbeiten sind vor Kurzem bereits einige nähere
Andeutungen gegeben; wir konnten uns diesmal der hohen Würde, zu
welcher Rauch den Styl der schlicht historischen (portraitartigen) Sculptur
ausgebildet hat, in Müsse erfreuen. Sodann ein Paar trefflich lebenvolle
Marmorbüsten und die überaus liebliche Marmorstatue eines Knaben, der
mit bittendem Ausdruck eine Schale emporhält. Diese kleine Statue be-
absichtigt Rauch (nebst einer zweiten) der Kirche seiner Yaterstadt Arol-
sen zu schenken; sie soll, statt des sonst üblichen nüchternen Messing-
beckens an den Kirchthüren zum Empfang milder Gaben dienen. Auch
sie ist ein Werk von ähnlich meisterhafter Durchbildung, wie jene Victo-
rienstatuen; ein Blick der Vergleichung auf sie und auf die Knaben des
Franke'schen Monuments in Halle, die in zahlreichen Gypsabgüsscn ver-
breitet sind, zeigt, wie viel höher der Standpunkt ist, den Rauch gewon-
nen, seit er jenes Monument gefertigt hat. Ueber den Ausdruck des
Kopfes weiss ich nichts Besseres zu sagen, als was eine Dame, die mir
zur Seite stand, fast unwillkürlich ausrief: „Wer möchte dem Knaben
etwas abschlagen!"

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Kupferstich.
(Kunstblatt 1842, No. 93.)

Bei J. Buddeus in Düsseldorf wird die Herausgabe eines katholischen
Gebetbuclies (des himmlischen Palmgärtleins) veranstaltet, welches sich
einer sehr würdigen künstlerischen Zierde zu erfreuen haben wird. E.
St ei nie liefert die Zeichnungen zu den Blättern, die dasselbe begleiten
sollen; von J. Keller werden sie in Kupfer gestochen. Steinle befolgt in
diesen Darstellungen ganz diejenige Richtung, die sich mit kindlichem,
frommgläubigem Gemüthe in eine stille Vergangenheit versenkt, und als
deren vorzüglichster Repräsentant Overbeck zu nennen ist; es spricht sich
darin ein so zartes Gefühl, eine so innige Hingebung aus, dass man zu
lebhafter Theilnahme angezogen wird, auch wo mau der Richtung selbst
die Anerkennung versagen muss. Ebenso sinnvoll, wie die Arbeit des
Zeichners, ist die des Kupferstechers; sie hat ebenfalls ein alterthümliches
Gepräge, aber die Nadel bewegt sich mit solcher Zartheit, Klarheit und
Grazie, dass diese Kupferstiche unter den Arbeiten ähnlicher Richtung in
seltner Vollendung erscheinen. Uns liegen bis jetzt drei Blätter vor. Das
vorzüglichst anziehende von diesen stellt die heil. Jungfrau, von andern
Heiligen umgeben, dar; es ist in diesem Blatt eine anmuthvolle Feier, eine
Vermählung von Grazie und Würde, eine Zartheit der Charaktere, wie

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Kupförsticli. — Radirung. 375

dergleiclien in der That nicht häufig gefunden wird. Der Künstler ist hier
völlig in seinem Elemente, und nur dem Christuskinde wäre eine etwas
naivere Bequemlichkeit in der Stellung zu wünschen. Grosse Anmuth hat
auch das zweite Blatt, welches die heil. Jungfrau, von musicirenden
Engeln umgeben, im Palmengarten darstellt; doch tritt hier bereits (in den
Bewegungen einiger Engel) manches Manieristische herein. Das dritte
Blatt stellt den Heiland unter der Kelter dar. Wir wollen diesen Gegen-
stand nicht als unkünstlerisch verwerfen; hier aber vermisst man sehr
entschieden, — wie sinniges Gefühl, wie viel Grazie selbst auch in dieser
Composition ersichtlich wird, doch diejenige höhere Elnergie der Behand-
lung, welche einem Gegenstande von so kühner Symbolik für die Auffas-
sungsweise unsrer Zeit allein die nöthige künstlerische Würde verleihen
kann. ,

Radirung.
(Kunstblatt 1843, No. 5.)

Reinick's Liederbuch, in welchem die Vorderseite jedes einzelnen
Blattes mit einer radirten Randzeichnüng — jede von eineni andern Künst-
ler der Düsseldorfer Schule gefertigt — versehen ist, hat sich eines so
allgemeinen Beifalls zu erfreuen gehabt und hat, wie es scheint, das Wohl-
gefallen an der schönen Kunst des Radirens aufs Neue so mannigfach
verbreitet, dass der Verleger (J. Buddeus in Düsseldorf) sich bewogen
gefunden hat, die Herausgabe eines zweiten Werkes von ähnlicher Ein-
richtung zu unternehmen. Format und Druck sind dieselben wie dort,
auch der Titel — Lieder und Bilder —, welchen der äussere Um-
schlag des Reinick'scheu Buches führte; das neue Werk schliesst sich dem
letztern in Folge dessen als „zweiter Band" an. Von diesem ist so
eben die erste Lieferung, 15 Blätter enthaltend, erschienen. Freilich ist
zwischen beiden Bänden insofern ein nicht unerheblicher Unterschied, als
der erste ein in sich zusammenhängendes Ganzes bildete. Die Gedichte
mussten dort als die Hauptsache betrachtet werden; sie rührten durchweg
aus der Feder des einen Verfassers (Reinick's selbst) her, gaben dem
Ganzen eine durchgehend gleichmässige Stimmung und liefen in ununter-
brochener Folge fort, so dass auch die Rückseite jedes einzelnen Blattes
vollständig bedruckt war; demgemäss waren die Bilder in der That zu-
meist nur ein künstlerischer Schmuck, der den Text auf sinnvolle Weise
umspielte. Der zweite Band dagegen ist ein Sammelwerk, dem jener
innere Zusammenhang fehlt; er besteht aus einzelnen Blättern, von denen
jedes nur ein einzelnes Gedicht behandelt; die Künstler haben sich Ge-
dichte von den verschiedensten Verfassern nach beliebiger Wahl ausge-
sucht, und es ist sehr natürlich, dass hiebei die künstlerische Darstellung
den Text in den meisten Fällen überwiegt; sie bildet die Hauptsache, und
der Text steht zu ihr grossentheils nur in dem Verhältniss einer erläu-
ternden Erklärung. — Diese Bemerkungen sollen indess keinen Tadel
enthalten, sofern wir den zweiten Band in seiner Selbständigkeit betrach-
ten. Im Gegentheil giebt demselben das überwiegende künstlerische In-

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Berichte und Kritiken.

toresse und der Vergleich der verschiedeuarfigen Richtungen, die hier als
solche schärfer hervortreten, auch seinen eigenthiimlichen Reiz.

Die vorliegenden Blätter bieten uns bereits viel Interessantes und Be-
deutendes. Vor Allem heben wir unter ihnen zunächst zwei Blätter von
A. Schrödter hervor. Wie immer, so erscheint Schrödter auch hier
durchaus meisterhaft in jener Stylistik, welche zu Darstellungen solcher
Art erfordert wird, und welche allein eine gemessene Verbindung zwischen
Druckworten und künstlerischer Umfassung derselben hervorbringen kann;
die arabeskenhafte Anordnung der Composition, die ruhige, fast plastische
Behandlung, die nirgend in die Gesetze des eigentlich Malerischen über-
streift, die freie Sicherheit in der Führung der Nadel, alles dies ist hier
gleich gediegen. Die höhere Weihe aber erhalten die Blätter durch jenen
grossartig klassischen Humor, durch den Schrödter eine so unvergleichliche
Stellung in der gesammten Geschichte der Kunst einnimmt. Das erste
Blatt hat Claudius wohlbekanntes Rheinweinlied („Bekränzt mit Laub etc.")
zum Gegenstande; ein grosser Römer, mit Eichenlaub bekränzt und eine
Rose in seinen Fluten schwimmend, erscheint oben in der Mitte; die Ver-
zierungen seines Fusses gehen in Ranken aus, aus denen sich Rebenge-
winde entwickeln; dazwischen erblickt man fröhlich heitre Gestalten, den
kräftigsten und innigsten Lebensinteressen zugethan; unten sind die Phi-
lister dargestellt: links ein grämlicher Polyhistor (oder etwa ein Recen-
sent?), der bei seinen „thüringischen" Flaschen nicht singen kann; rechts
der „lange Herr Philister", der „nur Wind macht", wie ein reisender
Englishman gekleidet, einen Blasebalg unter dem Arme und zu den fröh-
lichen Gestalten über ihm hinauflorgnettirend. Das andre Schrödter'sche
Blatt behandelt ein kerniges Trinklied aus jener guten alten Zeit des hei-
ligen römischen Reiches, ehe der dreissigjährige Krieg all seine verborge-
nen Schäden unheilbar aufgerissen hatte; hier baut sich aus den Ranken,
die die Verse eiuschliessen, eine zierlich geschnitzte Holzlaube empor,
und in dieser erblickt man eine Gesellschaft stattlicher Gesellen um einen
Tisch mit Krügen und Gläsern, die das schöne Lied einträchtiglich singen.
— Unter zwei Blättern von W. Camp hausen zeichnet sich besonders
das eine, das des „Reiters Morgenlied" („Morgenroth, leuchtest mir zum
frühen Tod" etc.) zum Inhalt hat, durch treffliches Arrangement der
Zeichnung und durch geistvoll gediegene Behandlung aus; der Maler
hat zu jdcn Darstellungen dieses Blattes, sehr passend zu dem Charakter
des Liedes, das Kostüm des dreissigjährigen Krieges;gewählt. — Andre
interessante Darstellungen sind die von J. Fay (der Blumen Rache, von
Freiligrath), die nur das elfenhaft Leichte des Gedichtes nicht genügend
getroflen hat, H, Plüddemann (der nächtliche Ritter, von Uhland), E.
Ebers, II. Ritter u. s. w. E. Steinbrück hat zu dem Kreuzfahrer-
liede aus Novalis' Ofterdingen eine Zeichnung geliefert, die ungemein
anmuthig empfunden ist, doch in der künstlerischen Behandlung nicht ge-
nügend erscheint. C Clasen (das Himmelsmahl, von Pocci) bewegt sich
mit Glück und Würde in derjenigen strengeren Darstellungsweise, die bei
religiösen Gegenständen angewandt zu werden pflegt; A. Mülller dagegen
(die Passionsblume, von v. Groote) erscheint ganz in jene befangene Sty-
listik der Italiener des vierzehnten Jahrhunderts, bei deren Betrachtung
man nicht immer die Begriffe des Alters und der religiösen Weihe zu
unterscheiden scheint, versenkt; — es macht in der That einen eigenthüm-
lichen Eindruck, immer wieder eine längst verklungene Richtung solcher

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Neues aus Berlin, 377

Art zwischen den Aeusserungen eines naiv regen Lebens hervortaiichen
zu sehen. Endlich sind noch zwei vortreffliche Landschaften von E. W.
Pose (der arme Sennabua, Volkslied) und J. W. Schirmer (künftiger
Frühling, von ühland) hervorzuheben; besonders die letztere erscheint in
ungemein zarter und weicher Haltung, doch geht sie auch schon über die
Grenzen der Radirung hinaus.

Für die zweite Lieferung dieses Werkes werden uns ebenfalls Arbei-
ten vorzüglicher und anerkannter Künstler verheissen. Der Beifall des
Publikums wird diesem schönen Unternehmen nicht fehlen.

Neues aus Berlin.

(Kunstblatt 1843, No. 6.)

Unsre grosse Ausstellung, die sich diesmal beträchtlich in den Winter
hereinzog, ist seit etlUhen Wochen vorüber; der Ausstellungsreferent hat
die wichtigsten Punkte, die bei der überaus grossen Anzahl der ausgestellten
Gegenstände, vornehmlich der Gemälde, zur Sprache kommen mussten, den
Lesern des Kunstblattes dargelegt. Die künstlerischen Interessen gehen all-
mählig in ihren geregelten Gang zurück, und selbst der grosse Meinungskrieg,
der in den hiesigen Zeitungen, in den Salons der Laien und in den Ateliers
der Künstler mit wundersamer Heftigkeit geführt ward, beginnt zu ver-
hallen. Dieser Kampf der Meinungen und Ansichten, der einige Wochen
lang so stark war, dass er fast die Kunde des glorreichen Friedens der
Engländer mit dem himmlischen Reiche übertönte, hat in der That fast
ein ebenso bedeutendes Interesse, als die Gegenstände, denen er galt; ich
bin sehr geneigt, ihn als Zeugniss einer lebhaften Krisis, in der sich gerade
jetzt die deutsche — oder wenigstens die norddeutsche — Kunst befindet,
zu betrachten. Es galt nämlich einigen Hauptbildern der Ausstellung, Zu
Anfang, nachdem Lessing's Huss auf dem Kostnitzer Concil erschienen
war, schwärmte Alles für dies Bild; plötzlich wandte sich das Blatt, als
die beiden grossen belgischen Bilder, von Gallait und de Biefve, ein-
gerückt waren. Hier allein, so hiess es, sei wahre Malerei, wahre Kunst.
Besonders unsre Maler traten mit dieser Behauptung auf; ja, es wird sogar
mit Gewissheit behauptet, dass einige Zeitungsartikel, die sich sehr scharf
für die Belgier und sehr scharf gegen Lessing äusserten, von einem unsrer
ersten Künstler geschrieben seien. Natürlich kam es, als die Sache in
solcher Weise öffentlich geworden war, zu sehr lebhaften Erwiderungen,
Antikritiken u, s. w. Keine Partei, wie es scheint — und wie es in allen
Meinungskämpfen der Fall zu sein pflegt — hat nachgegeben; aber die
Zukunft wird die Lösung der Widersprüche bringen. Der Kampf selbst
zeigt es, dass die Einseitigkeit der einen oder der andern Richtung — die
es zwar nicht ausschliesst, dass diese eine Richtung in sich höchst vollen-
det sein könne, — zum Bewusstsein hervorgedrungen ist. Er ist nur das
Seitenstück zu all den Kämpfen, welche unsre Zeit bewegen. Abet wo

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378 Berichte und Kritiken.

Kampf ist( da ist Leben, da ist Process der Entwickelung. Die Kunstge-
schichte unsrer Tage ist im Begriff, die Stufe, auf der sie sich seit etwa
drei Lustren bewegt hat, zu verlassen und eine neue Stufe zu betreten.
Mögen ihr die äusseren Verhältnisse fördersam entgegenkommen!

Einstweilen sind die beiden belgischen Riesenbilder auf Befehl des
Königs noch besonders in der Rotunde des Museums aufgestellt worden.
Die Ausstellungssäle der Akademie sind auf so kolossale Dimensionen
nicht wohl eingerichtet. Zwar hatte man Alles gethan, um ein günstiges
Licht und eine gute üebersicht der Darstellungen zu "Wege zu bringen:
auch hatte man in der That, nach Aufhebung einiger Missstände, eine
vortreffliche Beleuchtung möglich gemacht; indess war ein freierer Stand-
punkt noch wünschenswerth geblieben. Jetzt fällt das Licht etwas
scharf von oben ein, durch die Mitte der Kuppel; dafür steht dem Be-
schauer nunmehr der mannigfaltigste Wechsel des Standpunktes frei. Und
wirklich trägt diese neue Aufstellung nicht wenig dazu bei, um die gross-
artige historische Fülle und Energie, welche in beiden Bildern, bei aller
Verschiedenartigkeit der Behandlung, durchgeht, vollständig auffassen zu
können.

Eine interessante Ausstellung, leider nur von ein Paar Tagen, hatten
wir kürzlich im Lagerhause, im Atelier des Professor Rauch. Dort war
uns die Anschauung des Thonmodells zu dem Denkmale verstattet, wel-
ches Rauch im Auftrage des Königs für das Mausc^um zu Charlottenburg
arbeitet. In diesem Mausoleum, wo die Königin Louise bestattet ist und
wo sich jenes allbekannte Denkmal der Königin befindet, mit dem vor
nunmehr dreissig Jahren Rauch's höherer Künstlerruhm begann, ist be-
kanntlich auch König Friedrich Wilhelm IIL, zur Seite seiner unvergess-
lichen Gemahlin, bestattet worden, und so soll dort auch sein Denkmal,
dem ihrigen zur Seite, aufgestellt werden. Die Anordnung ist jenem ganz
ähnlich und im höchsten Grade einfach. Etwas über lebensgross, ruht die
Gestalt des entschlafenen Herrschers gerade ausgestreckt auf dem Lager.
Er trägt die Generalsuniform, deren Insignien aber nur an Hals und Brust
sichtbar werden. Ausserdem ist er in den einfachen Kriegsmantel gehüllt,
in dem wir ihn bei seinen Lebzeiten so häufig gesehen haben, in dem
seine Leiche auch auf dem Todtenbette ausgestellt war, und der zugleich,
in schlichter und doch so beredter Symbolik, den ausharrenden Kämpfer
für die Freiheit und für den Ruhm seines Staates bezeichnet. Das etwas
gesenkte Haupt ist im kräftigsten Mannesalter aufgefasst; ein milder, ver-
söhnungsvoller Ernst durchleuchtet auf eine wundersame Weise diese
edlen und klaren Züge. Das Ganze ist, wie es aus der Aufgabe natur-
gemäss hervorgehen musste, durchaus schlicht und einfach entworfen, und
dennoch ist in dem ruhigen Gange der Linien ein eigner feierlicher Wohl-
laut, der das Gemüth des Beschauers auf die wohlthätigste Weise berührt.
Dabei zeigt sich in der Durchbildung des Stofflichen, wie überall in Rauch's
neueren Werken, jene hohe Meisterschaft, durch welche allein der dargestellte
Gegenstand uns in vollkommen individueller Freiheit und Lebendigkeit
gegenübertritt. Es gewährte einen eigenthümlich erhebenden Eindruck,
zu beobachten, wie jeder der Eintretenden im Anschauen des Denkmales
sofort von einer ernsten, gehaltenen Stimmung ergriffen wurde; und nur
mit leiser Stimme, von einer geheimen Ehrfurcht gefesselt, theilte man
seine Bemerkungen über das schöne Werk einander mit.

Der Bildhauer J. Gebhard hat kürzlich vom Könige den Auftrag

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Neues aus Berlin. 379

erhalten, drei grosse Reliefs anzufertigen, welche an der hiesigen Werder-
kirche, und zwar an der äusseren Seiten wand-, unterhalb der Fenster, an-
gebracht werden sollen. Die Gegenstände dieser Reliefs, deren einige schon
in leichten Skizzen auf unsrer grossen Ausstellung gesehen wurden, be-
ziehen sich auf die mehrfach erfolgte Aufnahme profestantischer Emigran-
ten, die ihre Heimat verlassen hatten und im brandenburgisch-preussischen
Staate die Freiheit des Glaubens fanden, welche ihnen durch den Gewissens-
druck im
eignen Vaterlande versagt war. Es sind: die Aufnahme der
französischen Protestanten, die bei Aufhebung des Edikts von Nantes aus.
Frankreich und vor den dortigen Verfolgungen geflüchtet waren, durch
Friedrich Wilhelm, den grossen Kurfürsten; die Aufnahme der Salzburget
Emigranten durch König Friedrich Wilhelm L, und die Aufnahme der
Zillerthaler durch K. Friedrich Wilhelm III. Es ist höchst erfreulich, in
diesen Gegenständen der Kunst eine Aufgabe gestellt|zu sehen, welche der
ächtesten historischen Bedeutung voll ist und, statt sich auf müssige
Schaustellung einzulassen (womit man die Historie nur allzu oft abzufer-
tigen liebt), vielmehr geradezu Momente hervorhebt, in denen sich der
innere ethische Entwickelungsgang der Geschichte — und hier die ethi-
sche Grundlage für die Entwicklung des preussischen Staates — ent-
schieden aussprechen muss.

Noch darf ich wohl eines absonderlichen neuen Künstfaches gedenken,
welches bei uns, die wir uns dessen früher nicht rühmen konnten, seit
einiger Zeit ins Leben getreten ist. Ich meine die Karikaturen auf öffent-
liche, besonders politische Verhältnisse und Zustände, die in rascher Folge
erschienen sind, seit die Bilder keiner Censur mehr unterliegen. Es liegt
in der Natur der Sache, dass hier noch nicht mit einem Schlage der rich-
tige Takt, und dass vornehmlich nicht durchweg jene gentile Behand-
lungsweise gefunden werden konnte, durch die allein die Satire eine
höhere künstlerische Weihe zu erwerben vermag; sagt man doch überhaupt
uns Deutschen nach, dass wir uns in öffentlichen Dingen noch immer
leidlich ungeschickt gebahren. Auch ist noch kein eigentlicher Heros auf-
getreten, der solchen Darstellungen ein entschieden charakteristisches
Gepräge aufgedrückt hätte; noch Nichts von der solennen Meisterschaft,
die sich z. B, in G. Schadow's (des Bildhauers) vier unvergleichlichen
Karikaturen auf Napoleon kund giebt. Neben manchem Verfehlten und
Schwachen sind aber doch auch schon recht tüchtige Blätter erschienen,
Darstellungen, die ihr Ziel schon ganz sicher und eindringlich zu treffen
wissen. Auch mag das als eine wesentliche Förderung zu nennen sein,
dass die Inschriften der Bilder immer noch censirt werden müssen, dass
man diese mithin lieber ganz weglässt und sich dafür bestrebt, in der
selbständig künstlerischen Darstellung zu einem um so prägnanteren Aus-
drucke zu gelangen. 'Immerhin — und alle übrigen Gesichtspunkte bei
Seite gestellt — lässt sich wenigstens behaupten, dass der kecke Spott und
die vergnügliche Bitterkeit dieser Blätter eine frische Lebensluft in alle
die Regionen der Kunst bringen, die durch die unendliche Wehmuth der
Romantik und durch die Darstellungen des Allertrivialsten schon in eine
starke Stagnation übergegangen waren.

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Berichte uud Kritiken.

Walhalla in artistischer und technischer Beziehung, von Leo
V. Klenze. Qross Royalfolio. 5 Bogen Text und 12 Kupfertafeln. Mün-
chen, in der lit. art. Anstalt der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.

(Kunstblatt 1843, No. 16.)

vi:

Herr von Klenze giebt in der siebenten und achten Lieferung seiner
„Sammlung architektonischer Entwürfe" auf 12 Tafeln in gross Folio, nebst
dem zugehörigen erläuternden Text, Risse und Ansichten der von ihm
erbauten Walhalla, die zugleich als selbständiges Werk, unter dem vorstehen-
den Titel, erschienen sind. Bei dem grossen, nationalen Interesse, welches
jenes majestätische Bauwerk gewonnen hat, wird diese Herausgabe gewiss
den vielseitigsten Wünschen begegnen. Man kann das Bauwerk hier, in
bequemer Uebersicht, in all seinen Einzelheiten prüfen; man wird auf die
vorgeschriebenen Bediognisse und auf die technischen und construktiven
Gründe, auf denen die Behandlungsweise der Anlage beruht, zurückge-
führt; und auch der Auswärtige, der das nunmehr in seiner ganzen Pracht
vollendete Gebäude nicht zu sehen Gelegenheit hatte, kann sich aus diesen
Blättern einen Begriff von seiner Einrichtung machen.

Der unterzeichnete Referent gehört zu denen, welche das Gebäude selbst
nicht gesehen haben. Er nimmt indess keinen Anstand, sich über das-
selbe, nach Maassgabe der vorliegenden Blätter, auszusprechen. Freilich
kann kein Abbild eines grossartigen Bauwerkes, und zumal kein geometri-
scher Riss (so wichtig ein solcher auch in vielfacher Beziehung für das
Verständniss ist) den Eindruck der massenhaften Erhabenheit hervor-
bringen, den eben nur der Anblick des Werkes selbst zu gewähren im
Stande ist; auch muss dabei von Allem, was dem Gebiete des Malerischen
angehört und was oft in der Architektur eine so grosse Rolle spielt, ab-
gesehen werden. Doch glaubt Referent, dass eben die Abwesenheit alles
dessen, was das Architektonisch Künstlerische nicht ganz unmittelbar be-
rührt (wozu auch noch der Glanz und die Pracht des Stoffes zu rechnen ist)
sein Urtheil um so unbefangener, um so weniger bestochen erscheinen
lassen werde. ^

Ueber den Zweck und die Bedeutung des Gebäudes, welches die vor-
liegenden Blätter behandeln, ist es wohl kaum nöthig, von Neuem Etwas
zu sagen. Ich darf voraussetzen, dass dies Jeglichem unter den Lesern
bekannt sei. So ist auch der geschichtliche Verlauf des Baues, und be-
sonders der schöne Umstand, dass der König von Bayern den Plan dazu
schon früh, schon in den Zeiten der tiefsten Unterdrückung des Vater-
landes gefasst und ihn mit rastloser Mühe nunmehr auf so bedeutungsvolle
Weise verwirklicht hat, neuerlich in allen öffentlichen Blättern besprochen.
Herr von Klenze giebt in seinem Texte ausführliche Mittheilungen über
das Historische des Baues.

Durch den König war bestimmt worden, dass der Bau, wie es auch
geschehen ist, in rein griechischem Style ausgeführt werden sollte. Wir
dürfen gegen die Wahl dieses Stylos nichts einwenden. Da unsre Zeit
noch keinen eigenthümlichen arcliitektonischen Styl, der der Ausdruck
unsrer heutigen Gedanken- und Gefühlsweise wäre, hervorgebracht hat,
und jenes Monument für einen blossen Versuch doch wohl eine zu ernste

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Walhalla in artistischer und technischer Beziehung. 381

Bestimmung hatte, so scheint die Wahl sich zur Genüge zu rechtfertigen.
Wenn wir uns, deren Gedankenrichtung von der des griechischen Alter-
thums freilich sehr verschieden ist, auch nur auf eine, halb-künstliche
Weise und durch lange Gewöhnung in den griechischen Säulen- und
Architravbau hineingebildet haben, so könnte doch nur ein Thor die hohe
Reinheit, Schönheit und Würde dieser griechischen Bauweise läugnen.

So erscheint das Aeussere des Baues als ein mächtiger Peripteros, und
zwar in dorischen Formen. Erfreulich ist es, dass auch die Obertheile
des Baues den gesetzlich reicheren Schmuck haben, den die harmonische
Vollendung des griechischen Styles fordert, und der unsern modern-antiken
Gebäuden dennoch so häufig fehlt. Alle Anteüxen über den krönenden
Gesimsen sind vorhanden; die beiden Giebelfelder sind mit reichen Sta-
tuengruppen ausgefüllt. Nur in den Metopen des Frieses haben wir irgend
einen Schmuck von bewegter Form vermissl; ihre leere Fläche allein
schliesst sich jenen mannigfaltigen Zierden nicht völlig harmonisch an.
Soweit die Details des Aeusseren in den vorliegenden Rissen da/gestellt
sind, erkennen wir darin ein sorgfältiges Studium der griechischen Meister-
werke 'aus dem Zeitalter des Perikles. Das ganze Aeussere muss dem-
nach einen so würdigen wie anziehenden Eindruck hervorbringen.

Auf sehr eigenthümliche Weise wird dasselbe aber noch durch den
kolossalen Unterbau gehoben, der an der Vorderseite des Gebäudes, nach
dem Flusse hin, nöthig war, indem der Gipfel des Berges niclit die ge-
nügende Fläche zur Ausführung des Baues darbot. So steigt, unterwärts,
zunächst eijie mächtige, breite Treppe empor; dann folgen zwei kolossale,
aus polygonischen Blöcken gebaute Absätze, an deren Vorderseite die
Treppe sich in zwei Arme theilt; dann drei kleinere Absätze, und über
diesen erst die drei Stufen, welche durch die gewöhnlichen Gesetze des grie-
chischen Tempelbaues bedingt waren. Das Gebäude bietet mithin, in der
Ansicht von den vorderen Standpunkten, die erhabene und reich geglie-
derte Bekrönung einer mächtigen, stufenförmig aufsteigenden Masse; auch
scheinen die Verhältnisse durchaus so, dass dadurch in der Wirklichkeit
ein überaus imposanter Eindruck hervorgebracht werden muss. Dennoch
ist nicht zu läugnen, dass in dem Unterbau etwas Schweres und Kaltes
liegt. Ich suche dies indess keinesweges in seiner Anordnung überhaupt,
noch, wie bemerkt, in seinen Verhältnissen; ich glaube nur, dass er für
das Verhältniss zu den gegliederten Formen des Gebäudes, welches ihn
bekrönt, zu wenig ausgebildet ist. Nicht, als ob ich auch für ihn eine
gegliederte Architektur in Anspruch nehmen möchte! mir scheint, als ob
es vornehmlich nur an einer charakteristischen Bezeichnung und Hervor-
hebung seiner Ecken fehle, als ob gerade dadurch — etwa durch plastische
Werke über angemessen hohen Postamenten — jener Grad von Belebung,
von Entwickelung der Verhältnisse zu erreichen sein möchte, der wegen
des harmonischen Gesammteindruckes noch nöthig ist. Ist meine Ansicht
richtig, so dürfte dieser Umstand dem Gründer des Baues Gelegenheit zu
einer neuen Bethätigung seines Kunstsinnes geben.

Bei Weitem schwieriger als das Aeussere des Gebäudes war die An-
Ordnung seines Innern. Hier galt es, eineü weiten, übersichtlich freien
Raum mit voller und ungebrochener Beleuchtung zu schaffen, einen Raum,
der zur Aufstellung einer grossen Menge von Büsten und Inschriften aufs
Vortheilhafteste geeignet sein, und bei dem doch natürlich alle Kahlheit,
Leere und Monotonie vermieden werden musste, so^ schwer das Letztere

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382 Berichte und Kritiken

auch zu erreichen sein mochte. Diese Aufgabe hat der Architekt, nach
meinem Ermessen, auf eine sehr glückliche Weise erfüllt; die Anordnung,
obgleich den Gesetzen des griechischen Baustyles sich durchaus fügend,
ist ganz eigenthümlich gehalten und bringt somit dem Talente des Ar-
chitekten alle Ehre. Nach einem früheren Entwürfe (dessen der Heraus-
geber im Texte erwähnt und von dem ich auch Risse gesehen zu haben
mich erinnere), sollte der Hauptraum des Innern mit einem Tonnenge-
wölbe, nach römischer Art, überdeckt werden. Es ist sehr erfreulich,
dass dieser Plan wieder aufgegeben wurde. Denn wieviel auch die Form
des Gewölbebaues erhabener ist, als die des griechischen Architravbaues,
so konnte sie doch hier — abgesehen von der Zwitterhaftigkeit des römi-
schen Baustyles — schon in sofern nicht zulässig sein, als dadurch die
Harmonie zwischen den Formgesetzen des Innern und Aeussern geradehin
aufgehoben wurde. Statt dessen sehen wir gegenwärtig eine aus Metall
gebildete Bedachung, die sich den griechischen Linien vollkommen har-
monisch anfügt. Es ist ein starkes, in kräftigen Massen gebildetes Hänge-
werk. Vier gedoppelte Hängebalken schliessen drei Räume zwischen sich
ein, in denen man in die reich cassettirte Dachschräge hinaufsieht; in
jedem dieser Räume findet sich ein grosses Fenster, welches von oben
herab ein weites, volles und zur Beleuchtung der Sculpturen sehr günstiges
Licht einfallen lässt. Jene Hängebalken werden sodann durch vortretende
Wandpfeiler getragen. Die Anordnung der letzteren, die sich auf diese
Weise völlig naturgemäss ergiebt, unterbricht sehr glücklich die Mono-
tonie der Wandflächen und der Büstenreihen, und giebt zugleich zur wei-
teren architektonischen Ausbildung Anlass. Der Höhe nach sind nemlich
die Wände in zwei Abtheilungen (Geschosse) getheilt, indem vor dem
unteren, zwischen den Wandpfeilern, die Büsten aufgestellt und an dem
oberen die Inschrifttafeln angebracht sind. Zur Scheidung zwischen beiden
Geschossen dient ein zierlich gearbeitetes Gebälk, welches von ionischen
Pilastern auf den Ecken der Wandpfeiler getragen wird. Im Obergeschoss
aber verschwindet die Masse des Wandpfeilers; er wird durch je zwei
Karyatiden ersetzt, welche sich über den eben genannten Pilastern erheben,
das über ihnen vortretende Obergebälk tragen und mit diesem jenen ehernen
Hängebalken die Unterlage geben. So ist durch ein einfaches Princip eine
reiche und eigenthümlich wirksame Anlage gewonnen.

Der also gestaltete Raum bildet aber nicht das gesammte Innere des
Gebäudes. An seiner Hinterseite ist noch eine Art Opisthodom angebracht,
der durch eine Stellung von zwei ionischen Säulen, jenen Pilastern ent-
sprechend , mit dem Hauptraume in Verbindung steht. Oberwärts bildet
der Opisthodom eine Loge, welche sich durch eine Stellung von zwei Karya-
tiden öffnet. Diese Einrichtung, die wiederum zur grösseren Belebung der
inneren Anlage dient, ist besonders für die festliche Benutzung des Ge-
bäudes bestimmt. Zu demselben Behufe ist auch oberwärts, in den starken
Seitenwänden des Gebäudes, eine schmale Gallerie angebracht, die sich
durch eine Art viereckiger Fensterräume nach dem Innern öffnet. Die
letzteren Oeffnungen unterbrechen die Räume, in denen die Inschrifttafeln
angebracht sind; zu ihren Seiten sind sie durch Pilaster eingefasst. Leider
haben diese Pilaster ein etwas kurzes Verhältniss. Auffallender als dies
und ziemlich befremdlich, in Rücksicht auf die besonnene architektonische
Durchbildung des üebrigen, Jst ein andrer Ücbelstand. Der Theil des
Obergebälkes nemlich, der von den Karyatiden getragen wird, tritt frei

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!

Walhalla in artistischer und technischer Beziehung.

aus der Wandmasse heraus, ohne dass sein Architrav, wie es doch das
künstlerische Gefühl erfordern muss, durch einen Pilaster gestützt wäre.
Es liegt hierin ein Mangel an Harmonie, der um so auffälliger wird, als
es im Uebrigen doch keinesweges an der Anwendung von Pilastera fehlt.
Indess ist dies immerhin ein üebelstand, den nur -eine nähere Kritik
bemerken wird.

üeber den bildnerischen Schmuck des Gebäudes kann hier nur die
allgemeine Andeutung gegeben werden. Ueber die Aufstellung der Büsten
ist bereits gesprochen. Sie stehen in zwei Hauptreihen Übereinander, die
unteren auf einem zwischen den Wandpfeilern fortlaufenden Postamente,
die oberen auf Consolen; In der Mitte jedes Feldes, zwischen den Wand-
pfeilern, unterbricht eine Viktoriengestalt die Reihen; darüber sind noch
einige andre Büsten als dritte Reihß angeordnet. Marmorne Prachtsessel
und Kandelaber stehen vor den Büsten und vor den Wandpfeilern. Der
Fries des Gebälkes zwischen den beiden Geschossen hat einen reichen
Reliefschmuck, die Urgeschichte der Deutschen darstellend. Die Karyati-
den erscheinen in der Gestalt von Walkyren. Zwischen den Balken und
Stäben des Hängewerkes sind getriebene Sculpturen angebracht, welche
die Hauptmomente der nordischen Mythe vergegenwärtigen. Die Statuen-
gruppen in den Giebelfeldern des Aeusseren stellen die Besiegung der
Römer durch die Deutschen und die neue Vereinigung der deutschen Pro-
vinzen nach den jüngsten Kriegen mit Frankreich dar.

383

I

Die zwölf Tafeln, welche die Darstellung der Walhalla geben, ent-
halten die Risse und Durchschnitte des Ganzen und seiner Einzeitheile
nach der üblichen Weise architektonischer Darstellungen. Zwei Blätter
geben ausführlich lithographirte und mit Tonplatten überdruckte Ansichten
des Aeusseren, von verschiedenen^Standpunkten aus; in vortrefflich male-
rischer Haltung ausgeführt, sind sie sehr geeignet, wenigstens die land-
schaftliche Wirkung der imposanten Anlage erkennen zu lassen. Von dem
Innern wird eine in Linien gezeichnete perspektivische Ansicht gegeben.
Die Mittheilung zahlreicher construktiver Details, besonders in Rücksicht
auf das eherne Dachwerk, wird den Technikern willkommen sein.

Der Zeichnenunterricht in Töchterschulen, als wichtiges Bil-
dungsmittel für die Gesammterziehung, von A. Meier. Lübeck
1842, von Roh<lensche Buchhandlung. 92 S. in 8.

(Kunstblatt 1843, No. 19.)

Man hat es zur Genüge anerkannt, einen wie wichtigen Abschnitt des
Unterrichts, der zur allgemeinen menschlichen Bildung führen soll, der
künstlerische Unterricht ausmache. Dennoch sind die Erfolge des letzteren
insgemein durchaus nicht so umfassend und so tief eingreifend, wie man
wünschen und erwarten möchte. Besonders ist dies im Fache des Zeich-
nenunterrichts der Faü. Der Üebelstand liegt in den meisten Fällen wohl
darin, dass man von der allgemeinen WerthsAätzung des Gegenstandes

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384 Berichte und Kritiken.

nicht zu einer klaren Anschauung seiner eigentlichen Bedeulung überzu-
gehen im Stande war, dass der Zeichnenunterricht somit nicht mit genü-
gender Consequenz in den Plan des übrigen Schulunterrichtes verflochten,
dass er mehr nur als eine Nebensache behandelt, dass er mit grösserer
Willkür und ohne sonderliche Rücksicht auf die in ihm selbst liegende
Consequenz eingerichtet wurde. Und doch ist es nöthig, gerade auf diese
Punkte mit grösster Bestimmtheit einzugehen, wenn anders — ganz abge-
sehen von den praktischen Fördernissen, zu denen dieser Unterricht führt,
— Hand, Auge, Sinn, Phantasie und Geist denjenigen Gewinn, zu dessen
Entwickelung gerade er so mannigfache und so fruchtbare Gelegenheit
giebt, erlangen sollen.

Die in der Ueberschrift genannte Brochüre behandelt diesen Gegen-
stand, und zwar in einer Weise, dass sie unbedenklich auf die lebendigste
Beachtung Anspruch hat. Der Verfasser hat den Gegenstand noch enger
eingeschlossen, indem er sein Augenmerk, -wie der Titel besagt, zunächst
nur auf den Zeichnenunterricht in Töchterschulen richtet. Diese engere
Betrachtung ist insofern niclit ohne Wichtigkeit, als jene Uebelstände und
ihre Folgen hier ganz besonders in Betracht kommen; der Verfasser weist
es nach, wie eben auch hier ohne gründlichen Ernst und ohne durchgrei-
fende Consequenz keine Resultate zu erreichen sind. In Bezug auf diese
Resultate aber legt er durchweg, und gewiss mit Recht, den höchsten
Maassstab an: Handbildung, Augenbildung, Urtheilsbildung, Phantasiebil-
dung, Willensbildung — dies ist es, was er als die eigentlichen Früchte
des Unterrichts erreicht sehen will. Von diesem Standpunkte aus ent-
wickelt er die Methode, die ihm, durch mehrjährige Erfahrung verbürgt,
als die vorzüglichst folgenreiche erscheint; es ist diese Methode aber nicht
eben eine völlig neue Erfindung, sondern es ist im Wesentlichen nur die
Anwendung der besten, schon hier und dort ausgesprochenen Principien
auf den bestimmten Fall. Alles was er in diesem Betracht sagt, hat eine
durchaus praktische Fassung, mit fester Rücksicht auf den Organismus
der Schule, auf das Wesen und die Bestimmung der Töchterschule, auf
die Eigenthümlichkeiten der weiblichen Jugend, auf das Verhältniss des
Lehrers zu dieser, u. s. w. So unverrückt der Verfasser seinen Standpunkt
im Auge behält, so verschmäht er doch nicht, über die kleinsten und an-
scheinend unbedeutendsten Einzelheiten seines Gegenstandes sich auszu-
sprechen, indem gerade darin die Realisation seines Plaues beruht.

Wir glauben, dass diese Schrift Lehrern und Lehrerinnen aufs Ange-
legentlichste zu empfehlen ist, wir glauben aber auch, dass sie für ungleich
ausgedehntere Kreise dasselbe Interesse haben wird. Die Weise, wie jene
höhere Aulfassung und die praktische Erfahrung hier einander ergänzen,
macht die Schrift ungemein lehrreich. Es tritt uns hier eine eigenthüm-
lich liebenswürdige Beobachtung der Kinderwelt, ihres Sinnens und Den-
kens, entgegen; daran knüpft der Verfasser seine Anweisungen, wie das
kindliche Gemüth von früh an zu Ernst und Stetigkeit zu gewöhnen, wie
es zur künstlerischen Auffassung anzuleiten und Schritt vor Schritt in der
eröffneten Bahn weiter zu führen sei. Eine innigere Vermählung der
Kunst mit dem Leben, als solche in den meisten Fällen seither stattge-
funden hat , - bietet sich dem Leser als endliche Frucht dieser Bobach-
tungen und Bestrebungen dar.

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Vorlesung über die

SYSTEME DES KIRCHENBAÜES,

gehalten am 4. März 184 8
im wissenschaftlichen Verein zu Berlin.

Mit sieben Abbildungen auf einer Tafel.

Es ist in unsern Tagen, und schon seit Jahren, mancherlei über den
Bau von Kirchen gesprochen und geschrieben. Man hat es, nicht ohne
Beschämung, bemerkt, dass es den kirchlichen Gebäuden unsrer Zeit an
einem eigenthümlichen Style, fehle, dass die höchsten geistigen Strebungen
der Gegenwart noch nicht dasjenige Selbstbewusstsein, diejenige Bestimmt-
heit und Festigkeit erlangt haben, deren es bedarf, um sich sofort in künst-
lerisch gemessener Weise verkörpern, als ein Anschaubares dem Sinn und
Gemüthe des Volkes mit nachhaltiger Wirkung gegentibertreten, in monu-
mentaler Beschlossenheit ein stetes Dasein bewahren zu können. Die
heiligen Gebäude aus allen früheren Epochen der Geschichte erscheinen
uns als lebendige und sprechende Zeugnisse des Geistes, des Gefühlsver-
mögens, das die Völker, von denen sie errichtet wurden, beseelte; zu
allen Zeiten hatte man die Form gefunden, die der geistigen Bewegung
zum Ausdruck diente; nur in der neueren Zeit, nur in der Gegenwart
fehlt diese Form.

Die Geschichte will uns dieses Mangels wegen trösten; sie heisst
uns das endliche Ziel der Bewegungen, welche die Geister der neueren
Zeit erfüllen, abwarten; die Form werde sich dann von selbst finden. Von
Seiten der Philosophie sind Stimmen laut geworden, welche sich ver-
nehmen Hessen: es bedürfe dieses Trostes nicht; die Entwickelung unsrer
Zeit sei bis zu einem Maasse gediehen, dass ihr die'Form überhaupt nicht
mehr genügen könne. Die Kunst will sich mit solchen Ansichten nicht
ganz einverstanden erklären; sie meint, dass das Formlose eine zweifel-
hafte Existenz habe; sie meint, es gezieme ihr, in den Entwickelungsgang
der Zeit mit einzugreifen, dahin mitzuarbeiten, dass die Idee sich zur leben-
digen Gestalt verkörpere. Vonseiten der Kunst sind wenigstens Vorschläge

Kugler, Kleine Schriften. III. 25

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SSO lieber die Systeme des Kircheubaiies.

^eiaacht, vveuigstens Versuche aufgestellt worden, um kirclillclie Gebäude
zu schaffen, die den geistigen Bedürfnissen unsrer Zeit gemäss wären.
Namentlich in der jüngsten Zeit sind sehr beachtenswerthe Arbeiten der
Art unternommen worden. Der Gegenstand ist wichtig genug, um ihm
einige nähere Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Die architektonische Produetion scheidet sich, ihrer Absicht nach, zu-
nächst in zwei, einander entgegengesetzte Richtungen. Die eine Richtung
betrachtet das, was in früheren Zeiten geschaffen ist, als ein entschieden
Abgeschlossenes und Fremdes; sie will darauf nicht eingehen, sie will nur
aus sich herausschaffen. Nur — auf der einen Seite — das eigne subjec-
tive Gefühl, nur — auf der andern — die materiellen Bedingnisse (der
Räumlichkeit, die geschafl'en werden soll, der Fügung und Zusammensetzung
des 13aumaterials u. s. w.), nur dies soll ihr den Maassstab geben. Sie
will durchaus selbständig dastehen, nach selbsterfundenen Gesetzen thä-
tig sein. Ihre Principien klingen so, als ob sie ganz das aussprächen,
was das Bedürfniss unsrer Zeit ist; und dennoch rufen sie, ausschliesslich
befolgt, ein lebhaftes Bedenken hervor. Die architektonischen Werke, die
in früheren Jahrhunderten und Jahrta\isenden geschail'en sind, tragen aller-
dings das entschiedene Gepräge von Zeit und Volk, dem sie angehören;
sie stehen uns insofern allerdings als ein Fremdartiges gegenüber. Zugleidi
aber ofl'enbaren sich in ihnen die allgemeinen Gesetze der Arcliitektur, die
allgemeinen Principien ilirer Formen, und zugleich kündigt sich in der
historischen Aufeinanderfolge der architektonischen Systeme die fortschrei-
tende Entwickelung dieser Gesetze und Principien an. Die Architekten,
die lediglich nur nach ihrem eignen Sinne schaffen, vermessen sich, das
grosse Resultat, an dessen Erfüllung Jahrtausende gearbeitet haben, durch
ein rasches Phantasiespiel ersetzen zu wollen.

Die andre Hauptrichtung der architektonischen Produetion befolgt den
entgegengesetzten Weg. Sie will kein System schaffen, sondern nur nach den
Gesetzen eines schon vorhandenen arbeiten, je nachdem sie jn demselben
die höchst mögliche Vollendung, die von menschlichen Kräften erreicht
werden kann, bereits entwickelt findet, Sie meint, dass die A nwendung
des erwählten Systems auf die Verhältnisse und Bedürfnisse der Gegen-
wart der künstlerischen Kraft hinlänglich freien Spielraum gewähre. Sie
erwählt sich ein einzelnes System, etwa das griechische, um bei demselben
unwandelbar zu verharren, oder sie geht von einem Systeme zu dem an-
dern über, je nach dem Charakter der gestellten Aufgabe, indem sie
z. B. die Halle eines Theaters im griechischen, das Gebäude der Kirche
im gothischen Style baut, u. s. w. Solchem Bestreben indess ist jenes Andre
entgegenzusetzen: dass die architektonischen Systeme, bei aller Gültigkeit
ihrer Principien im Allgemeinen, doch eben durch den Charakter von
Zeit und Ort überall bedingt waren, dass die Art und Weise ihrer Er-
scheinung von Einflüssen abhängig war, deren Gültigkeit auch für die
iieutige Zeit wir nicht mehr annehmen dürfen. In diese äusseren Elemente
des Styles wissen wir uns, was sehr begreiflich ist, zumeist nicht mehr
recht hineinzufinden; wir wissen uns dabei zugleich unsrer subjectiven
Auffassungsweise nicht genügend zu entäussern, und so hat selbst die
Nachahmung auch nur überaus selten das Verdienst vollkommener Reinheit.

Zwischen den beiden extremen Richtungen der architektonischen Pro-
duetion — sie stehen den Extremen der politischen Theorie ungefähr
parallel, wie überhaupt die geschichtliche Betrachtung der Architektur zu

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Lieber die'Systeme des Kirchenbaiies.

mancher charakteristischen Parallele mit der politisch-liistorischen Ent-
wickelung der "Völker führt,— zwischen den beiden extremen Richtungen,
meine ich, liegt aber noch eine dritte mitten inne; sie sucht das Richtige,
das in jenen beiden enthalten ist, aufzufassen, das Unrichtige zu vermei-
den. Sie erkennt es an, dass die allgenieinen architektonischen Principien,
die räumlichen Gesetze, aus denen die Bildung der architektonischen For-
men hervorgehen muss, in der Aufeinanderfolge der architektonischen
Systeme eine positive Gestalt gewonnen haben; sie sieht es ein, dass darin
etwas Naturnothwendiges, etwas innerlich Gültiges ist. Sie bemüht sich,
dies Naturnothwendige — im Gegensatz gegen die lokalen und historischen
Besonderheiten oder Zufälligkeiten — zu fassen und sich zu eigen zu
machen. In der That dürfte unter allen Architektursystemen, die im Ver-
lauf der Geschichte aufgetreten sind, keins vorhanden sein, keines uns so
abstrus erscheinen, dass wir nicht daraus, sogar im ästhetischen Sinne,
lernen könnten; selbst der lastende Felsenbau des alten Hindostan, selbst
das luftige Rococo der Chinesen enthält Elemente, die unsrer eignen archi-
tektonischen Thätigkeit förderlich sein können. Dann aber wird es, statt
die einzelnen Vorbilder nachzuahmen, vielmehr darauf ankommen, dass
jene Grundelemente nach unsrer eignen Gefühlsweise durchgebildet wer-
den. So ist eine sichere historische Basis gewonnen, ohne dass man be-
fürchten darf, durch deren Benutzung sofort zum Nachtreter der Vergangen-
heit zu werden; so steht dem Architekten die selbständige, der eignen
Sinnesrichtung angemessne Weise der Gestaltung frei, ohne dass dieser die
innere Gonsequenz fehlte, ohne dass sie wie ein willkürliches Phantäsie-
spiel in der Luft hinge.

Ist diese dritte Richtung, die zwischen den beiden Extremen in der
Mitte steht, überhaupt die richtige, so gewinnen wir, wie es scheint, zu-
gleich den Gesichtspunkt, um die Wünsche und Bestrebungen zur Herstel-
lung kirchlicher Gebäude, welche dem Geiste unsrer Zeit <;ntsprechend
wären, in angemessener Weise auffassen zu können. Allerdings zwar nur
den Gesichtspunkt für das, was die Grundlage dieser Bestrebungen
ausmachen wird; denn derjenige Theil der künstlerischen Thätigkeit, der
in der selbständigen Aeusserung des künstlerischen Genies beruhen muss,
kann immer nur in diesem allein seinen Maassstab finden. Gleichwohl
ist durch die Feststellung der Grundlage schon höchst Wesentliches ge-
wonnen. Auch liegt dazu ein so überaus reiches Material vordass es
gedankenlos wäre, sich der höchst mannigfaltigen Belehrung, welche das-
selbe darbietet, ohne Noth zu entschlagen. Eine lange Reihe von Jahr-
hunderten hindurch sind die Völker Europa's bemüht gewesen, das Ge-
bäude, welches zur Versammlung der kirchlichen Gemeinde dienen, dessen
Erscheinung den Geist der Gemeinde zur erhabensten Stimmung und
Sammlung wecken soll, auf die möglichst würdige Weise zu gestalten;
sie haben nicht bloss dahin gestrebt, diesem Gebäude das Gepräge ihrer
Zeit, ihrer Nationalität aufzudrücken, sondern zugleich auch, das in seiner
inneren Bedeutung ruhende Gesetz seiner Erscheinung auf mannigfaltige,
— wo möglich auf eine stets mehr entwickelte Weise durchzubilden. Für
die Betrachtung der vorzüglichst charakteristischen Formen, welche dabei
hervorgetreten sind, wollte ich mir für einige Augenblicke die Aufmerk-
samkeit der hochgeehrten Versammlung erbitten.

Ich muss indess noch eine allgemeine Bemerkung voranschicken. So
höchst verschiedenartig, so vielgegliedert die architektonischen Systeme

387

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388 lieber die Systeme des Kirchenbauos,

sind, von denen uns die Gescliichte der Arcliitektiir Kunde giebt, so lassen
sie sicli dennoch, nacli den vorzüglichst charakteristischen Theileu der Ar-
chitektur, in zwei Hauptgattungen unterscheiden. Ich bezeichne die eine
Gattung als den einfachen Säulen bau, die andre als den Bogen bau.
Mit der Erscheinung der Säule beginnt zuerst das selbständige Leben der
Architektur. Mit ihr tritt an die Stelle der starren, todten Masse ein or-
ganisches, individuell ausgebildetes, individuell gesondertes Leben. Frei
und kühn, wie der Gedanke des Menschen, strahlt die Säule aus dem
Boden empor, in rhythmisch gegliedertem Spiele strebt die Säulenreihe
dem Druck des Gebälkes entgegen. Aber das Gebälk ist wiederum noch
eine starre, bewegungslose Masse, wie anmuthig sie auch in verschiedenen
Architektursystemen ausgeschmückt sein möge. Das Gebälk schliesst die
Bewegung der Säule ab und stellt dem emporstrebenden Sinn eine feste
Schranke entgegen. Tritt aber an die Stelle des Gebälkes der Bogen,
so ist diese Schranke hinweggethan; die aufsteigende Bewegung wird nicht
abgebrochen; sie theilt sich, da sie freilich nicht in's Unendliche gehen
darf, elastisch aus einander und vermählt sich in lebhaftem Umschwünge
mit der Bewegung, die von einem nächsten Punkte emporgestiegen ist.
Der Bogen ist das vollendende, das verbindende Princip der Architektur;
or entwickelt sich weiter zum Gewölbe und giebt als solches dem inne-
ren architektonischen Räume lebendigen Zusammenhang, gesetzliche Orga-
nisation und würdevoll freie Erhebung. Der einfache Säulenbau kehrt
bei allen architektonischen Systemen der alten Welt wieder; so edel er
im Einzelnen, so überaus schön er bei den Griechen ausgebildet erscheint,
so bezeichnet er dennoch überall die Schranke der geistigen Erhebung,
welche den Völkern der alten Welt gesetzt war. Zwar linden sich im
Einzelnen schon bei den alten Völkern Beispiele der Anwendung von
Bogen - und Gewölbformen; so in denjenigen altindischen Grottentempeln,
welche für den Cultus der Buddhisten ausgeführt waren; so bei den Etrus-
kern und vornehmlich bei den Römern. Aber es fehlt hier dieser Form
durchweg noch an aller selbständigen Ausbildung; durchweg erscheint hier
das Gesetz des eigentlichen Säulenbaues, der die Bogenformen zumeist
umkleidet, noch als das vorherrschende. Man kann diese Erscheinungen
höchstens als die Vordeutungen einer spätem Entwickelung betrachten.
Die wirkliclie Ausbildung des Bogen- und Gewölbebaues gehört dem
christlichen Zeitalter an und ist nicht minder bezeichnend für jene höhere
lürliebung des Geistes, durch welche diese Zeit sich von der alten unter-
scheidet.

Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung der Hauptformen des christ-
lichen Kirchenbaues, wie dieselben sich in historischer Aufeinanderfolge
geltend gemacht haben. Der Gegenstand ist höchst ausgedehnt; ich be-
schränke mich demnach auf die vorzüglichst wichtigen und entscheidenden
Formen. Auch wird es genügen, wenn ich hier nur auf die künstlerische
Anordnung des Innern der Kirchengebäude eingehe. Denn da das Ge-
bäude zur Versammlung der Gemeinde bestimmt ist, so muss natürlich das
Innere als das zunächst Wesentliche erscheinen; die Formen des Aeussern
müssen sich durch die im Innern befolgten architektonischen Gesetze er-
geben, sie müssen, mehr oder weniger, das äussere Produkt, das durch
jene erzeugt ist, ausmachen. So ist es in der That, wenigstens (iberall,
wo man eine höhere Durchbildung der Systeme wahrnimmt, der Fall
gewesen.

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Ueber die Systeme des Kireheubaues. 389

Die öfifeutliche Anerkennung der cliristliclien Religion und das ßedürf-
niss, dem neuen Cultus Kirchen zu erbauen, fiel in die Zeit, in welcher
die Cultnr der alten Welt bereits in Verfall war. Die Erfindung einer
völlig neuen Bauanlage, für die Zwecke der neuen Religion, lässt sich,
wie überhaupt nicht, so in solcher Zeit am Wenigsten erwarten. Auch be-
gnügte man sich damit, dass man vorhandene Bauanlagen, welche dem neuen
Bedürfniss äusseriich am Besten zu entsprechen schienen, welche der Ver-
sammlung der kirchliclien Gemeinde die zweckmässjgste Gelegenheit gaben,
einfach nachahmte. Die Tempel des Alterthums konnten dazu nicht
passend sein, indem sie zumeist keinen ausgedehnten inneren Raum ent-
hielten; sie waren zumeist nicht zur Aufnahme des Volkes bestimmt; im
Gegentheil pflegte das Volk bei religiösen Festlichkeiten im Hofe des
Tempels zu yerweilen; die höhere architektonische Ausbildung war somit
in der Regel mehr dem Aeussern als dem Innern der Tempelanlage zu-
gewandt. Was man hier vermisste, fand man in einer andern Gebäude-
gattung, in den Basiliken, auf zweckmässige Weise vorgebildet. Die
Basiliken waren Gebäude, die einen melir oder weniger ausgedehnten in-
neren Raum umschlossen und zur Aufnahme einer grösseren Menscheu-
menge bestimmt waren; sie dienten als Börsen für den kaufmännischen
Verkehr und zugleich als Gerichtshallen zur ötfentlichen Ausübung der
bürgerlichen Rechtspflege. Sie wurden überall an den Stätten des römi-
schen Lebens errichtet, und besonders, die Stadt Rom selbst besass deren
eine grosse Menge; einzelne waren hier mit der ersinnlichsten Pracht aus-
gestattet. Leider sind von den Gebäuden solcher Art nur äusserst geringe
Reste auf unsre Zeit gekommen; aus den Beschreibungen der allen Sclirift-
steller wissen wir, dass sie einen oblongen Baum bildeten, mit Säulen-
gängen auf den Seiten und Gallerieen darüber, und dass sich an der einen
Sclimalseite, dem Häupteingang gegenüber, eine grosse halbkreisrunde Nische,
das Tribunal, befand und in dieser die halbkreisrunde Sitzbank der Richter.
Es waren einfach, was die Hauptform anbetrifft, Säiil ensäi^, — oder viel-
leicht auch SäulenÄö/e: falls nemlich der mittlere Ilauptraum unbedeckt
war, was mehrfach bei den grösseren Basiliken der Fall gewesen sein
dürfte. Jedenfalls müssen wir annehmen, dass die innere Anlage der
antiken Basiliken völlig den Gesetzen des antiken Säuleubaues gemäss war.
Auf dem ausgetheilten Blatte ist unter No. 1 die innere Ansicht einer
antiken Basilika von grösserer Dimension dargestellt; im Hintergründe der
Ansicht sieht man die Nische des Tribunals.

Die Kirchen, welche die Christen nach dem Muster der Basiliken
bauten, wurden mit demselben Namen bezeichnet; man behielt die Säulen-
gänge und auch die Nische des Tribunales bei. In der letzteren nahmen
jetzt die Priester ihren Sitz, und davor wurde der Altar errichtet. Ohne
Zweifel blieb man auch hier zu Anfang bei den Gesetzen des alten Säu-
lenbaues stehen. Bald aber kam man zu bedeutenden Abweichungen.
Sämmtliche Basiliken, die sich aus altchristlicher Zeit in Italien, vornehm-
lich in Rom und in Ravenna, erhalten haben, zeigen Eigenthümlichkeiten
in ihrer Anlage,^ die den Gesetzen des antiken Säulenbaues entschieden
widersprechen, die somit aufs Entschiedenste als eine Neuerung betrachtet
werden müssen. Die Gallerieen über den Säulengängen verschwinden fast
überall; statt der oberen Säulen, die jene Gallerieen bildeten, werden jetzt
Wände emporgeführt, welche den oberen Raum des Mittelschiffes abschliessen
und deren Fenster dasselbe, da es stets bedeckt ist, beleuchten. Diese

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390 ' Uebm- die Systeuie des Kirchenbaues.

; Einrichtuug ist gewiss unantili; die Wände bilden (Iber den unteren Säulen,

von denen sie getragen werden, eine ausser allem Verliältniss stehende
Last; vorzüglich drückend erscheint diese Last da, wo über den Säulen
nach antiker Weise ein gerades Gebälk hinläuft, von dem sie getragen
wird. So finden sich in der That einige altchristliche Basiliken in Rom.
Bei Weitem die Mehrzahl aber hat statt jenes Gebälkes Bögen, welche
sich von der einen Säule zur andern schwingen und dem Druck der Wand
eine elastisch emporstrebende Kraft entgegensetzen. No. 2 stellt das In-
nere einer der vorzüglichsten altchristlichen Basiliken, der von
S. Paolo
fuori le miira,
ausserhalb der Mauern Roms, dar. Der Bau dieser Kirche
gehörte der Zeit um das Jahr 400 nach Christi Geburt an; im Jahre 1823
brannte sie ab, ist aber seitdem ganz in ihrer alten Form neu gebaut
■worden. Die Wände des Mittelschiffes über den Colounaden und unter
den Fenstern waren mit Malereien geschmückt; man sieht hier die Ein-
rahmungen dargestellt.

So erscheint in der altchristlichen Basilika Neues und Altes gemischt.
Das Neue verdirbt das Alte, und wo es darauf ankommt, Basiliken für
den Zweck der christlichen Kirche zu bauen und dieselben dennoch nach
dem reinen Gesetz der Antike durchzubilden, dürfte man in der That ge-
nöthigt sein, jene christlichen Neuerungen zu verlassen und auf die "wirk-
lich antike Anlage zurückzugehen, mag man diese auffassen, wie man wolle.
Doch hat auch das neue Element, das hier erscheint, sein gutes Recht; es
sind bedeutende, wirkungsreiche Motive, die in demselben hervortreten.
Durch die Beseitigung der Gallerieen erhält der Gesammtraum des Innern
eine grössere Würde: das Mittelschiff scheint erhabner, indem sich dem-
selben zu den Seiten niedrigere Seitenschiffe anschliessen. Die Anwendung
der Bögen über den Säulen gicbt den Eindruck einer regeren Bewegung der
Kräfte, sowie ein harmonisches Verhältniss zu der grossartigen Form des
Bogens der Altarnische, die durchweg mit einer Halbkuppel überwölbt ist.
Doch bleibt die Last der Oberwände über diesen Arkaden immer drückend.
Auch die flache Bedeckung der Räume, namentlich die des Mittelschiffes
erscheint, dem bewegten Spiele der Arkaden gegenüber, kalt und starr.
(Ohne Zweifel bestand die Decke der altchristlichen Basiliken ursprünglich
aus einem flachen Täfelwerk. Gegenwärtig sieht man statt dessen bei vielen
italienischen Basiliken — wie es in S. Paolo bei Rom der Fall war und
wie es die Ansicht No. 2 darstellt — das offne Sparrwerk, das jedoch
durchweg aus Restaurationen des späteren Mittelalters herrührt. Es ist oft.
auf eine interessante Weise künstlerisch verziert, kann aber natürlich im-
I mer nur einen dekorativen Eindruck — nicht den der gemessenen archi-

tektonischen Ruhe — hervorbringen.) Wer die Gültigkeit der neuen Ele-
mente, die bei der altchristlichen Basilika hervortreten, ins Auge fasst,
kann dieselbe nur als die Ausgangspunkte für eine neue architektonische
Entwickelung betrachten.
^ Der Basilikenbau blieb eine Reihe von Jahrhunderten in der christ-

J liehen Welt vorherrschend. Er wurde nach allen Ländern umhergetragen.

Besonders in Deutschland gewann er einen Boden, auf dem ihm vielfach
Pflege angediehen ist. Bis ins dreizehnte Jahrhundert wurden hier Basi-
liken in grosser Menge gebaut, und es haben sich zahlreiche Beispiele
dieser Bauweise bei uns erhalten; freilich nur selten so, dass mau die
ursprüngliche Anlage noch in ihrer ganzen Reinheit erblickt; sie sind
zumeist mehr oder weniger verbaut oder stehen in einzelnen Fällen als

äJ

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Utiber die Systeme des Kircbeiibaues. 391

malerische Riiiiien da. Vonielimlich die säclisischen Lande, und beson-
ders die Orte am Nordraiide des Harzes, sind reich an Bauresten solcher
Art. Dabei hatten sich im Einzelnen mancherlei Modiflcationen ergeben.
In der Bildung der architektonischen Details prägte sich der eigenthüm-
Jiche Formensinn des Volkes oder Stammes, durch den das Gebäude
errichtet war, die eigenthümliche Geistesrichtung der Zeit, welcher das-
selbe angehört, aus; bald erscheinen hier roh befangene, bald phantastisch
barocke, bald üppig spielende Bildungen. Vorztiglich wichtig scheint mir
eine Modification der ursprünglichen Anlage, die sich ebenfalls in Deutsch-
land besonders häulig findet: die nemlich, dass viereckige Pfeiler
statj; der Säulen erscheinen. Die Pfeiler bilden eine festere Masse als die
Säulen; wenn von ihnen die oberen Wände des Mittelschiffes getragen
werden, so löst sich jener Widerspruch zwischen der Kraft der Stütze und
dem Drucke der Last auf. Aber dem Pfeiler an sich fehlt das organische
Leben, welches der Gestalt der Säule ihre Bedeutung giebt; er setzt der
Masse eben nur eine Masse entgegen, und die Basiliken, die statt der
Säulenstellungen nur Pfeilerstellungen enthalten, gewähren demgemäss
einen schweren, rohen Eindruck. Solcher Art findet sich eine bedeutende
Anzahl alter Basiliken iu den Rheinlauden, aucii anderwärts. Häufiger ist
die Einrichtung, dass man die Vortheile der einen Anordnung mit denen
der andern verband, dass man Pfeiler und Säulen wechseln, liess; und
zwar in der Anordnung, dass der Abstand je eines Pfeilers von dem an-
dern insgemein der Breite des Mittelschiffes gleichkam. Zwischen den
Pfeilern wurden entweder je zwei Säulen oder deren je eine angeordnet;
das erstere gab stets einen engeren und strengeren, das zweite einen freie-
ren und offneren Kindruck. In einigen, sehr seltnen Beispielen — und
zwar in solchen, wo die Pfeiler nur mit je einer Säule wechseln — findet
sich hiebei endlich die Einrichtung, dass die Pfeiler unter sich durch
grössere Bogen verbunden sind und dass diese grösseren Bögen die klei-
neren, welche von dem Kapital der Säule ausgehen, überspannen. Diese
Einrichtung scheint die vollendetste Ausbildung des eigentlichen Basili-
kenbaues zu enthalten, denn jene grösseren Bögen greifen ungleich bedeu-
tender in die Last der Oberwände ein und setzen ihr, in Verbindung mit
den kleineren Bögen, einen ungleich kräftigeren Gegendruck entgegen; das
Missverhältniss zwischen Last ixnd Stütze ist hier auf die edelste und
wirkungsreichste Weise ausgeglichen. Es ist befremdend, dass diese geist-
volle Weise der Anordnung so höchst geringe Verbreitung gefunden hat.
Ich habe sie fast nur in ein Paar Basiliken am Nordrande des Harzes, die
etwa dem Ende des elften Jahrhunderts angehören, gefunden. Das Haupt-
beispiel dieser Art ist die Kirche des ehemaligen Klosters Huyseburg bei
Halberstadt, die überhaupt zu den am Besten erhaltenen Basiliken in
Deutschland gehört. Die Ansicht No. 3 stellt das Innere dieser Kirche dar.

Andre, zum Theil ebenfalls sehr erhebliche Modiflcationen des Basi-
likenbaues übergehe ich, wie die der Einführung eines Querschiffes,
wodurch die gesammte Kirche die geheiligte X^rundforra des Kreuzes er-
hält, die Einrichtung des Chores und seine Erhöhung über dem Boden
der Kirche, die Anordnung der Gniftkirche u. s. w. Dies Alles sind
Elemente, die,' wie bedeutend und wichtig auch in andern Beziehungen,
doch das Grundgesetz des Bausystemes in seinen wesentlichen Theilen
nicht verändern.

In den Zeiten des zwölften Jahrhunderts machte sich indesi noch eine

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392

Ueber die Systeme des Kircheubaues,

Umbildung des Basilikenbaues geltend, und zwar eine so folgenreiche,
dass durch sie ein wesentlich neues architektonisches System hervorgerufen
ward. Dies war die Anwendung des Gewölbs zur Ueberdecliung der
Räume, und zwar einer eigenthümlich gegliederten und bewegten Form
des Gewölbes. In gemessenen Abständen spannte man mächtige Querbögen
— wie solche schon an den flachgedeckten Basiliken in der Durchschnei-
dung von Quer- und Langschiff erschienen
waren — von der einen Wand
des Schiffes zu der andern hinüber und ffJllte den Raum dazwischen durch
Kreuzgewölbe aus, die, von jenen Querbögen getragen, sich zugleich selbst
in gegenseitiger elastischer Spannung hielten. In stetem Wechel der Tlieile,
stets die eine Bewegung an die andre knüpfend, leiteten diese Formen den
Blick zugleich aufwärts und vorwärts. So war der Decke ihre Starrheit
genommen, waren die Seiten des Gebäudes mit einander in unmittelbare
Verbindung gesetzt, war der Raum nach oben hin auf eine feierliche und
zugleich lebenvolle Weise erhoben. Aber man begnügte sich nicht, diese
Veränderung der inneren Einrichtung nur ausschliesslich an der Decke
vorzunehmen; man sah sich zugleich genöthigt, mit ihren Formen auch
die der übrigen Architekturtheile in ein unmittelbares, harmonisches Ver-
hältniss zu setzen. Die grössere Last der gewölbten Decke machte es jetzt
nöthig, dass fast ausschliesslich Pfeilerstellungen (statt der Säulenstel-
lungen) zum Tragen der Oberwände des Mittelschiffes angewandt wurden.
Aus der Masse des Pfeilers aber traten nunmehr lebendig organische Glie-
derungen, Pilasterstreifen und vornehmlich Halbsäulen, hervor; diese
führte man an dem Pfeiler und an der Wand über ihm aufwärts und Jiess
von ihnen jene Bögen des Gewölbes ausgehen. So erhielt die starre Masse
des Pfeilers die Andeutung eines organischen Lebens; so wurde diese
lebenvolle Form auch über die sonst ebenfalls starre Masse der Wand
emporgezogen; so trat sie in unmittelbare Verbindung mit der lebendigen
Bogenform des Gewölbes. Es war die Andeutung einer gleichmässigen
Lebenskraft, welche, vom Boden emporsteigend, an Pfeilerstellungen und
Wänden aufwärts drang und in dem Gewölbe ihren majestätisch erhabenen,
in sich ausgerundeten Schluss erhielt. Dies System der gewölbten Basi-
lika wurde auf die mannigfaltigste und verschiedenartigste Weise durch-
gebildet. Je nachdem die Pfeiler eine reichere oder eine geringere
Gliederung erhielten, je nachdem in Folge dessen etwa auch die Bögen
der Pfeilerstellungen und die des Gewölbes gegliedert wurden, je nachdem
man an den Oberwänden selbst Abtlieilungen der einen oder andern Art
anordnete (z. B. grössere oder kleinere Gallerieen über den Pfeilerstellun-
gen), je nachdem man endlich die Formen der Gliederungen an sich stren-
ger oder in weicherer Fülle bildete und mit ihnen ein reicheres oder ein
bescheidneres Ornament verband, mussten sich tausend Unterarten des
Systemes bilden. Ich nenne hier nur ein Beispiel, in welchem die Be-
handlung der Formen zwar schwer und streng, selbst trocken erscheint, in
welchem aber das Grundprincip der Anordnung eine so klare und gemes-
sene Würde hat, wie kaum an irgend einem andern Bauwerke der Zeit.
Es ist dies das Innere des Domes von Speyer. (Ansicht No. 4.)

Man benennt den architektonischen Styl, nach welchem in diesen Früh-
epochen des Mittelalters die Formen gebildet werden, gewöhnlich, mit einem
unpassenden Namen, als den „byzantinischen Styl"; man hat neuerlich
statt dessen den passenderen Namen des „romanischen" Styles eingeführt.
Auf ihn folgt im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts der sogenannte

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Uöber die Systeme des Kirchenbaues. 393

gothisclic Sfyl. Der Ursprung der gothischen Form ist, wie es scheint, im
Orient zu suchen. Ich meine damit jenen gebrochenen Bogen, den man
mit dem Namen des Spitzbogens zu bezeichnen pflegt, und der, soviel wir
heutiges Tages zu urtheilen vermögen, zuerst in'der arabischen Architektur
eine ausgedehntere Anwendung gefunden hat. In Sicilien, das Jahrhun-
derte lang unter arabischer Herrschaft stand, wurde der Spitzbogen zuerst
mit den Formen der einfachen Basilika in Verbindung gebracht, indem
man ihn über den Säulenstellungen des Schilfes anwandte. Dann entschied
sich, bei allen occidentalisch europäischen Völkern, der Geschm'ack der
Zeit dafür, den Spitzbogen auch bei der gewölbten Basilika einzuführen
und die Bogenwölbungen nach dieser Form zu bilden; man sah sich dabei
zugleich genöthigt, auch die übrigen architektonischen Formen harmonisch
mit seiner Erscheinung umzubilden, so dass sich, eine Reihe von Mittel-
stufen hindurch, eine wesentlich neue Formenweise ausprägen musste. Es
bilden indess alle diejenigen Erscheinungen, die mit der Aufnahme des
Spitzbogens zunächst hervortreten mussten, nur die eine Seite der Eigen-
thümlichkeiten, welche den gothischen Baustyl auszeichnen; in ihnen be-
ruht nur seine temporäre, seine historisch vorübergehende Bedeutung. Es
ist noch eine zweite Seite unter seinen Eigenthümlichkeiten ins Auge zu
fassen, die, ob auch aufs Innigste mit jener verbunden, dennoch gesondert
betrachtet werden kann, und in der seine eigentlich ästhetische Bedeutung
beruht; sie ist es, die ihm das Gepräge der höchsten Vollendung, welche
bis jetz^ an den architektonischen Werken der Menschen hervorgetreten
ist, giebF. Es sind ebenfalls gewölbte Basiliken, wie ich sie vorhin flüch- 3

tig charakterisirt habe, die zur ausgebildeten Entwickelung des gothischen a

Baustyles Anlass gaben: es sind die allgemeinen Gesetze der architektoni- ■}

sehen Anlage, wie sie bei den gewölbten Basiliken des romanischen Bau- »

styles erscheinen. Bei diesen aber bildeten die starre Masse des Pfeilers, )

die starre Masse der Wand noch immer die Grundlage der organisch be- 1

lebteren Formen, die sich darüber nur eben hinzogen; auch Bögen und f

Gewölbe waren dort noch in ähnlicher Massenhaftigkeit, somit in ähn-
licher Schwere der Hauptformen, gebildet. Jetzt löste sich dies Alles in
ein durchaus gegliedertes, durchaus bewegtes Leben auf. Die Pfeiler ge-
wannen aufs Neue eine mehr säulenhafte Gestalt, und zugleich schwangen
sich, ringsum aus der Aussenfläche ihres Kernes, leichte Halbsäulchen und
Röhrenbündel empor, dass die Masse des Pfeilers wie die Garbe eines ii

lebendig bewegten Springquells aus dem Boden aufstieg. In den' Bögen,
welche die Pfeiler verbanden, neigte sich diese Springflut der Formen im
rhythmischen Spiele, und doch in sichrer Beschlossenheit, gegeneinander,
au den Oberwänden des Mittelschiffes stieg sie in ungehemmter Kraft em-
por, an allen Linien des Gewölbes strahlte sie hinüber und herüber. Zu-
gleich verschwand, was noch von lastender Form an den Oberwänden des
Schiffes übrig war, dadurch gänzlich, dass diese sich zu weiten Fenstern
von einander dehnten, während doch ein elastisch gespanntes Sprossenwerk,
in ähnlich flüssigen Formen gebildet, allen Eindruck eines leeren Raumes
aufhob. Die gesammte innere Architektur war zum Ausdruck von Kraft
und Bewegung geworden; sie zog die Sinne und das Gemüth des Be-
schauers unwillkürlich aufwärts, und doch war Alles von jenem klaren
Ebenmaasse erfüllt, welches mit der Bewegung zugleich die erhabenste
Ruhe, mit der Kraft zugleich die edelste Majestät verband. Das Gebäude,
das die versammelte Gemeinde umgab, war der unmittelbare Ausdruck

jgBs

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304 lieber die Systeme des Kirclieiibaues.

dessen geworden, was an dieser Stätte gefeiert werden sollte: ein tausend-
stimmiger Hymnus des Gebetes.

Die Schönlieit, die innerlich Jebenvolle Kntwickelung des gothisciieii
Baustyies zeigt sich in den ausgeführten iiirclilichen Gebäuden allerdings
auf die mannigfaltigste Weise abgestuft. Sie sind noch verschiedenarti-
ger als die des romanischen Baustyies; die Zeiten der Ausführung, die
nationalen und loivalen Eigenthümlichkeiten haben darin die grösste Ab-
wechselung, die vielfachsten Grade der Ausbildung liervorgcbracht. Die
Erscheinung der vollendeten Schönheit ist überall selten und ist es auch
in diesem Falle. Die edelsten Beispiele des Styles, wenn auch nicht die
Blehrzahl derjenigeu , die mit dem reichsten Schmucke versehen sind, ge-
hören Deutschland an; unter ihnen ist kein Gebäude höher zu schätzen
als der Dom von Köln. No. 5 giebt eine Skizze der inneren Ansicht
dieses Domes, wie er in seiner Vollendung erscheinen wird.

Die Dauer des gothischen Styles hielt nur ein Paar Jahrhunderte an.
Das Zeitalter des Wiedererwachens der Wissenschaften vernichtete seine
Herrschaft, und zwar nicht blos das, was in seinen Formen als Aeusserung
des individuell mittelalterlichen Geschmackes bezeichnet werden darf,
sondern zugleich auch jenes ganze Gesetz einer höheren, innerlich leben-
digen architektonischen Durchbildung. Man konnte sich mit den phan-
tastischen Elementen, die allerdings mit dem gothischen Style, grossen
Theils jedoch schon als eine Ausartung des Geschmackes, verknüpft waren,
nicht mehr befreunden; man verlangte statt dessen nach Einfachheit und
Klarheit, und man fand, was man suchte, in den Werken des classischen
Alterthums, zu denen man ohnedies durch die wissenschaftliche Richtung
der Zeit hingetrieben war. Man bestrebte sich, den Architekturstyl des
Alterthums wieder einzuführen, man schuf eine gelehrte Architektur. Frei-
lich aber konnten die classischen Formen nur selten dem Bedürfiiiss des
kirchlichen Gebäudes entsprechen. Man kam nur in seltenen Fällen dazu,
einfache Basiliken mit Säulenstellungen zu bauen, die man dann, so gut
es ging, nach den Gesetzen der Antike ausbildete. Zumeist blieben es
auch jetzt gewölbte Basiliken, mit starken Tonnengewölben nach römischer,
oder mit Kuitpelgewölben nach eigentlich byzantinischer Art, wobei es
dann wiederum nöthig ward, massive Pfeilerstelliingen anzuwenden. Um
aber dennoch das Gesetz des antiken Säulenbaues beizubehalten, legte
man darüber Pilaster, Halbsäulen, auch freistehende Säulen, saramt den
Gebälken und Friesen, wie solche durch die Regeln der antiken Bauschule
vorgeschrieben waren. Die architektonische Durchbildung bestand nur in
einer mehr oder weniger müssigen Dekoration; es war ein Zwitterzustand,
ganz so und noch mehr, als wie in der alten römischen Kunst. Die An-
sicht No. 6, das Innere der Peterskirche zu Rom darstellend, giebt eins
der Hauptbeispiele dieser modernen Behandlung des Kirchenbaues, das
allerdings durcli riesige Dimensionen und grossartige Verhältnisse — kei-
neswegs aber durch lebendige Durchbildung — imponirt. In solcher Weise
hat der moderne Baustyl sich mehrere Jahrhunderte lang erhalten, ob auch
unter manchen Schwankungen, unter denen besonders das barocke Schnör-
kelwesen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in sofern bedeu-
tend ist, als sich darin der entschiedene Drang nach einer reicheren Be-
wegung der Formen, dem zu genügen man freilich sehr verkiehrte Mittel
aufwandte, ausspricht.

Ich erwähnte eben des byzantinischen Kuppelsystomes. Es ist nöthig,

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Uebor die System« des Kircheubaues. 305

dass ich auch darüber und über das, was mit demselben zusammenhüngt,
noch ein Wort sage. Man hatte schon in der altchristlichen Zeit neben
der Hauptform der Basilika noch eine andre Form der architektonischen
Anlage für religiöse Zwecke in Anwendung gebracht. Dies ist das soge-
nannte Baptisteriuih, das ausschliesslich für den Zweck der Taufe er-
richtet wurde. Das Baptisterium, zunächst ebenfalls nach dem Muster
antiker Bauanlagen errichtet, hatte einen kreisrunden oder vielmehr zumeist
einen polygonen Grundriss, in der Rege] den eines Achtecks. Es wurde
theils flach gedeckt, theils mit einer Kuppel überwölbt. Zu einer bedeu-
tenderen Eigenthümlichkeit erhob sich das Baptisterium dadurch, dass
man dem mittleren Hauptraume einen niedrigeren Umfang zufügte, der zu
Jenem in demselben Verhältnisse stand, wie die Seitenschilfe der Basilika
zum Mittelschiffe. Diese Bauanlage ward in der Kunst des byzantinischen
Reiches, vornehmlich im Zeitalter des Kaisers Justinian, mit grossartigerem
Sinne aufgefasst und zu selbständigen grossen Kivchenbauten verwandt, . j

theils so, dass man den polygonen Grundriss beibehielt, theils so, dass
mau ihn durch Anfügung andrer Theile wiederum in der Art der Basili-
ken verlängerte. Bei solchen Unternelimungen gab es ein neues architek-
tonisches Problem zu lösen, nämlich über Pfeilern und Bögen eine Kuppel
emporzuwölben. Die Byzantiner lösten die Aufgabe auf grossartige Weise,
wie namentlich aus der mächtigen Kuppel der Sophienkirche zu Constan-
tinopel erhellt. Sie begnügten sich abernicht mit einer Wölbung solcher
Art; sie lehnten an die Bögen, welche die Hauptkuppel trugen,, noch auf
mannigfache Weise Halbkuppeln, Tonnengewölbe u. dgl. an, was in man-
chen Fällen eine seltsam complicirte Ueberwölbung der Räume zur Folge
hatte. Dabei füllten sie den Raum unter jenen Schwibbogen zum Theil
auf nicht minder eigenthümliche Weise mit Säulenarkaden aus. Eins der
merkwürdigsten Gebäude dieser Art ist in Italien die völlig byzantinische
Kirche S. Vitale zu Ravenna, aus dem Zeitalter des Kaisers Justinian.
Die Ansicht No. 7 giebt einen Einblick in das Innere derselben, der frei-
lich die Construction des Baues nicht vollständig vergegenwärtigt, da es
überall schwierig ist, von einem runden oder polygonischen Räume eine
innere Ansicht zu entwerfen: Es ist übrigens zu bemerken, dass der eigent-
lich byzantinische Baustyl eine höhere,, mehr organische Durchbildung des
architektonischen Systemes niclit erreicht, aucli nicht erstrebt liat.

Die byzantinische Weise des Kuppelbaues vereinigte sich später, im
Zeitalter des romanischen Styles, mit dem Basilikenbau des Occidents,
indem mau, besonders bei den gewölbten Basiliken, über den grossen Bö-
gen in der Durchschueidung v^on QuerschilF und Langschiff eine Kuppel
errichtete, um hiedurch dem Räume des Chores eine grössere Würde zu
geben. Im gothischen Baustyle unterliess man fast überall die Anwendung
der Kuppeln. — In der modernen Kunst erscheinen aufs Neue Kuppeln
über der Durchschneidung von Quer- und Langschiff, so in besonders
grossartiger Weise in der Peterskirche zu Rom. Auch überdeckte man
wohl die Räume durch Reihen bogengetragener Kuppeln, — Einige der
schönsten Kirchen - Entwürfe desjenigen Architekten, der der grösste des
ganzen modernen Zeitalters ist, unsers unvergesslichen Schinkel, beruhen
auf dem Princip des Baptisteriums und des Kuppelbaues; mit der Absicht,
die Gemeinde in gemessener Nähe um die Kanzel des Predigers zu schaa-
ren, vereinigt sich hier sehr glücklich eine erhabene P'reiheit des Raumes
und eine gesetzlich edle Durchbildung der Formen.

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Ueber die Systeme des Kirclienbaues.

Ich konnte mit diesen Bemerkungen nur eine flüchtige Andeutung über
die Hauptpunkte, die bei den Systemen des Kirchenbaues und bei deren
fortschreitender Ausbildung und Umbildung hervorgetreten sind, geben.
Ich habe mehrfach bemerken müssen, dass es mir unmöglich sei, zugleich
auf die mannigfaltigen Modiflcationen der verschiedenen Systeme näher
einzugehen. In der That sind diese Modiflcationen so bedeutend, dass sich
durch sie der Reichthum der architektonischen Gestaltung, nur für den
einen Zweck des Kirchenbaues, fast ins Unendliche ausdehnt, zumal
wenn nun auch das Aeussere des Gebäudes, bei welchem z. B. die Anlage
der Thürme und ihre mehr oder weniger harmonische 'Verbindung mit dem
Körper des Gebäudes zu den interessantesten Beobachtungen Anlass giebt,
ins Auge gefasst werden sollte. Die Stunde verstattet mir nicht, auch auf
diese Punkte einzugehen. — Genug! Es liegt uns in der langen Folgen-
veihe der kirchlichen Monumente, die im Laufe von fünfzehn Jahrhunderten
entstanden sind, ein reiches Erbtheil vor, dessen Benutzung nicht bloss
unser Vortheil, sondern auch unsre Pflicht ist. Das ganze Geheimniss,
wie wir dasselbe der Benutzung von unsrer Seite zugänglich zu machen
haben, beruht eben nur darin, dass wir die allgemeinen ästhetischen Prin-
cipien von den lokalen und historischen Besonderheiten der Erscheinung,
von der Weise des Zeitgeschmackes, in der sie sich ausgeprägt haben, zu
unterscheiden wissen. Wie innig Beides auch in den einzeluen Fällen
verschmolzen sein mag, wir vermögen es, diese Doppelbedeutung der ar-
chitektonischen Monumente uns zum klaren Bewusstsein zu bringen. Denn
das vor Allem ist der grosse und eigenthümliche Reiz der Architekturge-
schichte, dass sie uns ebenso charakteristisch und unmittelbar die Sinn-
bilder vergangener Zeiten gegenüber stellt, wie sie die von aller tem-
porären Geltung freien, die rein idealen Gesetze der Formenbildung vor
unsern Augen entwickelt. Wollen wir demnach für die Zwecke des
heutigen Kirchenbaues — sofern dabei überhaupt eine ideale Durchbildung
erstrebt wird ~ zu einer festen Grundlage, zu einem klaren Urtheil ge-
langen, so scheint es nöthig, nicht sowohl ein einzelnes der vorhandenen
Systeme zur Nachbildung oder Umbildung vorzunehmen, als vielmehr aus
der ganzen Summe unsrer Erfahrungen jene allgemeinen Gesetze der For-
menbildung, durch welche der kirchliche Raum lebenvolle Würde und
feierlich rhythmische Erhebung gewinnt, uns zu eigen zu machen. Da-
durch erhalten wir. das sichre ästhetische Bewusstsein, um nun auch die
äusseren Bedürfnisse, die bei den kirchlichen Gfebäuden unsrer Zeit zur
Sprache kommen müssen, auf eine vollkommen würdige Weise gestalten
zu können. Dadurch gewinnen wir den positiven Inhalt, dem der schaf-
fende Künstler das Gepräge unsrer Zeit, unsres Sinnens, Fühlens und
Denkens, aufzudrücken vermag.

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BERICHTE, KRITIKEN, ERÖRTERUNGEN.

1843 — 1845.

Neues aus Berlin.

(Kunstblatt 1843, No. 36.)

..... Ein bedeutendes Werk, welches der Katalog der vorjährigen
grossen Ausstellung bereits angemeldet hatte, welches aber nicht zur Voll-
endung gekommen war, sahen wir in diesen Tagen im Atelier des Prof.
Wach aufgestellt. Es ist ein .Gemälde mit lebensgrossen Figuren, 8 Fuss
hoch und 12 Fuss breit, von Wach im Auftrag des pommer'schen Kunst-
vereins zur Aufstellung in einem öffentlichen Lokale in Stettin gearbeitet.
Der Gegenstand bezieht sich auf die Einfühippg des Christenthums in
Pommern und behandelt einen lieblich rührenden Moment dieses histori-
schen Ereignisses. Manche Bekehrungsversuche waren bereits an dem
zelotischen Eifer und an der geringen äusseren Wtirde, womit die christ-
lichen Missionäre unter dem reichen Wendenvolke in Pommern auftraten,
verunglückt, als Bischof Otto von Bamberg im Anfange des zwölften Jahr-
hunderts das Bekehrungswerk in so feierlicher wie mild besonnener Weise
unternahm. In Stettin zog er die Kinder an sich, gab ihnen mancherlei
anmuthige Geschenke und machte dadurch sie und dann auch die Eltern
geneigt, seine Worte der christlichen Lehre anzuhören. Dort war vor
allen das Geschlecht des Domizlaw bedeutend und einflussreich; Otto
taufte zwei Söhne des Domizlaw, Tepitz und Dorante, worauf dann ihre
Mutter, eine aus Sachsen gebürtige und schon'im Christenthum erzogene
Frau, sich öffentlich zu der Lehre des Bischofs bekannte und bald das
ganze Geschlecht nachfolgte. Der Moment des Bildes ist die Scene, die
die Chronik ausdrücklich so berichtet, dass nämlich die beiden Knaben,
in den neuen Gewanden und mit den Crucifixen, die ihnen der Bischof
geschenkt, der Mutter entgegentreten; die Letztere, erschtlttert von dem
Anblick, der das Ziel einer langgenährten Sehnsucht erfüllt, ist im Begriff,
in Ohnmacht zu sinken. Das Bild ist sehr glücklich geordnet. Den Mittel-
punkt machen die beiden Knaben aus. Zur Linken, vor der Thür eines

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Bericht«, Kritiken, Erörterungen.

weiitlisclion Gebäudes, sitzt der Bischof in feierlicliem Ornat; zwei andre
spielende Kinder neben ihm, und liinter ihm, stehend, zwei Diakonen.
Auf der Rechten ist so eben die Mutter herangetreten, die, indem ihre
Kniee brechen, von einer Tochter und einer Magd gestützt wird; zur äus-
sersten Linken reiht sich dieser Gruppe ein wendischer Diener an. Den
Hintergrund des Gemäldes bildet der eiclienbewachsene Schlossberg von
Stettin und die Aussicht in das Thal des Oderstroms. So ist die Anord-
nung des Bildes höchst klar, und der Inhalt entwickelt sich auf eine voll-
kommen verständliche Weise. Denn wenn auch, aus dem blossen An-
schauen, nicht Alles begriffen vs^erden kann, was in dem Gemtithe der
Mutter vorgeht, wenn man namentlich auch nicht wissen kann, dass sie
schon eine heimliche Christin ist, so sehen wir doch, dass das, was ihr
die Kräfte raubt, in einer tiefen, eher freude- als schmerzvollen Bewegung
des Innern beruht, und dass diese durch jene Insignicn des Christenthums
geweclit ist. Mehr als das darf aber überall, wie es scheint, von der
historischen Malerei nicht gefordert werden. Bei der einfachen Anordnung
des Bildes führt dasselbe die lebendigste Mannigfaltigkeit der Charaktere
entgegen, die sich, von der Linken zur Rechten, in beredter Stufenfolge
entwickelt und uns einen weiten Blick über die Stadien des damaligen
Lebens verstatten. Zuerst die beiden Diakonen, welche das Priesterthum
des Mittelalters, zwar würdig und bedeutend, doch in verschiedenartig
einseitiger Weise repräsentiren; dann die Gestalt des Erzbischofs in erha-
bener Hoheit und Begeisterung und in schönem Gegensatz gegen die Un-
schuld jener kleineren Kinder, die ihn umspielen; denn die beiden Knaben,
beide in der offnen, freudig erregten Bewegung des Momentes, doch auch
sie wieder charakteristisch von einander verschieden. Hierauf die gross-
artig schöne Gestalt der Mutter, deren geheimer Zug zu den Symbolen
des Christenthums ebenso wie ihre Liebe zu den Kindern trotz der mo-
mentanen Erschütterung sichtbar Avird; und im Gegensatz gegen sie die
Tochter, die mit kindlicher Theilnahme nur an dem Gesichte der von ihr
umfassten Mutter hängt, liend die Magd, deren Interesse zwischen der Sorge
um die Herrin und der Verwunderung über das Gebahren der Kinder ge-
(heilt wird. Endlich, als äusserster Contrast, der wendische Diener, der
sich in halb düsterm, noch heidnischem Trotze abwendet. Das Aenssere,
was dem Kostüm und der Bezeichnung des Lokals angehört, dient wesent-
lich zur Erhöhung der Charakteristik der Darstellung. Das Ganze ist mit
jener Grazie behandelt, die Wach eigenthümlich ist und die sich beson-
ders in der edeln Linienführung kund giebt. Der Totaleindruck ist har-
monisch; ohne Zweifel haben wir das Bild zu den vorzüglichsten Werken zu
rechnen, die Wach geliefert hat. Die Erscheinung desselben ist ein sehr er-
freuliches Zeugniss der höheren Anerkennung, welche der historischen Malerei
gegenwärtig zu Theil wird, und zugleich eine gültige Bezeichnung der
Richtung, in welcher dies Fach der Kunst zu behandeln ist. Möge dem
Bilde in Stettin eine angemessene Stätte zu Theil werden, und möge es
zu vielfach vermehrter Nachfolge Anlass geben.

Im Atelier des Bildhauer Kiss sahen wir das kolossale und zum
Bronzeguss bestimmte Thonmodell der Reiterstatue Friedrichs des Grossen,
die er für das Denkmal, welches von der Provinz Schlesien in Breslau
errichtet werden soll, gefertigt hat. Das mächtige Werk, drei Fuss grös-
ser als die bekannte Amazonengruppe von Kiss, zeigt eine Auffassung,
die zunächst den eigentlichen Zweck des Monumentes, d. h. nicht die

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Neues aus Berlin. 399

allgemeinste Bedeutung des unsterblichen Mannes/sondern die, welche er
insbesondre für die Provinz Schlesien hat, ins Auge fasst. Es ist der kräf-
tige Sieger und zugleich der erhabene Wohlthäter des Landes. Auf leb-
haft .vorschreitendem Rosse, das er sicher lenkt, sitzt-der König in freier,
zuversichtlicher Haltung, noch nicht der von Jahren und tausendfachem
Mühsal gebeugte Greis, sondern der schöne, stattliche Mann, wie er etwa
noch beim Anfange des siebenjährigen Krieges erschien; er trägt die bril-
lante Gardeuniform und darüber den in leichten Falten niederhaDgenden
Kriegsmantel; sein Haupt ist umschauend empörgehoben, sein rechter Arm
herrschend zugleich und segnend über das Volk hin ausgestreckt. Die
Sicherheit, die sich in dem Werke ausspricht, wirkt sehr erfreuend auf
den Beschauer; das Ganze ist meisterlich belebt; dass dies letztere nament-
lich auch von dem Pferde gilt, braucht von dem Bildner der Amazonen-
gruppe nicht noch besonders angemerkt zu werden. Auch diese Arbeit
gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der historisch monumentalen
Kunst, deren wir uns heutiges Tages mehr und melir erfreuen.

(Kunstblatt 1843, No. 45.)

Eine neue Erscheinung von hoher Bedeutung, die in diesen Tagen die
lebhafteste Aufmerksamkeit Berlins in Anspruch nimmt, ist das so eben
vollendete Thonmodell der kolossalen Reiterstatue Friedrichs des Grossen,
welche Rauch für Berlin arbeitet. Es ist das Werk, für welches seit dem
Tode des grossen Mannes, also seit einer Reihe von 57 Jahren und durch
verschiedene Geueratiouen'^von Künstlern, so viele Entwürfe und Skizzen
gefertigt, so viele Ideen in Vorschlag gebracht und erörtert sind, dass die
Geschiclite dieser Bestrebungen in der That als eine Geschichte der Ent-
wickelung der neueren monumentalen Kunst beti'achtet werden darf. Wohl
erweckt es für den, der diese Bestrebungen mit einigem Interesse verfolgt
hat, ein eignes Gefühl, wenn man jetzt ihren Schlusspunkt, und zwar
dem wichtigsten Theile nach bereits vollendet, vor sich sieht; mit Freude
aber wird man es bekennen müssen, dass hier eine Lösung der Aufgabe
vor uns steht, welche entschieden als die angemessenste und würdigste
gelten muss. Nach vielen und mannigfachen Versuchen, die nicht selten
auf künstlichb, auch phantastische Weise einen grossartig imponirenden
Eindruck zu erreichen streben, nach der Anwendung römischer, dacischer
und griechischer Kostüme, nach Tempeln und Mausoleen, nach Triumph-
bogen, trajauischen Säulen und mächtigen Siegeshallen, ist der,, zur end-
lichen Ausführung des Werkes berufene Meister zu der einfachsten Form
zurückgekehrt, die mit volksthümlicher Kraft zum Volke sprechen wird,
die uns das Bild des grossen Königs in seiner ganzen Eigenthüralichkeit
wiedergiebt, und doch auf eine Weise gefasst und durch geringe, kaum
symbolisch zu nennende Zuthat in soweit erkräftiget ist, dass sie uns in
grossartigster monumentaler Würde gegenüber steht. Denn es kam ja
darauf an, dem Manne ein Denkmal zu errichten, der nicht blos im Munde
der Geschichte, sondern auch im Munde des Volkes lebt; es müsste der

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4ÜÜ Berichte, Kritiken, Erörterungen.

König dargestellt werden, der den preussischeu Staat reich und herrllcli
gemacht hat, der Held und Meister des achtzehnten Jahrhunderts, — der
,,grosse Friedrich"; zugleich aljer auch der, den das Volk mit behaglicher
I Theilnahme noch heute als seinen „alten Fritz" benennt. So sehen wir

ihn auf seinem ruhig .schreitenden Rosse sitzen, in Haltung und Geberde
einfach, so, wie ihn in der langen Zeit vom Hubertsburger Frieden bis zu
seinem Tode das Volk zu sehen gewohnt war, in seiner schlichten Klei-
dung, den Hut tief in die Stirn gedrückt, die nachlässig aufgezogenen Stie-
feln ohne den Stachel der Sporen, in der Linken die Zügel haltend, die
Rechte in die Seite gestützt und daran den Krückstock, den er selbst zu
Pferde führte, niederhangend. Es ist der alte König, der das Ziel seines
Strebens erreicht hat und der hier, wie es so oft im Leben der Fall war,
in väterlicher Ruhe unter den Seinen erscheint. Bei allem individuellen
Gepräge aber, bei aller scheinbaren Nachlässigkeit in Tracht und Haltung,
hat Rauch zugleich jenen Ausdruck geistiger Würde und Energie wieder-
zugeben gewusst, über deren Wirkung uns die staunenden Zeitgenossen so
manchen bemerkenswerthen Bericht hinterlassen haben. Es ist etwas eigen-
thümlich Elastisches in dieser gebeugten Gestalt, das uns mit Bestimmt-
heit fühlen lässt, dass sie fähig genug sei, sich zur mächtigsten Kraftäus-
serung zu erheben; aufs Entschiedenste spricht sich dies in den Zügen des
lebhaft emporgerichteten Gesichtes aus. Als Abweichung von der gewöhn-
lichen Tracht Friedrichs erscheint nur der Königsmantel, der Brust und
Rüken bedeckt und in weiten Falten niederhängt. Er bezeichnet — wenn
wir es so ausdrücken wollen — auf symbolische Weise den königlichen
Herrscher; er bildet aber zugleich eine der wirklichen und bestehenden
Insignien der königlichen Würde (wie wenig es sich auch Friedrich an-
gelegen sein liess, in den vorkommenden Fällen sich solcher Insignien
zu bedienen); er ist es somit, was, auf vollkommen natürliche und unge-
zwungene Weise, der Gestalt die grössere monumentale Fülle, — ihr auch
in den äusseren Linien der Erscheinung die grössere Erhabenheit giebt.
Ueber das Detail der Ausführung genüge die Eine Bemerkung, dass auch
hier sich mit stylistischer Würde durchweg jene feine Naturbeobachtung
vereint, die Rauch's neuere Werke so eigenthümlich auszeichnet.

Der wichtigste Theil des Denkmals ist hiemit, bis auf den Abguss,
vollendet. Jetzt steht noch die Arbeit des Sockels bevor, dessen Bild-
werk der kolossalen Reiterstatue untergeordnet sein muss, indess ohne
Zweifel eine längere Zeit für die Ausführung in Anspruch nehmen wird.
Die obere, kleinere Abtheilung des Soctels wird einfachere Reliefs, auf
die friedlichen Thaten des Königs bezüglich, enthalten; die untere dagegen
eine grosse Schaar lebensgrosser Hautrelieffiguren, die Gestalten der Hel-
den, mit denen er seine zahlreichen Siege erfocht. Hier liegt dem Bild-
hauer noch ein reiches Feld zur neuen Darlegung seiner Meisterschaft vor;
schwerlich aber dürfte, schon nach der kleinen Skizze zu urtheilen, ander-
weitig ein Postament einer Reiterstatue gefunden werden, welches histori-
sches Leben und monumentale Fülle auf ähnlich wirkungsreiche Weise
vereinigte.

Man hat hier viel über das Verhältniss der Rauch'schen Reiterstatue
des grossen Königs zu der, welche Kiss für Breslau modellirt hat (und über
welche in diesen Blättern kürzlich berichtet ist) gesprochen. Das Verhält-
niss beider Werke zu einander ist sehr einfach. Kiss hat mit richtigem
Takte, dem Zwecke seiner Aufgabe gemäss, den jugendlichen Eroberer

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Sendschreiben an Herrn Dr. Ernst Förster in München etc. 401

Schlesiens und den Ordner der dortigen Verhältnisse dargestellt; Rauch
dagegen den König des gesammten Staates, den Mann, der der Stolz seines
ganzen Jahrhunderts war. Jenes ist ein Denkmal fttr eine einzelne Pro-
vinz und hebt die, diese Provinz beitretfenden Bezüge hervor; dieses ist
ein Denkmal von ungleich umfassenderer Bedeutung, es stellt uns die
Totalität des Mannes und das, was wir Alle in ihm verehren, gegenüber.
Beiden Bildhauern gebtihrt die Anerkennung, ihre Aufgabe erfüllt zu haben;
aber Rauch's Aufgabe musste sich natürlich als die ungleich höhere und
schwieriger zu lösende herausstellen.

Sendschreiben an Herrn Dr. Ernst Förster in München über die
beiden Bilder von Gallait und de Biefve.

a

(Kunstblatt 1843. No. 58 f,)

Fast wider meinen Willen, jedenfalls im Widerspruch mit meiner
Neigung und mit meiner Zuneigung zu Ihnen, lieber Freund, treibt es
mich, die Feder zu ergreifen und gegen Sie in die Schranken zu treten.
Sie haben in No. 26 und 27 des diesjährigen Kunstblattes ein Urtheil tiber
die Bilder der beiden belgischen Maler Gallait und de Biefve, die Ab-
dankung Karls V. und den Compromiss der niederländischen Edlen, aus-
gesprochen, das der Freude des grösseren deutschen Publikums an diesen
Bildern — denn seit unsrer Berliner Ausstellung im vorigen Herbste sind
sie ja noch an manchen andern Orten mit Enthusiasmus aufgenommen —
schroff und streng widerspricht. Herr v. Quandt ist Ihnen in No. 39 und
40 in ähnlicher Weise, in einzelnen Ausdrücken noch herber, nachgefolgt-
Das Publikum ist aber gewöhnt, dergleichen Artikel mehr als das Glau-
bensbekenntoiss der Zeitschrift, in welcher sie erscheinen, und ihrer Re-
daktion, denn als die individuelle Ansicht der einzeihen Verfasser zu
betrachten. So schiebt man auch mir, da ich mit Ihnen an der Redaktion
des Kunstblattes betheiligt bin, dieselbe Ansicht zu. Ich theile die An-
sicht aber keineswegs, und so höthigt mich mein Verhältniss zum Kunst-
blatt, auch mit der meinigen offen und unumwunden hervorzutreten. Die
Sache scheint mir in der That für das gesammte Zeitinteresse wichtig
genug, um sowohl das Kunstblatt vor dem Vorwurfe der Einseitigkeit,
als auch mich vor -diesem und dem vielleicht noch schlimmeren Vorwurfe
der Indolenz sicher zu stellen; für den Takt des Publikums zu kämpfen,
oder gar für die Ehre von Kunstwerken, die sich selbst zur Genüge ver-
treten, würde ich für überflüssig halten. Ohne Sie und die anderweitigen
geneigten Mitleser dieses Sendschreibens durch allzu vieles Detail zu er-
müden, will Ich versuchen, nur auf die wichtigsten Ihrer Anschuldigungen,
besonders auf das, was allgemeine Principien berührt, einzugehen. Dabei
wird sich auch Gelegenheit finden, diese oder jene Bemerkung des Herrn
V. Quandt zu berühren. Die unpässliche Weise, in welcher der letztere

Kugler, Kleine Schriften. III, 26

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402 B«rifihte, Kritiken, Erörterungen.

im Eingänge seines Artikels, wegen einiger Zeitungsreferate u. dergl. über
Berlin spricht, die nicht minder unpässliche Weise, in welcher er einen
Künstler wie Eduard Magnus, ebenfalls wegen einer Zeitungsnotiz, die
man diesem zuschreibt und die meinethalben einseitig genug abgefasst war,
behandelt, glaube ich mit Stillschweigen übergehen zu dürfen.

Sehr gern gebe ich Ihnen zu, dass beide Bilder keinesweges ganz
tadellose Meisterwerke sind. Es ist an ihnen dieser und jener nicht ganz
unerhebliche Fehler zu bemerken. Was Sie dem Gallait'schen Bilde in
Bezug auf die Mängel des perspectivischen Aufbaues, der Gruppeneinthei-
lung u. s. w. vorwerfen, ist unstreitig mehr oder weniger begründet, ebenso
aber auch, was Sie von der Schönheit und Sättigung des Kolorits, von der
bewunderungswürdigen Harmonie der gesammten malerischen Durchbildung
in diesem Gemälde rühmen müssen. Für mein Gefühl war diese Harmo-
nie so bedeutend, dass sie jene Mängel vollständig verdeckte, oder sie
doch erst bemerken Hess, als der nüchterne Verstand das Kritisirgeschäft
übernahm. De Biefve's Bild steht niedriger, sofern ihm diese Harmonie,
diese malerische Stylistik fehlt; dafür hat es aber wiederum manche Ein-
zelheiten, die vollendeter sind, als die Einzelheiten des Gallait'schen Bil-
des, was Sie freilich, wie es scheint, nicht gefunden haben. Ich will
indess über dergleichen, worüber man nur vor den Gemälden selbst zu
einer Vereinbarung kommen kann, nicht weiter streiten. Ich will nur die
Bemerkung hinzufügen, dass unter den hiesigen Künstlern, die die Malerei
als eine Kunst der Farbe zu fassen gewohnt sind, keiner sich gefunden,
der die Ausführung beider Bilder, und namentlich des Gallait'schen, nicht
im höchsten und bewunderndsten Maasse anerkannt hätte.

Es ist vorzugsweise der geistige Inhalt beider Bilder, die Entwickelung
und die Bedeutung desselben, worüber ich mit Ihnen zu streiten habe.
Gallait werfen Sie vor, dass sein Bild in der Darstellung des gewählten
Gegenstandes, de Biefve gar, dass sein Bild schon in der Wahl des dar-
zustellenden Gegenstandes verfehlt sei. Lassen Sie uns dies etwas näher
betrachten.

Für's Erste eine allgemeine Bemerkung zur weiteren Verständigung.
Beides sind historische Bilder, oder deutlicher, Bilder geschichtlichen In-
halts, und zwar solche, die den Zweck haben, der geschichtlichen Erinne-
rung eines bestimmten Volkes (der Niederländer) als Denkmale zu dienen
und dem Volke an einem Orte von nationaler Bedeutung (dem Palais de
la nation au Brüssel) als Erinnerungs- und Mahnzeichen gegenüberzutreten.
Die Geschichte aber ist etwas positiv Gegebenes, und die geschichtlich-
künstlerische Darstellung muss nothwendig einen gewissen Grad von Ver-
trautheit mit diesem positiv Gegebenen voraussetzen. Das ist überall der
Fall, wo es sich um die Darstellung von Begebenheiten handelt. So treff-
lich auch die dramatische Entwickelung in Raphaels Spasimo, in seinem
Tod des Ananias u.s.w. ist, so werden diese Bilder doch dem, welcher die
Bücher des neuen Testaments nicht kennt, dem Türken etwa, dem Chine-
sen u. s. w., ihrer tieferen Bedeutung nach niemals verständlich werden.
Der Künstler muss bei seinen Darstellungen diejenigen Voraussetzungen
machen, die der Zweck seines Werkes erfordert, zu denen ihn das Wissen
und Bewusstsein von Zeit und Nation berechtigen. Gallait und de Biefve
durften diese Voraussetzungen in Bezug auf ihr Volk machen; wenn uns
zufällig die vorausgesetzten Kenntnisse fehlen sollten, so ist es nicht ihre
Schuld.

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t

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Sendschreiben an Herrn Dr. Ernst Förster in München etc. 403

Gallait hat die Abdankung Kaiser Karls V. gemalt. Sie sagen — und
scheinbar mit Recht — man sehe in dem Bilde nichts davon; der Künst-
ler hätte nicht den von ihm dargestellten Moment, sondern einen andern
wählen sollen, durch den die That d«s Abdankens deutlicher
Vierden,
durch den somit die Person des Kaisers wirkungsreicher hervortreten würde.
Sie verlangen zugleich, dass statt des vor Seelen- und Altersschwäche
zerfallendeu Kaisers hier der Ausdruck „eines durch das Bewusstsein kai-
serlicher Macht starken und durch religiöse Bewegungen grossen Geistes"
erscheinen sollte. Herr v. Quandt stimmt Ihnen darin mit andern, noch
mehr poetischen Ausdrücken bei. Beiläufig bemerkt, ist dies letztere Be-
gehren schon ganz unstatthaft. Wenn Sie die Historiker, und namentlich
unsre gründlichen neueren Forscher, etwa Ranke, nachschlagen, so werden
Sie finden, dass Karl eben gar nicht in wundersam idealer Resignation,
sondern ganz anders, den Körper von Krankheit verzehrt und die Seele
mit finstrer Hypochondrie belastet, mit Vernichtung seiner schönsten Pläne
und ohne Mittel, neue durchzuführen, weil der Staatsbankerott vor der
Thür war, vom Thron in das Kloster ging. Hätte Gallait also, wie Herr
V, Quandt will, einen „über die irdische Herrlichkeit sich erhebenden Charak-
ter" malen wollen, so hätte er ihu irgendwo anders suchen müssen; und hätte
er seinen Kaiser, nach dem bekannten
Pictoribus atque poetis etc., den-
noch zu einem solchen Charakter umgeprägt, so hätte er die Bedeutung
seines Bildes einfach verfehlt. Denn das Wort „Abdankung" ist nur ein
äusserer Titel für das Bild, und der Kaiser nicht dessen Hauptperson. In
welcher Form Karl vom Schauplatze abtrat, mag fast gleichgültig erschei-
nen, wenn man im Sinne des Niederländers die Folgen erwägt, die sich
daran anschlossen. Die Abdankung ist der grosse Wendepunkt in der
niederländischen Geschichte, und dies ist es, was uns Gallait in den Haupt-
personen seines Bildes so unnachahmlich meisterhaft andeutet. Die Ge-
stalten seiner beiden Lieblinge, die der an Körper und Geist zerfallene
Kaiser den Versammelten zur Schau stellt, lassen uns die ganze nächste
Zukunft der niederländischen Geschichte erkennen: Philipp, der bigott und
in steifer Förmlichkeit, den Rücken gegen das Volk gewandt, welches ihm
huldigen soll, vor dem Vater kniet, und Oranien, der „Schweiger", in
hohem männlichem Adel vor dem Kaiser stehend, nnd zugleich in jener
verschlossenen Besonnenheit und in jener Festigkeit, die ihn zum Helden
des Volkes machen musste. Auch des Kaisers Schwester, Maria von Un-
garn, die unbeweglich zur Seite der Gruppe sitzt, trägt wesentlich dazu
bei, das Charakteristische des Momentes zu erhöhen. Man muss es freilich
wissen, dass sie bisher die Statthalterschaft der Niederlande, und zwar
mit Milde, geführt hat; tief in sich versunken, einer greisen Nonne nicht
unähnlich, scheint sie die Schauer der Zukunft zu empfinden, die bei dem
bedeutungsschweren Wechsel der Herrschaft in ihr emporsteigen mussten.
Und über die ganze zahlreiche Versammlung, welche den Thron umgiebt,
waltet ein ähnlich ernstes, zurückgehaltenes Gefühl, das, bei der Energie,
mit der die Gestalten aus der Leinwand hervortreten, sich des Beschauers
bemächtigt. Wie Sie aber von den Personen dieser Versammlung, deren
Dasein durch die blosse Gegenwart bei dem vorgestellten Momente aufs
Vollständigste gerechtfertigt wird, deren Dasein eben diesem Momente erst
seine Bedeutung giebt, noch eine besondre Handlung verlangen können,
sehe ich nicht wohl ein. Finden Sie dergleichen etwa in den historischen

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Cereraonienbildern Ihres Hofgartens? oder hätte der Künstler den grossen
Gesaramteindruck etwa durch diese oder jene Episode schwächen sollen?

Der Inhalt des Bildes von de Biefve steht mit dem des Bildes von
Gallait in nahem Zusammenhange; die Geschichte ist fortgeschritten, und
der erste entschiedene Moment des nothwendigen Widerspruches zwischen
Philipp und Oranien, zwischen spanischer Tyrannei und niederländischem
Freiheitsgefühl, wird uns gegenübergefülirt. Es ist die Versammlung der
niederländischen Edlen im Kuylenburg'schen Palast zu Brüssel und die Un-
terschrift des Compromisses, wodurch sie gegen religiösen und politischen
Druck offnen Protest einlegten. Aber Sie sagen: wie kann man aus dem
Papier, das von Einem unterschrieben wird, von Andern unterschrieben
ist und von Vielen erst unterschrieben werden soll, den Inhalt des Ge-
schriebenen oder zu Sehreibenden ermessen ? und könnte die Versamm-
lung, statt z. B. gegen die Inquisition, nicht etwa gerade für dieselbe sich
vereinigt haben? Ich frage Sie mit demselben Recht: kann man aus dem
Papier, welches der Priester in Raphaels Messe von Bolsena in den Hän-
den hält, etwa auf das Wunder der blutenden Hostie und auf dessen Be-
deutung für die mittelalterlich-katholische Kirche, was doch den Inhalt
des Bildes ausmacht, schliessen? Wir haben auch hier die historische
Voraussetzung zugegeben. Wir müssen es wissen, dass die Unterschrift
des Compromisses einer der wichtigsten Schritte in der Befreiung der
Niederlande war; aber wiederum ist sie, wie die Abdankung Karls, nur
das äussere, zufällige Vehikel, um die Bedeutung der Zeit — in diesem
Bilde die ernste Bereitung zur That — zur Erscheinung zu bringen. Hier
hat Herr v. Quandt, sehr abweichend von Ihnen und selbst freilich auch
nicht ohne allerhand Clausein, doch sehr richtig bemerkt: „Es ist in die-
sem Bilde durchaus die Idee des Volkswillens gegenwärtig." Das ist es,
worauf es in dem ganzen Bilde ankam, und was de Biefve, obwohl nicht
ganz frei von Mängeln der Anordnung, doch in sehr überlegter, klarer Ab-
stufung und in meisterhafter Bewegung dargelegt hat: das zum Bewusstsein
seiner Würde, seiner Freiheit erwachende Volk. Herr v, Quandt bemerkt
übrigens zugleich als einen Tadel, dass der Maler die historisch merk-
würdigsten Personen abgesondert von den Uebrigen in den Vorgrund des
Bildes gebracht habe, und dass es ihm somit mehr am geschichtlichen
Detail als an der das Ganze durchdringenden Idee gelegen habe. Die Ant-
wort darauf giebt auch wieder die Geschichte. Die merkwürdigsten Per-
sonen waren die Vornehmsten, deren Vorangang man wünschte, denen
man somit natürlich auch den ersten Platz zur Unterschrift — in der Nähe
des Tisches, der eben im Vorgrund des Bildes steht — überliess; sie waren
aber zugleich auch die Bedächtigeren, denen die heftigere Bewegung der
niedern Edelleute nicht ganz genehm war und die sich somit absichtlich
ein wenig abgesondert hielten. Oder soll die Geschichte wieder zu Gun-
sten eines beliebigen Gesetzes für künstlerische Composition gemodelt und
die schärfere historische Charakteristik einem zweideutigen Erfolge aufge-
opfert werden?

404

Ich muss bedauern, dass wir in Deutschland nicht auch das dritte
von den Bildern des Brüsseler Palais de la nation, den heldenmüthigen,
aufopfernden Kampf für die Freiheit, in der Darstellung der Belagerung
Leydeue von Wappers, kennen gelernt haben. Die innere Bedeutung dieser
Bilder in ihrem gegenseitigen Zusammenhange würde uns dann vermuth-
liuh noch wirkungsreicher entgegen getreten sein.

I'if

um

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Seudschteibeii an Hern» Dr. Erust Förstor in Müuchen etc. 405

Ich raeine indess mit der Rechtfertigung der Gegenstände, die die
Bilder behandeln, und der Art und Weise, wie dieselben aufgefasst sind,
doch noch nicht Genügendes gesagt zu haben; die Bilder könnten dabei
dennoch ziemlich wirkungslos bleiben. Was ihnen die eigentlich künst-
lerische Bedeutung giebt, das ist die frische Energie, mit der die also
aufgefassten Gegenstände ins Leben treten. Es ist in diesen Gestalten^
— im Gegensatz gegen so manch ein
Conventionelles Scheinleben, das zu
bewundern man uns nöthigen will. — eine Kraft der Existenz, eine Fülle
des Daseins, der sich nur ein blöder Sinn verschliessen könnte; es ist in
ihnen, zum grösseren Theile wenigstens, eine Haltung und Gemessenheit, die
uns nothwendig mit Ehrfurcht erfüllen muss; es
ist ihnen ein Gepräge
nationalen Gemeingefiihles aufgedrückt, das unser Publikum fast mit einer
Art Verwunderung ansah und aus dessen Einwirkung ich mir
vorzugs-
weise den lebhaften Enthusiasmus, der den Bildern aller Orteii zu Theil
ward, erkläre; es ist in ihnen — in der Gesammtheit des Gallait'schen
Bildes und wenigstens in einzelnen Partieen des von de Biefve — eine
Würde und Feier des malerischen Slyles, welche den Eindruck auf wohl-
thätige Weise zu einem gerundeten und abgeschlossenen macht. — Ich
denke, wir haben die Gültigkeit dieses malerischen Styles ganz in glei-
chem Maasse anzuerkennen wie die des linearen; ebenso, wie in der
Musik das Gesetz der harmonischen Durchbildung dieselbe Bedeutung hat,
wie das der melodischen Durchbildung; wobei es sich aber freilich von
selbst versteht, dass die gleichmässige Entwickelung beider Elemente auf
eine noch höhere Stufe der Vollendung führen muss,

Ich muss bekennen, ich verstehe Sie nicht, wenn Sie dennoch für die
historische Aulfassung in diesen Bildern „nicht weniger als Alles" ver-
missen. Sie stossen sich an dem Bestreben nach möglichst getreuer Ver-
wirklichung, — als ob das nicht unbedingt das Streben des Künstlers sein
müsste, unbeschadet anderweitiger Anfordernisse, die allerdings an ein
Kunstwerk zu machen sind, und als ob es nicht, bis auf gewisse Theorieeu
der modernen Zeit, das Streben aller Kunst gewesen wäre! Hat denn der
Künstler ein andres Mittel zur Darstellung seiner Ideen, als die Natur?
und ist es nur denkbar, dass ein freier Geist durch möglichst vollkom-
mene Ausbildung dieses Mittels, das, je mehr ausgebildet, auch um so
reichhaltiger wird, nur irgend beschränkt werden könnte? Ich breche ab,
um den nutzlosen Streit nicht noch weiter fortzusetzen. So lasse ich auch,
was Hr. v. Quandt im Gegensatz gegen den belgischen Realismus über die
„von poetischen oder religiösen Ideen belebte Kunst" und über die „wahr-
haft ästhetische und wahre Freiheit des Geistes" sagt, zu welcher dieselbe
emporsteige, unberührt und frage nur, wo wir denn eigentlich die Poesie
zu suchen haben? Ich wüsste kaum irgendwo mehr Poesie zu finden, als
in dem glorreichen Freiheitsringen der Niederländer, —

Ich darf hoifen, lieber Freund, dass Sie mich für keinen Verächter
unsrer deutschen Kunst halten. Wir'hatten auf unsrer Berliner Herbst-
ausstellung, neben manchen andern, ein hohes und sehr charakteristisches
Meisterwerk deutscher Kunst gleich zur Hand, Lessing's Huss. In die-
sem Bilde sahen wir eine Tiefe der psychologischen Durchdringung, die
immer und immer wieder unsre Theilnahme in Anspruch nehmen musste,
eine Feinheit der Individualisirung, die das Beste, was die beiden bel-
gischen Bilder in solcher Art darboten, bei Weitem übertraf. Und den-
noch — es fehlte dem ganzen Bilde des Huss jenes Mark des Lebens, wo-

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406 B«rifihte, Kritiken, Erörterungen.

durch die Belgier so mächtig wirkten. Und dann, wenn ich mir etwa
Overbecks Meisterwerke, wenn ich mir die Schöpfungen Ihrer grossen
Meister von München in die Erinnerung zurückrufe, welcher gedanken-
volle Ernst, welche besonnene Einfalt, welches majestätische und zugleich
anmiithvolle Gleichmaass in Formen und Linien! und in allen diesen
Dingen wiederum, eine wieviel höhere Entwickelung als bei jenen Bel-
giern ! Aber — tritt uns auch in den Werken dieser Meister jene volle
Unmittelbarkeit der Existenz entgegen? müssten wir nicht vielmehr Gefahr
laufen, auf diesem Wege, ohne weitere Entwickelungsmomente, gar in
eine conventionelle Manier zu gerathen? und sind im Einzelnen nicht schon
die Symptome davon zu erkennen? Wir haben Grosses erreicht, um das
alle unsre Nachbarn uns beneiden müssen; aber sollen wir darum stehen
bleiben? Stillstand ist Tod, in der organischen Welt, wie in der des
Geistes.

Seien wir aufrichtig, lieber Freund! Unsre Kunst hatte bisher ein
gewisses exclusives, ich möchte sagen, aristokratisches Element in sich.
Sie entwickelte sich — ich meine unsre neuere Kunst — in einem zer-
fahrenen Zeitalter, in welchem auch die kräftigsten und rüstigsten Talente,
deren es gar wohl unter unsern Vorgängern gab, auf der Bahn des Alten
keine neuen Erfolge mehr zu erreichen vermochten. Da zogen sich die
Geister, welche den Puls der neuen Zeit in sich fühlten und den Drang
zu einer neuen Gestaltung des Lebens in ihrer Brust trugen, von dem Ge-
wühl des Marktes zurück und Hessen in ernster, gedankenvoller Stille das
Werk solcher Erneuung reifen. Dass sie den rechten Weg eingeschlagen,
bezeugte ihnen die bewundernde Anerkennung der Besten ihres Volkes.
Aber sind glücklicher Beginn und Vollendung schon eins und dasselbe ?
Man fühlt es den Werken dieser Männer an, dass sie aus der, allerdings
nothwendigen Zurückgezogenheit, aus der Contemplation, aus der geistigen
Flucht vor dem Leben entstanden sind; die hohen Resultate, die sie brin-
gen, stehen dem Leben dennoch in einer gewissen Entfernung gegenüber.
Daher — verzeihen Sie, wenn ich, um mich deutlich zu machen, die Far-
ben stark auftrage — daher auf der einen Seite diese Stylistik, deren Er-
starrung wir befürchten müssen, auf der andern dies Gefühlsleben, das ins
Gestaltlose verschwimmen zu wollen scheint. Die Kunst soll aber dem
Leben nicht fremd bleiben; im Gegentheil, es ist ihr Beruf, das Leben in
seiner vollen frischen Unmittelbarkeit zu durchdringen und sich selbst
davon durchdringen zu lassen. Die Schätze, die in geheimer, stiller Grube
gegraben sind, müssen wieder auf den Markt, unter das Volk hinausge-
tragen werden ; unsre Kunst muss jenem aristokratischen Element — denn
ohne das würde sie freilich gleich von ihrer Höhe hinabsinken — als
nothwendiges Gegengewicht ein demokratisches zugesellen.

Und sollen wir uns nun nicht freuen, wenn ein verwandtes Nachbar-
volk uns ein Paar künstlerische Meisterwerke zusendet, aus denen dies
letztere Element in seiner freudigen Kraft hervorleuchtet? Ja, ein demo-
kratisches, in der ganzen, kecken Bedeutung des Wortes! Wie sich die
niederländische Kunst, wohl nach dem Vorgange der französischen^ dahin
entwickelt hat, will ich hier nicht näher auszuführen versuchen; ich kann
es auch nicht, da mir die genaueren Kenntnisse ihres neueren Entwicke-
lungsganges fehlen. Dazu aber bedarf es keiner grossen Divination, um
zu erkennen, dass das, was sich in den Meisterwerken der heutigen fran-
zösischen und belgischen Kunst — ob vielleicht auch in beschränkten

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Christus, den Untergang Jenisalüuis weissagend. 407

Kreisen — bewegt, doch einem frischen volksthümlichen Leben seinen
Ursprung verdankt. Nur wo ein kräftiges Gemeingefühl im Volke waltet,
wo dasselbe eine nationale Existenz hat, da gewinnen axich die künstle-
rischen Darstellungen jene sieghafte Existenz, der wir unsern Sinn nicht
verschliessen können. Und weil seit der jüngsten Zeit auch in Deutsch-
land das Gemeingefühl des Volkes, das nationale Bewusstsein in aller
Freudigkeit erwacht ist, so mussten jene beiden Bilder, in denen man die
verwandte Stimmung erkannte, auch bei uns mit so entschiedenem Beifall
aufgenommen werden, vielleicht mit grösserem als in ihrem eignen Vater-
lande, eben weil sie uns etwas brachten, das uns mehr oder weniger
noch fehlte.

Aber sollen unsre Künstler sich nun Hals über Kopf in die Nachahmung
von Gallait und de Biefve stürzen? Lieber Freund, ich würde es für eine
Lästerung des deutschen Volkscharakters halten, wenn man glauben wollte,
dass dies nur möglich sei. Einzelne, haltlos an sich, darum aber auch
nicht geeignet, als Repräsentanten unsres Volkscharakters zu gelten, mögen
immerhin in solcher Nachahmung untergehen; unsre Kunst steht zu fest,
als dass sie aus der Bahn, die sie verfolgen muss, gerückt werden könnte.
Aber weiter muss sie diese Bahn verfolgen, zu neuen Entwickelungsmo-
menten muss sie voranschreiten: Stillstand, ich wiederhole es, ist Tod.
Darum wollen wir die Mahnung zum Fortschritte, die uns die Bilder von
Gallait und de Biefve bringen, dankbar und freudig hinnehmen; wir wer-
den auf unsrer Bahn den Punkt finden, wo ihre Richtung mit der unsern
sich kreuzen muss. Davon aber bin ich im Innersten meiner Seele über-
zeugt: halten wir fest an dem, was unsre Kunst bisher erworben hat, und
gewinnen wir dazu noch die ganze volksthümliche Kraft, welche unsre Zeit
erfordert, so werden wir zu einer Blüthe der Kunst gelangen, die alle
Bestrebungen unsrer Zeitgenossen hinter sich lässt.

Christus, den Untergang Jerusalems weissagend. Das Original-
gemälde, 7 Fuss 3 Zoll hoch, 8 Fuss 8 Zoll breit, befindet sich im Besitz
Sr. Majestät des Königs von Preussen. Gemalt von Begas, lith. von W.
Schertie. Verlag und Eigenthum der C. G. Lüderitz'schen Kunstverlags-
handlung zu Berlin.

(Kunstblatt 1843, No. 61.)

Unter den Lithographieen, die neuerlich in Berlin erschienen sind, ist
die vorstehend genannte als eine Arbeit von vorzüglicher Bedeutung her-
vorzuheben. Zunächst des Gegenstandes wegen, Das Gemälde, welches
sie darstellt, können wir mit Zuversicht zu den vorzüglichst charakteristi-
schen Werken der neueren Zeit rechnen. Es ist, wie die Mehrzahl der
Werke der norddeutschen Kunst, ein Situationsbild, d. h. ein solches, in
welchem die Gestalten nicht sowohl durch dramatische Handlung als durch
gemüthliche Stimmung verknüpft werden; aber es rechtfertigt seine Gat-
tung durch das tief bedeutungsvolle Moment, welches diese Stimmung

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408

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

JP

hervorgerufen hat, durch die beredte Charakteristik und zugleich durch
die feierliche Würde, mit der sie sich äussert. Auf der Höhe des Oel-
berges sitzt der Erlöser, der, auf die heilige Stadt niederblickend, ihren
Untergang verkündet; neben ihm auf jeder Seite zwei von den Jüngern.
Die Blicke des einen hängen an seinem Munde; zwei andre schauen, mit
düsterm Staunen und mit schmerzvoller Klage, auf die Stadt nieder: der
vierte, Johannes, fasst in sich gekehrt all die unendliche Trauer, die sich
an die Worte des Meisters knüpft, in seinem Innern zusammen. Die
Gruppe ordnet sich in grossartig plastischer Klarheit; doch herrscht in der
Behandlung, dem entschiedenen Bedürfnisse des Situations- und Charak-
terbildes gemäss, das malerische Element, alles Dasjenige, was der Wir-
kung der Farbe und des Helldunkels angehört, vor. Werke von solcher
Beschalfenheit, wo es so w^esentlich auf das Detail der Charakteristik und
der Behandlungsweise ankommt, sind überall im kleinen Maassstabe schwer
wiederzugeben; vielleicht ist dies einer der wesentlichsten Gründe, wess-
halb die Mehrzahl norddeutscher Kunstleistungen^ dort, wo man sie weni-
ger nach den Originalen als nach kleinen Nachbildungen beurtheilen
konnte, oft ein so schiefes und ungenügendes Urtheil erlitten haben. Die
vorliegende Lithographie erfüllt jedoch alle Ansprüche, die man an eine
Arbeit solcher Art machen kann. Sowohl das plastische, als vorzugsweise
das malerische Element, dessen Nachbildung bei so beschränkten Mitteln
der grössten Schwierigkeit unterliegen muss, ist sehr glücklich wiederge-
geben; die Form zeigt sich überall klar und bestimmt verstanden; die
verschiedenen Töne sind glücklich beobachtet, ebenso die Spiele des
Helldunkels; Schatten und Lichter sind breit, kräftig und markig wieder-
gegeben, Das Ganze erscheint in ansprechendster Harmonie. Vorzüglich
aber muss die, hiermit zwar engverbundene geistige Auflassung hervorge-
hoben werden, die sich namentlich in den Feinheiten des physiognomischen
Ausdrucks, des Minen- und Geberdenspieles ausspricht.

Albertus Thorwaldsen. Nach der Natur gezeichnet von F. Krüger.
Gestochen von Gust. Lüderitz. Berlin, C. G. Lüderitz'sche Kunstver-
lagshandlung.

(Kunstblatt 1843, No. 65.)

Der Kupferstich in geschabter Manier ist in neuerer Zeit in Berlin
mehrfach zur Anwendung gekommen. Wir meinen, dass das missliebige
Urtheil über diese Technik, welches seit etlichen Jahrzehnten ziemlich
gäng und gäbe ist, oft mit grossem Unrecht ausgesprochen wird. Dasselbe
entstand ohne Zweifel in der ersten Zeit des neueren Aufschwunges der
Kunst, als man vor allen Dingen auf die strenge und gemessene stylisti-
Bche Ausbildung der Form, nach dem Vorbilde der alten Meister, ausgehen
und demgemäss auch diejenige Weise der Kupferstecherei, welche sich in
solcher Richtung bewegt, vorziehen musste. Als eins der Symptome einer
sehr wichtigen und folgereichen Krisis in dem Entwickelungsgange der
Kunst hat dies Urtheil somit seine anerkennenswerthe historische Bedeu-

-ocr page 410-

Neues aus Berlin. 409

tung-, seit wir aber aufs Neue vorgeschritten und neben der stylistischen |

Strenge der Form auch den Werth der malerischen Behandlung wiederum 1
anerkannt haben, scheint auch die Schabmanier wieder in ihre eigenthüm-

lichen Rechte eintreten zu wollen. Wo es auf eigentlich malerische Wir- j

kung ankommt, und vornehmlich, wo die Formen nicht in gar kleinem 1

Maassstabe gezeichnet sind — somit besonders bei Bildnissen — ist diese |

Manier gewiss mit grossem Vortheil anzuwenden. Dies wird auch zur |
Genüge, wie durch frühere, so durch die neueren Blätter, die in geschab-

ter Manier gestochen sind, dargelegt. Mit glücklichem Erfolge ist nament- 1
lieh G, Lüderitz in Berlin in dieser Technik aufgetreten. Sein neustes

Blatt ist das obengenannte. Die Krüger'sche Zeichnung, nach, welcher |

dasselbe gefertigt ist, stellt das Brustbild des grossen Meisters der neueren ^

Sculptur dar; sie ist bei Thorwaldsens letzter Anwesenheit in Berlin ge- |

macht. Es ist nicht mehr die jugendlich männliche Kraft, die wir in die- ~ i

sem Bilde vergegenwärtigt sehen; es ist der Kopf eines milden, freund- »

liehen Greises, mit vollen, weichen, minder energischen Zügen, von |

weichem weissem Haupthaar überwallt; doppelt interessant aber ist es, |

auch hier noch das mächtige Gefüge der Formen, die hohe majestätische |

Stirn, die ungetrübte Klarheit des ächt nordischen Blickes zu erkennen: -

wir sehen es, dass auch in diesen Zügen jener grossartige Geist, jene |

schöpferische Lebenskraft noch thätig ist. Die ganze Auffassung ist in der ?

Lebendigkeit gehalten, die überall Krüger's Bildnisse so eigenthümlich |

auszeichnet. Der Kupferstecher ist der Bewegung und Entwickelung der j

Formen sehr glücklich gefolgt, und wenn die Technik auch die Weichheit |

der Darstellung besonders begünstigen musste, so hat er doch zugleich ;
das Breite und Volle, überhaupt das eigenthümlich Charakteristische der
malerischen Behandlungsweise eben so glücklich wiederzugeben gewusst.
Auch an scharfer Bestimmtheit, wo es nöthig war, fehlt es nicht. Die
Haltung des Ganzen ist vortrefflich. Das Blatt wird gewiss den Verehrern
Thorwaldsens, die auch von der Erscheinung seiner späteren Jahren eine
Anschauung zu haben wünschen, sehr willkommen sein.

i

Neues aus Berlin.

(Kunstblatt 1843, No. 71.)

Der 3. August, der Geburtstag unsres verstorbenen Königs und lange
Jahre hindurch ein Festtag für unser "Volk, hat uns die Vollendung und
Enthüllung eines öffentlichen Denkmals gebracht, zu dem die Vorberei-
tungen schon seit etlichen Jahren im Werke waren. Es ist dies die
Friedenssäule im Mittelpunkte des kreisrunden Belle-Alliance-Platz-es
am Halle'schen Thore, zu der vor drei Jahren der Grundstein gelegt
wurde; sie ist ein Denkmal der Friedenszeit, die damals bereits ein Vier-
tel Jahrhundert erreicht hatte, und die auf so lange Frist dem preussischen
Staate zuvor noch nie beschieden war. üeber einem kreisrunden Unter-
bau, um den sich ein Becken für springendes Wasser herumzieht, erheben

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410 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

sich fünf Stufen, und Ober diesen ein Piedestal, auf welchem die Säule
ruht. Der Schaft ist ein Monolith von Granit, ein wenig über 22 Fuss
hoch. Das Kapital von Marmor ist korinthischer Art, mit Adlern, dem
Symbol des preussischen Wappens, auf den Seiten. Es trägt eine kolos-
sale Bronzestatue der Victoria, von Rauch, die, in der Linken den Palm-
zweig haltend, mit der Rechten den Siegeskranz gegen die Stadt erhebt.
Das Ganze hat vom Strassenpflaster eine Höhe von 58 Fuss; doch ist, um
dem Denkmal auch für den Standpunkt aus der Ferne eine möglichst
imposante Erscheinung zu verschaffen, der ganze Boden des Platzes bis
weit in die benachbarten Strassen hinein ansehnlich erhöht worden, was
nächst den mannigfachen Kanalbauten, die dabei nöthig wurden, wohl der
vorzüglichste Grund war, wesshalb die Vollendung des Werkes sich so
lange hingezögert hat. Eine Inschrift findet sich an dem Monumente nicht
vor. — Die Schleifarbeit des Granitschaftes ist in der Werkstatt des Bau-
raths Cantian erfolgt und giebt, ebenso wie die grosse Granitschale vor
dem Museum, ein merkwürdiges Beispiel von der Vollendung in dieser
Technik, die sich der alt-ägyptischen in der That zur Seite stellen kann.
Ausserdem dient das Denkmal zur wirksamen Dekoration der genannten
Gegend der Stadt, die in solchem Belange seither etwas stiefmütterlich
bedacht war; auch dürfte ein gefälligerer Neubau des Thores und seiner
mesquinen Seitengebäude, die jetzt zu dem Denkmal einen sehr auft'älligen
,f' Contrast bilden, die nächste Folge dieser ersten Verschönerung sein. —

^^ Betrachten wir das Denkmal aber mit künstlerischem Auge, so können

wir uns mit seiner Gomposition nicht sonderlich einverstanden erklären.
Abgesehen davon, dass die Säule über dem breiten und kahlen Unterbau
/ nothwendig dünn erscheint, dass die viereckigen Stufen mit der Rundform

i , des Unterbaues nicht übereinstimmen wollen, dass der Säulenschaft un-

canellirt ist, mithin nicht lebendig aufwärts strebt, so ist die ganze Er-
scheinung der Säule unbefriedigend. Es fehlt ihr alle künstlerische
Selbständigkeit, Originalität und Energie. Es ist eine todte Nachahmung
i antiker Säulenform , die doch nur ihre Bedeutung in der Säulenreihe,

r\ unter dem gemeinsamen Gebälk und in dem Organismus eines grosseren

I \ Ganzen, des Tempelgebäudes, hat. Hier fehlen diese Bedingungen, und

I- - doch sind die Bezugnahmen darauf beibehalten , während umgekehrt auf

i . die in sich abgeschlossene Entwickelung, die eine isolirte Säule mit Noth-

wendigkeit erfordert hätte, keine Rücksicht genommen ist. Besonders
I' unangenehm macht sich in diesem Betracht das Kapital, dessen Deckplatte

mit den Voluten darunter an den vorspringenden Ecken ganz so beibehal-
• Ö ten ist, wie es in andern Fällen durch einen darüber liegenden Architrav

nöthig gemacht wird; aber statt des Architravs sehen wir hier nur die
I runde Bronzebasis, auf der der eine Fuss der Victoria ruht, so dass gerade

/ an dem wichtigsten Punkte der architektonischen Entwickelung dem orga-

r f nischen Gefüge der vollständigste Querstrich gemacht wird. Ueberhaupt

i,' fehlt es an allem gegenseitigen Verhältniss, auch in den Maassen, zwischen

der Säule und der Statue. — Wir hatten gehofft, dass unsre Architektur
4; sich endlich von jener todten und missverstandenen Nachahmung der An-

like emancipiren würde; wir wollen auch diese Hoffnung noch nicht auf-
-;]r geben, müssen dabei aber sehr wünschen, dass dies Werk, dessen Com-

ponist uns unbekannt ist, nicht als Beleg für die neuere Richtung unsrer
Architektur gelten möge.

Im Uebrigen concentrirt sich die künstlerische Thätigkeit an offen t-

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Neues aus Berlin. 411

liehen Werken in unsrer Stadt vorzugsweise in den Neubauten und in
der Dekoration unsres Museums. Das neue Museumsgebäude steigt, sei-
ner weiten Ausdehnung zum Trotz, mit überraschender Schnelligkeit em-
por. Die Fresken, die nach Schinkel's genialen Compositionen in der
Vorhalle des alten Museums ausgeführt werden, schreiten ebenfalls rüstig
vorwärts. Der Bronzeguss der kolossalen Amazonengruppe von Kiss ist
auf der einen Treppenwange des letzteren bereits aufgestellt; eine Inschrift
(seltsamer Weise wieder eine lateinische) an ihrem Sockel bewahrt die
Erinnerung, dass der Guss durch Privatmittel beschafft worden. Es ist
viel darüber gesprochen worden , ob die Gruppe dort ganz vortheilhaft
placirt sei. Ohne Zweifel hätte sie in isolirter Aufstellung, unter sonst
angemessener Umgebung, noch mehr gewonnen, und namentlich würde der
eine Fehler in der Composition dieses sonst so schönen Werkes, dass
nämlich in der Vorderansicht die Gestalt des Tigers, der dem Pferde der |

Amazone an die Brust gesprungen ist, etwas schwer und halbwege un- :

förmlich erscheint, minder auffällig gewesen sein, während man bei der
gegenwärtigen Aufstellung vorzugsweise 'auf diesen Standpunkt geführt
wird und die klaren grossen Linien der Architektur, die sich unmittelbar
hinter der Gruppe erhebt, jene unschöne Linienführung noch empfindlicher ß

bemerklich machen. Dennoch hat die gegenwärtige Aufstellung auch viel ^ '

Treffliches; ihrem Geiste nach passt die Gruppe im Uebrigen doch zu
Schinkels griechischen Architekturformen und ebenso zu seinen bildlichen
Compositionen, die in der Halle ausgeführt werden; ja man könnte fast
sagen, dass sie förmlich für das Museum gearbeitet sei, so vollständig ist
ihre Idee mit Schinkels Ideen im Einklänge. Wenn erst, wozu für jetzt
zwar wenig Aussicht vorhanden ist, die zweite Treppenwange ebenfalls
mit einer Bronzegruppe (von Rauch) geschmückt sein wird, und wenn jene
Fresken vollendet sind, so wird die Fa^ade des Museums jedenfalls einen
überraschend bedeutsamen Eindruck hervorbringen, und als einzig Stören-
des werden dann nur die kolossal schwerfälligen Buchstaben der Inschrift,
die den ganzen Fries erfüllen und die in einem, nur für bewegte Dekora-
tion bestimmten Architekturtheile gar nicht an ihrer Stelle sind, übrig
bleiben. . . .

Als eine merkwürdige Erscheinung, die den gegenwärtigen künstleri-
schen Interessen und Zuständen Berlins ihre Entstehung verdankt und zu
deren Verständniss nicht unwesentlich beiträgt, habe ich hier eine so eben
erschienene kleine Schrift anzuführen. Ihr Titel laütet: „Semida, der
Selbstdenker. Eine Künstlernovelle« (Berlin 1843, 168 S. in 8.). Der
Verfasser hat sich nicht genannt. Es ist, wie der Titel besagt, eine No-
velle, wohlgeschrieben, einfach und nicht ohne dichterischen Sinn ent-
wickelt; aber die Erzählung bildet nur den leichten Faden, an den sich
ein ausführliches Raisonnement über die Kunst, und besonders über die
künstlerischen Verhältnisse der Gegenwart, anreiht. Die vorjährige Ber-
liner Kunstausstellung macht den Mittelpunkt der Novelle aus, die wich-
tigsten Erscheinungen dieser Ausstellung geben die Anknüpfungspunkte

Auch der Platz zunächst vor dem Museum wird in Kurzem eine neue
bilduerische Zierde erhalten, und zwar durch zwei grosse Bronzegruppen von
Rossebändigern, die von dem als Thierbildner rühmlichst bekannten Baron v.
Clodt in Petersburg gearbeitet sind, und die unser König so eben als Geschenk
von dem Kaiser von Russland erhalten hat.

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412 B«rifihte, Kritiken, Erörterungen.

für jenes Raisoniiement. Es ist wiederum der Streit über Lessings Huss
und über die Bilder von Gallait und de Biefve, una den es sich hier vor-
nehmlich handelt, doch ist über diese Punkte seither nicht gar Vieles ge-
sagt worden, was sich an Geist und ürtheilskraft mit diesen Bemerkungen
messen könnte. Ich will damit nicht sagen, dass der Verfasser nicht auch
von aller Einseitigkeit frei wäre. Er kämpft einseitig für das Verdienst
unsrer niederländischen Freunde; er gesteht es Lessiug an ein Paar Stellen
zu, dass er wesentliche Verdienste um die Entwickelung der neueren deut-
schen Kunst habe, aber er lässt dies so allgemein gesagt sein, während er
doch sehr scharf in seine Mängel und in die der gesammten Düsseldorfer
Schule eingeht. Er legt diesen Künstlern ihren Mangel an freier und rei-
ner Objectivität zur Last; aber er übersieht es, dass die Subjectivität, die
in der Düsseldorfer Schule — wie überhaupt seit mehreren Jahrzehnten
in der deutschen Kunst, wenn andern Orts auch anders gestaltet, — vor-
herrscht, ebenfalls ihr grosses Recht hat, und dass hiedurch vielmehr, als
durch ein gewisses wohlfeiles Verständniss ihrer Technik, ihre grosse
Wirksamkeit begründet wurde. Unsre Kunst musste wieder subjectiv wer-
den, wenn sie einen höhern Schwung nehmen sollte, wie gefährlich auch
diese Bedingung sein mochte, wie leicht sie auch zur Manier führen konnte.
Ein ausgezeichneter Künstler unsrer Tage sagte mir einmal, Lessing sei
kein Maler, er sei ein malender Dichter; daher bei ihm und bei der gan-
zen Schule jene sorgfältige Ausbildung der Schrift, d. h. der Behandlung
und Darstellung des Einzelnen, während das eigentlich künstlerische Ele-
ment, das der malerischen oder bildlichen Gesammtwirkung, wesentlich
zurückstehe. Aber auch im Fall wir dieses zugeben, so werden wir doch
immer seine Dichterkraft, die so lebendig zum Ausdrucke kommt, schätzen
und bewundern können. Aber freilich dürfen wir in der Subjectivität nicht
verharren; wir müssen uns, nachdem dies Stadium der Entwickelung nun-
mehr absolvirt ist und nachdem es namentlich in Lessings Huss mit dem
Culminationspunkte, mit der geistvollsten Entfaltung zugleich auch, wie es
scheint, seine ganze Einseitigkeit dargethan hat, der objektiven Realität
der Natur, ihrer frischen Unmittelbarkeit und vor allen Dingen ihrer vol-
len kräftigen Totalität aufs Neue zuwenden, wenn wir überhaupt weiter
schreiten wollen. Das ist ein Gefühl, das uns schon lange und immer
eindringlicher beschlichen hat, bis die beiden belgischen Bilder — nach-
dem kleinere Bildersendungen aus Frankreich, in ihrer entgegengesetzt ein-
seitigen und zum Theil zerfahrenen Realistik, keineswegs durchzudringen
vermocht — plötzlich mit so durchgreifendem Erfolge auftraten. Das ist
es, worauf auch der Verfasser der vorgenannten Schrift mit einem höchst
gesinnungsvollen Ernste und mit einem ächt künstlerischen Verständniss
dringt. Sein kleines Buch enthält die geistvollsten Analysen der künstle-
rischen Technik, als des nothwendigen Ausdruckes für den geistigen In-
halt. Dies ist der Ausgangspunkt seiner ganzen Weise der Auifassung und
Beurtheilung. Seine Richtung ist durchweg die ausgebildet malerische,
gegen die wir uns, wenn wir den Blick auf die grossen Endresultate der
frühern Blüthezeit der Kunst wenden, nicht wohl verschliesseu können,
wenn wir auch zugeben müssen, dass dem Urtheil noch andre Ausgangs-
punkte zustehen. Er bezeichnet demgemäss die beiden belgischen Bilder
als „Eisenschienen", die die neue Kunst mit der alten verbinden, und er
findet sich dann, rückwärts gehend, veranlasst, die künstlerischen Ver-
dienste der grossen Niederländer des siebzehnten Jahrhunderts, besonders

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Die Wiodererkennuog Josephs, 41

Rubens' und Bembrandt's, näher zu entwickeln. Hier ist viel Beherzigungs-
werth-es, von dem nur zu wünschen ist, dass es auf fruchtbaren Boden
fallen möge, Vieles, -was ebenso der schaffenden Thätigkeit des Künstlers
Avie der kunsthistorischen Kritik förderlich sein kann. Jedenfalls ist die
kleine Schrift eins der merkwürdigsten Symptome der umfassenden Krisis,
in welcher sich in diesem Augenblicke unser gesammtes künstlerisches
Wollen und Streben befindet. — Der Verfasser ist mir unbekannt ich
höre, dass die Novelle eine Erstlingsarbeit ist. Wer auf so ausgezeichnete
Weise debütirt, lässt noch Bedeutenderes hoffen. Vielleicht gelingt es dem
Verfasser, in späteren Arbeiten mancher Dunkelheiten im Ausdruck, beson-
ders bei philosophischen DIstinctionen, Herr zu werden.

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Die Wiedererkennung Josephs. Gezeichnet von P. von Corne-
lius, gestochen von A. Hoffmann. Berlin 1843. C. G. Lüderitz'sche

Kunst-Verlagshandlung.

(Kunstblatt 1843, No, 75.)

Unter den Kunstsachen, welche der Kunstakademie zu Berlin angehö-
ren, ist ein Carton von Cornelius, die vorgenannte biblische Scene vor-
stellend, als eins der schätzenswerthesten Besitzthümer zu nennen. Es ist
eine der beiden Composltionen aus der Geschichte Josephs, welche Corne-
lius — neben andern Arbeiten von Overbeck, Ph. Veit und W. Schadow
— in der Villa des verstorbenen preussischen Generalconsuls Bartholdy in
Rom al fresco ausgeführt hat. Bekanntlich bilden die Malereien in dieser
Villa einen der merkwürdigsten Punkte in der Entwickelungsgeschichte
der neueren deutschen Malerei; hier war den Meistern, die eine neue
künstlerische Generation schaffen sollten, zuerst ein angemessener Spiel-
raum zur Darlegung der Kräfte, die sich eben zur schönsten Blüthe er-
schlossen hatten, gegeben. Der Vergleich früherer Compositionen von Cor-
nelius, wie-der zu den Nibelungen und zum Faust, mit der in Rede ste-
henden gewährt ein eigenthümliches Interesse, Das gewaltige Genie des
Meisters sehen wir dort allerdings siegreich genug hervorleuchten, oft aber ife;^

noch in ungezügelter Kraft, die das künstlerische Maass beeinträchtigt;
hier jedoch, bei einer nicht minder genialen Durchdringung der Aufgabe,
waltet dieser Geist des Maasses aufs Erfreulichste vor und giebt dem
Ganzen das Gepräge des edelsten Wohlklanges. Wie die Gesammtanlage
der Composition, die Eintheilung und Zusammenfügung der Gruppen, die
Führung der Hauptlinien, so ist auch alles Einzelne von hoher künstleri-
scher Besonnenheit erfüllt. Es herrscht eine Feinheit der Charakteristik
darin, die sich über alle Einzelheiten der Gesichts- und Körperbildung,
der Geberde und Bewegung erstreckt und die mannigfaltigste Abstu-
fung des Gefühles zum Ausdrucke bringt. In der Körperbildung, und
vornehmlich auch in der Gewandung, zeigt sich ein durchgebildetes Ver-
ständniss,, eine treue Beendung und Vollendung, in deren Beobachtung

Es ist der Maler M. Unger, über dessen spätere literarische Leistungen
im weiteren Verlauf dieser Sammlung berichtet werden wird.

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

das Gefühl des Beschauers sich der wohlthueiidsten Sicherheit erfreut. Iii
den Dingen, die dem Kostüm angehören, findet sich zwar Mancherlei, was
ziemlich verschiedene Culturepochen andeutet, — charakteristisch für die
Zeit, in welcher die Composition ausgeführt ward, und für die. Vorbilder,
von welchen jener neue Aufschwung unsrer Kunst ausging; doch auch hier
waltet jener Geist des künstlerischen Maasses vor , und das Verschieden-
artige macht sich wenigstens für den Totaleindruck nicht auf störende
Weise bemerklich.

Wir haben den nach dem Carton gearbeiteten Kupfe'rstich mit Freu-
den willkommen zu heissen. Der Stecher zeigt sich seiner Aufgabe voll-
kommen gewachsen. Zunächst ist im Allgemeinen die Wahl der Stich-
manier, die sich, obschon fern von aller Affectation, der Weise der älteren,
namentlich italienischen Meister des Kupferstiches, annähert, als eine sehr
glückliche zu benennen. Der schlichte Vortrag, der in dem Originalcarton
vorherrscht, die klare Bestimmtheil desselben, die edle Strenge des Styles
konnten in keiner andern W^eise besser und charaktervoller wiedergegeben
werden. Der Stecher bewegt sich darin mit vollkommener Sicherheit und
Freiheit. Seine mehr oder weniger engen Strichlagen, an den entsprechen-
den Stellen auf angemessene Weise mit Kreuzschraffirungen u. s. w. ver-
sehen, sind vollkommen klar gehalten und folgen mit feinem Gefühle den
Bewegungen der Form, den leichten Beugungen der Flächen des Gewan-
des, der Modellirung des Nackten. Die ruhige Haltung des Ganzen, wie
sie in dem Carton, der Ausführung al fresco angemessen, sich findet,
ist vortrefflich wiedergegeben, und nicht minder auch hier wieder die
feine Durchbildung des Einzelnen, besonders in der mannigfaltigen Phy-
siognomik und dem Ausdruck der Köpfe, mit Sorgfalt beobachtet. Wir
können mit Zuversicht voraussetzen, dass dies schöne Blatt, doppelt inte-
ressant wegen seiner Beziehung zur Entwickelungsgeschichte der deutschen
Kunst, bald in den Händen aller ernsteren Kunstfreunde sein werde; auch
mag es als ein besonders erfreulicher Umstand hervorgehoben werden,
dass ein Meisterwerk so ernsten Inhaltes von Berlin, dessen Kunstbetrieb
und Kunstinteressen im Allgemeinen eine solche Richtung nicht sonderlich
zu begünstigen scheinen, ausgegangen ist.

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Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Köln.

(Kunstblatt 1843, No. 97 £f.)

Eine Reise zu Ende des Sommers führte mich durch Köln und gab
mir Gelegenheit, der diesjährigen dortigen Kunstausstellung einen Besuch
abzustatten. Es kann nicht meine Absicht sein, einen irgend erschöpfen-
den Bericht über diese Ausstellung vorzulegen; auch wenn die.Spalten des
Kunstblattes dafür hinlänglichen Raum böten, so ist ein flüchtig Durch-
reisender doch zu solcher Arbeit auf keine Weise ausgerüstet. Indess
finden einige allgemeine Bemerkungen über die Ausstellung hier vielleicht
eine gute Statt, und dies um so mehr, als das Hauptinteresse derselben —
einige schöne Erscheinungen allerdings abgerechnet — mehr in ihrer Ge-

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Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Köln. 415

sammtheit, in dem Ensemble ihrer Bilder, als in der individuellen Eigen-
thümlichkeit, in dem selbständigen Werthe der einzelnen Werke beruhte.
Und gerade über den allgemeinen Charakter, über das mehr oder weniger
gemeinsame Gepräge einer Reihenfolge von Kunstwerken dürfte dem Rei-
senden, der völlig unbefangen, ohne die Theilnahme an irgend welchen
lokalen Interessen, ohne vorher erzeugte Zu- oder Abneigung hiptritt, ein
nicht unsicheres ürtheil zukommen.-

Die Ausstellung von Köln war der Masse nach sehr ansehnlich und
umfassend. Sie erstreckte sich rings durch die weiten Räume des Gürze-
nich. An Sculpturen war indess, wie meist überall, nur wenig vorhanden
und dies Wenige nicht von-charakteristischer Bedeutung. Neben einigen
schönen, einfach naiven Statuetten von Pradier in Paris, sah ich manche
Beispiele von französischem Rococo und von französir»nd belgischer Affek-
tation. Vortrefflich durchgearbeitet zeigte sich jedoch u. A. die Marmor-
flgur eines nackten schlafenden Kindes, von Jacquet in Brüssel. Es ist
aber nicht meine Absicht, auf die Sculpturen weiter einzugehen, so wenig
wie auf Kupferstiche, Lithographien u. dergl. Ich habe nur von den Ge-
mälden zu sprechen, welche den eigentlich wichtigen Gegenstand der
Ausstellung ausmachten.

Die überwiegende Masse der Gemälde best.und aus Arbeiten nieder-
ländischer (belgischer und holländischer) Künstler. Es war das erste
Mal, dass ich Gelegenheit hatte, über die heutige niederländische Malerei
solchergestalt einen weitern Ueberblick zu gewinnen. • Auf den grossen
Kunstausstellungen Berlins hatte ich allerdings schon manch ein nieder-
ländisches Bild gesehen, vortreffliche Seestücke von Schotel, prächtige
Winterlandschaften von Koeckoeck, meisterhafte Viehstücke von Verboeck-
hoven, einige befremdliche Genre- und Historienbilder von .belgischen
Malern, dann die beiden grossen Meisterwerke von Gallait und de Biefve,
die neuerlich so mancherlei Zerwürfniss in der deutschen Kunstkritik an-
gerichtet haben, u. s. w- Im Wesentlichen war uns in diesen Arbeiten
viel Meisterhaftigkeit, viel gesunde künstlerische Tüchtigkeit entgegenge-
treten. Es "möchte nun in Frage kommen, ob das nur die Eigenschaften
und Verdienste dieser einzelnen Künstler sind, oder ob sie damit zugleich
eine gesammte nationale Schule vertreten?

Dürfen wir aus den Erscheinungen der Kölner Aussfellung eine Ant-
wort entnehmen — und die sehr grosse Menge niederländischer Bilder
scheint dazu allerdings ein Recht zu geben — so ist das letztere mit Nein
zu beantworten. Ich sah dort wohl noch manch ein meisterhaftes, manch
ein tüchtiges und gesundes Bild, viele aber hatten davon nur den äussern
Schein, viele auch das nicht. Es scheint freilich unbillig, überall Meister-
schaft, überall gediegene Ausbildung zu verlangen; leuchten doch auch
in den grossen classischen Zeiten der Kunst nur wenige Sterne erster
Grösse über der weiten Flut untergeordneter Kräfte! Gewiss; aber doch
ist es in den classischen Zeiten ganz anders, und gerade sie geben uns
wie in so vielen andern Fällen, so auch hier den besten Maassstab. Dort
ist die Masse von der gesunden künstlerischen Anlage durchdrungen, aus
der sich wie im natürlichen Organismus jene höheren Blüthen entwickeln;
hier erscheint die Masse — der Boden, der eine Ausdauer der künstleri-
schen Entwickelung verbürgen müsste — verworren, unklar und nur zu
häufig von einseitigem oder auch von afFektirtem, erkünsteltem Streben
erfüllt. So hoch einige unter den heutigen Malern in Belgien und Holland

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

stehen, und so entschiedene Anerkennung ich, unter den mir bekannt ge-
wordenen Werken ihrer Kunst, namentlich den beiden grossen und viel-
besprochenen Gemälden von Gallait und de Biefve darbringen muss, so
schien mir doch die grosse Anzahl niederländischer Bilder, die ich in Köln
sah, keinesfalls einen eigentlich nationalen Aufschwung der niederländi-
schen Kunst auszusprechen.

Ein Gemeinsames ist mir allerdings in diesen Werken niederländischer
Kunst entgegengetreten, eine, fast bei Allen wiederkehrende Grundlage,
nämlich die Ausbildung der eignen Praxis durch das Studium der heimi-
schen Meister des siebzehnten Jahrhunderts. Das war auch schon früher,
bei der Ansicht einzelner niederländischer Bilder, zu bemerken; in der
Masse aber bringt es natürlich einen ungleich wirksameren, ungleich auf-
fälligeren Eindruck.hervor. In der Anwendung dieses Studiums lassen
sich sodann einige vorzüglich charakteristische Verschiedenheiten bemer-
ken. Es ist wie in der Zeit der eklektischen Schulen Italiens: auf der
einen Seite hält man sich an diesem oder jenem älteren Meister fest und
sucht in der Nachahmung von dessen Eigenthümlichkeiten das nöthige
Heil für die Kunst; auf der andern wird aus der bei den Alten üblichen
Darstellungs- und Behandlungsweise ein gewisses Präparat, eine gewisse
Formen- und besondeirs Farbenscala entnommen, mit der man, mehr oder
weniger stereotyp, seine künstlerischen Gedanken zum Ausdruck bringt.
Wenn ich nicht irre, so machen sich hiebei wieder die alten National-
Unterschiede zwisohen Holländern und Belgiern geltend. Wenigstens zeigte
sich bei der Mehrzahl der holländischen Bilder auch hier eine grössere
Naivetät, sofern sie unbefangen auf vorgezeichnetem oder erwähltem Pfade,
in schlichter Nachahmung älterer Meister, auftraten und etwa von hieraus,
wie es scheint, im einzelnen Falle zu einer selbständig klaren Naturauf-
fassung gelangt waren; während bei den Belgiern vorzugsweise jenes künst-
lerische, zu einer mehr conventioneilen Manier führende Studium, als
scheinbar bequemes Mittel für eine grössere subjective Beweglichkeit,, oder
auch Willkür, zu bemerken war.

So traten mir zunächst bei den holländischen Bildern mancherlei direkte
Reminiscenzen an diesen oder jenen alten Meister entgegen. Es fehlte
nicht an Nachahmungen von Metzu, Mieris, Schalken, Wouvermans, van
der Neer, Sachtleven u. s. w. Die Nachahmungen waren meist nicht übel,
aber man konnte doch wahrnehmen, dass es den Malern im Ganzen mehr
auf die äusseren Formen ihrer Vorbilder angekommen war. Indess konnte
es, wie bemerkt, nicht fehlen, dass die stille Naivetät der letzteren das
Auge des schaH"enden Künstlers hier und dort nicht auch hätte zu einer
freien Naturanschauung führen sollen. Einige Landschaften gaben dafür
sehr erfreuliche Beispiele. Ein Paar Bilder von van de Sande Back-
huyzen, im Haag, hatten sich aus der Richtung eines A. van de Velde
zu schöner Eigenthümlichkeit entwickelt. Von N. J. Rosenboom und
A. Waldorp, beide auch im Haag, sah ich ebenfalls trefflich klare Land-
schaften. Hier, und nicht bei den Belgiern, dürfte auch Eugen Ver-
boeckhoven, in Brüssel, zu nennen sein. Ein Viehstück von ihm zeigte
dieselbe, völlig gediegene Meisterschaft, die wir auf unsern Ausstellungen
schon an früheren Werken seiner Hand bewundert haben, eine so klare,
unbefangene und zugleich künstlerisch beschlossene und durchgebildete
Einführung in das Naturleben, wie wir dergleichen nur bei den grössten
älteren Meistern dieses Faches finden. Wir wollen die Gegenstände seiner

i

mmi^

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lieber die diesjährige Kunstausstellung in Köln, 417

Bilder nicht mit vorneliiner Kritik zurtlckstellen; wo uns das reine Natur-
gefühl so erquicklich anhaucht, da ist wahrlich schon ungemein Grosses
geleistet.

, Verboeckhoven , wie gesagt, gehört mehr, der,Richtung der Holläniier
an. Ueberhaupt bemerkte ich bei den belgischen Bildern wenig unmittel-
bare Nachahmung nach alten Werken, einige Studien nach Bildern ihres
Altmeisters im Genrefach, des Teniers, etwa ausgenommen. Einige auch
suchten in ähnlicher Richtung, wie Teniers, sich selbständiger zu bewegen,
waren dabei aber zum Theil in krassen Naturalismus verfallen; das Bild
eines Schifferfestes von J. Janssen in Antwerpen, sonst gut gemalt, gab
dafür u. A. ein unbehagliches Beispiel. Ein andres Bild dagegen, zwei
Trinker-von C. Ve,.nneman in "Antwerpen, hatte das spiessbürgerliche
Element mit gutem Humor erfasst, und zeichnete sich zugleich durch treff-
liche malerische Haltung aus. Im Uebrigen bestanden die Genrebilder der
Belgier mehr in Darstellung aus der Rococozeit oder in Praben moderner
Sentimentalität, etwa gewissen Richtungen der heutigen französischen Kunst
vergleichbar, . .

Die vorherrschende und vorzüglichst charakteristische Neigung der
heutigen belgischen Kunst scheint dem Fache der Historienmalerei zuge-
wandt. Dahin gehören die gefeiertsten Namen, wie die eines de Keyser,
Wappers, Gallait, de Biefve (von denen sämmtlich ich übrigens kein B'ld
auf der Ausstellung fand); dahin waren die anspruchvollstep Gemälde
der Ausstellung zu rechnen. Bei diesen machte sich namentlich das oben
berührte eklektische Studium, besonders eine gewisse conventioneile, aus
Rubensischen Farbentönen gebildete Palette geltend. Die Aulfassung war
meist naturalistisch, zum Theil sehr derb, die ganze Richtung schien dabei
zugleich mehr oder weniger von der neueren französischen Historienmalerei
abhängig. Eigentlich Erfreuliches habe ich aber unter diesen Bildern
nicht bemerkt. Ich nenne einige der wichtigsten als charakteristische
Beispiele.

„Die Erfindung der Zeichnenkunst,'' von P. J. van Bröe in Brüssel,
der oft behandelte Gegenstand aus den Sagen des griechischen Alterthums,
erinnerte noch an die alte davidische Zeit, war aber durch flaue Auffassung
und sehr affektirte Behandlung gar unerspriesslich. — „Eine auf den
Trümmern Jerusalems wehklagende israelitische Familie," von B. Viel-
levoye in Lüttich, war eine matte und sehr überflüssige neue Auflage
von Bendemanns trauernden Juden, mit allerlei glänzend brillanten Farben-
effekten versehen. Ein „Gemetzel bei der Einnahme Lüttichs im J. 1468",
von dem&elben, erschien mir als eine äusserlich berechnete Nachahmung
nach P. Delaroche. — Der Sturm des Richard Löwenherz auf Schloss
Torquilstone (nach W. Scotts Ivanhoe) von Gust. Buschmann in Ant-
werpen war nicht sonderlich mehr als ein kleines genremässiges Effekt-
bild. ~ „Herzog Johann L von Brabant, seine Schwester Maria, Königin
von Frankreich, befreiend," von^J. J. Bekkers in Löwen, konnte etwa
als eine schauerlich verzerrte Nachahmung von Wappers' Compositions-
und Behandlungsweise bezeichnet werden. — Die „letzte Zusammenkunft
des, Grafen von Egmont mit dem Herzog von Alba," von J. van Rooy

1) Ein nicht kleines Bild von Wappers, das der Katalog nannte, war we-
nigstens nicht dort, als ich die Ausstellung besuchte,

Kugler, Kleine Schriften. III. 27

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Berichte, Kritiken, Erörterungen,

in Antwerpen, zeichnete sich durch ihre grossen Dimensionen aus, keines-
wegs aber durch poetischen oder artistischen Gehalt, am wenigsten durch
malerische Wirkung. Sonderbarer Weise war Alba hier zu einem gutmü-
thigen alten Mann, Egmont zu einem ziemlich prahlerischen Cavalier
geworden. — Endlich: „Don Carlos auf Befehl seines Vaters Philipp II.
eingekerkert, im "Verhör des Cardinais Espinosa" etc., von P. Kreme r
in Antwerpen, 12 Fuss breit, 10 Fuss hoch, mit völlig kolossalen Figuren,
somit aufdringlich genug, aber völlig ohne malerischen sowohl wie ohne
plastischen Gehalt, und in seiner renommistischen Gewaltsamkeit sehr
überflüssig. — U. dergl. m.

Nur ein Bild dieser Gattung war als ein wirklich künstlerisches Werk,
und zugleich als ein sehr gediegenes, hervorzuheben. Es rührte aber nicht
von einem in Belgien, sondern von einem in Holland lebenden Künstler
her, dem Dlrector Schmidt in Delft; die Richtung indess, die Grundlage
der malerischen Praxis, war auch hier dieselbe. Der Gegenstand des
ö'/a breiten und 5V2 Fuss hohen Bildes war der „letzte Augenblick

eines Kloster-Obern." Die Auffassung war schlicht, naturgemäss, die Com-
position bei aller, an das Genre streifenden Naivetät wohl gerundet, die
dargestellten Personen und besonders die Köpfe voller Leben und Charak-
ter, und das Ganze, in energischen Farbentönen gehalten, von einer wohl-
thuend beruhigenden malerischen Wirkung. Das Bild erinnerte mich, seinem
geistig künstlerischen Gehalte nach und trotz aller Verschiedenheiten in
Composition und Behandlung, an den Tod des h. Franciscus von Ghirlan-
dajo, das bekannte Frescogeinälde in der Kirche S. Trinitk zu Florenz. —
Ergab sich solchergestalt aus den niederländischen Bildern der Kölner
Ausstellung, dass die heutige niederländische Kunst noch keineswegs, wie
wir aus einzelnen hervorragenden Beispielen fast vermuthet hätten, der
charakteristische Ausdruck eines lebendigen nationellen Bewusstseins ist;
trat dem Beschauer hier unbedenklich eine viel grössere Zerfahrenheit ent-
gegen, als etwa in der gegenwärtigen deutschen Kunst; so fehlte es doch nicht
ganz an Meisterwerken, die uns die schönen Schluss- und Zielpunkte des
dortigen, noch verworrenen Strebens und den hohen Werth, den dieselben
überhaupt für die künstlerische Durchbildung haben müssen, aufs Neue vor
Augen stellten. Dahin rechne ich vor Allem, je nach ihren Zwecken und
nach ihrer Eigenthümlichkeit, die Bilder von Verboeckhoven und von
Schmidt. Der feste Grund und Boden, auf dem allein die Kunst ihre
Werke auferbauen und von dem aus allein sie mit Sicherheit zu den
höheren geistigen Regionen emporsteigen kann, ist einmal ein gesunder,
klarer Naturalismus. Es kann in der Kunst zu keinem Erfolge führen,
wenn die Ideen erst nachträglich mit einem Körper bekleidet werden; sie
müssen mit diesem zugleich geboren werden. Darum aber ist für den
Künstler das Studium der grossen Naturalisten, wie der Niederländer des
siebzehnten Jahrhunderts, so nöthig, wenn freilich auch hier, wie überall,
wieder ein Abweg nahe liegt, der nemlich, Studium und Nachahmung zu
verwechseln; und doppelt nothwendig ist dasselbe da, wo idealistische,
spirituelle Richtungen sich einseitig in den Vorgrund drängen möchten.
Idealistik, die der festen und durchgreifend belebten Natur entbehrt, führt
nothwendig zu conventioneller Manier. —

Die übrigen Bilder der Kölner Ausstellung gehörten mancherlei ver-
schiedenartigen künstlerischen Richtungen der Gegenwart an. Es war ein
kleiner Theil französischer Bilder vorhanden (wohin auch etliche deutsche

h

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lieber die diesjährige Kunstausstellung in Köln. 419

zu'rechnen, deren Urheber in Paris zur französischen Fahne geschworen
haben), und ein nicht unbedeutender Theil deutscher aus verschiedenen
Gegenden des Vaterlandes. Ich übergehe die Mehrzahl dieser Bilder, die
sich nicht in besonders charakteristische Gruppen sonderten, und verweile
nur noch einen "Augenblick bei den Gemälden, die aus Düsseldorf ein-
gesandt waren und die, obschon wenig zahlreich, doch die Eigenthümlich-
keiten dieser Schule, den Niederländern gegenüber, ganz wohl vertraten.
Auch in diesen Bildern machten sich verschiedenartige Individualitäten
und zum Theil von einander abweichende Grundrichtungen bemerklich;
doch hatte bei ihnen das Gemeinsame, das Schulmässige, die Oberhand,
und zum Theil in sehr erfreulicher Weise. An mehreren vortrefflichen
Landschaften namentlich, von Heunert, Adolph Karl, L. Gurlitt,
A. Schulten, trat ein bestimmtes Wollen, ein gemeinsam entschiedenes"
Streben, somit der Ausdruck nationellen Bewusstseins, wenn ich es. schon
so nennen darf, sehr charakteristisch hervor, und ich kann nicht sagen,
dass der elegische Ton, welcher den Landschaften dieser Schule so oft eigen
ist, sich in diesen Bildern, den Effekten der Niederländer gegenüber, etwa
als ein Element von Schwäche kund gegeben hätte. Mehrere Landschaften
von Achenbach entwickelten sich aus solcher Richtung zu einer Ener-
gie, die manches fremdländische Bild mächtig überstrahlte. — In den Genre-
bildern der Düsseldorfer machte sich das''elegisch-sentimentale Element
diesmal sehr wenig geltend; die Gemälde von Sonderland, C. Hübner
und besonders das'von dem Canadier H. Ritter behaupteten im Gegen^
theil durch den Ausdruck gesunder, warmer Natur ehrenvoll ihre Plätze.
Anders war es mit ein Paar Bildern römaniisch-historischer Art, die,
bei anderweitigen grossen Vorzügen doch gerade diesen warmen Lebens-
hauch — das Erste, was die Mitempfindung weckt, — vermissen Hessen.
Unter ihnen nenne ich zunächst ein bedeutendes Bild von Th. Hilde-
brandt, „ein Doge und seine Töchter," ein Kniestück mit etwa lebens-
grossen Figuren, der Doge sitzend, die Tochter vor ihm stehend und zur
Laute singend. Das Bild war in der Composition, im Gedanken, unge-
mein schön, und hätte eine der ersten Zierden der Ausstellung sein mö-
gen; aber es fehlte diesen Farben die Energie, die Tiefe, die Fülle; es
fehlte diesen Gestalten das Blut des Lebens. Und gerade bei Bildern sol-
cher Art ist doch volle, unwiderstehliche Lebendigkeit das erste Beding-
niss. Hier ist wieder der Punkt, wo das Studium der alten Meister, der
Niederländer und noch mehr der Venetianer, wo schon der blosse unbe-
fangene Vergleich mit ihren Leistungen aufs Fördersamste hätte eingreifen
können. Ein Künstler von so ausgezeichnetem Talente wie Hildebrandt,
würde gewiss schon durch einen Blick auf Van Dyck, Titian, Giorgione
auf die richtige Bahn zurückgeführt werden. Wesentlich andrer Art war
ein Bild von Mücke, die Hinrichtung der h. Katharina. Das Bild war
in einer etwas alterthümlich stylmässigen Weise, die bei der Darstellung
eines legendarischen Vorganges gewiss ihre volle Gültigkeit hat, componirt
und mit der Zartheit behandelt, die Mücke eigen ist. Aber auch hier
fehlte etwas, fehlte wieder das volle frische Gefühl der Unmittelbarkeit des
Daseins. Ein Moment, wie der gewählte, wo heftige innere Leidenschaften
und äusserer Wettersturm zur Erscheinung kommen sollen, kann sich nicht
so wohlgeordnet darstellen. Wo ein Zackenrad zerschmettert wird, ein
Scherge, besinnungslos zu Boden stürzt, ein andrer wild zum Schwerte
greift, um den Erfolg des Wunders an der Heiligen zu rächen, da können

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420 B«rifihte, Kritiken, Erörterungen.

die Richter nicht mehr in ihrer feierlichen Ruhe sitzen, da müssen noth-
wendig die Gemüther, die Elemente, — die Linien und Formen des Bildes
in grösserem Aufruhr erscheinen. Hier noch kindliche Symbolik festzu-
halten, ist keine künstlerische Wahrheit mehr; wir könnten das nur zu-
geben, wenn das Ganze durchaus architektonisch ornamental aufgefasst
gewesen wäre.

Noch habe ich ein Bild deutscher Kunst zu erwähnen, welches sich
auf der Kölner Ausstellung befand, „Christus den Untergang Jerusalems
weissagend," von C. Begas in Berlin. Das grosse Bild ist in diesen Blät-
tern schon früher besprochen worden. Das tiefe, ernste, innerliche Gefühl,
welches darin waltet, die so wohl gemessene wie ungezwungene Compo-
sition, die volle lebendige Frische desselben, Hessen dasselbe seinen Platz
behaupten, wie wenig andre. Ich kehrte zu dem Bilde zurück, als der
Abend»^ bereits zu dunkeln begann. Zu seiner Linken hing Hildebrandt's
Doge, zur Rechten das Bild mit den wehklagenden Israeliten, von Vieille-
voye. Die schönen Gestalten des Hildebrandt'schen Bildes verblichen vor
der einbrechenden Dämmerung zu grauen Schatten; aus den belgischen
Israeliten blitzten spukhaft allerhand phantastische Lichter hervor; aber
klar und warm, wie von selbständigem Lichte erfüllt, von dem Ausdrucke
tiefer Wehmuth überschattet und doch voll ungetrübten Lebens, schim-
merten die Gestalten des Begas'schen Bildes durch den verdunkelten Saal.

!

Reisenotizen vom Jahre 1843.

Auf der Reise, welche zu dem vorstehenden Berichte Veranlassung
gab, hatte ich Gelegenheit, noch einige andre Werke neuerer Kunst, die
für diese und jene künstlerische Richtung ebenfalls von Bedeutung sind,
zu beobachten.

In Kissingen waren es der Kursaal und die mit demselben in Verbin-
dung stehenden Arkaden der Trinkhalle, was meine nähere Aufmerksam-
keit in Anspruch nahm. Es ist ein architektonisches Werk von Gärtner
in München. In seiner Gesammtanlage hat dasselbe etwas Mächtiges; in
der künstlerischen Durchführung aber machte es auf mich keinen sonder-
lich erquicklichen Eindruck.

Der Kursaal hat durchaus die Einrichtung einer Basilika,, selbst mit
der grossen Absis im Grunde, die aber — eine der wesentlichsten Schön-
heiten der Basilikenanlage beeinträchtigend — u n gewölbt ist. Die in-
neren Arkaden des Saales sind nach demselben Princip behandelt wie die
äusseren der Trinkhalle, nur reicher ornamentirt. Die Gesammtverhältnisse
der Arkaden sind gut; ihre Formen jedoch schwer und unentwickelt. Die
Pfeiler sind achteckig oder vielmehr viereckig mit abgefalzten Ecken. Ihr
Deckgesims hat keine sonderlich charakteristische Profilirung; ein Stab,
unterhalb desselben, schneidet ein Kapitältheil von der Masse des Pfeilers
ab. Die Bögen sind gegliedert, diese Gliederungen aber fast nur orna-
mentistisch behandelt. An den entsprechenden Stellen treten mächtige
Wandpfeiler aus den Wänden hervor, doch ohne alle besondre Ablösung

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Reiseüotizen vom Jahr 1843. 421

und Detaillirung. Im Innern ist das Pfeilerkapiläl mit schwerem, niclit
geschmackvoll byzantinischem'Bl,attwerk versehen,' das in den Ecken selbst
roh von einem Wandpfeiler zum andern hinläuft. — Oberhalb hat die
Basilika, an ihrer Eingangsseite, eine Loge, die sich aussen durch eine
Art florentinischer Fenster öffnet. Diese sind im Halbkreise überwölbt,
mit einem Säulchen in 'der Mitte und einer (ziemlich nüchtern gebildeten)
Bogentheilung im Einschluss des Halbkreises. Statt aber principmässig vonf]^-
dem Säulchen auszugehen, wird die Bogentheilung von dieser durch ein
schweres querdurchlaufendes Gebälk abgetrennt. Sonst ist der Oberbau in
höchst disharmonischer Weise mit flachbogigen (durch ein Kreissegment
überwölbten) Fenstern versehen. — Das gesammte Innere ist mit grellem und
schwerem byzantinisirenden Ornament überladen; indess gebricht es dem
letzteren im Einzelnen keinesweges an schöner Composition. Oben in der
Absis sind barock münchnerische Tänzergruppen, unten Landschaften gemalt.

Ueber einem der Brunnen zu Kissingen ist ein merkwürdiges Trink-
zelt errichtet, reich aus Eisen construirt, ein elegantes und constructiv
vergnügliches Werk. —

Zu Stuttgart, in der öffentlichen Kunstsammlung, sah ich jenes Ge-
mälde von Schick, — Apoll unter den Hirten, — das für die Entwicke-
lungsgeschichte der neueren deutschen Kunst eine so vorzügliche Bedeu-
tung hat. Ich fand indess, dass 'das eigentlich Schätzbare an diesem Bilde
in seiner, durch Stich und Steindruck schon bekannten Zeichnung beruht.
Die Farbe ist conventionell, etwa im alten David'schen Sinne; die Land-
schaft in jener geistreich conventionellen Weise, die man die historische
genannt hat, in der sich aber — ganz abgesehen von dem Mangel aller
Luftwirkungen — das naiv Unwillkürliche ebenfalls nicht findet.

Unter den Kunstschätzen des Schlosses Rosenstein bei Stuttgart war
mir besonders der sogenannte Anakreon von Kaulbach interessant; das
erste ausgeführte Gemälde, das ich von der Hand dieses Meisters sah. Es
ist das Bild des Dichters mit seiner Geliebten , während Amor die Lampe
schürt, etwa der entsprechenden Scene in Goethe's römischen Elegieen
nachgebildet. Des. schönen Cartons zu dieser Composition hatte ich mich
schon früher — bei Feising in Darmstadt, dem Kupferstecher, — erfreut;
das Gemälde erschien mir bei Weitem weniger wirkungsreich. Der Künstler
hat malen und malerischen Effekt erreichen wollen; aber es fehlt hier noch
an der eigentlich malerischen Richtung, selbst an seiner schliesslichen
plastischen Durchbildung, die der Pinsel des Malers — wenn einmal ge-
malt wird — hinzutragen soll. Farben und Lichter haben etwas modern
Gesuchtes; sogar die Zeichnung, besonders in der Gewandung, macht hier,
bei der doch kräftigeren Wirksamkeit der Farbe, den Eindruck des con-
ventioneil Ausstudirten, Zahmen. Von dem Hauche des frisch Genialen,
Unmittelbaren, Entstandenen (nicht Gemachten) war eigentlich Nichts in
dem Bilde. Der künstlerische Gedanke desselben war schön; aber er
hat hier Fleisch werden sollen, und die Kraft zu solchem Prozess war
nicht vorhanden.

Ebenfalls auf Schloss Rosenstein sah ich ein Exemplar der berühmten
Sakontala von Riedel, die, mit vollen orientalischen Blumen im Haar
und einer Art Bastschurz um die Hüften, durch fremdartiges Gebüsch und
Farrenkraut zum Beschauer herausblickt, während eine Gazelle ihr die
Hand leckt. Colorit und Beleuchtung sind von fast zauberhafter Wirkung.
Bei allem Reiz aber und bei aller Zartheit ist doch auch dies Bild nicht

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422

Borichto, Kritikeu, Erörterungen.

frei vou conventionellem Vortrage, ist doch etwas künstlich Angemaltes
darin, fehlt doch auch hier die selbständige Kraft und ICnergie des Fleisches.
Namentlich hat die Partie des Unterleibes eine fast elfenbeinartige Glätte,
flärte und Kälte, — ist das Ganze in seiner Ausführung fast mehr dem
schönsten Porzellan vergleichbar. Vielleicht indess sind diese Mängel nicht
ursprünglich; das Bild, wie ich hörte, ist ein zweites Exemplar, und Ge-
spien, selbst von des Meisters eigner Hand, sind misslich. Das Gesicht,
der Ausdruck desselben, und besonders der Blick der dunkeln, von langen
"Wimpern umsäumten Augen, — alles dies ist höchst glücklich. Die künst-
lerische Potenz macht sich, trotz jener kalt kökettirenden Behandlungs-
weise, doch geltend.

Vorbilder.

• H

1. Philipp Otto Runge's ausgeschnittene Blumen und Thiere
in Umrissen zum Nachschneiden und Nachzeichnen gravirt und herausge-
geben von Doris Lütkens, geb. v. Gossel. Is Heft. Hamburg 1843. Fol.

2. Album der vorzüglichsten älteren Meister in der Land-
Schaft- und Thiermalerei für die kunstliebende und kunstübende
Jugend, als Bildersammlung und Wegweiser zuih Zeichnen nach der Na-
tur, nebst kurzen Notizen über die Meister selbst und ihre Werke. 'Ge-
zeichnet und herausgegeben von Doris Lütkens, geb. v. Gossel. Is

Heft, Antoni Waterlo, 5 Blatt. Hamburg 1843. Klein Fol.

(Kunstblatt 1844, No. 13.)

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Ii"-

Wir können die Anzeige dieser beiden Hefte zusammenfassen, so ver-
schiedene Bezüge sich auch bei ihnen geltend machen, da sie doch zunächst
den gemeinsamen Zweck haben, der Jugend als Vorbilder und als Weg-
weiser in das schöne Gebiet der Kunst zu dienen, und da die Herausge-
berin beider Werke von der gewiss richtigen Ansicht ausgegangen ist, dass
hiezu, und selbst schon bei dem unbefangenen kindlichen Spiele, nichts
besser als das wahrhaft Glassische dienen kann. Als besonders interessant
und eigenthümlich erscheint das unter Nr. 1 bezeichnete Unternehmen.
Es führt den Namen eines Mannes, dessen tiefer sinniger Geist sich der
Achtung der Edelsten unsrer Nation erfreute, wenii es auch an der Eigen-
thümlichkeit seiner künstlerischen Arbeiten und an den Zeitverhältnissen
lag, dass die letzteren nicht gerade in weiten Kreisen bekannt wurden,
und dessen Erinnerung durch die jüngst erfolgte Herausgabe seiner „hinter-
lassenen Schriften" so erfreulich geweckt und für die Zukunft gesichert
ist. Ph. 0. Runge hatte, neben so vielen andern Talenten, ein ganz eigen-
thümliches Geschick im Ausschneiden von Blumen und andern Gegenstän-
den, die er, ohne Vorzeichnung, aus weissem Papier schnitt und auf ein

1) Zwei Theile, Hamburg 1840, bei F. Perthes, ~ Ph. 0. Buiige war 1777
geboren uud starb 1810.

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Belgische Lithographie. 423

dunkles auflegte. An solchen Ideinen Arbeiten findet sicli im Besitz der
hamburgischen Kunstfreunde eine unzählbare Menge. Das vorliegende
Heft (dem recht bald weitere Fortsetzungen folgen mögen), bringt uns
Nachbildungen von nahe an 50 Stücken. In der That müssen wir hier
der geistreichen Weise, wie sich durch die blosse Umziehung des äussern
Contours die geschmackvollsten Gompositionen ergeben, der sinnvollen
Naturbeobachtung, der feinen und stets charakteristischen Führung der
Linien die vollste Anerkennung zollen. Auch diese Blätter, mit Sorgfalt
ausgeschnitten wie die Originale, müssen auf einen Jeden den erfreulich-
sten Eindruck hervorbringen; die Jugend aber wird durch das Spiel des
Nachzeichnens und Nachschneidens gewiss auf eine, wenn auch unbewusste,
doch sehr wirksame Weise das Gefühl für die Bedeutung des Contours in
der Kunst ausbilden.

Ueber den Inhalt des unter Nr. 2 angeführten Heftes wäre es über-
flüssig, hier etwas Näheres zu sagen. Die Ansicht der Herausgeberin, dass
die Schlichtheit und die sorgliche Treue der älteren Meister im Fache der
Landschaft vorzüglich (und bei weitem besser, als die moderne Effekt-
hascherei) geeignet sei, den Blick der Jugend für eine gründliche und
naive Naturbeobachtung zu eröffnen, kann des Beifalls aller wahrhaft
Kunstverständigen versichert sein. Es ist nur zu wünschen, dass auch dies
Unternehmen diejenige Theilnahme finden möge, von der seine weitere
Fortsetzung abhängen muss; gewiss wird dann die Herausgeberin die
schwierige Aufgabe , die scharfen Striche der Radirnadel mit der weichen
lithographischen Kreide wiederzugeben, noch immer glücklicher lösen.

Belgische Lithographie.

(Kunstblatt 1844, No. 14.)

Les Beiges illustres. Peint par H. Decaisne. Lith. par Ch. Bi-
lion. Imp. lith. r.oy. de P. Degobert. Bruxelles. Gross Fol.

Ein sehr flgurenreiches Blatt. Eine prachtvolle Halle in phantastisch
gothischem Style. In der Mitte des Grundes, hoch auf reichgeschmücktem
Throne, die Gestalt der Belgia, ihre Füsse auf dem Löwen ruljend^ Kränze
und Palmzweige da;rrelchend. Zu ihren Seiten auf den Stufen des Thro-
nes Fürsten und Herren der Vorzeit. Vorn reiche Gruppen Versammelter,
die sich der Schau darbieten, und unter denen man Staatsmänner, Krieger,
Frauen, Geistliche, Künstler u. s. w. erkennt, unter den letzteren Joh. van
Eyck, van Dyck, Rubens etc. Das Totale des Blattes wohl geordnet, die
einzelnen Hauptgruppen aber überfüllt und eben auf Präsentation berech-
net, ohne jene Naivetät des'^Beisammenseins, die die Musterbilder solcher
Compositionen, Raphaels Fresken in der Stanza della Segna'tura, auszeich-
net; Die allgemeine Haltung im üebrigen besonnen und energisch, der
lithographische Vortrag bestimmt und. sicher.

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424 Boriclite, Kritiken, Evürteruiigen.

liivocation de N. D. du Scapulaire. Peint par Wappers. Lilh.
par Manche. Imp. lith. roy. de Degobert. Bruxelles. Gross Fol.

Madonna in Wolken thronend, das Christkind zu ihrer Seite, ein
grosser Reigen von Engeln nmher, theils als Knäbchen, theils in den For-
men mehr Erwachsener, einige mit Emblemen der Künste, andre das hei-
lige Scapulier haltend. Unterwärts Verehrende, ein Fürst mit seiner
Gemahlin, ein hinfälliger Greis, von. seiner Familie urhgeben, geistliche
Würdenträger u. s. w. Die Fassung des Ganzen bewegt und belebt und
auf malerischen Effekt berechnet; Ton und Haltung, so viel aus der Litho-
graphie zu ersehen, vortrefflich. Leider aber in dem Ausdruck der mei-
sten Gestalten eine grosse Dosis Sentimentalität, besonders in den Engeln,
die zum Theil sogar stark an Koketterie streifen. Der untere Theil des
Bildes nicht unglücklich in der, freilich halbconventionellen Darstellungs-
weise eines Guido lleni gehalten. Die Arbeit des Lithographen sehr
meisterhaft, breit, voll, und doch zart und weich in den Uebergängen;
das Ganze wirkungsreich zusammengehalten.

Leopold Premier, roi des Beiges. Lith. d'apres nature par Baug-
niet, dessinateur de S. M. Impr. par Degobert. Gross Fol.

Nicht gar erfreulich. Die Halbfigur des Königs, zwar ohne alle Affek-
tation aufgefasst, auch sprechend im Ausdruck des Gesichts, aber flach,
sowohl im Charakter als im künstlerischen Vortrage. Die Wirkung ziem-
lich grau.

Die Menschwerdung Christi. Jos. Führich inv. et del. Chr.
Becher lithogr. Die Originalzeichnung in der Sammlung des Herrn Frie-
drich Freiherrn von der Leyen-Bloemersheim zu Crefeld. Düsseldorf, Ver-
lag von J. Buddeus.

(Kunstblatt 1844, No. 16.)

i

Ein Blatt in grösstem Folioformat, die Composition von sehr wichti-
ger, kunsthistorischer Bedeutung, indem sie, wie wenig andre, den Tiefsinn,
die Grösse, die Schönheit, zugleich aber auch die Schwäche derjenigen
künstlerischen Richtung unsrer Zeit, welche als die ausschliesslich religiöse
oder christliche benannt wird und zu deren gehaltvollsten Vorkämpfern
Führich gehört, erkennen lässt. Das Blatt Ist architektonisch eingerahmt,
ein grosser, von Säulen getragener Bogen. Oberwärts sieht man den
Thron des Himmels mit den drei göttlichen Personen. Zwei hohe, männ-
liche Gestalten, die Häupter mit Kronen geschmückt (Gott-Vater und Gott-
heil. Geist), sitzen auf dem Throne; 'in der Mitte vor ihnen, aufgestanden
von seinem Platze, steht die dritte Gestalt (Gott-Sohn, Christus); von jenen
beiden hebt ihm die eine den königlichen Mantel ab, während ihm die

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Die Menschwerdung Chjristi; 425

andre ein Messgewand überzuwerfen im Begriff ist. Zu beiden Seiten
knieen* zwei Engel, Kissen auf ihren Händen tragend; dem einen'reicht
Christus Krone und Scäpter dar, die er von sich thut; von dem andern,
der ihm auf seinem Kissen die Dornenkrone entgegenhält, scheint er die
letztere aufnehmen zu wollen. Unterwärts die Andeutung eines Felsens
mit der Höhle, darin die Krippe, Maria und Joseph zu deren Seiten.'' Ein
Engel, dem Beschauer zugewandt, schwebt über dem Felsen; im Hinter-
grunde zu dessen Seiten die Schaaren der Hirten und verkündigende Engel.
Neben den Säulen der Einrahmung hängen Glocken, die von Engeln ge-
läutet werden, wie um die Gemeinde zur Verehrung herbeizurufen; dar-
unter en medaillon die Repräsentanten der versöhnungsbedürftigen Mensch-
heit in anbetender Geberde, Adamund Eva. —Die Schönheit des Gedanltens,
wie der Gott den himmlischen Thron verlässt, um sich dem Mühsal und
den Leiden des irdischen Lebens dahinzugehen, bedarf keiner Erläuterung.
Das Bild spricht durch sich selbst. Zugleich ist dasselbe, und namentlich
der obere Theil, ungemein glücklich componirt, in den edelsten und klar-
sten Verhältnissen der Massen und Linien. Alle Gestalten entwickeln
sich klar, die Bewegungen sind frei und ungezwungen, die Formen durch-
aus rein, die Gewänder im schönsten und würdigsten Style gezeichnet.
Aber bei alUdiesen Vorzügen macht die Composition auf das Gefühl des
unbefangenen Beschauers doch einen unbefriedigenden, ja selbst einen
abstössenden Eindruck. So schön der Gedanke ist und so naiv sich die
Repräsentation der göttlichen Dreieinigkeit durch drei einander ähnliche
menschliche Gestalten in manchen mittelalterlichen Bildern macht, so hat
er doch keinen Anspruch mehr, auch als ein Gedanke unsrer Zeit zu gel-
ten. Widerstreitet unsrem Gefühle überhaupt schon die Darstellung Gottes
in menschlichen Formen, so muss dies bei der Spaltung desselben in drei
solcher Gestalten noch in viel höherem Grade der Fäll sein. Uns müssen
sie nothwendig als Götter, nicht mehr als Gott erscheinen; wir können
darin höchstens ein Verstandesspiel, eine an sich trockene und nüchterne
Allegorie erkennen. Doch mag man dem Künstler immerhin das Zurück-
versetzen in mittelalterlich beschränkte Auffassungsweisen zugeben; ungleich
entschiedner noch widerspricht uns das Gefühl, der Ausdruck, den er in
sein Werk gelegt hat. Dieser Christus, der, eine Welt vom Verderben zu
retten, den himmlischen Thron verlässt, hat trotz des Adels seiner Bewe-
gung, trotz der Schönheit seiner Gewandfalten, nichts von der unermess-
lichen göttlichen Kraft, die ihn allein zu solchem Unternehmen befähigen
konnte; wir sehen in ,ihm nichts als geduldig wehmüthige Ergebung in
das Schicksal, ^as seiner wartet; er ist ein Opferlamm, kein Erlöser. Das
ist der schwache Punkt all jener Malerei, die heutiges Tages ausschliess-
lich als religiös gelten will; sie vergisst, dass die Religion vielmehr That
sein muss als Duldung. Daher haben all ihre Gestalten jenen vorherr-
schenden Ausdruck von Passivität, jene gutmüthige und wohlwollende
Mattigkeit, die unfähig ist, irgend Resultate hervorzubringen. Dieselbe
Schwäche finden wir'denn auch unten auf unserem Blatt in den Gestalten
von Maria und Joseph wieder. Indess darf nicht übersehen werden, dass
Führich dennoch einen sehr gesunden Fond hat, der ihn in der That,
könnte er sich zu einer andern Richtung entschliessen, gewiss zu viel
kräftigeren Darstellungen befähigen würde. So sind auch hier die Engel
und die Hirten mit liebenswürdiger Naivetät gezeichnet. Jedenfalls muss

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426

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Berichte, Kritiken, Erörteruugen.

das BlatI, wie schon bemerkt, als eins der \yichtigstcn seiner Gattung gel-
ten. — Die Arbeit des Lithographen ist auf völlig angemessene Weise im
Charakter seiner Aufgabe gehalten.

Sakontala. Nach dem Originalgemälde von Riedel in Rom in der
Sammlung des Freiherrn von Lotzbeck in Weyhern gestochen von Fr.

Wagner in Nürnberg.

(Kunstblatt 1844, No. 105.)

4!

Die lieblichste Gestalt der indischen Poesie, in ländlicher Stille, unter
Blumen und Gazellen zur Jungfrau herangereift, steht dem Beschauer
gegenüber, unbekleidet, nur um die Hüften eine Bastmatte geschlungen,
das Haar mit Blumen des Südens geschmückt, hervorschauend aus dichtem
tropischem Gebüsch, das sie wie eine Laube umgiebt und durch das ihre
Gazellen sich hindurchdrängen. Der zarte Körper leuchtet in dem Bilde
wundersam aus dem tief dunkelnden Grunde hervor. Riedel ist einer der
ersten Koloristen unsrer Zeit; die Aufgabe, die zarten, schmelzenden Töne
seines Pinsels in die einfaclien Mittel des Kupferstichs zu übersetzen, war
ungemein schwierig. Wir können aber mit freudiger Anerkennung sagen,
dass das vorliegende Blatt die Aufgabe im Wesentlichen durchaus erfüllt.
Die klare Linienmanier, in der dasselbe gehalten ist, giebt der Gestalt eine
bestimmte Modellirung, der weiche Schwung der Taillen, der aber von
aller Koketterie frei ist, etwas duftig Hingehauchtes, was in gewissem Sinne
dem Farbenreiz entspricht. Vortrefflich contrastirt damit und verstärkt
freilich zugleich jenen Eindruck bedeutend die energische Weise, mit der
die Nebendinge, namentlich die gesammte Umgebung der Gewächse, ge-
halten ist. Wir können das Blatt mit Recht den besten Leistungen des
neuern deutschen Kupferstiches zuzählen.

Bilder zur Jobsiade. Nach Gemälden und Zeichnungen von J. P.
Hasenclever gestochen von J. Th. Janssen. Lief. 1. Düsseldorf,
Verlags-Eigenthum von J. Buddeus. Quer-Folio.

(Kunstblatt 1845, No. 14.)-

Die drei Blälter, welche die erste Lieferung dieses neuen Unterneh-
mens bringt, sind: „Jobs von der Universität zurückkehrend," „der Can-
didat Jobs im Examen'^ und „Jobs als Schulmeister". Die Richtung, die
sich in ihnen beobachtet zeigt, ist auf der einen Seite die einer gemesse-
nen Stylistik, welche dem Komischen das Pathos als Folie unterlegt, auf
der andern die einer feinen individualisirenden Charakteristik, die aus
dem einfachen Grundmotiv der dargestellten Scene eine reiche Fülle der

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Neuü Ornamente von Heinrich Asmus. 427

ergötzlichsten Einzellieiten zu entwickeln weiss. In dem ersten Blatt
überwiegen stylistisclie Anordnung und das hierin beruhende komische
Pathos des Ganzen; das zweite Blatt nach dem bekannten grossen Bilde
.Hasenclevers gearbeitet, zieht besonders durch die feinste Abstufung
der Charaktere an; so auch das-dritte, wo sich neben der gemeinsamen
Thätigkeit des Buchstabirens der bunte Wechsel aller Eigenthiimlichkjeiten
und Unarten einer Dorfschule entfaltet. Die Arbeit in diesen Blättern
hat, den eben genannten Eigenschaften gemäss, einen mehr, plastischen als
malerischen Charakter; es ist mehr nur die Zeichnung und Modellirung
gegeben, während die etwanige Andeutung von Farbenwirkung und na-
mentlich das Helldunkel minder berücksichtigt sind. Der Stich ist dem
entsprechend: scharf bezeichnend und die Formen umschreibend, in feinen
Strichlagen durchgeführt und hierin der Richtung der alten Meister, etwa
aus Dürer's Zeit, vergleichbar. In Erfindung, Durchführung und Behand-
lung erscheinen übrigens diese Blätter als charakteristische Belege für die-
jenige unter den Richtungen der heutigen deutschen Kunst, die mit Raf-
finement das psychologische Moment dem Beschauer in seine feinsten
Einzelheiten auseinander zu legen strebt. Die Meisterschaft, mit der dies
hier geschieht, sichert ihnen auch für die Dauer eine vorzügliche Geltung.

Neue Ornament e von Heinrich Asmus. Musterblätter für Architekten,
Fabrikanten, Bauhandwerker und Künstler. Vorlegeblätter für Kunst-,
Bau- und Gewerbeschulen. Erstes Heft. Berlin. Verlag von C. Reima-
rus, Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung. (Auf dem Umschlage be-
zeichnet als: Ornamentenbuch zum praktischen Gebrauche für Archi-
tekten, Dekorations- und Stubenmaler, Tapetenfabrikanten u. s. w. Fünfte

Lieferung.)

(Kunstblatt 1845, No. 30.)

Herr Asnius, Wappenmaler im königl. preussischen Hausministerium,
einer der ausgezeichnetsten Künstler Berlins im Fache der Ornamentik,
beginnt mit dem vorliegenden Heft ein neues Unternehmen , welches der
Aufmerksamkeit des betheiligten Publikums bestens empfohlen sein möge.
Das Heft besteht aus sechs, in mehrfarbigem Steindruck ausgeführten Blättern
in Querfolioi Ueber die allgemeine Tendenz des Unternehmens spricht
sich Herr Asmus im Eingange des erläuternden Textes bezeichnend aus.
„Mein leitender Grundsatz — so sagt er — bei diesen Verzierungsent-
würfen war: wenn ein bestimmter Zweck der Aufgabe unterlag, deutliches
Hervorheben desselben in der mehr oder weniger schon zum Schmucke
durchgebildeten Form des Ganzen, nach Stoff und Mittel. Für freieres
Heranziehen menschlicher, thierischer oder Pflanzen-Formen, die ganz und
einzeln oder theilweise und vermischt zu verarbeiten sind, oder nur eines
Liniengeschlinges oder eines Farbenwechsels und Sjpieles blieb dann noch
immer ein weites Feld." Diese freie Durchbildung auf gesetzlich gege-
bener und berücksichtigter Unterlage spricht sich in den vorliegenden

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428

BerichtP, Kritiken, Erürteruiigeu.

Blättern überall aus, ebenso wie umgekehrt die bestimmte Beobachtung
der Naturform für den Zweck der freien Verzierung. Im Uebrigen
gehören die hier gegebenen Muster den verschiedenen Fächern der Orna-
mentik, doch mit spezieller Rücksicht auf die einzelne technische Anwen-
dung, an. So ist zunächst Bl. 1, ein Hausportal darstellend, der deko-
rativen Architektur gewidmet; mit der zwar reichen, aber doch strengeren
Umfassung steht die leichtere Behandlung der Thür selbst hier in anzfehen-
dem Gegensatz. Ebendahin gehört Bl. 6, die Darstellung eines Wandpfeilers
(nach dem Motiv der Pfeiler des Didymäums bei Milet) , architektonische
Formen in edelgriechischer Ausbildung, die Ornamente durch goldenen
Schmuck auf grünlich-grauem Grunde festlich gehoben. Bl. 3 enthält die
Darstellung einer reichen farbigen Wandverzierung, voll und ernst in Far-
ben und Formen, die in edler Stylistik durchgebildet sind; Bl. 5 ein
Teppichmuster, lilafarbige Ornamente auf Chamoisgrunde, für die Aus-
führung im Druck oder in der Weberei eingerichtet. Zwei Blätter endlich
enthalten Ornamentenstreifen in grösserem Maassstahe, in denen durch sin-
nige Nachbildung natürlicher Pflanzenformen die grösste Mannigfaltigkeit er-
reicht ist; Bl. 2 bringt sechs aufsteigende Streifen mit lichtgrauen Pflanzeu-
bildern auf Lilagrunde, Bl. 4 drei horizontale Streifen mit Darstellung der

Pflanzen in Naturfarben---Die gegebenen Muster werden sich ohne Zweifel

ehen so sehr bei praktischer Ausführung wie als Vorlegeblätter in Kunst-
und Gewerbeschulen bewähren.

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KUNSTREISE IM JAHR 1845.

I.

Ueber die Anstalten und Einrichtungen zur

Förderung der bildenden Künste und der Conservation der Kunstdenkniäler,

in Frankreich und Belgien.

Nebst Notizen über einige Kunst-Anstalten in Italien und England.

(Berlin, 1846.)

So entschieden die Entwicklung der Kunst ihren inneren Gesetzen
folgt, so wenig sich etwas schaffen lässt, wenn kein angeborenes Vermö-
gen vorhanden ist, ebenso abhängig ist diese 'Entwickelung von der äus-
seren Pflege und Förderung der Kunst und von den Einrichtungen, welche
hiezu getroffen werden. Wenn die ausgestreute Saat nicht auf einen wohl
bearbeiteten Boden fällt, wenn Kegen und Sonnenschein nicht hinzukom-
men, so ist die Aussicht auf eine günstige Erndte mehr als zweifelhaft.

Nächst den künstlerischen Talenten selbst kommt es mithin sehr we-
sentlich auf die Art und Weise an, wie die Kunst verwaltet wird, auf die
Mittel, durch welche der Kiinstsinn entwickelt, das künstlerische Talent
ausgebildet, das ausgebildete Talent für grosse Zwecke würdig verwandt
werden soll. .Die Fi'age wMrd gegenwärtig an vielen Orten in ernstliche
Erwägung gezogen;' das Bedürfniss zu eigenthümlichen Einrichtungen für
diese Zwecke oder zur zeitgemässen Reform der für sie bereits früher ge-
gründeten Anstalten ist ziemlich allgemein verbreitet und hat hier und
dort schon bemerkenswerthe Erfolge hervorgebracht. Hand in Hand hie-
mit geht zugleich noch ein Andres, das sich gegenwärtig nicht geringerer
Beachtung erfreut: die Sorge für die Kunst der Vergangenheit, für die von
unsern Vorfahren uns hinterlassenen Denkmäler. Auch hiebei werden die
wünschenswerthen Erfolge durch die Gestaltung der äusseren Einrichtungen
wesentlich bedingt.

. Unter Umständen, wie die eben genannten, wo -es auf die praktische
Befriedigung vorhandener Bedürfnisse ankommt, ist es jederzeit räthljch,
möglichst umfassende Erfahrungen zu sammeln und aus der Beobachtung
dessen, was anderwärts geschehen oder versäumt ist, den besten Nutzen

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430 Kunstreise im Jahr .1845.

zu ziolien. Was die Kunst und den Kunstsinn bei uns gefördert oder ge-
honimt hat, was für sie weiter zu thun sein möchte, wird uns im Vergleich
mit dea Zuständen und Einrichtungen
des Auslandes besser klar. Es wird
somit nicht überflüssig sein, wenn wir uns auch mit den letzteren vertraut
machen, abgesehen davon, dass diese Kenntniss der'äusseren Verhältnisse,
wie dieselben sich im Auslande gestaltet haben, zur richtigen Würdigung
der von dort ausgegangenen Leistungen ebenfalls wesentlich beiträgt.

Frankreich und Belgien gehören zu den Ländern, in denen gegenwär-
tig ein vorzüglich reges Kunstleben herrscht. Auf höheren Befehl war ich
im vorigen Jahre veranlasst, von den Anstalten und Einrichtungen, welche
dort für die in Rede stehenden Zwecke vorhanden sind, näliere Kenntniss
zu nehmen. Ich lege die Beobaclitungen, die ich in beiden Ländern, so
gut dies bei einem freilich nur kurzen Aufenthalte möglich war, gesammelt
habe, den Freunden und Gönnern der Kunst in den folgenden Blättern
vor, indem ich zugleich nach anderweitigen Mittheilungen einige Notizen
über einige Kunstanstalten In Italien und England beifüge. Wenn der
Gegenstand hiemit auch nicht erschöpft sein wird, so dürfte er doch auf
ein mehrseitiges Interesse Anspruch haben.

i.
ft

1. Kunst-Anstalten in Frankreich.

Uebersiclit der Ressoi'ts.

Die Verwaltung der Kunstangelegenheiten in Frankreich ist von ver-
schiedenen höchsten Instanzen, vorzugsweise Jedoch von dem Ministerium
des Innern abhängig. Von letzterem ressortiren namentlich die aus Staats-
fonds unterhaltenen Kunstschulen. Bei monumentalen Ausführungen ist
gelegentlich das Ministerium der öffentlichen Arbeiten betheiligt. Zu dem
Ministerium des öffentlichen Unterrichts steht die Kunst als Gegenstand
allgemein humanistischer Bildung in einem näheren Bezüge. Ausser der
Einwirkung dieser oberen Staatsbehörden geschieht aber gleichzeitig viel
zur Förderung künstlerischer Interessen durch die Communalbehörden (we-
nigstens durch die Behörden einzelner grosser Städte, vornehmlich durch
die von Paris), wobei ein Hauptaugenmerk auf die künstlerische Bildung
der Handwerker gerichtet zu sein scheint; während die höchsten und be-
deutendsten Unternehmungen und dieren Beförderung zum Theil der un-
mittelbaren königlichen Einwirkung ihr Dasein verdanken. Mehrere wich-
tige Kunstinstitute ressortiren von der königlichen Civilliste.

Das französische Kunsthandwerk und die ölfentliche Förderung

desselben.

In vielfacher Beziehung sind die Leistungen der französischen Kunst
nicht eben der Art, dass sie die geistigen Bedürfnisse des Deutschen be-

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Kunst-Anstalten in Frankreich. 431

friedigen können. Neben einzelnen Erscheinungen von grossartiger, alle
nationalen Schranken durchbrechender Bedeutung, neben jener rüstigen
Praktik, die ein Erzeugniss umfassender und anhaltender Thätigkeit zu-
sein pflegt, tritt uns an den dortigen Kunstleistungen gar manches Seltsame
und Willkürliche, manches Conventionelle und äusserlich Angelernte ent-
gegen. Dennoch besitzen die Franzosen einen grossen Vorzug, der zunächst
anerkannt werden muss; sie haben das, was man im gemeinen Leben Ge-
schmack nennt. Die künstlerische Zierde,, welche' sie dem äussern Leben
geben, fügt sich demselben stets in mehr oder weniger harmonischer, ein-
schmeichelnder Weise. Es ist, wie launisch oft in der Composition, doch
stets ein sehr reizvolles Spiel, und mehr als das. Es ist de? Ausdruck einer
freien heitern Naivetät, der sich die Mittel zur Darstellung überall^ mit
Leichtigkeit fügen. Mit andern Worten: die ornamentistische Kunst Frank-
reichs (die noch immer die Märkte behetpcht) ist desshalb so bedeutend,
weil sie aus einem selbständigen, sehr durchgebildeten Kunsthandwerk
hervorgeht. Der französische Kunsthandwerker ist im Allgemeinen kein
Copist, der mühselig dieser oder jener künstlerischen Vorschrift folgt und
dessen Werk, mag es ursprünglich auf noch so liefer künstlerischer Grund-
lage beruhen, doch den Beschauer kalt lässt; er ist im Allgemeinen ent-
wickelt genug, um in seinem Fache selbständig künstlerisch schaffen oder
doch die etwa gegebene künstlerische Idee in seine eigene verwandeln zu
können. Sein Werk trägt mehr oder weniger das Gepräge freier Thä-
tigkeit.

Gewiss eine Folge dieses-nationalen Vorzuges, aber ebenso gewiss
auch der Grund zur Ausbildung und ferneren Erhaltung desselben ist die
Sorgfalt, mit welcher in Frankreich die künstlerische Bildung des Hand-
werkers betrieben wird. Ausschliesslich zu diesem Zweck sind in den
Städten des Landes 50 bis 60 sogenannte
Eooles äe dessin vorhanden, de-
ren Besuch in der Regel unentgeltlich ist und die von der Regierung mög-
lichst befördert und begünstigt werden.

^coles de dessin zu Paris.

Paris besitzt eine Normalschule solcher Art unter demfitöl'der „iScole
royale et speciale de dessin et de mathematiques, appliquee aux arts in-
dustriels."'
Diese Schule ist eine Staatsanstalt und wird der Hauptsache
nach aus Staatsfonds unterhalten; doch erfreut sie sich zugleich namhafter
königlicher Ünterstützungen, wie es sich auch die Stadt angelegen sein
lässt, dieselbe durch Bewilligung reichlicher Mittel zu fördern. Ausge-
zeichete Männer sind aus ihr hervorgegangen, "U. A. der berühmte Archi-
tekt Percier, der ihr in dankbarer Erinnerung ein ansehnliches Legat ver-
macht hat. Der Besuch der Schule (der wie bei den meisten übrigen
unentgeltlich ist) beläuft sich durchschnittlich auf 2000 Schüler. Der
Unterricht, dessen ausschliesslicher Zweck die „Anwendung der Kunst auf
das Gewerbe" ist, betrilTt Figuren-, Thier-, Pflanzen- und Ornamentzeich-
nen, nach Vorlegeblättern und Modellen (bei den Pflanzen auch nach der
Natur); Modelliren; Ornament-Composition; niedere Arithmetik und'Geo-
metrie; beschreibende Geometrie, Statik, Constructionslehre, Elemente der
Architektur. Die Lokalität ist wohl eingerichtet; die Zeichnensäle haben,
für die Tagesstunden, Oberlicht, welches von der Decke einfällt. In der

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432 Knnstreise im Jahr 1845,

Klasse für Oinament-Composition bewunderte ich die wahrhaft classischen
Vorbilder, welche der Lehrer zur Verdeutlichung seines Vortrages vor den
Augen der Schüler mit breitem Pinsel auf das aufgespannte Papier hin-
wirft. Es ist die Einrichtung getroffen, dass die schon in den Werkstätten
beschäftigten jungen Handwerlcer den betreffenden Unterricht in den späte-
ren Abendstunden erhalten. Nach acht französischer Sitte wird der Eifer
der Schüler durch eine Menge von Concurrenzen rege erhalten. Derglei-
chen finden theils monatlich statt, zur stets erneuten Vertheilung der Plätze;
theils sind es vierteljährliche, halbjährliche oder jährliche Concurrenzen,
Eine Jury, aus dem Collegium der Professoren und einer ebenso grossen
Zahl andrer Personen (Mitgliedern der
Academie des heaux-arts oder ehe-
maligen Pensionärs der
Academie de France in Rom), entscheidet über die
Concurrenz-Arbeiten. Die Preise bestehen in Büchern, Kupferstichen oder
Medaillen; die der jährlichen Concurrenz werden in feierlicher öffentlicher
Sitzung, unter Vorsitz des Ministers des Innern, des Seinepräfecten oder
eines andern höheren Beamten, ertheilt. Der steten Concurenzen wegen
werden in den einzelnen Klassen gleichzeitig immer dieselben Gegenstände
gearbeitet; daher bestehen die Vorbilder aus lithographirten Blättern und
sind die Plätze der Gypsklasse theatralisch, mit einem Modell in" der
Mitte, angeordnet. Vorzüglich ausgezeichnete Schüler erhalten ein Diplom,
welches ihnen den Titel des
,,Eleve de Vecole"^ giebt; den allerbesten aber
wird ein besondrer „Ehrenpreis", unter dem Namen
^prix Percier'-\ der in
einer Medaille mit dem Namen des Schülers besteht, ertheilt. — Der Un-
terricht wird regulirt und in regelmässigem Gange erhalten durch das
Collegium der Professoren, welches, unter Vorsitz des Directors, monatlich
seine regelmässigen Sitzungen hält. Der Director erstattet dem Ministerium
vierteljährliche Berichte und jährlich einen General-Rapport. Zur ver-
mehrten Controle der Anstalt dient eine besondre
„Qommission de sur-
veillance et de perfectionnement.'-'' ,

Eine zweite Schulo ähnlicher Art in Paris, die wie die ebengenannte
vom Ministerium des Innern ressortirt, ist zum Unterricht der jungen
Mädchen bestimmt, >Yelche sich der Kunst oder den industriellen Gewer-
ben widmen wollen. Hier wird das Zeichnen von Figuren, Ornamenten,
Landschaften, Thieren, Blumen und lithographisches Zeichnen gelehrt. Bei
den jährlich stattfindenden Concurrenzen werden silberne Medaillen, und
ausserdem, als besondre Ehren-Preise, grosse Medaillen und Diplome
vertheilt. ' '

Neben diesen Staats-Schulen ist jedoch in ..Paris noch eine Anzahl
städtischer Schulen, etwa sechs, vorhanden, die gleichfalls vorzugsweise
zur Ausbildung der Handwerker bestimmt sind und in denen des Abends
von 7 bis 10 Uhr gezeichnet wird. Man übt sich hier, wie mir berichtet
wurde, insbesondre in den Darstellungen der menschlichen Gestalt, nach
Vorlegeblättern, nach Gyps-Abgüssen und in einigen dieser Schulen selbst
— was in jener
Ecole royale de dessin nicht stattfindet — nach dem leben-
den Modell, — Uebereinstimmend mit diesen Verhältnissen ist es endlich,
dass selbst in den Primair-Schulen auf den Zeichnen-Unterricht schon
besondre Sorgfalt verwandt wird. In der einen dieser Schulen, .die ich
besuchte, betraf der Zeichnen-Unterricht zwar nur das geometrische und
das freie Ornament-Zeichnen; aber die äussere Einrichtung war bei massi-
gen Mitteln vortrefflich — Oberlicht von der Decke, sowie anderweitig
zweckmässige Arrangements in den Hauptsälen , und theatralische Anord-

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KuDst-Anstalten iu Frankreich. "" 433

nung der Silzplätze in der Gypsclasse, — und die Leistungen schienen
mir dem vollständig zu entsprechen, was bei einem Unterricht von nur
zwei Stunden wöchentlich erwartet werden darf. Auch bei diesem Unter-
richt findet die Rücksicht auf stets wiederholte Concurrenzen statt.

Was für den eigentlichen Kunst-Unterricht von Seiten des Staates
geschieht, ist dagegen äusserst massig, wenigstens sofern es sich um die
Feststellung einer sicheren, den ganzen künstlerischen Beruf wahrhaft
stützenden Grundlage handelt. Man ist hier im Wesentlichen durchaus
noch bei den Einrichtungen einer früheren Zeit — bei denen nemlich, die
unter Louis XIV. gegründet wurden, — stehen geblieben, obgleich die
Gegenwart, der raschere Umschwung und der so bedeutend vermehrte Be-
trieb in derselben wesentlich abweichende Bedürfnisse hervorgerufen haben.
Man sagte mir zwar, dass man das Bedürfniss einer Reform des Kunst-
Unterrichts, welches sich heute fast überall kund giebt, auch hier empfinde,
dass man aber grosses Bedenken trage, ein bewährtes Altes zu beseitigen,
bevor man nicht über die Gestaltung des Neuen zu einem klaren Urtheil '

gelangt sei. Indess kann ich kaum glauben, dass dieses Bedürfniss schon
in irgend überwiegendem Maasse hervorgetreten sei, da man erst unlängst
eine Erneuung des Reglements der
Ecole des beauw-arts vorgenommen und
hierin die Bestimmungen des älteren Reglements nur geschärft hat.

^cole des beaux-arts zu Paris.

Die Ecole des beaux-arts zu Paris, welche als die hohe Schule der
Kunst für Frankreich gilt, ist, sofern es auf eine umfassendere Ausbildung
in den Fächern der bildenden Künste ankommt, lediglich nur als ein Hülfs-
Institut zu betrachten. Sie setzt anderweitig Gelegenheiten zur wirklichen
künstlerischen Ausbildung voraus und dient nur zur Unterstützung der-
selben durch die reicheren Mittel, welche einer Staats-Anstalt zu Gebote
stehen. Der -äussere Anschein ist dem zwar sehr entgegen. Mit pracht-
vollen und sehr geräumigen Lokalitäten, mit glänzenden Kunstsammlungen
ausgestattet, ist die
Ecole des beaux-arts geeignet, sowohl das Kunstleben
an sich auf imponirende Weise zu repräsentiren, als überhaupt dem Na-
tionalstolz der Franzosen aufs Lebhafteste zu schmeicheln. Ich erlaube mir,
zunächst ein Paar Worte über das Lokal und die Sammlungen zu sagen. ^

Die der Ecole des beaux-arts zugehörigen Gebäude nehmen den Raum !

des ehemaligen Klosters des petits Äugustins ein, wo zur Revolutionszeit
das berühmte
Musee des monumens franqais eingerichtet war. Der neue
Bau des eigentlichen
Palais des beaux-arts, erst unter der gegenwärtigen
Regierung ausgeführt, rührt von dem Architekten Duban her; er ist in ein-
fach edlem Renaissance-Styl gehalten und möchte leicht als die schönste
aller neueren Architekturen von Paris zu bezeichnen sein. Ein ziemlich
ansehnlicher Vorhof ist nach der Strassenseite durch ein Gitter abgeschlossen.
Seitengebäude stossen zur Rechten an diesen Hof, dekorirt mit einem präch-
tigen Portal, das mehrere Säulenstellungen übereinander enthält und von
dem im J. 1548 durch Philibert Delorme gebauten Schlosse Anet entnommen

ist. Die Hinterseiten des Vorhofes bilden niedere Mauern, und in der Mitte I

ist ein brillanter, Triumphbogen-artiger Bau, ein Fragment des Schlosses i

von Gaillon, welches zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, gothisclie \

Kugler, Kleine Schriften. lU 28

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Kunstroise im Jalir lö45.

434

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uiui Renaissauce-Formen pliautastisch cluicheinaiiclermischeiid, gebaut war.
Hier tritt man iu einen zweiten, breiteren Hof, in dessen Wände eine
grosse Menge von interessanten Fragmenten älterer Architektur und Sculptur,
Ueberresten jenes
Musee des monumens franqais, eingelassen ist. Erst im
Grunde dieses zweiten Hofes erhebt sich das eigentliche, von Duban er-
baute
Palais des heaux-arts, ein längliches Viereck mit einem besondern,
auch ziemlich geräumigen Hofe in der Mitte; der vordere Flügel desselben
besteht aus drei, die andern Flügel aus je zwei Geschossen. Vor der
Fagade und im innern Hofe stehen Marmor-Sculpturen, Copien nach der
Antike, die vou Pensionärs der
Academie de France in Rom ausgeführt
sind, auch einige, zum Theil sehr werthvolle antike Sculpturen. Die
ganze innere Ausstattung, Vestibül, Treppenanlage, grosse und kleine
Säle, sind äusserst grossartig und von wirklich monumentalem Charakter.
Es befindet sich in diesen Räumen ein sehr reiches Museum von Gypsab-
gdssen nach der Antike, eine nicht minder reiche Sammlung architektoni-
scher Modelle (besonders nach, antiken Bauwerken Frankreichs), die grosse
Sammlung der Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche und Sculpturen, welche
bei den von der
Academie des heaux-arts als Abtheilung des Institut de
France
veranlassten Concurrenzen die ^grossen Preise davongetragen haben
(eine Angelegenheit, die aber zu
Aar Ecole des beaux-arts an sich eigent-
lich in keiner Beziehung steht), ansehnliche Säle für eine Bibliothek (die
aber erst in sehr geringen Anfängen vorhanden ist), ein geräumiger und
sehr anständig ausgestatteter Saal für die Sitzungen der Professoren und
ein halbrunder, theatralisch eingerichteter Saal, der für die Preisverthei-
lungen bestimmt sein soll und jenes berühmte Wandgemälde von Delaroche
mit den Bildern der älteren Meister als Preisrichtern und Zuschauern der
Preisvertheiluiig enthält Zu den Seiten des grossen Palastes sind wieder
Höfe; in dem einen derselben steht ein grosses Haus von unansehnlicher
Architektur, welches, obgleich ebenfalls ein Pertinenzstück der
Ecole, im
Erdgeschoss die Räume einer Gypsgiesserei, in den oberen Geschossen die
Lokale für die jungen Künstler, welche an den schon erwähnten, von der
Academie des beaux-arts veranstalteten Concurrenzen Theil nehmen, ent-
hält. Unter den oben genannten Seitengebäuden zur Rechten des vorderen
Vorhofes befindet sich die (architektonisch unbedeutende) Kirche des ehe-
maligen Klosters, die zur Aufnahme einer wieder sehr reichhaltigen Samm-
lung vou Original-Sculpturen der Renaissance-Zeit und vou Gyps-Abgüssen
nach solchen eingerichtet wird. Hier befinden sich auch Copien nach den

') Der halbrunde Saal ist im Verhältniss zu seiner angeblichen Bestim-
mung auffallend klein. Man sagte mir, ursprünglich sei zu den Preisverthei-
hingen einer der grösseren Säle des Palastes bestimmt gewesen; unter dem
Ministerium Thiers sei aber alles Gewicht auf die Beschaffung jener umfassenden
Kunstsammlungen gelegt worden, wesshaib man die grösseren Säle zu diesem
Zwecke, und den halbrunden Saal, der eigentlich für den auatomischeu Cursus
bestimmt gewesen, zu dem Zweck der Preisf ertheilung eingerichtet habe. Dela-
roche habe sofort den Auftrag zu seinem grossen Wandbilde erhalten. Nach
der Vollendung des letztereti habe man aber eingesehen, dass man diesen Saal
doch nicht für die Preisvertheilung benutzen könne und so werde derselbe, wie
man sich ausdrückte, wohl nur die Bestimmung behalten, „den Rahmen zu dem
"Wandgemälde zu bilden." Da es nach jenen luxuriösen Einrichtungen augen-
blicklich an weiteren Mitteln fehlt, so ist es übrigens uooh nicht möglich gewe-
sen, die anderweitige Dekoration des halbrunden Saales zu vollenden.

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KuDst-Anstalten iu Frankreich. "" 435

Gemälden Michelangelo's iu der sixtinischen Kapelle zu Rom, nameatlich
die von Sigalon in der Original-Grösse ausgeführte Copie des jüngsten
Gerichts und die Copi'en mehrerer Sibyllen. Die Ausführung dieser Ein-
richtungen ruht jedoch wegen augenblicklich mangelnder Mittel. In dem
an die Kirche anstossenden ehemaligen Kreuzgange, der wieder einen Hof
einschliesst, sind die für die grossen akademischen Concurrenzen gefer-
tigten Reliefs, für die sich in dem eigentlichen
Palais des beaux-arts keine
Stelle gefunden, untergebracht. In denselben, an die ehemalige Kirche
anstossenden Seitengebäuden befinden sich ferner die Lokale für die Ad-
ministration, namentlich das Sekretariat nebst Wohnung des Sekretairs,
wo vorläufig noch eine interessante Sammlung aufbewahrt wird: die mit
Meisterschaft und Genauigkeit gefertigten kleinen Original-Copien des
Kupferstechers Baron Desnoyers nach RaphaeT, nach denen derselbe seine
bekannten Stiche gearbeitet hat und die zum Theil in Oel gemalt sind.
Endlich auch sind hier die wenigen, nicht ausgedehnten Lehr-Klassen der
Anstalt befindlich.

Der in der Bcole des beaux-arts ertheilte Unterricht besteht im Zeich-
nen nach der Antike und nach dem lebenden Modell und in Vorträgen
über Anatomie, Perspektive, Geschichte und Alterthümer, sowie über die
architektonische!!! Fächer: Theorie und Geschichte der Architektur, Con-
structionslehre und Mathematik. Die
Ecole zerfällt hienach in die beiden
Sectionen für Malerei und Bildhauerei und für Architektur.

Für die erste Section ist, naturgemäss, der Unterricht im Zeichnen
nach der Antike und nach dem lebenden Modell von entscheidender Wich-
tigkeit; doch sind demselben nur zwei Stunden täglich gewidmet. * Zur Ab-
haltung dieses Unterrichts dienen zwei nebeneinnder liegende, ganz gleich
eingerichtete Uebungssäle, wo die Schüler auf theatralisch angeordneten
Plätzen dem Modell oder dem einen Gypsabguss gegenüber ihre Plätze
finden. Der Unterricht ist in beiden Sälen gleichzeitig und die Schüler
wechseln wöchentlich, so dass diejenigen, die in der einen Woche nach
dem lebenden Modell gezeichnet haben, in der folgenden nach der Antike
arbeiten. Dasselbe Modell dient daher stets 14 Tage lang zu den betref-,
fenden Uebungen; an Gypsabgüssen ist, des erforderlichen Wechsels halr-
ber, eine besondre kleine Sammlung vorhanden. In jedem Saale haben
50 Zeichner und 15 Bildhauer Platz; im Ganzen können also in die erste
Section stets nur 130 Schüler, 100 Zeichner und 30 Bildhauer, aufgenom-
men werden. Die Professoren der Anstalt wechseln monatlich mit dem
Abhalten des Unterrichts; ein und derselbe Professor beaufsichtigt gleich-
zeitig beide Säle. In jedem hat er ein Katheder, wo ihm die Zeichner,
an deren Plätze hinzugehen die Räumlichkeit nicht verstattet, ihre Ar-
beiten zur Correctur vorlegen mtlssen, — ein Umstand,' der gewiss aufs
Aeusserste unvortheilhaft und unzweckmässig ist. Nur die Arbeiten der
Bildhauer können an Ort und Stelle revidirt werden. Ausser dem Kathe-
der des Professors befindet sich in jedem Saale noch ein erhöhter Platz
für einen besonderen Gardien, Die Schüler, die sich zur Aufnahme in
die erste Section melden, haben nur nachzuweisen, dass sie das Alter.von
dreissig Jahren (über welches hinaus überhaupt kein Schüler in der An--
stalt bleiben darf) noch nicht erreicht haben; neuerlich ist die, wohl kaum
ganz haltbare Bestimmung hinzugefügt", dass sie auch ein Certificat irgend
eines bekannten Professors über ihre Qualification beibringen müssen. Die
Aufnahme selbst und die Bestimmung des Platzes wird von einer grossen,

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436 Kunstroisc im Jahr 1845.

zu Anfang jedes Halbjalires stattfindenden Concurrenz abhängig gemacht,
welche, bei dem grossen Zudrang, in der Regel mehrere Wochen dauert.
Das Bestehen in dieser Concurrenz giebt aber nur für das eine Halbjahr
das Anrecht auf einen Platz in der Anstalt; definitiv als Schüler wird
nur derjenige betrachtet, der in einer der folgenden Concurrenzen eine
Medaille gewonnen hat; dieser braucht wegen des Rechtes auf einen Platz
nicht von Neuem mitznconcurriren.

Für den Unterricht in der Anatomie war, wie mir gesagt wurde, ur-
sprünglich jener halbrunde Saal, den jetzt das grosse Wandbild von De-
laroche schmückt, bestimmt. Seither hatte man denselben in einem nicht
wohleingerichteten Saale unter den Räumen der Gypsgiesserei abgehalten,
und soll für ihn gegenwärtig ein besondrer theaterförmiger Bau ausgeführt
werden. Für die Perspektive* und die architektonischen Lehrfächer dienen
zwei, nicht bedeutend grosse Classen, in denen sich die Sitzbänke, dem
Katheder des Professors gegenüber, treppenartig erheben. Tische sind vor
diesen Bänken nicht vorhanden, so dass die Schüler, wenn sie schriftliche
Notizen machen oder etwas nach den Darstellungen des Professors auf-
zeichnen wollen, dies auf dem Knie thun müssen. Auch eine solche Ein-
richtung möchte sich nicht als sonderlich fruchtbringend empfehlen. Der
Sitz des Gardiens fehlt übrigens auch in diesen Classen tiicht. Bei der
geringeren Anzahl derjenigen, welche sich der Arcliitektur widmen, ist
für sie die Aufnahme aus räumlichen Gründen nicht beschränkt. Dieselbe
wird jedoch ebenfalls von einer Concurrenz, d. h. hier von einem Examen,
abhängig gemacht.

Die Kleinlichkeit und Beschränktheit dieser Lehr-Classen, den kolos-
salen Räumen, über welche die
Ecole des heaux-arts ausserdem gebietet,
gegenüber, die geringe Zeit, die dem Unterricht, wenigstens dem wich-
tigsten, gewidmet ist, macht auf den Fremden, der an französische Sitte
nicht gewöhnt ist, einen seltsamen Eindruck. Doch muss hier beiläufig
eingeschaltet werden, dass es in Folge einer neuerlich getroffenen Bestim-
mung den Schülern verstattet ist, in der Sammlung von Gypsabgüssen
nach der Antike während vier Tagen in der Woche, täglich sechs Stunden
lang, nach eigner Wahl und nur im Beisein eines Gardiens zu zeichnen,
— eine Begünstigung, von der indess bis jetzt wenig Gebrauch gemacht
werden soll.

Es scheint mir aber, als ob das ganze Unterrichtswesen an der Ecole
des heaux-arts,
ihrem Namen zum Trotz, nicht gar viel mehr als nur eine
nothwendige Formalität, nur ein nothwendiges Yehikel für ein Andres sei,
welches aus der innersten nationeilen Eigenthümlichkeit der Franzosen
hervorgegangen ist, und welches offenbar (was schon ein flüchtiger Blick
in die Reglements bestätigt) den Hauptgegenstand der Thätigkeit für Schüler
und Professoren ausmacht. Dies ist wieder das Concurrenzwesen, das
sich hier zu einem förmlichen, sehr ausführlichen, complicirten und nicht
ohne Schwierigkeit zu durchdringenden System entwickelt hat. In der
ersten Section finden an jährlichen Concurrenzen statt: zwölf sogenannte
„Concoiirs d^emulation'^; je zwei Concurse in der Perspektive, in der Ana-
tomie, in der skizzirten Composition historischer Landschaften und in der
ebenfalls skizzirten figürlich historischen Composition (diese doppelt, für
Maler und Bildhauer); für Landschaftsmaler ferner ein sogenannter
„Con-
eoiirs de Vavbre^,
zur Darlegung der Technik in ausgeführter Darstellung;
für Historienmaler und Bildhauer ein
„Concoiirs de la tete d'expression^

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KuDst-Anstalten iu Frankreich. "" 437

(lebensgrosse Köpfe,mit besonderem gegebenem Ausdruck); endlich für
Historienmaler ein Concurs in gemalten lebensgrossen Halbfiguren. Der
Preis -des vorletzt genannten Concurses besteht in der Summe von 100
Francs, der des letztgenannten in der Summe von 300 Francs; die Preise
der übrigen Concurrenzen in Medaillen, und zwar Medaillen von drei Clas-
sen, deren Gewinn und die darauf beruhende Classification, sowie ausser-
dem der Erfolg elirenvoller Erwähnung
{„Mention'^) den sämmtlichen Con-
currenzen wiederum eine vielfach vermehrte Nüancirung giebt. — 'Die
zweite Section, die der Architekten, hat ebenfalls eine sehr grosse Anzahl
von Concurrenzen. Die Schüler zerfallen zu diesem Behuf, je nach den
Erfolgen ihrer Studien, in zwei Klassen. Die zweite Classe hat jährlich
zwei Concurse in der Mathematik, drei in der Construction (für Stein-,
Holz- und Eisen-Construction) und zwölf in der architektonischen Com-
position; die erste Klasse hat einen Concurs in der Perspektive, einen in
der Construction und zwölf in der Composition. Auch hier werden, ausser
der ehrenvollen Erwähnung, Medaillen zu drei Klassen vertheilt, was, wie
bei der ersten Section, zur erheblichen Nüancirung der einfachen, in den
Concurrenzen erreichten Erfolge dient. — Gewiss tragen die Concurrenzen
wesentlich dazu bei, die jungen Künstler zum anhaltenden Fleisse zu
gewöhnen, wie denn überhaupt die französischen Künstler wegen ihres
Fleisses allgemein gerühmt werden. Die richtige Weise der Thätigkeit
scheint mir damit jedoch keinesweges verbürgt, und noch viel weniger
möchte ich behaupten, dass eine Thätigkeit, die fort und fort nur im Hin-
blick auf die äusseren Erfolge betrieben wird, für die künstlerische Aus-
bildung wahrhaft heilbringend sein könne.

Das Lehr-Personal der Akademie bestellt aus sieben Malern und fünf
Bildhauern, welche abwechselnd den Zeichnen-Unterricht der ersten Section
leiten (so" dass jeder von ihnen hiebei jährlich einen Monat lang beschäf-
tigt ist) und die Jury bei den Concurrenzen der ersten Section ausmachen,
aus den Professoren für Anatomie, Perspective, Geschichte und Alter-
thümer, und aus fünf Professoren für die architektonischen Lehrfächer,
welchen letzteren, zur Bildung der Jury für die Concurrenzen der zweiten
Section, eine aus zwanzig Architekten bestehende Commission'zugesellt ist.
Bei eintretender Vacanz wählen die übrigen Professoren den Nachfolger,
unter Vorbehalt der Genehmigung des Ministeriums. Den Vorsitz in den
gewöhnlichen, alle Monat stattfindenden und in den ausserordentlichen
Versammlungen der Professoren hat der Präsident, der sein Amt auf Jah-
resfrist verwaltet, und der in Behinderungsfällen durch einen Vice-Präsi-
denten vertreten wird. Der Vice-Präsident ist stets designirter Nachfolger
des Präsidenten. Er wird von den Professoren jährlich, beim Abgange des
Präsidenten, aus ihrer Mitte gewählt und dem Ministerium darüber Anzeige
gemacht. Das Amt des Präsidenten besteht zunächst darin, die Verhand-
lungen in diesen Conferrenzen mit den üblichen Formen in geregeltem
Gange zu erhalten; doch ist er so wenig vor seinen Collegen bevorrechtet,
das^ er bei Stimmengleichheit nicht den Ausschlag geben darf; vielmehr
muss in solchem Falle die Abstimmung so lange wiederholt werden, bis
eine Entscheidung erfolgt ist. Im Uebrigen zeichnet der Präsident die
wichtigsten der von der
l^cole ausgehenden Schreiben, namentlich die,
welche eine finanzielle Verantwortlichkeit erfordern. Der eigentliche Chef
für die innere Verwaltung ist der Sekretär; die Stellung derselben ist so
selbständig, dass er über die Angelegenheiten der Anstalt mit dem vorge-

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438 Kunstreise im Jahr 1845.

ordneten Ministerium und mit andern Behörden in den meisten Fällen ohne
Mitzeichnung des Präsidenten correspondirt.

In nächstem, — -wenn ich mich so ausdrücken darf: moralischem Zu-
sammenhange mit den bei der
Ecole des heaux-arts stattfindenden Con-
currenzen stehen die grossen , von der
Academie des heaux-arts ausge-
schriebenen Concurrenzen, welche den Sieger nach Italien führen und
dazu bestimmt sind, die möglichst gediegene Ausbildung der vorzüglich-
sten künstlerischen Talente des Volks zu vermitteln. Ich muss indcss,
che ich hievon spreche, noch einige andere Punkte berühren.

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Atelier-Unterricht zu Paris.

Da durch die Ecole des heaux-arts, als Unterrichts-Anstalt, für die
Ausbildung der jungen Künstler in so vi^enig zureichender "Weise gesorgt
ist, so machen sich statt dessen in Paris Privatanstalten geltend, welche
diesen Mangel ersetzen sollen. „Pri vat-A teliers" sind dieselbsn aber
kaum zu nennen, da nach den mir gewordenen Mittheilungen jenes ver-
traute Verhältniss des Schülers zum Lehrer, das wir in Deutschland ge-
wohnt sind, und das bei uns sogar mit Glück auf die "Verhältnisse öffent-
licher Anstalten übergetragen ist, in Paris nur in den seltensten Fällen
vorkommen dürfte. Die Privat-Schule ist in der Regel in gar keiner Ver-
bindung mit dem Atelier des Meisters, mehr oder weniger von dem letz-
teren entlegen, und wird von dem Meister in der Regel nur zweimal
wöchentlich auf einige» Stunden besucht. Das Studium in diesen Schulen
ist insgemein, wie wir es nennen, akademischer Art, nach der Antike,
nach dem lebenden Modell, u. s. vv. Zum Theil, wie gegenwärtig z. B.
in der Schule des Malers Cogniet, der zu den besten jetzt labenden Ma-
lern in Paris gehört, wird der Eifer der Schüler auch hier durch Concur-
renzen und ausgesetzte Preise rege erhalten. Es liegt in der Natur der
Sache, dass die subjectiven Ansichten des Meisters über die Erfordernisse
des künstlerischen Bildungsganges in diesen Anstalten von bedingendem
Einflüsse sein müssen; so hatte z. B. Delaroche die Uebung im Componi-
ren nach Möglichkeit gefördert, Ingres derselben aus Principien möglichst
entgegengearbeitet. Dass in diesen Schulen jenes, so wünschenswerthe
nähere Verhältniss des Schülers zum Lehrer gar nicht zu Stande kommt,
mag wesentlich in der sittlichen Entartung der französischen Jugend lie-
gen; von der Rohheit und Gemeinheit der künstlerischen Jugend in Paris
hat man mir ein trauriges Bild entworfen. Es ist bekannt, dass Delaroche
seine Schule vor einigen Jahren, wegen der allergröbsten Excesse, die
darin vorgefallen waren, ganz hatte auflösen müssen. — Es scheint aber,
dass eine beträciitliche Anzahl junger Künstler auch diesen Privat-Unter-
richt nicht einmal benutzt oder dass ihnen die Mittel dazu fehlen, und
dass sie ganz aiif eigne Hand das Nothdürftige zur Gewinnung einer künst-
lerischen Existenz zu erlernen suchen. "Wenigstens fand ich die Öffent-
lichen Gallerien im Louvre und im Luxembourg stellenweise mit Staffe-
leien überfüllt, auf denen die Meisterbilder zum Theil in wahrhaft ab-
schreckender, kenntnisslosester Weise copirt wurden.

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Kurist-Auslalten in Frankreich. 439

3 Kunst-Schulen in den Departements. ^

Neben den Pariser Anstalten zur Knnstbildnng müssen auch diejenigen,
welche in den andern grossen Städten des Landes vorhanden sind, in Be-
trachtgezogen werden. Aus eigner Anschauung kenne ich dieselben nicht.
Man sagte mir, dass die Regierung, so sehr sie die Anstalten zur künst-
lerischen Bildung der Handwerker fördere, die in den Provinzialstädton
vorhandenen und aus Communal-Mitteln erhaltenen eigentlichen Kunst-
schulen absichtlich ignorire und denselben so wenig wie möglich entgegen-
komme; das schon vorhandene Uebermaass von Halbkünstlern, das sie
nicht noch mehr vermehren wolle, mache ihr dies zur Pflicht. Ausge-
nommen hievon seien nur zwei Kunstschulen, die zu Dijon und die zu
Lyon, die, obgleich beide ebenfalls aus Communalfonds bestehend, siclj
doch besondrer Zuschösse aus Staatsfonds erfreuten; beide verdankten vor-
nehmlich ihrem höheren Alter, da sie schon aus der Zeit vor König
Louis XIV. herrührten, diese Sorge für ihre fernere Unterhaltung. Mir
wurde ferner mitgetheilt, dass die Kunstschule zu Lyon überhaupt sehr bedeu-
tend sei, sowohl in rein künstlerischer Beziehung, wie sich denn die Lyoner
Malerschule (deren Vorzug in dem „Fini'^ bestehen soll) einer namhaften
Anerkennung in Frankreich erfreut, als auch in Bezug auf die Sorge,
welche sie, mit Rücksicht auf die industrielle Bedeutung Lyon's, wieder-
um der künstlerischen Ausbildung der Handwerker widmet. Unter den
übrigen Kunstschulen Frankreichs soll besonders die lediglich aus städti^-'
sehen Mitteln bestehende
„Ecoledes heaux-arts et des sciences industrielles^^
zu Toulouse, einem durch reges künstlerisches Interesse ausgezeichneten
Orte, auf bedeutende und erfreuliche Weise wirken.

Aus den Statuten dieser Anstalt, die ich näher einzusehen Gelegen-
heit hatte, geht hervor, dass sie in der That sehr umfassend ist, indem
sie zunächst, in verschiedenen Abtheilungen, eine praktische Musikschule
enthält; sodann einen sehr vollständigen Cursus im Zeichnen,»in verschie-
denen Stufen,^von den ersten Anfängen bis zum Zeichlien nach dem lebenden
Modell; Unterricht in der Malerei, theoretisch, praktisch und bis .zur freien
Composition; Unterricht in der Sculptur, ebenfalls in verschiedenen
Klassen; Unterricht in der Anatomie, in den mathematischen und mecha-
nischen Wissenschaften, in den graphischen Künsten, denen hier die Per-
spective zugezählt ist, in der Constructionslehre nach ihren verschiedenen
Beziehungen und in den Hauptgegenständen der Architektur. Unter den
besondern Vorschriften scheinen mir namentlich die bemerkenswerth,
welche zur Aufnahme in jede höhere Unterrichts-Klasse das Qualifications-
attest von Seiten der Lehrer der niederen Klasse als erforderlich bezeichnen,
und die Bestimmungen, welche die speziell genausten Rapporte über den
Klassenbesuch vorschreiben. Die Verwaltung der Schule schißj|it von dem
„Direktor" derselben ziemlich selbständig geführt zu werden, bis auf
die Punkte, in welchen er in höherer Instanz dem Maire der Stadt
verantwortlich ist. Preisvertlieilungen finden am Schluss jedes Schul-
jahres statt.

Wie bedeutend aber auch möglicher Weise die Wirkung einzelner
Kunstschulen in den Provinzialstädten Frankreichs sein mag, die centrali-
sirende Kraft von Paris bringt es dennoch mit sich, dass die jungen Künstler
dort ihre höhere Ausbildung suchen. Paris bietet ihnen die glänzendste

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440 Kuüstroise im Jahr 1845.

Fülle reicher Sammlungen zum Studium, das Vorbild regster Thätigkeit
von Seiten lebender Meister, den Stachel zum emsigsten Wetteifer in den
zahllosen Concurrenzen der
Ecole des beaux-arts, endlich in den grossen
akademischen Concurrenzen die Aussicht auf glorreiche Bethätigung des
eignen Talents, auf sorgenfreie Studienjahre in Italien und, als weitere
Folge und wichtigsten Gewinn des Sieges, auf eine gesicherte, wohlbe-
griindete Zukunft.

Acaddmie des beaux-arts zu Paris.

Die Academie royale des beaux-arts bildet bekanntlich die vierte
Klasse des
Institut roijal de France und steht mit diesem unter dem Mini-
sterium des öffentlichen Unterrichts. Sie vertritt, — wie das Institut
überhaupt die im Staat lebendige Intelligenz repräsentirt, — die künst-
lerische Intelligenz. Nach den vorzüglichsten Kunstfächern zerfällt sie in
die fünf Sectionen der Malerei, Bildhauerkunst, Baukunst, Kupferstecher-
kunst und Musik. An ordentlichen, in Paris ansässigen Mitgliedern zählt
die Akademie 40 (14 Maler, 8 Bildhauer, 8 Architekten, 4 Kupferstecher,
6 Musiker); diesen sind 10 sogenannte
Academiciens lihres (Ehren-Mit-
glieder), 10
Assosies etrangers und 40 Correspondenten zugesellt, so dass
die Anzahl der die Akademie ausmachenden und^ mit ihr verbundenen
Personen, wenn sie vollständig ist, sich auf 100 beläuft; wozu noch die
Person des Sekretärs kommt, der, auch wenn er nicht aus den ordent-
lichen Mitglieder gewählt worden, doch alle Rechte eines solchen hat.
Die ordentlichen Mitglieder der Akademie haben ein Gehalt von 1500
Francs, dessen vollständige Auszahlung übrigens von dem regelmässigen
Besuch der wöchentlich stattfindenden Sitzungen abhängt. Bei eintretender
Vacanz ergänzen sich die Mitglieder durch selbständige Wahl, wobei min-
destens zwei Drittheile anwesend sein müssen und einfache Stimmenmehrheit
entscheidet. Die Verhandlungen der Akademie leitet ein Präsident, der,
wie bei der
Ecole de beaux-arts , sein Amt auf die Dauer eines Jahres
inne hat und stets durch den Vice-Präsidenten ersetzt wird; den letzteren
ernennt die Akademie durch freie Wahl. Der Staatsregierung gegenüber
1'}, ' bildet die Akademie die oberste begutachtende Kunstbehörde in allen da-

5 hin einschlagenden Fragen. Ausserdem sollen die Mitglieder nützliche

Vorträge über wichtige Kunstfragen halten, und vornehmlich sind sie von
Staats wegen beauftragt, ein
„Dictionnaire general des beaux-arts" auszu-
arbeiten; man sagte mir, dass sie damit schon länger als zwanzig Jahre
beschäftigt seien, doch ist von dieser Arbeit bisher noch Nichts ans Licht
getreten. Praktisch tritt ihre Wirksamkeit ins Leben durch die Veran-
staltung der grossen Concurrenzen und durch die stete Verbindung,
in welcher ^sie mit den Pensionairen, welche die Preise errungen, bleiben.
Jährlich finden fünf grosse akademische Concurrenzen statt, nehmlich
ö alle Jahre wiederkehrend eine Concurrenz für Maler, Bildhauer, Archi-

tekten und Musiker, alle zwei Jahre eine für Kupferstecher und alle vier
Jahre eine gemeinschaftlich für Medailleure und Steinschneider und eine
für das Fach der historischen Landschaft. Als Local für die Concurrenzen
dient die
lEcole des beaux-arts, deren Administration auch zu den sämmt-
lichen äusseren Geschäften, welche dabei vorkommen, hinzugezogen wird.
Der Gang der Concurrenzen ist aufs Vollständigste und Genauste geregelt

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KuDst-Anstalten iu Frankreich. "" 441

und vorgeschrieben. Um zur Concurrenz zugelassen zu werden, ist zu-
nächst der Nachweis nöthig, dass der Aspirant von Geburt oder durch
Naturalisation Franzose sei und das Alter von dreissig Jahren noch nicht
erreicht habe; neuerlich ist noch die Bestimmung hinzugefügt, dass er das
Certificat eines bekannten Meisters beibringen müsse und noch nicht ver-
heirathet sein dürfe (wie auch der Pensionair, der sich etwa in Rom ver-
heirathet, den'^Fortgenuss der Pension verliert). Nur die Kupferstecher
und Medailleure sind verpflichtet, ausserdem noch Proben ihrer früheren
Arbeiten vorzulegen, und die Musiker, ein besonderes Examen zu be-
stehen. Vorläufige kleinere Concurrenzen
(concours d'essai)^ in der Regel
zwei, entscheiden sodann über die Zulassungsfähigkeit zu der grossen und
definitiven Concurrenz, Ehe über letztere die Entscheidung erfolgt, wer-
den die Concurrenz-Arbeiten (mit Ausnahme der musikalischen) drei Tage
hindurch öffentlich ausgestellt, um dadurch das Ürtheil des Publikums
vernehmen zu können. Eine erste vorläufige Entscheidung erfolgt von
Seiten derjenigen Section der Akademie, zu deren Fach die betreffenden
Arbeiten gehören; die definitive Entscheidung geht von der Gesammt-
Akademie aus. Je nach den Umständen werden verschiedenartige Preise
vertheilti Der erste grosse Preis besteht in einem Kranze, einer goldenen
Medaille von 200 Francs Werth, der Ertheilung eines Diploms und dem
Genüsse einer mehrjährigen Pension zur ferneren künstlerischen Ausbil-
dung, vorzugsweise in Italien. Der zweite grosse Preis besteht in einer
goldenen Medaille von 120 Francs "Werth und einem Diplom. Neben dem
letzteren wird nach neuerer Bestimmung gelegentlich auch noch ein
„deuxieme second grand prix'^ mit ähnlich entsprechender Belohnung er-
theilt. Mit allen grossen Preisen, welche das Institut de France vertheilt,
ist zugleich Freiheit von der Militärpflicht verbunden. Anderweitig ver-
dienstvolle Concurrenz-Arbeiten werden ausserdem noch durch „ehrenvolle
Erwähnung" des Verfertigers ausgezeichnet. Für die Kosten, welche die
Arbeiten der Haupt-Concurrenz verursacht haben, wird den Concurrenten
eine besondre Entschädigung bewilligt.

Die mit Erlangung des ersten grossen Preises verbundene Pension wird
den Historienmalern, den Bildhauern, Architekten, Kupferstechern und
Musikern auf fünf Jahre, den Landschaftsmalern, Medailleuren und Siein-
schneidern auf vier Jahre ertheilt. Sie beträgt für den Aufenthalt in Ita-
lien jährlich 1200 Francs, wovon jedoch jährlich 300 Francs zurückgehalten
und erst im letzten Jahre nachgezahlt werden, nachdem die Pensionaire
den sämmtlichen ihnen auferlegten Verpflichtungen nachgekommen sind.
Ausserdem erhalten die letzteren 600 Francs zur Reise nach Italien und
eben so viel zur Rückreise. Die Pensionaire begeben sieh von Paris ge-
rades Weges nach Rom, wo sie in die
Academie de France eintreten und
insgemein, kleinere Ausflüge und Reisen abgerechnet, die ganze Dauer
ihres Pensionats hindurch verbleiben. Die Musiker jedoch halten sich nur
zwei Jahre in Rom auf, besuchen das folgende Jahr Deutschland und
setzen ihre Studien während der letzten beiden Jahre in Paris fort. Den
Architekten soll es neuerlich verstattet worden sein, während des vierten
Jahres Griechenland zu besuchen.

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442

Kunstreise im Jalir 1845.

Acaddmie de France zu Rom.

Die Äcademie de France zu Rom, (die in administrativer Bezieliuiig
wiederum unter dem Ministerium des Innern steht,) besitzt bekanntlich in
der auf Monte Pincio belegenen Villa Medici ein sehr anmuthvolles Lokal.
Hier erhalten die Pensionaire ihre Wohnung, Ateliers und Beköstigung;
in dem Modellsaale der Anstalt, wo täglich zwei Stunden lang nacli dem
lebenden Modell gezeichnet wird, in der ausgezeichneten Sammlang von
Gypsabgüssen und der Bibliothek, die die Anstalt besitzt, ist ihnen Ge-
legenheit zu mannigfachem Studium gegeben. Im Uebrigen hat die Anstalt
eine ziemlich strenge, Seminar-artige Verfassung. An ihrer Spitze steht ein
Direktor, stets einer der ersten Künstler Frankreichs, der sein Amt auf
die Zeit von sechs Jahren verwaltet, wodurch die Regierung Gelegenheit
gewinnt, nach und nach den vorzüglichsten Meistern einen bequemen
mehrjährigen Aufenthalt in Italien zu gewähren. Die Pensionaire haben,
nach genauer Vorschrift und in geregelter Folge, Studien-Arbeiten anzu-
fertigen, welche jährlich im Lokal der
Äcademie de France ausgestellt,
dann nach Paris geschickt, dem Urtheil der
Äcademie des heaux-arts
unterworfen und dort ebenfalls öffentlich ausgestellt werden. Zum Theil
bleiben diese Studien-Arbeiten, namentlich diejenigen, welche in den
Copien nach älteren Meisterwerken bestehen, Eigenthum der Regierung;
die letztere erhält hiedurch Gelegenheit, die Kunstsammlungen des Landes
mit interessanten Musterbildern zu bereichern. Die letzte Arbeit des Pen-
sionairs, zumeist aus einer selbständigen grösseren Composition bestehend
(bei den Kupferstechern aus einem durchgeführten Stiche), bleibt Eigen-
thum des Künstlers; zugleich aber ist die Geneigtheit der Regierung (des
Ministeriums des Innern) ausgesprochen, dies Werk je,nach dem Gutachten
der Akademie anzukaufen oder dem Kupferstecher durch Subscription auf
seine Platte einen Ersatz gu gewähren. Dem Architekten, der als ausge-
zeichneter Pensionair heimkehrt, soll statt dessen eine Anstellung als
Aaditeur bei dem
Conseil des batimens publics zu Theil werden. Durch-
weg gewährt dem Heimgekehrten der Titel des
„Ancieti pensionnaire de
UÄcademie de France ä Borne''
und die Anerkennung, welche hiemit ver-
knüpft ist, die Bürgschaft eines für die Zukunft gesicherten künstlerischen
Berufs.

Die Sorgfalt, welche die französische Regierung dieser Angelegenheit
der grossen Concurrenzen und des römischen Pensionats widmet, nament-
lich die bedeutende Zahl der Concurrenzen, die es möglich macht, nach
und nach fast sämmtlichen ausgezeichneten Talenten den Genuss sorgen-
freier Studien-Jahre in Italien zu gewähren, ist unbedenklich höchst be-
achtenswerth; doch sind auch hiebei wieder erhebliche Bedenken nicht zu
unterdrücken, und deutsche Künstler in Paris, welche mit den franzö-
sischen Kunst - Verhältnissen überhaupt und mit denen der französischen
Akademie in Rom insbesondre näher bekannt waren, haben mir dieselben
entschieden bestätigt. Während die Regierung sich ungemein wenig darum
kümmert, ob und welche Vorbildung die jungen Künstler erhalten, wäh-
rend die
Ecole des beaux-arts nur sehr mässige Hülfsmittel dazu darbietet
und die künstlerische Jugend im Uebrigen, gerade in der Zeit, wo eine
feste Grundlage gelegt werden müsste, ganz sich selbst und allen P]iufäl1en
des jugendliehen Ungestüms überlässt, tritt nunmehr, wo eine freie Mei-

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Kunsl-Anstalten iu Frankreich. 443 .

sterschaft nach selbständiger Wahl und selbständigem Urtheil sich entfal- _ 1

ten sollte, plötzlich eine grosse Strenge, eine Reihenfolge genauer Vor-
Schriften, ein schulmässiges üeberwachen der Thäti'gkeit ein. Das Alter
der Pensionairs/"ist dasjenige, in welchem der Genius der Kraft seiner ;

Schwingen sich bewusst wird, in welchem ein kühner, 'gelegentlich die J

Schranken selbst überstürzender Flug verstattet sein muss, und gerade l

jetzt sollen sie anfangen, nach vorgezeichneten, wohl abgemessenen
Regeln zu schaffen, den eignen Drang der fremden Vorschrift unterzu- ;

ordnen. In ein halb klösterliches Leben sollen sie sich fügen, an den
einen bestimmten Ort, an Tag und Stunde gebunden sein, auch zugleich |

sorgfältigst Buch und Rechnung führen, um mit der, gewiss nur geringen 1

Summe von 240 Thalern (900 Francs) für alle diejenigen Bedürfnisse, für |

die die Anstalt nicht unmittelbar sorgt, auszukommen. Und bei alledem |

ist, wie man mir sagte, die Stellung des Direktors Aev Academie de Fraiice [

im Verhältniss zu den Pensionairen keinesweges wiederum die vertrautere
eines Atelier-Vorstandes: im Gegentheil ^ind die jungen Künstler, die
ihre Vorschriften aus der Ferne, von der Pariser Akademie, empfangen,
für das Innere, Wesentliche des Kunstverständnisses wieder nur auf sich
und auf das, was ihnen etwa ein günstiger Zufall zuführt, angewiesen.
Der Direktor ist der Hauptsache nach nur Verwaltungs-Chef, und nur
wenn dies Amt durch eine künstlerisch so entschiedene und moralisch so
imppnirende Persönlichkeit, wie mir namentlich von Ingres berichtet wurde,
verwaltet wird, soll sich naturgemäss auch ein tieferer, mehr auf das In-
nere wirkender Einfluss von seiner Seite zeigen.

Die ganze Art und Weise, wie in Frankreich von Staats wegen und
in Privat-Schulen für die Ausbildung der jungen Künstler gesorgt wird,
dürfte sich hienach nicht als in vorzüglichem Grade nachahmungswürdig
herausstellen, auch wenn wir für den Moment den deutschen Standpunkt ,

verlassen und uns auf den französischen begeben, von welchem aus we-
nigstens jenes gesammte Concurrenzwesen, das der französischen National-
leidenschaft der
Gloire so mächtig entspricht, allerdings von grosser Be-
deutung ist. Vor allen Dingen sind diese Verhältnisse, auch den stets
treibenden Stachel der Concurrenzeu mit eingeschlossen, nicht geeignet, so
grosse und überraschend ausgezeichnete Erscheinungen, wie sie die fran-
zösische Kunst des heutigen Tages in Mitten all der Wirrnisse der grösseren
Künstlermasse wirklich besitzt, zu erklären. Die Gründe für die letzteren
werden auf andrer Seite zu suchen sein.

Die Kunst in Frankreich als Eedürfniss des Staates und der Nation.

Wenn ich bei meinen Beobachtungen nicht gänzlich fehlgegriffen habe,
so beruht der in neuerer Zeit erfolgte und zum Theil doch so glänzende
Aufschwung der französischen Kunst darin, dass die Kunst in Frankreicli
als ein Bedürfniss des Staates und der Nation anerkannt ist und ^emge-
mäss behandelt wird. Bei Regierenden wie bei Regierten scheint die Ein-
sicht oder doch das Gefühl vorhanden, dass die Kunst ein nothwendiges
Glied in der Kette des öffentlichen Lebens sein müsse; König, Staats-
und Communalverwaltung wirken in gleicherweise auf diesen Zweck hin.
Mag hiebci auch in der Ausführung des, Einzelnen nicht immer das Reclite
gegriffen werden, mögen sich fremdartige Einflüsse zum Nachtheil dessen,

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Kunstreise im Jalir 1845.

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worauf es eigentlich ankommt, geltend machen, mag Vieles unter den
monumentalen Unternehmungen wiederum zu sehr vom ausschliesslich
französischen Geiste erfüllt sein, 'um den Deutschen tiefer ansprechen zu
können: immer fühlt man es bei diesen Einrichtungen durch, dass sie auf
einer Basis von volksthümlicher Breite beruhen, dass ihre Existenz keine
zufällige ist und sie vielmehr mit innerer Nothwendigkeit dem Leben der
Nation sich anschliessen. Daher steht denn auch der französische Künstler
nicht verloren unter den übrigen Erscheinungen des Tages da; daher em-
pfängt er seinen positiven Beruf für das Leben und die Pflicht, je nach
der Richtung, welche er verfolgt, für die nationalen Interessen mit thätig
zu sein; daher gewinnt er jene Energie des Charakters, die ihn, den Män-
geln einer zweideutigen Schule zum Trotz, fähig macht, sich zur vollen-
deten, wahrhaft grossen Meisterschaft emporzuschwingen.

Wirksamkeit des Ministeriums des Innern für Öffentliche

Kunstzwecke.

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Das Ministerium des Innern ist mit der Sorge für die Ausführung von
Kunstwerken für öffentliche Zwecke durch anerkannte Meister, für die
Aufmunterung jüngerer Talente durch Uebertragung ebenfalls öffentlicher
Arbeiten (sogenannte
„Encouragemens^), für die Unterstützung alter ver-
dienter Künstler und der Hinterbliebenen von solchen (sogenannte
„In-
demnites'^,
welches Wort den Kammern anständiger geschienen, als der
Ausdruck y^Pensions^^) u. s. w. beauftragt. Zu diesem Behuf steht demsel-
ben ein bedeutender jährlicher Fonds, gegenwärtig, wie man mir sagte,
von 700,000 Francs, zu Gebote. Das Verschiedenartigste an plastischen
Denkmälern, an Gemälden u. dergl., namentlich in Kirchen, ist hiedurch
beschafft worden; Subscriptionen auf Kupferstiche, Veranlassungen zur
Prägung von Medaillen auf bedeutende Ereignisse und Persönlichkei-
ten gründen sich auf diesen Fonds. Doppelte Bedeutung gewinnen die
hiedurch veranlassten Arbeiten, wenn die Aufträge nicht isolirt dastehen,
sondern (was man gern erstrebt) sich an andre grössere Unternehmungen,
dieselben ergänzend, anschliessen; wenn z. B. grosse öffentliche Bauten
auf Veranlassung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten ausgeführt
werden und das Ministerium des Innern die künstlerische Ausstattung
derselben übernimmt; wenn das letztere den ausCommunal- oder Fabrik-
Fonds bestrittenen kirchlichen Bauten in ähnlicher Weise fördernd entge-
gen kommt; wenn es die Kosten der Gedächtnissstatuen grosser Männer,
dergleichen gegenwärtig in so vielen Städten Frankreichs errichtet werden,
tragen hilft u. s, w. Freilich soll, wie man mir sagte, das Ministerium
in derjenigen Verwendung dieser Gelder, die es nach reiflicher Ueberlegung
für die beste halten müsse, nur allzuhäufig gehemmt sein, indem der Ein-
fluss der Deputirten und die dringende Nothwendigkeit, dem letzteren von
Seiten-des Ministers nachzugeben, oft zur Ausführung von Werken Anlass
gebe, deren Zweckmässigkeit man nicht .einsehe, und Künstler zu unter-
stützen, die man dessen nicht geradezu für würdig erachte. "Gleichwohl
kann das, was von jener Summe vielleicht auf nicht ganz geeignete Weise
zersplittert werden mag, so gar bedeutend nicht sein, da sie dennoch, wie
man mir berichtete, wesentlich dazu beiträgt, den ausübenden Meistern,
welche sich eines höheren Rufes erfreuen, eine sichre Existenz zu geben.

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KuDst-Anstalten iu Frankreich. "" 445

Und jedenfalls bleibt jener moralische Erfolg, der aus der officiellen An-
erkennung der Kunst als eines Staatsbedürfnisses entsteht, in dem wesent-
lichen Theile seiner Einwirkung unbeeinträchtigt.

Wirksamkeit der Stadt Paris für öffentliche Kunstzwecke,

Dieser Wirksamkeit der Staatsregierung streben die städtischen Com-
munen, und strebt vor allen die Stadt Paris, die sich freilich sehr bedeu-
tender Einnahmen erfreut, eifrigst nach. Paris hat gegenwärtig ein Kunst-
budget von jährlich 60,000 Francs, welche Summe jedoch in der Regel
nur zur Ausführung von einzelnen Gemälden, Staffelei- oder Wandbildern,
die zur Ausstattung von Kirchen und andern öffentlichen Gebäuden die-
nen, verwandt wird. Für alle eigentlich monumentalen Unternehmungen,
für künstlerisch prachtvolle Bauten, für plastische Monumente oder die
umfassendere plastische, auch malerische Ausstattung der Bauwerke wer-
den stets besondre Fonds bewilligt. Die glänzenden Bauten, welche die
Stadt in neuerer Zeit aus ihren Fonds hat ausführen lassen, sind bekannt;
die kolossale Kirche Ste. Madeleine, die mit Bildwerken und grossräumi-
gen Wandgemälden von der Hand vorzüglicher französischer Meister
geschmückt ist; die' elegante Kirche St. Vincent de Paul, für deren Aus-
stattung durch Wandmalereien (neben dem schon vorhandenen, besonders
in den gemalten Fenstern so bedeutenden bildlichen Schmuck) man'kürz-
lich die Summe von 200,000 Francs bestimmt hat; die glanzvolle Erwei-
terung des Hotel de Ville, dessen neue"* Theile beträchtlich mehr als zwei
Drittel der Gesammtanlage, ausmachen und sich, soweit, sie im Innern fer-
tig sind, durch die geschmackvollste, vielleicht nur zu luxuriöse künstle-
rische Dekoration auszeichnen, u. s. w. In den älteren Kirchen findet man
eine grosse Anzahl von Altarbildern'oder ganz al fresco oder in Wachs
ausgemalter Kapellen, die in den letzten Jahren fast durchweg durch die
städtische Verwaltung beschafft sind; die noch im Werk begriffenen
Wandmalereien in der alten Kirche St. Germain-des-prös, die von dem
Maler Flandrin ausgeführt werden und auf dieselbe Weise veranlasst sind,
muss ich als Arbeiten eines acht kirchlichen Geistes, und zwar als die
würdigsten und grossartigsten, die ich in Frankreich kennen gelernt habe,
namhaft machen. Die Stadt Paris hat das Glück, in dem Bureau-Chef
für das
Departement des heauw-arts bei der städtischen Verwaltung, Herrn
Varcollier, einen Mann zu besitzen, der auf der Grundlage einer wirklich
classischen Kunstbildung diese Angelegenheiten mit lebendigster Hingebung
betreibt und dem zugleich, in Anerkennung seiner Verdienste, vom Prä-
fekten der freiste Spielraum für seine Thätigkeit zu Theil wird.

KönigUcbe Wirksamkeit für die Kunst. Oeffentliche
' Kunstsammlungen.

. Der königlichen Wirksamkeit für die Kunst ist die Sorge für die
grossen öffentlichen Kunstsammlungen vorbehalten. Hier auf ausschliess-
lich königlichem Grund und Boden, in den Prachträumen königlicher
Schlösser, empfängt gewissermassen der Kpnig das Volk und bietet dem-
selben die höchsten Kunstgenüsse als freies Geschenk dar. Die grossen

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446 Kunstreise im Jahr 1845.

Museen des Louvre, Werke älterer Kunst aus allen Zeiten und Ländern
umfassend, das im Luxembourg befindliche Museum von Arbeiten lebender
Künstler, die Gallerie des Palais royal, gleichfalls aus neueren "Werken
bestehend, das fast unermessliche historische Museum im königlichen
Schlosse zu Versailles gehören vornehmlich hieher. Aehnlich verhält es
sich mit den an Kunstschätzen mehr oder weniger reichen königlichen
Schlössern des Elysde Bourbon, zu St. Cloud, Meudon, Trianon, Fontaine-
bleau, Complegne, deren Besuch zu festgestellten Stunden, jedoch auf
besondre Erlaubnisskarten , freigestellt ist. So ressortiren u. a. auch die
beiden Anstalten, welche einem vorzüglich glänzenden Kunstluxus gewid-
met sind, die Manufaktur der Gobelins zu Paris und die Porzellan-Manu-
faktur zu Sövres (wo bekanntlich zugleich Porzellan-Malerei und Glas-
Malerei auf umfassende Weise geübt werden) von der General-Intendantur
der königlichen Civilliste, und auch für ihren Besuch von Seiten des
Publikums sind bestimmte Stunden festgesetzt.

Ich kann hiebei übrigens die Bemerkung nicht unterdrücken, dass
einzelne jener Museen in ihrer äusseren Einrichtung nicht ganz den wür-
digen, gemessenen Eindruck machen, den man nach ihrer Berühmtheit
erwarten möchte. Den Räumen des Louvre namentlich fehlt Ueberein-
stimmung; sie haben zum Theil etwas Unfertiges; es ist, als ob sich der
vielfache Dynastieenwechsel in der neueren Geschichte Frankreichs darin
ausspräche. Mit der prachtvollen Ausstattung einzelner Theile (die zu-
gleich nicht immer den Zweck, die aufgestellten Gegenstände möglichst
genau und vollständig sichtbar zu machen, im Auge behält) contrastirt der
fast allzu grosse Mangel an räumlicher Eleganz in andern. Auffallend
war es mir, dass namentlich auch das erst unter"dem jetzigen Könige
beschaffte spanische Museum in seiner Umgebung noch so wenig monu-
mentalen Charakter hat. Auch die berühmte grosse Gallerie, welche den
Louvre mit den Tuilerieen verbindet und wo die Meisterwerke älterer
Malerei hängen, hat, wenigstens in Rücksicht auf die Beleuchtung, keine
sehr rühmenswerthe Einrichtung. So musste ich ferner bedauern, dass
man die grossen Copien nach Raphaels Fresken in den vatikanischen
Stanzen, welche der Louvre besitzt, nicht zur Grundlage einer besondern
Sammlung von Copien nach den Gemälden der ersten italienischen Meister
zusammengeordnet und dass man es nicht möglich gemacht hat, die im
Obigen genannten, in der Ecole des beaux-arts befindlichen Copien nach
Michelangelo und Raphael damit zu vereinen; ebenso, dass mau im Louvre
(und zwar in verschiedenen Theilen desselben) und in der Ecole des
beaux-arts verschiedene Sammlungen von Gypsabgüssen 'eingerichtet hat,
statt die Kräfte zu einem grossen und umfassenden Museum an Werken
solcher Art zusammenzuhalten.') — Das Museum des Luxembourg,
der lebenden französischen Kunst gewidmet, ist bekanntlich in Rücksicht
auf die Zahl und zumeist auch auf die räumliche Grösse der dort aufge-
stellten Meisterwerke bis jetzt einzig in seiner Art. Doch hat die ganze

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Zur Erklärung dieser Erscheinung dient vielleicht die in Frankreich
stattfindende Eifersucht zwischen den verschiedenen Staats-Gewalten. Auch mag
die befremdliche Anhäufung von Kuustsammlungen in der
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(die, wie schon bemerkt, besonders durch Thiers veranlasst sein soll) ein Ver-
such gewesen sein, das königliche Vorrecht in BetreiT der unbedingten Verwal-
tung der öffentlichen Kunstsammlungen zu untergraben.

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Kunst-Anstalton in Frankreich. 447

äussere Einrichtung hier gar keinen monumentalen Charakter, sie erscheint
vielmehr als eine völlig provisorische. Der'Luxembourg ist gegenwärtig
(ias Palais der Pairskammer; die Gemälde und Statuen sind in den Ober-
räumen zweier Seitenflügel, die nur durch den Uebergang über das olfne
flache Dach des Vordergebäudes zusammenhängen, untergebracht; der ge-
wöhnliche Treppenaufgang zu diesen Räumen ist einer öffentlichen Samm-
lung, die vorzugsweise den Stolz der Nation ausmacht, ganz unwürdig.
Doch will man dieser Sammlung vielleicht mit Absicht keinen monumen-
talen Charakter geben, da die einzelnen Werke in der That hier nicht auf
die Dauer bleiben sollen, vielmehr jedesmal nach dem Tode des betreffen-
den Meisters nach der Galierie des Louvre hinübergeführt werden. Indess
scheint mir auch dies Princip nicht nachahmenswerth. Gegen das Ende
des vorigen Jahrhunderts läuft die alte Kunst mit ihren unmittelbaren
Traditionen ab; mit David (und mit all seinen Zeitgenossen in den übrigen
Ländern, wenn im Einzelnen auch etvTas früher oder später), beginnt eine
neue Kunst, die für sich betrachtet und verstanden sein will und deren
Werke den älteren fremdartig zur Seite stehen. Ein Museum für die neuere
Kunst würde nach meiner Ansicht mit dieser Epoche beginnen und seine
selbständige Einrichtung erhalten müssen.

üm so glänzender und prachtvoller, ein wirkliches Monument von
kolossalstem Umfange, steht diesen Sammlungen das historische Mu-
seum von Versailles gegenüber, die grosse Schöpfung Lou^s Philippe's.
Es ist bekannt, mit welchem rastlosen Eifer, mit welcher Unermüdlichkeit
der König für dasselbe sorgt, wie dasselbe in kürzester Frist dem franzö-
sischen Volke in taugenden von Gemälden und Bildwerken eine Anschau-
ung all seiner Grossthaten, der Persönlichkeit all seiner berühmten Männer
und Frauen gebracht hat. Eine fast übergrosse Fülle von Aufgaben ist
hiedurch der französischen Kunst zu Theil geworden, für die Behandlung
der verschiedenartigsten Gegenstände, für die regste Uebung der Kräfte hat
sich hiedurch die erfreulichste Gelegenheit ergeben. Vieles, sehr Vieles von
diesen Werken ist freilich Fabrikwaare, und gar manchem Künstler thut
man Unrecht, wenn man ihn nach den hier vorhandenen Werken seiner
Hand beurtheilt; bei der Schnelligkeit, niit der das Alles beschafft werden
musste, — veranlasst vielleicht durch den lebhaften Wunsch des alternden
Königs, die Vollendung des grossen Werkes noch zu erleben, — konnte es
wohl kaum anders sein. Dennoch aber ist anzuerkennen, dass die wahr-
haft grossen künstlerischen Kräfte sich auch in dieser schweren Prüfung
bewährt haben, dass sie vielmehr in diesem Ringen erst zu ihrer vollkom-
menen Entwickelung gelangt sind. Vor Allen meine ich hiemit Horace
Vernet, dessen grosse Gemälde aüs der Geschichte der neueren afrikani-
schen Kriege nach meinem Gefühl das Bedeutendete und Vollendetste sind,
was die gesammte französische Kunst alter und neuer Zeit aufzuweisen hat.

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Oeffentliclie Kunst-Ausstellungen zu Paris.

Endlich ressortirt von der Verwaltung der königlichen Civil-Liste, und
zwar speziell von der Direktion der königlichen Museen, die Angelegen-
heit der grossen Kunst-Ausstellungen,
welche jährlich vom 15. März bis

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448

. Kiinstreise im Jahr 1845.

zum 15. Mai im Louvre stattfinden. Das hiebei beobachtete Verfahren und
die gesetzlichen Vorschriften desselben sind einfach und bestimmt. Der
Besuch der Ausstellungen ist unentgeldlich, dafür wird aber auch, soviel
mir bekannt geworden, für den Transport von ausserhalb kommender
Kunstwerke keine Kosten-Vergütung bezahlt. Die Werke müssen zwi-
schen dem 1. und 20. Februar eingeliefert werden; später wird nichts an-
genommen ; auch müssen sie sich im völlig ausstellungsfähigen Zustande
befinden, ohne Kiste und Emballage, wesshalb auswärtige Künstler ihre
Bevollmächtigten in Paris haben müssen. Ueber die Aufnahme der Werke
entscheidet eine Jury, welche aus den ordentlichen Mitgliedern der
Aca-
demie des beaux-arts
(mit Ausschluss der musikalischen Section) besteht und
jedesmal durch den General-Intendanten der Civil-Liste zu diesem Behuf
eingeladen wird. Wenigstens neun Mitglieder müssen dazu versammelt
sein; die Bestimmungen, über die ein doppeltes Protokoll geführt wird,
sind unwiderruflich. Das Aufhängen der Bilder und das Umhängen der-
selben ist lediglich Sache des Direktors der königlichen Museen. Zur Be-
lohnung ausgezeichneter künstlerischer Verdienste, die sich auf den Aus-
stellungen bemerklich gemacht, werden vom Könige nach dem Vorschlage
des Direktors, Medaillen zu drei Classen vertheilt, von denen eine jede
nur einmal erhalten werden kann. In der Regel steigt der Künstler
von der niedern Medaillen-Klasse zu der höhern empor; ebenso folgt auf
die erste Klasse, als weitere Anerkennung, in der Kegel das Kreuz der
Ehrenlegion. — Allgemein bekannt ist der grosse Uebelstand, dass für
diese Ausstellungen kein besondres Lokal existirt und zu diesem Behuf
die Räume der Gemäldegallerie des Louvre (die schon an sich zumeist
keine sonderlich ausgezeichnete Beleuchtung haben) benutzt werden. Für
die ganze Dauer der Ausstellungen und geraume Zeit vorher und nachher
ist somit der grösste Theil der Gemäldegallerie unsichtbar oder unzugäng-
lich, abgesehen davon, dass diese jährlich wiederkehrende Einrichtung den
alten Meisterwerken nach und nach sehr schädlich werden muss.

Der Katalog der letzten Ausstellung (1845) gab mir zu einigen, nicht
ganz gleichgültigen statistischen Beobachtungen über die gegenwärtigen
Kunstverhältnisse Frankreichs Aulass. Er zählt 2332 Nummern, Werke,
die von 1242 Künstlern herrührten. Unter den letzteren werden 1125 als
in Paris und in der nächsten Umgegend Ansässige, d. h. als solche be-
zeichnet, die keines besondern Bevollmächtigten bedurften. 117 Künstler
hatten ihre Werke von ausserhalb eingesandt (und zwar 69 aus andern
Orten Frankreichs und 48" aus dem Auslande), was, da keine Transport-
kosten gezahlt werden, immer als bedeutend erscheint.' Ferner sind in
dem Katalog diejenigen Werke bezeichnet, welche (seit der Ausstellung
des Jahres 1844) auf Veranlassung des Königs und öflfentlicher Behörden
ausgeführt waren. Hieraus ergiebt sich, dass unter diesen Arbeiten auf
Veranlassung des Königs gefertigt waren: 23 Oelgemälde (meist historische
Darstellungen, der älteren Zeit oder der Gegenwart angehörig),* ein Por-
zellan- und ein Aquarellbild, 2 Medaillen und 4 Lithographieen; auf
Veranlassung des Ministers des Innern 28 Oelgemälde (meist kirchlichen
Inhalts), 7 grössere Sculpturen und eine Medaille; auf Veranlassung des
Ministers der öffentlichen Arbeiten eine Büste und eine Medaille; auf Ver-
anlassung des Präfekten der Seine ein Oelgemälde. Dass von den, für die
städtische Verwaltung von Paris gefertigten Gemälden nur dies eine sich

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Kunst-Anstalten in Belgien. 449

auf der Ausstellung befand, beruht wohl darin, dass diese Aufträge
neuerlichst besonders die Ausführung von Wandgemälden in Kirchen
betroffen haben. . • . '

2. Kunst-Anstalten in Belgien.

Die Art und Weise, wie die Kunst in Belgien gepflegt wird, hat viel
Abweichendes von den französischen, zugleich aber auch von denjenigen
Einrichtungen, die wir in Deutschland gewohnt sind. Zunächst und vor-
zugsweise beruht dies in der eigenthümlichen'Gestaltung der aUgemeinen
Verhältnisse des öffentlichen Lebens, d. h. in der so grossen Selbständig-
keit der städtischen Coramunen, in der Bedeutung, dem Vermögen und
dem historisch individuellen Charakter der grösseren Städte, wodurch
einer Centralisation, wie sie besonders in Frankreich stattfindet, entschieden
entgegengearbeitet wird. Man setzt, wie es scheint, einen Stolz darin, diese
Selbständigkeit auch in den künstlerischen Angelegenheiten zu bewahren
und die letzteren möglichst unabhängig von dem centralisirenden Einflüsse
der Regierung zu behandeln, während überhaupt iiie Erinnerung au die
alten Glanzepochen der Kunst in Flandern und Brabant die Achtung vor
der Kunst und die Liebe zu ihren Werken lebendig erhalten hat. Man
erkennt zugleich in den Künsten keine akademische Oberherrschaft an,
wie sie in Frankreich stattfindet; vielmehr steht man den naiven Verhält-
nissen früherer Zeit noch nah, wo Kunst und Handwerk,dieselbe Schule
durchzumachen ^tten und ersteres nur die höhere Blüthe war^ die sich
aus letzterem entwickelte. .

Die Kunst-Akademieen und Ihr Verhältniss zur Staatsregierung.

' *. ' ' -' . ~ '

In allen, auch den kleinsten Städten Belgiens finden sich sogenannte^
,,Kunst-Akademieen" oder Zeiclinenschulen, welche zur allgemeinen Kunst-
bildung, sowohl für diejenigen, die eben nur eine solche erstreben, als
für Handwerker (für die sonst keine artistischen Bildungsanstalten existiren),
als auch zur Vorbildung und gelegentlichen Ausbildung der Künstler be-
stimmt sind. Der Unterricht an diesen Anstalten ist überall unentgeld-
lich. Die Darstellung der menschlichen Gestalt und die Behandlung des
Ornaments bilden zunächst den Hauptgegenstand des in diesen Anstalten
ertheilten Unterrichts. Die Ausdehnung, welche dem letzteren gegeben
wird , ist aber sehr verschieden. Während einige Akademieen , wie es
scheint, nur das Zeichnen nach'Vorlegeblättern und vielleicht nur bei-
läufig nach Gypsmodellen lehren, wird bei andern gründlich nach der
Antike, selbst nach dem Leben gezeichnet, reilien sich hieran die Hülfs-
wissenschaften der Anatomie und Perspektive, werden die verschiede-
nen Gattungen der Kunst sorgfältiger geschieden, wird, wie im Modelliren,
so auch im Oelmalen Unterricht ertlieilt, die selbständige künstlerische
Composition-gepflegt und das Verschiedenartigewas zur. Bildung des

Kugler, Kleine Schriften. HI. , - 29 .

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Kiinstrelse im Jahr 1845.

450

Architekten iiöthig ist, gelehrt. Die Kunst-Handwerker sollen gelegent-
lich an den höheren Stadien des künstlerischen Unterrichts Theil nehmen
und in diesen Classen Tüchtiges leisten; ebenso aber sollen hiedurch auch
nur zu häufig unglückliche Halbkünstler erzogen werden. Im Allgemeinen
klagt man, dass bei dieser grossen Menge von Kunstschulen gar kein ge-
meinsames System obwaltet, sondern jeder Direktor ganz nach Gutdünken
verfährt. Zu den wichtigsten Akademieen gehören zunächst die von
Brüssel, Lüttich, Brügge, Gent, Namur, Mecheln, Löwen.
Die letztere gilt als eine besonders wohl eingerichtete Schule; die Aka-
demie von Gent wird als die vorzüglichste Anstalt in Belgien für das
Fach der Architektur bezeichnet; die Akademie von Brüssel erfreut sich
derjenigen Förderungen, welche sich an einem Orte, der der Sitz der Re-
gierung ist, von selbst ergeben. Die Haupt - Akademie aber ist die von
Antwerpen. Im Wesentlichen bestehen diese Anstalten aus Communal-
fonds; nur einzelne von ihnen erhalten Zuschüsse von Seiten der Staats-
regierung. So ist es bei den Akademieen von Lüttich und Brügge der
Fall, wofür der Regierung die Genehmigung der Wahl der Lehrer vorbe-
halten ist. Andre Orte, wie z. B. Brüssel, haben die von der Regierung
angebotenen Zuschüsse abgelehnt, um sich einer solchen Controle nicht
zu unterwerfen. Bei der Akademie von Antwerpen wird die'Hälfte des
jährlichen Etats, der im Ganzen 50,000 Francs ausmacht, von der Stadt,
die Hälfte von der Regierung getragen; die Anstalt gilt desshalb als ein Staats-
Institut. Im Uebrigen werden den einzelnen Akademieen gelegentlich kleine
Unterstützungen von Seiten der Regierung bewilligt. Auch werden jähr-
lich von den Gouverneurs der verschiedenen Provinzen Berichte über den
Zustand des Unterrichts jeder einzelnen Akademie und über die Theil-
nahme an demselben eingesandt und dabei die Bewilligung von Medaillen
für die jährlich stattfindenden gewöhnlichen Concurrenzen in Antrag
gebracht; indem sich die Regierung die Ertheilung dieser Medaillen vor-
behalten hat, gewinnt sie wenigstens so viel, dass sie durch die desfalls
erforderlichen Berichte eine Uebersicht des Ganzen und die Gelegenheit
behält, im besondern Nothfall einschreiten zu können. Ausser den 25,000
Francs, welche die Regierung für die Akademie von Antwerpen verwendet,
stehen derselben noch andre 25,000 Francs zur Unterstützung der übrigen
Akademieen zu Gebote. Die gesammten Kunst Angelegenheiten ressortiren,
soweit' sie die Staats-Regierung betreffen, von dem Ministerium des Innern.

Akademie von Antwerpen. ■

Die Academie royale oder Koninglyke ÄJcademie von Antwerpen er-
freut sich eines glänzenden Aufschwunges und bestrebt sich, dem Begriffe
einer Kunst-Universität nach den Anforderungen der heutigen Zeit mög-
lichst nahe zu kommen; doch hat auch sie den dreifachen Zweck, sowohl
zur allgemeinen artistischen Bildung der Jugend, als zur künstlerischen
Ausbildung der Handwerker, als äuch, und vorzugsweise, zur höheren und
eigentlichen Kunstbildung zu dienen. Im Jahre 1841 ist die Akademie
vollständig neu organisirt worden. Sie hat in demselben Jahre unter kö-
niglicher Genehmigung ein Statut erhalten, welches in manchen Punkfen
bereits wesentlich von den bei älteren Akademieen getroffenen An-
ordnungen abweicht und eine neue Bahn vorzeichnet , während andre

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Kunst-Anstalteu in Belgien.

Punkte desselben die allerdings " noch unter' Nachwirkung des alt-
akademischen Formelwesens entstanden waren,, • neben dem frischen Zuge
der Gegenwart gar nicht haben zur Ausführung kommen können. Ein im
Jahre 1842 in der Akademie selbst verfasstes Reglement für ihre innere
Ordnung betrifft uur das Positive und Ausftihrbare. Man fühlt es übrigens
den in beiden Dokumenten enthaltenen Bestimmungen deutlich an, dass
das Institut noch so ganz neu ist und wenigstens bei der Abfassung der
Regleme'nts noch der genügenderen praktischen Erfahrungen ermangelte:
es ist in Vorschriften und Üntcrrichts-Plänen zu viel spezialisirt und da-
durch das, worauf es der Hauptsache nach ankam, gelegentlich nicht ent-
schieden genug hervorgehoben. Doch hat sich in den wenigen Jahren
seit der neuen Organisation die Praxis in der That schon gefunden; wie
man mir mittheilte, verfährt man in der Ausführung naiver und freier, als
es nach den Reglements zu erwarten sein möchte. Das ganze Institut ist
jung; unter der Leitung seines gegenwärtigen Direktors,'des Baron Wap-
pers, schreitet dasselbe mit jugendlicher Kraft, seine Zukunft in sich füh-
lend, vorwärts. — Aber noch ein andres moralisch kräftigendes Element,
als das der blossen Jugend, wohnt dieser Kunstschule bei: das der ächte-
sten und innerlichsten flämischen Volksthümlichkeit. Sie ist eine Haupt-
stütze der^ in neuerer Zeit so mächtig und bedeutungsvoll hervorgetretenen
Bestrebungen, das flämisch-deutsche Element in Belgien wieder zu Ehre
und Ansehen zu bringen und dadurch, wenn möglich, der aus Frankreich
eingedrungenen Cultur, Sitte und Sprache' die Oberherrschaft zu entreissen.
Hendrik Couscience, der ausgezeichnetste Schriftsteller flämischer Zunge,
ist Inspector
(^Greffier) der Akademie. Wappers erzählte mir, wie-er
selbst nocJi vor wenig Jahren von Haus zu Haus gegangen sei, mit Noth
und Mülie eine Subscription zur Herausgabe einer ersten Schrift von Con-
science, die kein Buchhändler zu verlegen gewagt, zusammenzubringen,
wie der Erfolg aber in kürzester Frist alle Erwartungen überstiegen habe.
In der That erscheinfen fort und fort neue Auflagen von Conscience's volks-
thümlichen Schriften, die sich in mannigfachen hochdeutschen Ueber-
setzungen auch bei uns mehr und mehr einzubürgern beginnen. Zumeist
sind diese Schriften mit Illustrationen von Künstlern der Antwerpener
Schule versehen, üeberhaupt scheint sich "die letztere auch in ihrer Eigen-
schaft als Schule in direkte Opposition gegen das französische Wesen zu
stellen, indem sie von dem Grundsatze einer frei näturgemässen Ausbil-
dung, — und zwar, wenn auch ohne besondere Nachahmung, so doch in
der Richtung des grossen Meisters von Antwerpen, Rubens,, — ausgeht.
Es kann indess diese Opposition doch wohl nur gegdn französische Aka-
demie-Einrichtungen und was damit zusammenhängt, gerichtet sein, da
die grossen Leistungen der heutigen französischen Kunst, z. B. die von
Horace Vernet, im Wesentlichen ganz derselben Richtung angehören.
Lebhaftes Entgegenkommen finden die Bestrebungen der Akademie beson-
ders von Seiten der Stadt Antwerpen, aus deren Fonds sie, wie schon
bemerkt, zur Hälfte erhalten wird.

Die Angelegenheiten der Antwerpener Akademie ressortiren gleichmässig
von der städtischen Verwaltung und von der Staatsregierung, und zwar
so, dass die zunächst aus der Akademie -selbst hervorgehenden Vorschläge
erst an die städtische Behörde und sodann an das Ministeriuna und, wenn
es erforderlich, an den.König gehen. An der Spitze der Akademie steht
ein Verwaltungsrath, aus neun Mitgliedern bestehend. Permanente Mitglieder

'451

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452 Knnstreise im Jahr 1845,

sind: der Gouverneur der Provinz (dessen Stellung eine ähnliclie ist, wie
die des Ober-Präsidenten bei uns) als Präsident des Verwaltungsrathes,
der Bilrgermeister der Stadt als erster Vice-Präsideiit, der Direktor der
Akademie als zweiter Vice-Präsident. Die übrigen sechs Mitglieder be-
stehen aus zwei Gemeinde-Rathen, zwei Professoren der Akademie und
zwei Kunstliebhabern; von je drei zu drei Jahren scheidet von diesen
Mitgliedern die Hälfte aus und wird durch neue Wahl (wobei die Aus-
scheidenden wieder wählbar sind) ersetzt. Jährlich ernennt der Verwal-
tungsrath aus seinen Gliedern und für seine Geschäfte einen Sekretair
und einen Schatzmeister. Der Verwaltungsräth hat die Oberaufsicht über
alle Angelegenheiten der Akademie und des mit derselben in Verbindung
stehenden städtischen Museums; er versammelt sich zu diesem Behuf mo-
natlich und sonst je nach Bedürfniss. Die Verwaltung selbst soll
einer besondpn
Commission de Surveillance, aus dem Direktor und zwei
Mitgliedern des Verwaltungsrathes, die nicht zu dem Professoren - Colle-
gium gehören, anvertraut werden, und wiederum nach dem Ermessen dieser
Commission (wie nach den Beschlüssen des Verwaltungsrathes) soll der
Direktor liandeln; es scheint sich aber in der Praxis das kürzere und
mehr naturgemässe Verhältniss, dass nämlich einfach der Direktor das
ausführende Organ des Verwaltungsrathes ist, entwickelt zu haben. Hie-
mit ist die Haupthätigkeit des Direktors bezeichnet; seiner speziellen Sorge
gehört die Leitung des Studienganges an; für alles Oekonomische, als
Sekretair für die innern Angelegenheiten und sonst als nächster Gehülfe
in allen Beziehungen steht ihm der Greffier (Inspektor) zur Seite. Wenn
besondre Beschlüsse zu fassen sind, so werden die Professoren durch
den Direktor und unter dessen Vorsitz zur Conferenz "versammelt. Fest-
stehende Lehrer-Conferenzen finden dem Reglement zufolge nicht statt.

Der Unterricht ist durchaus unentgeldlich und verbreitet, sich über
alle Fächer der bildenden Kunst und der dazu gehörigen Hülfswissen-
schaften: Zeichnen nach Vorlegeblättern, nach der Antike, nach dem leben-
den Modell, Elemente der Malerei, Historien-, Genre-, Landschaft- und
Thiermalerei, Sculptur in ihren verschiedenen Theilen, Architektur in
technischer, wissenschaftlicher und ästhetischer Beziehung, der als beson-
dres und für das Seevolk charakteristisches Fach das der Schiffsbaukunst
zugesellt ist. Kupferstich und Holzschnitt, Geschichte, Literatur und Al-
terthümer, Perspective und Anatomie, Proportionen, mathematische Wis-
senschaften u. s. w. Im Unterrichtsplan isind bei jedem Fach diejenigen
andern Fächer genannt, deren Unterricht gleichzeitig besucht werden muss.
Im Allgemeinen zerfällt der Unterricht,, je nach den Fächern, in drei
Curse, einen elementaren, einen mittleren und einen höheren; für jeden
Cursus sind höchstens vier Jahre bestimmt; wer nach Ablauf dieser Frist
nicht fähig ist, in den höheren Cursus emporzurücken, muss die Akademie
verlassen. Die Aufnahme und die Bestimmung, in welchen Cursus oder
in welche Classe der Neuaufzunehmende eintreten soll, wird von einer Prü-
fung abhängig gemacht; mit entschiedener Strenge wird darauf gesehen,
dass vor dem Eintritt in die höheren Classen die elementare Schule auf
vollständig zufriedenstellende Weise absolvirt ist. Auf allgemeine wissen-
schaftliche Bildung werden bei den Aspiranten keine Ansprüche gemacht;
nur bei dem mittleren Cursus gilt an sie die überaus mässige Anforderung,
dass sie lesen und schreiben können. Die Regelmässigkeit des Cjassenbe-
suches wird durch feste disciplinarische Vorschriften erhalten. Jährlich

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Kunst-Anstalteu iü Belgien. 453

linden Concurrenzeu in den verschiedenen Cursen statt, in Folge deren
an die vorzüglichsten Schüler Preise vertheilt werden; die Preise bestehen
in silbernen Medaillen, die ohne Bildwerk und nur mit einer Insrhrift
versehen sind. Man ist in der Akademie aber für diese Einrichtung nicht
sehr eingeporaraen ; man hält diese Weise xler Prämiirnng für kleinlich und
darum für erfolglos, überhaupt aber für unwürdig in Betracht der höheren
Stellung der Akademie. Ausserdem sollen vorzüglich ausgezeichneten,
aber dürftigen Schülern aus den Fonds der Regierung Unterstützungen be-
willigt werden, Eigenthümlich ist die Bestimmung, dass denjenigen, welche
ihre Studien vollendet haben, auf Beschluss des Yerwaltungsrathes Titel
und Diplom eines „Schülers der königliclien Akademie von Antwerpen"
zu Tlieil werden soll. Es scheint, dass diese Bestimmung -wohl nur für
die in der Akademie gebildeten Handwerker getroffen-ist.

Eine der wichtigsten Einrichtungen, die bei der Reorganisation der
Akademie in Aussiebt genommen ist, betrifft die Beschaffung akademischer
Ateliers, in ähnlicher Weise, wie solche zuerst mit so grossem Erfolg
bei der Düsseldorfer Akademie eingerichtet worden sind.« Jedem der zu
gründenden Ateliers soll einer der Professoren der Akademie vorstehen.
Die Aufnahme der Schüler soll von dem Urtheil einer von dem Verwal-
tungsrath ernannten Jury abhängig gemacht werden, und im Fall mehr
Aspiranten als Plätze vorhanden sind, soll-eine Concurrenz zwischen
denselben die Entscheidung herbeiführen. Diese Einrichtung hat aber erst
in geringen Anfängen zur Ausführung gebracht werden können, da es der
Akademie zur Zeit noch an den erforderlichen Räumlichkeiten gebricht-
Doch hofft sie, diesen ihren vorzügliclisten Wunsch bald in Erfüllung
gebracht zu sehen, da sowöhl die städtische Behörde sich gerade für
diesen Punkt ebenfalls lebhaft interessirt, als auch vom Staate Zu-
schüsse zur-Vergrösserung des Lokals bewilligt sind; bedeutende, denw
nächst bevorstehende Um- und Neubauten werden hiezu den erforderlichen
Platz schaffen. ^ ^ '

Alle zwei Jahre finden grosse Concurrenzen statt, welche dem Sieger
auf vier Jahre ein Reisestipendium von jährlich 2500 Francs, die aus Staats-
fonds bewilligt werden, gewähren. Jeder belgische Künstler, der das Alter
von dreissig Jahren noch nicht erreicht hat, ist zur Concurrenz zulässig;
über die eigentliche Theilnahme an derselben entscheidet gewöhnlich ein
vorläufiger Concurs. Der Yerwaltungsrath der Antwerpener, Akademie be-
stimmt nach bestem Ermessen, in welchem Kunstfache die jedesmalige
Concurrenz .stattfinden soll; eine von der Regierung ernannte Jury von
7 — 11 Personen entscheidet, nachdem, die Concurrenzarbeiten acht Tage
lang öirentlich ausgestellt worden,,durch Stimmenmehrheit über den Erfolg
und ertheilt den PreisT Der Y^rwalt-ungsrath schreibt dem Pensionair den
erforderlichen Reiseplan v^r; der letztere hat vierteljärliche Rapporte über
seine Studien und nach Ablauf der ersten zwei* Jahre, sowie nach Ablauf
der ganzen Pensionszeit eine Arbeit seiner Hand einzusenden, die aber
sein Eigenthum verbleibt. Findet die Jury keine der Concurrenzarbeiten
des Preises würdig, so wird der Pensionsfonds zu besondern Aufmun-
terungen an andre ausgezeichnete juoge Kühstier verwandt. — Uebrigens
hält man in der Antwerpener Akademie dafür, dass dieses gesammte, auf
französischen Principien beruhende Coneurrenzwesen eigentlich mehr schäd-
lich als nützlich sei; die jungen Künstler, die, oft mit sehr glücklicher
Anlage, nach Italien gegangen, seien sehr häufig verwirrt und verdorben

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454 Kunstreis« im. Jahr 1815.

zurückgekommen, weil den italienischen (der belgischen Nationalität frem-
den) Meisterwerken gegenüber nur der ganz fertige und mit sich einige
Meister bestehen und von ihnen den erforderlichen Nutzen ziehen könne.
Es dürfte demgemäss auch hierin mit der Zeit eine Aenderung eintreten.

Die äusseren Einrichtungen der Akademie (soweit dieselben bis jetzt
vorhanden) sind vortrefflich und der Bedeutung der Anstalt völlig ange-
messen. Ein Gartenraum, statt des Vorhofes, scheidet die Anstalt von dem
Treiben der Strasse. Linker Hand ist Wohnung und Atelier des Direktors;
im Hintergrund, an einer im Garten aufgestellten Kolossalbüste Rubens'
vorüber, gelangt man zu den geräumigen Gebäuden, welche die Lokali-
täten für den Unterricht, für Administration und Ütensilien-Vorräthe, das
berühmte städtische Museum, in dem beiläufig die Schüler der Malclassen
sich im Copiren üben, und die Ausstellungssäle enthalten, (üeber die
Ausstellungen selbst kann ich erst weiter unten sprechen.) Die Uebungs-
und Arbeits-Säle haben, wie auch die des Museums und die für die Aus-
Ii Stellungen, die höchst lobenswerthe Einrichtung einer vollen Beleuchtung

von oben, wodurch so sehr an zweckmässig benutzbarem Räume gewonnen
^^ und zugleich eine übersichtlichere Disposition im Innern jedes Saales

f ^ möglich gemacht wird. In solcher Art sind z. B. die Säle zum Zeichnen

nach der Antike und die zum Zeichnen nach dem lebenden Modell bei
Tagesbeleuchtung, im Sommercursus, beschaffen. Beiläufig muss ich auch
der sehr zweckmässigen Einrichtung bei den Gypsmodellen nach der An-
tike erwähnen, dass die^Postamente, auf welchen dieselben befestigt sind,
auf nach allen Seiten beweglichen Rollen stehen und dass man sie solcher-
gestalt — da zugleich der Boden in diesen Lokalen durchweg aus Stein-
platten besteht und keine Schwellen in den'Thüren befindlich sind — mit
grosser Bequemlichkeit aus dem Vorrathsraume in die Zeichnensäle schaf-
fen und in diesen je nach dem Bedürfniss wenden kann.

Zum Zeichnen nach der Antike und nach dem lebenden Modell bei
Lampenlicht sind besondre Säle bestimmt. Täglich werden vier lebende
Modelle gestellt, eins davon bekleidet, für Genremaler. In der Anatomie-
Classe sah ich die eigenthümlichen, von dem Lehrer derselben, dem Bild-
hauer Professor Geefs (Bruder des bekannten Bildhauers Geefs in Brüssel)
gefertigten Vorbilder, welche von Sachverständigen als dem Unterricht
sehr erspriesslich gerühmt wurden und aus verschiedenen, übereinander
zu legenden Cartons, je nach der Lage der Muskeln, Sehnen u. s.w., be-
stehen. In der Elementar-Zeichnen-Classe erfreuten mich" die grossen
Wandtafeln, auf denen für die ersten Anfänger die Vorbilder mit Kreide
in grossem Maassstabe hingezeichnet werden. — In allen Uebungssälen
dürfen diejenigen, die nicht durch andre Lehrgegenstände in Anspruch
genommen sind, auch ausser den eigentlichen Unterrichtsstunden den gan-
I r zen Tag über arbeiten, indem zur Aufsicht besondre
Surveillants angestellt

sind. Ueberhaupt wird alles Streben der Schüler auf möglichst liberale
Weise gefördert. Die Benutzung der (zwar nur kleinen) Bibliothek z. B.
geschieht ohne sonderliche Formalitäten und Präcautioneu; man sagte mir,
eine Bibliothek wie diese sei eben für den Gebrauch vorhanden und nicht
zur Conservation. Einen ansprechenden Beweis endlich des schönen und
frischen Tons, der unter den Schülern der Anstalt herrscht, schienen mir
die grossen Tafeln mit Musiknoten zu geben, die ich in einer -der Classen
aufgestellt fand. Sie gehörten einem Gesangverein der Schüler an, dem
hier seine Uebungen abzuhalten gestattet war. Während meines Besuches

Ii

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Kunst-Austalten ifi Helgieii. 455

in der Akademie war es-Abend geworden, iind ich hörte die Schüler in
mehrstimmigem Gesänge durch die Gänge hinausziehen.

Der Besuch der Akademie,.der vor der Reorganisation nur etwa aus
400 bis 500 Schülern jährlich bestand, hat sich in Folge der Reorganisa-
tion schnell sehr bedeutend erhöht. Im, Jahre 1843 belief er sich schon
auf 1124 Schüler, darunter 83Ö aus Antwerpen selbst" und 75 aus dem
Auslande, Unter diesen Schülern befanden sich 401 eigentliche Künstler
(222 Maler, 116 jBildhauer, 43 Architekten, 30 Kupferstecher und Holz-
schneider), 410 Handwerker, 12 dem Militärdienst Angehörige und 292
Schüler, die sich noch zu keinem bestimmten Beruf entschieden hatten.

Das Statut der Akademie spricht auch von einem „Corps academi-
que^, welches bei derselben ins Leben treten sollte. Dasselbe sollte aus
höchstens dreissig, zur Hälfte belgischen, zur Hälfte.auswärtigen, Mitglie-
dern bestehen; auch sollte es, unter dem Namen von
Ägreges, 20 belgi-
sche und 20 auswärtige Künstler zu ausserordentlichen Mitgliedern, sowie
Ehrenmitglieder nach nicht beschränkter Zahl ernennen. Ein Diplom, eine
Kette und Medaille von Gold, eine besondre Uniform waren für die Mit-
glieder in Aussicht gestellt. Jährlich im August sollten die Mitglieder
zusammen kommen, um ihre „Arbeiten" zu halten, nachdem sie für die
letzteren ein besondres „Bureau" ernannt. Diese Arbeiten sollten bestehen
im Verlesen des Protocolls der vorjährigen Sitzung, im Einführen der letzt-
ernannten und bestätigten Mitglieder, im Anhören eines Rapports über den
Zustand der Schule, in Discussionen über zu machende Vorschläge zum
Fortschritt der Kunst, und in der Wahl neuer Mitglieder. — Man sagte
mir in Antwerpen, man habe das, in Brüssel abgefasste Statut In diesen
Punkten doch allzu französisch befunden; man habe.Nöthigeres zu thun
gehabt, als die leere Formalität mit dem Corps acad^mique und den Mit-
gliedern zur Ausführung zu bringen

ficole de Gravüre zu Brüssel.

Ausser der Akademie von Antwerpen existirt in Belgien nur noch
ein artistisches Bildungsinstitut, welches denJNamen einer Staats-Anstalt
führt. Dies ist die
EcoLe Boyale de Gravüre zu Brüssel. Die Verwaltung
derselben steht unter einem
^Administrateur'^; für den Unterricht sind drei
Professoren, einer für das Zeichnen, einer für den^Kupferstich (Calamatla)
und einer für den Holzschnitt angestellt. Aus Staatsfonds empfängt das
Institut eine jährliche Unterstützung von 20,000 Francs. Die Schüler ver-
pflichten sich, vier Jahre in dem Institut zu arbeiten und erhalten, wenn
sie soweit fortgeschritten sind, dass von ihren Arbeiten ein öffentlicher
Gebrauch gemacht werden kann, für die letzteren eine Geldentschädigung.

Der Administrator der Anstalt, Mr„>Dewasme, benutzt, soviel mir
gesagt wurde, die Thätigkeit der Schüler zur Ausstattung eines von ihm

Nach meiner Anwesenheit in Belgien ist zu. Brüssel die Gründung einer
Akademie der Wissenschaften und Künste erfolgt, die, wie es scheint,
eine Nachahmung des histitut de France zu Paris ist und deren eine Abtheilung,
wie bei dem letzteren, durch die
A'cademie des beaux-arts gebildet Avird. Posi-
tive Geschäfte,
Wie bei der^Pariser Academie durch die Leitung der Angelegen-
heiten der grossen Concurrenzön, scheinen den Mitgliedern der letzteren nicht
obzuliegen. . - .

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4-5Ü Kunstreise iui Jahr 1845.

herausgegebenen und mit Illustrationen versehenen Journales, la Benais-
sance.
Das Institut verfolgt somit in gewisser Art zugleich industrielle
Zwecke, was indess bei einem in das Industrielle einschlagenden Kunst-
fache zulässig und selbst zweckmässig sein dürfte.

Privatinteresse für die Kunst.

Sinn für die Kunst und Liebe zu ihr sind ein altes Erbtheil der bel-
gischen Nation; noch heute ist sie mit den übrigen Interessen des Lebens
innig verbunden. Zunächst und vornehmlich mit dem Privatleben. Die
innere Einrichtung der Wohnungen, auch neugebauter, hat noch häufig
jenen, wenn auch beschränkteren, so doch behaglicheren Comfort, der uns
aus den alten Bildern der niederländischen Meister bekannt ist und der
so gern in künstlerischer Weise ausgebildet wird. Oelgemälde namentlich
gehören zu solcher Ausstattung der Wohnungen. Man geht selten an irgend
Ef einem gutgehaltenen Hause vorbei, ohne durch die (überall tief hinabrei-

chenden) Fenster des Erdgeschosses die breiten Goldrahmen der Gemälde
hervorschimmern zu sehen, die an den Wänden der Zimmer aufgehängt
^ sind. Das bedeutende Privatbedürfniss erklärt zunächst die grosse Anzahl

derer, die sich in Belgien der Kunst widmen. Privatstiftungen von Kunst-
j werken in Kirchen sind auch nicht ganz selten.

n

^ Thätigkeit der Communen.

Aber auch öffentlich geschieht Vieles für die Kunst. Wie weit dies

fvon Seiten der Communen, rücksichtlich besondrer Zwecke, der Fall ist,
weiss ich zwar nicht näher anzugeben; mein Aufenthalt in Belgien war zu
beschränkt, als dass ich diesen Verhältnissen im Einzelnen hätte nach-
I gehen können. Jedenfalls ist zu bemerken, dass die Städte sich den Schutz

und die Pflege der Museen, die sich fast an jedem grösseren Ort und meist
' in Verbindung mit den Akademieen befinden, die aber in der Regel nur

der älteren Kunst des Landes gewidmet sind» eifrig angelegen sein lassen.
- Gent ist durch die glänzenden Prachtbauten neuerer Zeit, den Universitäts-

I palast, den Justizpalast, das Theater u. a. m. ausgezeiciinet. Antwerpen

.f und Gent besitzen Privatvereine, sogenannte ^Societes cVencouragemenP'-,

I die für die ölfentliche Anerkennung der Kunst thätig und erfolgreich wir-

ken sollen. 1

's ' ,

I? !

Die Kunst als Staats-Bedürfniss.

Als National-Bedürfniss hat die Kunst auch hier, wie in F'rankreich,
im Staats-Büdget ihre besondern Posten (auch ausser den für die Kunst-
Unterrichts-Anstalten bewilligten Summen) angewiesen erhalten. Neben
den ausserordentlichen Fonds, die für die Ausführung grosser National-
Denkmale — wie für das Denkmal auf der
Place des Martyrs zu Brüssel —
bewilligt werden, finden sich in dem Büdget feststehende Fonds zur Un-
terstützung der von den Städten und Provinzen zu errichtenden Denkmale
grosser Männer Belgiens und zur Prägung von Medaillen auf denkwürdige
historische Ereignisse (10,000 Francs im Büdget des Jahres 1845), sowie
ein nicht unbedeutender Fonds zur Veranlassung andrer Kunstwerke, zu

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Kunst-Anstalteu iü Belgien. 457

Ankäufen, Subscriptionen,. Aufmunterungen u. s. w. (gegenwärtig 55,000
Francs). Auf solche Weise sind manche "Werke entstanden, welche den
Stolz der heutigen belgischen Kunst ausmachen," namentlich jene beiden
grossen Bilder, die Abdankung Karl's V. von Gallait und die Unterzeich-
nung des Compromisses von de Biefve, die kürzlich ihren Triumphzug
durch Deutschland gehalten haben und von denen das erste, in seiner
grossartfg ernsten historischen'Stimmung,' ohne Zweifel zu den gediegen-
sten "Werken der gesammten Kunst des heutigen Tages gehört. Beide Bilder
haben jetzt eine, rücksichtlich der Beleuchtung zwar ausgezeichnet schöne,
aber doch nur provisorische Aufstellung im-Lokal des Cassatiönshofes zu
-Brüssel erhalten; zu ihnen gehören zwei andre Gemälde von ähnlich grosser
Dimension, die Schlacht von "Worringen von de Keyser und eine Scene
der September-Revolution von "Wappers, die eben so provisorisch, das
eine sogar ohne Rahmen, im Vestibül des i^ato's
de la nation zu Brüssel
aufgestellt sind. Alle vier sind zu einem National-Museum bestimmt,
welches vielleicht mit der öffentlichen Gemälde-Gallerie in Brüssel, die,
nebst den übrigen Museen der Stadt, kürzlich in den Besitz der Staats-
regierung übergegangen ist, vereinigt werden wird. "Wenigstens besitzt
diese Gemälde-Gallerie bereits eine Anzahl kleinerer Gemälde von neueren
Meistern.

Kunst-Ausstellungen.

i

Noch ein wichtiger. Punkt in Betreff der offiziellen Einwirkung von
Seiten der Staatsregierung ,betrifft die grossen ^nationalen Kunstausstel-
lungen", welche alle drei Jahre in Brüssel stattfinden, und für die das
Büdget des J. 1845 eine Summe von 20,000 Francs bestimmt. Die Ein-
richtung dieser Ausstellungen und die "Weise, wi"e die Regierung dieselben
zur Förderung der Kunst benutzt, ist sehr eigenthümlich und bemerkens-
werth. Die ganze Verwaltung der Ausstellungen ist einer
Commission di~
rectrice
übergeben, deren Mitglieder, höchstens zwölf, von der Regierung
ernannt werden. Die Geschäfte des Empfangens der Kunstsachen besorgt
eine besondre
Jury d^admission; im Fall Kunstwerke aus innern Gründen
zurückzuweisen sind, so entscheidet darüber die Commission. Die Aus-
stellungen finden vom 15. August bis zum ersten Montage des Octobers statt;
nach dem 31. Juli wird kein Kunstwerk mehr angenommen. Die ersten
zehen Tage wird 1 Franc Eintrittsgeld gezahlt; die folgenden
^/i'Franc,
mit Ausnahme der Sonntage 'und Donnerstage, an welchen der Besuch vom
elften Tage ab frei ist. Aus dieser Einnahme und, falls dies erforderlich,
aus dem oben genannten Fonds werden die Kosten -der Ausstellung be-
stritten. — Der Hauptsache nach dient aber jener Fonds dazu, um auf der
Ausstellung Werke für das National-Museum anzukaufen. Eine aus drei
Mitgliedern der Commission' bestehende
Jury des recompenses macht zu
diesem Behuf noch vor Eröffnung der Ausstellung seine Vorschläge (unter
Angabe der etwa-zu bewilligenden Kaufpreise, nachdem schon die ein-
sendenden Künstler sich darüber ausgesprochen hatten, ob ihre Arbeiten
zu diesem Behuf käuflich seien und welchen Preis sie forderten); diese
Vorschläge werden dann von der Commission geprüft, über dieselben an
das Ministerium berichtet, in F'olge der von letzterem ausgehenden Ver-
fügung-mit den Künstlern verhandelt und,die Sache definitiv vom Könige,
entschieden. Ferner werden bei den Ausstellungen durch den König nach

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458 Kunstreise im Jahr 1845.

dem Votum der Commission und auf den Antrag des Ministeriums Me-
daillen, und zwar in zwei Classen, ertheilt, die erste Classe in Gold und
für jedes Kunstfach nur einmal. — Ausserdem aber bewilligt die Regie-
rung, ebenfalls nach dem Gutachten der Commission, an belgische Künstler,
die sich auf den Ausstellungen durch Talent und Fortschritte auszeichnen,
sogQ'as.nxiiQ Eneouragements, grössere oder kleinere Geldbelohnungen, in
Summen von 200 bis zu 1000 Francs,

Da die Ausstellungen in Brüssel nur alle drei Jahre statt finden, so
hat man die Einrichtung getroffen, dass andre grössere Ausstellungen in den
dazwischen fallenden Jahren zu Antwerpen und zu Gent veranstaltet wer-
den. Hiebei ist jedoch die Regierung nicht betheiligt, vielmehr sind es
die schon im Obigen genannten
Societes cVencouragemejit, welche die-
selben, wie man mir sagte, an beiden Orten veranlassen, und welche da-
bei ebenfalls goldne und silberne Medaillen für die ausgezeichnetsten
Werke vertheilen. Kleinere Ausstellungen finden ausserdem zu Lüttich,
Mecheln u. a. 0. statt. Im Obigen erwähnte ich bereits der vortrefflichen
und geräumigen Ausstellungssäle, die sich bei der Akademie zu Antwerpen
befinden und die sowohl durch die zweckmässige Einrichtung des von der
Decke einfallenden Lichtes als auch durch die einfach angemessene Vor-
kehrung zum Aufhängen der Bilder ausgezeichnet sind; an den Wänden
sind nämlich eiserne Stangen in horizontaler Lage befestigt, vor die
Mauer vortretend und etwa je drei über einander, so dass man an ihnen
die Bilder bequem befestigen kann, ohne (wie an andern Orten) die Wände
durch das Einschlagen von Nägeln und Haken fort und fort zu beschä-
digen. — Mit wie lebhafter Theilnahme man in den Städten selbst sich
für diese Ausstellungen interessirt, beweist u. A. der, Umstand, dass die
Stadt Gent und die dortige Akademie auf den Maler Gailait und als „Zeug-
niss der Bewunderung" seines Gemäldes der Abdankung Katls V., wel-
ches sich auf der dortigen Ausstellung befand, eine beträchtlich grosse
Medaille von 2'/2 Zoll Durchmesser haben prägen lassen.

Kunst-Lotterie für Öffentliche Zwecke,

V Schliesslich ist noch einer wiederum sehr eigenthümlichen Einrichtung

I zu gedenken, die in Belgien stattfindet: einer unter Garantie der Regie-

rung stehenden Lotterie zur Beschaffung von Kunstwerken für öffentliche
'i Zwecke. Die Provinzen als solche (die jede ihren besondern Verwaltungs-

1 Fonds haben), die Communen und die Kirchenfabriken vereinigen sich nem-

I' lieh jährlich je nach ihrem Interesse für diese Sache, um durch Zeichnung

4 auf Actien von 10 Francs einen sogenannten i^Tj/Kis specialpour Vencoura-

.4

gement de la peinture historique et de la scidpture zusammenzubringen,
der gelegentlich auch noch durch Zuschüsse von Seiten der Regierung
vergrössert wird. Nach dem Antheil, welchen die Provinzen, die Com-
munen und die Kirchen an diesem Fonds haben, werden daraus für jede
dieser drei Gattungen von Interessenten grössere und "kleinere Summen
gebildet und die letzteren unter die Actionaire verloost. Für die Gewiniiste
aber werden, je nach dem Wunsche und dem Bedürfnisse der Gewinner,
durch die Vermittelung des Ministeriums des Innern die erforderlichen
Kunstwerke bestellt. Als Nieten werden lithographirte Kunstblätter ver-
theilt. So waren, um ein näheres Beispiel zu geben, im Jahre 1842

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V

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Kunstakademieen in Italien und zu London. 459

durch die Provinzen 270 Actien gezeichnet, = 2700 Francs, ^
„ Communen 585 „ „ — 5850 „
„ Kirchen
363 „ = 3630 „_

also im Ganzen: 1218 „ „ ^ 12,180

welche Summe durch einen Zuschuss von 2500 „ '

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die das Ministerium bewilligte, sich auf 14,680 Francs v
erhöhte. Hiernach wurden die zur Ausführung von Kunstwerken bestimmten
Gewinnste in folgender Art vertheilt:

- , für die Provinzen Gewinn zu 1750 Franks,

zweiter ,, ,, 1450 „
erster ' Gewinn zu 2250 Franks,
zweiter ,, „ 1450 „ .
für die Communen [ dritter „ ' „ 1250 „

vierter ,, ,, 1150 „ '
fünfter „ „ 1000 „

1 erster Gewinn zu 1750 Francs,
zweiter „ 1450 „

dritter „ „ 1180 „
Es scheint aber, dass die Einrichtung nicht ganz den Anklang ge-
funden hat, den man sich ursprünglich davon versprochen haben mag.
Wenigstens war die Zahl der Actie^, die sich, wie eben angegeben, im
Jahre 1842 auf 1218 belief, im Jahre 1843 auf 606 herabgesunken und im
Jahre 1844 zwar wieder etwas erhöht^ doch nur auf 795. — Ueberhaupt
dürfte das "Willkürliche und Zufällige dieser Einrichtung mit dem Ernste
des moralischen Bedürfnisses, 'aus welchem die monumentale Kunst her-
vorgehen soll, nicht wohl übereinstimmen.

3. üeber einige Kunst-Akademieen in Italien und über die
Kunst-Akademie zu London.

Ueber die Verfassung und die Verwaltung der italienischen Kunst-An-
stalten ein vollständiges Bild zu geben, bin ich ausser Stande. Ich glaube
indess, dass es dem Zweck dieser Blätter fördernd entgegen kommen und
zur Kenntniss der Organisation und der Aufgabe öffentlicher Kunstbildungs-
Anslalten beitragen wird, wenn ich im Folgenden die Auszüge aus den
mir vorliegenden Statuten einiger der wichtigsten-Kunst-Akademieen Ita-
liens vorlege und eine oder die andre Bemerkung beifüge. Zugleich
schliesse ich eine Notiz über die Akademie von London an, die sich vor-
zugsweise ebenfalls auf die Einsicht ihrer Statuten gründet.

Die Akademie S. Luca zu Rom. -

Die Verfassung der Akademie S. Luca zu Rom ist, nach Inhalt ihrer
Statuten vom Jahr 1818, insofern höchst interessant, als sie jedenfalls noch,
welche Modiflcationen damit im Einzelnen auch vorgenommen sein mögen,

r-

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Kuustreise im Jalir 1845.

die bei ihrer Stiftung im sechzehnten Jahrhundert befolgten Principien
bewahrt, und hiemit ein zureichendes Bild alt-akademisclier Einrichtun-
gen giebt, während fast alle späteren, und namentlich die deutschen Aka-
demieen auf einer wesentlich verschiedenen Grundlage errichtet sind oder
doch, -wie die
Academie des heaux-arts zu Paris, nur einen Theil jeuer
ursprünglichen Tendenz beibehalten haben. Das Zurückgehen auf die
Verfassung der Akademie S. Luca ist um so wichtiger, als sich hiedurch
das Schwankende in der Autfassung des akademischen Verhältnisses be-
stimmt erkennen und, soweit es erforderlich, beseitigen lässt.

Die Akademie S. Luca ist eine von der römischen Staatsregierung
anerkannte, bevorrechtete und mit besondern Verpflichtungen versehene
Genossenschaft. Ihre Wirksamkeit wird durch Staatsfonds unterhalten und
sie steht in höchster Instanz unter Aufsicht der Staatsregierung (vertreten
durch den Cardinal Camerlengo). In allem Einzelnen ihrer Wirksamkeit
verfährt sie aber durchaus frei und selbständig; die Wahlen ihrer Mitglie-
der und ihrer sämmtlichen Beamten, ihre Beschlüsse, die von ihr ertheilten
Anerkennungen u. s. w. bedürfen in keiner Weise einer höheren Bestäti-
gung. Die Akademie besteht aus 72 ordentlichen Mitgliedern
(Accade-
mici di vierito),
nämlich je 12 in Rom ansässigen Historienmalern, Bild-
hauern und Architekten, 20 Auswärtigen dieser drei Fächer, und je 4
Portraitmalern, Landschaftsmalern, Stein- oder Stempelschneidern und
Kupferstechern (Einheimische und Auswärtige zusammengenommen). Den
ordentlichen Mitgliedern werden Ehrenmitglieder
(Accademici di onore)
in unbeschränkter Zahl zugesellt. Aus den ordentlichen Mitgliedern wird
ein Ausschuss
(Consiglio) zur Verwaltung der gesammten akademischen
Angelegenheiten gewählt; derselbe besteht aus 24 Mitgliedern (je 8 Histo-
rienmalern, Bildhauern und Architekten). Eins dieser 24 Mitglieder be-
kleidet, stets auf Jahresfrist, das Amt des Präsidenten: ihm zur Seite steht
sein designirter Nachfolger, der Vice-Präsident, der gelegentlich durch den
jedesmaligen Expräsideuten vertreten wird. Zwei Sekretaire sind mit der
Geschäftsführung beauftragt: ein aus den Mitgliedern des Consiglio auf je
drei Jahre gewählter, sogenannter
Segretario del Consiglio (was aber mehr
nur eine Ehrenstelle zu sein scheint), und der eigentliche Beamte für die-
sen Behuf, der sogenannte
Segretario deW Accademia. Zur Specialaufsicht
über den ordnungsmässigen Gang der Verwaltung dienen 6 Censoren, die
ans den Mitgliedern des Consiglio auf je 3 Jahre gewählt werden. Monat-
lich finden sowohl Sitzungen des Consiglio, als General-Sitzungen der
Akademie statt. Für die Ernennung der sämmtlichen eben genannten
Beamten, für die der Lehrer der akademischen Kunstschule, sowie der
untergeordneten Beamten und für die Ernennung der ordentlichen Mitglie-
der der Akademie findet stets eine Vorwahl im Consiglio statt, Hüe sodann
durch eine Wahl in der Generalversammlung der Akademie bestätigt
werden muss. Nur die Mitglieder "des Consiglio werden im Consiglio
allein, aber aus dem Corps der ordentlichen Mitglieder der Akademie,
erwählt. Bei den Wahlen im Consiglio entscheidet einfache Stimmenmehr-
heit, bei denen in der Generalversammlung sind^/g der Stimmen für die
Gültigkeit der Wahl erforderlich. — Als einen eigeuthömlichen Ehren-
posten führen die Statuten noch den eines
„Principe delV Accademia di
San Luca"'
an, der damals an Canova auf Lebenszeit verliehen war.

Der Sorge der Akademie ist zunächst die Leitung einer Kunstschule
übergeben, deren Lehrer sie, wie eben bemerkt, selbständig ernennt. Der

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Kunstakademieen in Italien und zu London. 461

Unterricht an derselben wird durch 3 Professoren der Malerei Xim Zeich-
nen nach Yorlegeblättern, nach der Antike, nach dem Nackten und in
einer Theorie der Composition und des Colorits), durch 2 Professoren der
Bildhauerei, 3 Professoren der Architektur und je einen Professor der
Geometrie und Perspektive, der Anatomie, der Mythologie und der Ge-
schichte ertheilt. Alle sechs Monate und alle 'Jahre finden unter den
Schülern kleinere und grössere Concurrenzen statt, bei denen silberne und
goldne Medaillen ertheilt werden. ^ ,

Zur Förderung der Kunst im Allgemeinen dienen die der Leitung der
Akademie übergebenen grossen öffentlichen Concurrenzen, die alle drei
Jahre stattfinden und auf dem Kapitol gefeiert werden. Sie umfassen, wie
es scheint, gleichzeitig die drei Künste der Malerei, Bildhauerei und Ar-
chitektur;,, wechseln aber so, dass die Aufgabe das eine Mal heilige, das
andre Mal wetliche Gegenstände betrifft. Die Aufgaben werden ein Jahr
vor dem, zur Ablieferung der Concurrenzarbeiten bestimmten Termin
öffentlich bekannt gemacht. Vorläufige Concurrenzen finden hiebei nicht
statt; wohl aber müssen sich die Concurrenten nachträglich, — ehe die
Akademie zum Urtheil schreitet, — einer sechsstündigen Concurrenz im
abgeschlossenen Räume unterwerfen. Die Sieger ejhalten goldene Medai-
len von -je 50 oder 25 Zecchinen (158 Thlr. 20 Sgr. oder 79 Thlr. 10
Sgr.) au Werth. ■

Ferner ist die Akademie mit der Sorge für die Conservation der im
Kirchenstaat befindlichen öffentlichen Kunstdeiikmäler des Alterthums be-
auftragt. Ihre desfallsigen Berichte gehen an den Cardinal Camerlengo.

— Endlich ist ihren Mitgliedern in gerichtlichen Streitsachen, in denen es
sich um Kunstgegenstände handelt, das ausschliesslich competente sach-
verständige Gutachten vorbehalten, wobei nur für architektonische Ver-
handlungen gelegentliche Ausnahmen verstattet sind.

Die Verfassung der Akademie S. Luca bildet hienach den entschiede-
nen Gegensatz gegen die deutschen akademischen Einrichtungen. Wäh-
rend dort'^ in Rom, der Begriff der Akademie in der Genossenschaft der
Mitglieder geradehin aufgeht, ^währe^id diese Genossenschaft'vollkommen
selbständig dasteht und ihr Ausschuss, das Consiglio, nur das Organ bildet,
durch welches sie handelt, werden bei unsern Akademieen der Direktor
oder Präsident," der Rath oder Senat, sowie das gesammte Personal der
Lehrer und anderweitigen Beamten von der Staatsregierung ernannt, han-
delt also die Regierung durch das Organ dieser Personen, und bildet die
Ernennung zum „Mitgliede der Ak^idemle" in der Regel nur eine, vom
Senat oder akademischen Rath ausgehende und von der Regierung bestä-
tigte Ehrenauszeichnung, ohne dass dieselbe irgend einen positiven Einfluss
auf die "Wirksamkeit der Akademie gewährte. ')

Die Akademieen von Mailand und Venedig.

Die Akademieen von Mailand und Venedig haben beide' (wie aus

ihren mit seltener Klarheit und Sorgfalt' abgefassten Statuten vom Jahre
- -

Nur bei der Akademie von Berlin — nach ihrer bisherigen Verfassung

— ist seit fünfzehn Jahren die Einrichtung getroffen, dass die Wahl zum „Mit-
gliede der Akademie" durch die Mitglieder selbst, obgleich auch keineswegs in
unbedingter Weise, erfolgt.

1]

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462 Kuustroisp im Jahr 1845.

1842 hervorgeht) eine vollkommen gleiche Verfassung. Die letztere bildet
auch hier den entschiedensten Gegensatz gegen die Verfassung der Aka-
demie S. Luca. Beide Anstalten stehen unter genauster Aufsicht und
Controle des Staats; jede Anstellung, jede Wahl, jede sonstige Bestim-
mung hängt von der Genehmigung der Regierung ab. Die Leitung der
akademischen Angelegenheiten ist einem
Consiglio accadeinico übergeben,
welches aus dem Präsidenten (der sich „durch Liebe zu den Künsten und
erwiesene Geschicklichkeit in der Leitung von Geschäften auszeichnen soll"),
6 ausserordentlichen Mitgliedern (gebildeten Kunstfreunden) und 22 ordent-
lichen Mitgliedern (den sämmtlichen aktiven ^Professoren der Akademie
und andern ausgezeichneten Künstlern) besteht. Ausserdem behalten die
emeritirten Professoren ihren Sitz im Consiglio. Wenn im Consiglio ein
Platz vacant w^ird, so macht dasselbe seine Vorschläge zur Wiederbesetzung
der Stelle. Dasselbe wählt ferner, unler Vorbehalt der höheren Genehmi-
gung, künstlerische und Ehrenmitglieder in unbeschränkter Zahl, denen
aber im Consiglio weder Sitz noch Stimme zukommt, die somit auch auf
die Akademie in keiner Art einen positiven Einfluss ausüben. Der aka-
demische Unterricht wird unter Aufsicht des Consiglio in zwei Sectionen:
für Malerei, Bildhauerei und Kupferstich und für Architektur, ertheilt, in
beiden von den Elementen beginnend und bis zur höheren Entwickelung
durchgeführt, doch, wie es allen Anschein hat, ohne eigentlichen Atelier-
Unterricht. Bei Vacanzen in den Lehrstellen und übrigen Beamtungen
der Akademie werden öiVentliche Aufforderungen zur Bewerbung um die
erledigten Stellen erlassen; die Akademie prüft die Bewerber und macht
der Regierung ihre Vorschläge zur Wahl. Unter Leitung der Akademie
finden drei Gattungen von Concurrenzen statt: Concurrenzen erster Classe.
alle zwei Jahre eintretend, an denen jeder im österreichischen Kaiserstaat
ansässige Künstler Theil nehmen kann und bei denen goldne Medaillen
vertheilt werden; Concurrenzen zweiter Classe für die Schüler der Aka-
demie, jährlich und mit Vevtheilung silberner Medaillen; und Concurren-
zen zur Gewinnung eines Stipendiums für einen dreijährigen Aufenthalt
in Rom. Unter den bei letzteren gestellten Anforderungen kommen in
sämmtlichen Kunstfächern eigenthünilicher Weise auch schriftliche und
mündliche Examina vor. Das Stipendium beträgt jährlich 2400 österrei-
chische Lire (556 Thlr. 24 Sgr.), wobei ausserdem zur Hinreise, wie zur
Rückreise, jedesmal noch 300 fl. (240 Thlr.) bewilligt werden. Jede der
beiden Akademieen steht, neben den sonst nöthigen Unterrichtsmitteln,
noch mit einer öffentlichen Kunstsammlung, die ebenfalls
zur Ausbildung
der Schüler benutzt wird, in unmittelbarer Verbindung. Der Conservator
und der Custos dieser Sammlungen werden im Etat der betreflenden Aka-
demie mit aufgeführt.

Der Etat der Akademie von Mailand beträgt
an Gehalten: 18,440 fl. = 12,764 Thlr. 19 Sgr.

an sonstigen Ausgabe-Titeln: 18,000 östr. Lire — 4142 „ 20 „

in Summa also 16,907 Thlr. 6 Sgr. ^
Der Etat der Akademie von Venedig beträgt

an Gehalten: 16,820 ü. = 11,706 Thlr. 21 Sgr.
an s. Ausg.-T.: 14,000 östr. L. = 3248 „
— „

in Summa 14,954 Thlr. 211 Sgr.

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Kunstakademieen in Italiou und zu London. 463

Die Akademie von» Florenz.' , ,

Die Akademie von Florenz besteht — abweichend von den meisten
Anstalten der Art — aus drei wesentlich'verschiedenen Theilen oder ;

Classen: der Classe für bildende Künste, der Classe für Musik und De- n

klaraation und der Classe für mechanische Künste. Jede derselben steint ;

unter einem besondern Director, dem ein Unter-Director und ein Sekretair j

zugesellt sind. Der gesammten Akademie ist ein Präsident vorgesetzt, der f

jedoch in den Sitzungen, obgleich er dieselben leitet, kein Votum hat, [

und der mit seinen Unterbeamten die Süsseren Geschäfte der Akademie i

besorgt. Jede Classe bildet eine selbständige Unterrichtsanstalt, und be-
findet sich bei jeder derselben eine Anzahl sogenannter
Accademici Pro-
fessorin
die den sogenannten „ordentlichen Mitgliedern" andrer Akademieen I
parallel stehen. Sämmtliche
Maestri der Akademie (d. h. ohne Zweifel
die angestellten Lehrer) sind als solche
Accademici Professorin die übrigen
werden — wie auch die
Accademici Onorarj ~ von dem Corpo Accade-
mico
gewählt, wobei eine Vorwahl in der Classensitzung statt findet und
eine Wahl in der Gesammtsitzung der Akademie den Ausschlag giebt.
•Bei beiden Wahlen sind 2/3 der Stimmen zur Entscheidung "nöthig. Die
Hauptthätigkeit der
Accademici Professori scheint sich auf die Abgabe des
Ilrtheils bei den akademischen Concurrenzen zu beschränken. — Das ße-
glement (vom Jahre 1813) giebt über die eben angedeuteten Princijuen t
der Verfassung der Akademie im Uebrigen keine sonderlich klare Aus- [
kunft. Die Anstellungen der Lehrer und Beamten scheinen durchaus von
Seiten der Regierung zu erfolgen und den
Accademici Professori kein weiterer V
Tinmittelbarer Einfluss auf das Institut zuzustehen. Diö Verbindung der drei, ?
— in sich so verschiedenen Classen zu einem Gesammtinstitut scheint nur |
theils durch die gemeinschaftliche oberste Verwaltung von Seiten des T
Präsidenten, theils durch die Gesammtsitzung des
Corpo Accademico her- !'
vorgebracht, Wenn gegen das Erstere kein besondres Bedenken zu erhe-
ben sein dürfte, so scheint das Letztere insofern doch nicht unbedenklich,
als die Gesammtsitzungen wesentlich Wahlsitzungen sind und somit bei- ;
spielsweise der Mechaniker das Recht hat, über die Fähigkeiten ^es Mu- ;
sikers, der Musiker über die des Architekten u. s. w.. abzuurtheilen. r

Der Unterricht in der Classe für die bildenden Künste verbreitet sich
über alle Zweige der letzteren, von den Elementen bis zur höheren tech-
nischen und" theoretischen Ausbildung, ohne aber, wie es scheint, auch
hier in.wirklichen Atelierunterricht überzugehen. Ansehnliche Kunstsamm-
lungen sind hiezu auch >mit dieser Akademie verbunden. Die Concurren-
zen sind wiederum dreifach: kleinere, halbjährlich stattfindende, für die
Schüler; grössere, alle drei Jahre, für Jedermann; und Concurrenzen für !

die Gewinnung eines Stipendiums zum Aufenthalt in Rom. Das letztere
wird auf vier Jahre ertheilt und beträgt jährlich 1600 Francs. ^

Sehr eigenthümlich ist die, cap. IL, art. XXII. der Statuten bezeich' „

nete ausserordentliche Concurrenz, die alle vier Jahre stattfinden soll. In <r

dieser werden Gegenstände aus der llorentinischen Geschichte zur Aufgabe
gestellt, und zwar abwechselnd, das eine Mal für Maler, das andre Mal
für Bildhauer. Der Preis ist mindestens 8000 Francs. Zur Theilnahme
an dieser Concurrenz
Böllen übrigens nur .toskaulsche Künstler zugelassen i

werden. ■ - ■

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464 Kunstreis« im. Jahr 1815.

Die Akademie von London.

Die königliche Kunst-Akademie zu London ist lediglich nur eine
Privat-Gesellschaft und bildet als solche wiederum eine sehr eigenthüm-
liche Erscheinung. Sie steht zwar unter dem Schutze des Monarchen,
der auch die Diplome ihrer Mitglieder unterzeichnet und ihre sonstigen
Beschlüsse sanctionirt;- aber der Monarch handelt hier nur als höchster
Quell der Ehre, nicht als Haupt der Staatsregierung. Die Akademie em-
pfängt von der letzteren keine Geld-Unterstützung, ist von ihr auf keine
"Weise abhängig , hat keine Pflichten gegen dieselbe, hat aber auch keine
offlcielle Geltung vor der Regierung, und nur der Schutz des Monarchen
sichert ihr die äussere achtungsvolle Stellung, deren sie sich erfreut.

Die Akademie besteht aus 40 ordentlichen, allein stimmberechtigten
Mitgliedern, 20 Associaten und 6 Ueberzähligen (Kupferstechern, die nicht
Mitglieder werden können). Die Leitung ihrer Angelegenheiten ist einem
akademischen Rath
{Council) übergeben; der letztere besteht aus 8 Mit-
gliedern, von denen die Hälfte jälirlich ausscheidet und durch neue Wahl
ersetzt wird, und aus einem Präsidenten, der sein Amt stets auf Jahres-
frist verwaltet. — Die wichtigste Thätigkeit der Akademie besteht in der
Einrichtung öffentlicher Kunstausstellungen, deren Ertrag ihre einzige Ein-
nahme bildet. Die letztere ist aber so bedeutend und so wohl verwaltet,
dass sich ihr Vermögen gegenwärtig auf 70,000 Pfund Sterling belaufen
soll. Die Zinsen derselben werden theils zu Pensionen für die Mitglieder
der Akademie und deren Wittwen, theils für die Zwecke des von der Aka-
demie geleiteten Öffentlichen Kunst-Unterrichts verwandt. — Dieser Unter-
richt hat indess nur einen sehr massigen Umfang. Er besteht in sogenann-
ten ,,Schulen" zum Zeichnen nach der Antike nnd dem lebenden Modell,
in der Eröfihung der Gelegenheit zur Uebung im Malen nach den vorhan-
denen Mustern, und in der Einrichtung von Lehrvorträgen über Malerei,
Sculptur, Architektur, Perspective, Anatomie. In jedem dieser Lehr-
fächer werden aber jährlich nur sechs Lectionen gehalten. Ausserdem
finden jährlich Concurrenzen der Schüler in -den obigen Uebungsfächern
statt, wobei silberne Medaillen vertheilt werden, sowie alle zwei Jahre
Concurrenzen für Compositionen in der Malerei, Bildhauerei und Archi-
tektur, wobei der Sieger in je einem dieser Fächer eine goldene Me-
daille erhält.

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4. Ueber die Einrichtungen zur Conservation der Kunst-Denk-
mäler in Frankreich und Belgien.

Französische Verhältnisse im Allgemeinen.

Das Interesse für die einheimischen Kunstdenkmäler der Vorzeit, —
wenigstens für die der Zahl nach so höchst überwiegenden Denkmäler des
Mittelalters, ist in Frankreich noch jung; nur est seit-einer kurzen Reihe
von Jahren hat sich dasselbe zu bethätigen vermocht. Aber es haben

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Couservation der KunstdeuUmäler in" Franlireich u. Belgien. 4(59

sich daraus iii dieser liurzen Frist bereits höchst glänzende und aner- ■
kenniingswerthe Elrfolge entwickelt' Es scheint, dass .-der leidenschaft-
liche Ungestüm, mit dem^man bei der grossen Revolution des vorigen
'Jahrhünderts alle Zeugen vergangener historischer Verhältnisse zu besei-
tigen strebte, auch in dieser Beziehung eine um so lebhaftere Reaction
hervorgebracht hat. Die Maassregeln der Regierung, die von Seiten der
Kammern erfolgten Bewilligungen, die Wirksamkeit der Communen, die
Thätigkeit einer sehr grossen Anzahl freier Vereine, das Mitstreben
der einzelnen Gebildeten des Volkes, Alles vereinigt sich, um auf gross-
artige Weise wieder gut zu machen, was eine nähere oder fernere Ver-
gangenheit verschuldet hat. Ais ein besonders günstiger und nicht genug
zu schätzender Vortheil ist hierbei der Umstand hervorzuheben, dass diese
Betrebungen gleich^von vorn herein dem Einflüsse des Dilettantismus (der
anderwärts diesen Angelegenheiten so häufig eine schiefe Richtung gege-
ben hat) entzogen und auf entsjchieden wissenschaftlicher Grundlage ins
Leben geführt sind. .. ,

D.er „Cours d'antiquites monumentales^^ (6 Bände und Atlasse) 'des
Herrn de Caumont zu Oaen bildet seit dem Jahre 1830 die sichere Basis
für alle weiteren Forschungen auf diesem Gebiet; wieder Verfasser selbst
seit dieser Zeit in der eingeschlagenen Richtung mit hingebender Ausdauer
fortgewirkt hat, so sind viele Andre seinem Beispiele gefolgt, und hat
das gründliche Verständniss der Denkmäler und das thätige Interesse für
dieselben unter den Gebildeten Frankreichs immer mehr Raum gewonnen.
Die Absichten der Regierung sind-hiedurch in günstiger,und nachhaltiger
Weise gefordert worden.

Die Thätigkeit der Regierung für das in Rede stehende Interesse ist ^
zwiefacher, verschiedener Art. Theils hat diese Thätigkeit einen scienti-
fischen Zweck, indem sie die Bekanntmachung und das Stiidium der
Denkmäler, ■ sowie, die Verbreitung derjenigen Kenntnisse.fördert, welche
zu ihrem Verständniss überhaupt erforderlich sind; theils ist sie eine ad-
ministrative, der Gonservation und Restauration der Denkmäler unmittel-
bar gewidmet. Dem Organismus der französischen Staatsbehörden gemäss
ressortiren diese verschiedenen Thätigkeiten von verschiedenen Ministerien:
die scientifische vom Ministerium des öffentlichen'Ünterrichts, die adnaini-
strative vom Ministerium des Innern (für besondere Fälle auch vom-Cul-
tus-Ministerium). Für jeden dieser Zwecke ist, bei dem Ministerium des
öfl'entlichen Unterrichts, wie bei dem des. Innern, eine besondere Commis-
sion gebildet und zwar so, dafes jede diesser beiden Commissionen ihre spe-
ciellen Zwecke unabhängig von der andern befolgt. Doch hat sich in der
Praxis naturgemäss ein Hinüberspielen des Zweckes der einen Commissioh
in den der andern gebildet, da theils die wissenschaftliche Untersuchung un-
mittelbar zur Sorge für die Erhaltung der Gegenstände, denen diese Un-
tersuchung gewidinet war, führen musste, theils die Maassregeln zur Gon-
servation und Restauration jedesmal von einer wissenschaftlichen Begrün-
dung, ausgehen mussten. -

Wirksamkeit der französischen Regierung für scientifische Zwecke.

Die dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts untergeordnete Com-
mission führt den Namen
„Comite historique des arts et ?nomimens" und

Kugicr, Kleine Schrieen, 'm. 30

-ocr page 467-

4-5Ü Kunstreise iui Jahr 1845.

• gehört zu den fünf Comites, welche zur Erforschung und Veröfl'entlichung

• der nnedirten, zur Geschichte Frankreichs bezüglichen Dokumente bestimmt
sind. Die erste Gründung dieser Comitt% fällt in das Jahr 1834 und ist
das Werk Guizot's, als damaligen Ministers des, öffentlichen Unterrichts;
im Jahre 1837 erhielten sie durch den Grafen von Salvandy die Einrich-
tung, die sie noch gegenwärtig haben. Hienach sind sie mit dem
Institut
de France („qui est et doit rester la clef de voüte des etaUissemens scien-

^ tifiqiies et lüteraires de la i^rance"), und zwar nach ihrer Bestimmung mit

je einer der fünf Abtheilungen desselben, — das in Rede stehende Comitö
also mit
Academie des heäux-arts, — in Verbindung gesetzt. Die
Zahl der ordentlichen, in Paris ansässigen Mitglieder des einzelnen Co-
mites soll sich auf 12 bis 15 belaufen (was aber bei dem in Rede stehen-
den Comitd gegenwärtig beträchtlich überschritten ist); einige Mitglieder
müssen der entsprechenden Akademie augehören und werden bei Erledi-
gung^ ihres Platzes durch unmittelbare "Wahl seitens der Akademie wieder
ersetzt; die übrigen Mitglieder ernennt der Minister auf den Vorschlag
I' des Comites. Ausserdem werden auswärtige Mitglieder, — sogenannte

® ' ,yMembres non residens'^^ welche bei ihrer Anwesenheit in Paris an den

Sitzungen Theil 'zu nehmen berechtigt sind, — sowie Correspondenten,
ernannt, und zwar
sowohl Coi'respondans 7iati07iaux, als Cörrespondans
etrangers,
die letzteren desshalb, um durch sie je nach Gelegenheit und
Bedürfniss über die betrefl'enden Verhältnisse französischer Cultur zum und
im Auslande Aufschluss erhalten zu können. (Die Anzahl der Correspon-
denten des in Rede stehenden Comitds ist sehr beträchtlich.) Jedem Co-
mite ist ein besonderer Sekretair zugesellt, der in den Sitzungen die Pro-
tocolle führt, die Correspondenz und das Rechnungswesen besorgt und die
Publicationen überwacht; der Sekretair allein bezieht für seine Thätigkeit
ein Gehalt. Alle Correspondenz geht durch das Ministerium. Die Sitzun-
gen finden in dem Zeitraum vom 1. November bis zum 30. Juni alle vier-
zehn Tage statt. Für die Publikationen ist jedem Comitö ein ansehnlicher
Fonds aus der Staatskasse überwiesen.

Die Aufgabe des Comite historique des arts et moyiumens ist die Erfor-
schung Alles dessen, was die Geschichte der Kunst in Frankreich im weitesten
Umfange berührt, wobei neben der allerdings vorherrschenden Rücksicht
auf die Geschichte der Architektur und der bildenden Kunst im engeren
Sinne, auch die Geschichte der Musik und Orchestik (der Tänze, Processionen
u. dergl.) nicht ausgeschlossen ist. Hiebei kommt es zunächst und vorzugs-
weise auf eine genaue Kenntniss des vorhandenen Vorr^ths, d.h. auf die
Ausführung einer möglichst umfassenden In ventarisatidn s ammtlicher
französischen Kunstden k mäler, welcher Art undBeschaffenheit diesel-
ben auch sein mögen, an. Zu diesem Behuf ist von dem Comite ein Formular
jL mit 64 Frage-Artikeln (in Bezug auf Denkmäler gallischen, römischen und

mittelalterlichen Ursprungs) aufgesetzt und dasselbe an die sämmtlichen
Communen des Staates, und zwar durch''Vermittelung der betreffenden
Behörden, an die Pfarrer, die Maires, die Steuereinnehmer und die
Schul
Vorsteher, sowie ausserdem an die Correspondenten und an diejeni-
gen Männer, die sonst für diese Sache Interresse haben , zur Ausfüllung
vertheilt worden. Jeder Empfänger ist gebeten, das Formular selbständig
auszufüllen, so dass man die
verschiedenen Angaben über einen Ort
stets mit einander controliren kann. Wie es sich mit der Redaktion dieser
Arbeit verhalten wird, die
vorausichtlich einen sehr bedeutenden Kraft-

t.

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Couservation der KunstdeuUmäler in" Franlireich u. Belgien. 4(59

aufwand erfordern und um so schwieriger werden dürfte, als auf eine sehr
verschiedenartige Auffassung der Formulare zu rechnen ,ist, weiss ich nicht
anzugeben. Blir wurde gesagt, dass bis jetzt allerdings oft sehr ungenü-
gende Ausfüllungen, doch aber immer mancherlei interessante Notitzen
eingegangen seien; auch fänden sich zuweilen geeignete Personen, welche die
ausgefüllten Formulare eines Kreises, selbst eines Departements, mit des-
sen Denkmälern sie persönlich vertraut seien, durchgingen, berichtigten
und -weiter ausfüllten, was ohne Zweifel die erwünschsteste Vorarbeit zu
einer angemessenen Redaction des grossen Ganzen ist. Ueberhaupt soll die
Vertheilung der Formulare schon an sich sehr anregend auf das In-
teresse für die Denkmäler gewirkt haben.

Das Comite ist indess bei der blossen Austheilung dieser Formulare
nicht stehen geblieben, sondern hat auch anderweitig in möglichst umfas-
sender Weise darauf hingewirkt, das Verständniss der Denkmäler im All-
gemeinen und hiedurch zugleich die richtige Auffassung der in_den For-
mularen enthaltenen. Fragepunkte zu fördern. Zu diesem Behuf ist eine
Anzahl sogenannter „Instructionen" ausgearbeitet worden,, welche eine
gründlich wissenschaftliche und zugleich leicht verständliche Unterweisung
über die geschichtliche Bedeutung der Denkmäler enthalten und denen
durch zahlreich beigefügte bildliche Darstellungen, namentlich durch in
den Text eingedruckte Holzschnitte, eine genügende Anschaulichkeit ge-
geben ist. Die bis jetzt herausgegebenen Instructionen betreffen: die vor-
christlichen Denkmäler, die kirchliche Architektur des Mittelalters, die
Älilitär-Architektur des Mittela,lters (den Burgbau), die Musik des Mittel-
alters und die christliche Iconographie (die letztere, von t)idron gearbeitet,
als ein Werk von sehr ansehnlichem Umfange). Diese Instructionen sind
auf Kosten des Comite's gedruckt und an alle öffentlichen Bibliotheken
und Lehranstalten, an sämmtliche Mitglieder und Cörrespondenten, sowie
an Jeden, der für diese Sache ein lebendiges Interesse nimmt, unentgelt-
lich vertheilt worden. — In derselben Richtung ist man bemüht, durch
die Abhaltung ö ffentli'cher Lehr vorträge zu wirken. In Paris sind
auf Veranlassung des Comitö's verschiedene Vorträge solcher Art „über die
nationale Archäologie", namentlich über die Architektur und über Sculptur
und Malerei (durch A. Lenoir und Didron) zu Stande gekommen. In den
Departements hat dies mehrfache Nachfolge gehabt; besonders sind an
verschiedenen theologischen Seminarien bereits förmliche Lehrstühle für
christliche Archäologie eingerichtet worden.

Die bisher bezeichnetö Thätigkeit des Cojnit^'s ist aber nur als eine
vorbereitende zu betrachten. Seine Haupt-Tendenz ist auf die Beschaf-
fung
einer umfassenden monumentalen Statistik Frankreichs ge-
richtet, welche man nach grossartigstem Maassstabe ins Leben zu rufen
beabsichtigt. Ob die vollständige Ausführung, trotz der ausserordentlichen
Bewilligungen, die dem Comitö zu Theil geworden sind, trotz des mora-
lischen Einflusses, den dasselbe bereits erreicht hat, möglich sein wird,
muss ich dahingestellt sein lassen. ~ Mau scheint nemlich nichts Geringeres,
zu beabsichtigen, als dieser Statistik die Form einer vollkommen zurei-
chenden und ihrem Zweck entsprechenden bildlichen Herausgabe säm'mt-
licher Denkmäler Frankreichs, mit Hinzufügung des erforderlichen erläu-
ternden Textes, zu geben^ Das Comit6 hat sich freilich von vorn herein
überzeugt, dass die Mittel, über welche es zu gebieten hat, an sich zu
einer so kolossalen Arbeit bei Weitem nicht ausreichen würden; man hat"

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408 Kunstroisi) im Jahr 1845.

sich (Icsshalb vorläufig begnügt, die Publication einzelner dahin einschla-
gender Arbeiten, gowissermaassen als Musterbeispiele, zu bewerkstelligen,
indem man die Ausführung andrer, derselben Tendenz angehöriger Werke,
— ich weiss nicht, von welcher Seite, erwartet. Indess verdienen schon
diese Publicationen in der wahrhaft classischen, von allem Dilettantismus
freien Welse ihrer Ausführung die vollkommenste Anerkennung. Bisher
sind hieven erschienen:
„Statistique monumentale de Paris'-'' (die fünfzehn
ersten Lieferungen, 105 Blätter in Folio);
^^Monographie de la Cathedrale
de Chartres'-^
erste Tileferung, 8 Blatt in Fol.) ; und ^Peintures de l'eglise
de St. Savin, departement de La Vienne'-^
(erste Lieferung, 10 Blatt in Fol.
mit farbigen Lithographieen nach Wandgemälden des elften Jahrhunderts).
Auch diese Arbeiten werden auf Kosten des Comite's herausgegeben und
unentgeltlich vertheilt, wenn natürlich auch minder zahlreich als die
Instructionen.

Die grosse monumentale Statistik, deren umfassende Veröffentlichung
doch etwas illusorisch sein dürfte, wird aber gleiclizeitig in einer mehr
praktischen und nicht minder erfreulichen Weise ins Leben gerufen. Dies
geschieht durch ein „archäologisches Archiv", welches bei dem Mi-
nisterium des öfl'entlichen Unterrichts eingerichtet ist und zu jeder Zeit
öffentlich zugänglich sein soll. Das Archiv besteht aus allen bildlichen
Aufnahmen von Denkmälern und den schriftlichen Berichten über solche,
die auf Veranlassung des Ministers gefertigt und eingereicht sind, aus den
von dem Ministerium ausgegangenen Publicationen, aus allen dahin ein-
schlagenden Werken, die von einzelnen Gelehrten oder wissenschaftlichen
Vereinen eingesandt sind, und aus denjenigen, welche das Ministerium
auf den Vorschlag des Comite's angekauft oder durch Subscription geför-
dert hat.

In andrer, ebenfalls umfassender Weise wird das Comite durch die
eigentliche Sorge für die Denkmäler in Anspruch genommen. Ich habe
schon angedeutet, dass dasselbe, indem es von dem Vorhandensein und
von der historischen und stylistischen Beschaffenheit der Denkmäler Kennt-
niss nimmt, nothwendig auch dahin geführt wird, ihre gegenwärtige Be-
schaffenheit zu berücksichtigen und sich ihre Erhaltung überhaupt, sowie
zugleich die Erwägung der Mittel, welche zur.möglichst angemessenen
Conservation und Ilestauration führen können, angelegen sein zu lassen.
Durch die Berichte der Correspondenten gewinnt das Cornite in diesen
f ü Angelegenheiten einen umfassenden üeberblick und stellt erforderlichen

Falls bei dem vorgeordneten Ministerium die Anträge zur weiteren Ver-
anlassung dessen, was als vvünschenswerth erschienen ist.

Einen üeberblick endlich über die gesammte Thätigkeit des Comite's
und eine fortlaufende Vermittelung zwischen demselben und den Cor-
respondenten, sowie dem für diese Angelegenheiten interessirten grösseren
Publikum gewährt ein von dem Comite herausgegebenes
^^Bulletin'-'', wel-
ches in etwa zweimonatlichen Heften erscheint. Dasselbe enthält das
Protokoll jeder einzelnen Sitzung nebst genauer Angabe aller eingegan-
genen Schreiben und Arbeiten, wobei gelegentlich der Inhalt derselben
näher angegeben oder, in besonders wichtigen Fällen, auch, wörtlich mit-
getheilt wird. Ueberhaupt bildet das Bülletin das eigentliche Organ des
Comitü's;-je nach den Umständen spricht man sich hier dem Publikum
gegenüber in Betrelf der zu befolgenden Tendenzen aus, sucht man'den
Eifer für die Angelegenheiten der Denkmäler durch-lebliafte Anerkennung

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Couservation der KunstdeuUmäler in" Franlireich u. Belgien. 4(59

dessen,'was von den Einzel neu geq,cliehen ist, rege zu erhalten oder zu
erhöhen, und benutzt man namentlich jede Gelegenheit, um die Conser-
vation der Denkmäler und die hiezu erforderlichen angemessenen Maass-
regeln zu befördern. Wie bei den Instructionen, so ist auch bei dem
Bulletin für eine möglichst umfassende Verbreitung gesorgt.

Da die Wirksamkeit des Comite's sich zugleich durch einen Blick auf
die Persönlichkeit der Mitglieder näher veranschaulicht, so setze ich
schliesslich die Liste der in'Paris ansässigen Mitglieder nach dem.'^^ma-
nach roy. et nat. von 1844 hieher:^

Graf de Gasparin, Pair von Frankreich, Präsident des Comite's; A. Le-
priSvost, Mitglied des Instituts; Ch. Texier, Archäolog; Barre, Medailleur;
Victor Hugo, Pair, Mitglied des Instituts; Ampere, Professor am
College
de France;
A. Lenoir, Architekt; Merimee, Mitglied des Instituts, In-
specteur des momimens historiques
(als s'olche'r aber dem Ministerium des
Innern untergeordnet); Vitet, Staatsrath, Deputirter; Lenormant, Conser-
vator der Königl. Bibliothek, Mitglied des Instituts; Ary Schefl'er, Maler;
Delecluze, Kuustgelehrter; Graf de Montalembert, Pair; Graf de Bastard;
Baron Taylor,
Inspectenr-genh^al des heaxix-arts; Graf J^eon de Laborde,
Mitglied des Instituts; Bottee de Toulmon, Bibliothekar des
Conservatoire
de musique;
Schmit, Matire des requeles im Staatsrath'); Hdricart deThury,
Inspecteur general des mines; Sainte-Beuve, Conservator der Bihliotheque
Mazarine;
Graf de Salvandy, Mitglied des Instituts (vor seiner Ernennung
zum Minister); Marquis de Lagrange, Deputirter; Varcollier, Büreauchef
bei der städtischen Verwaltung für das artistische Departement; Grillon,
Mitglied des
Conseil-general im Departement der Seine; de Saulcy, Mit-
glied des Instituts; Didron, Sekretair des Comite's.

Noch füge ich hinzu , dass Herr Didron ein selbständiges archäolo-
gisches Journal unter dem Titel
„Ä7inales arcJieologiques^ begonnen hat,
zu dessen Bearbeitung und Durchführung ihm seine Stellung zum Comite
(wenn das Journal auch keinen offiziellen Charakter hat) doch die reicii-
lichsten Mittel bietet. Das Journal, in monatlichen Heften erscheinend, ist
der gesammten Archäologie, vornehmlich aber der christlichen, gewidmet.
Conservation und Studium der Monumente bilden die beiden Hauptkapitel
des Inhalts: zugleich aber ist — charakteristisch für. die Ileaction, welche
in Frankreich immer mehr Einfluss zu gewinnen strebt, —r darauf Bedacht
genommen, auch der Gegenwart Musterbilder für neu auszuführende kirch-
liche Gebäude im Charakter der alten, und zwar ganz speziell im Style
des dreizehnten Jahrhunderts, zu geben. ^ '

-Wirksamkeit der französischen Regierung in administrativer
• Beziehung. •

In BetrelF der technischen Ausführung ressortiren die Angelegenheiten
der Conservation und Restauration der K-unstdenkmäler, wie ich schon

') Hr. Sclimit,.hat sich durch die Herausgabe eines „ Nouveau inanud cmi-
plet de Varchitecte des xnonuments religieux"
verdient gemacht. Dies Buch ist
besonders dadurch wichtig, daas es eine Zusammenstelluhg der säinmtlichen
erheblicheren Verfügungen enthält, die in Frankreich in Betreff der Conservation
und Restauration der Denkmäler erlassen sind. Diese Uebersicht ist für die
Entwick'elungsgeschichte der betreffenden Angelegenheit und für ihre Detailaus-
führung in Gemässheit der besonderen i'rauzösischen Verhältnisse sehr belehrend.

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170 Kunsfroise im Jahr 1845,

oben bemerkte, von dem Ministerium des Innern, zum Theil aber auch
vom Cultus-Ministerium. ^ ..

Die Betheiligung des letzteren betrifft die Diöcesan-Gebäude, d. h. die
Kathedralkirchen und die erzbischöflichen und bischöflichen Paläste und
Seminarien, indem diese nemlich in Frankreich als Staats-Besitzthum
gelten und als solches unter der unmittelbaren Aufsicht der betreiTenden
Ministerial-Behörde stehen. Das Cultus-Ministerium verfügt vollkommen
selbständig, vt^ie über die sämmtlichen baulichen Angelegenheiten bei
diesen Gebäuden, so auch über Alles, was zu ihrer Conservation oder
Restauration, selbst im monumentalen Interesse, erforderlich ist, ohne sich
— anomaler Weise — mit den zur Garantie der monumentalen Interessen
anderweitig eingesetzten Behörden in Rajjport zu setzen. Das erforderliche
technische Gutachten ertheilt hiebei, wie über die allgemeinen baulichen
Bedürfnisse, so auch über die, welche das monumentale Interesse unmit-
telbar berühren, das
Conseil genefal des hdtimens civils^ eine Behörde, die
der Königlichen Ober-Bau-Deputation bei uns parallel steht uud im All-
gemeinen dieselben Functionen ausübt. Die Conservation und Restaura-
tion der Diöcesan-Gebäude ist somit; obgleich dieselben oft eine sehr
grosse Bedeutung als Kunstdenkmäler haben, von den allgemeinen Maass-
regeln, welche für diese Zwecke in Frankreich bestehen, ausgenommen.
Das jährliche Büdget des Cultus-Ministeriums für die betreffenden Bau-
Angelegenheiten beläuft sich im Ganzen, wie mir mitgetheilt wurde, auf
2,500,000 Fraucs.

Im Allgemeinen hat in Frankreich der Begriff des ,,hi storischen
Monuments" eine positive, zu besoudern Vorrechten führende Bedeu-
tung gewonnen. Die historischen Monumente stehen — ähnlich zwar wie
bei uns, aber ausdrücklicher und in mehr formulirter Weise — unter dem
Schutze des Staates. Die Sorge für die Erhaltung und die Verwaltung
der zu diesem Behuf bewilligten ordentlichen und ausserordentlichen
Fonds ist dem Ministerium des Innern übergeben; die demselben unter-
geordnete historische Commission hat darüber zu entscheiden, welchem
Gegenstande jener Begriff des historischen Monuments zukommt und in-
wieweit dasselbe etwa auf jene Fonds Ansprüche hat. Alles, was irgend
als ein Erzeugniss nationaler Kunst, die urthümlichen Denkmäler der
f frühesten Vorzeit mit eingeschlossen, zu betrachten ist, jedes räumliche

Monument, das sonst Beziehungen'zur nationalen Geschichte hat, kann
hiebei in Betracht kommen, gleichviel, ob es nur den Zweck des Denk-
males hat oder ob es noch für anderweitige Bedürfnisse dient , ob es Ei-
genthum des Staates oder der Communen oder^der Privaten ist. Bei den
noch für anderweitige Zwecke dienenden Denkmälern tritt die eventuelle
Verpflichtung des Staates zu ihrer Conservation aber natürlich,nur inso-
fern ein, als hiebei das monumentale Interesse berührt wird, während
dasjenige, was jener anderweitigen Zwecke wegen bei ihnen vorzunehmen
ist, den Nutzniessern zukommt, wie es z. B. bei den durch Kunstwerth
oder Alterthum ausgezeichneten Parochialkirchen, die, im Gegensatz gegen
die Diöcesangebäude, durchweg in den Besitz der Communen übergegan-
gen sind, der Fall ist. Ebenso,natürlich hat der Staat kein Recht, über
Privatbesitzthum, sei es auch im monumentalen Interesse, irgend eine
Verfügung zu treffen: aber die gesetzliche Bestimmung der Expropria-
tion für Zwecke des öffentlichen J^utzens wird auch auf dieses Interesse
angewandt. *

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ConservatioTi der Kunstdeukinäler in Eraukreich u, Belgien. 471

"Wie mir mitgetheilt wurde, beläuft sicli das jährliche Budget für die
Conservation und Restauration der „historischen Monumente" gegenwärtig
auf die Summe von 600,000 Francs,, mit Ausschluss der ausserordentlichen
Credite, die je nach den Erfordernissen auf besondre Anträge von den
Kammern für diesen Zweck bewilligt werden. Es wurde mir gesagt, dass
neuerlich solcher Art für drei besondere Fälle der ausserordentliche Fonds
von 2,500,000 Francs bewilligt worden sei. Ebenso wurde mir versichert,
dass auch die Departemental- und Communal^Behörden im monumentalen
Interesse bei vorkommenden Fällen oft sehr "ansehnliche Zuschüsse zu be-
willigen pflegten. Zur Verwaltung dieser Fonds ist im Ministerium des
Innern ein besonderes,
wniQT Aex Direction des beaux-arts stehendes Bü-
reau, das der
Monumens historiques, eingerichtet.

Zur näheren Realisirung der betreffenden Zwecke ist dem Ministerium
zunächst ein
Inspecieur general des monumens historiques zugeordnet, —
Herr Merimee, der diese Stelle schon seit vierzehn Jahren bekleidet.
Der Inspecteur göueral hat die Verpflichtung, jährlich grössere Reisen zur
Untersuchung der Denkmäler in den verschiedenen Theilen des Staates zu
machen und dem Ministerium hierüber Bericht zu erstatten^). Diese Be-
richte bilden zunächst die Grundlage der zur Conservation der J)enkmäler
bestimmten Maassregeln. Um gleichzeitig jedoch zu einer möglichst um-
fassenden Kenntnissnahme-des vorhandenen Denkmäler-Vorraths zu kom-
men, hatte man früher dasjenige Mittel angewandt, dessen sich zu glei-
chem Zwecke das demrMinisterium des öffentlichen Unterrichts unterge-
ordnete
Comite hislorique des arts et monumens bedient: man hatte diesel-
ben Frageformulare ausgetheilt und um deren Ausfüllung gebeten. Man
hatte aber bald die ^Erfahrung gemacht, dass hier, wo-.es auf eine unmit-
telbare praktische Wirksamkeit abgesehen war, die Langwierigkeit und
Unsicherheit einer solchen Einrichtung, — so nützlich dieselbe möglicher
Weise auch für rein wissenschaftliche Zwecke erscheinen mochte nicht
passend sein konnte. ^Man ist desshalb von einer solchen Tendenz im
Ministerium des Innern seit längerer Zeit bereits völlig abgegangen und
strebt statt dessen, so viel als möglich nur die positiven Bedürfnisse, die
sich zum behördenmässigen Einschreiten behufs der Conservation und Re-
stauration der Monumente bemerklich machen, kennen zu lernen.. Zu die-
sem Zwecke hat das Ministerium des Innern in den Dcpartemenfs eine
Anzahl von Correspondenten
{Inspecteurs particuliers) ernannt und
denselben die Verpflichtung übertragen, sowohl von allen denjenigen
„historischen Monumenten" des Departements, die ihnen bekannt werden,
Nachricht zu geben, als die etwa erforderlichen Maassregelii zu ihrer Con-
servation oder Restaurationen anzuzeigen, als auch über die Ausführung der
augeordneten Restauration zu wachen und darüber Bericht zu erstatten.
Die Correspondenten reichen desshalb jährlich für gewöhnlich zwei Be-
richte .ein, den einen im Frühjahr zur Anzeige der erforderlichen Arbei-
ten, den andern im Winter als Rechenschaft über das Geschehene. Man

') Ein erhoblichor Theil der voii Hrn. M<!rimee erstatteten Berichte ist von
ihm als Material für weitere archäologische Forschungen für den Druck bear-
beitet und in den folgenden Werken herausgegeben worden: iVotca d'mi
voyage
dana le midi de la France
(1835); Notes d'un voyage dans l'ouest de la France
(183tj); Notes d'un voyage en Auvergne (1838); Notes d'un voyage eti Corte
(1840). • • • ^

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472 Kuiistreise im Jahr 1845,

wählt biezu gern Männer von einflussreicher Stellung, indem man zugleich
darauf sieht, dass sie sowohl hinreichende archäologische Bildung haben,
als auch Redlichlteit genug besitzen, um ihre Anträge aus keinen andern,
als den rein sachlichen Gründen zu stellen. Ihre Thätigkeit ist unent-
geltlich, und nur minder Vermögende von ihnen erhalten etwa für Reise-
kosten eine Entschädigung aus den Departemental-Fonds.

Es versteht sich von selbst, dass ausser dem hisfecteur gene'ral und
den Correspondenten auch jede Behörde, und namentlich die Präfecten
berechtigt sind, Anträge zur Conservation im monumentalen Interesse zu
stellen, Ist ein Denkmal als ,,historisches Monument" anerkannt und soll
über die zur Restauration desselben erforderlichen Maassregeln ein näherer
Beschluss gefasst werden, so hat die Departemental-Behörde die erforder-
lichen Risse, Anschläge und erläuternden Berichte einzusenden. Hiebei
sind stets drei Gesichtspunkte festzuhalten; die Berücksichtigung derjeni-
gen Arbeiten, welche zur Erhaltung des .Monuments unumgänglich nöthig
sind, — derjenigen, welche zur Conservation im Allgemeinen als wün-
schenswerth eirscheinen, — und derjenigen, welche mehr nur die Vervoll-
ständigung der Restauration betreffen, und zu deren Ausführung kein un-
mittelbares Bedürfniss vorliegt. Die Baubeamten werden für die vermehrte
Arbeit, welche ihnen hieraus erwächst, gelegentlich (und je nach dem Um-
fange der Arbeit) aus Departemerital-Fonds entschädigt. In einigen De-
partements sind zu diesem Behuf bereits besondere
„Arcliitectes des mo-
nwnens liistoriqiies^^
angestellt; die Regierung wünscht lebhaft, dass solche
Stellungen für sämmtliche Departements creirt werden mögen.

Die Mlnisterial-Beschlüsse gründen sich auf die Gutachten, welche in
allen diesen Angelegenheiten von einer hiezu besonders ernannten, dem
Ministerium untergeordneten Behörde ertheilt werden. Früher, und ehe
die Angelegenheiten der Conservation überhaupt eine regulirte Gestalt
gewonnen hatten, diente liiezu allein der
Inspeeteiir general des monumens
historiqties]
man hat sich jedoch überzeugt, dass man demselben hiedurch,
namentlich den Departemental- und Lokal-Behörden gegenüber, eine zu
grosse Verantwortlichkeit, aufbürdete und dass eine mehr umfassende wis-
senschaftliche und ästhetische Behandlung, als solche durch einen Einzel-
nen geleistet w-erden kann, erforderlich war; auch war es, rücksichtlich
der von den Kammern zu erbittenden Fonds, dem Ministerium höchst
wünschenswerth, solche Personen mit in das Interesse der. Conservation
der Denkmäler zu ziehen, von denen sich ein wirksamer Einfluss auf die
Deputirten erwarten Hess. Aus diesem Grunde ist zu dem in Rede stehen-
den Zwecke die schon mehrfach erwähnte Oommission, welche den Na-
men der
„Co7nmission des monumens historiques'^ führt und gegenwärtig
aus den folgenden Mitgliedern besteht, gestiftet worden:

Der Minister des Innern, als Präsident; Vitet, Mitglied des Instituts,
StaatsrAth und Deputirter, als Vice-Präsident; Mdrimee, Mitglied des In-
stituts, der
Insp.'gen. d. m. Ii ; Graf de Montesquiou, Pair von Frank-
reich; A. Passy, Unter-Staats-Sekretär,. Deputirter; A. Leprevost, Mitglied
des Institutsj Deputirter; de Golbery, General-Procurator, Deputirter;
Vatout, Präsident des
Conseü des hdtimens civils, Deputirter; Denis, De-
putirter; Graf de Sade, Deputirter; Graf Leon de Laborde, Mitglied'des
Instituts; Cave,
Maitre des requeteSj Vireoteur des heaux-arts im Ministe-
rium des Innern; Lernormant, Mitglied des Instituts; Baron Taylor, In-
specteur gene'ral des hecmx-arls\ Caristie, Mitglied des Conseü des hdtimens

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Coiiservation der Kuustdouk'mäler in Frankreich u. Belgien. 473

civils; Duban , Architekt; Courmont, Chef des ßüreaus des mönumens hi-
storiques
, als Sekretair dei Gommission, '

Alle^Anzeigen über Denkmäler, welche man der Bezeichnung als
„historisches Monument" für würdig hält, alle Anträge auf Maassregeln
zur Conservation oder Restauration und zur Bewilligung von Fonds zu
diesem Behufe gehen durch das Ministeriumi wenn die dazu erforderlichen
Arbeiten vollständig eingereicht sind, an die Gommission, und zwar zu-
nächst an eins ihrer Mitglieder, welches darüber in der nächsten Sitzung
Vortrag hält. Dann beräth die Gommission und entscheidet,durch Stimmen-
mehrheit, ob überhaupt das betrefl^nde Denkmal der Klasse der „histori-
schen Monumente" anzureihen, und ob eine Summe und welche auf das-
selbe, nach Maassgabe der eingereichten An§chläge,' aus dem betrelFendeu
Budget zu verwenden ist. Der Sekretair führt hierüber das ProtokolV und
bearbeitet nach letzterem (als Büreau-Chef) den erforderlichen Ministerial-
Erlass zur Zeichnung,"vorerst durch
ämDirecteur des beaiix-arts, sodann
durch den Minister.""— Um hiebei aber principgemäss zu verfahren und
nicht eine willkürliche Zersi)littefung der Fonds zu veranlassen , ist die
Gommission natürgemäss verpflichtet, sich stets auf der Höhe der "Wissen-
schaft und des allgemeinen, historisch nationalen Interesses zu halten,
lieber die Art und Weise, wie sie dies thut, wie sie überhaupt als Vertreter
der hier bezüglichen nationalen Interessen auftritt, erstattet sie dem Mini-
sterium in gewissen Zeitabschnilten besondere Berichte, die durch den
Druck verbreitet und somit auch dem betheiligten Publikum zugänglich
gemacht werden. '

Als eine eigenthümliche Maassregel, von welcher einer der letzten
dieser Berichte beiläufig Nachricht giebt, dürfte das Factum hervorzuheben
sein, dass eine eigne Medaille geprägt ist, die als Zeichen vorzüglicher
Anerkennung denjenigen Architekten, welche sich bei der Herstellung der
Denkmäler besonders ausgezeichnete Verdienste erworben haben, ferner
denjenigen Gorrespondenten, denen die Gommission wegen gründlicher und
folgereicher Mittheilungen besondern Dank schuldig ist, sowie denjenigen
Personen, welche zur Erhaltung von Denkmälern besondre bedeutende
Opfer gebracht, verliehen wird.' ^^

Bemerkungen über das Vorstehende.

Die umfassenden Einrichtungen,, die solchergestalt von der französi-
schen Regierung für die Pflege der Denkmäler getroffen sind, verdienen
gewiss alle Anerkennung und Bewunderung. Doch haben sie noch etwas
allzu Zerstreutes; entschiedener zusammengefasst, in schärferer üeberein-
stimmung auf das erstrebte Ziel hingeführt, würden sie ohne Zweifel eine
noch mehr folgenreiche ."Wirkung ausüben. Ich bin- der Klage hierüber
mehrfach in Paris begegnet; maii hat selbst Anträge* zur Abhülfe der,be-
merkten'Uebelstände gestellt, ohne dass d.enselben bis jetzt jedoch, viel-
leicht weil sie zu sehr von andern Beziehungen der gegenwärtigen fran-
zösischen Staatsverfassung abhängig sind, eine Folge gegeben wäre.

Zunächst scheint es auf keine Weise zu billigen, dass die Diögesan-
gebäude, und-namentlich die Kathedralkirchen, die durehschnittlicli zu
den werthvollsten Kunstdenkmälern Frankreichs gehören, der zur Gouser-
vation der Denkmäler ausschliesslich eingesetzten Behörde entzogen und

■HM

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474 Kuustroisp im Jahr 1845.

,Ut|.llfp,iJ.;l

der — möglicher Weise einseitigen — Besclilussnahmo von Seiten einer
rein technischen Behörde, des
Conseü general des bdtimens civils, über-
geben sind. Dann wird die ganze Angelegenheit durch ihre zu scharfe
Sonderung in das Wissenschaftliche und Administrative, durch ihre diesen
Gesichtspunliten entsprechende Vertheilung an zwei Ministerien, an zwei
Coramissionen, an zwei Classen von Correspondenten u. s. w. unklar, un-
nöthig complicirt und möglicher Weise einer Bearbeitung aus nicht ganz
übereinstimmenden Gesichtspunkten preisgegeben. Die zwiefachen Com-
missionen, die zwiefachen Correspondentschaften werden in den Departe-
ments oft miteinander verwechselt, und die Regierung hat sich mehrfach
zu speciellen Erläuterungen über diese Verhältnisse genöthigt gesehen.
Auch habe ich schon oben bemerkt, dass dennoch die Thätigkeit der einen
Commission in die der andern hinüberstreift, indem die Commission beim
Ministerium des öffentlichen Unterrichts sich zugleich die Angelegenheiten
der Conservation (und zwar auf sehr eifrige Weise) angelegen sein lässt,
die Commission beim Ministerium des Innern zugleich auf wissenschaft-
liche Erörterungen einzugehen genöthigt ist. Durch eine, wenn auch be-
dingte, Vereinigung beider würde hiebei viel Uebertlüssiges erspart und
eine grössere Gemeinsamkeit erzeugt werden. In der That meine ich
bemerkt zu haben, dass die Gesichtspunkte zur Conservation der Denk-
mäler bei beiden Commissionen nicht ganz dieselben sind, indem die
wissenschaftliche Commission von einem einseitigeren theoretischen Stand-
punkte ausgeht, die administrative aber sich naturgemäss mehr den prak-
tischen Vorkommnissen fügt.

Wirksamkeit der Vereine in Frankreich.

Die grössere Concentration der von der Regierung ausgehenden Thä-
tigkeit scheint doppelt nöthig, da gleichzeitig durch freie Vereine unge-
mein viel im Interesse der Denkmäler geschieht. Die grosse Mannigfaltig-
keit dieser Bestrebungen und der Umstand, dass dieselben ^fast durchweg,
wie auf das rein Wissenschaftliche, so auch auf das positiv Auszuführende
gerichtet sind, dass sie demnach mit den Maassregeln der Regierung gele-
gentlich zusammentreffen, auch wohl auf eine etwanige Beförderung von
deren Seite Anspruch machen, lässt eigentlich die Zurückführung der Ten-
denzen der Regierung auf ein oberstes Princip, auf ein oberstes Organ
als unerlässlich nothwendig erscheinen. Die Anzahl dieser Vereine ist
sehr gross. Sie stehen zum Theil in unmittelbarer Relation mit der Re-
gierung, indem sie dieselben Punkte, welche schon von den Correspon-
denten beider Ministerien behandelt werden, zur Aufgabe nehmen und
dem einen oder dem andern Ministerium ihre Berichte vorlegen. Die
Regierung lässt es sich angelegen sein, solche Vereine möglichst in allen
Provinzen oder Departements zu Stande zu bringen, zahlt auch einigen
von ihnen je nach Bedürfniss jährliche Zuschüsse, wie z. B. der Verein
von Amiens jährlich 2000 Francs, der von Poitiers ungefähr ebenso viel
empfängt. Zum Theil bewegen sich diese Vereine aber auch gänzlich
unabhängig von der Regierung und werden in solchem Betracht ausschliess-
lich als
Societe's libres bezeichnet.

Die wichtigste dieser Societes libres ist die von Herrn de Caumont zu
('üen gestiftete und unter seiner Direction stehende
y^Societe franqaise pour

-ocr page 476-

Couservatiüii der Ivilustdetikmäler iu Fraukreicli u. Belgien, 475

la conservation et la description des monwnens historiqiies^. Der Zweck
dieses Vereins, der sich tiber ganz Frankreich erstreckt, ist vollständig
derselbe, den die Regierung bei allen ihren hieher gehörigen Maassregeln
befolgt; wenn der Verein dennoch, und obgleich Herr de Caumont unbe-
stritten die erste Autorität Frankreichs für das Fach der heimischen
xVrchäölogie bildet, ausser ß^pport mit der Regierung steht, so erklärt sicK
dies einfach durch andre, wieder in den besondern französischen Verhält-
nissen liegende Gründe: Herr de Caumont ist nämlicli sehr entschiedener
Legitimist. Der Verein hat sich die Aufgabe einer vollständigen Aufzäh-
lung und historischen Classification der in Frankreich vorhandenen Denk-
mäler, ihre wissenschaftliche Untersuchung, die Wirksamkeit zur Erhaltung
derselben und zur richtigen Ausführung der bei ihnen erforderlichen
Restaurationen zur Aufgabe gestellt. ' Er giebt zu dem Ende Druckschrif-
ten; namentlich ein in zweimonatlichen Heften Jbestehendes und gegen-
wärtig schon im zwölften Bande begriffenes
^Bulletin 7nonumental"-f^\\ex(im,
bewilligt kleine Summen zur Restauration solcher Monumente, die ander-
weitig li^icht übersehen werden, und vertheilt Medaillen als ^^prix d'eti-^
couragement^ für erfolgreiche Bestrebungen in dem durch ihn vertretenen
Interesse. Die hiezu erforderlichen Sulnmen werden aus den jährlichen
Beiträgen der Mitglieder bestritten, die nach dem geringsten Satz 10 Francs,
mit Einschluss des für die Druckschriften zu entrichtenden Beitrages aber
25 Francs betragen. Der Sitz der Direction ist zu Caen; über ganz
Frankreich^ aber verbreitet sich eine sehr beträchtliche Anzahl von/nspec-
teurs divisionnaires und Inspecteiirs d^'departemmt, welche iTi grösseren
oder kleineren Kreisen für die Interessen des .Vereins wirksam sind und
darüber mit dem Directorium correspondiren.' Jährlich finden mehrere
kleinere, sowie eine Hauptversammlung des Vereins statt; man wählt hiezu
in der Regel verschiedene Orte, und namentlich ist man darauf bedacht,
dass bei den Hauptversammlungen nach und nach die verschiedensten
Gegenden Frankreichs berührt werden. Zum speciellen Gegenstande der
Discussion in diesen Versammlungen dient eine Anzahl schon vorher im
Druck verbreiteter Frage-Artikel, besonders über die Eigenthümlichkeiten
der Monumente derjenigen Gegend, in -welcher die betreffende Sitzung
statt findet, wobei, wie es scheint, immer die zwiefache »Rücksicht vor-
herrscht, sowohl für die Wissenschaft au sich möglichst genauen Aufschluss
über alle lokal-^archäologischen Besonderheiten zu gewinnen, als auch die
am Orte oder in der Gegend Ansässigen auf dasjenige hinzuführen, was
ihrer Bestrebung vorzugsweise zu empfehlen sein möchte; Ueberhaupt
haben diese wandernden Versammlungen den Zweck, das Interesse an der
gesammten einheimischen Archäologie immer mehr zu verbreiten und die
Theilnahme'der Behörden und der Privaten in 'immer grösserem Umfange
zu gewinnen. Es scheint, dass man hierin auch mit sehr günstigem Erfolge
fortschreitet. — - . .

Belgische Verhältnisse. ^

In Belgien ist die Sorge für Conservation und Restauration der Monu-
mente in höchster Instanz ebenfalls der Staatsbehörde, und zwar dem
Ministerium des Innern übertragen. Doch geschieht hier zugleich sehr
Bedeutendes in diesem Bezüge durcli die Städte selbst, indem diese, im
Gefühl ihrer m'eist sehr unabhängigen Stellung, ihres Vermögens und ilirer

-ocr page 477-

mm

Kunstreise im Jahr 1845,

historisclien Würde, selbst mit grossem Eifer auf die Eriialtung ihrer
Monumeiite bedacht sind. Gewölinlich vereinigen sich zu diesem Behuf
auf gleiclie Weise Staats-, Provinzial- und Communal-Mittel. Das Staats-
Budget enthält gegenwärtig die Summe von jährlich 30,000 Francs als
Zuschuss zu den Bedürfnissen der Conservation für den Fall, dass dazu
die Mittel der Städte und Communen unzureichend sind. Als begutach-
tende Behörde für die Angeregenheiten der Conservation und Restauration,
wie auch für die Ausführung neu zu errichtender öffentlicher Monumente,
dient eine dem genannten Ministerium untergeordnete
^Commission royale
des monuviens'-'-,
welche irä Atiftrage des Ministers die von der Provinzial-
behörde eingereichten Restaurationspläne revidirt und, sofern es nöthig,
überarbeitet, oder gelegentlich auch den Minister auf das eine oder andre
Bedürfniss der Art aufmerksam maclit. Wissenschaftliche Tendenzen lie-
gen hiebei nicht zu Grunde. Die Commission besteht daher vorzugsweise
aus Technikern von Fach, besonders aus Architekten. Die Mitglic~der
verrichten ihre Dienste unentgeltlich und erhalten nur für etwa aufge-
wandte Reisekosten eine Entschädigung.

II.

Vorlesung über das

Iiislorisclic Museum "zu Versailles und die Darstellung liislorisclier Ereignisse

in der Malerei. •

Gehalten am 7. März 1846 im wissenschaftlichen Verein zu Berlin.

Wenn ich es uijternehrae, hier über eine der merkwürdigsten und
eigenthtlmlichsten Kunstsammlungen unsrer Zeit — üb'er das historische
Museum zu Versailles — zu sprechen, so muss ich es mir erlauben, zur
Gewinnung eines bestimmten Standpunktes zunächst ein Paar allgemeine
Bemerkungen vorauszuschicken.

Die Geschichte der Kunst lehrt uns, dass die Kunst niciit, wie es auf
den ersten Anblick scheinen möchte, einem unabhängig spielenden Nach-
ahmungstriebe, dass sie im Gegentheil einem bestimmt ideellen Bedürfniss
ihren Ursprung verdankt. Die Kunst ist ihrer primitiven Bedeutung nach
nichts als eine Schrift von allgemein verständlicher Beschaffenheit. Die
Zeichen dieser Schrift sind allerdings den Erscheinungen der Natur nach-

470

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Vorlesung über das liistorisclie Museum zu Versaillüs etc. 477

gel)il(iet, aber sie haben vorerst keine selbständige Gültigkeit, kein eigen-
thümliches Leben-, sie sind die willenlosen Träger des Gedankens, auf
den es hiebei allein ankommt. Lange Jahrhunderte gehen vorüber, ehe i

der Bildner es wagt, aus dem Kreise, in den der Gedanke ihn gebannt
hatte, herauszutreten, ehe er es erkennt, dass jene der Natur entnpmmenen
Zeichen Berechtigung auf ein selbständiges Dasein haben, dass es nöthig
ist, dem Zeichen dem Gegenstande der Darstellung — dies selbständige •

Dasein zu geben und es aus dem Sklaven des Gedankens zum frei Ver- |

bündeten desselben zu machen. Erst mit diesem Erkenntniss beginnt die v

freie Kunst; doch abermals vergehen Jahrhunderte, ehe die Freiheit wirk-
lich erreicht wird. ■ . .. '

Ich muss es mir versagen, auf die Gründe dieser merkwürdigen Ent- |

Wickelungsverhältnisse näher einzugehen. Thatsache ist es, dass diejeni- |

gen künstlerischen Darstellungen, in denen es auf die Nachbildung der
natürlichen Erscheinung vorzugsweise ankommt oder anzukommen scheint,
erst am Schluss der künstlerischen Entwickelungsperioden hervortreten.
Das Portrait, die Landschaft und Aehnliches der Art gehören, wie auf-
fallend es uns auch_
erscheinen mag, unbedingt zu den jüngsten Kunst- [
fächern. i
Aus denselben Verhältnissen erklärt es sich, dass auch die historische ;
Malerei, im engeren Sinne des Wortes,-— d. h. diejenige.Gattung der ■
Malerei,
welche die Aufgabe hat, wirkliche historische Vorgänge uns zu ;
vergegenwärtigen,—^zu diesen jüngsten Kunstfächern mitgezählt werden t
muss. Sie ist so
jung, dass sie ihrer wahren Entwickelung nach erst der
neusten Zeit angehört und dass hiemit erst der Anfang gemacht ist. 1

Die Richtigkeit der Thatsache ergiebt sich bei einem flüchtigen Blick
auf die früheren Kunst-Epochen. • . .

Im Mittelalter bewegen sich die bildlichen Darstellungen fast aus-
schliesslich im religiösen Gebiet ;'den Stoff dazu geben die Bibel und die
Legende her , denen sich dann mancherlei symbolisches und allegoris.ches ^

Element anreiht. Diese Gegenstände werden theils Jn einem idealen, ''

kirchlich sanctionirten Typus, theils ganz naiv, als der Gegenwart, des ,

Künstlers angehörig, behandelt; die Vergegenwärtigung einer charakteri-
stisch bestimmten historischen Epoche wird bei ihnen nicht erstrebt. Bis i
in die neuste Zeit ist für die biblischen Darstellungen jener ideale Typus i
wenigstens vorherrschend geblieben. Im früheren Mittelalter kommen [•
daneben allerdings einzelne Aufgaben zeitgeschichtlichen Inhalts vor, in
denen der Natur der Sache nach der eigenthümliche Charakter der Zeit i
festgehalten werden muss'te. So liess König Heinrich I. im Schlosse zu [
Merseburg seinen Sieg über die Ungarn malen-*, so hat sich noch auf unsre
Zeit eine gestickte Borte von 210 Fuss Lauge erhalten, auf welcher die %
Thaten bei der Eroberung Englands durch Herzog Wilhelm von der Nor- l
mandie dargestellt sind. Man schreibt diese Arbeit^, die. in der Kunst-
sammlung zu Bayeux aufbewahrt wird, der Gemahlin Wilhelms, Mathilde, r;
oder ihrer Enkelin, der Kaiserin Mathilde, zu. Die darauf enthälteneu' fi
Darstellungen aber sind noch gänzlich rohe Typen, ohne alles individuelle ^
Leben, eben nur eine Schrift in Bildern; ähnlich wird auch jene Merse- r
burger Malerei beschaffen gewesen sein, wenn gleich Luitprand, dem wir h
,die Nachricht verdanken, sagtr: man sehe darin mehr eine wirkliche als J
eine wahrscheinliche Sache vor sich. Mit- dem höheren Aufschwünge der
mittelalterlichen Malerei, seit Cimabue, verscliwinden ohnehin die Aufgaben

■r

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Kuiistreise im Jahr 1845.

solcher Art. Nur gelegentlich und bftsonäers in der s])äteren Zeit des
Mittelalters, wo ein gewisses realistisches Element in der Kunst vorherrscht,
wird dem historischen Bedürfniss insofern eine leichte Concession gemacht,
als man Bildnissgestalten von Zeitgenossen, zumeist als Zuschauer, in die
grösseren Bilder heiligen Inhalts aufnimmt.

Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts erhielt Raphael, damals
zwanzig Jahre alt, einen für die Zeit seltenen Auftrag zu wirklich histo-
rischeu Compositionen. Es galt, die Hauptmomente aus dem Leben des
Aeneas Sylvins, der als Papst den Namen Pius II. geführt hatte und im
Jahre 1464 gestorben war^ bildlich darzustellen. Nach Raphael's Zeich-
nungen, von denen sich zwei erhalten haben, wurden die Compositionen
durch Pinturicchio, den eigentlichen Unternehmer der Arbeit, und unter
seiner Leitung in der Libreria des Domes zu Siena auf die Wand gemalt.
Die Compositionen sind des raphaelischen Geistes würdig, besonders in
jenen beiden Zeichnungen, wenn auch die höhere freie Kraft des Meisters
hier noch nicht ersichtlich wird. Die Aulfassung und Behandlung ist aber
noch entschieden subjektiv; statt der historischen Individualisirung haben
wir es hier noch mit den herkömmlichen Typen der Schule Perugino's zu
thun. In spätere Arbeiten Raphael's klingt zuweilen ebenfalls noch das
historische Element hinein, aber es gewinnt auch hier keine selbständige
Geltung. Im Heliodor, in der Messe von Bolsena, zweien der berühmtesten
Gemälde Raphael's, die zu dem Cyclus seiner Wandmalereien im päpst-
lichen Palast zu Rom gehören, wird der Bezug der Darstellung auf die
historischen Verhältnisse der Gegenwart wiederum nur durch das Hinzu-
fügen von Portraitgestalten angedeutet. In den Borten einer Anzahl der
Tapeten, die nach Raphael's Gartens gewirkt wurden, sind Darstellungen
aus der Geschichte Papst Leo's X. enthalten; dieselben sind aber, wenn
auch eigenthümlich geistreich, durchaus in die antike Anschauungsweise
übersetzt, so dass auch hier von unmittelbarer Vergegenwärtigung des
Geschehenen nicht die Rede sein kann. -

478

In der Zeit nach Raphael kommen, ähnlich wie es in jenen Malereien
der Libreria zu Siena der Fall war, allerdings ab und zu umfassende
historische Aufgaben vor, in denen der Sinn der Künstler sich, wennschon
ebenfalls noch nicht auf durchgeführte historische Individualisirung, so
doch auf* markige Lebensfülle hinrichtet. So schon in den Malereien,
welche Taddeo Zuccaro um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
im Schlosse Caprarola, unfern von Rom, ausführte und welche die Gross-
thaten des Hauses Farnese zum Gegenstande haben. So in der grossen
Reihenfolge von Gemälden, in denen Rubens die Geschichte der Königin
von Frankreich, Maria de'Medici, darstellte. Diese Gemälde befinden sich
gegenwärtig im Pariser Museum. Sie zeichnen sich, wie es überall in
Rubens Bildern der Fall ist, durch die Frische und Kraft des Lebens aus;
auch der-eigenthümliche Portraitcharakter der einzelnen Gestalten ist au-
genscheinlich auf sprechende Weise wiedergegeben. Dabei aber war es
gar nicht die Absicht des Künstlers, dem Beschauer wirkliche historische
Vorgänge vorzuführen. Fast durchweg sind den Gestalten der realen
Existenz Wesen eingemischt,'die nur der Phantasiewelt angehören; die
-Götter und die Halbgötter des antiken Olymps, in flämischer Körperfülle
wiedergeboren, steigen nieder, an den Geschicken der Königin Theil zu
nehmen. Apoll, Minerva, Merkur und die Grazien lassen sich ihre Er-
ziehung angelegen sein; Hymen trägt ihre Schleppe bei der kirchliche;!

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Vorlesung über das liistorisclie Museum zu Versaillüs etc. 479

Vermählung; Trltonen und Nerei'den -umtanzen in wilder Lust das-;Schiir,
von dem herab sie den Boden Franlsreichs betritt; alle wohlthätigeii Gott-
heiten vereinigen sich, den Segen ihres Regiments apzudeuten. Man sieht,
das Ganze ist ein poetisches Lobgedicht auf die Königin, nach dem Ge-
schraacke der Zeit, noch immer keine eigentliche Geschichte.

Mehr schon nähern sich einer wirklichen geschichtlichen Malerei die
Darstellungen, welche unter König Ludwig XIV.,von Frankreith und zur
Verherrlichung seiner Herrscherthätigkeit ausgeführt wurden; obgleich auch
hier der Gedanke noch fern liegt, das innere eigenthümliche Lebensge-
fühl der Zeit zum Ausdruck zu "bringen, und die Darstellungen im We-
sentlichen nur auf äussere Schaustellung berechnet sind. 'Aber es war
doch die Anregung gegeben, und wie überall das Beispiel Ludwig's XIV.
mächtig auf die Fürsten seiner Zeit wirkte, so auch in dem Bestreben,
den Glanz des fürstlichen Hauses durch bildliche Darstellung der histori-
schen Beziehungen desselben zu verewigen. Wenig bekannt, aber höchst
bemerkenswerth sind die Hautelisse-Tapeten*, in denen die Siege Friedrich-
Wilhelms, des grossen Kurfürsten, über die Schweden in grossen flguren-
reichen Darstellungen gewirkt sind. Kurfürst Friedrich III. liess'dieselben
am Ende des siebzehnten Jahrhunderts, ehe er sich noch die preussische
Königskrone aufsetzte, in Berlin anfertigen; sie befinden sich im könig-
lichen Schlosse hieselbst. i Die Arbeit ist in ihrer Art vortrefflich, die
Darstellung mit entschieden historischem.'Sinne behandelt. Die. Tapete
z. "B., welche den winterlichen Marsch über das zugefrorene kurische HafT
zum Gegenstande hat, führt das merkwürdige Ereighiss in lebendiger
Frische vor unsern Augen vorüber. Die Wandgemälde im grossen Mar-
morsaale des königlichen Schlosses zu Potsdam, die sich ebenfalls auf die
Tiialen des grossen Kurfürsten beziehen, sind'dagegen wieder in mehr
allegorisirender Weise behandelt. .

Das achtzehnte Jahrhundert nimmt die Bestrebungen solcher Art nur
in sehr geringem Maasse auf. Erst mit dem Schlüsse desselben erwacht
aufs Neue die historische Riyhtung der Kunst, um sodann, allmählich fort-
schreitend, zu sehr eigenthvlmlichen Resultaten .^u gelangen.

Die jüngste Zeit h'at dieser Richtung der Kunst manchetlei bedeutende
und anerkennungswürdige Aufgaben gebracht^ Keine der dahin gehörigen
Unternehmungen aber war umfassender, keine dem Plane nach grossartiger,
als die>'Gründung des historischen Museums zu Versailles. Mit stau-
nenswerther Schnelligkeit ist hier ein Ganzes von fast unermesslichem
Umfange ins Leben, geführt worden. Erst König Louis Philipp hat den
Gedanken dazu aufgenommen. Das mächtige Schloss von Versailles, einst
der Wohnsitz der glänzendsten königlichen Majestät, war Verwüstet und
verödet; furchtbare Stürme waren_ darüber hingegangen und hatten dem
Gebäude und den Prunkräumen desselben ihre traurigen Spuren aufge-
drückt. Es musste darüber entschieden werden, ob man das Denkmal
einstiger Herrlichkeit gänzlichem Verfalle preisgeben oder ob und zu wel-
chem Zwecke man dasselbe wieder herstellen wollte. Schon sprach man
davon, dass es zu ^Kasernen, zu Fabriken u. dergl. einzurichten sei. Der
König entschied sich dafür,' den stolzen Palast in einen Tempel des fran-
zösischen Nationalruhmes umzuwandeln. Die Wohnzimmer Königs Lud-
wig'S XIV., die von der eisernen Faust der Revolution nicht unberührt
geblieben waren', wurden mit eifriger Genauigkeit in ihrem ursp'rüngljchen
Zustande wieder hergestellt, alle übrigen Räume, nur Kapelle und Theater

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480 Ktinstreise im Jalir 1845. ■ -

ausgenommoll, wurden mit künstlerischen, auf die Gescliiclite Franlireiclis
bezüglichen Darstellungen angefüllt. Aus allen- königlichen Residenzen,
aus allen Magazinen derselben wurden die schon vorhandenen Darstel-
lungen der Art zusammengesucht, um hier vereinigt zu
Vierden; hunderte
von Künstlern erhielten Aufträge zur Ausführung historischer Scenen, zur
Abbildung historisch bedeutender Personen. Schon im Juni 1S37 konnte
das Museum dem Publikum eröffnet werden, dem seit diesem Jahre der
Zutritt unausgesetzt frei steht. Noch war zwar das grosse Werk nicht in
allen Theilen vollendet, aber unablässig ist seitdem fortgearbeitet worden
und mit immer neuen Arbeiten wird dasselbe auch gegenwärtig noch
geschmückt.

Die Fülle der Gegenstände, die hier der Schau ausgestellt sind, ist so
überaus gross, dass man müd und matt, kaum mit dem Bewusstsein eines
Totaleindruckes, von der ersten Wanderung durch diese Räume heimkehrt.
Man berechnet den Umfang derselben im Ganzen auf 272 deutsche Meilen.
Eine Menge Zimmer und Säle ist mit Gemälden, zum Theil vom kolos-
salsten Umfange, angefüllt, in denen Ereignisse der französischen Ge-
schichte dargestellt sind. Ausgedehnte Portraitgallerien , mit Bildnissen
der Könige, der Admiräle, der Connetabeln, der Marschälle, der ausge-
zeichnetsten Krieger Frankreichs , landschaftliche und architectonische
Prospecte reihen sich ihnen an. Andre Säle sind, über den eigentlichen
Zweck des Museums hinausgehend, mit zahlreichen Bildnissen berühmter
Personen aus allerlei andern Ländern versehen. Weitläuftige Korridore
enthalten lange Reihefolgen von Statuen und Büsten. Eine bedeutende
Sammlung von Medaillen mit den Bildnissen merkwtirdiger Personen ver-
schwindet fast, bei der Kleinheit der Gegenstände, dem Blicke des Be-
schauers. - Ueberhaupt gleitet das verwirrte Auge, das unstät von dem
einen Gegenstande auf den andern schweift , oft bewusstlos über die
schönste und anziehendste Arbeit hin. ^Wir müssen gegen das Ende des
einen Korridors absichtlich still stehen, um jene Marmorstatue der Jung-
frau von Orleans, die bescheiden in der Reihe der übrigen Statuen steht
und durch kein theatralisches Pathos die Aufmerksamkeit herausfordert,
in's Auge zu fassen und in ihr das stille und doch'mit männlicher Energie
durchgeführte Meisterwerk der verstorbenen Prinzessin Marie zu bewun-
dern, Es ist die Statue der Jungfrau vo^ri Orleans, die in kleinen Gyps-
abgüssen auch bei uns ganz allgemein verbreitet ist.

Es treibt uns indess, einen Faden zu suchen, der uns durch dies Kunst-
Labyrinth hindurchführen könne, ein bestimmtes, geistig förderndes Re-
sultat aus der Betrachtung dieser Kunstwelt, in die doch jedenfalls eine
Masse geistigen Strebens und Wollens hineingearbeitet ist, mit heimzu-
bringen. Auch sind wir keine Franzosen und können somit an dem na-
tional-patriotischen Interesse dieser Gegenstände nur in bedingter Weise
Theil nehmen ; eben so wenig kann es eine erhebliche Wichtigkeit
für uns hal)en, in die tausendfältigen Spezialitäten der technisch künstle-
rischen Behandlung, die hier zur Schau stehen, tiberall näher einzugehen.
Einen sichern Faden für die Betrachtung nach unserem Bedürfnisse, einen
festen Ausgangspunkt zur Gewinnung eines Ürtheils, das auf die allge-
meinen Bedingungen des Kunstlebens zurückführt, erhalten
Avir durch die
Frage: Wie gestaltet sich in dieser Menge historischer Productionen die_^
eigenthümliche Gattung der geschichtlichen Malerei, und welche Ent-
wickelung, welche Ausbildung hat dieselbe bei so wichtig fördernder Ver-

öl' -

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Vorlesung über das liistorisclie Museum zu Versaillüs etc. 481

anlassung gewonnen? Natürlich lassen wir hiebei jene grossen Reihenfolgen
blosser Portraitbilder ganz bei Seife; wer nicht durch stoffliches Interesse
angezogen wird, pflegt ohnehin die Portraitgallerieen schneller zu durch-
schreiten. Zur Beantwortung der oben aufgestellten Frage aber scheiden
wir die Masse der Gemälde, in denen geschichtliche Seenen vergegenwär-
tigt sind,.sofort in zwei Hauptabtheilungen: in diejenigen, deren Verfer-
tiger Zeitgenossen der auszuführenden Darstellung waren, und in diejeni-
gen, deren Gegenstände einer schon vergangenen Zeit angehörten.- Der
Unterschied zwischen beiden Abtheilungen ist nicht unerheblich. Bei den
Bildern der ersten Abtheilung' war ein Bekanntes, theils aus unmittelbarer
Anschauung, theils doch aus der lebendigen Zeitstimmung heraus, wieder-
zugeben; bei denen der zweiten kam es auf geistige Wiederbelebung nicht
mehr vorhandener Zustände an. Bei den Bildern der ersten Abtheilung
konnte über die äussere Gestaltung nicht wohl ein Zweifel sein, aber die
Fülle' der einzelnen realen Anforderungen konnte die eigentlich künst-
lerische Schöpferkraft lähmen; bei denen der zweiten war diese Schöpfer-
kraft minder beschränkt, aber zugleich war die Herstellung einet realen,
historisch charakteristischen Existenz bei Weitem schwieriger.

Die Bilder der ersten Abtheilung, die von Zeitgenossen der bezüg-
lichen'Begebenheiten ausgeführten, gewähren eine ganz belehrende Ueber-
sicht über die Versuche, welche zu einer eigentlich geschichtlichen Malerei
geführt haben. Sie beginnen mit der Epoche König Ludwig's XIV. Ich
habe',die künstlerische Richtung derselben schon vorhin mit kurzer An-
deutung bezeichnet. Die grösseren dieser Gemälde gehören eigentlich noch
ganz dem Fache der Bildnissmalerei an. Es sind Darstellungen ceremo-
niöser Feierlichkeiten, die im innern Heiligthum des Hofes vor sich gehen,
oder Seenen, die den König als Schützer der Künste und Wissenschaften
oder die ihn gelegentlich auch an der Spitze seines militärischen Stabes
zeigen. Alles ist hier nach strenpter Etikette geregelt; der Künstler
— zumeist Charles Lebrun — arbeitete unter den Augen des Ober-
Ceremonienmeisters; jeder Person musste in dem_Bilde ihr gebührendes
Recht geschehen, jede, soviel es nur irgend ging, ihr Gesicht dem Be-
schauer en face zuwenden. Gelegentlich ist .auch noch eine Victoria oder
Fama im nicht völlig etikettemässigen Kostüm zwischen die Alongen-
Perrücken gemischl Kleinere Bilder der Zeit enthalten zumeist land-
schaftliche Darstellungen mit mehr oder minder klarer Andeutung eines
wichtigen kriegerischen Vorganges. während sich im" Vorgrunde wiederum^
stets der König und sein Gefolge repräsentirt. -Van der Meulen hat
eine beträchtliche Anzahl solcher Bilder mit ganz liebenswürdiger NaivetSt
gemalt. Historisch, im lieferen Sinne dieses Worts, sind all jene Gemälde
freilich kaum zu nepnen.

Die Zeit Köcig Ludwig"? XV. ist^viel ärmer an Darstellungen der Art.
Man lebte dem momentanen Genüsse und hatte kaum noch zur Repräsen-
tation Zeit und Neigung. Neben einigen kleinen Bildern, die, ähnlich wie
die'oben genannten^ auf liriegerische Ereignisse bezüglich sind, hat man
an andern Stellen die erlauchten Personen des Hofes aus mythologischen
Wolkenscenen herauszusuchen. Ai^ch die Regierung König Ludwig's XVI.
hat wiederum nur ein Paar portraitartige Seenen hinterlassen.

Die Zeit der Revolution war einer künstlerischen Darstellung ihrer
Thaten und Ereignisse zunächst ebenfalls nicht günstig. Sie hatte sich

Kugler, Kleine Scliriflen. III. , , - 31

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482 Kunstreise im Jahr 1845.

allerdings zwar mit der Kunst verbündet. Jacques Louis David, der
Maler, einer ihrer eifrigsten Anhänger, dirigirte den theatralischen Pomp
der grossen Nationalfeste, aber das wilde Triebrad der Zeit konnte dem
eigentlich künstlerischen Schaffen nur wenig Müsse lassen. David selbst
hat zwar einige Begebenheiten der Revolution gemalt, die jedoch in das
Versailler Museum nicht aufgenommen sind. Besonders rühmt man seine
Darstellung des Todes Marat's, der si^h, nachdem er von Charlotte Corday
den tödlichen Stich empfangen, in der Badewanne verblutet; David soll
einer der ersten gewesen sein, die auf die Nachricht des Unerhörten sich
in Marat's Wohnung begeben, und soll sogleich an Ort und Stelle das Bild
concipirt haben. Auch den Schwur im Ballhause hat er in figurenreicher
Darstellung gemalt; aber das Bild, das uns durch den Kupferstich bekannt
geworden, ist von einem so akademisch theatralischen Pathos erfüllt, dass
man deutlich sieht; hier hat der Künstler'nicht nach dem Leben gemalt.
— Eine Menge zumeist kleiner Bilder stellt kriegerische Begebenheiten
aus der Revolutionszeit dar. Ein Theil von ihnen besteht aus Tableaux,
landschaftlichen Karten oder Schlachtplänen fast vergleichbar, indeni man
wie aus hoher Luft herab den Schauplatz des Vorganges überblickt. Mit
wundersam kühner Genialität ist in solcher Art ein grosses Gemälde von
Bagetti ausgeführt, in welchem man die ganze Alpenkette vor sieb
sieht, jenseit die Lombardei mit ihren Seen und Flüssen, die Höhen der
Apenninen bis weit in das Herz Italiens hinab, adriatisches und mittel-
ländisches Meer zu beiden Seiten. Es soll den Marsch der französischen
Armee über die Alpen im Jahre 1800 erläutern.^ Andre Schlachtbilder
sind dagegen als Landschalten im gewöhnlichen Sinne gefasst, deren Staffage
durch das betreffende kriegerische Ereigniss gebildet wird. Künstlerische
Wärme ist in ihnen gerade nicht zu finden, doch haben sie etwas bülle-
tinartig Bezeichnendes. Der Vorgrund enthält keine Hauptpersonen, da
der nivellirende Charakter der Zeit dergleichen nicht gern gesehen haben
würde. V

Aber die bedeutenden Personen treten doch mehr und mehr wieder
als die Seele der Thaten in den Vorgrund der Geschichte; bald absorbirt
die Person des ersten Consuls von Frankreich das anderweitige Interesse.
Der Bulletin-Charakter der Bilder geht in den Memoiren-Charakter über.
Es handelt sich wieder um portraitmässige Schilderung, um die G^ruppi-
rung von Persönlichkeiten mit Andeutung eines möglichst prägnanten Mo-
,ments. Die Darstellung behält noch etwas Frostiges, doch springt die
individuelle Bezeichnung gelegentlich schon bedeutend hervor. Charak-
teristisch erschien mir unter den hieher gehörigen Bildern namentlich eins
von Monsiau, das eine feierliche Sitzung der Deputirten der cisalpini-
schen Republik unter Bonaparte's Vorsitz darstellt. Man fühlt hierin schon
die Wichtigkeit des'Moments, der eine Anzahl einflussreicher Personen
versammelt. Je feierlicher die Geschichte vorschreitet, um so feierlicher
werden auch die bildlichen Darstellungen. Die,beiden kolossalen Gemälde
von Davidy die Krönung der Kaiserin Josephinc durch Napoleon und die
Vertheilung der Adler an die Armee, sind Bilder eines höchst imposanten
Theatereffekts. Gros, Davids Schüler, malte umfangreiche Bilder aus
der Geschichte des ägyptischen Krieges, die Schlacht bei den Pyramiden,
die Schlacht von Abukir, Napoleon's Besuch unter den Pestkrauken zu
Jaffa," und wusste auch diesen Darstellungen das Gepräge einer'gewissen
theatralisch gemessenen Feierlichkeit aufzudrücken. Andre Schlachtbilder,

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Vorlesung über das liistorisclie Museum zu Versaillüs etc. 483

besonders die aus der Epoche der Kaiserherrschaft, werden wieder in
jenem landschaftlichen Sinne behandelt, aber der Kaiser und sein Gefolge
nehmen jetzt, wie Ludwig XIV. vor Zeiten , die charakteristische^Stelle
im Vorgrund • ein. Später j und besonders^ bei den in jüngster Zelt ge-
malten Napoleonischen Schlachten, verschwindet der landschaftlich^ Ueber-
blick des Ganzen mehr und mehr; nur der Kaiser und sein Stab, gele-
gentlich in irgend einer anekdotischen Situation, bleiben übrig: Kostüm
und Physiognomik, Virtuosität der Behandlung werden die Hauptsache.
In solchen Bildern ist namentlich Horace Verne t schon ausgezeichnet.
Elemente zu einer geschichtlichen Kunst sind in all diesen Bildern ver-
streut; sie selbst in ihrer eigenthümlichen Bedeutung ist darin noch ni<!ht
ausgebildet. • ■ ,, .

Die Zeit der Restauration wird im Wesentlichen nur durch einige
Portraits, mit der Andeutung militärischer Paraden im Hintergrunde, be-
zeichnet. Dann kommt die Gründung der Juli-Dynastie. Die Ereignisse
derselben vserden wieder in grossen figurenreichen Bildern verherrlicht,
aber wiederhaben diese Arbeiten nur. einen nüchternen Membiren-Charakter;
es sind grosse Sammlungen von Portraits, jeder Einzelne möglichst genau
und erkennbar hingezeichnet, aber kein Athem eines grossen geschicht-
lichen Lebens darin. Es scheint, als ob die französische Malerei, trotz
all ihrer Bestrebungen, über das Aufsammeln einzelner Züge, die zu einer
geschichtlichen Kunst führen könnten, nicht hinaus kommen sollte. ,

Aber schon ist die Meisterhand da, die d iese zerstreuten Züge zu
einem Ganzen von höchster, wirkungsreichster Bedeutung vereinigt. Ho-
race Vernet, bis dahin nur als ausgezeichneter, geistvoller Virtuos in
seiner Kunst bekannt, malt die neusten kriegerischen Thaten der Fran-
zosen, namentlich die Ereignisse ihres algierischen Krieges, und das Fach
der historischen Malerei, in der ganzen Eigenthümlichkeit und in der
ganzen Grösse seiner Bedeutung, ist gewonnen.V In diesen Bildern ist
nichts mehr von dem Bülletin- oder Memoiren-Charakter, nichts mehr von
einer leeren tableauartigen Andeutung,- von inhaltloser Repräsentation, von
theatralischem Pomp,- von anekdotischer Spielerei. Mächtig und ergreifend
entwickelt sich die-That über das grosse figurenreiche,Bild hin,-Alles
durchweg mit einer Fülle, Lebendigkeit und Wärme vorgetragen, d^ss
man es mit Händen greifen könnte. Alles in frischer Naivetät, wohlgeord-
net, so dass das Bild ganz aus
sich spricht," und dabei zugleich —soweit
es wenigstens die historische Aufgabe verstattete — in jener Haltung und
Gemessenheit, welche durch die Anforderung des höheren Kunststyles be-
dingt ist< Das Bild z. B., welches den Aufbruch zum Sturm auf Con'stan-
tine in früher Morgenstunde darstellt, hat in seiner Gesammtv^'irkung.eine
so gehalten ernste, fast möcht' ich sagen: tragische Stimmung, dass man
aufs lebendigste die ganzC Bedeutung des Momentes, auf den ein entschei-
der Kampf folgen wird, fühlt. Ein eigenthümliches Interesse gewinnen
diese algierischen Bilder natürlich durch die grössere Mannigfaltigkeit des
Kostüms. 'Vor Allem gilt dies von einem der j.üngsten hieher gehörigen
Gemälde, welches den Ueberfall
der Smalah^ des Lagerscliatzes des Abd-el-
Kader, der von den leichten Chasseurs zu Pferde unter Anführung des
Herzogs von Auraale genommen wurde, darstellt. Das Bild ist 66. Fuss
lang. Man sieht; wie die französischen Reiter gegen das Lager stürmen
und dasselbe in geschickter Schwenkung umzingeln. Streitlustige Araber
werfen sich ihnen entgegen. In der Mitte des Bildes ist Alles in wilder

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484 Knnstreise im Jahr 1845,

Verwirrung, Tliiere, Männer, Weiber, Kinder, das mannigfaltigste Lager-
geräth, Alles bunt durch einander; die schönen Töchter des Befehlshabers
sind im Begriff, aus den Sänften des umgerannten Kameeies, das sie aus
der Verwirrung retten sollte, hinabzustürzen. Weiterhin wenden sich die
Araber zur Flucht ins Freie. Das Bild ist die Avundervollste Erzählung,
die je der Pinsel eines Malers hingezaubert hat; die ganze Romantik des
Krieges von Afrika, der ganze Widerstreit zwischen den Söhnen der Cultur
und den Kindern der Wüste ist darin enthalten; und Alles frisch, warm,
natürlich, unbefangen, wie sonst nur in den höchsten Meisterwerken. Das
technische Vermögen des Künstlers ist fast räthselhaft. Horace Vernet hat
an dem kolossalen Bilde nicht ein Jahr lang gemalt. Der französische
Witz hat dies unglaublich Scheinende auch sofort ausgebeutet und eine
Karikatur hervorgebracht, die den Meister darstellt, wie er zu Pferde mit
Pinsel und Palette an der langen Leinwand vorüber galoppirend, das
Bild malt.

Gehen wir von diesen Darstellungen neuster Ereignisse rückwärts
zu der grossen Masse derjenigen Bilder, deren Gegenstand vergangenen
Tagen angehört, so sind zunächst einige Gemälde mit Vorgängen aus dem
Anfange der grossen Revolution des vorigen Jahrhunderts hervorzuheben.
Vor Allem ein imposantes Bild von Couder: die Versammlung der ^tats
gen^raux am 5. Mai 1789. Die Aufgabe war unendlich schwierig; eine
feierliche, nach strengstem Ceremoniel geordnete Assemblöe ohne Andeu-
tung irgend eines dramatischen Vorganges zu malen und doch mehr zu
geben, als eine blosse Sammlung von Bildnissen, dies scheint fast über
das Vermögen der Kunst hinauszugehen. Dennoch hat Couder das fast
Unglaubliche möglich gemacht. Das Bild, bei dem man schräg durch den
Saal blickt, macht in der That einen ächt künstlerischen Eindruck. Wie
eine Phalanx ist die Schlachtordnung der Glieder des Tiers-fitat; unter
denen sich Mirabeau kühn erhoben hat, zwischen die Reihen der beiden
oberen Stände eingeschoben; im Hintergrunde der Glanz der königlichen
Tribüne und der Logen „mit den Damen. Vor Allem wirken die Massen
des Bildes, obgleich das Einzelne keineswegs untergeordnet ist, vielmehr
sich durch ebenso meisterliche Virtuosität der Behandlung^ wie durch un-
befangene Naivetät der Anordnung auszeichnet. Auch hier ist wahrhaft
historische Darstellung und vor Allem jene malerische Stimmung, die uns
die Grösse des Moments ahnen lässt. Aehnlich,
Avenn auch nicht eben so
bedeutend, sind ein Paar andre Bilder derselben Epoche, namentlich die
flgurenreiche, doch in beschränkterem Maassstabe gehaltene Darstellung
des grossen Föderationsfestes auf dem Marsfelde, von Couder, und der
Ausmarsch der Pariser Nationalgarde zur Armee , von Cogniet. Von
den inneren Ereignissen der Revolution sind übrigens nur wenig Darstel-
lungen vorhanden. Der Grund hievon wird in dem speciellen Zwecke
des Museums liegen, über den ich hernach noch einige Worte werde hin-
zufügen müssen.

Vielleicht hat die Nähe der Revolutionszeit auf die eben genannten
Bilder noch belebend eingewirkt. Bei Weitem die Mehrzahl der Gemälde,
die sich mit den Ereignissen früherer Zeit; beschäftigen, und namentlich
die, welche Sceneu des Mittelalters zum Gegenstande haben, sind dagegen
minder befriedigend. Die verschiedenartigsten künstlerischen Richtungen
gehen in diesen Werken an uns vorüber, ohne dass es darin zu einer
grossen Gesammtrichtung käme. Es fehlt den Malern vor Allem an einem

!. *

Li.

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Vorlesung über das historische Museum zu Versailkts etc. 485

V

markvollen historischen Studium, so dass sie auch nicht zu einer Wieder-
geburt der Geschichte zu kommen -vermögen. Selbst'genauere Kostüm-
studien zeigen sich nur gelegentlich^, zumeist besteht das dargestellte
Kostilm aus Theatergarderobe. Die Aufgabe^ hebt nur selten den histori-
schen Moment jn seiner grossen ethischen Bedeutung hervor; die Darstel-
lung hat im Gegentheil. einen mehr oder we'niger zufälligen Charakter,
wobei der Künstler zufrieden ist, wenn ihm nur Gelegenheit zu- irgend
einer theatralischen Anordnung oder zur Ausbreitung der bunten Farben
seines Malkastens geboten wurde. Selbst Horace,Vernet erscheint in
den Bildern dieser, Art wiederum nur als sehr ausgezeichneter Virtuos;
Steuben, Schnetz, Deveria, Delacroix u. A. haben in ihrer Art
Tüchtiges, doch im höheren Sinne nicht eigentlich Befriedigendes geleistet,
Am wenigsten finden wir Grösse des Styles in diesen Bildern. . Signol
hat in einer Kreuzzugpredigt des heil. Bernhard von Clairvaux gute sty-
listische Momente entwickelt. Ary Scheffer, der zu den stylvollsten
unter den französischen Künstlern gehört und uns wegen seiner Verwand't-
schaft mit der deutschen Kunst interessant ist, genügt hier ebenfalls nicht;
seine Bilder haben hier eine gewisse oberflächliche Allgemeinheit; nur
sein Chlodwig in der Schlacht von Zülpich zeichnet sich durch eine ge-
wisse Grösse des Sinnes aus. Die P'ranzosen erkennen diese Mängel selbst
an; man hat mir mehrfach gesagt, ich würde diesem oder jenem Meister
Unrecht thun, "wenn ich ihn nach seinen in Versailles befindlichen.Ge-
mälden beurtheilen wolle. Die Schnelligkeit, mit der das grosse Museum
eingerichtet werden musste, scheint also nicht ganz gute Früchte getragen
zu haben; es war wenigstens nicht überall auf eitle so siegreiche Genia-
lität, wie sie Horace Vernet in den afrikanischen Bildern dargelegt hat,
zu rechnen. < <

Die historische Richtung der heutigen französischen Kunst ist^aber
mit den Gemälden von Versailles nicht abgeschlossen." Häufig haben die
Künstler nach freier Wahl historische Momente behandelt, die ihnen durch
irgend einen grossartigen Conflict, durch irgend ein ergreifendes morali-
sches Verhältniss zur künstlerischen Darstellung besonders geeignet schie-
nen. In diesen'Bildern bemerken wir nicht ganz selten ein sinnvolles
Versenken in die Aufgabe, eine lebenswarme, frische, mehrfach auch in
edler Haltung gegebene Entwickelung derselben. Die Gallerie desLuxem-
bourg, — ein Museum, welches ausschliesslich der Kunst der Gegenwart
gewidmet ist und dessen Meisterwerke eine sehr belehrende Uebersiclit
über die Richtungen der heutigen französischen Kunst gewähren, — besitzt
sehr schätzenswerthe Arbeiten solcher Art.- Vornehmlich ausgezeichnet
sind die historischen Gemälde von Paul Delaroche,.der in ihnen be-
sonders gern Momente der englischen Geschichte dargestellt hat. Seine
Bilder des Todes der'Königin-Elisabeth, der Söhne Eduard's IV. im
Tower u. a. m. sind auch bei uns in den" Kupferstiche« bekannt und
geschätzt. ^^ • .

Nur beiläufig kann Ich" darauf hindeuten, dass eine verwandte und
sehr beachtenswerthe Kunstriclitung in Belgien erwacht ist. Wir haben
in den beiden grosseh Gemälden von.Gallait und de Biefve auf einer
unsrer Kunstausstellungen sehr ausgezeichnete Beispiele dieser belgisch
historischen Malerei bewundert. Beiden Meistern reihen sich in ähnlichem
Streben andre Künsler an, namentlich de Keyser und Wappers. Die

-ocr page 487-

486 Kunstreis« im. Jahr 1815.

Abdankung Kaiser Karl's V. von Gallait ist aber jedenfalls das Gross-
artigste und Gediegenste unter den hieher gehörigen Werken.

Ich muss indess noch einmal, und zwar mit einer ebenfalls nicht un-
wichtigen Bemerkung, auf das Museum von Versailles zurückkommen. Es
führt den Namen eines liistorischen Museums, und insofern allerdings mit
Recht, als es historische Darstellungen enthält. Eine künstlerische Bele-
bung und Vergegenwärtigung der Geschichte Frankreichs, wie man nach
der ganzen Anlage des Museums schliessen möchte, ist in diesen Darstel-
lungen aber nicht gegeben, — es sind nur Bruchstücke einer solchen,
nicht der etwa zufälligen ünvöllständigkeit halber, sondern dem Princip
nach. Die Inschrift, die mit grossen goldnen Buchstaben den Eingang
des Schlosses schmückt, spricht dies Princip unumwunden aus; sie lautet:
„Ä toutes les gloires de la France.'-'- Das ist freilich ganz dem fran-
zösischen Nationalcharakter entsprechend. „Jeglichem Ruhme Frank-
reichs" ist das Museum gewidmet, dem Ruhme, der ein Besitzthum aus-
macht, auf welches man stolz ist, wie auf kein andres, dem Ruhme, der
zur Nacheiferung unablässig antreiben und anspornen'soll. Wohl ist es
etwas.Edles um den Ruhm und um das Ringen danach"; abfer er füllt das
Leben nicht aus, und die ruhmvollen Tage füllen die GescTiTcht« ,nicht
aus. Auch soll die Geschichte unsre Leidenschaft nicht efriegeüT'sie'soll
uns belehren, dass wir Herr werden über die Leidenschaft. Die'Geschich'te
ist nicht allein gross in den Thaten des Glanzes; auch^ in denen des
passiven Heroismus, auch in denen des Schreckens und der Noth. Sollen
wir die Geschicke des Vaterlandes kennen lernen und uns an diesen auf-
erbauen und zu eignem Thun kräftigen, so müssen wir nicht ^llein-die
sonnigen Höhen uhsrer Geschichte besteigen, auch'mit der geheimüissvoU
len Dämmerung der Wälder, auch mit dem Grauen der Abgründe müssen
wir uns vertraut machen. So vermissen wir unter den Bildern von Ver-
sailles gar manche Scene der französischen Geschichte, deren ErhabenhBlt
uns wohl berechtigt hätte, sie in jenem Museum dargestellt zu finden. Uiti
nur ein Beispiel aus Hunderten anzuführen, bemerke ich, dass Steijben's
allgemein bekanntes hochtragisches Bild, Napoleon in dem fufchtbjiir'ent-
scheidenden Momente der Schlacht von Waterloo ,' nicht in das'Museum
aufgenommen ist und auch kein andres an dies6n-Moment,'~Keins an den
heroischen Ruf: „Die Garde stirbt, sie ergiebt sich nichterinnert.

Ein deutsches historisches Museum würde von'Vornherein unter
einem "wesentlich andern Gesichtspunkte gegründet werden müssen. Bei
uns würde, dem deutschen Nationalcharakter-entsprechend, von vornherein
auf die moralisch veredelnde Beäeutung ^def Geschichte, auf Darstellungen,
die den inneren Kern'des geschichtlichen Lebens enthielten, die das poe-
tische Element des Volkslebens zum Bewusstsein brächten, ausgegangen
werden. Wir -wütiien dem Werk eine andre Inschrift setzen müssen.
Auch künstlerisch würde mit andern Grundsätzen an die Behandlung des
Einzelnen gegangen werden; in der deutschen Kunst herrscht, im Gegen-
satz gegen das genremässige Element, gegen die Richtung auf das einzeln
ZuTällige, wovon die neueren französischen Künstler ausgegangen sind,
mehr grosser Styl, mehr die Richtung auf das Allgemeingültige vor. In
solcher Weise ist auch seither die Mehrzahl der historischen Aufgaben,
die in Deutschland vorgekommen, von ünsern Malern behandelt worden,
so z. B. in den grossen Wandmalereien mit Darstellungen aus der Ge-
schichte Karls des Grossen, des Friedrich Barbarossa und Rudolph's von

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Der Entwurf für die neue grosse Kirche in-Brüssel. 487

Habsbuig, die von Schnorr im Festsaalbau des köDiglichen Schlosses zu
München ausgeführt sind; so in den schönen Compositionen aus der Ge-
schichte Karl's 'des Grossen, die llethel, ein ehemaliger Zögling der
Düsseldorfer Schule, im Rathhause zu Aachen zu malen iin Begriff ist. Es
haben diese und ähnliche Darstellungen an andern Orten zwar im Allge-
meinen mehr noch den Charakter des epischen Gedichts, als den der
wirklichen Historie; aber zur grossen und gemessenen Darstellung.der
Geschichte, — eben zur Andeutung ihres poetischen Gehaltes, bildet solche
Richtung wenigstens gewiss eine höchst schätzenswerthe Grundlage und
in vielfacher Beziehung ein nothwendiges Bedingniss. Und dass es unsrer
Kunst daneben nicht an Lebenswärme, an sinn- und gemüthvollem Ein-
gehen auf das Einzelne gebricht, wer möchte dies läügnen? Lessing's
Huss auf dem Concil zu Costnitz enthält in den Köpfen der dargestellten
Personen eine Reihe historischer Charaktere, in denen wir die Kunst einer
ebenso durchdachten wie beredten Physiognomik bewundern. Haben wir
aber, was die Anforderungen, der eigentlich geschichtlichen Malerei, be-
trifft, allerdings noch keinen Horace Vernet, so hat sich ja eben auch
dieser Meister zu dem was er ist, erst durch die Aufgäben, emporgebildet.

Das Museum zu Versailles ist-ein höchst umfassender Anfang zu einer
Verwendung der Kunst für Zwecke, die der früheren Zeit unbekannt wa-
ren und die das geistige Beddrfniss unsre'r Zeit .zu fordern scheint. Durch
Horace Vernet ist für diese Zwecke, in einer einzelnen Beziehung, höchst
Bewunderungswürdiges erreicht worden. Aber noch liegt ein unermess-
lich weites Feld vor uns. • ,

III.

Der Entwurf des Ärcbitekleu van Ovcrstracleii ^fiir die neue grosse Kirche

'in Brüssel,

unter Berücksichtigung der allgemeinen Strebungen der heuligen Architektur,

* ^

(Kunstblatt 1846, No. 15.)

Neben den unzählbaren Entwickelungskrisen, in denen unsre Zeit be-
griffen ist, verdient der merkwürdige Uebergangs- und Entwickelungszu-
staud der heutigen Architektur gewiss eine sehr entschiedene Beachtung.
Nach den
Conventionellen Schnlregeln, die vier Jahrhunderte hindurch die
europäische Architektur beherrscht hatten, nach der endlosen Wiederho-
lung der Formen des antiken Systems, die all ihrer Schönheit zum Trotz
doch so häufig mit den äussern und^innern Bedürfnissen der modernen Zeit
in Widerspruch geriethen und daher auch einen guten Theil ihrer eignen
Gesetzmässigkeit einbüssen mussten, athmet man endlich wieder auf, in-
dem man ein freieres, mehr oder weniger selbständiges Regen der archi-
tektonischen Kräfte währnimmt. Wohinaus dies führen
soll,, lässt sich
natürlich für jetzt noch nicht absehen. Im Allgemeinen hat man, um
von

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488 Kuustroisp im Jahr 1845.

dem antiken Schulzwange frei zu werden, die Formen der mittelalterlichen
Bausysteme zu Hülfe gerufen. Gelegentlich hat man sich dabei auch dem
einen oder dem andern dieser Systeme so gänzlich dahingegeben, dass der
Geist der Neuzeit wiederum verläugnet und die eine Dienstbärkeit nur mit
der andern vertauscht wurde, was eben nicht als Fortschritt zu betrachten
sein dürfte. Zumeist aber hat man durch das Studium der mittelalter-
lichen Systeme eben nur ein breiteres Material zu gewinnen und dasselbe,
zumal bei der aus der Antike gewonnenen guten Vorbildung, mit freiem
Sinne zu bearbeiten gesucht. Ein neues System kann hieraus natürlich
sofort nicht hervorgehen; aber wir können wohl hoffen, dass solches Streben
der Uebergang zu demjenigen Systeme ist, welches den Ausdruck des For-
mensinncs unsrer Zeit ausmachen wird.

Am meisten ist in dieser Beziehung bis jetzt von deutschen Archi-
tekten geschehen. Berlin hatte das Glück, in Schinkel einen Künstler
zu besitzen, durch den die griechische Architekturform in wunderbarer
Reinheit wiederhergestellt und zugleich der Beginn einer neuen selbstän-
digen Bichtung mit voller künstlerischer Consequenz vorgezeichnet wurde.
Ich meine hiemit besonders das Gebäude der Bauschule in Berlin, eine
jeuer seltenen Schöpfungen, die nur dem Genie gelingen und die auf eine
lange Folgezeit hin ihre Nachwirkungen auszuüben im Stande sind. Lei-
der sind jedoch diese Wirkungen noch nicht in dem Maasse eingetreten,
wie es wohl zu wünschen gewesen wäre. Wenn Schinkels Schule auch
noch immer die feine Geschmacksbildung des Meisters vertritt, so hat sich
daneben doch zugleich die französische ßenaissance, bis in den Rococo
hinab (wie in dem erneuten Innern des Opernhauses) geltend gemacht.
Semper in Dresden hat sich, nach strengem Studium der griechischen
Monumente, veranlasst gesehen, bei dem dortigen Schauspielhause eben-
falls bunte Renaissance-Formen, bei der Synagoge byzantinische und im
Innern selbst maurische Formen anzuwenden etc. In München hatte
V. Klenze die Antike, theils unmittelbar nach dem Muster der Alten,
theils nach der neuitalienischen Behandlung des sechzehnten Jahrhunderts
vertreten; neben ihm ist durch v. Gärtner eine Art romanischen Styles
zur Herrschaft gelangt, während die dortige schöne Aukirche durch Ohl-
müller in gothischer Weise ausgeführt wurde, und auch andre Architekten,
wie z. B. Metzger, trotz seiner strengen Studien in Griechenland, dem
mittelalterlich gothischen Systeme entschieden den Vorzug geben. Hübsch
in Carlsruhe verfährt als Architekt, nach nicht minder strengen griechi-
schen Studien, in einer Weise, die man im Vergleich mit andern geistigen
Beziehungen der Gegenwart füglich als eine unabhängig ratio'nalistische
bezeichnen kann, während er sich in dem ideellen Theile der Kunst doch
vorzugsweise der Tradition des romanischen Styles zuwendet, v. Las-
sau Ix in Cüblenz baut ebenfalls in romanischer Weise, während Zwirn er
in Köln die Studien, die er bei der Restauration des dortigen Domes ge-
macht hat, zu eignen architektonischen Werken gothischen Styles ver-
wendet u. s. w.

In Italien, von wo aus sich der antikisirende Architekturstyl der letzten
Jahrhunderte über die Welt ergossen hatte, ist man, soviel mir bekannt,
von dem Vorbilde der grossen Meister seit' Brunelleschi noch nicht abge-
wichen ; Italien zählt aber auch überhaupt für die geistigen Bewegungen
der Gegenwart nur wenig mit. Ebenso herrscht dieser italienische Styl,
mit Modificationen der einen oder der andern Art, der Hauptsache nach

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Der Eutwurf für die neue grosse Kirche ia Brüssel. 489

*

auch in Frankreich noch vor, Hittorff (aus Köln) ist nur bemüht, ihn
auf die reinere griechische Form zurückzuführen. Duban hat in *dem
Palais des beaux-arts ein Werk geliefert, welches sich den anmuthigsten
Leistungen des italienischen Cinquecento würdig anreiht. Die Bewegung der
Zeit hat sich in der französischen Architektur im Aligemeinen nur in dem
Zurückgehen auf die sogenannte Renaissance, d, h. auf einen Styl, dem es
mehr um eine äusserlich phantastische Dekoration als um eine organische
Durchbildung zu thun ist, ausgesprochen; gelegentlich hat man sich dabei
auch dem kaum verlassenen Rococo wieder sehr befreundet erwiesen. Die
mittelalterlichen Systeme sind in Frankreich noch wenig zur Geltung ge-
kommen, obschon man bei der Restauration der mittelalterlichen Monu-
mente dort zuweilen mit einer ans Pedantisclie streifenden Genauigkeit
verfährt. Nur eine kleine Partei setzt dem Eifer der classischen Archi-
tekten einen gleiciien Eifer für die ausschliessliche Geltung der gothischen
Architektur, und zwar des dreizehnten Jahrhunderts, entgegen. Dem by-
zantinischen Style ist in- der kleinen eleganten Kapelle des h. Ferdinand
(ausserhalb Paris) nur vorübergehend ein flüchtiges Compliment gemacht.

Belgien war seither den französischen Fussstapfen gefolgt. Als die
bedeutendsten neueren Architekturen, die ich dort kennen lernte, erscheinen
mir die von Roelandt zu Gent, in denen man den geistvollen Schüler
von Percier und Fontaine erkennt. Sein Univeisitätspalast, sein Justiz-
palast sind imposante Werke* in französisch-italienischem Style, während
er in dem dortigen Schauspielhause der bunt-phantastischen französischen
Renaissance huldigt. Gegenwärtig entsteht jedoch in Belgien, nach dem
Plane eines jüngeren Architekten, van 0 v e'rstrae ten -Roel andt, ein
bedeutendes architektonisches Werk, welches auch hier wie in Deutsch-
land durch das Zurückgehen auf mittelalterliche Motive eine neue Bahn
eröffnet. Da dies Werk, sowohl durch die äusseren Umstände, die den
Entwurf und die Annahme desselben begleiteten, als durch die Composi-
tion selbst, für die belgische Kunst ohne Zweifel eine erhebliche Bedeutung
gewinnen wird, und da es sich überhaupt den Entwickelungs-Momenten
der heutigen Architektur als ein wichtiger Punkt anreiht, so erlaube ich
mir hier einiges Nähere über dasselbe beizufügen, < .

Es ist eine Kirche, die in der Oberstadt von Brüs.sel erbaut wird.
Die Anmuth Brüssels und besonders die grossartige Schönheit des höher
gelegenen StadttheiIes
,rWO die lange Rue Royale von der Place Royale ab,
au dem üflFentlichen Park vorüber und die Boulevards durchschneidend, bis
zur hochgelegenen Place de la Reine hinläuft, ist bekannt; auf dem letzt-
genannten Platze, also am Ende der über 6000 Fuss "langen Strasse, mit
dem Blick einerseits über die reiche Stadt , andrerseits nach den Bergen
und dem königlichen Schlosse von Laeken, soll die Kirche aufgeführt wer-
den, eine Krone für die ganze Stadt, ein Denkmal des belgischen National-
gefühls, Die Aufgabe war höchst interessant; der für die belgischen 'Ar-
chitekten ausgeschriebene Concurs hatte eine bedeutende Anzahl von Ent-
würfen zur Folge, Die Jury,'welche über die letzteren entscheiden sollte,
sprach sich einstimmig zu- Gunsten des von Herrn van Overstraeten einge-
sandten Planes aus.

Die Kirche, der h'. Jungfrau gewidmet, wird nach diesem Entwurf,
in einfach achteckiger Grundform, aber in sehr'bedeutenden Maassen, etwa
230 Fuss hoch , erbaut. Die Maliern des Untergeschosses steigen-bis zu
einer Höhe von 55 Fuss empor; dann beginnt, um 10 bis U Fuss zurück-

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4-5Ü Kunstreise iui Jahr 1845.

tretend und durch eine Gallerie oder Plateforme von dem Untergeschoss
getrennt, ein Obergeschoss, dessen Mauern, etwa 68 Fuss hoch, von acht
schlanken Pfeilern und Halbkreisbögen im Innern der Kirche getragen werden.
Darüber ruht eine mächtige aus Eisen construirte achteckige Kuppel von
etwa 117 Fuss Durchmesser. Auf den acht Ecken des Gebäudes schiessen
schlanke durchbrochene Thürme empor und auf der Spitze 'der Kuppel
erhebt sich ebenfalls ein leichter Thurm. Der Rue ßoyale gegenüber und
der Breite derselben (60 Fuss) entsprechend, ist die Kirche mit einer rei-
chen Vorhalle mit Säulen geschmückt. Der Styl der Kirche ist der Haupt-
sache nach byzantinisch oder romanisch und sie wird auch speziell als ein
Bauwerk byzantinischen Styles bezeichnet; doch ist derselbe, zumal in der
reichen Dekoration, womit die Kirche versehen ist, sehr frei behandelt.
So ist z. B. das brillante Stab - und Sprossenwerk der grossen Fenster in
der Weise des gothischen Baustyles angeordnet, Andres neigt sich mehr
zur antikisirenden Form hin u. s. w.

Es konnte nicht fehlen, dass ein architektonischer Entwurf, der so
sehr von den herkömmlichen Regeln eines Palladio und sonstiger Italiener
abwich, bei den Männern von Fach lebhaften Widerspruch finden musste,
und es entv^^ickelte sich selbst eine völlig entschiedene Opposition, die dem
jungen Künstler den Sieg zu entreissen strebte. Man liess der erwähnten
Jury vorstellen, dass nicht bloss die Kühnheit der materiellen Construc-
tion tausendfache Bedenken gegen die Ausführbarkeit des Planes erwecke,
sondern dass derselbe zugleich auch so wenig der erwähnten Lokalität,
wie der Styl überhaupt der Geschmacksrichtung des neunzehnten Jahrhun-
derts entspreche. „Sollen wir (so hiess es) die schöne Uebereinstimmung
unsrer Bauanlagen so befremdlich unterbrechen? Sollen wir in die embryo-
nischen Zustände des fünften Jahrhunderts zurückkehren und in einem
Style bauen, der für kleine Kapellen (wobei man vielleicht an die Kapelle
St. Ferdinand bei Paris dachte) geeignet sein mag, aber nie für grosse
Kirchen, die nicht füglich anders als im Renaissancestyl zu erbauen sind?"
Die Aeusserungen der Opposition, die Ilm. van Overstraeten behufs seiner
weiteren Rechtfertigung vorgelegt wurden, gaben ihm aber nur Gelegen-
heit, die Bedeutung seines Planes nach allen Seiten hin zu entwickeln
und gründlich darzulegen, wie gerade die bisher befolgte Weise nie zu
einem wahrhaft würdigen Kirchenbau führen könne, wie hiezu im Gegen-
theil ein, wenn auch bedingtes Zurückgehen auf die Formen des Mittel-
alters nöthig sei. Ebenso war er vollkommen im Staude, die angeregten
constructiven Bedenken Izu erledigen, was ihm auch um so leichter werden
musste, als die Gegner den Plan so oberflächlich betrachtet hatten, dass
von ihnen die Eisenconstruction der Kuppel für eine Holzconstruction an-
gesehen und hierauf einer der heftigsten Vorwürfe gegründet war.

Es liegt in der Natur der Sache, dass dieser Kampf mit der auf Seiten
des Alten stehenden Opposition und der Sieg über dieselbe dem Entwurf
des Hrn. van Overstraeten nur eine noch grössere Bedeutung geben musste,
und es wird derselbe somit, wie schon oben angedeutet, nur um so mehr
eine Nachw,irkung auf die heutige Architektur in Belgien und auf die
Erweckung derselben zur Theilnahme an dem neuen Entwickelungsgange
ausüben.

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') Wobei es denn freilich nicht zur rechten inneren Auflösung der Formen
kommt.

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Uober den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, . 1343

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IV. V ■ . . "

üeber den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, ■

mit Rücksicht auf die wichtigsten neueren Leistungen dieses Faches.
(Kunstblatt 1848, No. 29 f.)

Auf einer Reise, die ich vor einigen Jahren durch einige Theile von
Deutschland, Belgien^und Frankreich machte, war ich veranlasst, Beob-
achtungen über den gegenwärtigen Zustand der Glasmalerei, namentlich
der für monumentale Zwecke dienenden Gattung dieses Kunstfaches, anzu-
stellen. Es handelte sich vornehmlich darum",' über die Grundsätze und
Erfordernisse für den'gediegenen Betrieb der-monumentalen Glasmalerei
zu einer möglichst klaren Anschauung zu gelangen. Ich glaube, dass die
Mittheilung meiner Beobachtungen und Bemerkungen, wenn sie im Ein-
zelnen auch mehr oder weniger Bekanntes berühren, in diesen Blättern
eine nicht unpässliche Stelle.findet. Zunächst erlaube ich mir, zur Ge-
winnung eines festen Standpunktes, einiges Allgemeine vorauszuschicken.

Die Kunst der Glasmalerei scheidet sich, was die dabei erforderliche
Behandlung anbetrifl't, in zwei wesentlich verschiedene Gattungen. Die
eine'Gattung betrifft die Anfertigung von Malereien auf einer Glastafel,
was, den äussern Bedingnissen gemäss, imuier nur Arbeiten von kleiner
Dimension sein können; diese Gattung gehört daher, und in Bezug auf
die Art und Weise ihrer yerwendung, unter die allgemeine Rubrik der
Kabinetsmalerei, mit deren Werken sie die vorherrschende Richtung auf
eine zarte und "detaillirte Durchbildung gemein hat. Die andre Gattung
betrifft diejisnigen Malereien, deren Ausführung auf der Zusammensetzung
einer mehr oder weniger grossen Anzahl von Glasplatten beriiht, in wel-
cher Weise allein Werke grösseren Umfangs beschafft werden können. Sie
wird vorzugsweise in Verbindung mit der Architektur, zur Ausfüllung der
Fensteröffnungen, angewandt, hat in solchem Betracht vorzugsweise eine
monumentale Bedeutung und stimmt mit den übrigen monumentalen Kunst-
fächern in der Richtung auf eine .grossartig ernste Stylistik überein. Zu-
gleich sind bei ihr, während die monumentale Kunst schon-im Allgemeinen
auf eine/einere Durchbildung des Details nicht auszugehen pflegt, beson-
dere Gründe vorhanden, die dies unzulässig machen.

Die bei der monumentalen Glasmalerei gefordertiß strengere Stylistik
berjuht zunächst und im Allgemeinen auf dem Bedürfniss einer harmoni-
schen üebereinstimmung ihrer Darstellungen mit den architektonischen
Formen und Linien, welche das Fenstergemälde einrahmen oder selbst,
(wie in dem Fenstersprossefawerk der gothischen Architektur) sich über
dasselbe hinziehen. Näher bestimmt wird dies Erforderniss eine^theils
durch die leuchtende Kraft, die überhaupt den Glasfarben eigen ist und
die, soll anders im grossen Maassstabe keine beängstigende Buntheit ent-
stehen, das Gesetz eines sehr gehaltenen harmonischen Zusammenklanges
nothwendig inacht; anderntheils durch die grosse Stärke der Umrisslinien,
worauf, soll nicht auch die Formenbezeichnung eine unruhig schwere Wir-

-ocr page 493-

492 Kunstreise im Jahr 1845.

kung hervorbringen, die Nothwendigkeit einer im Ganzen einfachen Linien-
führung beruht. Die Breite der Umrisse entsteht bekanntlich durch die
Anwendung des Bleies zum Zusammenfügen der verschiedeneu Glasstücke,
die naturgemäss nach den in der Compositlon vorhandenen Conturen zu-
geschnitten werden. Diese dicken Bleiconture machen es aber nöthig,
dass ebenso auch die übrigen hervorstechenden Umrisslinien in entspre-
chender Stärke gezeichnet werden; und nicht minder bedingt es das einfache
Gesetz der Harmonie, dass auch die Modellirung, die gesammte malerische
Behandlung in ähnlicher Breite und Derbheit — also mit Uebergehung
jener feineren Durchbildung des Details — durchgeführt wird, was ohne-
hin bei dem, dem Auge ferneren Standpunkte dieser Malereien, wenigstens
wenn sie sich in Kirchenfenstern befinden, überflüssig ist. — Besondere
Bedingnisse für die monumentale Glasmalerei entstehen ausserdem noch
aus den Rücksicliten, welche-auf die Gebrechlichkeit des Materials und auf
die Anwendbarkeit von verhältnissmässig stets nur kleinen Glastafeln ge-
nommen werden müssen. Die Festigkeit des Ganzen erfordert die Anord-
nung starker Sprossen und breiter eiserner Querbänder, die Zugrundelegung
eines Netzes von fester, bestimmter Form, dem die Composition des Glas-
bildes so eingefügt werden muss, dass sie sich, trotz dieses Hemmnisses
doch ohne eigentliche Störung entwickelt, was nothwendig wiederum auf
(las Gesetz,einer einfachen Stylistik zurückführt. Die Kleinlieit der Plat-
ten aber macht es nöthig, dass die Entfernung der in der Composition
vorhandenen Umrisslinien von einander sich nie über dieses Maass hinaus
erstreckt, soll anders die Form nicht durch eine Bleilinie durchschnitten
f^ werden. Jenes Netz von Sprossen und breiten Querbändern durchschneidet

allerdings nicht selten die Formen, doch macht dasselbe mehr nur den
Eindruck eines Gitters, durch welches hindurch man die Composition er-
blickt. Zu diesen Gittertheilen gehören auch gewisse schwächere Befesti-
gungsbänder , die sogenannten Windeisen, die besonders in der altern
Glasmalerei parallel mit den übrigen horizontalen Bändern geführt zu
werden pflegen. Kann man indess die Windeisen über den Umrisslinien
der Composition anbringen, so gewinnt man für letztere den'Vortheil einer
freieren Entwickelung; doch vermehrt dies naturgemäss das Bedürfniss
einer möglichst einfachen Führung der Umrisse und die Breite desselben.

Die Summe dieser verschiedenartigen Bedingnisse, zu denen sich so-
dann noch die anderweitig scliwierige Technik der Farbenbereitung und
des Auftragens und Einbrennens der Farbe gesellt, erklärt es hinlänglich,
wesshalb sich, trotz der häutigen Anwendung dieses Kunstfaches in frühe-
ren Jahrhunderten und des im Allgemeinen wohlgefälligen Eindruckes, den
die gemalten Fenster besonders in den gothischen Kirchen hervorbringen,
doch nur höchst selten monumentale Glasmalereien von wahrhaft künstleri-
scher Vollendung vorfinden. Fast zu den befriedigendsten der frülieren
Zeit gehören die aus der ersten Blüthenepoche dieses Kunstzweiges, aus
dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert, wo das Ganze teppichartig
und demgemäss in bestimmter, halb architektonischer Stylistik gehalten zu
sein pflegt und wo bei den, im-Einschluss des Ornamentes enthaltenen
figürlichen Compositionen noch gar keine Rücksicht auf malerische Behandlung
stattfindet. Etwa vom Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts ab gewinnt
das Figürliche mehr Selbständigkeit und demgemäss die malerische Behänd-
II lung mehr Geltung; aber nun gelingt es auch nur sehr selten, die Glut

der Farbe zu bewältigen und die dadurch hervorgebrachte^ Buntheit zu

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Uober den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, . 493

vermeiden. Besondere Anerkennung verdient in diesem Betracht die nie-
derrheinische, namentlich Kölnische Glasmalerschule des. fünfzehnten und
sechzehnten Jahrhunderts, indem in ihren Artaeiten gewöhnlich einfache
Farben Verhältnisse vorherrschen und besonders das Streben ersichtlich wird,
durch Anbringung weisslicher Gewandungen die allzugrosse Kraft der
Farben zu sänftigen. In den schon seltneren Werken von der Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts ab macht sich die Rücksicht auf eigentlich male-
rische Harmonie immer mehr geltend, aber nicht mehr zum Vortheil dieses
Kunstfachesi da sich die Bereitung der gefärbten Gläser und der zum
Malen bestimmten Farben gleichzeitig und in auffallender Schnelligkeit
verschlechtert und bald auclj, auf eine principmässige Verbleiung (die
allerdings die freie malerische Behandlung sehr schwierig macht) fast gar
keine Rücksicht mehr genommen wird. Dies ist besonders bei den fran-
zösischen Glasmalereien der späteren Zeit des sechzehnten Jahrhunderts
der Fall.

Indem ich mich nunmehr zur Betrachtung der heutigen Leistungen im
Fache der monumentalen Glasmalerei wende, beginne ich zunächst mit
demjenigen Orte, wo für die Gegenwart bei Weitem das Umfassendste und
Wirksamste in diesem Kunstzweige geschehen ist, — mit München.

Die Mariahilf-Kirche in der Vorstadt Au zu München,, eins der edel-
sten gothischen Gebäude, die in neuerer Zeit ausgeführt sind, hat bekannt-
lich in ihren neunzehn grossen Fenstern .seit dem 'Jahr 1834 und auf
königliche Veranlassung einen reichen Schmuck prachtvoller Glasmalereien
erhalten. Es ist gewiss die einzige gothische Kirche, wo die Fensterbilder
einen vollständigen und in sich einigen Cyklus ausmachen, wo zugleich
Architektur und Fenstermalerei ein durchaus harmonisches, sich gegensei-
tig bedingendes und erfüllendes Ganze bilden. Der erste Eindruck, den
man beim Eintritt in diese Kirche empfindet, ist so wunderbar über-
raschend, dass ich demselben nichts Aehnliches zu vergleichen wüsste;
der hohe Adel der Architektur, die leuchtenden Farbenaccorde, die Erschei-
nung der verklärten Gestalten, welche sich aus diesem rhythmisch beweg-
ten Farbenspiele entwickeln, — von allen Seiten umfängt es den Beschauer
mit so hinreissender Gewalt, dass man in, der That, um'zur besonnenen
Betrachtung des Einzelnen übergehen zu können, einer angestrengten Samm-
lung bedarf. Der Inhalt der figürlichen Compositionen besteht aus Darstel-
lungen des Lebens und der Legende' der h. Jungfrau. Diese nehmen den
untern Theil der Fenster ein, während sich über ihnen, sie bekrönend,
eine arabeskenartig geformte Architektur emporgipfelt. Im Chor (wo aber
die Fenster nicht so tief hinabgehen, wie im Schiff) sind diese Arabesken
vorzüglich reich gebildet und steigen,bis-in die Rosen der Fenster empor;
im Schiff sind sie einfacher und es erhebt sich über ifinen hier ein schlich-
tes, farbig damascirtes Teppichwerk. "Unter der Leitung von H. Hess und
durch seiner Richtung verwandte Künstler, componirt, haben die figürlichen
Darstellungen ganz die hohe eynste Grazie und Anmuth, die diesem Meister
eigen ist; die ornamentistischen Theile, von Ainmüll er, dem Inspector
der Gläsmalereianstalt zu München, selbst entworfen, enthalten den grössten
Reichthüm edelster'Formen. — So bewältigend indess der erste Eindruck
dieser Werke ist,_ so würdig und gross sie den allgemeinen stylistischen
Anforderungen gemäss gehalten sind, so viel Schönes sich irt ihren Einzel-
heiten bemerklich macht, -so traten mir" bei näherer Betrachtung dennoch
verschiedene Mängel" in Rücksicht auf die nothwendigen stylistischen

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494 Kunstreise im Jahr 1845^

Besonderheiten der monumentalen Glasmalerei entgegen. Zunächst haben
die Farben nicht durchweg die genügende Haltung; die Gesichter sind
zumeist sehr zart gefärbt, womit die grösserentheils sehr leuchtende Farbe
p in den Gewändern nicht recht übereinstimmt; unter den Gewandfarben

aber glüht vor Allem das Roth hervor, während einzelne andre, wie Violet
und Grün, zuweilen kalt erscheinen. Ueberhaupt scheint das Gesetz jener
breiteren und volleren Energie, auf die es nach meiner obigen Auseinan-
dersetzung bei diesem Kunstfache doch so wesentlich ankommt, hier kaum
beachtet zu sein. Die Behandlung des Einzelnen und namentlich der
Gesichter ist äusserst zart durchgebildet, womit dann natürlich die dicken
Bleiumrisse nicht stimmen können. Auch Ist in der Art und "Weise der
Verbleiung und in der Anbringung der Windeisen kein ganz consequentes
Princip beobachtet, indem die letzteren und auch die Bleilinien die For-
men nicht selten naiv in horizontaler Linie durchschneiden und doch,
wo sie auf nackte Formen stossen, zumeist sofort in deren Contur über-
gehen, was natürlich störend wirkt; Lüfte u. dgl. werden durch Bleilinien
ohne Weiteres in kleine Quadrate getheilt. Ebenfalls störend wirkt es,
dass das Blei in diesen Conturen, wenn Reflexlichter auf dasselbe fallen,
erglänzt, statt tiefe Schatten zu bilden; es hätte einen dunklen Anstrich
oder wenigstens eine den Glanz aufhebende Beize erhalten müssen. Auch
das hellgraue Sprossenwerk der Fenster hat im Verhaltniss zu den Glas-
farben eine zu lichte Farbe und bildet demgemäss keinen genügend ent-
schiedenen Gegensatz. — Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, dass
das Künstlerische in diesen Arbeiten — eine so ausserordentliche und seltne
Höhe dasselbe auch erreicht — dennoch als ein Einseitiges für sich ge-
fasst ist, so dass bei der technischen Ausführung sich nothwendig störende
Collisionen ergeben mussten. Meines Erachtens muss aber schon bei der
" ersten Ausbildung der künstlerischen Conception, wie in allen Fällen, so
auch in der Glasmalerei, auf alle technischen Bedingnisse Rücksicht ge-
nommen werden. Ohne das kann sich Seele und Leib des Kunstwerkes
nimmer zu einem Ganzen fügen.

Dieselbe Weise der Behandlung fand ich denn 'auch bei der Mehrzahl
andrer Arbeiten der Münchner Glasmalerschule, die ich theils in der An-
stalt selbst, theils an andern Orten* zu sehen Gelegenheit hatte. Man
sprach dabei den, für meine Auffassung ziemlich befremdlichen Grundsatz
aus: die Künstler, welche die Compositionen zu den Glasgemälden liefer-
ten, hätten um die äussere Technik, die bei der Ausführung angewandt
werden müsse, nicht zu sorgen; wie die Zusammensetzung der Glastafeln
vorgenommen, in welchen Linien das Blei geführt werden müsse, dies sei
die Sache der Glasmaler oder ihrer Leiter. Die Resultate zeigen, dass
diese Tendenz, die die ursprüngliche künstlerische Production von der
technischen Ausführung völlig trennt, nicht unbedenklich ist. — Die Thä-
tigkeit
der Glasmaler in der genannten Anstalt besteht hienach ausschliess-
lich nur im Copiren, sei es von Cartons und Farbenskizzen, die speziell
für ihre Zwecke gefertigt sind, sei es von Gemälden, namentlich älteren,
die ursprünglich für andre Zwecke ausgeführt waren.

Das Ueberwiegen einer. Behandlungsweise, die, durchweg und ohne
Rücksicht auf entgegenstehende Bedingnisse, auf eine sehr zarte Detail-
durchbildung gerichtet ist, mag verschiedene Ursachen haben. Theils mag
es in der individuell künstlerischen Richtung von H. Hess und seinen Mit-
arbeitern begründet sein, die für jene grossen Arbeiten der Au-Kirche

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Uober den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, . 495

wenigstens maassgebend sein musste; theifs mag das häufige Copiren von
Gemälden der altflandrischen Schule, was hier, besonders auf Veranlas-
sung der Herren Boisser^e, stattfand und für die selbständige Ausbildung
der Cabinet-Glasmalerei so merkwürdige Erfolge hatte, darauf hingewirkt
haben. Vielleicht mag aber auch noch ein andrer, mehr äusserer Grund
von Einfluss gewesen sein. Die Glasmalereianstalt hat sich bis auf die
letzten Jahre mit sehr beschränkten und ungünstigen Lokalien behelfen
müssen, wo man die Arbeiten immer, nur in verhältnissmässig kleinen
Stücken fertigen konnte und wo es unmöglich war, die grösseren Werke
gelegentlich in ihrer Gesammtverbindung aufzustellen und hiedurch, sowie
durch die Gewinnung eines ferneren Standpunktes für das Auge, ein Ur-
theil über das Ganze und über die Totalwirkung zu erhaKeh. Wie wich-
tig dies unter allen Umständen für grossräumige Arbeiten ist, die aus der
Ferne gesehen werden sollen, bedarf keines weiteren Beweises. Diesem
Uebelstande ist gegenwärtig indess anf eine sehr erfreuliche Weise abge-
holfen. Es ist nemlich ein besondres ansehnliches Gebäude für die Glas-
malereianstalt aufgeführt worden, welches nächst der Wohnung für den
Inspector, den Zeichnen- und Malsälen, den.Magazinräumen, den Oefen
und Laboratorien auch einen sehr hoheh und geräumigen Saal zur Zusam-
menstellung und öffentlichen'Ausstellung grosser Aibeiten enthält. Der
Saal hat ein kolossales Fenster, dessen Dimensionen den.grössten Kirchen-
fenstern entsprechen; verschiedene Galerien sind an den Wänden des Saales
umhergeführt, um durch sie auch in der Höhe den verschiedenen Theilen
des aufgestellten Bildes nahe kommen zu können, und eine in der gegen-
überstehenden Wand angebrachte Oetfnung giebt Gelegenheit, das Bild aus
möglichst grosser Entfernung betrachten und beurtheilen zu können.

Die neueren Glasfenster im Dome zu Regensburg, die in den Jahren
1828 bis 1833 auf königliche Veranlassung gefertigt sind, enthalten die
Belegstücke für die frühere Entwickelungsgeschichte der Münchener Glas-
malerschule. Von vorn herein macht sich hier jene schöne Richtung auf
höhere monumentale Stylistik.bemerklich, aus welcher allein der bis jetzt
erreichte und trotz meiner Ausstellungen immer 'doch so ausserordentliche
Theil des Erfolges hervorgehen konnte, wenn auch begreiflicherweise diese
ersten Arbeiten zum Theil noch das Gepräge des Versuches, in ihrer Be-
handlung noch etwas Schwankendes haben. Aufl^allend war es mir, dass
bei einigen dieser Regensburger Fenster sich eine grössere Energie, nament-
lich in der Färbung und malerischen Behandlung des Nackten, bemerklich
macht, als man später, in den Fenstern der Müchener Au-Kirche, zu be-
obachten für gut gefunden hat. Meines Erachtens wäre gerade dies eine
Behandlungsweise gewesen, die man^hätte beibehalten und weiter ausbil-
den sollen. • \ ■

Einen Gegensatz gegen die Münchener Schule der Glasmalerei bilden
die,- freilich minder umfangreichen Bestrebungen, die sich in Nürnberg
geltend gemacht haben. Jene zartere malerische Durchbildung, auf die,
wie ich schon bemerkte, das häufige Kopiren altflandrischer Bilder wenig-
stens zum Theil von Einflüss war, wird hier im Allgemeinen weniger er-
strebt; man ist hier mehr bei der älteren Weise der Glasmalerei stehen
geblieben, bei welcher nur eine sehr massige Modellirung glänzend colo-
rirter Glasflächen 'erstrebt würde. Die altqn Malereien in den Nürnberger
Kirchenfenstern und die, mit solcher Richtung wohl übereinstimmenden
Oelgemälde der Dürer'schen" Schule gaben dazu besonders-^das Vorbild,.

\

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496 Kuiistreise im Jahr 1845,

Wenn in solcher Art bei kleinen Ausführungen manches Ansprechende
erreicht wurde, und wenn diese Richtung wohl geeignet war, für monu-
mentale Zwecke in grossartig wirksamer Weise ausgebildet zu werden, so
scheint dies letztere doch nicht geschehen zu sein. Wenigstens konnten mir
die dahin gehörigen Arbeiten, theils ausgeführte grössere Werke, theils
Skizzen zu solchen, die ich in der besonders geschätzten Anstalt der Fa-
milie Kellner zu Nürnberg sah, nicht genügen. Fand ich in diesen
auch, was ich sehr anerkennen musste, eine energischere Behandlungs-
weise und ein angemessneres Prinzip der Zusammensetzung als in den
Münchener Arbeiten, so fehlte dagegen die höhere künstlerische Durch-
bildung, sowohl in den, zum Theil von den Gliedern der Familie selbst
entworfenen Compositionen als in der eigentlichen Ausführung derselben.

Im Münster zu Fr ei bürg sah ich Arbeiten des dort ansässigen und
mehrfach mit Auszeichnung genannten Glasmalers Heimle. Die gelunge-
neren von diesen bestehen aus einer Reihenfolge kleiner Darstellungen in
den Fenstern zweier Seitenkapellen des Münsters, Kopien von Scenen der
von Dürer in Kupfer gestochenen Passion Christi. Hier kam es natürlich,
nächst dem allgemeinen künsterischen Verständniss der Originale, nur auf
die Herstellung einer harmonischen Farbenwirkung und^ auf
eine möglichst
Avenig störende Führung der ßleilinien an, was wenigstens theilweise er-
reicht war.

In Belgien erfreut sich der zu Brüssel wohnhafte Glasmaler Capron-
nier eines namhaften Rufes. Die Kathedrale (Ste. Gudule) hat einige Ar-
beiten seiner Werkstatt, die, nach verschiedenartigen Vorbildern ausge-
führt, selbst von höchst abweichender Beschaffenheit sind. Vier Fenster
im Chorumgange sind mit Glasgemälden nach Compositionen von Navez,
dem Direktor der Brüsseler Akademie, einem Künstler, der noch der alten
David'schen Richtung angehört, ausgefüllt. Die Compositionen sind thea-
tralisch alVektirt, die Ausführung unangenehm bunt. Besser sind die Fen-
ster einer Kapelle hinter dem Chore, in denen jedoch gar keine selbstän-
dige Eigenthümlichkeit sich geltend macht; sie wiederholen nämlich in
Anordnung und Behandlung ganz genau die Art, und Weise der alten,
übrigens nicht mehr ganz stylgemässen Glasmalereien -aus der Mitte des
16ten Jahrhunderts, welche die Oberfenster des Chores der Kathedrale
ausfüllen. _

Für die Glasmalerei in Frankreich sind zunächst die Arbeiten dieses
Faches, welche die königl. Porzellanmanufaktuv zu Sövres liefert, von
Bedeutung. Ich sah einige dieser Arbeiten in der Anstalt selbst, andere
im Louvre. Es spricht sich in ihnen eine bemerkenswerthe Eigenthüm-
lichkeit aus, obgleich auch sie den Anforderungen, die wenigstens an die
grösseren monumentalen Leistungen dieses Faches gemacht werden müssen,
nicht genügen. Die küustlerische-Richtüng, welche diesen Arbeiten zu
Grunde liegt und durchgehend befolgt wird, ist die naturalistisch-male-
rische, wie dieselbe gegenwärtig überhaupt iu der französischen Kunst
vorherrscht; man strebt nach malerischer Wirkung, nach malerisch ener-
gischer, voller Farbe, nach den Effekten des Helldunkels u. s. w. Bis-
weilen erreicht man hier sehr anerkennungswerthe Erfolge, doch hat man
die Mittel noch keineswegs vollständig in seiner Gewalt, indem man z. B.,
um warme Töne hervorzubringen, nicht selten zu monoton gelben Farben
seine Zuflucht nimmt. Die ansprechendsten Arbeiten sind, übereinstim-
mend mit solcher Richtung, die auf einer Glastafel ausgeführten Bilder;

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Uober den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, . 497

ich sah deren einige von nicht unansehnlicher Grösse in der Arbeit, wobei
ich natürlich aber dahingestellt lassen muss, wie es sich hiehei mit dem
gleichmässigen Einbrennen der Farben verhalten möge. Bei den grösseren
Compositionen, die in ein Wechselverhältniss zur architektonischen Um-
gebung treten sollen, vermisste ich aber durchaus diejenige lineare Grösse
und stylistische Klarheit, die die wesentlichste Grundlage einer monumen-
talen Wirkung ausmacht. Hierauf, also auf eins der ersten Erfordernisse
grossräumiger Glasmalerei, scheint in der Anstalt von S^ivres gar keine
Rücksicht genommen zu werden. Deragemäss ist denn auch für die Zu-
sammensetzung der Glastafeln fast gar kein, in den höheren Bedingnissen
des Faches beruhender Anhaltspunkt gegeben, und die fVerbleiung wird
nich! selten mit derselben Willkürlickeit durchgeführt, wie bei den älteren
französischen Glasmalereien^aus der zweiten Hälfte des 16ten Jahrhunderts.
— Soviel ich in Erfahrung gebracht, sind die Glasmaler von S^vres aus*-
schliesslich, wie iu den meisten Fällen, nur Copisten,

Einige andere monumentale Glasmalereien, die'ich in Paris sah,
zeigen das Bestreben, das stylistische Element, welches den Arbeiten von
Sfevres mangelt, durch willkürliches Anschmiegen an diesen oder jenen
Typus mittelalterlioher Kunstrichtungen zu erreichen. Dies ist z. B. der
Fall mit den Glasmalereien im.nördlichen Flügel des Querschiffs der Kirche
St. Eustache, eines Gebäudes, welches mit grossartig gothischer Gesammt-r
anlage eine Formenbildung im eleganten Renaissancestyl verbindet. Das
Dekorative dieser Glasmalereien wiederholt den Styl der Architektur des
Gebäudes, während die Figuren in ziemlich strenger Weise den Typus
einer früheren Zeit, etwa der um das Jahr 1400 üblichen, befolgen. Als
Verfertiger dieser Glasbilder wurde mir ein gewisser Thevenot genannt.
Noch seltsamer machen 'sich die ziemlich zahlreichen Glasmalereien, mit
welchen die spätgothische Kirche St, Germain l'Auxerrois bei ihrer neuer-
lich erfolgten Restauration geschmückt ist. Vielleicht in Anerkennung der,
im Obigen''von mir erwähnten , aber natürlich nur bedingungsweise gülti-
gen Verdienste, welche die Glasmalerei in ihrer ersten Blüthenepoche hat,
ist man hier dahin gekommen, den grösseren Theil dieser Gläsbilder voll-
ständig im Charakter des 13ten Jahrhunderts, mit allem Befangenen und
Conventionellen jener Zeit, ausführen zu lassen. Dies hängt übrigens mit
gewissen einseitigen Prinzipien zusammen, die man iji Frankreich bei der
Restauration mittelalterlicher Monumente, theilweise wenigstens', absicht-
lich zu befolgen scheint. -

Ungleich bedeutender als alles Uebrige, was ich von französischer
Glasmalerei gesehen, und wiederum zu dem Besten heutiger Zeit gehörig
sind die Glasgemälde, welche die Fenster der ueuerbauten Kirche St. Vin-
cent de Paul zu Paris schmücken. Die Kirche ist nach dem System der
Basiliken und zwar, soviel es der Baumeister— Herr Hittorf — nur im
Stande war, iu möglichst entschieden griechischen Formen ausgeführt. Die
Fenster haben daher nicht die Dimensionen gothischer Kirchenfenster und
auch nicht die Form derselben, vielmehr »die eines einfachen Rechteckes.
Nach einer sehr sinnigen Idee des Architekten sind die Seilenaltäre der
Kirche stets unter deii Fenstern angebracht, so dass die Tabernakel-Archi-
tektur, mit denen er die Fenster umfasst hat, stets den Altaraufsatz ver-
tritt und das Fensterbild selbst das Altargemälde ausmacht. Jedes Fenster
enthält,'solcher Bestimmung entsprechend, die Gestalt des Heiligen, wel-

Kugler, Kleine Schriften. IH. . 32

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4-5Ü Kunstreise iui Jahr 1845.

cliem der darunter befindliche Altar gewidmet ist; diese Gestalt erhebt
sich in bedeutender Grösse auf einem teppichartigen Grunde und ist von
einem breiten, mit kleinen figürlichen Darstellungen versehenen Ornament-
rahraen umgeben, welcher sich oberwärts im Halbkreise schliesst. (Für
die Eisenbänder, welche diesen Rahmen in Ermangelung andern Sprossen-
werks umgeben und festhalten, wäre nur — was durch den Architekten
hätte geschehen müssen — eine leichte architektonische Ausbildung wün-
schenswerth gewesen.) Sämmtliche Glasbilder sind von dem Glasmaler
Marschal in Metz gefertigt und zwar, was sehr hervorgehoben werden
muss, nicht etwa nach anderswoher gelieferten Cartons, sondern als sein
selbständiges künstlerisches Eigenthum, sowohl der Idee und dem Ent-
würfe als der gesammten technischen Ausführung nach, Sie haben im
"Wesentlichen ein ächt künstlerisches, auf grossartig monumentale Wirkung
gerichtetes Gepräge, und da der Meister von vorn herein alle technischen
Erfordernisse im Auge hatte, so realisirt sich dies künstlerische Element
zugleich auch in entschiedener, angemessener Form. Die Gestalten er-
scheinen in einfacher Würde, die eine schlichte Linienführung möglich
machte; die Zusammensetzung (die Verbleiung) ergiebt sich hiebei völlig
naturgemäss und ungezwungen; die malerische Bshandlung hat diejenige
kraftvolle Tüchtigkeit, welche des harmonischen Eindruckes wegen gefor-
dert werden muss. Im Einzeluen hatte ich bei diesen Arbeiten freilich
noch mancherlei auszusetzen. Besonders die Haltung der Farben ist dem
Künstler noch nicht durchweg gelungen; während z. B. das Roth sehr
kräftig und, wo es die vorherrschende Masse bildet, allerdings zum Vor-
Iheil der Gesammthaltung des einzelnen Gemäldes wirkt, erscheinen andere
Farben, wie durchweg das Blau, noch glasartig schwach und schwankend.
Der Teppichgrund, überdies meist von schlechter Zeichnung des Orna-
ments, ist in der Regel zu bunt. Im Nackten herrschen zu sehr braune
Töne vor; doch entwickelt sich in einzelnen Köpfen bereits eine warme,
individuelle, naturgemässe Färbung; der Ausdruck der Köpfe aber ist meist
vortrefflich, so tief empfunden, wie von allem Conventionellen frei. Ohne
dass ich sagen könnte, dass der Künstler in diesen Arbeiten das Ange-
strebte schon erreicht hätte, glaube ich doch, dass diese Richtung alle
Anerkennung verdient, ja dass sie allein es ist, die der monumentalen
Glasmalerei die Eigenschaft eines selbständigen Kunstfaches sichern kann.

Ich darf voraussetzen, dass ich hiemit die vorzüglichst wichtigen Er-
scheinungen der heutigen Glasmalerei berührt habe. Hervorstechende Be-
deutung besitzen unter diesen aber nur die königl. Glasmalereianstalt zu
München und die des Herrn Marechal zu Metz. Die verschiedenartigen
Vorzüge beider weisen auf dasjenige hin, was überhaupt zum Betrieb der
Glasmalerei als eines monumentalen Kunstfaches erforderlich sein wird.

Die Bedürfnisse dieses Betriebes sondern sich naturgemäss in diejeni-
gen, welche der technisch-materiellen, und in diejenigen, welche der
eigentlich künstlerischen Seite angehören; beide aber verlangen eine gleich-
massige Berücksichtigung', falls überhaupt dauernde und geistig bedeutende
Erfolge errungen werden sollen. Die technisch-materiellen Bedürfnisse be-
treÜ'en die gesammte Beschaffung der Gläser, der Farben und des Ein-
brennens; die künstlerischen die Composition und die Ausführung der-
selben auf den Glaslafeln, bei welchen beiden Punkten vollkommene
Vertrautheit mit allen technii^chen Punkten unumgänglich ist. Der aus-

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Uober den Betrieb der monumentalen Glasmalerei, . 499

fülirende Glasmaler muss seines Materials und der Verhältnisse desselben
beim Brennen ebenso vollständig Herr sein, wie für die Sphäre, in wel-
cher er thätig ist, eine absolut gediegene Kunstbildung besitzen; wonach
also, im Fall die Fächer sich scheiden, der Figurenmaler als solcher und
nicht minder der Ornamentmaler als solcher sein Fach zu erfüllen im
Stande sein muss. Eine gediegene künstlerische Tüchtigkeit und Freiheit
ist hiebei aber um so mehr erforderlich, als die Ausführung, auch \yenu
sie Copie ist, doch in energischer, mehr oder weniger breiter Weise be-
handelt werden muss, was kein nur mechanisch arbeitender Copist — und
leider meint man nur zu häufig, dass zur Ausführung der Glasgemälde ein
solcher genüge — erreichen kann. Der Componist, der etwa die Cartons
fertigt, muss aber ebenso nicht blos schaffender Künstler im Allgemeinen,
und zwar ein Künstler von demjenigen grossartigen Talente, das überall
für monumentale Zwecke erfordert wird, sondern er muss zugleich auch
imstande sein, sich den sämmtlichen besonderen Anforderungen, welche sich
aus der Bestimmung und Technik dieses Faches schon für die'Compositlon
ergeben, mit Leichtigkeit zu fügen. Dass der componirende Künstler,
wenn er nicht mit eigner Hand zur Ausführung schreitet, die letztere über-
wachen muss, dass überhaupt eine bis ins einzelnste Detail durchgeführte
künstlerische Oberleitung nöthig ist, dies habe ich wohl nicht näher dar-
zulegen. Die grösste Gediegenheit der Arbeit aber wird ohne Zweifel ein-
treten, wenn der componirende und die Oberleitung führende Künstler
sich zugleich selbst als Glasmaler zu bethätigen im Stande ist und nach
Erforderniss an die Ausführung selbst Hand anlegt. — Ebenso wesentlich
ist schliesslich der Besitz eines Lokales mit denjenigen äusseren Einrich-
tungen, die das neue Gebäude der Glasmalereianstalt zu München bereits
in nachahmungswürdiger Weise besitzt.

Wer nicht ein einseitiger Verehrer der Kunst des Mittelalters ist, wird
es zugeben müssen, dass die wichtigeren Leistungen der heutigen monu-
mentalen Glasmalerei den Leistungen, die das Mittelalter in diesem Kunst-
fache hervorgebracht hat, schon ehrenvoll zur Seite stehen. Dürfen wir
aber überhaupt der heutigen Zeit vertrauen, dürfen wir es —: wozu wir
doch guten Grund,haben — voraussetzen, dass die heutige Kunst in fort-
schreitender Entwickelung begriffen ist, so haben wir auch von der monu-
mentalen Glasmalerei, nach so glücklichen neuen Anfängen, Erfolge zu
erwarten, die in früheren Zeiten nicht degewesen sind und die dies Kunst-
fach in einer wahrhaft gediegenen Vollendung zeigen werden.

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500 Kunstreise im Jahr 1845.

V.

Fragmente eines Reisebericlites.

1.

Ueber die gegenwärtige Lage der Düsseldorfer Schule.

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.... Die Akademie von Düsseldorf war die erste Anstalt, welche im
Gegensatz gegen das starre alt-akademische Wesen, wie dasselbe noch
gegenwärtig in strengster Consequenz von der Ecole 'des beaux-arts zu
Paris festgehalten wird, das lebenvolle, den grossen Zeiten früherer Kunst-
blüthe wie den Bedürfnissen der Gegenwart entspvechende Princip eines
ateliermässigen Unterrichts, wo freie Communication zwischen dem Meister
und den Schülern stattfindet, aufstellte und zur Geltung brachte. Die
„Compositions-Klasse" der Akademie bildete den eigentlichen Kern des
Instituts; den vorbereitenden Klassen wurde eine Färbung gegeben, welche
den Schüler unwillkürlich auf solthe Tendenz hinführte; bald schloss sich
in der sogenannten „Meister-Klasse" die schöne Einrichtung an, auch das
Beispiel der schon Ausgebildeten für die Anstalt zu erhalten und zwischen
ihnen selbst gegenseitige Mittheilung und Anregung fort und fort in leich-
tester Weise möglich zu machen. Aeussere Umstände kamen der Durch-
führung dieses Princips in günstigster Weise zu statten; einmal der sehr
wichtige Umstand, dass die Anstalt fast vollständig als eine neue, durchaus
mit frischen, jugendlichen Kräften, ins Leben trat, auch, dass sie sich
nicht über viele und verschiedene Richtungen verbreitete, vielmehr sich
in einigen Hauptrichtungen concentriren durfte; dann die Persönlichkeit
eines Directors, der mit grösster Hingebung jeden ihm anvertrauten Keim
zu pflegen bemüht war, sowie das seltene Glück, dass gleich in die vor-
deren Reihen der Schüler eine Anzahl vortrefflichster Talente eintrat. Die
Resultate grenzten an das Wunderbare. Wer riefe sich nicht jenen begei-
sterten Enthusiasmus zurück, mit welchem das deutsche Publikum eine
Reihe von Jahren hindurch die stets schöneren Leistungen der Schule
aufnahm!

Das Letztere aber ist plötzlich anders geworden. An die Stelle des
14 leidenschaftlichen Beifalls ist eine sehr zweideutige Kühle, ist Missachtung

und ein oft gar bittrer Tadel getreten; nicht durch launenhafte Kritiker
veranlasst, wie mau in Düsseldorf gern glauben möchte, vielmehr der Haupt-
sache nach aus der Masse des Publikums heraus, und den sehr einflussrei-
chen Theil des Publikums, welcher die Bilder kauft, nicht ausgeschlossen.
I Hat man nur den allgemeinen künstlerischen Werth der Leistungen im

Auge, so ist es schwer zu sagen, woher eigentlich die auffallende Miss-
Stimmung gekommen, worin der so durchgreifende Tadel besteht. Man-
f ches ist wohl richtig, z. B. dass der Behandlung gelegentlich mehr Mark,

mehr Entschiedenheit, mehr sieghafte Fülle zu wünschen wäre; auch muss
man zugeben, dass in den Bildern der minder ausgezeichneten Künstler,

.1

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Ueber die gegenwärtige Lage der Düsseldorfer Schule. 501

namentlich in den historischen , oft eine nicht ganz erfreuliche Monotonie
vorherrscht. Doch wird nicht nach den mittelmässigen Kräften, oder nur
wenn diese das üebergewicht haben (was aber hier keinesweges der Fall
ist), der Werth einer Schule beurtheilt werden müssen. Auch von wirk-
lichen Rückschritten, wie man behauptet, ist nicht gar viel zu melden ;
im Gegentheil sind die vorzüglichsten Talente im schönsten Ringen vor-
wärts begriffen und ihre neueren Leistungen zum Theil ungleich gediegener
als die früheren Mag eine scharfe und unnachsichtige Kritik an den
Werken der Düsseldorfer Schule vieles Einzelne immerhin mit Recht zu
tadeln finden, mag sie ein oder ein andres Werk, selbst von namhaften
Meistern, sich anzuerkennen gänzlich weigern; sie wird, wenn sie unpar-
teiisch bleibt, in den übrigen Kunstschulen des heutigen Tages ebenso
viele Mängel (hier und dort vielleicht noch mehr) bemerken, sie wird es
bekennen müssen, dass das wahrhaft Gediegene hier dem wahrhaft Gedie-
genen'dort zur Genüge die Wage hält. Noch ist Lessing derselbe geniale
Meister, der er früher gewesen; noch besitzt Sohn die überaus zarte Lieb-
lichkeit seines Colorits; noch bringt die Landschaftschule unter Schirmer
eine Fülle der ächtesten Leistungen hervor; noch ist die ganze Reihen-
folge der Genremaler vorhanden und zählt ungleich mehr tüchtige Arbeiter
als früher; noch ist A. Schrödter der Humorist, wie die Geschichte der
Kunst keinen zweiten kennt, u. 8. w. Den älteren Talenten haben sich
jüngere von entschiedenster Bedeutung angereiht, wie z. B. der Genre-
maler Ritter und der Historienmaler Schräder, welchem letzteren die Ber-
liner Akademie, bei dem mangelhaften Ausfall-der vorjährigen Concurrenz,
als ganz ausserordentliche Ausnahme den grossen Preis zuzuertheilen sich
veranlasst sah. Die Fresken im Rathhaussaale zu Elberfeld sind^den Dar-
stellungen ähnlichen Inhalts in München gewiss an die Seite zu stellen;
auch unter denen zu Heitorf befinden sich der Mehrzahl nach sehr an-
erkennungswerthe Leistungen. Der von Hübner erfundene und von allen
bedeutenderen Künstlern der Schule ausgeführte Fries im Salon des Di-
rectors von Schadow — die Lebensalter im Fortschritt der Tages- und
Jahreszeiten darstellend — gehört unbedingt zu den lieblichsten dekora-
tiven Werken unsrer Zeit. Die Fresken religiösen Inhalts, die Deger und
seine Gefährten zu Apolliuarisberg begonnen haben, halten ebenso unbe-
dingt den Vergleich mit Allem aus, was in ähnlicher Richtung unternom-
men ist (z. B. mit denen von H. Hess in München). Endlich ist auch an
die, nur vorwärts schreitende Tüchtigkeit so vieler Künstler, welche von
Düsseldorf ausgegangen sind, zu erinnern, wie an Rethel, Becker, Achen-
bach, Bendemann u. s. w. - -

So ist das missliebige Urtheil des Publikums, im Grossen und Ganzen
genommen, auf keine Weise zu unterschreiben, und docli ist es zu ent-
schieden, zu allgemein verbreitet, als dass es nicht seinen positiven Grund
haben sollte. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich den letzteren in der
veränderten Zeitstiramung, dem veränderten geistigen Bedürfniss der Zeit
suche. Die Glanzperiode der Düsseldorfer Schule war für Deutschland die
Zeit geistiger Ruhei und Stille; man liebte es, sich in die inneren Zu-

r

In diesem Betracht ist namentlich ein Gemälde von Soh'n anzuführen,
eine freie Wiederholung seines Dianenbades, die durch höheren Adel, wahres
Patiios und naiv durchgebildete Zartheit ungleich gediegener erscheint, als das
erste Exemplar dieser Darstellung.

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502 Kunstreis« im. Jahr 1815.

stände des eigneu Gemüthes zu versenken, und dies ist es, was vornelim-
lich die Schule erfasste und durchbildete-, die Werke, die so grossen Bei-
fall fanden, waren mehr oder weniger Situationen des Gemüthslehens.
Seitdem aber ist eine Zeit der Bewegung, des Strebens und Dranges,
selbst des heftigsten geistigen Kampfes eingetreten, die sich in der Kunst
ebenfalls widergespiegelt sehen will; man verlangt, wenn auch nicht
Tendenzbilder (wie es allerdings von einigen wenigen Unverständigen ge-
schieht), so doch die Vergegenwärtigung von Gestalten, welche ihr Dasein
in belebter That dokumentiren oder wenigstens ihre Befähigung dazu dar-
legen; man will sich zu eigner Energie an den energischen Wesen einer
idealen Welt kräftigen. Die Düsseldorfer aber haben mehr oder weniger
an jener, zur Gewohnheit gewordenen Auflassungs- und Behandlungsweise
festgehalten, und es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass eine
contemplalive Richtung nicht zur äusserlich kraftvollen Bethätigung führt.
Das allgemeine Bedürfniss des Momentes will sich von solchen Darstel-
lungen nicht mehr befriedigt erklären.

Dass die Düsseldorfer Schule, wenn vielleicht auch mit einzelnen Aus-
nahmen, der Bewegung der Zeit nicht gefolgt ist, dass sie in einer, bei
allen unleugbaren Verdiensten doch einseitigen geistigen Richtung verharrte,
wird wohl als eine Schuld angesehen werden müssen, aber die Schuld ist
den einzelnen Mitgliedern nicht vorzugsweise zur Last zu legen. Gerade
das, was die Schule zu so schneller und eigenthümlicher Entwickelung
gebracht hat, die Gemeinsamkeit der Bestrebungen und die Concentra-
tion derselben auf verhältnissmässig wenige Kreise, musste einer weiteren
Bewegung eher hinderlich als förderlich werden. Mau erfreute sich der
Erfolge, ohne eine Voraussicht dessen, was bei veränderten Bedürfnissen
nothwendig eintreten musste. Man sah die Schule sich mehr und mehr
entfalten, die Schülerzahl in ungewöhnlichem Maasse anwachsen, ohne zu
erwägen, dass zur Garantie ihrer Zukunft nunmehr eine breitere Unterlage,
eine mehrseitige Ausbildung, eine wenn auch nur mässige Fortentwickelung
des Systems, auf welchem die Schule gegründet ist, erforderlich gewesen
^ wäre. Man Hess diese grosse Anzahl von Künstlern fort und fort in ihrer,

wenn ich es so nennen darf: subjectiven Weise schaffen, so lange nur das
I Publikum daran seine Nahrung fand, ohne diese Summe geistiger »Thätig-

keit durch die Ertheilung energisch volksthümlicher Aufgaben zugleich
auf ein objectiv ^freies, weiteres Feld hinüberzuleiten; wenigstens war es
eine im Ganzen nur geringe Zahl von Aufgaben, die von ausserhalb an
die Schule gekommen sind, und diese bestanden zumeist aus kirchlichen
Aufgaben, zu deren Lösung wieder nur ein geringer Theil der Künstler
sich berufen fühlte. Man hat die Schule, die doch kein Privat-Institut
ist, zu sehr sich selbst überlassen, und darf ihr mithin die Folgen nicht
einseitig zur Last legen.

Es scheint aber noch'keinesweges zu spät, um das Versäumte nach-

t^ ziiholen, und ich glaube, dass ein solches Entgegenkommen von den Düssel-
dorfer Künstlern selbst aufs Freudigste würde aufgenommen werden. Die
K bedeutendsten und wichtigsten Erfolge in diesem Betracht würde ich mir

ff von dem Heranziehen auch dieser Schule zur Ausführung öffentlicher, volks-

thümliche Zwecive erfüllender Aufgaben versprechen; ich bin überzeugt,
,\f' dass die Ertheilung nur weniger Aufgaben solcher Art, dass schon die

Betheiligung Lessings, den ich als das innere Herz der Schule betrachten
muss, die frischeste geistige Bewegung im ganzen Umfange der letzteren

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Ueber die gegenwärtige Lage der Düsseldorfer Schule. 503

hervorbringen würde. Ebenso aber scheint es mir nothig, nicht sowohl im
Organismus der Schule selbst, als in der Art und Weise der Bethätigung
desselben einzelne kleine Veränderungen, einzelne Erweiterungen vorzu-
nehmen, die, ob vielleicht auch unscheinbar an sich, doch wesentlich zur
Aufhebung jener Einseitigkeit beitragen dürften. Der Organismus der
Akademie ist so glücklich, jenes ächte, in heutiger Zeit so seltne Künst-
lerleben, welches durch denselben hervorgerufen wurde, ist für die Kunst
selbst gewiss so wohlthätig, dass dies vielmehr die sorglichste Pflege ver-
dient; nur im Einschlag des Gewebes scheinen einige kleine Anordnun-
gen, die doch von erheblichen. Folgen sein dürften, erforderlich.....

Eine eigenthümliche Erscheinung ist ein, zu Düsseldorf ansässiger
„Verein zur Verbreitung religiöser Bilder." Derselbe hat vor-
zugsweise die Tendenz, die noch aus früheren Richtungen des Geschmacks
und der religiösen Auffassung herrührenden, mehr oder weniger faden
Kupfer mit Darstellungen heiligen Inhalts durch bessere, mehr innerlich
empfundene zu verdrängen. Jedes Mitglied des Vereins zahlt jährlich
2 Rthlr. und empfängt dafür zum beliebigen Verbrauch jährlich ü kleine
Kupferstiche in je 10 Exemplaren, so dass das Stück im Wege dieser Sub-
scription 1 Sgr. kostet, während es im Handel erheblich theurer ist. Der
Verein ist übrigens, wie mir gesagt wurde, völlig Privatsache, und die
Unternehmer sollen erst jetzt, nach mehreren Jahren des Bestehens, zu
ihren Kosten kommen. Die Hauptveranlassung dazu hat der Kupferdrucker
Schülgen zu Düsseldorf gegeben; die religiöse Fraction der Düsseldorfer
Schule, und vornehmlich der Direktor von Schadow, hat sich für die Auf-
nahme und für die Richtung des Vereins besonders interessirt. Die Auf-
fassung der Bildchen gehört fast ausschliesslich demjenigen Kreise religiö-
ser Kunstdarstellungen an, unter dessen Vertretern sich Overbeck, Steinle,
V. Schadow, Deger besonders auszeichnen; neuerlich hat man jedoch an-
gefangen, nicht blos die Werke von Neueren, sondern auch die von alten
Meistern, aber eben so ausschliesslich die von italienischen Trecentisten,
zu stechen. Die Technik des Stichs in diesen Blättern ist meist vortreff-
lich. Bei der schönen Tendenz des Vereins ist es zu bedauern, dass man
— nach dem vorherrschenden Charakter jenes künstlerischen Kreises im
Allgemeinen nur solche Darstellungen zur Verbreitung fördert, denen eine
passive Gefühlsstimmung zu Grunde liegt, und dass man soiqit über eine
einseitige Wirkung nicht hinauskommen wird.

Ueber die Richtung der Kunst in Bayern.

Die grossartigen Kunstunternehmungen in Bayern sind zu bekannt, als
dass ich nöthig hätte, davon an dieser Stelle, anders als nur in flüchtigster
Hindeutung zu sprechen. Durch die begeisterte Hingebung des Königs an

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504 Kunstreis« im. Jahr 1815.

diese Interessen ist in Bayern und namentlich in München eine Fülle von
Werken entstanden, wie die Geschichte der Kunst unter ähnlichen Ver-
hältnissen kaum ähnliche Reihenfolgen kennt. Für die Ausübung monu-
mentaler Kunst, mit Rücksicht auf die ernstesten und erhabensten Zwecke
des Lebens, hat sich hier eine so umfassende Gelegenheit dargeboten, wie
sie seit lange nicht vorhanden gewesen ist. Der grosse Cyclus der durch
den König von Bayern veranlassten Werke bildet einen der merkwürdig-
sten Abschnitte in der Entwickelungsgeschichte der gesammten neueren
Kunst.

Doch kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, dass, um die Kunst
I überhaupt auf den Gipfel der Vollendung zu führen, die monumentale

I Tendenz allein nicht genügt. Es ist eine Wechselwirkung nöthig zwischen

der streug erhabenen Consequenz der letzteren und denjenigen Kunstrich-
I tungen, die aus der naiven Hingabe an die Mannigfaltigkeit des natür-

lichen Daseins entstehen. Wir können heutiges Tages das weite Feld,
Ij welches die Kunst des siebzehnten Jahrhunderts erobert hat, nicht weg-

.1 läugnen, nicht lediglich zu den Richtungen des zwölften bis fünfzehnten

? Jahrhunderts oder höchstens zu denen vom Anfange des sechzehnten zu-

} rückkehren. Es liegt wie eine noch unerfüllte Ahnung vor uns, dass es

eine Auffassungs- und Behandlungsweise der Kunst geben raüsse, in wel-
eher Beides zum höheren Einklänge sich gegenseitig auflöse.

Wohl wäre den grossen Bestrebungen des Königs von Bayern zu wün-
schen gewesen, dass dort von andrer Seite her auch die zweite Richtung
der Kunst mit einigem Nachdruck gefördert worden wäre. Dies ist aber,
sofern es auf wesentlich einflussreiche und charakteristische Erscheinungen
ankommt, nicht der Fall gewesen; wo sich andre Kräfte, andre Mittel mit
denen des Königs vereinigt, sind sie vielmehr vollständig in die von ihm
■ eröffnete Bahn mit hineingezogen worden. Die Stadt München z. B. hat

auf ausserordentliche Weise an jenen Unternehmungen Theil genommen,')
aber es sind dies nur grossartige Beihülfen zu der allgemeinen, von dem
Könige befolgten Tendenz gewesen, ohne das Gepräge einer vielleicht
mehr individuellen Richtung. Es dürfte überhaupt in Frage kommen, in-
wieweit alle diese grossen Bestrebungen auf einem wirklichen, lokal volks-
f thümlichen Kunstbedürfniss beruhen, und inwieweit von ihnen eine Rück-

wirkung auf die allgemeine Volksbildung stattgefunden hat oder zu erwarten
ist. Wenigstens wird das Letztere wohl nur erst durch die Zukunft
dargelegt werden können.

Uebrigens haben, was ich hier beiläufig bemerken muss, jene grossen
• und mannigfaltigen monumentalen Unternehmungen zugleich eine Mannig-

' faltigkeit des technischen Kunstbetriebes, einen Eifer in dessen möglichst

' zweokgemässcr Durchbildung erzeugt, dass dem Anschein nach.hievon

vielleicht zunächst eine Rückwirkung auf das Leben zu erwarten sein
'i: möchte. In der Malerei ist eine Reihe von Behandlungsarten durchge-

r

t Die kürzlicli erschienene Schrift des ersten Bürgermeisters von München,

Dr. Bauer: „Grundzüge der Verfassung und Vermögensverwaltung der Stadtge-
meinde München", entiiält u. A. die A.ngabe, dass im Lauf der letzten 2.') Jahre
i' von der städtischen Behörde auf das Bauwesen im Allgemeinen eine Summe von

c. '2,797,634 fl. (also jährlich im Durchschnitt von c. 111,905 fl.) und auf Mo-
0; numente und zur Verschönerung der Stadt eine Summe von c, 3,284,539 fl,

Oilso jährlich im Durchschuitt vou c. 131,381 fl) verwandt sind,

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Ueber die Richtung der Kuust in Bayern. 505 |

probt, namentlich um ihr bei monumentalen Werken eine möglichst un- Ia

zerstörbare Beschaffenheit geben zu können; neben der Frescomalerei hat
man verschiedene Gattungen der Wachsmalerei geübt; die Technik der
antiken Wandmalerei ist durch Schlotthauer, wenn auch nur erst in Pro- ^^

beu, doch vollständig wieder aufgefunden; in der, ebenfalls von Schlott-
hauer erfundenen sogenannten Stereochromie besitzt man eine Gattung der
malerischen Technik, die, wie es scheint, allen Witterungseinflüssen trotzen '

wird. Die Glasmalerei ist zu ausserordentlichen Erfolgen gediehen; die !

Porzellanmalerei müht sich, neben jener sich ebenfalls als eine eigenthüm- ii

lieh werthvolle Kunstgattung zu behaupten. Im Bronzeguss wird das Gross- f

artigste mit bewundernswerther Kühnheit und Sicherheit geleistet; mit i

ebenso grosser Sicherheit und Tüchtigkeit verfährt man in der Feuerver- /

goldung kolossaler Bronzen. Für die architektonischen Unternehmungen
sind vielfache und zum Theil neue Hülfsmittel in Bewegung gesetzt; um
nur Eins anzuführen, so ist dort (wie freilich schon früher bei uns) die
Fabrikation der gebrannten Steine zu einer grossen, selbst für monumen-
tale Zwecke sehr wohl geeigneten Vollendung gebracht; u. s. w. Nach
allen Richtungen hin ist das Handwerk der Kunst hoch ausgebildet. Gleich- v

wohl ist auch hiebet noch in Frage zu stellen, ob diese Erfolge auch |

einen ähnlichen Aufschwung des eigentlichen und selbständigen Kunsthand- |

Werkes zur Folge gehabt haben. Der Blick auf die Industrieläden von Mün-
chen schien mir dies, beim Wandeln durch die Strassen der Stadt, nicht |
gerade in vorzüglichem Maasse zu bestätigen. Doch hat München, wenig- {
stens von Hause aus, wohl nicht die Grundlage eines sonderlich bedeuten-
den industriellen Verkehrs. ^

Für die eigentliche künstlerische Ausbildung scheint durch jene grossen i

monumentalen Unternehmungen ein weites Uebungsfeld dargeboten zu sein. |

Gewiss haben die dabei Betheiligten vielfache Gelegenheit gefunden, sich :

in der künstlerischen Behandlung der verschiedenartigsten Aufgaben und
in der eben angedeuteten handwerklichen Praktik Fertigkeiten aller Art }

zu eigen zu machen. Doch ist hiebei naturgemäss die Tendenz der monu- ?

mentalen Kunst wiederum ausschliesslich vorherrschend gewesen und, wie S

umfassend auch, doch eben nur das zu ihr Gehörige geübt worden; die
Oelmalerei namentlich ist hiebei so gut wie gar niclit zur Anwendung ge- |

kommen. Die Meister der Malerei sind in den verschiedenen Lokalen, die
ihnen zur Ausschmückung angewiesen, beschäftigt gewesen, "von verhält-
nissmässig wenigen Gehülfen umgeben; Unterricht-Ateliers haben sie nicht
eröflnen können. Man klagte mir sehr ernstlich, dass derjenige, der bei
diesen monumentalen Werken nicht hinzugezogen worden, der sich über-
haupt der monumentalen Malerei nicht habe widmen wollen, rücksichtlich
seiner künstlerischen Ausbildung zum grössern Theil sich selbst überlassen
gewesen sei; wenigstens für das, was der Stellung des Malers im allge-
meinen Lebensverkehr die erforderliche Sicherheit gebe, d.h. für die Be-
handlung der Oelfarbe, für die Zubereitung und Verwendung einer rich-
tigen Palette, sei bis jetzt in München fast gar keine Belehrung zu finden
gewesen......

I

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506 Kuustroisp im Jahr 1845.

3.

Ueber akademische Concurrenzeii und was etwa an deren Stelle

zu setzen.

(Aus den, am Schlüsse des Reiseberichtes enthaltenen Vorschlägen zu einer
Reform der Akademie der Künste zu Berlin,)

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..... Wenn in der akademischen Schule selbst keine äussere Aus-
zeichnung weiter gälte, als die Ehre, die dem Tüchtigen nothwendig
überall zu Theil wird, so würde es dennoch zweckmässig und vortheil-
haft sein, denjenigen, der die Schule auf ausgezeichnete Weise absolvirt
hat und von dem wahlhaft bedeutende Leistungen zn erwarten ,sind, auf
eine angemessen fördernde Weise in die Stellung des selbständigen Künst-
lers hinüberzuführen. Hiezu dient bis jetzt allein das, zumal bei unsern
Verhältnissen sehr ungenügende Mittel der Concurrenz um ein Reise-
stipendium, welches letztere dem Sieger unter bestimmten Vorschriften
auf die Zeit von drei. Jahren ertheilt wird. Es haben sich gegen diese
Einrichtung bereits so gegründete Bedenken erhoben, dass es in der That
augemessen scheint, sie vollständig aufzuheben.

Die bisher bei uns, wie an den meisten andern Orten befolgte Ein-
richtung ist in der Kürze die: dass die Concurrenten, nach vorangegange-
ner vorläufiger Prüfung, ein besondres Sujet zur künstlerischen Bearbei-
tung empfangen, welches an demselben Tage, au dem es gegeben ist, als
Skizze bearbeitet werden muss; genau nach dieser Skizze, wenigstens ohne
alle wesentlichen Abweichungen davon, müssen sie sodann die Arbeit
selbst in vorgeschriebenen Maassen, innerhalb eines bestimmten Termins
und in gänzlicher Abgeschiedenheit ausarbeiten. Man will versichert sein,
dass die Concurrenten ohne irgendwelche Beihülfe arbeiten und man will
dem einen keine günstigeren Bedingungen geben als dem andern; aber
man verlangt zugleich eine Arbeit, die nicht etwa blos die durchgebildete
Fähigkeit zur Naturauffassung darlegen, die vielmehr zugleich von der
inneren künstlerischen Schöpfungskraft ein hinreichendes Zeugniss abgeben
soll, und doch sieht man hiebei eigentlich von Allem ab, was zur Be-
lebung des Gegenstandes, zur Entwickelung und Ausbildung desselben im
inneren Gemüthe des Künstlers vorgehen muss; man schliesst alle Rück-
sicht auf die künstlerische Individualität aus, deren eigenthümlichen Ge-
setzen gemäss doch unter allen ^Umständen das wahre Kunstwerk erzeugt
wird. Darum linden sich bei uns so selten ächte künstlerische Naturen,
die sich diesen fesselnden Bedingungen unterziehen; darum treten zumeist
so ungenügende Talente ein, darum ergiebt es sich so oft, dass der Preis
au solche vertheill wird, denen doch keineswegs absolute Kunstbefähigung
und wahrhafte Vollendung in BetreflF der künstlerischen Studien beiwohnt.
Und nun begeben sich diese, unsicher in der künstlerischen Auffassung
überhaupt und unsicher in ihrem eignen Wollen und Können, auf die
Heise, werden durch die Üeberfülle der verschiedenartigsten Werke, die
ihnen hier entgegentreten, nur noch verworrener als sie es schon sind,
und kehren begreiflicher Weise nicht als Meister heim. Diö^ grossen
Summen, die bei uns zu diesem Behufc verwandt sind, haben nur sehr

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Ueber akademische Coiicurrelizen. 507

geringfügige Früchtc getragen, und zugleich hat es ein eignes Missgeschick
gewollt, dass die wenigen besten ^unter unsern Concurrenten entweder früh
verstorben oder im Auslande ansässig geblieben sind.

Wir haben die Einrichtung der Concurrenzen aus Frankreich über-
kommen; aber sie steht dort, so wenig sie in ihrem innersten Princip auch
unter den besten V^erhältnissen mit dem wahren Kunstgefühl vereinbar ist,
doch in Beziehungen zum Leben und zur Kunstbildung, die so ganz an-
ders sind als bei uns und die Sache wenigstens ungleich milder erscheinen
lassen. Yen Hause aus ist der Franzose weit mehr zur äussern Repräsen-
tation, zur äussern Geltendmachung seiner "Wirksamkeit geneigt, und es
wird ihm dies auch so viel leichter, weil seine Production weit weniger
aus der Tiefe der Empfindung als aus einem gewissen verstandesmässigen
Calcül hervorgeht. (Die französische Kunsgeschichte beweist dies hinläng-
lich; N. Poussin und Ingres, deren Werke nur allzusehr das Gepräge
dieses Calcüls tragen, werden dort vorzugsweise als die Meister tiefer
Conception verehrt.) Dazu kommt dann die Leidenschaft des Ehrgeizes,
die das Leben in Frankreich zum steten Wettkampfe macht. Daher denn
schon in den Schulen von früh an jene Wettkämpfe, jene Concurrenzen,
die sich in der Ecole des beaux-arts zur Unzahl steigern und denen sich
endlich die grossen Concurrenzen der Academie nur als naturgemässe
Folge anschliessen. Der französische Künstler, der in die letzteren ein-
tritt, findet sich eigentlich in ganz gewohntem Elemente; er weiss der
Production mit Bequemlickeit zu gebieten, während der Deutsche in glei-
chem Fall auf tausend offenbare und ungekannte Klippen stossen muss, die
ihm die innere Freudigkeit verderben. Wir müssten bei uns eine ähnliche
Stufenfolge von Concurrenzen einrichten, was doch seine sehr gründlichen
Bedenken haben würde, wir müssten geradehin auf eine Umwandlung
unsers eigenthümlichen Volkscharakters hinarbeiten, wenn die grossen aka-
demischen Concurrenzen bei uns zu derselben Bedeutung gelangen sollten,
wie in Frankreich. Und dennoch haben sich einsichtige Künstler in
Paris gegen mich nicht minder überzeugt über die Mängel dieses gcsamm-
ten Concurrenzwesens auch im dortigen Kunst-Interesse ausgesprochen.

Bei der umfassenderen Gestalt, welche dem Kunstunterricht an der hie-
sigen Akademie zu geben wäre, namentlich bei der Einrichtung von aka-
demischen Ateliers, und unter der Voraussetzung einer allerdings'sehr
genauen Beobachtung des Studienganges der Schüler der Akademie würde
es aber des Mittels der Concurrenz gar nicht bedürfen, um die würdigsten
und tüchtigsten unter den Schülern kennen zu lernen; im Gegentheil würde
man hiebei ganz von selbst zu einem ungleich sichreren und richtigeren
Urtheile gelangen und von allem Zufälligen der einzelnen Leistung absehen
können. Ebenso würde man die zu gewährende Belohnung oder Förde-
rung mit vollkommener Rücksicht auf die Individualität jedes Einzelnen
abmessen können. Solcher Förderungen bieten sich verschiedene dar.
Zunächst ist für diesen Behuf die Hinzuziehung ausgezeichneter Schüler
zur Ausführung öfl'entlichcr Arbeiten (unter Augen des Meisters) in Vor-
schlag gebracht worden, was ohne Zweifel — je nach der vorkommende!)
Gelegenheit — schon sehr nützlich wirken und wenigstens eine schöne
Vorbereitung zu künftiger Selbständigkeit sein würde. Sodann erlaube
ich mir, auf einen früheren Vorschlag zurückzukommen: solche Schüler,
die ihre Studien auf eine vorzügliche Weise absolvirt haben, durch die
Uebertragung irgend eines Werkes für Öffentliche Zwecke zu belohnen und

\1

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508 Kunsfroise im Jahr 1845,

ihnen hiedurch Gelegenheit zur vollkommenen Entwickeluug ihrer Kräfte,
sowie zugleich zur Erwerbung einiger Geldmittel, die sie eventuell und nach
Belieben zu einer Reise verwenden könnten, zu geben, Hiedurch wäre bei-
läufig ein, gewiss nicht verwerfliches Mittel gewonnen, nach und nach eine
Anzahl öffentlicher Kunstwerke in den Provinzen zu verbreiten und dadurch
auch in den Communen den Sinn für die öirentliche, volksthümliche Be-
deutung der Kunst immer mehr anzuregen. Ausserdem aber wären gleich-
falls eigentliche Reisestipendien zu vertlieilen, doch liicht nach feststehender
Norm und auf eine bestimmte Reihe von Jahren, sondern je nach Zweck
und Bedörfniss auf kürzere oder längere Zeit. Unter Umständen kann ein
nur halbjähriger Aufenthalt in Italien für einen mit sich fertigen und
einigen Künstler schon sehr fruchtbringend sein.
■ Durch diese Reisestipendien liesse sich aber, ebenso wie durch jene

[. Uebertragung von Werken für Öffentliche Zwecke, noch ein weifer wir-

( kender Nutzen schaffen. Das gewöhnliche, speciell durchgeführte Studium

] irgend eines besondern grossen Meisterwerkes wird dem jungen Künstler

in der Regel ungleich vortheilhafter sein, als das wirre Durcheinander-
studiren des Verschiedenartigsten; dies Studium aber wird am Besten (ich
habe hier zunächst Maler im Sinne) durch die Copie erreicht. Dem jun-
gen Künstler würde also die Anfertigung der Copie irgend eines namhaften
Bildes, vornehmlich von Raphael, oder auch von Michelangelo, Tizian
u. s. w., zu übertragen sein. Dadurch aber würde allmählig eine Reihen-
folge von Copien zusammenkommen, die unter solchen Umständen gewiss
mit voller, frischer Begeisterung für die Originale gemalt wären und die
demnach, zu einer Gallerie geordnet, sowohl im Allgemeinen einen sehr
hohen Kunstgenuss gewähren, als für Künstler und Kunstfreunde ein sehr
wichtiges Bildungsmittel darbieten würden. Die Betrachtung der im Louvre
und in der !Ecole des beaux-arts zu Paris zerstreuten Copien nach den
Fresken Raphaels und Michelangelo's hatte mir die Bedeutung, welche
y\ eine solche Gallerie haben könnte, wieder recht lebhaft vergegenwärtigt.

Sollte bei uns diese Idee aufgenommen werden, so wäre es vielleicht
möglich, dass Se. Majestät der König sich bewogen fänden, die im Aller-
höchsten Besitz befindlichen, schon ziemlich zahlreichen Copien nach
Raphael (besonders nach auswärts vorhandenen Staffeleibildern desselben)
zur Gründung einer solchen Sammlung herzugeben, so dass für die letz-
tere schon beim Beginn der neuen Einrichtung ein ansehnlicher Stamm
beisammen wäre. i

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Frankfurt a. M.

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Das Stade 1'sehe Kunst-Institut ist, Dank dem so hochsinnigen
wie klugen Testator und der fortgesetzt sorgfältigen Leitung seiner Ange-
i legenheiten, eine Anstalt, wie man sie jeder grösseren Stadt wünschen

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Reisenotizen. Frankfurt a. M.

möclite. Sie -erreicht iu ilirem engen Kreise mehr als manche grosse
Sta^itsanstalt mit ungleich grösseren Mitteins und Kräften durchzuführen
weiss. Namentlich hat die Kunstsammlung des Instituts eine vortreffliche
und zugleich sehr gefällige Einrichtung; sie ist keineswegs besonders
ausgedehnt, aber in charakteristischer Weise mit mehr oder weniger guten
Beispielen für die verschiedenen Hauptepochen der Kunstgeschichte ver-
sehen, — Abgüssen von Antiken, Handzeichnungen, älteren und, neueren
Gemälden. Die-in den Hauptsälen der Sammlung angewandte Beleuch-
tung von oben bringt die schönste Totalwirkung hervor; sie ist durchaus
nachahmungswürdig.

Hier sah ich Lessing's Huss (auf dem Concil von Constanz) wiedevj
ungleich besser beleuchtet und besser überschaulich, als ich das Bild auf
der Berliner Ausstellung gesehen hatte; aber um so mehr auch traten mir
die Schwächen des Werkes — gegen dessen so bedeutende Vorzüge, wie
gegen Lessing's künstlerische Grösse überhaupt, ich wahrlich nicht blind
bin — entgegen. Es fehlt der Farbe, dem Ton das eigentliche Mark, und
noch mehr fehlt es an Luft und Helldunkel; die Gestalten erscheinen flach,
die hinteren fast wie ausgeschnitten und auf den Grund aufgelegt. Das
Bild könnte höchst vortrefflich sein und ist in seinem innersten Wesen doch
nicht eigentlich künstlerisch; es ist sehr geistreich gedacht, fein gefühlt
und für das Einzelne eine anziehend schöne Darstellungsform genommen,
aber es ist — wenigstens in seiner Totalität — nicht geschaut. Es giebt
keinen grösseren Gegensatz, als dies Bild im Verhältniss zu Werken des
Paul Veronese, dessen Richtung es doch, seiner ganzen äusseren Anlage
nach, entsprechend sein müsste.

Overbeck's grosses symbolisches Bild — „der Triumph der Religion
in den Künsten" — ist unter den Gemälden altdeutscher Schule aufge-
hängt, mit denen es in Ton und Künstlermaass sehr wohl übereinstimmt.
In dem Bilde ist viel mehr innere Einheit, als z. B. im Huss; Overbeck
will nur symbolisiren und wählt dazu ein charakteristisch Conventionelles
Schema, ohne Anspruch auf die höhere Totalität der Natur. Dazu kommt
sein schöner Linearsinn, der sicli hier immer noch erfreulich kund giebt,
und das sehr ruhige Maass der Farbe. Freilich ist Vieles auch ungenü-
gend, zu äusserlich conventioneil im Farbenton, zu matt in der Bewegung,
zu nüchtern im Gedanken; doch bleibt es immer nur Einzelnes im Gegen-
satz gegen das bedeutsame Ganze.

Ph. Veit's Freskobild — „die Einführung der K-ünste in Deutschland
durch das Christenthum" — ist in der Farbe matt und verschossen; es
scheint auch nicht mit der naiven Symbolik erfunden, wie Overbecks
Bild. — Die Cartons von Schn-orr zu seinen Fresken in der Villa Mas-
simi zu Rom, mit Darstellungen aus dem rasenden Roland, sind höchst
interessant und für den Beginn der romantischen Richtung unsrer Kunst
sehr bezeichnend. Sie haben noch ganz die schöne jugendlich naive Gra-
zie, der man diesen oder jenen Mangel gern vergiebt, weil noch so viel
Hoffnung darin ist. — Von St ei nie sind die farbigen Cartons zu seinen
Fresken in der Kapelle von Schloss Rheineck am Rhein, Darstellungen,
die auf die Bergpredigt Bezug haben, vorhanden. Hier ist die liebens-
würdige Eigenthümlichkeit des Künstlers sehr ainziehend, eben weil sie
ganz anspruchlos auftritt^ —

Von den für die Nischen des Römersaales bestimmten Kaiserbil-
dern sah ich den grösseren Theil in Nebenräumen aufgestellt. Ich fand

509

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510 Kuiistreise im Jahr 1845,

darunter wenig Erfreuliches, kein Bild, das mir wahrhaft bedeutend er-
schienen wäre. Das beste unter den vorhandenen moclite das von Rethel
sein, ein edles, doch nicht innerlich grosses Bild. Zwei Kaiserbilder
waren von Steinle: das eine mittelalterlich, von sehr matter, ja unwahrer
Körperlichkeit; das andre, Steinle's sonstiger Richtung ziemlich entgegen,
eine Gestalt des siebzehnten Jahrhunderts, in schlichter Haltung und
dabei von erfreulich frischem Gefühl. Lessing's Bild (Friedrich Barba-
rossa) ist gut, aber wiederum nicht gross gefasst, vielmehr etwas genre-
haft. Auch ein Heinrich V. von Kiderich schien mir beachtenswerth;
etliche andre Düsseldorfer fast allzuschwach, ein Eindruck, den auch die
Arbeiten noch andrer Lokalschulen gewährten. —

Die eherne Goethe-Statue von Schwanthaler, auf dem Ross-
markte, hat mich unendlich widerwärtig berührt. Zunächst ist das Ver-
hältniss der kolossalen Figur zu dein breiten kurzen Piedestal sehr unschön.
An dem letzteren macht sich die architektonische Doppel-Kuriosität be-
merklich , dass über den Ecken Anteflxen angebracht sind, die aber vor
dem flachen Erdhtlgel, auf welchem die Statue steht, doch nur reliefartig
vortreten. Der Heros trägt Ueberrock und Mantel; den letzteren nicht des
rauhen nordischen Klimas wegen (denn alsdann hätte er auch Hut und An-
dres nöthig gehabt), sondern einfach als das heut zu Tage allgemein übliche
Testimonium paupertatis in Betreff monumentaler Stylistik. Der linke Arm
hängt los herab; trotz des losen Hängens hält er den Mantel so fest, dass
dieser nothgedrungen sich in eine Art classischer Falten fügen muss. Die
Gestalt lehnt sich an einen Baumstamm, um welchen hinterwärts der
Mantel herumgehängt ist. Das Naturgefühl ist äusserst mangelhaft; die
Brust und die linke Schulter sind unendlich roh. Das Gefälle hängt in
einer lappig wulstigen Weise, ohne alle Ahnung von Styl und irgend wel-
cher feineren Naturbeobachtung. In den Reliefs des Piedestals sind die
Personificationen von Goethe's Hauptwerken enthalten. In der Idee sind
diese zum guten Theil nicht minder schwach und unkünstlerisch, in der
Raumvertheilung ohne alles Princip, in der Körperlichkeit der einzelnen
Gestalten fast durchweg äusserst matt. Ich habe einen zu hohen Begriff
von Goethe, von monumentaler Würde, von der Bedeutung der Kunst
überhaupt, als dass ich dies Denkmal nicht fast als ein Nationalunglück
bezeichnen sollte.

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Freskomalereien der Düsseldorfer Schule.

I. Darstellungen zur Geschichte des Kaisers Friedrich Barbarossa in
einem Saale des Schlosses Heitorf.

Erste Wand, von Mücke gemalt:
, Friedrichs Kaiserkrönung, gemalt 1839. Das Bild ist vortrefflich in
Composition, Durchbildung, Haltung und Gesammtwirkung; nur in der
Behandlung könnte es etwas leichter sein.

Superporte, grau in grau: Englische Gesandte vor dem Kaiser, Ge-
schenke bringend. Sehr
anmuthig.

-ocr page 512-

Freskomalereien dor Düsseldorfer.Schule, 511

Die Demüthigung der Mailänder, gem. 1833. Die Composition nicht
ganz glücklich; der Mittelgrund — die Tribüne mit dem Kaiser — dem
Auge des Beschauers eigentlich näher stehend als der Vorgrund. Ein-
zelnes sehr schön gemalt.

Zweite Wand;

Friedrich's Versöhnung mit dem Papste zu Venedig, 1826 von Stür-
mer gemalt. Das Bild hat Gesammtwirkung, wie solche vor Allem der
malerischen Wanddekoration zukommt; im Uebrigen ist es sehr schwach.

Superporte: Demüthigung Heinrich's des Löwen, ebenfalls von Stür-
mer. Unbedeutend.

Aufhebung der Über Heinrich den Löwen verhängten Reichsacht, 1830
von Mücke gemalt. Noch von etwas kalter Färbung und ohne reclite
Harmonie, auch nicht innerlich genug.

Zu den Seiten der beiden Hauptbilder Wandstreifen mit Arabesken,
auf das Leben der Hauptpersonen bezüglich.

Dritte Wand : . :

Sturm auf Iconium durch Friedrich von Schwaben, 1840 von Plüdde-
mann nach Lessing's Composition gemalt. Arbeit von mittlerem Werth;
der Vorgrund zu schwach,

Schlacht von Iconiüm, 1831 von L es sing gemalt. Ein Bild von
wunderbar energischer Naturwahrheit; in der Composition höchst belebt,
in den Lokaltönen meisterhaft. Nur Einiges im Vorgrund nicht wirksam
genug.

Tod des Kaisers, 1841 von Plüddemann gemalt. Eine würdige
Composition, von harmonischer Haltung; nur, bei trefflichen Einzelheiten,
nicht kräftig genug.

Vierte Wand:

Zwischen den Fenstern die einzelnen Gestalten des heil. Bernhard und
des Bischofes Otto von Freisingen,' beide 1840 von Mücke gemalt und
höchst schön in jeder Beziehung. —

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IL Der grosse Fries des Rathhaussaales zu Elberfeld, mit den Bil-
dern deutscher Vorzeit und deutscher Sitte. Der Eindruck des Ganzen
bedeutend, die Darstellung verständlich und prägnant. Das Balkenwerk
der Decke Jst zu schwer im Verhältniss zu der Malerei, auch scheint diese
selbst im Ganzen nicht von genügend leichter Wirkung; doch war mein
Urtheil hierüber möglicher Weise befangen, da die Wände unterhalb des
Frieses noch der weiteren Dekoration, mithin der erforderlichen Gegen-
wirkung entbehrten, ich die Bilder auch bei ungünstiger Beleuchtung sah.
Die Bilder im Einzelnen sind;

Leben der Deutschen in der Urzeit des Volkes, von Fay (Langwand
über den Fenstern), Sehr glücklich und tüchtig in den einzelnen, meist
nackten Gestalten und Gruppen, die sich indess von dem waldesdunkeln
Grunde nicht genügend loszuheben scheinen.

Einführung des Christenthums, von Mücke. (Schmalwand über den'
Fenstern.) Am Zartesten im. Ton, vielleicht etwas zu sehr.

Sitte, Bildung, Gewerbe, Handel u, s. w., von Plüddemann. (Lang-
wand.) Besonders trefflich erzählt und gut gezeichnet; in der Malerei
etwas hart.

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512 Kunstreise im Jahr 1845.

Reichthum und Genuss, von L. Glasen. (Schmalwand.) Von massi-
gem Verdienst und nicht eben leichtem Vortrag, Man fragt übrigens bil-
liger Weise, welche eigentliche Bedeutung in Bildern solcher Art das mit-
telalterliche Kostüm haben soll.

III. Die Freskomalereien in der Kirche zu Apollinarisberg, von
Deger und seinen Genossen.

Ich sah diese Werke in der Arbeit, als theilweise ausgeführte Wand-
gemälde, als Cartons, als Aquarell-Entwürfe. Von Deger selbst, als Haupt-
bilder, die Kreuzigung Christi, die bis auf die Gruppe der Maria bereits
al fresco vollendet war; die Anbetung der Hirten und die Auferstehung,
diese in Aquarell; ausserdem die grosse Gestalt der Virgo Immaculata auf
dem Halbm.onde und die Composition für die Halbkuppel der Altarnische:
Christus, nebst Maria und Johannes zu seinen Seiten. Es ist die Tradi-
tion ~ die gi^teske — in ihrer edelsten Erscheinung, was diesen Arbeiten
zu Grunde liegt, ein kirchlich Geheiligtes (in det Art wie Fiesole die .
Tradition auffasste), ein durch stille, innere Scheu Gebundenes, also frei-
lich Conventionelles; aber zugleich das Bewusstsein hierüber, und dem
entsprechend ein feiner bestimmter Natursinn. Im Ganzen der Composi-
tionen herrscht ein schöner leichter Ton, eine zarte, dem Ideal sich zu-
neiigende Formenbildung (die gelegentlich auch, wie in den feinen lang-
gestreckten Naspn der Maria, einem kirchlich manierirten Ideal angehört),
in der Gewandung eine edle Stylistik. Die Aquarelle erinnern an Minia-
turen der alten Sienesen, doch nicht an deren Ungeschick. — In der
Kreuzigung ist es von grossartigster Wirkung, wie die Masse des Volkes
durch den ausserordentlichen Moment gemeinsam bewegt und erschüttert
wird: ich entsinne mich nicht, Aehnliches gesehen zu haben. Die drei
Gekreuzigten zeichnen sich, wie durch die Charakteristik, so durch die
gediegene Modellirung aus. ^Vortrefflich auch ist das charakteristisch Ei-
genthümliche in Physiognomie, Ausdruck und Geberde des Hauptmannes,
dessen Erscheinung von dem Gebahren banaler Frömmigkeit durchaus
fern ist. — Das Bild der Auferstehung ist schön geordnet: unten die Ma-
rien au dem Grabe und der Engel auf dem Steine sitzend; darüber, von
Wolken getragen, der Auferstandene und Engelchöre zu seinen Seiten. So
erscheinen auch über der Anbetung der Hirten Engelchöre, unter denen
die drei Erzengel besonders vortreten; in der Mitte der letsitereti Michael,
schwer gepanzert im Charakter des fünfzehnten oder sechzehnten Jahr-
hunderts, — was denn allerdings, trotz der schönen Behandlung,"für das
Schweben der Gestalt nicht sonderlich günstig ist, auch zu ausschliesslich
an ein bestimmtes Zeitkostüm erinnert. Hier ist die befolgte Traditon
eben allzu jung.

Unter den Arbeiten der Genossen Degers zogen mich, soweit ich diese
sah, besonders die Compositionen aus der Legende des heil. Apollinaris,
von dem älteren Müller, an. Auch diese sind vortrefflich, doch mehr
conventionell giottesk, wenigstens in den Aquarellen. Merkwürdig und
schön ist hier die idyllische Darstellungsweise, mit zuschauenden und an-
dern Nebenpersonen, was an die liebenswürdigen Compositionen des Be-
nozzo Gozzoli erinnert, ohne doch irgend das Gepräge von Nachahmung
zu tragen.

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Reisenotizen Lütticli. Brüssel, 513

' L ü t t i c h.

Von der Universität die Bronzestatue Gretry's von Gjeefs. In Escar-
plns, Strümpfen und Pelzrock bis an's Knie, der sich rechts ziemlich will-
kürlich zur Seite schlägt. Ganz ohne allen Styl und alle grosse "Wirkung:
eine unbedeutende Portraitstatuette im grossen Maassstabe. Das Detail
indess, wenigstens an den Kleidungsstücken, mit genauer naturalistischer
Beobachtung, z. B. in Betreft" des Bruches und der Ausgänge der Falten.

Brüssel.

Cour de Cassation, im Palais de justice. Hier die beiden berühm-
ten Bilder von Gallait und de Biefve — die Abdankung Karl's V. und
der Compromiss der niederländischen Edeln — in ausgezeichnet schöner,
von der Decke herabfallender Beleuchtung, an den Langwänden einan-
der gegenüber aufgestellt. (Diese Aufstellung aber, wie mir gesagt wurdei
nur provisorisch.) Gallait's Bild ist hier erst völlig seinem Verdienste
nach zu würdigen. Die Hoheit und Schönheit desselben war mir keines-
wegs, wohl durch die tadelnden Bemerkungen-der deutschen Gegner mit
veranlasst, so fest im Gedächtniss geblieben. Allerdings darf man Einiges
an dem Bilde tadeln, — den nicht völlig klaren perspektivischen Aufbau
und die Unbestimmtheit des Raumes hinter dem Sessel des Kaisers (inner-
halb des nach hinten, wie nach den Seiten herabhängenden Teppichs),
indem der Raum sich an der einen Seite bedeutend zu vertiefen scheint;
auch den Umstand, dass das rechte Bein Oraniens, das Standbein, durch
den knieenden Philipp zu sehr verdeckt wird. Indess sind dies entschie-
den untergeordnete Mängel, die sich nur bei besonderem kritischem Ein-
gehen bemerklich machen und die gegen die durchaus schöne Totalwir-
kung des Bildes ganz verschwinden. In der That ist hier die lebendigste
und zugleich naivste dramatische Wirkung mit grossartig historischer Auf-
fassung und mit einer malerischen Haltung verschmolzen, die nur bei den
grössten, namentlich italienischen Meistern gefunden wird. Hier ist ächte
künstlerische Naturwahrheit und ächter k-flnstlerischer Styl. Die Farbe ist
wundervoll und auf keine Weise conventioneil; auch viel mehr, obgleich
ohne irgendwelche spezielle Nachahmung, italienisch (venetianisch) als
etwa niederländisch, welches Letztere bei der fast subjectiven rubensischen
Palette immer bedenklich bleiben muss. So schön und gross das Ganze,
ebenso jede einzelne Figur, jeder einzelne Kopf.. Das Bild erhebt sich
weit über die heutige belgische Schule. — Das Bild von de Biefve hat
diese seltenen Vorzüge nicht. Auch liier zwar
ist durchweg schöne, reine
Naivetät, im Einzelnen ebenfalls vollendete Meisterschaft. Auch die Com-
position hat viel Glückliches, doch sind die Gruppen des Vorgrundes zu
zerstreut. Vor Allem aber fehlt die grosse malerische Gesammthaltung,
sowohl in der Farbe an sich, als im Helldunkel. Die Gruppen des Vor-
grundes drücken auf die des Mittelgrundes.

Palais de la nation. Im Vestibüle desselben die beiden grossen

Kugler, Kleine Schriflen. III. 33

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514

Kiiiisti'öise im Jahr 1,845.

•m

Iiistorisclien Bilder von de Keyser und Wappers, die, wie es scheint,
die Bestimmung haben, den beiden ebengenannten sich als Seitenstücke
anzuschliessen. (Die Aufstellung ebenfalls provisorisch, sogar der Art, dass
sie unmittelbar den Fussboden der Halle berühren und für das Bild von
Wappers nicht einmal der Raum zum Rahmen vorhanden war.) Beide
Weriie nicht ohne eigenthümliche Verdienste, doch, sowohl dem von
Gallait als auch dem von de Biefve entschieden nachstehend. Von de
Keyser das Bild der Schlacht von Woringen; wirksam durch einfach
klare Composition, allgemeine Haltung, energische Palette; dennoch der
Eindruck desselben nicht erfreulich. Die Geberdungen nicht gross und
nicht entschieden, die Charakteristik mangelhaft, die Gesichtsbildungen
manierirt, die Farbe conventioneil, besonders in der Carnation. — Von
Wappers eine Scene aus der Septemberrevolution: Verwundete werden
gebracht, der Entschluss zum letzten Widerstande gefasst. Die Composi-
tion ist zusammengedrängt, in Ausdruck und in Farbe eine entschiedene
Energie. Aber Beides ist wiederum manierirt (wenn auch in der Farbe
weniger als bei de Keyser), die Gesammthaltung mangelhaft, die Wir-
kung zum Theil sehr theatralisch. Störend ist es besonders auch, dass
bei dem Zusammendrängen der Gruppen doch keine eigentliche Gesamrat-
handlung, kein die Massen bewegender Gesammtzug ersichtlich wird.

Gallait's Haus und Atelier, gebaut von Cluysenaer. Die Wohn-
räume liegen nach der Strasse zu, das grosse, behaglich und elegant ein-
gerichtete Atelier in ihrem Rücken; zwischen beiden ein kleiner Verbin-
dungsbau von überaus zierlicher Einrichtung. Die Hausthiir führt zunächst
in einen Corridor, der die Wohnräume zur Linken hat; zur Rechten eine
Glaswand zwischen Säulen. Auf die Glaswand hat Gallait die Bildnisse
berühmter Maler gemalt, doch nur als Silhouetten von braunrother Farbe,
mit wenig schwarzer Zeichnung. x\us dem Corridor tritt man in ein klei-
nes Entrde; aus diesem in ein dunkel gehaltenes Kabinet mit reicher Boi-
serie im Renaissancestyl; aus dem Kabinet in das Atelier. Zwei andre
kleine Räume dienen zur unmittelbaren Verbindung der Wohnung mit dem
Atelier; diese empfangen ihr Licht von oben. In der Tiefe jenes dunkeln
Cabinets ist eine Nische und in dieser ein Fenster, durch welches man in
den einen jener kleinen Räume hineinblickt; der letztere ist mit Malereien
im pompejanischen Style, auf weissem Grunde, verziert. Der Durchblick
ist von überaus reizender malerischer Wirkung.

Im Atelier sah ich das Portrait des Ministers de Theux, ein Werk
der meisterhaftesten künstlerischen Virtuosität. Es ist eine Kniefigur,
stehend, zur Seite eines Schreibtisches. Die Umgebung der Figur — Vor-
hang, Teppichgrund, Stuhl — ist roth, in verschieden abgestuften Tönen
und in gediegenster Harmonie; das blaugestreifte Ordensband auf der Brust
des Ministers ist dabei von leuchtender Wirkung. Der Kopf ist vortreff-
lich gemalt und leidet an sich durch die rothe Umgebung in keiner Weise.
Aber bei aller Meisterschaft ist das Bild doch nicht, wie es sein sollte;
die frappante virtuosische Totalwirkung ist doch eben die Hauptsache,
und das Auge des Beschauers wird doch viel mehr durch sie, als durch
den Kopf des Dargestellten in Anspruch genommen. — Von der Abdan-
kung Karls V. hingen die treffllichen grossen Detailstudien im Atelier,

mm

i ^

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Reisenotizon. ■ Briisspl. 515

unter Glas und Rahnien;_ die erste Skizze "zu dieser Composition, Zeich-
nung mit etwas Farbe, uild eine zweite, vorzüglich schöne Aquarellsldzze
mit der Wirkung des Gemäldes selbst. — Ebenso noch andere Skizzen,
auch dies leicht angetuschte Zeichnungen, zum Theil Genvescenen von
schöner, frappanter, acht niederländischer Wirkung. — Ausserdem einige
angefangene Bilder, unter denen mir besonders ein Kardinal, welcher
beim Austreten aus der Kirche das Kind einer Bäuerin segnet, wohlgeflel.

Gallait ist Schüler (des Franzosen Hennequin.

Im Atelier von Verboeckhoveu freute ich mich der prächtigsten
Thierstudien. Unverkauft stand noch ein grosses Bild mit einem italieni-
schen Ochsen und anderem Vjeh-, fast vollendet sah ich ein Gemälde, auf
dem ein grosser Pyrenäenhund, zwei kleine Hündchen und ein Papagei
dargestellt waren. Ueberall, in diesen lebensgrossen Darstellungen, wie
in den bei uns mehr bekannten kleinen Kabinetsbildern erscheint Verboeck-
hoven für sein Fach durchaus als Meister ersten Ranges.

Einen Ueberblick über die Leistungen der belgischen Malerei (kleineu
Maassstabes) gewährte mir die in solcher Beziehung geschätzte Sammlung
des Mr. van Becelaere, Eigentbümei; des Caf^ mille colonnes, place de
la monnaie. Sie ist daran sehr reich, besitzt auch holländische und einige
französische Bilder. Doch hat die Sammlung im Ganzen auf mich keinen
sonderlichen Eindruck gemacht; sie enthält viel Unbedeutendes, das mit
einem gewissen allgemeinen Vortrage gemacht ist, sehr viel Nüchternes
und wenig Eigenthümliches. Mit zu den Besten gehören die Viehmaler
im Style Verboeckhovens. Anziehende durch charakteristische Zeichnung
waren mir die Genrebilder eines jungen Brüsselers, Willems. Ein Genre-
bild von de Keyser, ein alter Mann und eine junge Frau in der Um-
gebung eines prächtigen Zimmers, machte sich als ein Virtuosenstück in
schönster rubensischer Färbung geltend. Die Holländer und Franzosen
traten mir als bedeutender im eigenthümlichen Wesen entgegen. So sah
ich von Koeckoeck eine ganz ausgezeichnet meisterhafte Sturmland-,
Schaft, Treffliches von Schotel, u. a. m. — Ich bemerkte, dass bei den
Belgiern im Allgemeinen wohl mehr Palette zu finden ist als bei den
Deutschen, zunächst den Norddeutschen, keineswegs aber eine so gute
Verwendung derselben. '

Navez, der Direktor der Brüsseler Akademie, gehört noch der altern
Schule an und ist in seinen Leistungen nicht sonderlich erfreulich. Ein
grosses Altarbild, für die Kirche seines Geburtsortes bestimmt, ist frostig
manierirt im Style der französischen Malerei vor der Epoche der Juli-
revolution. Einige Bilder erinnerten mich an L. Robert, aber auch sie
waren kalt. Ein Portrait hatte in der Behandlung Aehnlichkeit mit den
Wach'schen Bildnissen.

Ein Jeremias von Gisier, in der Kathedrale Ste. Gudule, war höchst
flau und in der afFektirten modern französischen Manier behandelt.—Eine

M

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51G Kunstreise im Jalir 1845,

Reihenfolge von Stationsbildern in der Kirche la Chapelle, von Jean van
Eycken, zeigten Palette und harmonisch abgetönte Farben; aber auch sie
waren im Uebrigen französisch manierirt und oft sehr schwach.

Auf der „Place des Martyrs" das grosse Denkmal, von Geefs,
welches den Opfern der Septembertage von 1830 gewidmet ist. Eine
grossartige Anlage, in sehr schönen Verhältnissen zu der Architektur des
umgebenden Platzes. Der Boden des letzteren ist zu den Seiten erhöht;
in der Mitte eine grosse viereckige Vertiefung, von einem niedrigen Ar-
kadengange, den sogenannten „Katakomben", umgeben. Die ernsten Ver-
hältnisse dieser Arkaden entsprechen der Benennung; die Form aber,
statt ein naives architektonisches Gefüge zu bilden, ist das Erzeugniss
einer äusserlichen, sentimentalen Symbolik, deren Anwendung heutiges
Tages in der That ein wenig überrascht. Die Pfeiler der Arkaden sind
nemlich Grabsteine, in der von der Antike entlehnten Fassung. An den
Wänden hinter den Arkaden sind Tafeln mit den Namen jener Märtyrer
angebracht.

Aus der Mitte des vertieften Raumes erhebt sich ein grosses vier-
eckiges Piedestal, in zwei Absätzen. Vor den Ecken des oberen Absatzes
knieen klagende Engel, Kränze in den Händen haltend; siesollen zu-
gleich — ich weiss nicht, aus welchem Grunde — die vier Tageszeiten
darstellen; ihre gesenkten Flügel schlagen gegen die Seiten des Piedestals.
Es sind zart gearbeitete Gestalten, weich im Fleisch, in der Gewandung
zum Theil gut, obgleich ohne ernsteren Styl, — im Ganzen aber durch-
aus modern sentimental und im inneren Gefühl eigentlich Rococo. — Ueber
dem Piedestal die kolossale Gestalt der Patria (in Marmor, eben so wie
die Engel), einigermaassen im Gepräge der Venus von Melos, mit matro-
nenhaftem Anklänge. Sie hat ungefähr dieselben Vorzüge und Mängel,
wie jene Engelflguren, doch ist sie in den Motiven der Gewandung etwas
mehr antik gehalten, im Ausdruck nicht ganz so sentimental, wenn auch
immer ohne rechten Styl und ohne alle eigentliche Majestät. Das ganze
"Werk hat mich, trotz des ersten schlagenden TotalelFektes und trotz der
sorglichen Ausführung, doch nur in unerquicklicher Weise berührt.

Die Flächen des untern Piedestals sollen historische Reliefs erhalten.
Eins davon, eine Scene aus den Septemberkämpfen, sah ich im Gyps-
abguss. Es war im historisch genrehaften Charakter componirt, ohne allen
Reliefstyl und in seiner ganzen Behandlung sehr wenig erbaulich.

Ungleich mehr sagte mir ein andres öffentliches Denkmal von Geefs
Hand zu, das des Generals Belliard, ebenfalls in Marmor. Er trägt die
Uniform und den soldatischen Mantel, der auf der einen Schulter aufliegt
und nach hinten niederfällt. In den Conturen, und besonders vom Park
aus gesehen, ist die Figur von vortrefflicher Wirkung, bei Weitem mehr
als der Gretry zu Lüttich. In der Behandlung zeigt sich ein feiner Na-
tursinn und, wenn auch nicht volle plastische Grösse, doch ein eigner
malerisch plastischer Styl.

Ein drittes Marmordenkmal, welches Geefs gearbeitet, ist das Grab-

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lleisenotizen. Autwerpoii. Paris. 517

monument des im Septemberkampfe gefallenen Grafen F. v. Merode, in Ste.
Gudule. Er ist in der nationalen Blouse dargestellt, liegend, auf den einen
Arm gestützt und die Pistole noch in der Hand, Das Werk hat lebhafte
moderne Sympathieen erweckt, wollte mich aber wiederum sehr wenig
anmuthen. Die Figur liegt nicht naiv. Die Blouse, die ein so äusserst
glückliches Motiv für künstlerische Darstellung geben konnte, ist kleinlich,
nicht einmal wahrhaft naturalistisch behandelt; und wieder ist jenes un-
selige Testimonium paupertatis, der herabfallende Mantel mit Pelzkragen
auf der linken Schulter, nicht zu vermeiden gewesen.

Im Atelier von Geefs endlich sah ich einige Portraitbüsten von feiner
naturalistischer Ausführung, nur wieder ohne den rechten Styl; — einige
sentimentale allegorische Figuren; — und die ansprechende Gruppe einer
Genoveva, die das Kind auf dem Schoosse hält, während sich die Hirsch-
kuh seitwärts um sie herumschmiegt. Bei dieser wohl componlrten Arbeit
macht sich das dem Künstler eigne zarte Naturgefühl glücklich geltend.

A n t w e r p.e n.

Das Denkmal des Rubens von dem Brüsseler Geefs, Bronzestatue, zu
den besten Arbeiten dieses Künstlers gehörig. Eine volle, kräftige, männ-
liche Gestalt, die sich in dem knappen und doch eleganten Kostüm, wel-
ches keine conventionellen Falten gestattete und keinen Nothbehelf zuliess,
gut ausnimmt. Das Kostüm wieder mit feinem Nat^^siuu behandelt. Die
Ault'assung in statuarischer Beziehung freilich ebenfalls nicht von grosser
Bedeutung, auch ein wenig theatralisch, wenigstens in der etwas dekla-
mirenden Rechten, für deren Bewegung kein sonderliches Motiv ersicht-
lich wird.

Einige Sculpturarbeiten, abweichend von den sonstigen Strebungen
der neueren belgischen Kunst, neigen sich mehr der Romantik des frühe-
ren Mittelalters zu. Dahin gehört eine Marmorstatue der heiligen Philu-
mena, auf dem Drachen stehend, von dem jüngeren Geefs. Sie hat
das Verdienst einer wirksamen, edel romantischen Auffassung., auch einer
mehr stylistischen Behandlung. Nur der Obertheil der Figur erschien mir
nicht ganz kräftig. — Sodann die neuen Chorstühle der Kathedrale, von
Geerts in einem vortrefflichen gothischen Style gearbeitet. Die Statuetten
und Reliefs sind durchaus im Charakter und mit prächtiger Handhabung
der Technik ausgeführt. Nur freilich fühlt man es doch durch, dass die
alterthümliche Behandlnngsweise angelernt ist und nicht eben frei aus dem
Innern kommt. , - .

Paris.

Von einem Häuserbau, "in welchem das innere häusliche Leben und
Behagen dem Aeusseren sein Gepräge aufdrückt, in welchem sich also
eine Kunstform, wenn auch einfachster Art, entwickelt, ist im Ganzen

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518 Kiiiistrcise im Jahr 1845.

sehr wenig die Rede. Nichts von dem Eindruck eines städtisclien oder
häuslichen Comforts, wie dies, für die verschiedeneu Zeiten und Länder,
in Nürnberg, Danzig, Prag, Venedig. Florenz, Brügge, Antwerpen und
if so vielen andern Orten der Fall ist. Bürgerliche Paläste sind wenig vor-

handen. Im Ganzen ist es ein wüstes Zusammenhäufen von Steinmassen.
Die Stadt hat etwas Gebirgsartiges- wie Felsen stehen die Häuserviertel
da, wie Klippen und Zacken erheben sich die Schornsteinmauern über die
Dächer, wie Felsspalten oder Engpässe ziehen sich die Gassen dazwischen
durch. Thüren und Fenster gehen wie Höhlen in das Innere, und man
fühlt es, wie drinnen eine Brut wohnen mag, Bienen gleich, die gereizt
ungestüm hervorbrechen. In den eleganten Stadttheilen, die doch lange
nicht die Hauptmassen ausmachen, ist die Rohheit nur übertüncht durch
all den Glanz-des Luxus und dessen Anpreisungen in Schilden und Affi-
chen. Auch sind es nur wenig Beispiele, wo die moderne Geld-Aristo-
kratie dem rohen Ilauskörper einen Flitterstaat von Renaissance-Dekoration
umliängt, Einigermaassen eine Ausnahme machen, nebst den Resten der
alten Aristokratie im Foubourg St. Germain, einige neue Strassen ausser-
halb der Boulevards, Chaussee d'Antin, Rue Lafltte, u. s, Hier sieht
man Versuche einer behaglich bürgerlichen Architektur im modernen Sinn;
wo aber irgend Glanz erstrebt wird, ist es sofort wieder ein ziemlich
kindlicher, zuweilen etwas gothisirender Renaissance-Aufputz.

Die Denkmäler älterer Zeit, namentlich die Kirchen, verlieren sich
in dieser Steinwüste. Die Denkmäler des Herrscherthums, besonders der
Loüvre und die Tuilerieen mit dem Parkzubehür, obgleich weit hinge-
dehnt und reich geschmückt, sind nicht zur klaren Entfaltung gekommen.
Es hat die Stetigkeit des Regimentes gefehlt, die Gleichartigkeit der In-
teressen der Herrschergeschlechter; der Dynastieenwechsel macht sich darin
auf empfindliche Weise bemerklicli. Das imposanteste Streben zeigen die
neueren nationalen Monumente; aber sie sind kalt, nüchtern idealistisch
und bei allem Allegorischen doch eigentlich inhaltlos. So ist es vor
Allem mit dem Pantheon. So mit dem ungeheuren Triumphbogen der
Etoile, der dasteht, man weiss nicht recht wesshalb und wofür. Er soll
das Thor der Weltherrscherin bilden und steht ausserhalb der Barriere;
der Weg zieht sich zu beiden Seiten um ihn herum, und der Zugang zu
ihm ist mit Ketten verschlossen, zwischen denen sich nur die Fussgänger,
Pygmäen gleich, hindurchwinden. So mit der Säule auf dem Vendome-
Platz, die schwerfällig dasteht, von dem römisch brüsken Spiel des Relief-
l'^rieses umwunden und mit der puppenartigen Figur des Kaisers bekrönt.
So mit der Madeleine, deren Aeusseres in Architektur und Sculptur dem
Volke das religiöse Element nur in einer emphatisch nüchternen Weise
gegenüberführt. So mit der Juli-Säule auf dem Bastille-Platz, die brüsk
und schw'erfällig ist wie die Veudomesäule und über der ein ganz kleiner
goldner Freiheitsgenius, mit dem Fuss an die kleine goldne Erdkugel an-
geheftet, deklamatorisch umherflattert. Brüsk auch ist das ewige Wieder-
holen der Namen Lodi, Marengo, Austerlitz u. s. w., u. s. w., mit denen
die Flächen der Denkmäler übersät sind; brüsk die Anordnung der schwer-
fälligen Deckengemälde im Louvre, u. dergl. m.

Das ist eigentlich der . ganze Charakter der französischen Kunst: —
hohles Raisonnement, nüchternes Allegorisiren, Emphase, auf der einen
Seite, wo es sich um die Idee handelt, . (alles das auch sehr deutlich in
der heutigeil religöseu Richtung); auf der andern Seite ein wüstes, rohes,

eiiSSäi

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lieisenotizen. "Paris., 519

ungebildetes Natürlichkeitsprincip. Daraus,, und zugleich durch das Hin-
eiuwirken der verschiedenartigen Studien-Einflüsse der klassischen und
der romanfischen Epoche, der der Renaissance und des Eklekticismus —
erklärt sich denn auch das tausendfache Gewirr, das namentlich in der
heutigen Malerei der Franzosen vorherrscht. Nur einzelnen hochbegabten
Naturen ist es vergönnt, sich über diese trübe Atmosphäre zu erheben.

/

Ansprechend sind ein Paar Denkmäler geringeren Ümfanges aus der
früheren napoleonischen Zeit. Vornehmlich das auf der Place Dauphin e,
welches Desäix gewidmet und im J. 1803 nach dem Plane von Percier
und Fontaine ausgelührj; ist. Es ist einfach aus dem Stein des Landes
gearbeitet. Auf einer hohen Cylinderbasls mit Reliefs von massigem, doch
nicht ganz untergeordnetem Verdienst erhebt sich eine plastische Gruppe:
eine Herme, welche die Büste von Desaix trägt und der das Schwert um-
gehängt ist; daneben eine amazonenartige Gestalt, etwa das Vaterland»
vorstellend, die einen Kranz über dem Haupte des Helden hält. Die
Gruppe schliesst nach oben nicht genügend rhythmisch "ab; in der Erfin-
dung und den Linien ist sie überhaupt nicht ganz glücklich; auch die
Ausführung, z. B. im Gewände der Amazone, ist weder völlig naiv noch
sonderlich geschickt. Dennoch hat das Ganze ein ächtes, keusches Gefühl,
Geschmack und einen, wenn auch nicht durchgedrungenen Schönheitssinn.
Das Werk schreit nicht und wird daher weriig beaclitet. Der Bildhauer,
der die Gruppe gefertigt, ist mir unbekannt.

Ein zweites, ebenfalls wohlgefällig wirkendes Denkmal ist die vik-
toriengekrönte Säule auf dem Platz du Chatelet, 1808 nach dem Ent-
wurf von Brolle ausgeführt. Die Säule ist in einer Art ägyptischen
Styles componirt, — eine der ästhetischen Rückwirkungen von Napoleons
ägyptischem Zuge.

Einen würdigen Eindruck gewährt die Chapelle expiatöire, an
der Stelle erbaut, wo die Leichen Ludwigs XVL und der Marie Antoinette
der Erde übergeben waren. Der Bau, im vollen und energischen römi-
schen Style, ist von Percier und Fontaine. Die Kapelle ist rund, mit
einer Kuppel und drei halbrunden Absiden, vorn mit einem Säulenpor-
tikus. Das Licht fällt durch eine Oeffnurig in der Kuppel und durch ähn-
liche in den Absidenhalbkuppeln ein; die innere Wirkung ist ruhig und_
feierlich; sie würde es noch mehr sein, wenn ein einziges Oberlicht an-
geordnet wäre. In der Absis zur Rechten steht die Marmor-Gruppe Lud-
wig'sXVL, den ein Engel stützt, von Bosio gearbeitet, schön, feierlich und
ergreifend. Links die ähnliche Gruppe der Marie Antoinette und der
allegorischen Figur der Religion, von Cortot; diese Jedoch ohne Styl
und höhere Würde. Unter der Kapelle sind gewölbte Souterrains. Vor
ihr ist ein erhöhter Platz, zu dessen Seiten Kenotaphien mit byzantinisi-
renden Arkaden hinlaufen und der an der Eingangsseite durch ein impo-
nirendes Portal abgeschlossen wird. Der offne Platz umher ist nach den
Häusern zu mit Cypressen oder ähnlichen Bäumen bepflanzt. Der Ein-
druck der ganzen Anlage ist sehr ergreifend.

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Kuustreise im Jahr 1845.

Die Kirche der Madeleine (begonnen 1802) hat, neben der Nüch-
ternheit ihrer römischen Bauformen und namentlich des Peristyls, der ihr
Aeusseres umgiebt, doch p]igenthüralichkeiten, die allerdings eine sehr ent-
schiedene Anerkennung verdienen. Diese finden sich in der Disposition
des Inneren. Eine Reihe von Kuppeln überwölbt den einfach mächtigen
Kaum. Kolossale Wandsäulen, wie im Priedenstempel zu Rom, steigen zu
den Wölbungen empor; kleinere Säulenstellungen, zwischen denen die,
die Seitenkapellen bildenden Tabernakel angeordnet sind, laufen an den
Wänden und in der Absis hin. Die ruhige Grösse jener Hauptformen,
gegen welche das übrige architektonische Detail verschwindet, ist höchst
feierlich und wird noch mehr durch die stillen, von oben einfallenden
Kuppellichter hervorgehoben. Fast ist das Licht für den Raum nicht
kräftig genug, aber um so geheimnissvoller erhaben ist die Wirkung.
Jedenfalls hat eine solche Beleuchtung unendliche Vorzüge vor den zer-
streuenden Seitenlichtern.

Zwei neuere Kirchen sind im Basilikenstyl, mit thunlichstem Zurück-
gehen auf die Gesetze der Antike, erbaut. Die eine ist Notre Dame de
Lorette, 1824 bis 1836 nach den Plänen von Lebas ausgeföhrt. Sie
macht im Aeusseren, mit ihrem viersäuligen korinthischen Portikus, nur
einen ziemlich dürftigen Eindruck-t Im Inneren hat sie ionische Säulen-
stellungen und doppelte Seitenschiffe. Ueber den geraden Gebälken lasten
im Mittelschiff die Oberwände, die mit wenigen, ebenfalls geradlinig ge-
schlossenen Fenstern und mit Gemälden versehen sind. An der Eingangs-
seite ist im Innern, nach Art der alten Nartheken, ein Vorraum abgetrennt;
die beiden Eckräume desselben haben, im seltsamen Contrast gegen die ge-
raden Gebälke, Arkaden und darüber kleine Kuppelgewölbe. Das Sanc-
tuarium ist mit grossen römischen Bögen und flacher Kuppel versehen.
Das Ganze besteht aus einem noch ziemlich unverdauten Gemisch ver-
schiedenartiger Studien und macht einen wenig erhebenden Eindruck.

Ungleich bedeutender ist die zweite, in sehr ansehnlichen Maassen aus-
geführte Basilika, St. Vincont-de-Paul, ebenfalls seit 1824 und nach den
Plänen von Hittorf erbaut. (Sie war, als ich sie sah, bis auf ihre bild-
liche und bildnerische Ausstattung vollendet.) Der Baumeister hat überall
eine möglichst streng griechische Behandlung der Formen erstrebt, — dies
aber freilich mehr nur in der Bildung des Einzelnen, während der Ge-
sammt-Organismus des Griechischen nicht selten beeinträchtigt erscheint.
An der Vorderseite springt^ ein prächtiger sechssäuliger Prosty) mit canel-
lirten ionischen Säulen vor. Leider liegen die inneren Balken des Pro-
styls nicht, wie es das natürliche Princip fordert, auf dem äussern Archi-
trav (oder noch höher auf der Innenseite des Gebälkes) auf, sondern
unmittelbar, wie der Architrav selbst, auf den Säulenkapitälen. Dies
scheint auch der Grund zu sein, wesshalb der Baumeister sämmtliche Ka-
pitale mit Eckvoluten versehen hat, was einen sehr Übeln Eindruck macht.
Dazu kommt, dass der ganze Architravbau nur eine technische Fiction ist,
indem die horizontalen Balken durch scheidrechte Wölbungen, von Säule
zu Säule, gebildet sind, was man (wie auch an N. D. de Lorette und an
der Madeleine) aufs Deutlichste sieht und was bei näherer Ansicht den
Eindruck des Principwidrigcn nvir erhöht. Zum Portikus führt ein schöner

i

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lieisenotizen. "Paris., 521

Treppenaufgang empor. Ueber den vorspringenden Ecken des Gebäudes
erheben sich leichte Thürmchen, in der Form von Tabernakel-Aufsätzen.
Die ganze Schauseite gewährt übrigens, trotz jener Uebelstände, bei wür-
digen Verhältnissen, immer einen sehr stattlichen Eindruck. Der Portikus
soll noch eine reiche Statuengruppe im Giebel, farbigen Schmuck von Lava-
malerei im Friese und eine sehr reiche Ausstattung von Lavagemälden im
Grunde, an der Vorderwand der Kirche, erhalten, was jenen wirksamen
Gesammteindruck wesentlich steigern dürfte.

Das Innere hat wiederum gedoppelte Seitenschiffe, mit uncanellirten
ionischen Säulen von Stuckmarmor und geraden Gebälken. Dem Eindrucke
der lastenden Oberwand des Mittelschifles ist der Architekt dadurch ent-
gangen, dass er über der untern Säuleastellung eine zweite, von korinthi-
scher Ordnung und zur Seite derselben eine Gallerie (in der Breite des
inneren Seitenschiffes) angeordnet hat. Der Fries, der beide Säulenstel-
lungen trennt, ist freilich sehr hoch, auch noch wandartig; er ist zur Auf-
nahme von Malereien -bestimmt, die den Eindruck der Schwere hofl'ent-
lich aufheben werden. Die äusseren Seitenschilfe sind niedrig, durch
Gitter abgeschlossen und zu Kapellen eingerichtet; die Fenster, mit taber-
nakelartiger Umfassung, erheben sich über den Altären der Kapellen und
ihre Glasgemälde nehmen die Stelle des Allarbildes ein, was ein glück-
licher, geistreich durchgeführter Gedanke ist. — Die Absis hat eine sehr
eigenthümliche Anordnung, indem.sie der Breite des Mittelschiffes und der
beiden inneren Seitenschiffe entspricht. Vermuthlich hat der Architekt
hiedurch eine bedeutende perspektivische "Wirkung erreichen wollen. Ich
kann dies nicht entschieden beurtheilen, da dem Halbkupp^lgewölbe der
Absis noch die für dasselbe bestimmte Malerei fehlte, dasselbe somit noch
nüchtern erschien; ich glaube aber, dass ein perspektivisches Spiel der
Art eher seltsam als gross erscheinen und dass es", allen Effekt zugegeben,
doch in keiner Weise den Eindruck der Ruhe gewähren wird, den. die
organische Ausrundung in der Breite des Hauptraumes bei allen alten Ba-
siliken hervorbringt. — Der Rückblick aus der Absis in die Schiffe, mit
ihren durchweg reinen Formen und der den letzteren glücklich einge-
fügten Verwendung christlicher Symbole und Embleme, ist dagegen sehr
ansprechend. Doch ist auch in diesen vorderen Räumen leider noch ein
sehr ungünstig wirkender Umstand zu erwähnen. Dies betrifft die Decken-
anordnung. Das Mittelschiff hat offnes Balkenwerk und darüber die de-
korirte Dachschräge, während die Gallerieen über den inneren Seitenschiffen
eine horizontale Kassettendecke haben. Man fühlt und begreift die Noth-
wendigkeit jener'nicht, da es doch nicht das wirkliche Dach ist, auch
dasselbe nicht vorstellen kann; man würde den Eindruck einer ungleich
mehr harmonischen Ruhe erhalten haben, wenn das Mittelschiff eben auch,
in naturgemässer Weise, mit einer horizontalen Decke versehen wäre.
Dann ist auch unter jenen Gallerieen, über dem untern Räume de? inne-
ren Seitenschiffe, eine horizontale Decke angewandt, über den äusseren
Seitenschiffen aber wiederum nicht; hier sind es schräge Pultdächer in der
Querrichtung des Gebäudes, je zur Bezeichnung der einzelnen Kapellen,
in welche die äusseren Seitenschiffe abgetheilt sind. Auch dies ist ebenso
disharmonisch.

Der Bau von St. Vincent-de-Paul ist unstreitig ein sehr merkwürdi-
ges Ereigniss in der Geschichte --der neueren Architektur. Aber er zeigt
doch nur, was auch sonst schon aus so,manchen der künstlerisch durch-

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522

Kunstreise im Jahr 1845.

1

gearbeiteten Leistungen unsrer heutigen Baukunst zu entnehmen war: —
allgemeinen Schönheitssinn, sorgliche Wiedergabe vorgefundener schöner
Formen, künstliche Verwendung mannigfacher Construktionen, und Mangel
derjenigen naiv grossen Construction, welche der Grund der Formen ist
und der Schönheit den lebendigen Körper giebt.

Hotel de ville. Das Gebäude war ursprünglich nur klein, mit dem
artigen, jetzt mittleren Theile der Fa^ade, der eine zierliche Entfaltung
des Renaissancestyles zeigt. Seit 1836 sind die nebenstehenden Häuser
und Strassen angekauft und mächtige Erweiterungen mit dem Gebäude
vorgenommen, durch grosse Anbauten und äussere Fagaden im prachtigen
italienischen Style des sechzehnten Jahrhunderts. Zwei neue Höfe in dem-
selben Style; in der Mitte der ältere in äusserst zierlicher alter Renais-
sance. Prächtigste Treppen und Reihen von Prunkzimmern und Sälen zu
grossen Festen, theils schon vollendet, theils noch in der Arbeit. Die
vollendeten Säle mit verschwenderischer Pracht an Stoffen. Möbeln, Spie-
geln, Gold und Malereien ausgestattet. Die Malereien im Allgemeinen im
guten reichen Style der vatikanischen Logen. Das Figürliche darin mit
energischen, acht künstlerisch empfundenen Gestalten; das Dekorative,
Frucht- und Thierstücke u. drgl., in einer vortrefAichen, ernsten "Weise
durchgeführt. Das Ganze ein Beispiel geschmackvoll moderner Pracht-
dekoration, wie es, nach der Vollendung, wohl schwerlich zum zweiten
Mal zu finden sein wird: — die siegreiche Darlegung des ßeichthums,
der Opulenz und des Stolzes der Stadt Paris.

Cirque olimpique, von Hittorf gebaut. Im Innern ein lustiges
Amphitheater, zeltartig gedeckt, mit leichten Eisensäulchen. Aussen sehr
heiter griechisch, mit etwas Farbe, die sehr wohl thut. Ansprechende
Sculptnren, namentlich im Fronton des Einganges von Pradier. Im
Vestibül schöne Friese im griechischen Styl, mit Reiterspielen.

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s.i;,

P&re-la-Chaise. Grossartigste Nekropolis, prächtig gelegen und durch
das herrliche Laub wundervoll malerisch, namentlich da, wo die Monu-
mente schon eine Patina gewonnen haben. Alle Style der modernen Zeit;
einzelne Monumente ernst und würdig, die berühmtesten indess nicht son-
derlich schön. Vortrefflich und in einem edeln Style das des Malers
Gdricault, dessen Marmorstatue, von Etex, auf dem Sockel des Gra-
bes liegt, in der Blouse, die Palette in der Hand. An der Vorderseite
des Sockels, ein Bronzerelief nach Göricault's berühmtem Bilde, der Schiff-
bruch der Medusa. — Das Denkmal von Casimir Perrier sehr unschön.
Das Architektonische von Ledere, die Statue von Cor tot. Hoher und
breiter architektonischer Unterbau, mit Pilastern, zwischen denen in der
Mitte jeder Seite eine Nische. In der Nische der Hinterseite eine Inschrift;
in den drei andern die Reliefgestalten der Eloquence, Fermetö und Justice,
griechisch stylisirte, aber sehr kurze Figuren. Oben,
auf einem kurzen
Podest die Bronzestatue Perrier's, viel zu geringfügig für den Unterbau,
schlecht und formlos vom Mantel umwickelt. — Denkmal des Generals
Foy, von David. Ebenfalls keine schöne Composition. Hoher Unter-
bau; darüber ein offnes dorisches Tabernakel, unter welcheoi die Statue

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523

Reiseuotizeii. Paris.

des Generals steht. Dieser ist nackt, mit der Chlamys, aber kein Grieche,
sondern ein entkleideter Mann unsrer Tage in nicht grossartiger Geberde.
Gegen die Schwere der dorischen Architektur erscheint die Figur (iber-
haupt schwach. — Denkmal Börne's, mit Sculpturen von David. Eine
Art Obelisk ohne Spitze, von Granit. Oben ein tiefes rundes Loch, darin
der Bronzekopf Börne's steckt; dieser allerdings von charakteristisch ent-
schiedener lüdividualisirun^ Weiter unten ein kleines Bronzerelief mit
drei kurzen styllosen Figuren: France und Allemagne, die sich vor einer
Liberte' die Hände reichen.

Unter den neueren Sculpturen im Garten der Tuilerien notirte ich mir
die Gruppe des Theseus mit dem Minotaurus, von Rainey, als ein treff-
lich durchgearbeitetes Werk ;— einen Prometheus, gefesselt und sich em-
porrichtend, den todten Adler zu seiner Seite, von Pradier, als durch
feine und geistvolle Classicität ausgezeichnet.

Unter den Sculpturen im Museum des Luxembourg: Bosio, mit
zwei Werken, die auch uns'bereits im Bronze- und im Gypsabguss bekannt
geworden, — dem Hyazinth Cvom Salon 1817) und der Nymphe Salmacis
(1837), beide, obgleich auf verschiedenen'Stufen der Entwickelung, dem
eleganten Style Canova's sich anschliessend; — Cor tot, mit der fein aka-
demischen Gruppe von Daphnis lind Chloe (1827); — Roman, mit der
eleganten und höchst theatralischen Gruppe von Euryalus und Nisus
(18273; — Pradier, mit der Statue eines Niobiden (1822) und einer
Venusstatue (1827), beide ein vortreffliches Studium der griechischen An-
tike zeigend, doch die erste noch etwas gespreizt, die andre edel und
gross; — Dumont, mit einer weiblichen Figur, einem, besonders im
Nackten sehr fein gearbeiteten "V\{erke, dem es aber doch an der inneren
Naivetät der reinen Natur fehlt, (1844); — Duret, mit der allerliebsten
Genrefigur eines tanzenden neapolitanischen Fischers (1833, die Bronze,
von Honore gegossen, in reizend warmem bräunlichem Ton); — Rüde,
mit der durch Naivetät ebenfalls ansprechenden Figur eines Fischerknaben,
der mit einer Schildkröte spielt (1833); — Jouffroy, mit der Statue eines
jungen Mädchens, das der Venus ihr erstes Geheimniss vertraut, zart
lebendig, aber hyperuaiv (1839); u. A. m.

An der neuen Fontaine Moliöre (Rue Richelieu): die beiden gros-
sen Marmorstatuen von Pradier, — zwei Musen, zu den Seiten des Pie-
destals, — durch sehr graziöse Behandlung und den feinen Styl, beson-
ders in defi Gewändern, von ausgezeichneter Wirkung; doch beide in den
Haupt-Intentionen wiederum durchaus ohne eigentliche Naivetät. Die Sta-
tue des Moliöre selbst, aus Bronze, nicht geeignet, einen sonderlich be-
deutenden Eindruck hervorzubringen.

In Rame y's .Atelier eine grosse Anzahl von - Skizzen, Modellen,
halb und ganz fertigen Sculpturen. Sein wichtigstes Werk scheinen die
Sculpturen eines grossen Triumphbogens zu Marseille zu sein, -der ur-
sprünglich zum Gedächtniss des unter der Restauration in Spanien geführ-
ten Krieges bestimmt war, nach der Julirevolution aber mit napoleoni-
schen Sculpturen verseheu wurde. Im Gänzen kein Talent höchsten Ranges;
doch durch feine Naturbeobachtung und tüchtige Meisterschaft, besonders
im zarteren Nackten, ausgezeichnet.

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i

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Kunstreise im Jahr 1845.

David's Atelier. Dies ein ganz eigenthümlicher Künstler, sehr ab-
weichend von Allem, was sonst in der französischen Sculptur vorherrscht-
Ein völlig unbekümmerter Naturalist, ist er für das höher Stylistische
wenig empfänglich, dagegen mit sehr lebhaften Fühlfäden für den Aus-
druck geistiger Organisation begabt und zugleich mit schwärmerischer
Verehrung den geistig ringenden Naturen zugethan. Er ist somit recht
eigentlich dazu gemacht, die geistige Organisation der Zeit, im figürlichen
Denkmal, in der Büste, im Portraitmedaillon, festzuhalten und der Folge-
zeit zu überliefern. In seinem Atelier sah ich eine grosse Sammlung viel-
fach interessanter Büsten von seiner Hand und einen grossen Theil seiner
Medaillons, von denen auch uns schon früher manche bekannt geworden.
Die letzteren belaufen sich, seiner Angabe nach, bereits auf fünfhundert,
Personen aller Länder und Völker darstellend. Die Aufstellung derselben
in einer öffentlichen Sammlung müsste das eigenthümlichste Interesse ge-
währen. — Ausserdem in seinem Atelier die Marmorfigur eines jungen
Trommelschlägers, der auf dem Schlachtfelde liegend und schon gestorben
die (musivisch bunte) dreifarbige Kokarde an seine Brust drückt. Er ist
nackt und nur mit der Andeutung einzelner Kostümstücke dargestellt.
Die Arbeit ist naturalistisch, sehr durchgeführt und von eigenthümlicher
Schönheit.

Das grosse Giebelrelief, — die allegorische Figur Frankreichs und die
Schaaren ihrer grossen Männer zu beiden Seiten, — welches David für
den Giebel des Pantheon's gearbeitet hat, ist freilich wiederum minder
erfreulich, die Arbeit erscheint allzu grell naturalistisch. Doch trifft dieser
Vorwurf vielleicht mehr die lokale Bestimmung des Reliefs, als es selbst.
Die nüchterne, ideal römische Architektur des Portikus contrastirt zu auf-
fallend mit dem derben Genre-Charakter der Sculptur; die Architektur
hätte ebenfalls derb, breit, naiv quellend sein müssen.

524

rS'.

Museum des Louvre. Die Arbeiten neuerer Maler der französi-
schen Schule, die (nach dem Tode der Meister) hier den Werken der
Vorzeit zugesellt sind, haben mir kein sonderliches Interesse abgewonnen.
Es ist die Epoche David's, des Malers, Eine akademisch theatralische
Manier wechselt mit nüchterner Strenge, mit gespreiztem, mit süsslich ko-
kettem Wesen, je nach der Individualität der einzelnen Künstler.

rr-

I

Hoch über Allen steht Leopold Robert, dessen Schnitter und die
Madonna dell' arco sich hier befinden. Das letztere Bild gefällt mir besser,
als im Stich; das erstere befriedigt meine Erwartungen nicht ganz, wenn
es auch immer bei Weitem das bedeutendere von beiden {bleibt. Aber was
ich nach und nach immer melir geahnt, ist mir vor diesen Bildern nun
schmerzlich klar geworden: — dass auch Leopold Robert, so gross und
verehrungswürdig er ist, nicht auf der Höhe seiner Zeit steht. Es ist mir,
als ob sich das zu späte Anfangen auch bei ihm räche, oder als ob er
wenigstens nicht Alles gethan habe, um nachträglich der Natur— der all-
gemeinen und der menschlich körperlichen — sowie des Pinsels vollkom-

- ..-5

Er hat die Modelle, wie er mir sagte, einem Bronzegiesser zum Geschenk
gemacht. Dieser würde im Stande sein, die ganze Sammlung für 2000 Francs
herzustellen.

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lieisenotizen. "Paris., 1377

raen Herr zu werden. Der künstlerische Gedanke in ihm ist herrlich und
gross, aber er kann ihm niclit ganz nachkommen: es fehlt doch an voll-
kommen freier Naivetät in Bewegung des Körpers und der Gewandung,
und nicht minder an Lufthauch. Alles das muss natürlich in diesen gros-
sen Bildern deutlicher hervortreten als in den kleineren. Es ist etwas von
einem herben trüben Ringen in diesen Bildern, und hierin wohl möchte
der räthselvolle Tod des Meisters mit zu suchen sein.

Plafondgemälde über den Sälen des Musöe fran^aise — von
Alaux, Steuben, Devöria, Fragonard, Heim, Schnetz, Drölling,
L. Cogniet, — wohl zumeist aus dem Anfang der dreissiger Jahre. In
zwiefacher äusserer Beziehung unerfreulich: dadurch, dass man den alten
Bildern, welche sich an den Wänden befinden, oberwärts gewaltige neu-
glänzende Farbenmassen gegenübergestellt hat, und dadurch , dass dies
fast Alles bewegte dramatische Scenen sind, die in einer solchen durchaus
vernunftwidrigen Lage dem Beschauer eine wahre Qual bereiten. Aber
auch abgesehen hievon, haben sie zumeist keinen sonderlichen "Werth, ' Es
sind offizielle Paradescenen französischer Geschichte, bei denen gelegent-
lich auch der Künstler gedacht wird, glänzend, kostümrichtig und steif
ausgeführt. Nur das letzte Bild, von Cogniet, — eine grosse ägyptische
Genrescene, in welcher Napoleon als der Sammler ägyptischer Alterthümer
dargestellt ist, hat mehr naives Leben, Haltung and künstlerischen Rhyth-
mus. Dies Bild schien noch neu zu sein, i „

Andre Plafondgemälde über den Sälen des sogenannten „Musde Char-
les X.", welches besonders durch die Sammlungen der „ägyptischen und
griechischen Alterthümer gebildet wird. Diese Malereien sind früher als
jene, aus der späteren Zeit der zwanziger und dem Anfang der dreissiger
Jahre. Auch sie sind von schwerer Wirkung, die indess bei Weitem
nicht so unangenehm ist, als bei der eben erwähnten Reihenfolge, da an
den Wänden nicht ebenfalls Gemälde befindlich und die Deckenmalereien
zumeist nicht real genrehaft, sondern mehr symbolisch gehalten sind. Doch
fehlt es auch hier nicht an einem vorzüglich schlagenden Belege, wie
widersinnig die Anordnung realistischer Darstellungen ist, die über dem
Haupte des Beschauers schwebend hangen. Dies ist ein kolossales Bild
von H. Yernet, welches, wie es scheint, die Blüthezeit italienischer Kunst
vergegenwärtigen soll: Papst Julius II. mit geistlichem Gefolge, und
Bramante, Raphael, Michelangelo vor ihm. Es ist im Charakter eines
tüchtigen Dekorationsbildes gehalten und mit naturlebendiger Energie
durchgeführt, die es freilich um so mehr bedauern lässt, dass das^Bild
nicht senkrecht steht. Uebrigens lässt sich aus den Plafondgemälden der
in Rede stehenden Reihenfolge der Entwickelungsgang der französischen
Kunst aus der David's.chen Zeit in die neuere besonders deutlich erkennen.

Dahin gehört namentlich, im ersten Saale des Musöe Charles X., das
berühmte Deckengemälde von Ingres: die Apotheose Homers, gem. 1827.
Vor einem sechssäuligen ionischen Tempel ist ein Podest mit einem
Throne, auf welchem Homer sitzt. Eine neben ihm stehende Nike krönt
ihn. Auf den Seiten des Podests sitzen Ilias und Odyssee. Zu beiden
Seiten schliessen sich Männerschaaren rhythmisch an: antike Dichter und
Künstler, einige Neuere aus dem Schlüsse des Mittelalters, und vorn, mit
halbem Leibe sichtbar, französische Meister (die'im Gedanken und in der
Physiognomik freilich einen eigenthümlichen Gegensatz zu den übrigen
machen.) Das Werk ist grossartig überdacht und componirt, doch in einer

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526 Kunstreise im Jahr 1845.

strengen, trocken stylistisclien Weise, dem Poussin verwandt, ausgeführt.
Es hat etwas Tendenziöses und bildet darin einen sehr entschiedenen
Gegensatz gegen Raphaels Schule von Athen und die unschuldsvolle Nai-
vetät, welche dies Werk erfüllt. Es ist mit sorglicher Genauigkeit gemalt,
aber ohne Wärme, Hauch, Gesammtwirkung; es führt uns, trotz alles
Vortrefflichen im Einzelnen, nicht unmittelbar in eine hohe Existenz ein.
Ja, es scheint sogar, dass das lange und ängstliche Studium (in diesen und
in den andern Bildern, die ich von Ingres gesehen), den Künstler im
Detail kleinlich macht.

Ganz anders, als jenes Deckenbild, erschien mir eine Zeichnung von
Ingres, die ich bei Hrn. G^tteaux, Bildhauer und Medailleur, sah: eine
antike Kampfscene mit einer Nike in der Mitte. Hier war Alles frisch, frei,
unmittelbar und gross. Aehnlich frei und leicht soll er überhaupt compo-
niren. Auch einige Portraitzeichnungen von seiner Hand, ebendaselbst,
waren leicht und sehr geistreich hingeworfen. Vielleicht ist Ingres mit
unserm Carstens zu vergleichen; und es mag auch irgendwo in seinem
Bildungsgänge liegen, dass er nicht zur freien Herrschaft über den Stoff
im Grossen gekommen ist.

Ingres ist für die Franzosen eine Art von Regulator innerhalb des
wirren*Treibens ihrer gegenwärtigen Kunst. Man bezeichnet ihn als einen
i Mann des ernstesten, strengsten, bestimmtesten Wollens. Man erzählte

■| mir, wie er, — als die alte David'sche Schule in allerlei Schwächen und

s' i Verzerrungen entartet war, als die jüngeren Reformer, mit ihrem Farben-

reichthum und ihrer kräftigen Naturalistik sich zuerst hervorgethan hatten,
als diese eine jubelvolle Aufnahme fanden, ihr neues Princip aber bei
I ihren Nachahmern sofort wiederum in fratzenhafte Verzerrungen über-

1 , schlug, — wie da allein Ingres es war, der sich dem Strome entgenstellte,

-i die.Künstler zum Ernst, zum sinnvollen Durchdringen ihrer Aufgabe, zur

f Heilighaltung der Kunst, zum Maasse zurückrief. Es war gerade der

I rechte Augenblick; das Bedürfniss, das sich so fühlbar gemacht hatte,

führte ihm eine ausserordentliche Schülermenge zu, die sein Wort begei-
i Sterte, sein begeisterter Ernst fest zusammenhielt. Die Reden, die er sei-

« nen Schülern im Atelier gehalten und in denen er sie zu einem würdigen

; Kunststreben aufgerufen, sollen sie oft bis zu Thränen durchschüttert ha-

ben. Die Besten der Nation zollten ihm und zollen ihm noch heute eine
unbegrenzte Verehrung.

Sieht man daneben seine Bilder an, so muss man sich freilich, um
das Alles zu begreifen, entschieden auf den französischen Standpunkt ver-
.f' setzen. Es ist doch wieder nur, dem Wesen nach, dasselbe, was Poussin

und'Lesueur, was Corneille und Racine erstrebt hatten. Das Erhabene,
das Maass, das Gesetz, der Styl, kurz dasjenige, was diese Darstellun-
gen und Dichtungen über das Gemeine erhebt, ist doch mehr nur ein Pro-
dukt äusserer Verständigkeit, als einer innerlich empfundenen Nothwendig-
keit. Aber es scheint wirklich, dass die Franzosen nur jenes kennen und
dass es uns unmöglich wird, uns mit ihnen über diese Unterschiede zu
verständigen.

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lieisenotizen. "Paris., 527

Auch auf H. Vernet und A. Scheffer soll Ingres solchergestalt
bedeutend zurückgewirkt und ihnen über die Einseitigkeit ihres früheren
Strebens Aufschluss gegeben haben. Für Vernet führt man als Belege
solcher Einwirkung namentlich seine biblischen Bilder an. Ist die That-
sache richtig, so hat sich'doch Vernet augenscheinlich einem solchen Ein-
flüsse nicht unbedingt unterworfen, und jedenfalls hat er sich davon neu-
erlich aufs Vollständigste und Schönste frei gemacht.

A. Scheffer dagegen scheint sich nicht so entschieden emancipirt zu
haben, ist überhaupt auch wohl nicht eine so ursprüngliche Natur. Ich
sah zunächst in seiner Wohnung und in seinem Atelier manches Interes-
sante von seiner Hand, aus früherer und späterer Zeit: — Ein Portrait
seiner Mutter, vollkommen und mit grosser Meisterschaft in altholländi-
scher Weise gemalt, etwa einem sehr schönen Barth, van der Heist ver-
gleichbar. ■— Das Bild derselben, auf dem Todtenbette, ihre Enkel seg-
nend; in ähnlicher Art, doch mehr als Composition gefasst und daher
etwas freier in der Behandlung; beide Bilder übrigens von ausgezeichne-
tem Helldunkel. — Ein Portrait von Scheffer's Tochter, auch noch der
holländischen Weise verwandt, aber doch schon den Uebergang zu seiner
späteren Richtung bezeichnend. — Ein andres von Scheffer's älteren Bil-
dern, das ich in seinem Atelier sah, — Herzog Eberhard von Württem-
berg in voller Rüstung, vor ihm sein todter Sohu (nach Schillers Ballade)
— war vermuthlich das in der Gallerie des Luxembourg unter Nr, 113
verzeichnete Gemälde. Es zeigte eine etwas wüst holländische Naturalistik;
der Kopf des Sohnes war jedoch sehr trefflich.

Ohne Zweifel eins der gediegensten Bilder seiner neueren Zeit ist
dasjenige, welches die Halbfiguren des heil. Augustin und seiner Mutter,
im Momente, da er von ihr bekehrt wird, darstellt. Beide sitzen ruhig
neben einander; sie schaut verklärt empor; er folgt mit seinen Augen, als
ob er suche, den ihrigen. Ruhige Einfachheit, Würde und zarte Empfin-
dung geben diesem Bilde grosse Vorzüge; doch ist es, wie zumeist seine
späteren Bilder, etwas trocken in der Behandlung,

Fast vollendet sah ich eine seiner Darstellungen aus Goethe's Faust,
eine Blocksbergscene, — Faust und Mephisto, vor ihnen Gretchens Er-
scheinung, die statt des rothen Streifens am Halse das todte Kind im
Arme trägt (was freilich, w^enn man an der Dichtung festhalten will, die
Intention des Dichters stark versentimentalisirt). Das Bild erschien mir
bedeutend in der Auffassung ^ doch für solchen Gegenstand gar trocken,
kam auch überhaupt nicht recht heraus. — Eine Gartenscene des Faust,
Pendant zu dem eben genannten, war erst angelegt.' — Vorzüglich schön
war die Anlage zu einem Bilde von einfach edler Würde: Dante, auf
seiner himmlischen Wanderung, die verklärte Beatrice erkennend. — Noch
manches Andre war im Werke begriffen,

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Eigenthümliches Interesse erweckten eine Marmorbüste von Scheffer's
Mutter und eine zweite weibliche Büste, beide ebenfalls von seiner Hand
und beide sehr sinnig' und geschickt behandelt.

Als den wirksamsten und bedeutungsvollsten Gegensatz gegen Ingres
scheint man Delaroche zu betrachten. Die Art und Weise dieses
Gegensatzes macht sich vielleicht am Entschiedensten bei Betrachtung des

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528

Kunstreise im Jalir 1845.,

grossen Wandbildes bemeiklich, welches Delaroche in der Ecole des
beaux-arts, an der Wand des zu den Preisvertheilungen bestimmten
halbrunden Saales gemalt hat und welches zu mancher Parallele mit der
Apotheose Homers von Ingres Gelegenheit giebt.

Das Bild füllt die ganze Wandfläche aus, die sich über den theatra-
lisch emporsteigenden Sitzplätzen im Halbkreise umherzieht. Es ist mit
Oelfarbe auf die besonders zubereitete Wand gemalt und nicht gefirnisst.
Der Inhalt des Bildes bezieht sich auf den Zweck des Saales; In der
Mitte sieht man eine Säulenhalle und davor eine Richterbank, auf welcher
als die Richter der Preisvertheilung Iktinos, Apelles und Pheidias sitzen.
Zu ihren Seiten weibliche allegorische Gestalten, etwa den Musen ver-
gleichbar: links das Griechentlium und das christliche Mittelalter, rechts
das ßömerthum und die Zeit der Renaissance. Ganz in der Mitte, im
Vorgrund, eine Heroine, — eine junge Wilde, fast nackt, von bräunlichem
Teint und schwarzem aufgelöst flatterndem Haar, halb kauernd, dabei
hastig bewegt und eben im Begriff", einen von ihren Kränzen hinauszurei-
chen, — vielleicht die jeune France, die hier allerdings ganz gut charak-
terisirt wäre. Zu beiden Seiten des Halbkreises, rechts und links neben
dieser mittleren Darstellung, zieht sich eine Bank, ganz den wirklichen
Sitzbänken des Saales entsprechend, umher, auf welcher die Schaaren
der grossen Künstler des Mittelalters bis zum siebzehnten Jahrhundert,
sitzmd und in Gruppen mit einander sprechend, versammelt sind. Einige
sind aufgestanden und unterbrechen so die einförmigen Linien.

Die Anhänger von Ingres, die in Delaroche eben nur einen romanti-
schen Naturalisten sehen, haben an diesem Bilde, und besonders an dem
Mittelstück desselben, Mancherlei auszusetzen, und allerdings muss man
ihnen in Manchem beistimmen. Die drei Preisrichter — deren Abstammung
von dem Homer von Ingres vielleicht nicht ganz zu verläugnen ist — bil-
den keinen eigentlich grossartigen Mittelpunkt, auch nicht in malerischer
Beziehung. Jene junge Wilde erscheint in der ganzen Umgebung ziem-
lich auffjillend; auch der Umsiand, dass die Gestalt der Renaissance in
Mitten einer so feierlichen Versammlung den Oberkörper etwas willkürlich
enthüllt, während sie doch mit schillernden Prachtgewändern zur Genüge
versehen ist, möchte nicht völlig zu rechtfertigen sein. Dann ist es son-
derbar, dass ausser jenen drei Alten nur Künstler der neueren Zeitrech-
nung vorhanden sind und dass diese, während die Richter ruhig sitzen,
während die junge Nike ihre Kränze auszutheilen im Begrifl" ist, mannig-
fachen Zwiesprach mit einander führen. Auch ist der Himmel auf beiden
Seiten etwas zu schwer und trüb , Lücken machend in dem Ensemble.
Dabei aber tritt in diesen Gestalten überall ein durchaus individuelles
und zugleich vollkommen edles, höheres Leben zu Tage; es sind Erschei-
nungen, die durch würdigen Lebensberuf selbst eine höhere Würde gewon-
nen haben, hohe Vorbilder der jungen Schülervvelt, die sich zu ihren
Füssen versammeln soll. Nicht minder ist die Linienführung, der Ton,
die überall warme Färbung durchaus ruhig und «del gehalten ü.nd das
Ganze von wunderbar schöner Gesammtwirkung. 'Im Gedanken und in
dessen Folgerichtigkeit steht das Bild wohl gegen die Apotheose Homers
zurück; in der Wahrheit, Kraft, Schönheit und Grösse des Lebens ist hier
Alles erreicht, was dort fehlte.

Auch muss noch ein seltner Vorzug in Delaroche's Waudbilde her-
vorgehoben werden: — das maassvolle Verhältniss zu seiner Umgebung.

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lieisenotizen. "Paris., 529

Es steht im schönsten Einklänge zu der Architektur des Saales. Die Ge-
stalten sind zwar überlebensgross, drücken aber durchaus nicht, treten
nicht beängstigend in den inneren Raum herein. Ebenso ist die archi-
tektonische Dekoration über dem Bilde und zu seinen Seiten, wenn sie an
sich, im Einzelnen, auch vielleicht in mehr künstlerischer Weise hätte
durclrgebildet sein können, in zweckentsprechend harmonischen Maassen
ausgeführt. Endlich gewährt, nm es an Nichts fehlen zu lassen, das von
oben hereinfallende Kuppellicht die wohlthuendste, so friedlich ruhige wie
grosse Wirkung. ; ^ "

. Flüchtige Notizen über die Gemälde im Museum des buxembourg.
Co Uder. Der Levit von Ephraim (vom Salon 1817); grossartig davi-
disch. — Adam, und Eva (1822); ebenfalls der Richtung David's ungehörig.

Drolliiig. _Orpheus und Eurydice (1817); grosses Bild, in akademisch
pedantischer Manier. •

Delorme. Cephalus von Amor entführt (1822); aus der Ballettepoche
der Restauration.

Court. Cäsar's Tod (1827); gpssartig. und in vielen Einzelheiten
mit schöner Classicität. ' , '

Forestier. Christus, einen ißesessenen heilend (1827); in theatralisch
akademischer Manier, aber mit Energie. • ^

Dölaroche. Joas, von Josabeth dem Tode entrissen (1822). Vor-
trefflicher Anfänger auf akademischer Grundläge. — Tod der Elisabeth
von England (1827); kolossal; unerfreulich, wirr und haltungslos bei sehr
grossem, naturalistisch strebendem Talent. — Die Söhne Eduard's von
England (1831). Das Bild in seiner Bedeutung wohlbekannt. Dass der
unter der Thür hereindringende Lichtschimmer die nahenden Mörder an-'
kündigt, ist eine missliche Pointe. Die Farbe noch ein wenig tapetenartig.

Delacroix. Dante und Virgil, über den Höllenstrom fahreqd (1822);
merkwürdig, doch ohne /echte Haltung. — Scene des Blutbades auf Chios
(1824); sehr wüst und unerfreulich. — Algierische Frauen (1834); Sehr
energisch gemalt,- docli wiederum ohne sonderliche Haltung.

Dev(«ria. Geburt Heinrichs IV. (1827); farbenfrisch, aber bunt, sehr
unruhig, haltungslos. " *»

Schnetz. Abschied des Boöthius von seiner Familie (1827);. talent-
voll roh, mit guter Farbe. — Colbert vor Ludwig XtV. (1827);' steifes
Kostflmbild, ohne Lqft..— Scene einer Ueberschwemmunig (1834);- gross,
sehr kräftiger Naturalismus, und nicht künstlerisch. ' '

Steuben. Scene aus der Jugend Peters'des Grossen (1827); tüchtig
componirt; in der Behandlung, wiejmmer, etwas kalt.*"-: , , , ,

Ziegler. St. Lucas, malend, mit der~Erscheinung'der h. Jungfrau^
(1830). Ganz vortrefflicher und-grossartiger Naturalismus. Die Jungfrau
etwas quecksilberfarben, — Giotto im Atelier "des^Cimabue (1833); bede.q-
tend, in Colorit und.Helldunkel nach Art der alten Spanier, -

H. "Vernet. Schlacht von Tolosa zwisQhen Spaniern und Mauten
(1817); noch, bei» vielem' Talent, unbequem wirr, — Massacre der Mame-
luken (1819); gross, doch künstlerisch nicht bedeutend; noch viel schwäfzr
liche Töne in der Carnation; ein halbnackter Albaneser, rechts im^ Vor-

Kugler, Kleine Schriften. III. ■ , 34

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530 Kuüstreise im Jahr-1845.

grund, vortrefflich. — Judith und Holofernes (1831). Der Ausdruck der
Köpfe viel schöner als im Stich; beide in ihrer Art wundervoll. Das
Hauptinteresse des Bildes beruht in dieser Physiognomik; die Action an
sich ist nicht gross. Die Malerei im Ganzen höchst trefflich; nur wieder
die unschönen schwärzlichen Tinten im Helldunkel; auch der rothe Bett-
vorhang im Ton etwas schwer. — Raphael und Michelangelo im Vatikan,
indem jener, nach einer jungen Bäuerin, das Motiv zu seiner Madonna
della sedia entwirft (1833). Meisterhaft, in daguerrotypartiger Lebendig-
keit gemacht. Aber so viel Schönes das Bild hat, so zart es im Einzelnen,
besonders in der jungen Mutter, gemalt ist, so fehlt, in der Auffassung
wie in der malerischen Haltung, doch die eigentliche Grösse. Es ist nicht
ein wahrhaft erhöhtes Dasein, in welchem diese Männer des Genie's uns
hier gegenübergeführt sind. ■

A. Sehe ff er. Suliotische Frauen, iin Begriff, sich in das Meer zu
stürzen. Grosses Bild, vortreffliches Machwerk, doch ohne wahre Haltung;
der "Vorgang nicht völlig deutlich, die Behandlung im Ganzen dekorations-
mässig. >

Henri Scheffer. Charlotte Corday (1831); ansprechend und von
reinem Gefühle.

Biard. Wandernde Komödianten (1833). Bunt, nicht sonderlich er-
freulich; ohne die eigentlich malerische Lust.

Robert Fleury, Scene der Bartholomäusnacht (1833). In sehr ener-
gischem Naturalismus.

Monvoisin. Die wahnsinnige Johanna von Castilien (1834). Ein ver-
rücktes Bild, ob auch im Einzelnen gut gemalt und der junge Karl V.
vortrefflich. "

Boulanger. Römische Procession (1837); eine in kräftig naturalisti-
scher Weise behandelte Tapete.

Philippoteaux. Ludwig XV. auf dem Sehlachtfelde von Fontenay
(1840). Mittelgross, von bedeutender und ergreifender Wirkung. Grau-
sige Mordnacht: der junge König und sein prächtiges Gefolge mit Fackeln.

Ingres. Aus sehr früher Zeit:^Ruggier auf dem Greifen, die Angelika
befreiend (1819), ein kalt romantisches Studium, nicht unähnlich, wie
dergleichen zur selben Zeit auch bei uns vorgekommen. — Aus jüngster
Zeit: Christus, der an Petrus die Schlüssel giebt; —und Cherubini (Bild-
ibissfigur), von der Muse gekrönt. Hier der sehr talentvolle, gelehrte, kalte
und einseitige Stylist, bei dem man immer wieder auf den Vergleich mit
Poussin zurückkehrt; Alles durchaus ohne den Hauch des Helldunkels.

Signol. Die angeklagte Ehebrecherin (1840). Durch ein bedeutendes
stylistisches Streben ebensosehr, wie durch starkes Pathos bemerkenswerth.

Leloir. ,Homer (1841). Ebenfalls in stylistischer Richtung. Das um
den Sänger versammelte Volk mit anmuthig idyllischem Sinne .vorge-
führt; doch ohne grosses Naturgefühl. .

Pilliard. Die ohnmächtige Maria (18*43), Wiederum ein talentvoll
stylistisches Strebenaber noch kalt, •

Duval - le - Camus." Die Erstlinge der Erndte <1844); ein reizendes
Genrebild. . ^ • . ^

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lieisenotizen. "Paris., 531

Notizen über die Gall_erie des Palais Royal.

Reilienfolge vou Darstellungen zur Geschichte des Palais Royal und
der Familie Orleans. Darunter besonders ausgezeichnet zwei Bilder von
H. Vernet: — 1) Gefangennelimung der Prinzen von Conde, Conty und
Longueville auf der Treppe des Gebäudes; durchaus trefflich; in der Com-
position ganz genrehaft naiv und doch zugleich in der Haltung von hoher
künstlerischer Meisterschaft;^ — 2) eine Scene aus der Revolutionsge-
schichtß im Hofe des Palais Royal: in ausserordentlicher, daguerrotyp-
artiger Lebendigkeit, aber kein rechtes künstlerisches Ensemble bildend.*
Die übrigen Werke dieser Reihenfolge weniger interessant.. Ein Bild
von A. Scheffer ist unbedeutend; eins von Alfr. Johannot ist ein
gutes Genrebild im Rococpstyle. "

Ausserdem noch «ine erhebliche Zahl andrer, sehr schätzbarer Ge-
mälde, besonders wieder von H. Vernet. Sein bekanntes und berühmtes
Bild der Beichte des sterbenden Räubers, seiner früheren Zeit angehörig,
ist in der That von sehr schönem Machwerk, entfaltet aber doch nicht die
Fülle malerischer Wirkung, deren er sich später fähig zeigt. Sein be-
rühmtes Portrait von Francesca von Aricia Jst ebenfalls ungemein schön
gemalt, lässt indess auch hier noch das Körperliche der,Farbe erkennen.

VonJj. Robert das Bild einer trauernden Mutter auf den Trümmern
ihres Hauses. Es hat alle Hoheit und Schönheit des Meisters, ist aber
doch ein wenig auf Präsentation berechnet. Die Trümmer des Hauses
nehmen einen zu breiten Raum ein; das Ganze ist dem Leben nicht naiv
genug abgelauscht. Beiläufig erkennt man darin auch noch eine Nach-
wirkung der Färbung der Schule David's. - ..

Von Schnetz das Weib eines Räubers; vortrefflich und energisch
gemalt. . .

Von Bonnefond das Bild der Pilgerin, die vor der Klosterpforte
ohnmächtig hingesunken; in Composition, wie in Farbe und Ton, ausser-
ordentlich schön und vou glücklichster Haltung. / ,,

Neuere Bilder in Kirchen.

In St. Roch zwei grosse Bilder von Schnetz, im Chor einander
gegenüber aufgestellt. Auf jedem italienische Volksgruppen, in religiöser.
Handlung. Hier das naturalistische Princip dieses Künstlers edel, würdi^^g
und in gehaltener Weise entwickelt. /

In der Madeleihe Wandmalereien,, welche oben au den Seiten wän-
den die Lünetten unter derii Gewölbe ausfüllen, in: einer, für das Auge des
Beschauers wenig günstigen Höhe? Am Besten schienen mir die Marieen
am Grabe, von Cogniet, ein Bild vou malerischer. Grösse und Wirßung;
und der Tod der Maria Magdalena, von Signol, ein in ernsterer Stylistik
durchgeführtes Bild. Das Gemälde in der Absiskuppel ^on Ziegler: eine
himmlische Glorie mit der Maria Magdalena, der Vorgrund gefüllt mit
den Repräsentanten der Menschheit,, darunter die Fürsten Frankreichs'und
selbst Napoleon mit dem Papste (in'Bezug, auf das Concordat). Die Ge-
stalten des Vorgrundes naturalistisch tüchtig, wenn auch nicht von erha-
bener Wirkung; die Glorie matt.

In St. M6ry drei Seitenkapellen des Chores, iheils in Wachs-, theils
in Oelfarben a'usgcmalt. — Erste Kapelle, von Lehmann gemalt, Haupt-

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532

Kunstreise im Jahr 1845.

darstellungen: Taufe Christi und Ausgiessung des heil. Geistes. Im All-
gemeinen wohlgeordnet und mit einer gewissen classischen Beliandlung,
den alten Italienern sich zuneigend; aber nicht'mit tiefem Gefühl für die
Form und noch weniger mit innerer Begeisterung. Die Form, unter den
übrigens wohl stylisirten Gewändern, nicht selten geradehin verfehlt; der
Ausdruck zumeist in unerfreulichster Weise stereotyp. Die Farbe sehr
zahm. — Zweite Kapelle, gemalt von Duval {?). Geschichten der h. Phi-
lumena. Nüchtern unberufene Nachahmung giottesker Fiesolaner. — Dritte
Kapelle, gemalt von Chassdriau, Geschichten der h. Maria Aegyptiapa-
Hier am meisten naive Kraft, in Form, Ausdruck und Farbe. Einzelne
Theile in schönem Styl, andre styllos. Wie die Arbeiten eines Talentes,
aus dem etwas Schönes werden kann, das aber seine rechte Bahn noch
nicht gefunden hat.

In St. Germain l'Auxerrois. Ueber einem Armenstock eine sym-
bolische Darstellung al fresco, in welcher Christus als der I^mpfangende
dargestellt ist, darüber u. A. Gott-Vater, riesengross, u. s. w. Von Mo-
zette (?). In neukatholischer Manier, etwas phantastisch, aber mit Energie
gemacht.-— Eine Kapelle mit sehr schwachfarbigen und auch sonst schwäch-
lichen Wandmalereien von Aug. Couder. Nicht gerade ein Fiesolaner,
doch auch nicht viel besser; übrigens mit einem gewissen gelehrten Stu-
dium, indem z. B. das Gefolge der h. drei Könige äclit orientalisch, nach
dem Muster der Sculpturen von Persepolis vorgestellt ist. — Ausserdem
eine Menge verwunderlicher neuer Glasmalereien, die genau den Styl des
dreizehnten Jahrhunderts copiren.

Institution roy. des jeunes aveugles (Boulevard des Invalides).
Die Kapelle dieser Anstalt eine einfache Basilika, mit doppelten Säulen-
reihen übereinander, flacher Decke, Sanctuarium und Absis. Die Halb-
kuppel der letzteren wird von Lehmann mit Wachsfarben ausgemalt;
die monochrome Untertuschung war fertig. Christus mit Maria und Jo-
hannes, um.die sich die Kinder sammeln; rechts und links unterhalb die
Gruppen der Apostel; dazwischen zwei Engel, von denen zwei Erwachende
emporgetragen werden. Das Ganze ist ernst, würdig und in Haltung, mit
einem einfach edeln Sinne und ohne Conventionelles Wesen dargelegt.
Vorsprünge und Bogen treten zu den Seiten der Absis vor, die Malereien
in etwas deckend, womit auch hier (ähnlich wie in St. Vincent-de-Paul)
ein besondrer Elfekt erstrebt zu sein scheint, was aber keine ganz gute
Wirkung hervorbringt. Vom Gipfel der Kuppel, die letztere stark be-
leuchtend, fällt ein Oberlicht ein.

In St. Severin eine der Seitenkapellen von Hippolyte Fl.andrin
mit Geschichten des Evangelisten Johannes ausgemalt, 1840, mit Wachs-
farben. Links das Abendmahl, Johannes an Christi Brüst; darüber Jo-
hannes als Greis auf Patmos. Rechts Johannes, 'ebenfalls alt, im Kessel,
viel Volks umher; darüber Christus, der den Johannes und dessen Bruder
zu Aposteln beruft. Die Bilder sind im Ganzen würdig und ernst, im
Einzelnen mit sehr glücklichen Motiven; doch haben sie noch bei Weitem
nicht das Pathos der folgenden. 'Die Farbenwirkung, bei durchweg ge-
brochenen Tönen, sehr matt.

In St. Germain - des-Pr^s Wandmalereien von Flandrin an den
Wänden zu Anfang des Chores, ebenfalls in Wachsfarben, auf Goldgrund:
der Einzug Christi in Jerusalem und die Kreuztragung; darüber, in Ni-
schen, auf jeder Seite vier Tugenden; darüber Heilige u.'dergl. Diese

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V Reisenotizen. Paris.' 533

Arbeiten haben sehr eigeuthümliclien Charakter; «ie sjnd gross gefasst und
voll ruhiger kirchlicher Feier. Eine erhabene lineare Stylistik vereinigt
sich mit freier Eormenbilduhg; die, wie die"ganze Behandlung, in äusserer
Beziehung am Meisten mit antiken Wandmalereien zu vergleichen ist. Sie
sind das bedeutendste Kirchliche, was'ich von neuerer französischer Kunst
gesehen, und besonders durch ein grossartiges Pathos ausgezeichnet. Doch
trat mir gerade auch hier der Unterschied des französischen Wesens von
dem unsrigen wieder recht schlagend entgegen- für unsre Auffassung fehlt
doch wiederum, wenn auch mehr irn Ganzen als im Einzelnen, die eigent-
liche Naivetät. Wir sehen hier nicht sowohl ein vom höchsten Gefühl
rhythmisch bewegtes Leben, als'wiederum eine, immer in gewissem Maasse
berechnete Repräsentation. Man möchte Diesem oder Jenem in den Bil-
dern zurufen: Mache dir's doch in der Bewegung bequemer!' Auch im
Ausdruck, namentlich der Augen, macht sich 'ab und zu. das conVen-
tionell Pathetische bemerklich. Der' Farbe fehlt es übrigens auch hier an
vollerer Kraft; Mittel- und Hintergrunds sind durch blass verwischte Fär-
bung zurückgetrieben. Bei alledem aber bleibt jenes grossartig Schöne
in diesen Bildern 'überwiegend. — Ich sah die Arbeiten noch nicht ganz
vollendet. Die Kreuztragung war noch in der Arbeit. Die umgebende
Architektur (romanischen Styles) hatte-eine bunte Färbung-erhalten, die
wenigstens im Chor der Kirche durchgeführt werden sollte.

Manufacture royale des Govelins. Das dem Princip nach un-
gemein einfache, aber unendlich langwierige Verfahren ist vollkommen
künstlerisch, ein Malen mit der ^Spule. /Daher war eine künstlerische
Ausbildung der Arbeiter nöthig, wozu auch alles Erforderliche einge-*
richtet ist. Die Manufaktur selbst ist mit einer Zeichnen^Anstalt versehen,
die bis zum Zeichnen nach dem lebenden Modell führt; die Anfänger üben
sich hier des Morgens, die mehr Vorangeschrittenen des Abends, im Winter,
Die Gobelins ■ sind vollkommene grosse Bilder, in denen Alles, was der
Maler frei hingeworfen, mit der wunderbarsteil anscheinenden Leichtigkeit
wiedergegeben wird. Vortrefflich ist die Mischung der Farbentöne, die
schon auf der Spule bewerkstelligt wird, sehr glänzend der Farbeneffekt,
der sich natürlich in den stofflichen Massen, Gewändern u'...dergl., am
Günstigsten geltend macht;- Uüter den Arbeiten, die ich sah, waren die
ausgezeichnetsten das Massacre der Mameluken, nach Vernet's Bilde im
Luxembourg, die Scene aus Peter's d. Gr. Jugend n§,ch Steuben's Bilde im
Luxembourg und eine zweite bekannte Scene aus Peter's Geschichte, wie
er im Sturme das Steüer'führt, ebenfalls nach Steuben. Andres war nach
französischen Classikern und nach den raphaelischen Cartons (leider nur
nicht nach den Originalen) gearbeitet,. Die reizendsten Eflekte zeigten sich,
der Natur der Sache gemäss, bei mehr dekorativen'Compositionen, in
denen Blumen, Früchte u, dergl. dargestellt,waren. Man spannt hier die
grossen Gobelins in Goldrahmen auf, was "ich nicht loben mochte", sie
machen in solcher Erscheinung den Anspruch, selbständige Bilder
zu sein,
was sie doch nicht sind, und sie verlieren den Reiz der, wenn auch sehr
luxuriösen Naivetät, der ihnen als Teppichen, welche man zeitweilig vor die
Wände hängt, eine so charakteristische Eigenthümlichkeit giebt. Uebri-

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5:54

Kuiistreise im Jahr 1845.

gens ist dies ganze luxuriöse Kunst-Institut und die Unterhaltung des-
selben von Staats wegen für das französische Wesen wohl wiederum
bezeichnend.

Besuch in der königl. Porzellan-Manufaktur zu S^vres. Rei-
ches Lager an mehr oder weniger unifangreichen Prachtwerken. Eleganz
und Opulenz in Formen und Dekorationen. Sammlung aller Modelle seit
der Gründung der Fabrik. Sammlung von gebrannten irdenen Gefässen
aller Qualitäten, Zeiten und Völker, sehr instructiv für Material und Be-
handlung.

Porzellan-Malerei: bedeutende Arbeiten, theils in der Anwendung auf
Prachtgeräthen, theils in Goldrahmen und den Bedingungen eines selb-
ständigen Kunstwerkes genügend. Freilich, wie es scheint, durchaus nur
Copien, was doch immer ein Ueberwiegen des technischen Elementes an-
zudeuten scheint, obgleich dies nicht unbedingte Nothwendigkeit sein
möchte. Cöpien kleineren Maassstabes, grossentheils nach Raphael; auch
einige grössere, z. B, eine ausgezeichnet schöne Copie der Madonna del
Granduca. Lebensgrosse Portraits in halber Figur, nach Ingres und nach
Tintoretto, breit und malerisch behandelt, die verschiedenartige Eigen-
thümlichkelt des Tones (darin die beiden Meister einander ziemlich als
Extreme gegenüberstehen) gut wiedergegeben. — Madame Jacquotot,
Beranger, Co nstantin u. A. werden als ausgezeichnetste Porzellan-
maler gerühmt; diese sind aber, wie es scheint, der Fabrik nicht unmittel-
bar angehörig. Die Maler der letkeren liefern wohl mehr nur die klei-
neren, besonders die mehr dekorativen Darstellungen, in denen sie aller-
dings nicht minder ausgezeichnet sind. Allerliebst z. B. sind sie in der
Nachahmung von Onyx-Sculpturen. — Eine eigentliche Zeichnen- und
Kunstschule besteht bei der Fabrik nicht ; eine solche müsste natürlich zur
Erhöhung der Resultate wesentlich beitragen. '

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.....—

Proben von La vam alerei en (auf Lavaplatten eingebrannt).
Im Hofe des Palais des beaux-arts vier grosse Medaillons, zu den
Seiten der Portale des Vorder- und des Hintergebäudes, mit Bildnissen
der grossen Kunstbeschützer: Pericles und Augustus, Leo X. und Franz I.
Gut und kräftig gemalt, auf Goldgrund, der aber, besonders an der Sonnen-
seite, schon gelitten hät und ins Schwärzliche übergeht.

Ein Lavabild mit zwei idealen Köpfen bei Hrn. Gatteaux, in weich
lavirter Malerei, mit vortrefflichem Schmelz in den Tönen. Doch.noch
viele Haarrisse (bekanntlich die grössten Feinde für die Dauerbarkeit der
Lavabilder); stellenweis wie ein altes Oelbild, dessen Farbe vielfach fein
gesprungen. " ^ ^

Drei Tafeln bei Hrn. Hittorf. Eine mit pompejanischer Dekoration;
eine zweite ebenfalls mit Ornamenten; eine dritte, von ziemlich grosser
Dekoration und als Tischplatte dienend, mit den Figuren französischer
Könige, von einer gothischen Dekoration umgeben., Diq Farbe durchaus
gleichmässig, ohne alle Haarrisse; die Behandlung aber nicht — w^as

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Keisenotizen. Strasshurg. Carlsruhe, - 535

für monumentale Zwecke erforderlich sein wird — pastos, sondern, dünn,
durchaus wie Gouache; daher ohne energische Wirkung. Das angewandte
Schwarz vortrefflich.

. S t r a s s b u r g.'

Das Denkmal Gutenberg's von David. Bronzestatue; nach den
bekannten späten Bildnissen, mit der Zipfelmütze, sehr langem Bart, und
im Pelzrock. Die Gestalt, in ihrer ganzen Conceplion, hat etwas natura-
listisch Naives; das Gewand ist so'genommen, dass eich ohne Künstelung
bewegte Massen bilden und es dem Ganzen auch an Würde nicht fehlt.
Doch ist das Werk nicht von wirklich grosser plastischer Wirkung, auch
nicht ganz zur Individualität durchgedrungen; jedenfalls aber ist es viel
frischer als das nach Thorwaldsens Skizze ausgeführte Gutenberg-Denkmal
in Mainz. — Am Piedestal vier Bronzereliefs, die verschiedenen Weisen
geistigen Lebens und geistiger Freiheitsentwickelung, bis zur politischen,
ausdrückend. Hier zeigt sich David's Reliefmanier in ihrer charakteristisch-
sten und auffallendsten Weise ausgebildet. Bei einer-grossen Figurenfülle
besteht die Composition im Einzelnen aus fast rohen, wenig modellirten
ümrisszeichnungen; die Gruppen sind wie Theater-Setzstücke Übereinander-
geschoben, die Tiefen zwischen diesen Stücken wie ausgebohrt.— Gedanke
und wenig künstlerische Ausprägung desselben; Rückkehr zur vollkomme-
nen Hieroglyphe. *

C a r" 1 s r u h e. ■

Das Denkmal des Grossherzogs Carl Friedrich auf dem Schlossplatze,
in Bronze, von Schwanth al er. Die Gesammtwirkung vortrefffich, ins-
besondre das Verhältniss des Piedestals zur Statue sehr gut. Die letztere
in «infach lebendiger Bewegung, in den Haupt-Intentionen gewiss gedie-
gen , ^ in der feineren Belebung des Einzelnen indess — soweit mir die
abyssinische Hitze des Tages- überhaupt ein Urtheil verstattete — nicht
völlig befriedigend, in Militär-Uniform und Fürstenmantel, der hinter-
wärts, obwohl die Gestalt ganz frei steht,, in hässlich styllosen Falten
hinabfällt. Piedestal mit Inschriften und Wappen, an den Ecken vier
allegorische weibliche Figuren. Die letzteren für den Total-Elndruck von
guter Wirkung, doch ohne alle architektonische Vermittelung, und sie selbst
nur ziemlich puppenmässig behandelt.

Akademie-Gebäude ffür die Kunstsammlungen bestimmt) von
Hübsch. Dies Gebäude, — wie es wohl meist überall bei den Archi-
tekturen von Hübsch der Fall, — interessant in der Construction, -welche
durchweg charakteristisch und • monumental sichtbar ist; dadurch et-
was Naturwüchsiges,- das dem Gebäude in mehrfacher Beziehung Reiz
giebt;. aber, kein sonderliches Schönheitsgefühl. Durchweg gewölbt. Im
Untergeschoss, das für die Sculpturen bestimmt ist, flache Wölbungen, zu

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I

53G

Kunstreise im Jahr 1845.

deren Unterstützung starke Säulen, von schönem buntein Marmor, angewandt
sind. Starke breite Gurte, zwischen denen die Gewölbe, in verschieden-
artiger Form, meist als gebogene Tonnengewölbe, eingespannt sind. Die
Flachbögen der Gurte setzen unmittelbar über den Kapitalen auf, was sehr
unschön ist. Die Kapitale sind Nachahmungen der Schinkel'schen in den
Sculpturensälen des Berliner Museums, doch mit starken plastischen Blät-
tern, die an die Seitenflächen des Abakus emporschlagen, was die Kapitäl-
wirkung beeinträchtigt. Grossartiger Flur und Treppenhalle mit Säulen,
die ein schönes, byzantinisirend korinthisches Kapital haben; hier beson-
ders ist die Construction und die perspektivische Ansicht derselben von
guter Wirkung. Das Obergeschoss, für die Gemälde und Gartons be-
stimmt, hat etwas höher steigende Wölbungen, mit sich mehrfach kreu-
zenden Gurten. Die ^Haupträume mit Oberlicht, in der Mitte des Gewöl-
bes; die Nebenräume mit Seiteulicht. Das Aeussere nicht besonders
erfreulich. ■ Die Fensterform unschön und unarchitektonisch (zwei Drittel
des Fensters, zu den Seiten, mit horizontalem Gebälk, das sich in der
Mitte als Bogen erhebt). Die obere Hälfte der Facade mit einer unkräfti-
gen Pilasterdekoration.

Bildliche Ausschmückung des Gebäudes. Fresken in der Treppen-
halle von M. von Schwind. Grosses Hauptbild: Einweihung des Frei-
burger Münsters. Zu den Seiten Sabina von Steinbach und Hans*Baldung,
beide in künstlerischer Thätigkeit. Lünetten mit allegorischen Gestalten.
Besonders das Hauptbild interessant, eine reiche, vortreftlich gehaltene
Composition mit charakteristischen Einzelheiten, ganz in Schwind's geist-
voll poetischer Weise; die Malerei als einfach gute Colorirung, was hier
völlig angemessen erscheint, wobei dem Einzelnen aber doch etwas mehr
Mark zu wünschen gewesen wäre. — Sculpturen für das Portal und dessen
Umgebung, von Reich, in einem einfach edeln Style componirt und ziem-
lich gut, wenn auch nicht eben mit hohem künstlerischem Sinne, durch-
geführt.

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Casinogebäude von Hübsch, eine leichtere Garten-Architektur, artig
zusammengebaut, wenn auch wieder ohne feineren Geschmack. Unerfreu-
lich z. B. die Form der Fenstersturze, die, gewölbt, die Linien eines
sehr flachen Giebels befolgen. — Privathäuser von andern Architekten.
Darunter eins mit völlig maurischer Facade, was als zierliche Modespie-
lerei seine Geltung verlangt.

M li n c h e n.

Die Architekturen von L. v. Klenze traten mir aufs Neue in ihrer
halben Classicität, der es doch an Anlage zur Grösse nicht fehlt, entgegen.

IV.

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Si, ,

So die Glyptothek mit ihrem ionischen Portikus, dessen Säulen,
ungriechischer Weise, uncanellirt, auch ohne das Gepräge der graziös
griechischen Schwellung emporgeführt, mit einrinnigen Kapitalen und doch
mit dem, nur bei doppelrinnigen Kapitalen wohl motivirten Säulenhalse
versehen sind. Das, Innere der Glyptothek bleibt durch das römisch
brillante Gewölbesystem, durch die schönen Verhältnisse der Räume, durch

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Reisenotizen. . Müachen. 537

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die Pracht der deliorativen Stoflc immer wirksam, während die grossen I

Hauptlinien unter den gewaltsamen Details leiden müssen, f

Dass das Aeussere der Allerlieiligen-Kapelle aus einer nicht i

sonderlich verstandenen Nachahmung romanischer Bauformen (etwa nach
lombardischen Mustern) hervorgegangen, ist bekannt. Das Innere, mit .
seinem byzantinischen Kuppelsystem, hat eine vortreffliche Durchführung,
Eine höchst eigenthümliche, fast mystische Wirkung gewinnt das Innere
dadurch, dass man das Licht der Fenster fast nirgend sieht, während das-
selbe doch überall auf dem goldglänzeilden Grunde der Gewölbe umher-
spielt und aus diesen die feierlichen Gestalten der Frescomalerei hervor-
tauchen. Nur die Kämpfergesimse der Pfeiler, von denen die Bögen aus-
gehen, haben eine zu schwere Ausladung.

Das Gebäude des Kriegsministeriums, gleichfalls von Klenze, er-
innert an die gewaltsamen Formen eines Ammanatö. Dagegen spricht der
Schlossflügel des Neuen Königsbaues, im Aeusseren wie im Inneren,
durch einfache Tüchtigkeit an. — Die vor den Festsaalbau nach dem
Hofgarten vortretende Loggia ist ein Werk im Style des Palladio, trotz
ihrer spätitalienischen Formen doch von stattlicher Wirkung. Sie hat
unten schwerere, oben leichtere Arkaden und vor den Pfeilern der letz-
tern Säulen mit vorgekröpftem Gebälk, über welchem die acht Gestalten
der Kreise des Königreiches und auf den Ecken zwei aufrecht sitzende
Löwen angeordnet sind. Diese Sculpturen stehen in gutem Verhältniss zu
der Architektur (wobei nur die Löwen etwas Pudelartiges_ haben). Da-
gegen ist das Innere der Loggia, im Widerspruch gegen die massigen Ar-
chitekturformen, mit einer Ueberfülle kleinlicher gemalter Dekorationen
im pompejanischen Style versehen. ' 1

Im Inneren der Pinakothek bringen die Haupträume, durch ihre
Grösse und ihr Verhältniss, eine imponirende Wirkung hervor; doch sind
die Wände für ■ die "darin aufgehängten Bilder, — falls diese nicht die
Grösse von Rubens' jüngstem Gericht haben, — zu hoch. Dies besonders
in BetreiT der Voute, deren Goldschmuck ausserdem auf die Bilder drtlckt.
Das dabei angewandte Kuppellicht wirkt nicht in seiner vollen Schönheit,,
theils wegen der Weite jener Voute, theils weil es iaterneintaässig, von
den Seiten einfällt. Die Seitenkabinette der Gallerie sind, bei dem Drän-
gen eines irgend zahlreichen Besuches, zu klein.

f
/

Der bronzene Obelisk auf dem Carolinenplatze hat durch seine mächr
tige Grösse (von 100 Fuss) und seinen glänzenden Stoff wiederum etwas
Imposantes, berührt aber das Auge, das vom Künstwerke mehr als Masse
und Stoff verlangt, doch nur in unerquicklicher Weise, Ein
würfelförmi-
ger Sockel trägt an seinen Seiten die Inschriften, die den Zweck des Mo-
numentes aussprechen, und ist^ auf seinen Ecken — ich weiss nicht, zu
welchem Behufe — mit Widderköpfen geschmückt. Darüber erhebt sich,
durchaus glatt und nichtssagend, die barbarische Obeliskenform, die in
ihrer primitiven Anwendung bei den Aegyptern, mit Hieroglyphen be-
deckt und durch ihren Zusammenhang mit der grösseren, gleichartigen Ar-
chitektur bedingt, doch ein völlig Andres war.

Die künstlerische Richtung, die sich in v. Gärtners Gebäudefi aus-
spricht; ist etwa mit der von Hübsch in Carlsruhe zu vergleichen. Er hat

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Kuustreise im Jahr 1845.

aber nicht die constructive Naivetät rtes^ letzteren, er componirt mehr auf
den künstlerischen Effekt, hat mehr wirklich künstlerisches Gefühl, das
indess wiederum nicht zur wirklichen Classicität ausgebildet ist. Er sucht
byzantinische Detaillirung mit einer Art italienischer Gesammt-Anlage —
etwa nach den italienischen Analogieen des fünfzehnten Jahrhunderts — zu
verbinden, ist dabei in der Masse oft grossarlig, im einzelnen Detail zu-
weilen glücklich, im eigentlichen Organismus aber schwer und wulstig.
Es fehlt ihm eben der feinere* edlere Lebenssinn. Bei der Wiederholung
ähnlicher Aufgaben kommt er denn auch dazu, die Ausführung willkür-
lich zu modificiren, das eine Gebäude in Haustein, das andre in Backstein,
oder (wie an der Bibliothek) die untere Hälfte aus Haustein, die obere aus
Backstein zu bauen, u. drgl. m.

Unter seinen Pallastfagaden (am oberen Ende der Ludwigsstrasse)
macht sich mit ain Besten das ursprünglich für ein Fräul einstift be-
stimmte Gebäude, welches jetzt zu Privatwohnungen dient, eine einfach
florentinische Anlage, mit sehr breiten Fensterpfeilern. Dann, gegentiber,
das reicher ausgebildete Bibliothekgebäude. Dann, neben dem erste-
ren, das Blinden-Institut, mit vortretenden Portalen in italienisch
mittelalterlicher Weise. Daneben, weiter hinauf, das Salinen-Adrai-
nistrationsgebäude, ganz aus Ziegeln (die indess doch bei Weitem
nicht die Schönheit der Ziegel der Berliner Bauschule haben), oberwärts in
dünnen Formen, mit Lissenen, die, sehr zurückstehend gegen die Energie
der Lissenen des guten romanischen Styles, ohne eigentliche Wirkung sind-
Hierauf folgt, an der einen Seite des Thorplatzes, das kolossale Flügel-
gebäude der Universität. Die Eingangshalle derselben mit byzantini-
schen Säulen; darüber venetianisch gothisirende Fenster, deren Formen
nicht hinlänglich klar entwickelt sind. Die grosse Aula im Innern von
unerfreulicher Wirkung; die Fensterarchitektur derselben nicht nach dem
inneren Bedürfniss, sondern nach dem äusseren System angeordnet; unten
byzantinisch-gothische Fenster, hoch oben kleine Rundfenster, schwer-
fällige Wandpfeiler, u, s. w. Der Universität gegenüber, am Thor, das
Institut zur Erziehung adliger Fräulein, eine der besten Gärt-
ner'schen Fa^aden, in der Fensterarchitektur mit spätgothischen Motiven,
die gut wirken. Daneben das P ries ters eminar , antediluvianisch roh,
fast ohne Details und völlig wie ein Gefängniss. — Auf dem'Universitäts-
platz zwei springende Brunnen von Gusseisen,,in schweren massigen For-
men, doch mit guter Vertheilung des Wassers.

Zu diesem Cyclus der Gärtner'schen Gebäude gehört ferner die Lud-
wigskirche. Die Fa^ade derselben ist nicht gross hinaufgeführt und er-
scheint durch ihre ganze Eintheilung, die kleine Eingangshalle, die hori-
zontal durchschneidenden Friese kleiner als sie in Wirklichkeit ist, Die
Thürme sind nicht schön, die Strebebögen über den Seitenschiffen in
schwere byzantinische Arkaden verwandelt. Das Innere, eine einfach ro-
manische Anlage bildend, hat eine allerdings grossartige architektonische
Totalwirkung. Die Gliederung der Pfeiler ist sehr einfach, selbst roh.
Die schwere Kapitälform, die Gärtner überall liebt {wie an den Gebäuden
der Trinkhalle zu Kissingen), gestaltet sich hier, bei prächtiger Detailli-
rung, überaus unerfreulich; es ist eigentlich die elegante Barbarei der Ka-
pitälform von S. Vitale zu Ravenna, die in der breiten Anwendung auf
den Pfeiler doppelt barbarisch wird. Die Architekturtheile sind farbig, in
massig gebrochenen Tönen, dekorirt, was aber schon, die architektonische

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Reisenolizea. München. 539

Würde stört. Wesentlich wird die arcKItektonische Wirkung des Innern, ■

auch die der Gewölbe, durch die Fülle der Malereien, welche dasselbe I

bedecken, beeinträchtigt. Dass dem Hauptschiffe der architektonische Schluss
der Absis fehlt und statt dessen, für das grosse Bild des jüngsten Gerichts
von Cornelius, eine gerade Wand angebracht ist, wirkt schon empfind-
lich; verschärft wird diese Wirkung dadurch, dass das Bild ohne höhe-
ren, strengeren architektonischen Rhythmus componirt und ohne male- J
rische Tiefe ausgeführt ist; der Blick wird dabei auch nicht scheinbar i :
durch diese unharmonisch abschliessende Wand (auf deren Fläche die ge- |
malten Gestalten silhouettenartig aufliegen) hinausgeführt. Die Bilder an
den Frontwänden des Querschiffes wirken iu dieser Beziehung minder em-
pfindlich, da ihre Stellen eine mehr untergeordnete Bedeutung haben und
sie sich zugleich, bei kleinerer Dimension, der Architektur der Wände
unterordnen. ""

Die kolossale Feldherrnhalle, am entgegengesetzten Ende der Lud-
wigsstrasse, nach der Loggia de' Lanzi zu Florenz und wiederum mit by-
zantinisirendem Detail erbaut, macht sich ungemein weit, leer und kahl. y

Es ist darin, wie auch sonst bei Münchener Anlagen, etwas'Zweckloses.
Die beiden Bronzostatuen von Tilly und Wredcj welche in der Halle
stehen, erscheinen trotz ihrer ebenfalls kolossaleiT Grösse puppen-
haft klein.

Die Maria-Hilf-Kirche in der Vorstadt Au, entschieden gothisch,
nach Ohlmüllers Plänen. Im Inneren von ganz bewältigendem Ein-
druck. Die Seitenschiffe von gleicher Höhe mit dem Mittelschiff; die
Pfeiler sehr schlank, mit je acht Halbsäulen. In der ganzen Architektur
das Gepräge einer hohen, leichten Erhabenheit, im ansprechenden Gegen-
satz gegen das düster Zwingende der Kirchen frühgothischen Styles (wie
Notre Dame zu Paris). Ueberall die schlichte Steinfarbe, durch die pracht-
vollen Glasmalereien, welche rings die Fenster ausfüllen, warm ange-
haucht. Das Gebäude bezeugt es wie kein zweites, welche Bedeutung die
Glasmalerei als figürlich monumentale Kunst für die gothis.che Architektur
hat, wie das Innere der Kirche durch die gemalten Fenster erst seine
Vollendung empfängt, und wie Beides, jene architektonischen Formen und
diese verklärten figürlichen Darstejlungen, in der innigstensich gegen-
seitig bedingenden Wechselbeziehung stehen.- Sehr wohlthuend ist es'übri-
gens, dass sonst im Innern fast gar keine Farbe angewandt ist. Die
irgendwie reichere' Polychromatik der -architektonischen Formen im Innern
des gothischen Gebäudes verdirbt die Ruhe, die, um den Träger für den'
Eindruck der-Farbenpracht der Fenster zu gewinnen, prinzipiell ein un-
bedingtes Erforderniss ist. — Das" Aeiissere der Kirche, mit Ausnahme der
Fa'^ade., ist sehr einfach und in der Mass« allerdings schwer^ wie die nor-
disch mittelalterlichen Backstein-Kirchen (zumal die'mit gleiqh hohen
Schiffen). Auch das Stabwerk der Fenster, besteht aus Backstein. Die
Fa^ade ist mehr sp'ielend componirt. Hier sind die Stücke mit den De-
tails aus Hausteinen ein- oder aufgesetzt. Das Achteck des Thürmes entr
wickelt sich nicht gar schön; doch macht sich der Thurm im üebrigen gut
und besonders die durchbrochene,, sehr leichte und schlanke Spitze vor-
trefflich. Die Blumenr€ihen an den Kanten der Spitze erschienen mir

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540 Kiiiistrcise im Jahr 1845.

etwas zu stark. Das Dach der Kirche ist mit farbig glasirten Ziegeln ge-
deckt. die bei starker Färbung leider zugleich ein sehr schweres Muster
bilden.

Die Bonifacius-Basilika, von Zieblaud, ein mächtiges fänf-
schiffiges Gebäude, das bestimmte Princip frühmittelalterlicher Basiliken
fast noch bestimmter wiederholend, als das gothische iü der Aukirche
vorgeführt ist. Einfach strenge Anlage , ohne Thurm. Vorhalle mit Säu-
len, deren Kapitale, gleich denen der Säulen im Inneren, reich aber nicht
gar schön gebildet sind. Im Inneren, wie bei den noch ganz unentwickel-
ten Anlagen solcher Art, wenig architektonische Gliederung, statt deren
alle etwa erforderliche Theilung durch farbige Ornamentik bewirkt ist.
Die innere Masse des Gebäudes erscheint nur als für die darauf ausge-
führten Wandmalereien bestimmt.

An der Rückseite ist die Basilika mit einem Benedictinerkloster ver-
bunden und au dieses stösst, in der äussern Architektur völlig eins damit
— wie verschieden auch an Zweck, — das Kunstausstellungsge-
bäude, gleichfalls von Ziebland. Der Portikus desselben, dem der
Glyptothek gegenüber, mit korinthischen Marmorsäulen. Die Räumlich-
keiten im Inneren nicht sonderlich ausgedehnt; das Licht zumeist zweck-
mässig von oben einfallend.

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Das Fach der Bildhauerei wird entschieden von Schwanthaler be-
herrscht, Er hat ein reiches, flüssiges, dekoratives Talent, das sich, sol-
cher Eigenthümlichkeit gemäss, am Glücklichsten in der Ausführung der
bildnerischen Dekoration prächtiger Räume bethätigt. So in seinen Relief-
sculpturen, die hier und dort das Innere der Glyptothek und des neuen
Königsbaues schmücken. In dem letzteren, und zwar im Thronsaal des
Königs, rühren von"ihm u. A. die zahlreichen Reliefs her, deren Inhalt
aus den pindarischen Gesängen entnommen ist und die den fertig classi-
schen, sehr geistvollen Dekorateur erkennen lassen. Sie sind weiss auf
goldhem Grunde. Ebendaselbst, in einem Zimmer des Obergeschosses, ein
Fries mit Scenen der Venusmythe, weiss auf rothem Grunde, auch dies
eine trefflich dekorative, antikisirende Arbeit.

In dem prachtvollen Thronsaale des Festsaalbaues sind die kolossalen
vergoldeten Erzstatuen der Wittelsbacher, die zwischen den Säulen stehen,
nach seinen Modellen gegossen. Diese sind nicht minder dekorativ gehal-
ten und interessant und ansprechend da, wo ein phantastisches mittelal-
terliches Kostüm solcher Wirkung förderlich entgegenkam. Die Personen
aus der Perrükenzeit dagegen machen allerdings einen perrükenhaft lang-
weiligen Eindruck und die Statue König Karls XII. von Schweden einen
sehr Übeln, da der Bildhauer das so charakteristisch Knappe desUelden
nicht wiederzugeben gewagt und ihn, ganz unpässlicher Weise, mit einem
Mantel styllos bedeckt hat.

Auch ist die zweckmässige Einrichtung der horizontal air den "Wänden
angebrachten Eisenstange'n, zum Aufhängen der Bilder, wie in den Ausstellungs-
räumen der Akademie von Antwerpen, zu bemerken.

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Reisenotizen. München. 541

Eine, für unsre Zeit eigenthümliche, aber im Erfolg nicht sonderlich
glückliche Behandlung der bildnerischen Sculptur findet sich im Ballsaal
des Festsaalbaues. Hier sind Säuleostellungen mit Tribünen auf beiden
Seiten des Saales und über den Säulen Karyatiden angeordnet. Die letz-
teren und die in die Wände des Saales eingelassenen Reliefs, Tänzergrup-
pen darstellend, sind farbig angestrichen, .halbwege naturgemäss. Die
Wirkung dieser polychromatischen Behandlung ist sehr unangenehm, nicht
wegen der Farbigkeit an sich, sondern weil die Sache eine halbe und
doch zugleich eine grobe Behandlung zeigt. Die Farbe bildet einen un-
durchschimmernd körperlichen üeberzug über der Form.

Aehnlich, wie mit den eben bespi^Jchenen Statuen des einen Thron-
saales verhält es sich sodann mit den beiden Bronzestatuen in der Feld-
herrnhalle.. Der Tilly, der ein buntes und lustiges Kostüm trägt, ist von
guter dekorativer Wirkung: der Wrede schon langweiliger, — zur Hälfte
schwer in den Soldatenmantel eingewickelt, der sich Übrigens doch, wie
durch einen partiellen Windstoss, in antik leichten Falten über das'eine
Bein hinwirft. . .

So sind ferner die Statuen Schwanthalers, welche sich an der Fa^ade
der Ludwigskirche befinden , zum Theil von einer vortrefflichen architek-
tonisch plastischen-Wirkung. Die Figur des Johannes namentlich ist
sehr glücklich gedacht und angelegt; die des Christus ist steifer typisch
gehalten. ,

So die Statuen der acht Kreise des Reiches über der Loggia des
Festsaalbaues, die durch naiv genrehafte Anklänge etwas Ansprechendes
haben. So die der Maler über der Gallerie der Pinakothek, u, s. w.,
u. s. w.

In Schwanthalers Atelier sah ich die, Modelle zu einer grossen Menge
seiner Werke. Diese üebersicht liess das Eigenthümliche seiner Richtung,
Vorzüge wie Mängel, noch schlagender erkennen. Auch hier machte sich
das durchgehend Dekorative in der Anlage, leider aber zugleich" das oft
Flüchtige, Aeusserliche, zum Thfeil sehr Rohe in der Durchbildung gel-
tend.. Neben zahlreichen Modellen der in München ausgeführten Arbeiten
sah ich solche von auswärtigen Denkmälern: — des unseligen Frankfurter
Goethe, des Carlsruher Grossherzoges, der unbedeutenden Mozart-Statue
in Salzburg,, der von Jean'Paul in Bayreuth, die auf mich einen sehr
wenig erfreulichen Eindruck machte und an der ich die künstlerische
Durchführung empfindlich vermisste. Dagegen .erschien dicsitzende Sta-
tue des Rudolph von Habsburg für-Speyer, durch das Kostüm begünstigt,
wiederum als eine gute dekorative Arbeit. So auch die Colossalstafuen
merkwürdiger Böhmen, die für den Bronzeguss gearbeitet und für eine
dortige Walhalla, das Privatunternehmen eines böhmischen Grossen, be-
stimmt waren. Die Metopen für die Ruhmeshalle, Culturzustände dar-
stellend, Reliefs in grauem Marmor, waren zum Theil von,sehr schöner
dekorativer. Wirkung, — einige kirchliche Reliefmonumente selbst von
eigenthümlicher Lieblichkeit im Gefühl. Zwiefach widerwärtig nahmen
sich solchen Werken gegenüber die Statuen der Walhallagiebel aus, durch-""

') Jedenfalls dürfte dies Beispiel. bei den Erörterungen über, antike Poly-
chromio mit in Betraclitung gezogen werden und', über den Erfolg-, zu dem ein
derartigi»s halbes, zwischen Katurwahrheit und Dekoration in der Mitte stehen-
des Princip führt, einen Beleg abgeben können.

m

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' i- 542 Kunstreisü im Jahr 1845.

t" \

weg sehr unschöne, schwerfällige, plumpe Gestalfen. Einige lebensgrosse
weibliche Gestalten, nackt, eine Melusine u. dgl. darstellend, waren dazu
' bestimmt, zartes Lebensgefühl im Marmor darzulegen; ich vermisste dabei

im Ganzen aber die eigentlich hohe, reine Naivetät. Eine Portraitbüste,
— die des S. Boisseree — zeigte dagegen , bei trefflicher individueller
Durchbildung, welch schönes Talent Schwanthaler neben jener vorherr-
sehend dekorativen Richtung allerdings auch zur feineren Naturbeobach-
tung besass, und Hess es schmerzlich bedauern, dass dasselbe so weaig
conceutrirt, so wenig zur Herausarbeitung seines Besten gelangt war.

Die eherne Reiterstatue des Kurfürsten Maximilian I., nach Thor-
waldsen's Skizze von Matthiae modellirt, ist der Art, wie die in
solcher Weise gelieferten Werke zu sein pflegen, — gut in Composition
und Ausführung, und doch ohne innere Frische. Es ist eben etwas
Langweiliges darin, besonders auch in der trivialen, der letzten Zeit des
Ritterthums angehörigen Rüstung. Auch das Pferd entbehrt des Aus-
druckes schöner Energie. Uebrigens hat das (leider ganz kahle) Piedestal
ein gutes Verhältniss zu der Statue, wie das ganze Monument zu dem
umgebenden Platze.

Die Sculptur der gemüthlich religiösen Richtung bethätigt sich in
einzelnen bemerkenswerthen Leistungen. Dahin gehören die Sandstein-
statuen des St. Georg und des St. Michael am Isarthor, von C. Eberhard,
die, einfach componirt und ohne grossen Styl in der Gewandung, durch
ein gesundes schlichtes Gefühl ansprechend sind. Dahin auch die Holz-
sculpturen von Schönlaub in der Au-Kirche, Altäre mit ungefärbten
Reliefs auf goldnem Grunde, und Tafeln mit den Leidensstationen, gleich-
falls ungefärbt, doch auf blauem Grunde, — auch diese, ohne sonderliche
Genialität, in gemüthlich ansprechender Weise behandelt.

Mehr Anspruch schon machen die in natürlicher Farbe derb bemalten
und sinnlich anmuthenden Statuen Christi und der Maria, in ein Paar
Seitenkapellen der Ludwigskirche. Die zahlreichen Beter, die man stets
vor diesen Figuren erblickt, zeigen, was wirkt.

W

Eigenthümliches Interesse gewährte ein Besuch im Atelier des Bild-
hauers Schaller. Seine Arbeiten vereinen Naivetät und innig geistvolle
Behandlung in anziehender Weisen Er hat es auf die Ausführung eines
4 ziemlich umfassenden Cyklus von Dichterstatüetten von nicht zu kleiner

s Dimension angelegt. Ich sah davon schon eine namhafte Folge zumeist

trefflicher Gestalten vollendet. Sein Calderon erschien mir höchst bedeu-
■ tend; sein Goethe genügte mir weniger. . .

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Reisenotizen. München, 543

Die Freskomalereien von P. v. Cornelius in der Glyptothek, aus
der griechischen Götter- und Heldenmythe,, 'welche den Beginn seiner
künstlerischen Th'^igkeit in München bezeichnen, möchten wohl die glück-
lichsten Arbeiten dieses Künstlers sein. Hier ist ein Gebiet der Poesie,
in welchem er sich in genialer Unbefangenheit, Freiheit und Grösse ergeht
und wo sich ihm geistreiche Gedankenverbindungen ungesucht darbieten.
Das poetisch symbolisch Repräsentirende, was sein eigentliches Element
zu sein scheint, ist in^diesen Darstellungen die Hauptsache; wo der Stoft"
vorzugsweise dazu geeignet war, zeigt sich naturgemäss auch die bedeu-
tungsvollste Lösung der Aufgabe.

So ganz besonders in dem Göttersaale, der zugleich wegen des glück-
lichen Verhältnisses^ der Bilder zur Architektur äusserst erfreulich wirkt.
Minder in dem trojanischen Saale; die Bilder werden hier zu gross, die
architektonischen Formen treten zu" sehr zurück^und die Gestalten drücken
auf den Beschauer. Dies ist doppelt unbehaglich, da das dramatische
Element in den Darstellungen dieses Saales vorherrscht und der Künstler,
gewaltiger Handlung zu genügen, in Manier übergeht. Wo indess wiederum
das ruhiger Repräsentirende seine Stelle findet, vpie z. B. in den Haupt-
gruppen der Zerstörung Troja's, da macht sich aufs Neue seine Grösse
geltend. Hier befindet sich auch diejenige Composition, die man vielleicht
geradehin als das schönste und gediegenste von Cornelius Werken be-
zeichnen darf,_ die monochrom
gemalte Entführung der Helena, ein Bild,
welches die edelste, unmittelbarste tmd reinste, Darstellung des Gedankens
in der körperlichen Form ist. — Die ganze malerische Behandlung, dieser
Fresken ist freilich scharf, hart, conventionell; aber sie hat dabei zugleich
noch etwas entschieden Primitives, etwas, das mit der keuschen Strenge
der Kunstrichtungen des fünfzehnten Jahrhunderts noch durchaus paral-
lel läuft. — . ^

Die grossräumigen Fresken, die Cornelius in der Ludwigskirche
ausgeführt, stehen in ihrer Gesammtheit, trotz sehr schöner Einzeitheile,
gegen die der Glyptothek zurück. Sie sind der Entwickelung des dogma-
tischen Gedankens gewidmet, und zwar in einer entschieden scholastischen
Richtung, die mit der Naivetät künstlerischer Conception gelegentlich iu
einen bedenklichen Widerspruch geräth, sich gelegentlich auch mit dem
Nothbehelf kleinlicher oder kaum auszudeutender Embleme begnügen muss.
So sieht man, an dem Bandgewölbe über dem Hauptaltar^ den* weltschaf-
fenden Gott gleichzeitig in 'feuriger Bewegung und in unwandelbarer Ruhe
dargestellt', — ruhig sitzend „und doch mit dem Oberleibe gewaltsam
bewegt, was, der Natur der Sache nach, kein Bild reiner ErTiabenheit
gewährt. Die Embleme seines Schaffens sind Sonne und Mond, denen er
mit der Rechten und mit der Linken ihre Bahnen anweist, und die Erde,
auf der seine Füsse ruhen, — Andeutungen, die in der Vorzeit allerdings
gäng und gäbe waren, weil sie der damaligen kindlichen Weltanschauung
entsprachen, die aber für die tieferen Blicke, welche die neuere Zeit in
deh'Bau der Welt gethan,' eben nichts mehr sagen. Um ihn her sind Re-
präsenjanten der verschiedenartigen Engelchöre , ganz nach^den Feststel-
lungen der mittelalterlichen scholastischen Lehre. Hier werden die be-
zeichnenden Embleme noch misslicher. Die Gestalten der ^Scientiae"
z. B. tragen, um das höchste Wissen von Zeit und von Raum anzudeuten,
die kleinen irdischen Geräthe einer Sanduhr und einer Kugel nebst Zirkel

f

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544 Kunstreise im Jalir 1845.

in den Händen, während zugleich bei den „Potestates" die Kugel, aber
in andern! Begriff, als Symbol der Herrschaft wiederkehrt. Glücklicher,
weil einer viel einfacheren Anschauung angehörig,« sind die Gruppen der
Erzengel in den Stichkappen desselben Gewölbes, deren Begriff freilich
ebenfalls nur durch das Zurückgehen auf den mittelalterlichen Gedanken
klar wird.

Bei Weitem das Vorzüglichste sind die Gruppen an den Hauptgewöl-
ben, die das Walten des heiligen Geistes ausdrücken sollen: in den vier
Feldern des Mittelgewölbes die Heiligen des alten Bundes, die Apostel des
neuen und die Märtyrer, die Kirchenlehrer und Ordensstifter, die Verbreiter
und die Schützer des Christenthums nebst den heiligen Jungfrauen; in
den Feldern des einen Seitengewölbes die Evangelisten, in denen des
andern die Kirchenlehrer. Diese Gompositiouen sind im Ganzen sehr
grossartig, weil es hier einfach auf traditionelle Ruhe und Stylistik ankam,
mit der sich zugleich die persönliche Symbolisirung ganz wohl vereinigen
liess. Die Gestalten der Evangelisten sind vortrefflich, die des Lucas
namentlich höchst schön und bedeutend. Die Gestalten der Kirchenväter,
deren Entwürfe und Cartons nicht von Cornelius selbst, sondern von
Hermann, herrühren, sind ungleich schwächer.

Die grossen Wandbilder haben das Walten des Gottes-Sohnes zum
Inhalt. Geburt und Kreuzigung, auf den Seitenwänden, stehen einander
gegenüber. Beide sind stylistisch componirt, doch zumeist schwach in der
Ausführung und unangenehm in der Gewandung. An di^m Bilde der
Kreuzigung machen sich im Einzelnen scharfe und selbst schöne Charak-
tere geltend. Die kleineren Nebenbilder über beiden, von Hermann,
sind wiederum unbedeutend. — Das Hauptbild, an der kolossalen Wand
des Hauptaltares, ist das jüngste Gericht, das von Cornelius eigenhändig
gemalt ist, während er die malerische Ausführung aller übrigen Bilder
seinen Gehülfen überlassen hat. Aber auch dies grosse Werk ist künst-
lerisch ohne Wirkung; es hätte entweder mehr in architektonischer Strenge
oder mehr in eigentlich malerischer (visionärer) Wirkung behandelt sein
müssen. Es ist eben ein grosses Durcheinander in matt harmonischen
Farben. Die technische Ausführung ist massig, die Gewandung wiederum
unschön. Am meisten Geniales ist in den Teufeln, auf der unteren Hälfte
des Bildes. ■ Aber auch dies, wie.es hier vor Augen steht, ist doch eben
nur eine Phantasterei, die das neunzehnte'Jahrhundert schwerlich mehr
^ für gegenständlich erachtet. Ueber das Verhältniss der Gemälde zur Ar-

y chitektur der Ludwigskirche habe ich bereits im Obigen gesprochen. —

^^ Neben den Gemäldesälen der Pinakothek läuft der Corridor der

^ Loggien hin, in dem es sich behaglich lustwandelt, und der so vielen

ä mehr oder weniger freien Nachbildungen, welche das neue München in

sich schliesst, nun auch ein Seitenstück der berühmten raphaelischen
Loggien hinzufügt. Der luh'alt der Malereien ^ die arabeskciihaft und in
f', kleinen Bildern den Raum ausfüllen und die bekanntlich ebenfalls nach

Cornelius Entwürfen ausgeführt sind, gehört der Kunsthistorie an. Das
fl- Totale der Dekoration ist von sehr anmuthigem Eindruck, in reicher, edler

Pracht, dem Style der vatikanischen Loggien ungefähr entsprechend. Es
sind allerlei kunsthistorische Gedankenspiele, die in den symbolisch ara-
beskenhaften Andeutungen meist einen sehr reizenden Eindruck machen,
sich auch'in den kleinen Kuppel- und Lünettenbildern dem Ornamentisti-

f

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Reisenotizen. München. 545'

sehen in der Regel unterordnen, so dass das gelegentlich Banale, z. B.
die Bezeichnung von Dürer's und von Tizian's künstlerischer Bedeutung
dadurch, dass Kaiser Max jenem die Leiter hält-, Karl V. diesem einen
Pinsel von der Erde aufhebt, — im Allgemeinen nicht auffällig wirkt. Die
Ausführyng dieser kleinen Gemälde ist freilich.ohne sonderlichen Geist,
ängstlich flau stylistisch und fern von allern energischen Lebensgefühl.

Unter den Freskomalereien von Schnorr sind ebenfalls diejenigen",
mit denen seine künstlerische Thätigkeit in München begann, — die aus
dem Cyclus des Nibelungenliedes im Erdgeschoss des neuen Königs-
baues (derßu Beendung durch die folgenden Arbeiten einstweilen unter-
brochen wurde), entschieden die bedeutenderen, aus der Unmittelbarkeit
des künstlerischen Gefühles entsprungen. Besonders trefflich sind die des
Eingangssaales, welche die Darstellung einzelner, in ihrer Persönlichkeit
ruhig repräsentirender Gestalten enthalten. In der Behandlung freilich sind
auch sie herb und scharf, in.Farbe und Stylistik völlig quattrocentistisch,
etwa der Richtung eines, Pinturicchio entsprechend.

Im Fest saalbau sind von Schnorr drei grosse Säle mit Darstellun-
gen aus der Geschichte Karls des Grossen, des Friedrich Barbarossa und
Rudolph's von Habsburg, — etwa zur Bezeichnung der Hauptepochen des
deutschen Kaiserthums, — angefüllt. Diese haben mehr oder weniger den
Charakter von Tapeten, — nicht bloss desshalb, weil sie solche scheinbar,
durch entsprechende Einfassungen, vorstellen, sondern weil sie sich eben
nicht architektonisch einfügen, weil die Darstellungen gewaltsam aus der
Wand .vortreten, weil die ganze Behandlung dekorativ ist, weil dieselbe
auch (wie in der Hauptepoche der Tapetenfabrikation) an die Stelle jener'
naiv alterthümlichen Richtung eine etwas manieristische Nachahmung Ra-
phael's treten lässt. Bei grossen Motiven, bei sehr schöner Einzelausfüh-
rung fehlt es doch an wahrer Grösse des Styles; am meisten tritt dieser
noch hervor, wo die Darstellung, wie z. B. im Barbarossafest zu Mainz,
einen dekorativ repräsentirendeu Charakter hat. Die Gestalten-gehen, im
Widerspruch gegen Aufgabe, Format und Mangel des Helldunkels (den
man in München für nothwendig zur grossen historischen Malerei'zu hal-
ten scheint), genrehaft schwer durcheinander. Die Gewandung wird, wenn
sie frei sein soll, häufig wiederum unschön, wenn auch keinesweges in
der ^auffälligen Weise, wie dies in den Malereien der Ludwigskirche*^ der
Fall ist. Trotz der Grösse der Räume, trotz jenes dekorativen Gesammt-
charakters wirken die Darstellungen auch in räumlicher Beziehung nicht
behaglich; es wird dem Beschauer in dem Gewühl, welches ihn^ umgiebt,
eben nicht recht wohl. —

Die Räume des neuen Königsbaues,, auch einige des Festsaalbaues,
enthalten ausserdem noch eine sehr grosse Fülle bildlicher Ausstattung
von 'den Händen verschiedener Künstlerf mit Darstellungen aus grifechi-
schen'und aus deutschen Dichtern. Sie beginnen-, im neuen Königsbau,
mit ältest griechischen Dichtungen und mit einer Behandlungsweise, welche,
wie e's scheint, zugleich die Anfänge der griechischen Malertechnik- ver-

Kugler, Kleine Schriflen. TIi: . 35 ' .

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546 Kiiiistrcise im Jahr 1845.

gegenwärtigen soll. Es sind zunächst kleine orphische Scenen des Argo-
. nautenzuges, monochromatisch (roth auf gelblichem Grunde), nach Com-

f Positionen von Schwanthaler. — Dann colorirte Umrisszeichnungen auf

• lichtgrauem Grunde, aus Hesiod, ebenfalls nach Schwanthaler. — Darstel-

lungen aus den Hymnen Homer's, nach Schnorr, in der Composition
I vielfach anmuthig, sind wiederum äusserlich dekorativ gehalten, ohne eine

' tiefere künstlerische Befriedigung zu gewähren. — Den auf diese folgenden

pindarischen Reliefs von Schwanthaler, im Thronsaale, reihen sich ana-
[• kreontische Compositionen von A. Zimmermann an, matt und angelernt

' in der Erfindung, bunt in der Wirkung. — Compositionen aus Aeschylus,

! nach Schwanthaler, sind meist sehr kleine Bilder, pompejanisch bunt

aufgebaut, mit einzelnen schönen Figuren, doch zumeist, und besonders
in der Ausführung, sehr äusserlich behandelt. — Kleine Bilder aus So-
f phokles, ebenfalls nach Schwanthaler,. sind wiederum nur Dekoration,

wie dergleichen zur Genüge auch an anderu Orten geliefert wird. — Mit
innerem Kunstgefühl und sehr erfreulich, wenn auch ohne durchgehend
gediegene Meisterschaft, erscheinen dagegen die Bilder aus Aristophanes,
auch diese nach Schwanthaler. — Scenen aus The.okrit, nach H. Hess
und Andern, sind sehr verschiedenartig; Anmuthiges wechselt mit Unbe-
deutendem und Mattem.

I Die Bilder aus deutschen Dichtern beginnen mit Walther von der

Vogelweide, von Gassen gemalt; sie sind unbedeutend und selir affektirt.
— Die aus dem Parcival, von Hermann, sind studirt, mit trockuer, aller
naiven Frische entbehrender Feierlichkeit. — Die aus Bürger's Gedichten
von Ph. Foltz haben Haltung, ansprechende Naivetät und malerische
Wirkung, wenn auch in Ton und Gefühl ohne tiefere Energie. Sie nähern
sich der Düsseldorflschen Richtung an. — Die aus Klopstock, von Kaul-
bach gemalt, sind bedeutend in der Composition, doch ohne eigentliche
Grösse des Styles und ohne Naivetät in der Gewandung. — Darstellungen
j ' aus Wieland's Oberon sind in einem bunt pompejanischen Friese enthal-

ten; sie rühren von Neureut her her und sind in dessen bekannter Weise
1 componirt, in der Ausführung sehr schwach. Unter dem Friese befinden

I sich andre Scenen aus Wieland, nach Kaulbach's Entwürfen, artig

dekorative Compositionen auf dunkelbraunröthem Grunde, von sehr mässi-
I ger Ausführung, doch gut im Ton. — Darstellungen aus Goethe, von

Kaulbach, verrathen ein entschiedenes poetisches Gefühl, aber nicht die
unmittelbare künstlerische Intuition. In der Gewandung sind sie durch-
• weg schwach conventioneil, in den malerischen Elementen sehr massig. —

Darstellungen aus Schiller, theils von Ph. Foltz, theils von W. Linden-
schmit, sind, bei Mängeln im Einzelnen, einfach edel im Gefühl. —
Darstellungen zu Tieck's Dichtungen, von M. v. Schwind, sind anspre-
f chend und mit innerlicher Poesie durchgeführt. ,,

Im Obergeschoss des neuen Königsbaues ist noch ein Zimmer, anzu-
führen, dessen Hohlkehle, in pompejanisch bunter Anordnung, kleine grie-
chische Landschaften, nach Rottmann's Compositionen, die sich als ar-
tige Dekorationen geltend machen, enthält.

In den unteren Räumen des Fe&tsaalbaues ist eine Reihe von. Sälen
mit Bildern aus der Odyssee geschmückt, nach Sch wanth aler's Zeich-
nungen von Hiltensperger gemalt. Auch diese wiederum sind nicht
sonderlich erfreulich. Die Compositionen sind, dem Gedichte allerdings
selir wohl entsprechend, in einer halb idyllisch landschaftlichen Weise

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Reisehotizen, München. 547

gefasst, aber nicht mit recht naiver Frische durchgefülirt. Es ist viel Her-
kömmliches dariü, und unter diesem sogar das Beste. Der Ausführung
fehlt es ebenfalls an wahrer innerer Kraft und Frische; es sind mehr oder
weniger glänzende Dekorationen, zum Theil in süssen Tönen, die an die
Zeit der Angelika Kaiiffmann erinnern. . >

Die Ffeskomalereien, welche von^H. Hess und seinen Freunden und
Gehülfen in der Allerheilige n-Kapelle ausgeführt sind, haben eine
sehr entschiedene Eigenthümlichkeit. Der fast mystischen Wirkung, welche
das Hervortauchen dieser Gestalten aus dem goldschimmernden Grunde der
Wölbungen hervorbringt, ist bereits oben gedacht. Höchst würdig, ideal
verklärt und in feierlichster Ruhe blicken die Gestalten auf den Beschauer
herab. Diese allgemeinen Eigenschaften sind es, was ihnen den künst-
lerischen Styl giebt; alterthümliche Motive sind bei ihnen nur im Einzel-
nen aufgenommen, nichts von knechtischer Nachahmung der Darstellungs-
weise einer früheren Zeit. Gleichwohl ist bei ihnen Alles, trotz der schö-
nen modernen Behandlung, nur Repräsentation im altchristlichen Sinne,
ist Alles somit symbolisch, mystisch. Reelle Gegenständlichkeit, thatkräf-
tige Wirkung und Wirksainkeit werden nicht erstrebt. Es ist eben durch-
weg ein Bild des neu-mittelalterlichen Katholicismus,. aber in seiner edel-
sten, am meisten berechtigten Gestalt. Im-Allgemeinen sind die Bilder
über den Mittelräumen die gediegneren, und gehören sie zumeist wohl
der eignen Hand des Meisters an.

Aehnlicher Richtung, von denselben Meistern ausgeführt, gehören die
Fresken der Bonifacius-Basilika an. Ich sah dieselben noch nicht
völlig enthüllt. Die Gestalten der Absjs, auf goldnem Grunde, sind treff-
lich, ganz in der Weise von Hess; doch vielleicht ist die entsprechende
Darstellung in der Allerheiligenkapelle noch feierlicher gehalten. Die an
den Wänden ausgeführten Bilder aüs der Geschichte des h. Bonifacius, —
die grösseren dramatisch componirt und mit landschaftlichen Gründen, die
kleineren grau in grau gemalt, enthalten viel Gutes und schöne innige Mo-
tive; doch scheint sich die Richtung der Künstler, — Hess und Schrau-
dolph, der beiden eigentlich bedeutenden unter denen, die hier thätig
waren, — nicht recht in diesem Elemente zu bewegen; es fehlt ihnen die
höhere dramatische Energie, was sich auch in der Zahmheit des maleri-
schen Tones zeigt. Die kleineren Bilder sind zum Theil wirklich befrie-
digender, weil hier das dramatische Element sich wiederum mehr der
symbolisirenden Richtung zuneigt. v '' -

^ f ■ K . ■

Die protestantische Kirche hat ein grosses, al fresco ausgeführ-
tes Deckengemälde von C. Hermann: Christi Himmelfahrt'; zu seinen
Seiten zwei anbetende Engel, über ihm'Gott Vater mit verschiedenen
Reigen von Engelköpfen; unter ihm die beiden weissen Engel und die
Jünger. Es ist ein mathematisch strenger Ernst in diesen Gestalten und
besonders in ihren Gewändern; wo dies nicht der Fall, wie z. B. in dem

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r)48 Kunitreise im Jahr 1845,

bewegteren Christus, wird die Darstellung matt. Die ganze Gefühlsweise
ist entschieden byzantinisch starr; dem entsprechen auch die dunkelnden,
grau-blau-röthlichen Farbenspiele, die ein seltsames Mysterium um die
Gestalten her anzukündigen scheinen. Von edler katholischer Sinnlichkeit
ist Nichts in dem Bilde; insofern könnte man es fast protestantisch nennen.
Aber der Gegensatz gegen das sinnliche Element bringt, in jener düstern
Starrheit, einen fast unheimlichen, höchst zelotischen Eindruck hervor.
Dem gemäss ist aber freilich der Ausdruck der Kopfe zum Theil sehr er-
greifend, besonders der Kopf des einen der beiden weissen Engel, der,
auf die Gemeinde niederblickend, sie mit schmetterndem Eifer zur Beob-
achtung des Yorganges auffordert.

Der grosse al fresco gemalte Fries von Neher am Isarthore, den
Einzug Kaiser Ludwigs in München darstellend, wiederum eins der frühe-
ren Schmuckwerke des neuen München, ist sehr schön componirt und auch
in der Ausführung, bei einfachem Vortrage, sehr edel gehalten. Leider
geht er, dem Wetter ausgesetzt, seinem Untergänge schon entgegen. Das-
selbe-ist der Fall mit den beiden Heiligenbildern über den Seiteneingängen
des Thores.

In den Arkaden des Hofgartens haben sich den Darstellungen aus
der bairischen Geschichte und den italienischen Landschaften von Rott-
mann, in dem, dem' Festsaalbau gegenüberstehenden Flügel, neue Fresco-
bilder angereiht. Die Wände haben hier wiederum eine reiche pompeja-
nische Dekoration ^und oberwärts kleine Bildfelder, die, in sehr grosser
Folge, Darstellungen des griechischen Freiheitskampfes, von Rigas bis auf
König Otto, enthalten. Es sind Compositionen von Peter HessJ ausge-
führt von Nilson. In Berücksichtigung des kleinen Raumes,'der für die
Darstellung der einzelnen Scenen gegeben war, sind diese jedesmal mit
wenigen Figuren, doch zumeist in sehr geschickter Andeutung des Vor-
ganges, vergegenwärtigt. Die Ausführung ist ganz gut. Nur reichen so
beschränkte Mittel auf die Länge allerdings nicht hin: das Ganze wird
dadurch 2uletzt doch bilderbuchmässig, anekdotisch, Ueberhaupt fällt es
einigermassen auf, hier, an der Stelle öffentlichsten Verkehrs, nächst den
italienischen Landschaften, — die, derb dekorativ behandelt, leider mehr
und mehr ihrem Untergange entgegengehen, — wieder das Ausland vor-
geführt zu sehen.

Hiebei ist der in Oel gemalten Schlachtenbilder von Peter Hess zu
gedenken, welche sich im Bankettsaale des Festsaalbaues befinden. Diese
geben durchweg, den Ruhm des Meisters in solchen Darstellungen charak-
teristisch bezeichnend, eine vortrefflich energische Erzählung der jedes-
maligen Thatsache, mit künstlerischen Episoden und in höherer land-
schaftlicher Haltung. — Die andern Schlachtenbilder in demselben Saale,
von Adam u. A., sind weniger interessant. ,

In benachbarten Sälen hängen die gefeierten Bildnisse schöner Frauen
der Jetztzeit, von Stiel er gemalt, — artige Mode-Portraits.

itttfri-A'-Jr ff.-^n-'i.n

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Reisenotizen, München. 549

In einem'Räume des Festsaalbaues, vorläufig zusammengestellt, sah
ich die Bilder mit Ansichten Griechenlands, von Rottmann, die, wie
mir gesagt wurde, zuerst 'in den Arkaden des Hqfgartens (zur Seite der
italienischen Landschaften) gemalt werden sollten und die nun in einer
neu zu bauenden Pinakothek-ihre angemessene Aufstellung finden werden.
Es ist eine bedeutende Reihenfolge von Bildern , in verschiedener Technik
ausgeführt, zumeist in der, von den Münchnern vielfach geübten Wachs-
malerei. Es sind Werke eines wunderbar hohen und ernsten Styles, histo-
rische Landschaften im ächtesten Sinne des Worts.' Eine grosse elegische
Stimmung, ernste Formen und ein entsprechender, doch je nach der Auf-
gabe sehr verschiedenartiger Ton sind ihnen überall eigen. Es weht den
Beschauer aus diesen Naturbildern der Ernst an, der die Basis eines
grossen Volkslebens ausmacht und zugleich dem Vergangensein desselben
entspricht. Die ergreifendsten sind die in kühleren Tönen gehaltenen
Landschaften; einige haben glänzende Lichteffekte, auch diese höchst mei-
sterlich, doch,der Art, dass hier , zunächst wenigstens, das virtuosenmässig
Frappante vorherrscht. Durchweg sind sie mit höchst meisterlicher Derb-
heit und Kühnheit gemalt. — Diese Bilder dürften dem Bedeutendsten der
gesammten Münchener Kunst den Rang streitig machen.

Einige treffliche, in Oel gemalte-Landschaften, von -andern Künstlern,
sah ich im Lokal des Kunstvereins. In eiuTach plastischer deutscher Weise
componirt, waren sie zugleich durch schöne Luft- und Lichtwirkung aus-
gezeichnet. Auch bei ihnen gewährte das gediegen malerische Element
einen wohlthätigen Gegensatz gegen so viel Conventionelles, das zu Mün-
chen ^in den sogenannt höheren Kunstfächern den Vorrang zu behaup-
ten strebt.

Besuch in Kauiba ch's Atelier. Kleiner Karton zum Sturz'Babels
und Ausgang der Stämme in alle Welt. In der Mitte der Babelthurm;
davor der König. Ueber ihmJehovah , dessen Blitz die Götzen zerschmet-
tert, welche fallend den Sohn des Königs erschlagen. Verhöhnendes Volk
auf den Seiten. Vorn die ausziehenden Stämme: links die Semiten
(Asien), patriarchalisch feierlich; in der Mitte die Chamiten (Afrika),
knechtische Götzendiener, rechts das kühne Jägervolk der Japhetiden
(Europa). Höchste symbolische Poesie, aber hier e\ien in adäquater Form.
Ein Totalgedanke, formell schön gegliedert. Hoher künstlerischer Aufbau,
lebendigster innerer Zusammenhang, selbst zwischen den Zügen der Aus-
wandernden,'schärfste. Inäividualisirung,Naivetät und Schönheit. Freie
Völle Gewandung, bei der Grösse des Styles. Ungleich entwickelter als
die Hunnenschlacht und ungleich höher als der Fall Jerusalems.^)

Ich nehme von dem Obigen, was ich 1845 "im Angesichte des kleinen
Cartons geschrieben, Nichts zurück, ob sjch auch bei dem grossen Waudbilde,
welches nach dieser Compositiön in der Treppenhalle des neuen Museums zu
Berlin ausgeführt wurde, wiederum der Bruch zwischen dem künstlerischen
Gedanken und der künstlerischen Intuition und, neben aller Schönheit der Aus-
führung, selbst wiederum ein Mangel an voller, ernstlicher Naivetät kund gege-
ben hat. ■ Die, schon im Technischen mehr syrabolisirende Andeutung eines
kleinen Oartbns und die reale Gegenständlichkeit einer grossen Malerei sind eben
verschiedene Dinge und stellen verschiedene Bedingungen.

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550 Kiiiistrcise im Jahr 1845.

Die letztere Composition gross in Oelfarbe ausgeführt, energisch und
im Einzelnen wunderschön gemalt; aber dadurcli das Ganze, in seiner
Absichtlichkeit und allen Folgen derselben, nicht gebessert!

Andre Gemälde, in denen Kaulbach als ausgezeichneter freier Colorist
erscheint, voll und kräftig, und nur selten noch etwas stiss. Ganz vor-
treffliche italienische Studien, namentlich ein meisterhaft geraalter Hirten-
knabe. Bildnisse; besonders schön und gehalten zwei Münchener Künst-
ler, ganze Figuren im Kostüm des sechzehnten Jahrhunderts, aus einem
Festzuge. König Ludwig, ganze Figur im Hubertusorden-Kostüm, mit vier
Pagen (diese leider etwas süsslich). Alles wundervoll gemalt und auch in
den Stoffen höchst gediegen. j: .

Sammlung der Porzel 1 an gemal d e, im Erdgeschoss der Pinako-
thek. Platten verschiedener, doch nicht sehr grosser Dimension und ele-
gante Teller. Reiche Folge von Copien , besonders der königlichen
Sammlungen. Vorzugsweise gelungen die Nachbildungen der strengeren
Meister, z. B. des schönen Madonnenbildes von Fraucia. Die Haltung in
solchen Bildern ist vortrefflich. Auch Einzelnes von mehr malerischer
Gattung, Giorgione's schönes Portrait, einige holländische Bilder u. drgl.,
ist gut
wiedergegeben. Wo kräftigere kühnere Färbung und Originalität
der Behandlung nachzubilden waren, wie bei Gemälden von Rubens, ge-
nügen die Arbeiten viel seltener. Von so grossen Malereien, wie'in Sfevres,
ist nichts vorhanden. Die Sammlung soll in die neue Pinakothek kom-
men und wird dort hoffentlich eine mehr künstlerische Verwendung, wie
solche bei derartigen Luxuswerken erforderlich ist, erhalten.

Holzschneide-Anstalt von Braun und Schneider. Viele Proben
ihrer Arbeit, namentlich zu der grossen Bibel. Die Behandlung in der
Münchnerisch-stylistischen Weise (nach neuester, minder einseitiger Art),
theils durch die Zeichnung, die häufig sogar mit dem Pinsel auf den Stock
aufgetragen wird, theils eben im Schnitt selbst. Das ganze Institut ist
wiederum ein charakteristischer Beleg für die Richtung der Münchner
Kunst. Die Arbeiten sind trefflich und bedeutend in der Gesammtwirkung
— hier namentlich für den ruhigen S)ffekt des, von Drucklettern umgebe-
nen Holzschnittes, aber ohne die höhere, gefühlte Zartheit der Linienfüh-
rung, während bei uns (in Berlin) die letztere, selbst bis zum Raffinement,
vorherrscht und die Totalwirkung — wenigstens die des Bildes im Buche —
zuweilen unberücksichtigt bleibt. — Die „fliegenden Blätter" dienen zur
fortlaufenden Beschäftigung der Künstler, welche in dem Institut arbeiten.

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lleisenotizeu. Leipzig. 551

Die Walhalla bei Regensburg.

Aeusseres. Höchst edle und grossartige Wirkung des dorischen Pe-
ripteros, eines Hauptbeispiels für die Erscheinung derartiger griechischer
Anlagen. Gleichwohl die Wirkung auch hier noch ungenügend und kalt,
da noch zu viel fehlt: der Schmuck der Metopen und die Detaillirung der
Glieder durch Farbe und Gold. Die Eck-Akroterien nach beiden Seiten
gleich gebildet: — C. Bötticher's Princip für die Formation dieses Baü-
stückes würde ohne Zweifel eine ungleich bessere und richtigere Erschei-
nung geben. Schöne W,irkung der durch Statuen ausgefüllten Giebel,
besonders des hinteren mit den Figuren der Hermannschlacht, die, so
schlecht sie an sich sind, doch den Raum sehr rhythmisch ausfüllen."—
Die kolossalen Unterbauten würden einen viel leichteren Eindruck machen,
vi^enn ihre Ecken mit Statuen und.
Gruppen-besetzt wären.

Das Innere in der"Haupt-Dispostiou und demgemäss in der Haupt-
wirkung sehr glücklich (wie ich dies schon früher, bei einer Besprechung
der Zeichnungen des Gebäudes, dargelegt hatte), nur keineswegs genügend
durchgebildet. So in mehrfacher Beziehung im Architektonischen an sich,
z. B. dass die Pilaster hinter den Karyatiden i'ehlen, u. drgl. So in der
Farb'e. Der braunrothe MarmQr der Wände ist zwar sehr schön und das
anderweitig Farbige und Vergoldete, auch an den Karyatiden, im Allge-
meinen nach gutem Princip angeordnet; aber die Farben sind nicht hin-
länglich charakteristisch entschieden und auch nicht fein genug, daher ihre
Wirkung unschön und bunt wird. So auch in der Disposition, indem die
Büsten an den Wänden füglich in einem mehr architektonischen Rhythmus
aufzustellen gewesen wären und insbesondere die Victorien-Statuen von
Rauch zu verloren und bedeutungslos, zum Theil auch durch die Büsten
beengt, dasitzen oder stehen. Ihnen wäre eine, irgendwie tabernakelartig
ausgestattete Aufstellung zu wünschen gewesen.

Uebrigens geben auch diese Victorien wieder einen bezeichnenden Be-
leg des Unterschiedes-der Berliner und der Münchener Kunstrichtung, Sie
sind, zumal im Vergleich mit Schwanthalers rohen Arbeiten, mit unend-
licher Schönheit ausgeführt, verrathen aber fast in zu holiem Grade das
subjectiv leidenschaftliche Streben des Meisters nach höchster Vollendung
und entbehren mindestens für ihren äusseren Zweck der Bezugnahme auf
eine architektonische Totalwirkung. .

Der Fries ;von Wagner, der im Inneren die Wände der Walhalla
schmückt, ist von sehr reicher und mannigfaltiger Composition, doch im
Eindruck etwas monotön, indem der Styl sich, bei aller Durchbildung, in
einer conventionellen, zumeist der klassischen Schule augehörigen Weise
bewegt und die naive Freiheit der Natur hiemit keinesweges verbun-
den ist.

Leipzig.

Zwei Denkmäler in der Promenade, ein altes und ein neues, beide
charakteristisch in ihrer Art.

Das eine ist Gellerts Monument: —' ein ^äulenstück, eine grosse

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552 Kunstreise im Jalir 1845.

Urne, Kinder und das Reliefbild des liebenswürdigen Mannes-, — aus
Chodo-wiecky's Zeit und in seinem Geschmack, in den Kindern artig naiv.

Das andre ist das Monument Sebastian Bach's. Es ist wie ein
Heiligenhäuschen spätromaiiischen Styles behandelt; ein kleines Taber-
nakel, von einem eleganten Säuleubündel getragen, an jeder Seite eine
Arkade, darüber Giebel und Spitzen. In der vorderen Arkade, seltsam
kleinlich angeordnet, ganz eng eingeschlossen, Bach's stark vortretendes
Gesicht en face. In den drei andern Arkaden Flachreliefs: — in der einen
eine Orgelspielerin mit einem Knaben, der den Balg der Orgel bewegt,
in der zweiten eine Singschule, — diese beiden originell naiv und an-
muthig; auf der Rückseite eine Figur, welche etwa die heilige Tonkunst
vorstellt. Der zarte Sculpturstyl, wie er hier zur Anwendung gekomnien,
— lebhaft an Rietschels schöne Arbeiten erinnernd, — ist übrigens Bach's
mächtiger Derbheit sehr wenig analog. Auch das Architektonische er-
scheint zu kleinlich.

Ueber das Monument wird mir von befreundeter Hand aus Leipzig die
folgende Mittheilung gemacht: — »Wir verdanken Mendelssohn's Pietät gegen
Bach das Denkmal desselben an der Thomasschule, Jener hatte seine Freunde
Beudemann und Hübner über die architektonische Anordnung berathen, diese
wiederum Semper u. A. Das Architektonische hat endlich Steinmetzmeister
Hill er in Dresden ausgeführt; die Büste Bachs und die schönen Reliefs dage-
gen rühren von unserm hiesigen geschickten Bildhauer Hermann Knaur
allein her."

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1

BERICHTE, KRITIKEN, ERÖIITERÜNGEN.,

1845 — 1846. - ■ , ■
#

Ueber den Pauperismus auch in der Kunst".

f »

(Kunstblatt 1845, No. 71 f.)

V'

i:

/

Es ist ein eignes Schauspiel, wie unsre Zeit, mitten in 'dem Hasten
und Drängen nach persönlicher Geltendmachung und nach raschem Gewinn,
sich plötzlich von einem scharfen Weh durchzuckt fühlt, wie sie, einen
Augenblick wenigstens, still steht und um sich schaut und nach Heilmit-
teln für jenes Leiden hascht. Die Noth, von der man es gewohnt war,
dass sie leise redete und sich scheu zurückgezogen hieltist auf den off-
nen Markt hervorgetreten und hat ihre Stimme laut erhoben; sie'will auch
ihren Theil vom Leben; sie fordert es um so dringender und ungestümer,
je glänzender der Zug all der Glücksritter an ihr vorüber rauscht. Man
hat das Symptom einer drohenden Gefahr erkannt. "Wohlthäügkeits-
und Hülfs- und Besserungsvereine entstehen aller Orten; Unterstützungen
an Geld'und Arbeit werden gesammelt,' Sparkassen und Prämienkassen
errichtet. Man möchte die Wunden zunähen, ehe die Glieder ganz von
einander fallen; aber (und freilich ist auch das schon genug ausgespro-
chea) die Mittel von aussen werden nichts nützen, so lange man nicht den
innern Keim des Uebels erfasst hat.

Auch die Künstlerwelt hat dieser allgemeine Schreck ergriffen. Auch
hier entfaltet sich plötzlich das Bild beklemmender, peinlicher, düster
drohender Zilstände. Es sind mehr der Producenten vorhanden als der
Abnehmer; der Bildermarkt ist überfüllt, und nur zu häufig kehren die
Arbeiten, die man hoffnungsvoll zur Reise durch die Kunstausstellungen
hingab, in das leere Haus des Künstlers zurück. Die Kunstvereine haben
eine Masse von Künstlern geschaffen, die ihr Geschäft frischweg auf eigne
Rechnung gründeten: dem Privatbedarf an Bildern, je nach dem Geschmack
daran und nach'den vorhandenen Mitteln zu ihrer Erwerbung, ist jetzt
zum- grösseren Theil. sein Genüge gethan. Manches Umfassende für die
Kunst ist durch das Interesse und die Liebhaberei einzelner Hochstehender
veranlasst; mit Sorge muss man des Tages gedenken, wo der eine oder
der andre unfer den Mäcenaten vom Schauplatz seiner Thätigkeit abgeru-

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554 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

■r

feu wird. Einzelne geniale Meister, einzelne verzogene Lieblinge der Zeit
sieht man allerdings von den Geschenlien der Glücksgöttin überschüttet;
in die Thür Andrer ist es oft nicht gar erfreulich hinein zu schauen. Bunte
Bilder und glänzende Rahmen zeigen uns unsre Ausstellungen; könnten
sie uns die Geschichte ihrer Entstehung erzählen, sie würden uns manches
Mal minder bunt bedünken. Man muss Künstler in Arbeit und Noth ha-
ben hinsiechen und hinsterben sehen, um das Alles in seiner nackten
Wahrheit empfinden zu können. Es ist dies zwar nicht eben ein Zustand,
den die Welt erst heute kennen lernt; Künstlers Erdenwallen ist ein altes
Kapitel, Aber so ausgebreitet, so häufig und wegen dieser einfachen
Wiederholung so schmerzlich wie heut ist dieser Zustand vielleicht noch
nicht dagewesen.

Auch in der Künstlerwelt treibt die allgemeine Noth zur nächsten
Abwehr, zur Bildung von Unterstützungsvereinen, wie deren in jüngster
Zeit mehrere und an verschiedenen Orten, in Deutschland und ausserhalb
Deutschlands, entstanden sind. Mau sammelt durch festgesetzte Beiträge
und durch den Ertrag künstlerischer, für die Zwecke des Vereins unter-
nommener Arbelten Gelder, um damit dem vorzüglichst Bedürftigen unter
den Genossen beispringen zu können; man forscht nach, wo einem der
Genossen die bittre Sorge um seine und der Seinen Existenz am Herzen
nagt und doch vielleicht ein edler Stolz ihn das auszusprechen hindert:
man reicht ihm gern die Gabe mit verschwiegener Hand, ihm wenigstens
einen Theil seiner Freudigkeit am Schaifen zurückzugeben. Das Bestreben
ist schön, ist alles Beifalls würdig; aber all die einzelne, augenblickliche
Hülfe wird den bedrohlichen Zustand des Ganzen auf keine Weise ab-
wehren können. Dazu bedarf es andrer Maassregeln.

Doch sind diese ünterstützungsvereine in tieferer Beziehung ein sehr
erfreuliches Zeichen der Zeit; doch ist es vielleicht nicht zu gewagt, auf
sie, sofern sie umfassendere Nachfolge und festere Consolidirung finden,
anderweitige Hoffnungen für die Kunst selbst zu gründen. Es scheint
mir, dass von ihnen aus sich ein festerer genossenschaftlicher
Zusammen-
schluss der Künstler bilden kann, gewissermaassen ähnlich, aber'zeitge-
mäss umgeformt, wie es in ferneren Jahrhunderten die (zu den Handwer-
lcern gehörigen) Künstler-Innungen waren. An die Stelle der 'letzteren
traten weiland die Akademieen, wo die Künstler unter festlichem Gepränge
zusammen kamen, wo sie gleich den Leuten der Wissenschaft, Sitzungen
und Reden hielten, wo aber insgemein, weil das Nichts dieser Einrichtun-
gen doch schon von vornherein allzuklar zu Tage lag, den Sprechern eine
besondre Belohnung für ihre Aufopferung, ein „Jetton" verheissen werden
musste^ Diese Art von Künstlerakademieen ist verschwunden. Aber Zu-
sammenhalt thut dennoch den Künstlern Noth, weil es überall in der
menschlichen Natur liegt, dass der Einzelne im Verbände mit Gleichstre-
benden sich nothwendig gekräftigt fühlt, weil Ernst, Eifer, Treue, Ehre
des Berufes dadurch gefördert und gehoben werden, wie durch kein an-
dres Mittel, weil überhaupt die Kunst nur gross wird, wo eine Gemein-
samkeit der Bestrebungen zu Grunde liegt. Gemeinsames Leben an einem
Ort, Zusammenkunft aus geselligem Interesse, oder welcher zufälliger An-
lass es sonst sein möge, schafft jedoch diesen Zusammenhalt noch nicht,
der auf einer festen, gegebenen Nothwendigkeit beruhen muss.. Ich sehe
ihn in jenen Unterstützungsvereinen vorgezeichnet, in denen der Genoss,
sofern er sich überhaupt als ehrenwerthes Mitglied bethäUgt, sich am

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Ueber deu Pauperismus auch in der Kunst. 555 •

Nachhaltigsten seiner Vereinzelung enthoben fühlen, in denen er, eine be-
ruhigende Bürgschaft gegen plötzlich hereinbrechende Unglücks- und i
Nothfälle finden muss. Es scheint mir in der Natur der Sache zu liegen,
dass eine folgerichtige Bildung dieser Vereine einen sehr nachhaltigen r
Einfluss auch in weiteren Beziehungen auf das gesellige oder genossen- ^
schaftliche Dasein der Künstler und somit auf' die Kunst selbst aus- l
üben wird. ' .. • ^ \
Ich komme indess auf jene allgemeinere Noth der Gegenwart zurück, ' [
die aus der Ueberfülle der Producenten entspringt. Der Grund des Uebels
liegt hier klar genug zu Tage, die Abhülfe nicht ebenso. Man meint; es
komme jetzt vor Allem darauf an, die jungen Leute nach Möglichkeit -von |
dem künstlerischen Berufe abzuhalten; die Unglückseligen, die einmal in f
dem letzteren drinsteckten, müssten allerdings zusehen, wie sie sich durchs
Leben schlügen; später doch würde die Zahl der Arbeiter sich wieder ),
verringern. Die Meister und die Vorsteher der Kunstschulen müssten nur
recht.streng sein und jeden zurückweisen, der keine geniale Befähigung f
hätte. Das ist ein sehr ehrenwerther Grundsatz und nicht bloss -für heut,
sondern für alle Zeit zu empfehlen; nur ist die Ausführung eben ein we-
nig schwer. Einmal ist es ein sehr kritisches Ding, die geniale Befähi- r;
gung, die überdies so tausendgestallig Jst, zu erkennen: dann, komnit"es
bei der "Wahl des Künstlerberufs keineswegs auf diese allein, sondern
wenigstens in gleichem Maasse auch auf die Kraft des WiHens an; dann
wird die Lust an der verführerischen Aussenseite der Kunst immer gar
gross bleiben. Endlich ist es überflüssig, von.dieser Maassregel für deu
vorliegenden Fall ein besondres Heil zu erwarten, da die scheinbar un-
günstige Gonstellation des Augenblicks wenigstens eben so sehr von der
"Wahl des Berufs abschrecken wird, und da, falls das Blatt sich einmal
wieder wenden sollte, die jungen Kunstbeflissenen ganz unbedenklich
wieder in Schaaren herbeiströmen würden. " 5
Ich sehe nur einen Ausweg, um dem in Rede stehenden Uebel gründ- |
lieh für"jetzt wie für die Folgezeit abzuhelfen, — denselben, auf den ich
schon vor Jahren, ehe der Ruf der Noth noch so allgemein war, hinge- i
deutet habe. Vielleicht, ,dass die gegenwärtigen bedrohlichen Zustände |
eindringlicher darauf hinweisen; wir wollten sie dann in "Wahrheit seg- ■
nen! Ich meine, dass die Kunst, die zu ihrem Schaden sich seit Jahr- . |
hunderten von dem Handwerke scharf abgesondert hat, die Pflicht habe, ]
mit demselben wieder in nähere Verbindung zu treten, 'dass zwischen ;
Kunst und Handwerk ein breiteres Uebergangsmoment geschafi'en werden j
muss, dass in diesem, d. h. dem Kunsthandwerk, die mittleren Kunst-
talente eine höchst angemessene und glückliche Sphäre finden würden, (
und dass sich allen denen, denen die Kunst weder Ehre noch Brod-bringt,
'hier ein Schauplatz erfolgreichster Wirksamkeit eröffnen kann. Hier fehlt
es an Händen und wird es so lange daran fehlen, bis die von der Natur
darauf hingewiesenen' Kräfte sich hier angesiedelt haben. Von oben her-
ab, von den Regierungen, ist Manches zur Ausbildung des Kunsthandwer-
kes, geschehen; ab und zu begegnet uns wohl eine erfreuliche Erscheinung
dieses Faches; wie 'wenig das aber im Ganzen sagen will, beweist der
fast übergrosse Ungeschmack, der'darin noch durchweg und vorzugsweise
in den Modeartikeln des heutigen Tages vorherrscht. Seht unsre Mobi-
lienunsre Geräthe und Geschirre, die,gesammte Ornamentik, die unser
tägliches Leben umgiebt, an; wie'unendlich selten begegnen wir da einem

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1408 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

Stück, welches mit durchgebildetem Sinne gearbeitet ist! und nehmen wir
gar die Gegenstände mit figürlicher Verzierung, wie barbarisch sind die-
selben in der Regel, zum Hohn der selbständigen Kunstwerke, die wir
unbefangen in ihrer Nähe aufstellen, gearbeitet! Wie wäre es möglich
gewesen, dass die schnöde, sinnlose Weise des modernen Rococo (das
ächte hat zuweilen seinen ganz guten Kern) die Welt überflutet hätte,
wäre in unsrem Kunsthandwerk nur irgend eine feste, anerkannte Grund-
lage gewesen! Und abgesehen hievon, welch ein ümhersuchen nach allen
Mustern, welch ein Nachmachen, Abformen und Chabloniren, um nur
Dinge schaffen zu können, die eine Art Kunstgepräge haben (selbst da,
wo es auf sogenannt monumentale Schöpfungen ankommt, — exempla sunt
odiosa)! Und endlich, welche Üeberhäufung von Arbeiten bei denen, die
für diese Dinge wirkliches Talent und praktisches Geschick haben! Ihr
armen Maler, die ihr so hübsche Cabinetsbilder malt, erkundigt euch doch
in den renommirten Seiden- und Kattundruckereien nach dem Einkom-
men der besten Musterzeichner, deren ,Thätigkeit ihr vielleicht so gering
achtet!

Ich meine also, dass zunächst ein beträchtlicher Theil der mittleren Kunst-
talente, zu seinem Heil und zu dem der allgemeinen Geschmacksbildung, sehr
wohl daran thun würde, den selbständigen künstlerisöhen Beruf, ,sei es gänz-
lich oder sei es immerhin mit Vorbehalt künftiger Wiederaufnahme, beiSeite
zu setzen und sich statt dessen irgend'- eineni Fache des Kunsthandwerks,
je nach Geschick und Neigung, zuzuwenden. Freilich bleibt ein Wechsel
des Berufs immer eine scliwere und bedenkliche Sache. Wo sich aber so
herbe und nicht zu überhörende Gründe geltend machen, wie heutiges
Tages, da wird sich die Sache einrichten lassen, — vorausgesetzt, dass
der ernstliche Wille, etwaige künstlerische Träumereien gegen eine rüstige
praktische Thätigkeit zu vertauschen, vorhanden ist und vor Allem zu-
gleich die Achtung vor der Würde des Kunsthandwerks. In der That,
was frommen uns doch so viele von den Bildern, die die Wände unsrer
Ausstellungssäle bedecken? wenn ihr in den kleinen Ausschnitt aus dem
Leben, den euer Bild enthält, nicht den Athem der Weltseele hineinzu-
hauchen vermögt, was nützt es uns dann auf die Dauer? Mir scheint es
ein segensreicheres Thun, wenn ihr statt dessen den Dingen, die unser
alltägliches Leben umgeben, denjenigen Adel der Form gebt, der unsern
Sinn und unser Gefühl unbewusst, aber auch ununterbrochen in einer ge-
hobenen Stimmung erhält.. Es ist hier dieselbe Wirkung, wie die des
wahren hohen Kunstwerkes, nur nicht wie bei diesem laut und von oben
herab, sondern leise und von unten herauf. Auch ist, Iganz abgesehen
von jenem gegenwärtigen Nolhstande, der Umstand zu beachten, dass ihr
hier, "WO euer eigenthümliches Feld ist und wo seither der gemeine Hand-
werker pfuschte, euch den Ehrenplatz erringen möget. während ihr in der
selbständigeren Kunst stets vergebens danach streben werdet, oder den
sehr unsichern Besitz eines solchen höchstens einem vorübergehenden Zu-
fall zu verdanken habt. - . . • .

Doch auch abgesehen von all den Verhältnissen, die zu diesen Be-
trachtungen Veranlassung gaben, scheint.es mir dringend wünschenswerth,
dass von vornherein auf diesen Beruf der mittleren Kunsttalente (sofern
sie nicht etwa zu einer untergeordneten Beihülfe an grossräumigen Kunst-
werken verwandt werden sollen) mehr Rücksicht genommen werde, als es
seither geschehen ist, dass man sie solchergestalt des Fluches enthebe, der

fi

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Ueber den Pauperismus auch in der Kunst. 557

eigentlich schon seit dem Zerreissen des naturgemässen Zusammenhanges
zwischen Kunst und Handwerk auf ihnen-haftet, dass man'ihnen das Feld
bereite, welches ihnen vorzugsweise zukommt, iind dem letzteren dadurch
seine einzig angemessene Bearbeitung sichere. Wenn auf der einen Seite
allerdings an diese Talente selbst die Anforderung gestellt werden kann,
dass sie ihren Beruf und die ihnen zukommende Sphäre einer segenvollen
Wirksamkeit erkennen, so darf wohl auch auf der andern Seite der Wunsch
ausgesprochen werden, dass man von oben herab dies"Verhältniss mehr
anerkenne, als seither zu geschehen pflegt; dass man diese Talente nicht
entschieden und völlig von der künstlerischen Laufbahn, wohin sie doch
durch inneren Trieb geführt werden, zurückschrecke, sondern sie vielmehr
auf die Stelle hinleite, die ihnen gebührt und die doch auch sehr we-
sentlich zur Kunst mitgehört; und dass man endlich für diejenige Aus-
bildung, die gerade sie in Betracht ihres eigenthümlichen Berufes .nöthig
haben, die erforderlichen Mittel und Einrichtungen in Stand zu setzen
■wisse. Soviel ich weiss, fehlt es hieran noch in den meisten Fällen. Wir
haben Schulen zur'künstlerischen Bildung der Handwerker, die allerdings
verhältnissmässig fruchtbar wirken, bei denen aber doch in der Regel nur
auf den Handwerker gewöhnlichen Schlages (sofern sein Gewerbe über-
haupt nur mit einer Art ästhetischer Formenbildung zusammenhängt) Rück-
sicht genommen wii'd; und wir haben Kunstschulen zur ausschliesslichen
Bildung eigentlicher höherer Künstler. Diejenigen, die ihrer natürlichen
Anläge nach zwischen beiden in der Mitte stehen, finden sich in'der
ersteren nicht heimisch und können den Ansprüchen der zweiten, so gern
sie'es vielleicht möchten nicht genügen. Für den Mittelstand zwischen
Handwerkern und Künstlern, für die Kunsthandwerker, bedarf es auch |!

einer Mittelschule, die vielleicht zugleich mehr organischen Zusammen-
hang zwischen jenen beiden Gattungen von Schulen hervorbringen könnte.

Gewiss würde die entschiednere Anerkennung des Kunsthandwerkes
in seiner selbständigen Bedeutung allen Instanzen, die hiebei zur Sprache
kommen, die wesentlichsten Vortheile gewähren. .Der mit künstlerischem
Trieb ausgestattete Handwerker findet hier die naturgemässe Sphäre, in
die er sich von seinem ursprünglichen Berufe aus und ohne Gefährdung
desselben erheben kann, während es heute nur zu oft vorkommt, dass er
unter solchen Umständen sogleich meint, sich der Kunst selbst widinen
äu
müssen. Der Künstler,' dessen Beruf zü höherer Leistung sich nicht zur
Genüge documentiren will, wird hier am Besten seine Stellung im'Leben
gründen können, ohne dass er zu befürchten brauchte, bei solchem Verfahren
von dem Kreise künstlerischer Thätigkeit allzustreng ausgeschlossen zu wer-
den. Das Kunsthandwerk aber wird hiebei am Sichersten diejenige Gediegen-
heit wieder finden, die es seit dem Erlöschen der alten Innungen (in denen
Kunst und Handwerk ursprünglich vereinigt waren) eingebüsst hat/ Wie
die Sachen gegenwärtig liegen, werden die Arbeiten des Kunsthandwerkes
entweder durch den gemeinen Handwerker nach eigener sogenannter Er-
findung geliefert,' wobei denn nach allen beliebigen Mustern umhergesucht
wird und diejenigen artistischen Pfuschereien entstehen müssen, von denen
oben die Rede.war. Oder ein wirklicher Künstler, gewöhnlich ein Ar-
chitekt, liefert .das Muster für den besondern ^Fall; wobei aber nur zu
häufig der doppelte Uebelstand entsteht, dass sowohl der Handwerker sich
dennoch in das Vorbjld nicht zur Genüge. hineinzufühlen versteht, als
auch der Künstler sein Vorbild ohne vollständige Kenntniss der zur Aus-

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558 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

1

führung erforderlichen stofflichen Bedingaisse, gewissermaassen ein zu
abstraktes Muster, liefert. Auch die besten Arbeiten, die auf diesem letz-
teren Wege gefertigt werden, tragen daher in den meisten Fällen das Ge-
präge von Aengstlichkeit und Befangenheit an sich, das immer das Kenn-
zeichen der Copie ist. Jene meisterliche Sicherheit und Freiheit, welche
die in Rede stehenden Arbeiten von den mittelalterlichen Zeiten bis in
die Periode des Rococo herab erkennen lassen, wird nur wieder zu erlan-
gen sein , wenn die Arbeiten selbständig, mit wirklicher und unmittel-
barer Vereinigung handwerklicher und künstlerischer Befähigung innerhalb
des Kreises, um den es sich hier überhaupt handelt, gefertigt werden.

Die Betrachtungen der heutigen Künstlernoth haben mich bis zu die-
sem Punkte geführt. Ich hoffe: nicht ohne Grund, da ein, abnormer Zu-
stand überall unbedenklich in einem abnormen Punkte der gesellschaft-
' liehen Verfassung wurzelt. Es wäre Aberwitz, etwa zu meinen, dass eine

Zeit mehr künstlerisch-productives Vermögen habe, als ihren Bedürfnissen
entsprechend ist. Ist an einem Punkte ein Üeberschuss vorhanden, so
muss sich nothwendig an einem andern ein Mangel auffinden lassen. Ich
habe dies für die
Verhältaisse der Gegenwart nachgewiesen und meine
Vorschläge zur gegenseitigen Ausgleichung vorgelegt.

u

)

/

Holzschnitt - Illustration.

(Kunstblatt 1846, No. 1.)

1) Die Ammen-Uhr. Aus des Knaben Wunderhorn. In Holzschnitten
nach Zeichnungen von Dresdener Künstlern. Leipzig, Verlag von

Mayer und Wiegand. Gross 12.

2) ABC-Buch für kleine und grosse Kinder, gezeichnet von Dres-
dener Künstlern. Mit Erzählungen und Liedern von Reinick, und
Singweisen von Ferd. Hill er. Leipzig, Georg Wigands Verlag. 1845. 4.

Die Künstler Dresdens haben sich schon zum zweiten Male zusam-
mengethan, den Kindern eine Weihnachtsgabe zu bereiten, an deren acht
künstlerischer Ausstattung und Behandlung auch der Erwachsene seine
Freude haben könne. Die Ammen-Uhr, der erste, kleinei'e Versuch, hat
bereits viele" Freunde gefunden. Es ist das alte Kinderlied, ^der Mond
der scheint, das Kindlein weint" etc., dessen neun Verse jeder eine be-
sondre Illustration erhalten haben*, als zehntes Blatt ist ein Titelbild
zugefügt, Durchweg bewegen sich die Darstellungen in acht naiver volks-
thümlicher Weise, und besonders gewährt es ein eignes Vergnügen, Meister
' einer so gehaltenen Classicität, wie z. B. Rietschel (den Bildhauer) und

' Bendemann, sich hier in dem harmlosen Kreise hauswirthschaftlicher

Angelegenheiten bewegen zu sehen. Der Holzschnitt entspricht den An-
forderungen, die bei der Betheiligung solcher Meister gemacht werden.

Das ABC-Buch ist ein grösseres und umfassenderes Unternehmen,
das Format ist ansehnlicher," die Zahl der Bilder ungleich bedeutender.

wr

f! ■

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, Holzschnitt-Illustration. , 559

Ganz nach dem Gesetz der ABC-Bücher ist jedem Buchstaben'*ein eignes
Bild gewidmet, w'orauf, in einer Ecke desselben, stets der betreffende
Buchstabe in grossen und kleinen, deutschen und lateinischen Lettern und
ausserdem die Darstellung von Gegenständen, deren Name mit. jenem Buch-
staben beginnt, enthalten ist. Dies gibt also 25 Bilder, denen Sich noch
ein Schlussbild und ein Titelbild anreihpn. Die Gegenstände sind ver-
schiedenster Art, aus dem häuslichen und dem Naturleben und ans dem
Kreise romantischer Interessen, an denen heuer ja auch schon die Kinder,
sei es auch nur durch die reiche Mährchen-Literatur, die für sie geschrie-
ben ist, Theil nehmen. Jeder von den zehn Künstlern, die sich an dem
Buche betheiligt, hat sich hienach die Felder der Darstellung ausgesucht,
die ihm gerade bequem waren, oder erforderlichen FaUs dieselben je nach
seiner Individualität zurechtgerückt. Idylle, einfaches Genre, Landschaft,
humoristische und ernste Scenen wechseln in bunter Folge miteinander ab.
Nicht Alles ist "gerade vom höchsten Werth und auch nicht -Alles hat den
recht schlagenden ABC-Charakter. Aber man wird darum nicht so gar
scharf rechten, da doch des Trefflichen so viel geboten wird. Die Krone
aller Darstellungen ist die der „Mutter" mit. ihrem Kinde von Bendemann;
das Bild hat eine entzückend idyllische Schönheit, wie sie aber auch fast
nur von diesem Meister erwartet werden konnte; auch der Holzschnitt
dieses Blattes, von Geller, ist bei aller Einfachheit mit classischer Mei-
sterschaft, der Richtung der besseren altdeutschen Holzschnitte entsprechend,
durchgeführt. Ausserdem hat Bendemann einen vortrefflichen „Xerxes"
mit einer ergötzlich parodischen Randglosse'geliefert, sowie einen ^Tanz"
von Tyrolern, der aber nicht so vollständig befriedigend ausgefallen ist.
Mit grosser Zartheit und Grazie ist ferner eine „Kiudergrup'pe" von Riet-
schel gezeichnet und auch im Schnitt (Wie es scheint, ebenfalls von Geller)
sehr meisterhaft behandelt. Andre Blätter von Rietschel sind nicht minder
anziehend. Hübner hat in dem Schlussbilde, einem „Z-u zu, mach's
Buch zu", einen Überaus anmuthlgen Kinderscherz geliefert, während .die
andern Bilder seiner Hand nicht in gleicher Weise befriedigen. Eine
andre freundliche Idylle, mit Kindern und Engeln, enthält das Titelbild
von L. Richter, der sich im üebrigen in ergötzlich humoristischen Possen
(„Bildermann" und „Quacksalber") ergeht. 0. Wagner und Th. v.'Oer
bewegen sich im einfacheren Genre, E. Oehme in mehr landschaftlichen
Compositionen, deren kecke Federstriche durch den Holzschneider, E.
Kretzschmar, glücklich wiedergegeben wurden. Noch andre, mehr ro-
mantische Blätter endlich rühmen von C. Pesch'el, A. Ehrhardt und
R. Reinick her.,— Der letztgenannte Künstler, der zugleich als Dichter
schon allgemein geschätzt ist, hat den Text zur Erklärung der Bilder
(96 Seiten) geliefert. Die Anlage des Ganzen war zu stattlich, als dass
hiezu einfache Fibelyerse, nach Art der eigentlichen ABC-Bücher, ausrei-
chend gewesen wären"; so erscheinen denn hier bald Liedchen, bald scherz-
h'aftQ oder ernste moralische Erzählungen, bald Mährchen u, dergl,, Alles
aber in derjenigen frischen Naiv^itäl, die den Dichter dem Publikum schon
so
Werth gemacht hat und die hier allein am Platze ist. Die Lieder sind
ausserdem mit einfach ansprechenden Singweisen begleitet.

Wir haben den Künstlern Dresdens für die anmuthigen Gaben, die
solchergestalt durch'ihr ZuS.^m![nenwirken ans Licht getreten sind, aufrich-
tigen Dank zu sagen. War es auch, trotz der vielfachen Schönheit des
Einzelnen, nicht die Absicht, hiemit gründlich und besonders tiefgreifend

f

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560 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

auf die Kunst einzuwirken, so hat man bei so heitern und ansprechenden
Leistungen auch eben nicht viel danach zu fragen. Un'd doch haben diese
Unternehmungen, wie mich dünkt, zugleich ihre ganz ernsthafte Seite für
die Kunst selbst. Sie^sind das Zeugniss eines schönen gemeinsamen Le-
bens in 'der Kunst, eines frischen Zusammenwirkens auf
einen gemein-
schaftlichen künstlerischen Zweck, und sie müssen dabei nothwendig auf
den künstlerisch genossenschaftlichen Zusammenhalt eine vortheilhafte
Rückwirkung ausüben. Die Kunst bedarf der Gemeinsamkeit der Künstler
und die letztere bedarf einer "Wirksamkeit zur Vereinigung der Interessen
und Kräfte. Solcher Wirksamkeiten giebt es allerdings mehrere, aber eine
gemeinschaftliche Thätigkeit, wie die besprochene, nimmt
hierunter'keine
der letzten Stellen ein. Möge das schöne Beispiel" also recht zahlreiche
Nachfolge finden! »

Kupfer- und Steindruckblätter nach E. Steinle,

(Kunstblatt 1846, No. 11.)

Steinle gehört bekanntlich zu den ausgezeichnetsten Repräsentanten
jener Kunstrichtung, die von Overbeck gegründet wurde und die für
die Anschauung der gesammten geistigen Entwicklungsveihältnisse unsrer
Zeit von so schlagender Bedeutung ist. Es ist die neue Belebung des
alten Katholicismus, der, auf der mittelalterlichen Gestaltung fussend, von
dorther Kraft und Form entnimmt und in den Kunstwerken dieser Rich-
tung oft eine Schönheit und Grazie entwickelt, welche den ausserhalb
Stehenden staunen macht und vielleicht mehr als irgendwelche andre Er-
scheinungen das innerliche Produktionsvermögen dieser Seite des heutigen
Lebens, allem Widerspruch der Andersstrebenden zum Trotz, darlegt.
Uns liegen mehrere Blätter nach Steinlö's Compositionen (aus dem Verlag
von J. Buddeus in Düsseldorf) vor, die das,Gesagte bestätigen und uns
einerseits von der vollen Gültigkeit der genannten Kunstrichtung, anderer-
seits aber auch von_ dem Punkte, wo dieselbe einseitig und somit un-
gültig zu werden beginnt, charakteristische Belege geben. Es sind fol-
gende Blätter:

1) Die Krippenfeier deß heil. Franciscus, auf Stein gezeich-
net von H. Knauth in München. Quer Fol. — Eine kleine Felshöhle, in
welcher eine figürliche Darstellung der Geburt Christi enthalten ist; der
Saum der Höhle mit Lampen umsteckt. Davor ein Altar mit dem Priester
und Chorknaben; knieende Mönche auf der einen, St. Franciscus auf der
andern Seite, der die heranziehenden Gruppen der Landleute, Männer,
Frauen und Kinder, zur Verehrung der heiligen Darstellung einlädt. Ueber
ihm, in den Zweigen eines Baumes, musicirende Engel. Ein als Unter-
schrift dienendes Gedicht enthält die Erzählung von dem Ursprünge der
Krippenfeier, die der heilige Franciscus mit päpstlicher Gep:ehmigung für
das italienische Landvolk gegründet habe und die sich noch in unsern
Weihnachtslichtern,wiederhole. Das Bild führt in einen religiösen Cultus

VI

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Kupfer- und Steindruckblätter nach E. Steinle. 561

von ländlicher und kindlicher Näivetät jein; der demüthig gläubige iind
hingebende Charakter, den die ganze Darstellung hat, stimmt damit aufs
Vollständigste. Alles bewegt sich in zartester und unbefangenster Grazie
und zugleich in jener feierlichen Ruhe, die mit innerer Nothwendigkeit
zu einer gemessenen Stylistik in der Zeichnung führt. Ich wüsste kaum
ein andres Beispiel der gesammten in Rede stehenden Kunstrichtung zu
nennen, das auf ähnliche Weise rein, anspruchlos und darum so höchst
ansprechend erschiene. Die Lithographie ist einfach und sehr sauber.

2) Die sieben Werke der Barmherzigkeit, gestochen von F. A.
Pflugfelder. Hoch Fol. — Sieben kleine Darstellungen auf einem Blatt,
Umrisse mit geringer Schattenangabe. Die Aufgaben überall mit den ein-
fachsten Mitteln gelöst und darum zunächst auf das Gemüth eindringlich
wirkend. Doppelt wirksam durch das s.ehr feine Gefühl in Formenbe-
zeichnung und Ausdruck, das zugleich von dem Stecher in vortrefflicher
Weise -wiedergegeben ist.

3) Der verlorene Sohn, lithogr. von Chr.'Becker. Quer Fol. —
Eine Darstellung schqn entschieiden symbolischen Inhalts, anspruchvoller
als die vorigen und darum minder naiv. Der Künstler ist.nicht recht da-
hin gelangt, die tiefere Bedeutung der Darstellung' in der letztern ganz
aufgehen zu lassen; seine Absicht-und seine künstlerische Thätigkeit sind
hier nicht mehr ganz im Einklänge. Die Hauptgruppe, des Vaters mit
dem Sohne, besonders die Weise wie der Sohn sich jenem in die Arme
wirft, ist zwar nöch,vortrefflich componirt, in der Gestalt des Vaters je-
doch schon eine gewisse Feierlichkeit, die durch den schlichten Vorgang
nicht recht motivirt ist. Die Knaben zur Seite, die Gewand und Schmuck-
kästchen (?) herbeibringen, sind schon, ziemlich entschieden zu blossen
Repräsentanten des Gedankens geworden und haben damit zugleich an; der
Schönheit und selbst an der Richtigkeit der Zeichnung Einbusse erlitten.
(Die Beine des vorderen Knaben z. B. sind ein gut Theil älter als sein

Kopf.) ..

4) Der Heiland als guter Hirt, das verlorene Schaf wieder
findend, gestochen von Franz Keller. Gross Quer Fol. — Eine Felsen-
höhe mit einem trocknen Dornbusch, zwischen dessen Stämmen das Schaf
eingeklemmt: liegt; der Heiland ist die Hohe von jenseit herauf gestiegen
und vor dem Busche niedergekniet, wie es scheint; um das Schaf frei zu
machen. Die hohe Schönheit des biblischen Gleichnisses w^ird Niemand,
läugnen, und eben so wenig, dass .sie einer künstlerischen Darstellung
fähig ist. Aber es muss dann auch eine wirkliche Darstellung'werden,
und b^ solcher kommt' man ohne ein Theil kräftiger und entschiedener
Natürlichkeit nicht zum Zweck. Unser Künstler aber hat sich hier allzü
einseitig an den blossen Gedanken gehalten und aus der Darstellung nur
ein Symbol gemacht, Schon die äusserliche Situation des Bildes ist sehr
bedenklich. Wie dieselbe hier gegeben ist, hatte das Schaf auf keine
Weise eine Veranlassung, sich zwischen die Dornenstämme einzuzwängen;
in dem Dornbusch war nichts zu suchen, dahinter war. tiefer Abgrund,
rechts und links war der Platz frli, Wäre es eine .enge Schlucht, in der
das Thijer sich bewegte, so wäre der Vorfall natürlich gewesen. Vielleicht
indess wollte der Künstler mit der kahlen Dornenhöhe schon an sich einen
besondern Gedanken bezeichnen^ etwa die Qede des Rationalismus, aber er
musste dann die Sache doch jedenfalls motiyiren. Der Heiland soll als guter

Kugler, Kleine Si-hrifleri. Hl.. 36

'J

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562 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

Hirt auftreten und wird als solcher durch den Hirtenstab und den auf den
Rücken herabhängenden Schattenhut bezeichnet. Im Uebrigen aber trägt
er das kirchlich typische lange Heilandsgewand, das zum Hirtenlebeu
nicht passen will und das hier auch von den Dornen des Busches gezerrt
wird. Das macht die, Darstellung aufs Neue unklar. Die altchristliche
Kunst, die den Heiland hundertfach als guten Hirten vorführt, giebt ihm
daher auch in gesunder Naivetät stets das aufgeschürzte Hirtengewand und
oft sogar noch die kurze, gegen den Regen schützende Casula. Er trägt
hier aber auch noch die Dornenkrone und an den Händen die "Wunden-
male, Bezeichnungen, die uns vollends von der eigentlichen Darstellung
abführen. Das Bild sagt also: „ich bin nicht eigentlich was ich bin, und
wenn ihr mich anschaut, müsst ihr an etwas Anderes denken, als was ich
bin." Der Beschauer kann demnach so wenig zur verarmen Theilnahme
für das Bild an sich kommen, wie sie der Künstler gehabt hat. Dass der
letztere nicht mit warmer künstlerischer Begeisterung gearbeitet hat, sieht
man sehr deutlich aus der unentschiedenen, thatlosen Weise, wie der Hei-
land sich dem Schafe gegenüber verhält, und aus der Unbestimmtheit sei-
ner Gesichtszuge in Bezug auf Charakter und Ausdruck. Hiebei hilft: es
nichts, dass die ganze Darstellung übrigens in allen Einzelheiten und na-
mentlich in den Details der Gewandung des Heilands mit seltner Sorgfalt
und Feinheit durchgeführt ist. Der Zwiespalt zwischen Gedanken und
Darstellung hat den Künstler um den eigentlichen Erfolg seiner Mühe ge-
bracht; statt ein reines Kunstwerk zu schaffen, hat er ein religiöses Ten-
denzbild geliefert. — Der Stich ist vortrefflich und mit sehr glücklichem
Verständniss durchgefühi-t. In Betreff der Ausführung gehört das Blatt
überhaupt zu den besten dieser Richtung.

Lithographie.

(Kunstblatt 1846, No. 23.)

1) Christus am Oelberg. Das Originalgemälde befindet sich als Altar-
bild in der königl. Garnisonskirche zu Berlin. Gemalt von Karl Begas.
Lithographirt von Karl Mittag. Verlag von Albert Zsibel in Magde-
burg. Gross Fol. j

2) Die Auferstehung Christi. Das Original, 19 Fuss hoch und 12
Fuss breit, befindet sich als Altargemälde in der Friedrich-Werder'schen
Kirche zu Berlin. Gem. von K. Begas, lith. von K. Fischer. Verlag

von A. Zabel in Magdeburg. Gross Fol.

Begas hat sehr verschiedenartige Stufen in seiner kiinstlerischen Ent-
wickelung durchgemacht; man hat bei der Beurtheilung seiner Werke
mehr als bei denen manches andern Künstlers unserer Zeit den Standpunkt
zu berücksichtigen,-auf dem sie entstanden sind. Das unter Nr. 1 ge-
nannte Gemälde gehört zu seinen früheren Leistungen. Die Composition,
im Ganzen und in den einzelnen Motiven, ist allerdings bedeutend, aber

1 •

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Lithographie. Radiruiigen. 5(53

sie entwickelt sich weder za freier Grösse, noch gewinnt das Beabsich-
tigte überairnaives Leben; ebenso ist auch die erstrebte malerische Wir-
kung noch nicht zu jener unmittelbaren Kraft gediehen, die den Meister
gegenwärtig auszeichnet. Nr. 2 ist schon ungleich mehr durchgebildet und
durch grössere Kraft und Fülle ebenso, wie durch feinere Belebung und
zugleich durch eine grössere Bestimmtheit des Styls ausgezeichnet; das
Ganze ist. aber auch hier von vollkommener künstlerischer Freiheit noch
nicht durchdrungen und manches Einzelne, zumal in jenem Streben nach
bestimmter Stylistik, noch herb. — Die lithographische Arbeit an beiden
Blättern ist röhmlich und die Eigenthümlichkeit eines jeden der beiden
Bilder gut wiedergegeben; namentlich sind in Nr. 2 die Feinheiten des
Originals mit Sorgfalt beobachtet. Beide Blätter sind somit sehr wohl ge-
eignet, die Kenntniss der vaterländischen Kunst, je nach ihren Entwicke-
lungsstadien, verbreiten zu helfen.

3) Neapolitanerin am Mee'^resstrande. Gemalt von Riedel-, lith.
von Mit lag. Der schlesische Kunstverein seinen Mitgliedern für das

Jahr 1846.

Diese Lithographie hat jenes allgemein geschätzte Gemälde von Riedel
zum Gegenstande, welches sich im Besitz der Stiftsdame Fräulein v. Wal-
denburg zu Berlin befindet und durch höchste Anmuth und Lauterkeit des
Lebens, durch glockenreine malerische Behandlung zu den Perlen der
Kunst unsers Jahrhunderts gehört. Die Lithographie ist im Ganzen gut
und ersichtlich mit Liebe durchgeführt, sie gewährt einen ansprechenden
Eindruck und ist schon,geeignet, denen, die das Original kennen, eine
schöne Erinnerung lebhafter zurückzurufen. Denen, die dasselbe nicht
kennen, giebt sie freilich nur einen sehr wenig zureichenden Begriff von
dessen Schönheit; — wie möchte aber überhaupt auch lithographische
Kreide auf völlig'genügende Weise wiedergeben können, was mit allem
Zauber des Lichts und der Farbe gemalt ist?

Radirungen von C. Scheuren. 1842. (Ohne Angabe des Verlegers:)

(Kunstblatt 1846, No. 23.) ' , "

Die Freunde der Radirkunst mögen bestens auf ein Heft geätzter
Blätter aufmerksam gemacht sein, dessen arabeskenartig geschmücktes
Titelblatt die obige Inschrift führt und das, mit Einschluss des Titels,
aus 26 Blättern besteht. Der Künstler, der dieselben gefertigt, ist der be-
kannte Landschaftsmaler in Düsseldorf. Die Radirungen haben verschie-
denartige, zumeist nur sehr kleine Dimensionen, das Heft hat das Forma't
eines kleinen Qüer-Folio. Die dargestellten Gegenstände sind ebenfalls
sehr mannigfaltig. »Einige sind historischen Inhalts: eine kleine Skizze
des Todes Kaiser Karls V. im Kloster St. Just (wenn ich die Scene richtig
verstanden), ein Hamlet auf dem Kirchhofe mit Yorik's Schädel, Andere
sind See- oder Strandbilder. Beladene Barken ziehen ruhig über den
abendlichen Spiegel der Flut hin; Kähne mit Kriegern (etwa Wasser-

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564 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

Geusen) geben einander Signale; Pischerweiber sind am Ufer versammelt;
Fischer nnd Knaben wärmen sich am Strahl der Al)endsonne, auf langer
Bank neben einander gereiht und durch ein altes Gemäuer.vor der Zug-
luft geschützt. Bei weitem die Mehrzahl sind eigentliche Landschaften.
Sumpfiges Stromufer; ein kesseiförmiger See im Gebirge; ein Durchblick
durch den Wald mit dampfendem Meiler; baumreiche Ebenen und andere
Waldscenen; groteske Felsengestaltungen mannigfaltiger Art, einsam in die
Lüfte ragend, oder durch Gewässer und Gebüsch belebt; mancherlei Ar-
chitekturen, die aus der Waldung emporblicken, hier ein buntes Schlöss-
chen, dort eine einsame Mühle, dort ein verlassener, verschneiter Thurm;
hier Fischerhütten am Strom, dort Bauerhäuser am engen Gebirgspfad
u. s. w. — Das Eigenthümliche und Anziehende in der Behandlung dieser
Blätter besteht in dem sicheren Maasse dessen, was zur Vergegenwärti-
gung der Darstellung nöthig war; überall ist mit wenig Strichen der voll-
endete Effekt erreicht. Man sieht, der Künstler hatte das vollste Bewusst-
sein des Gegenstandes und derjenigen Stimmung, in der er ihn darstellen
-wollte, in sich; mit Meisterschaft griff er die charakteristischen Momente
heraus und zeichnete diese mit raschen, festen Zügen hin. So lebhaft sie
empfunden waren, ebenso lebhaft wirken nun diese Züge auf die Phan-
tasie des Beschauers und nöthigen ihn, unwillkürlicli das Bild bis in alle
Details zu ergänzen. Es ist in der That bewunderungswerth, wie diese
scheinbar so flüchtigen Skizzen durchweg eine Naturlebendigkeit, eine Har-
monie, eine malerische Kraft haben, dass sie an Wirkung dem ausgeführ-
ten Gemälde nahe stehen. Sie sind in dieser Beziehung den geschätztesten
Radirungen jener alten Landschaftsmaler, eines Waterloo, Everdingen
und Anderer, die die Nadel auch mit so weiser Oekonomie zu gebrauchen
wussten, zur Seite zu stellen. Bei der heutiges Tages wieder in Auf-
schwung gekommenen Radirung, und namentlich bei der landschaftlichen,
ist man im Allgemeinen mehr auf detaillirte Durchführung, dem eigent-
lichen Kupferstich mehr entsprechend, ausgegangen, und „man hat hiebei
allerdings sehr beachtenswerthe, im Einzelnen überraschende Erfolge ge-
habt. Immer aber bleibt es wenigstens gefahrvoll, sich mit der Radirnadel
auf ein Gebiet zu wagen, wo der Grabstichel mit festerer Machtvollkom-
menheit herrscht; und jedenfalls ist die skizzirte, ich möchte sagen die
epigrammatische Darstellung diejenige, die der Nadel vorzugsweise zusagt.
Freuen wir uns also, dass ein Meister wie Scheuren diese gute alte
Weise wieder zu Ehren gebracht und in ihr gebührendes Recht einge-
setzt hat.

Genrebilder aus dem Oriente. Gesammelt auf der Reise Sr. königl.
Hoheit des Hrn. Herzogs Maximilian in Bayern und gezeichnet von Hein-
rich
V. Mayr etc. Mit erklärendem Texte von Sebastian Fischer,
Dr. etc. Erste Lieferung. Taf. I —V., nebst einem Detailblatt. Stuttgart,
Verlag'von Ebner und Seubert. 1846. Fol.

I

(Kunstblatt 1846, No. 28.)

Die neuere Zeit hat uns mannigfache Darstellungen des Orients, der
Physiognomieen seiner Lokalitäten und seiner Bewohner gebracht, zumeist

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Kupferstich. • 565

jedoch nur einzelne Ansichten, Kostüm- oder Portraitbilder u. dergl. - Der
Zweck des vorliegenden Werkes ist, uns abgerundete Scenen,' die uns
charakteristisch in das Leben und Treiben der Orientalen und in die ge-
sammte Umgebung ihres Lebens einführen, zu geben. Das Werk soll im
Ganzen aus vierzig^^ausgeführten Blättern solcher Art und aus acht Blättern
mit der Darstellung der verschiedenartigsten Utensilien bestehen. Nach
der Inhaltsaugabe wird es sich aber im Wesentlichen auf Aegypten und
die angrenzenden Lande beschränken; doch

war der Künstler, wie auch
der Verfasser des Textes, durch besondre äussere Umstände hinreichend
begünstigt, um mit den Bewohnern dieser Gegenden überall in näheren
Lebensverkehr treten und somit die Darstellungen durchweg nach dem
Leben geben zu können. Die Darstellungen (mit Ausnahme 'der acht Der
tailblätter) werden nach Oelgemälden lithographirt, deren grösserer Theil
sich in der Gallerie Sr.-Majestät des Königs von Württemberg befindet. —
Die vorliegende erste Lieferung enthält zunächst ein aus orientalischen
Emblemen sinnreich aufgebautes Titelbild mit der Dedikation des Werkes
an Se. Maj, den König von Württemberg. Sodann: 1) „Mehemed Ali auf
einer Spazierfahrt", am Ufer des Flusses, von glänzendem berittenem Ge-
folge umgeben; 2) „Irreguläre ägyptische Kavallerie", ein aufrührerisches
Dorf umzingelnd; 3) Aerztlicher Besuch im Harem", für häusliche Sitte
und innere Hauseinrichtung bezeichnend; 4) „Sclavenmarkt in Kairo", eben-
falls^ für einen wichtigen Punkt des orientalischen Lebensverkehrs sehr
bezeichnend; 5) „Hönzes Ali, Hengst von Schübra", mit den dortigen-Ge-
stütgebäuden und Stallmeistern; und 6) das Detailblatt mit einer grossen
Menge im Umriss dargestellter Gegenstände, Pferdegeräth und Waffen-
Lebendige Anschauung, charaktervolle Lebendigkeit und künstlerische Ab-
rund ung sichern diesen Blättern ein entschiedenes Interesse. Der Text
verbreitet sich mit belehrender Ausführlichkeit über den Inhalt der dar-
gestellten Gegenstände. Da die Inhaltsangabe des Gesammtwerkes ausser-
dem eine so reichaltige Auswahl in Aussicht stellt, so wird dem Unter-
nehmen ein verschiedenseitiger Beifall gewiss nicht fehlen.

Ego dilecto meo, et dilectus meus mihi. Friedrich Overbeck
inv. X. Steifensand sc. Düsseldorf, Verlag von Aug. W. Schulgen.

; Gross Fol.

(Kunstblatt 1846^ No. 32.)

Ein Rundbild. Die h. Jungfrau in ganzer Figur, niedrig sitzend, das
Christkind auf ihrem Schoosse liegend und eingeschlafen, sie'mit dem
Antlitze über dasselbe gebeugt. Landschaftliche Umgebung, altes Gemäuer
auf der einen, ein Blick in die Ferne auf der andern Seite. Die Compo-
sition hat jene Harmonie der Linienführung, jenen Adel des Styles, jene
grossartige Anmuth der Gewandung, wodurch Overbeck überall so aus-
gezeichnet ast; nach einer auf einem Täfelchen angebrachten Jahrzahl ist
sie im J. 1838 entworfen. Der Stich ist mit ächter und grosser Meister-
schaft durchgeführt; es ist eine Klarheit, ein
edel gemessener Schwung

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566 Bericlite. Kritiken, Erörterungeu.

der Taillen darin, der mit der linearen Harmonie der Composition aufs
Schönste übereinstimmt. Markvoll und energisch in den Gewandpartieen
durchgeführt, wenn auch verschieden Je nach den verschiedenen Stoffen,
gehen die Taillen im Nackten in die zartesten Schwingungen über; der
Körper des Christkindes namentlich ist mit ungemein anmuthvoller Weich-
heit behandelt. — Und dennoch lässt dies Blatt, wenn wir die stylisti-
schen Schönheiten durchgesehen haben und nach tieferer Befriedigung ver-
langen, uns kalt. Die Composition ist eben das Erzeugniss einer ideellen
Manier, die sich mit dem Schema begnügt, statt dasselbe
zum individuellen
Leben zu erwärmen. Wir sehen nicht ein, warum jene junge Mutter sich
hier, zwischen Blumen und Erdbeeren, so formell repräsentirend nieder-
gelassen hat; wir suchen in der abstrakten Schönheit ihrer Gesichtszüge
vergeblich nach jener innigeren Wärme, die aus einem persönlichen Cha-
rakter, aus dem vollen Gefühle des Moments hervorgeht. Das Zufrieden-
sein mit dem allgemeinen Schema rächt sich im Uebrigen oft genug da-
durch, dass es den Künstler direkt von der Natur, d. h. von der Wahrheit,
abführt, und hat sich
auch in diesem Fall gerächt. Einseitig nur jener
Linienharmonie folgend hat Overbeck der h. Jungfrau einen Hals von so
unförmlicher Länge gegeben, wie ihn nur Parmigianino's verrufene Ma-
donna col collo lungo trägt. Es thut mir leid, dass ich bei einer so
schönen Arbeit zu solcher Ausstellung genöthigt wurde; Aber einem —
nicht einflusslosen falschen Princip muss man entgegentreten, wo es sich
eben geltend zu machen sucht.

Der russische Schlitten. Gemalt von Horace Vernet. Lithogra-
phirt von W. Meyerheim. C. G. Lüderitz'sche Kunstverlagshandlung

in Berlin.

(Kunstblatt 1846, No. 51.)

Dies Blatt stellt uns jenes kleine Meisterwerk des berühmten franzö-
sischen Malers dar, welches auf der Berliner Ausstellung des Jahres 1844
allgemeines Aufsehen machte und welches in der That an künstlerischer
Vollendung und Durchbildung seinen grössten Arbeiten an die Seite ge-
stellt werden darf. Eine Steppe, über die ein Schneesturm hinwirbelt;
ein roher Schlitten, mit drei jagenden Pferden^ bespannt, in dem ein Offi-
cier sitzt, vor dem Sturm zusammengebückt und in den Mantel gehüllt,
während der bärtige Kutscher in seinem dicken Pelz von der unbehag-
lichen Witterung nichts zu empfinden scheint; Krähen und Raben zu den
Seiten der Pferde und in langem Zuge dem Schlitten nachkrächzend.
Alles Tiinzelne in bewundernswerther Lebendigkeit vorgeführt und dabei,
was mehr ist, das Ganze in ächter malerischer Stimninng, gewaltsam
winterlichen Hauch athmend, zusammengefasst. Soweit dies Alles durcli
eine Lithographie wiedergegeben werden kann, löst das vorliegende Blatt
seine Aufgabe in trefflicher Weise; der auch als Maler (besonders in Sol-
datenscenen) rühmlich bekannte Lithograph hat mit einer Feinheit des

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. ' Stahlstich. 567

Verstäudnisses, mit einer Energie in der Behandlung des Einzelnen.ge-
arbeitet und zugleich eine so gehaltene Gesammtwirkung erreicht, dass
das Bhxtt gewiss zu den besten in seiner Art gezählt werden muss.

Stahlstich.
(Kunstblatt 1846, No. 56.)

Iß Berlin sind kürzlich zwei Stahlstiche von bedeutender Dimension
beendet worden, die sowohl von der vortrefflichen Qualification des Ma-
terials für die verschiedenartigsten Stichgattungen als von dem Talent
und der meisterhaften Fertigkeit unsrer Stecher neue, sehr erfreuliche
Zeugnisse geben. Der eine Stich, 15 Zoll hoch und 12 Zoll breit, von
Gustav Lüderitz, enthält das Portrait des Königs Friedrich Wilhelm TV.
von Preussen in halber Figur; er ist nach einem Gemälde von F. Krüger,
in geschabter Manier ausgeführt und von dem Verleger (C. G. Lüderitz in
Berlin) I. M. der Königin Elisabeth von Preussen gewidmet. Das Krüger'-
sche Original, das vor zwei Jahren die Berliner Kunstausstellung schmückte,
ist unbedenklich als dasjenige Portrait des Königs zu bezeichnen, welches
die glücklichste Auffassung mit acht künstlerischer Behandlung verbindet;
bei sprechender Aehnlichkeit ist hierin der tiefere, geistige Ausdruck
lebendig wiedergegeben und zugleich bei dem Ganzen die edelste Haltung
und malerische Harmonie beobachtet. Der Stich hat sich von diesen Vor-
zügen nichts entgehen lassen; er ist eine völlig treue üebertragung'des
farbigen Originals in die einfacheren Darstellungsmittel der Zeichnung.
Bei einer sorglichen und besonders in den Fleischpartieen sehr zart durch-
geführten Modellirung haben wir in dieser Arbeit doch überall das Breite,
Saftige, Markige des Vortrages hervorzuheben, wobei die eigenthümliche
Technik der geschabten Manier, unterstützt von massigem Gebraucfi der
Nadel, die angemessenste Grundlage bot. Die allgemeine Haltung, die
bei der Uebertragung des Gemäldes in die Mittel des Stiches nicht ohne
Schwierigkeit herzustellen war, ist gleichwohl sehr glücklich, erreicht. —
Das zweite Blatt, im Stich 14 Zoll hoch und fast 21 Zoll breit, enthält
eine Ansicht von Salzburg, und ist, nach einer Zeichnung von Biermann,
von H. Fincke gestochen. Wenn Fincke in früheren landschaftlichen
Blättern und namentlich zuletzt in einer Ansicht des Domes von Meissen
nach Schirmer mehr den glänzenden Effekt des Grabstichels beobachtet
hat, so erscheint er in diesem neusten Blatte freier, naiver, und die Füh-
rung des Stichels in etwas der unbefangenen Radirmanier sich annähernd.
Freilich war die Behandlungsweise hier und dort durch die Originale mit
bedingt und dem Charakter der genannten Maler' entsprechend gewählt.
Die vorliegende landschaftliche Composition hat ganz jene, besonders durch
malerische Vorgründe imponirende Kühnheit, die uns überall in Biermann's
Arbeiten entgegenzutreten pflegt." So ist auch iu dem Stich besonders der
Vorgrurid mit seinen Tannen, Felsgestein und altem Mauerwerk höchst
energisch undi wirkungsreich behandelt, während sich Mittelgründe, Ge-
birgsferne und Luft, durch eine forlgesetzte massigere Führung des Stichel's,
auf angemessene Weise abstufen. Bei den Einzelheiten der fernerliegeu-

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568 Berichte, Kritik«u, Eroiteruiigeii.

den GegenstUude ist die besonnene Modellirung (im landschaftlichen Sinne)
hervorzuheben, die doch der Haltung des Ganzen auf keine Weise Ab-
bruch thut. Das Blatt ist zur Gabe für die Mitglieder des Vereines der
Kunstfreunde im preussischen Staate bestimmt.

Der ertrunkene Sohn des Fischers. Gemalt von H. Ritter in
Düsseldorf, lithographirt von Gustav Feckert in Berlin. Verlag von
Albert Zabel in Magdeburg etc.

(Kunstblatt 1846, No. 63.)

Wie in unsrer Literatur, seit Immermann's Münchhausen und Auer-
bachs Schwarzwälder Dorfgeschichten, so macht sich auch in unsrer Male-
rei gegenwärtig eine Richtung mehr und mehr geltend, die von classischen
und romantischen Traditionen und Kostümen absehend, in das innere
Wesen unsres Volkslebens eindringt und uns dasselbe in iiünstlerisch
gerundeter Darstellung zum Bewusstsein bringt, — eine Richtung, deren
charakteristische, kunsthistorische Bedeutung die Zukunft vielleicht noch
besser feststellen dürfte, als es gegenwärtig möglich ist. In einzelnen
Fällen ist man von Bildern dieser Richtung zu tendenziösen Darstellungen,
deren Zwecke ausserhalb der Kunst liegen, vorgeschritten; wir lassen die
letzteren für jetzt dahingestellt und deuten hier nur auf jene schönen, in
sich wieder so vielfach verschiedenen Bilder von Becker, Jordan, Meyer-
heim u. A. m., die zu den trefflichsten der Art gehören. Eins der schön-
sten und gediegensten ist das von H. Ritter, zu dessen Vervielfältigung
die oben genannte Lithographie dient. Es ist das Innere einer Fischer-
wohnung; Genossen und Gehülfen des Fischers haben seinen Sohn, einen
etwa vierzehnjährigen Knaben, ertrunken hereingebracht; vergebliche
Wiederbelebungsversuche sind gemacht worden; die Angehörigen erschei-
nen nun in stummen Schmerz versunken, während die übrigen scheu und
leise mit einander flüstern und nur ein Alter zu dem Vater, einem kräf-
tigen Mann, der im Innern mit Gewalt gegen den Schmerz anringt, beruhi-
gende Worte spricht. Das Bild ist voll lebendiger Charakteristik"; die
naive Sphäre der Gesellschaft, in der der Vorfall sich ereignet, ist in
allen Beziehungen mit Bestimmtheit wiedergegeben, ebenso entschieden
aber auch jener Adel, der einer unverdorbenen Natur durch erschüttern-
den Seelenschmerz aufgeprägt wird, zum Ausdruck gebracht. Zugleich
hat das Original eine malerische Kraft und Stimmung, die das Zeugniss
eines acht künstlerischen Veräenkens in den Stoff, einer acht künstleri-
sciieu Durchbildung desselben ist. Die Vervielfältigung des Bildes durch
die Lithographie haben wir nur mit Freuden zu begrüssen , und um so
mehr, als der Lithograph mit glücklichstem Erfolg bemüht gewesen ist,
sowohl das geistige Element des Ausdrucks als jene energisch malerische
Behandlungsweise wiederzugeben; wir können hinzufügen, dass sich das
Blatt namentlich in letzterer Beziehung durch nicht gewöhnliche Ver-
dienste auszeichnet.

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Medaillenarbeit., Berliner KüustausstelluDg im Herbst 1846, 569

Medaillenarbeit.-

(Kunstblatt 1846,-No. 64.) , ^

fV

In der Berliner Medaillenmönze von G. Loos sind kürzlich ein'Paar
Medaillen erschienen, die eine nähere Beachtung verdienen. Die eine,
kleinere, von nicht viel über 1 Zoll Durchmesser, ist, wie es auf dem
Reverse heisst^ „zur Erinnerung an den Fortbau der Wiesenkirche zu
Soest" gefertigt und enthält auf ihrem Averse ein sehr sauber gearbeitetes
perspectivisches Bild der genannten Kirche mit vollständig restaürirten
Thürmen, zu deren Ausführung (die Restauration der Kirche erfolgt mit
den von dem Könige von Preussen bewilligten Mitteln) wenigstens Hoff-
nung ist. Die andre Medaille, die fast 2 Zoll im Durchmesser hat, ist zur
Erinnerung an die „preussische Generalsynode zu Berlin, 1846", geprägt.
Neben der eben angedeuteten Bezeichnung enthält sie auf ihrem Reverse,
innerhalb einer gothischen Umrahmung, einen bezüglichen Bibelspruch,
auf ihrem Averse aber eine Darstellung der Religion oder der Fides mit
Kelch und Kreuz in den Händen, eine Nachbildung-jener Fides, welche
unter den schönen allegorischen Figuren derivon Andrea Pisano gefertig-
ten Bronzethür der Taufkirche S. Giovanni in Florenz enthalten ist. Zur
näheren Bezeichnung, dass es sich hier um die evangelische Kirche
handelt, ist auf der Bank, auf welcher die Gestalt sitzt, eine geöffnete
Bibel hinzugefügt. Die Gestalt, namentlich die weitfaltige Gewandung,
ist ebenfalls mit grosser Sauberkeit behandelt und gewährt einen würdigen
Eindruck, wenn schon sie, wie es scheint, bei gestreckteren Verhältnissen
etwas starrer in der Haltung ist, als die des florentinischen Originals. Zu
bedauern ist im Allgemeinen nur, dass das neunzehnte Jahrhundert hier
ohne Weiteres vom vierzehnten borgen musste, was--freilich denen, die
einmal ans Borgen gewöhnt sind (und ihre Zahl in der heutigen Kunst^
ist grösser, als man auf den ersten Anblick meinen sollte), wohl nicht
befremdlich sein wird. — Als Verfertiger beider Medaillen hat" sich auf
ihnen der Medailleur Schilling genannt.

Die Kunstausstellung zu Berlin im Herbst 1846.

Üebersichtlicher Bericht.
(Kunstblatt
1847, No. 2 f.)

Die -letzte Berliner Kunstausstellung, die am 1. September geöffnet
und am 15. November geschlossen wurde, stand an Zahl der ausgestellten
Gegenstände mit den glänzendsten Ausstellungen, welche seither in Berlin
stattgefunden, auf gleicher Stufe:. Das Verzeichniss der Ausstellung schloss
in seinen Nachträgen mit der Zahl 1853 ab, wobei zu bemerken , dass

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1422 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

Dicht selten mehrere Gegenstände unter einer Nummer aufgeführt Avaren,
dass daher eine noch höhere Gesammtsumme* angenommen werden muss,
die überschläglich etwa auf 2000 abzuschätzen sein wird. Tn überwiegen-
der Mehrzahl gehörten die ausgestellten Gegenstände den liünstlerischen
Schulen des Inlandes und den besondern Verzweigungen derselben , also
vornehmlich der norddeutschen Kunst, an; doch waren auch aus Süd-
deutschland, aus Frankreich, Belgien und andern Ländern charakteristische
Beispiele für die künstlerischen Richtungen, welche sich dort geltend
machen, eingegangen.

Wie in numerischer Beziehung, so war diese Ausstellung auch in Be-
treff der Breitenausdehnung des künstlerischen Vermögens, durch die Fülle
der Talente, durch die grosse Menge allgemeinhin ansprechender Darstel-
lungen, die sich hier der Betrachtung darboten, sehr beachtenswerth, mehr
als dies vielleicht jemals bei hiesigen Kunstausstellungen der Fall gewe-
sen ist. Es ergiebt sich hieraus das an sich gewiss erfreuliche Resultat,
dass unsre Zeit und dass namentlich auch die norddeutsche Kunst an der
Fähigkeit, künstlerisch zu schaffen und darzustellen, kaum irgend einer
früheren Kunstepoche nachsteht. "Wenn aber dennoch nur eine geringe
Anzahl von Werken vorhanden war, welche die höchste künstlerische
Befriedigung gewährten oder mit genialer Kraft das Urtheil gefangen nah-
men, so beruht dies ohne Zweifel in dem Zustande der Krisis, in welchem
(iberhaupt sich unser gegenwärtiges künstlerisches Streben befindet. Es
scheint eine augenblickliche Unentschiedenheit eingetreten zu sein, in der
einerseits der begeisternde Trieb, andrerseits die unumwundene Hingabe
au das Darzustellende in gewissem Betracht hat nachlassen müssen.
Gleichwohl waren noch manche schöne Nachklänge älterer künstlerischer
Richtungen, waren ebenso bereits manche schöne Keime neu beginnender
Bestrebungen und im Einzelnen zugleich manche Leistungen von ganz
unabhängiger Vollendung wahrzunehmen.

Der Malerei gehören ungefähr drei Viertheile der ausgestellten Gegen-
stände an. Das Verzeichniss führte 1406 Gemälde und Zeichnungen auf;
926 hievon enthielten figürliche Darstellungen, unter denen sich jedoch
406 Bildnisse befanden; 415 waren Landschaften und Prospecte, 64 Still-
leben und Arabesken. — Bei der einheimischen Malerei unterschieden sich
besonders die Leistungen der Düsseldorfer Schule, mit Einschluss der nach
andern Orten übersiedelten Nachfolger derselbeu und die der Künstler
von Berlin und der in hiesigen Schulen Gebildeten. Dieser Unterschied
ist vornehmlich in Betrefl" der Malerei von figürlicher Darstellung be-
achtenswerth.

Die Düsseldorfer Schule war, was die figürlichen Darstellungen
anbetrifft, nicht hinreichend vertreten, indem eine Anzahl ihrer ausge-
zeichnetsten Künstler gar keine oder doch solche Arbeiten eingesandt hatte,
die zu ihrer vollständigen Würdigung nicht hinlänglich geeignet waren.
So durfte es allerdings der ganzen Schule nicht zur Last gelegt werden,
wenn gerade den Darstellungen bedeutenderen Inhalts eine gewisse Schüch-
ternheit und selbst Schwäche, eine Scheu, sich dem Gegenstande entschie-
den und völlig hinzugeben, anzuhängen schien. Immer jedoch musste diese
Erscheinung ein bedenkliches Zeichen' bleiben.

Es liegt zu Tage, dass der lebhafte Schwung, den die^e Schule noch
vor wenig Jahren erfüllte, nachgelassen hat, und dass es, sollen anders
diese zumeist so vortrefflichen Talente der vaterländischen Kunst nicht

/

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Berliner Kunstausstellung im Herbst I84b'.

571

am Ende gar verloren gehen, für sie eines neuen ergreifenden Impulses
bedarf. Nur wo der Gegenstand der iiünstlerischen Darstellung das Ein-
gehen auf ein markantes individuelles Leben unbedingt nöthig machte,, wie.
in einigen wenigen Gemälden geschichtlichen Inhalts, wie in den fein
durchgebildeten Portraits von Sohn und Hildebrandt, in den Genre-
bildern von Jordan, Hasenclever, C. Hvibner, zeigte sich unter den-
hier ausgestellten Bildern auch die entschiedene Darlegung künstlerischer
Kraft und nachhaltigen künstlerischen Willens.

Die gegenwärtige Dresdener Schule ist, der Hauptsache nach, als
eine Abzweigung der Düsseldorfer Schule zu betrachten. Die von Ben-
demann eingesandten Cartons zu einigen der Bilder, welche er im königl,
Schlosse zu Dresden ausgeführt hat, geben neue Belege für den eigen-
Ijiümlichen Adel des Talents und die Feinheit der Bildung, welche diesen
Künstler auszeifchnen, Hessen aber in Etwas doch auch jene höhere Energie
und Unmittelbarkeit vermissen.'. Unter den bedeutenderen Talenten, die
ihm in verwandter Richtung zur Seite stehen, hatte diesmal Metz aus
Brandenburg, in seiner „Vermählung des Tobias," ein Bild von schöner,
in sich abgeschlossener Durchbildung eingesandt; man konnte dies Gemälde
in Auffassung und Behandlung etwa einem schönen Francia vergleichen.
Im Allgemeinen findet das, was so, eben.von der Düsseldorfer Schule ge-
sagt ist, auch auf die Dresdener Schule seine Anwendung; der von J.
Hübner und Bendemann herangebildete jüngere Nachwuchs der letzteren
erschien, einzelne Ausnahmen allerdings abgerechnet, nur als ein abge-
schwächter Reflex der Düsseldorfer Schule. — Aödere Düsseldorfer sind,
gegenwärtig in Frankfurt wohnhaft. Unter den Werken, welche die letz-
teren eingesandt, war besonders 6iu Gemälde von Rethel, „Petrus, wel-
cher den Lahmen heilt," durch die männliche Energie der Behandlung
beachtenswerlh, während die Genrebilder von Becker den schönen Lei-
stungen dieser Gattung, die unmittelbar aus Düsseldorf eingegangen waren,
zugezählt werden mussten.

In Berlin hat sich die Malerei von figürlicher Darstellung nicht zu
einer besonderen Schulrichtung concentrirt. So erschien auch in, den Bil-
dern der jüngsten Ausstellung ein sehr verschiedenartiges Streben ziemlich
unvermittelt neben einander. Der persönliche Einfluss einzelner, jetzt zu-
meist verstorbener Meister, verbunden mit classischen Studien in Rom,
hat einerseits eine Richtung von einer gewissen classischen Strenge zur
Folge'gehabt, von der einzelne, an sich beachtenswerthe, doch nicht be-
deutend hervorstechende Leistungen vorhanden waren. Andererseits hat
ein gewisses romantisches Genre Anklang gefunden, das noch gegenwärtig
durch eine Anzahl von übrigens auch nicht besonders erheblichen Lei-
stungen vertreten wird. Daneben macht sich, in ziemlich breiter Ausdeh-
nung, eine Genremalerei bemerklich, die sich in der Darstellung einfacher
Vorgänge des gewöhnlichen Lebens bewegt und neben manchem. Trivialen
auch manches ganz Ansprechende hervorbringt. Einzelne Künstler, wie
u. A. der Schlachtenmaler Edmund Rabe, erheben sich aus solcher
Richtung zu einer erfreulichen Energie, während sich dieselbe in den Ge-
mälden von F. E. Meyerheim zur seltensten Vollendung entwickelt.
Die Ausstellung besass von dem letzteren acht Gemälde von gleicher,
höchst meisterhafter Gediegenheit, in denen die gemüthliche Seite des va-
terländischen Volkslebens in eben so reiner Naivetät, wie mit acht künst-
lerischem Schönheitssinne zur Erscheinung gebracht war. Unabhängig von

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572 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

diesen Richtungen zeigten sich Andere, wie Kretzschmer (früher in Düs-
seldorf), iu der Darstellung orientalischer Volksscenen thätig. ^

Die Portrait in alerei wird, wie es die grosse Masse der einge-
sandten Arbeiten dieser Gattung bezeugte und wie es in einer grossen
f Residenz nicht füglich anders sein kann, zum guten Theil rein handwerks-

f massig geübt. Einzelne Meister, die sich diesem Fache vorzugsweise ge-

widmet, einzelne Historienmaler, die hierin thätig gewesen sind, hatten
jedoch sehr ausgezeichnete Bildnisse eingesandt. Grossen Beifalls erfreu-
ten sich die Bildnisse von Magnus und sein Portrait der Sängerin Jenny
j Lind galt gewiss mit Recht als eine der ersten Perlen der Ausstellung-,

einfache Naivetät der Auffassung und tiefe Begeistigung, Energie des Le-
? bens und der volle Reiz künstlerischer Harmonie gaben diesem Bilde in

der That einen in seiner Art sehr seltenen Werth. Die von Fr. Krüger
und von Begas gemalten Bildnisse gehörten ebenfalls zu den trefflichsten
Arbeiten ihrer Gattung. Auch noch Andere hatten ihre Aufgabe mit künst-
lerischem Sinne zu erfüllen gewusst.

Die Anzahl eigentlicher Historienbilder, die von Berliner Künstlern
eingesandt, war nicht bedeutend. Zu bemerken ist, dass Alles, was mit
Fug zu dieser Gattung gezählt werden kann, sich in der Darstellung von
Scenen der wirklichen Geschichte (im Gegensatz zu Darstellungen poeti-
schen oder symbolischen Inhalts) bewegte. Zwei von diesen Arbeiten,
beide von sehr bedeutender Dimension, nahmen die Aufmerksamkeit vor-
zugsVveise in Anspruch. Das eine war das Bild der gefangenen Wieder-
täufer von Schorn, das das Verdienst bedeutender Compositiou und
scharf ausgeprägter Charakteristik mit' dem Streben nach realer Durch-
dringung der Aufgabe verbindet. Das zweite war eine Scene der Schlacht
von Fehrbelliu, von Eybel, ein Gemälde, in dem die Bewältigung eines
mächtig bewegten Lebens schon mit sehr glücklichem Erfolge zur Aufgabe
genommen ist. Je seiteuer die deutschen Künstler (wenigstens die nord-
deutschen) in neuerer Zeit die Darstellung grossartig bewegter Handlungen
versucht haben, um so mehr musste diese Arbeit Anerkennung verdienen.

Wenn der Wunsch, dass einer solchen Weise künstlerischer Thätig-
keit die entsprechende Förderung zu Theil werden möge, gewiss sehr
wohl begründet ist, wenn dieselbe der vaterländischen Kunst die schön-
sten Erfolge zu versprechen scheint, so muss hiebei jedoch noch eines
dritten unter den Künstlern Berlins, des Malers A. Menzel, dessen Ta-
lent in derselben Weise das Bedeutendste erwarten lässt, gedacht werden.
Von seinem reichen Compositionstalent, von der Schärfe seiner historischen
Charakteristik und ebenso von seinen höchst gründlichen Studien in Be-
treff des historischen Kostüms und was dahin gehört, geben die zahlrei-
chen Zeichnungen, die er für die auf Befehl des Königs Veranstaltete
Prachtausgabe der Werke Friedrichs JI. und früher für die von Kugler
verfasste Geschichte des letztern geliefert hat, hinreichendes Zeugniss.
Eine bedeutende Anzahl der für jene Werke gelieferten Compositionen
war von den Holzschneidern, welche dieselben für den Druck geschnitten
haben, zu der jüngsten Ausstellung eingesandt worden. Ein von Menzel
selbst ausgestelltes grösseres Genrebild legte sein technisches Vermögen iu
Betreff der künstlerischen Ausführung auf sehr entschiedene und beach-
tenswerthe Weise dar. Mit grossen Aufgaben aus der vaterländischen Ge-
schichte versehen, würde dieser Künstler ohne Zweifel wesentlich neue
Erfolge anzubahnen im Stande sein.

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n

Berliner Konstansstellung im Herbst 1846. 573

Was, im Gegensatz gegen die bisher besprochenen Leistungen und
Richtungen, die süddeutsche Historienmalerei anbetrifft, so waren
leider die Schulen von München nur durch ein Paar Künstler vertreten,
deren auf der Ausstellung befindliche Arbeiten von der Grosse und .Ei-
genthüralichkeit der dortigen Leistungen keine Anschauung gaben. Ein
grosses Bild von Rahl in Wien, „die Verfolgung der Christen in den
Katakomben Rom's," zeigte ein ernstliches und energisches Streben im
Sinne der classischen Meister Italiens, das sich von den seit 30 Jahren
befolgten modernen Tendenzen fern gehalten-hat. Von Waldm üller in
Wien war ein durch seine Naivetät ansprechendes Genrebild eingesandt.
Unter den Arbeiten, die von den in Rom ansässigen Deutschen eingesandt
waren, erschien ,vor Allem ein Bild von Riedel, Halbfigur eines römi-
schen Landmädchens, durch die lauterste und zugleich in hohem Grade
eigenthümliche Darstellung des Kolorits, als höchst ausgezeichnet. Auch
unter den Bildern anderer deutsqher Künstler, in denen man die römische
Schule ausgesprochen sah, war manches Beachtenswerthe enthalten.-'

Interessant war es schliesslich, diesen verschiedenartigen Bestrebungen
deutscher Kunst gegenüber auch den markigen Naturalismus, der gegen-
wärtig in der französischen Historienmalerei vorherrscht, durch
mehrere tüchtige Bilder vertreten zu sehen. Hieher gehört zunächst ein
grosses Gemälde von H. Vernet, das Schlachtfeld von Hastings, das,
schon vor 18 Jahren gemalt und nicht in allen Punkten erfreulich, .doch
bereits im vollsten Maasse jene Entschiedenheit der Auffassung, jene Energie
in Darstellung und Behandlung besitzt, wodurch Vernet eine so ausserge-
wöhnliche Stellung in der heutigen :>Kunst eingenommen hat. Diesem Ge-
mälde reihten sich andere von Delacroix, Papety, Girardet, Schef-
fer an, während noch andere zur Beobachtung abweichender und zufli
Theil minder ejfreuljcher Richtungen der. französischen Kunst Gelegenheit
gaben. — Hieher gehören sodann auch die kleinen Gemälde eines jungen
deutschen Künstlers, Martersteig aus Weimar, der, früher iii Düssel-
dorf gebildet, später seine Studien unter Delaroche in Paris fortgesetzt
hat. Das eine dieser Bilder, „die Uebergabe der Augsburgischen Confes- -
sion," war in Gesammtauff'assung, feiner Charakteristik in Haltung und
Durchbildung so ausgezeichnet,* dass es, trotz.seines kleinen Maassstabes,
den vollendetsten geschichtlichen Bildern, die in neuster Zeit gefertigt
sind, zugezählt werden muss. Wenn sich hierin ohne Zweifel die vor-
theilhafte Einwirkung seines Meisters (Delaroche) kund gab, so standen
die beiden andern Bilder desselben Künstlers (Scenen aus Luthers Leben),
die nicht früher gfemalt sind, gegen solche Vorzüge erheblieh zurück, so
dass eine abgeschlossene Bildung des Künstlers allerdings noch nicht vor-
ausgesetzt werden darf. '
* Noch ist zu erwähnen, dass auch einige Gemälde figürlichen Inhalts
von belgischen Künstlern, Hunin, Eeckhout u. A., vorhanden waren, die,
wenn sie auch nicht den höchsten Rang einnahmen, doch,die in Belgien i
vorherrschende kräftige Farbenbehandlung bezeichneten.

In den Landschaften, den Seebildern, den Thierstücken
und architektonischen,Prospekten, welche die Ausstellungen be- i

deutender Zähl enthielt, erschien jener allgemeine Reichthum, jene Breite
des künstlerischen Vermögens noch ungleich bedeutender, als in den
Malereien von figürlicher Darstellung. ^Wirklich schlechte oder triviale
Arbeiten zeigten sich hier nur in äusserst geringer Anzahl, was bei jenen

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574 Berichte , Kritiken, Erörterungen,

nicht ebenso der Fall war. Fast durchgehend war das Bestreben wahr-
zunehmen, den eigenthümlichen Anforderungen, die sich aus dem jedesmal
darzustellenden Gegenstande ergeben mussten, möglichst vollständig zu
genügen, die lokale Charakteristik möglichst genau zu erfüllen, auch die-
selbe in künstlerischer Weise auszuprägen. In der bei "Weitem überwie-
genden Mehrzahl der hieher gehörigen Bilder hat dies Streben mannig-
fache glückliche Erfolge gehabt, und so boten sich in ihnen landschaftliche
Charakterbilder dar, die, mochten sie uns die Zustände deutscher Natur
oder die Schweiz, Italien, Griechenland, Hindostan und Brasilien vorfüh-
ren, mochten nordische oder italische Bauten, Scenen des Hirten- oder
Jagdlebens diesseits oder jenseits der Alpen in ihnen dargestellt sein, stets
das Interesse des Beschauers hervorzurufen geeignet waren. Aber auch
bei ihnen war die Anzahl derjenigen Werke nicht bedeutend, die eine
tiefere, wahrhaft künstlerische Befriedigung gewährten. Ueber das bloss
stoffliche Interesse des Gegenstandes gingen dennoch nur wenige dieser
Bilder hinaus; nur wenige vermochten es, sich von jener allerdings noth-
wendigen realen Basis aus zu' einer eigentlich poetischen Wirkung zu
erheben. Die augenblickliche Unentschiedenheit des gegenwärtigen Stre-
bens, der Mangel eines lebhafteren geistigen Schwunges zeigte sich auch
in dieser Gattung künstlerischer Thätigkeit.

Bei dem Vorherrschen des Stofflichen und dem Unterordnen der In-
dividualität unter das Gesetz des letzteren machten sich in der Landschaft
zugleich keine hervorstechenden Unterschiede der künstlerischen Schulen
bemerklich. Doch waren überhaupt nur wenige Bilder dieser Gattung auf
der Ausstellung vorhanden, die nicht von einheimischen oder in Schulen
des Inlandes gebildeten Künstlern herrührten. Einzelne Namen als beson-
ders ausgezeichnete vor den andern hervorzuheben, hat hier seine Schwie-
rigkeit. Höhere künstlerische Verdienste waren vornehmlich in den Wer-
ken des in Rom zu früh verstorbenen A. Elsasser und in denein von
Behrendsen, früher in Berlin, jetzt in Königsberg, in denen von Grab,
E. Hildebrandt, Bönisch in Berlin, von Schirmer, Lang, Happel,
Portmann in Düsseldorf u.,A. m. zu finden. Unter den landschaftlichen
Thierbildern nahmen die von Steffeck eine bedeutende Stelle ein. —
Die ausgezeichneten Bilder einiger Niederländer, Ruyten, Koeckkoeck,
van Haanen, Verboeckho ven und die meisterhaften Effectstücke von
Aiwazowsky in St. Petersburg reihten sich jenen gediegneren land-
schaftlichen Leistungen der einheimischen Kunst an. •

Im Fache des Stilllebens \\rie in dem der Arabeske war Verschie-
denes vorhanden, was einerseits das Kleinleben der Natur zierlich zu
erfassen, andrerseits das Gepräge einer'ansprechenden Dekoration zu ge-
winnen vermochte. Ein Fruchtstück von Preyer in Düsseldorf zeichnete
sich durch die innere künstlerische Völlendung aus, die durchweg den
Werken dieses Meisters eigen zu sein pflegt. . -

Die Sculptur zählt — mit Ausschluss der Medaillen, deren Anzahl
nach dem Verzeichniss der .Ausstellung nicht genau anzugeben ist —- 106
Nummern. Die geringe Zahl und überhaupt die unzureichende Vertretung
der einheimischen Bildhauerschule auf der letzten Ausstellung erklärt sich
durch die umfassenden Aufträge zu monumentalen Arbeiten, mit denen die
hiesigen Künstler dieses Faches, durch den König, im Einzelnen auch
durch verschiedene städtische Behlorden gegenwärtig versehen sind, so dass

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Berliner Kunstausstellung im Herbst 1846. 575

wm

sie ihre Zeit ausschliesslich diesen noch im Werke begriffenen Arbeiten
widmen mussten.' -

Doch sind wenigstens einzelne Belege für den seltenen Aufschwung,
dessen sich die Berliner Bildhauerschule erfreut, vorhanden. Einige von
Rauch gefertigte Büsten trugen im vollsten Maasse das Gepräge seiner
Meisterhand. Arbeiten ähnlicher Art von hiesigen Künstlern reihten sich
diesen an. Das Modell einer Kolossalstatue Winckelraann's von "Wich-
mann war, bei würdiger Fassung der bedeutenden "Aufgabe, durch die
feine Vollendung der Einzelheiten ausgezeichnet.

Verschiedene einheimische Bildwerke, zum Theil von jüngeren Künst-
lern ausgeführt, zeigten ein derberes naturalistisches Streben, als der hie-
sigen Schule sonst eigen zu sein pflegt. Sehr ausgezeichnet in solcher
Richtung, Belege ganz eigenthümlicher, meisterhaft entwickelter Talente,
waren die mannigfach verschiedenen Thietgruppen von W, Wolff und von
Bürde. Von einigen deutscljen Künstlern in Rom, von Steinhäuser
und E. Mayer, waren gefällig durchgebildete Marmorarbeiten,eingegan-
gen; doch stand der erstere hierin gegen den naiven Ernst der Naturauf-
fassung, der seinen früheren Arbeiten einen so hohen Werth gegeben hat,
leider in etwas zurück.

Die französische Sculptur, die an sich nicht zu derselben künstleri-
schen Entchiedenheit ausgeprägt ist, wie die dortige Malerei, war durch
einzelne Werke von Dum out, David und Rüde repräsentirt.

Von Geerts in Brüssel war eine nicht uninteressante Gruppe, „Maria,
als Königin der Engel gekrönt", in einem gewissen mittelalterlich reli-
giösen Style , wie derselbe in Belgien zur Ausschmücliung gothischer Kir-
chen gelegentlich befolgt wird, auf der Aüsstellung befindlich.

An Arbeiten kleiner Sculptur'sind' zunächst Abdrücke der von
Calandrelli nach Zeichnungen von Cori^elius geschnittenen Kameen, ein
anmuthvolles Elfenbeinrelief von dem Medailleur K. Fischer und ge-
schmackvolle in Silber getriebene Arbeiten von Netto hervorzuheben. —
In dem Fache der einheimischen Medaillen arbeit (das, soweit es für
Privatzwecke thätig ist, leider sehr fabrikmässig betrieben wird) machten
sich besonders die Arbeiten des eben genannten K. Fischer durch ihre
künstlerische Behandlung bemerklich. So zeichneten sich auch die von
Voigt in München eingesandten Medaillen durch künstlerische Eleganz aus.

Der tüchtige einheimische Betrieb des Bronzegussös, dös Eisen-
gusses, der Galvanoplastik wurde durch mehr oder weniger umfang-
reiche, auf der Ausstellung befindliche Arbeiten bestätigt. — Die Berliner
Glasmalerei zeigte sich in ihren, für .den Magdeburger Dom gefertigten
grossen Glasbildern, wenn auch noch nicht als selbständiges Kunstfach,
so doch als ein Kunsthandwerk, das wenigstens den Anforderungen eines
solchen zu entsprechen sorglich bemüht war.

Der einheimische Kupferstich ist in fortschreitender Entwickelung
begrilTen und würde bei grosser Aufgabe das Bedeutendste zu leisten Im
Stande sein. Die Arbeiten der Berliner Kupferstecher, Mandel, Lüderitz,
Fincke u. A. m., die von Steifensand und den beiden K eller in Düs-
seldorf'gefertigten, wurden durch die zu ihrer Seite befindlichen glanz-
vollen Stiche berühmter Ausländer, wie Calamatta, Bridoux, Toschi
nicht verdunkelt. —'.Die einheimische Lithographie zeigte Leistungen,
die Alles enthielten, was von diesem Kunstzweige nur verlängt werden
kann. — Der einheimische Holzschnitt, früher sehr handwerksmässig

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576 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

betrieben, hat sich zu einer aussergewöhalichen Blüthe entfaltet. Hier
hat besonders der Einfluss des hiesigen Malers A. Menzel durch jene
I .i obenerwähnten Zeichnungen, welche er für den Holzschnitt lieferte, un-

i '! ' gemein anregend gewirkt. Die Arbeiten von ünzelmann und den beiden

/ Vogel in Berlin, die auf der Ausstellung beflndjich waren, stehen dem

'i Besten gleich, was in diesem Fache jemals geleistet ist.

Die Architektur — in Rissen oder Modellen — hat auf der letzten
I Ausstellung fast gar keine Vertretung gefunden. Bei der höchst rüstigen

> und vielseitigen Thätigkeit, die in dieser Kunst sowohl im Inlande, als

W im Auslande herrscht, bei der Mannigfaltigkeit der Leistungen und dem

' grossen Interesse, welches die Zusammenstellung derselben hervorbringen

würde, ist es doppelt zu bedauern, dass, wie es scheint, weder die Ar-
chitekten Neigung gehabt haben , in eine solche Concurrenz einzutreten,
I noch die Akademie, sie hiezu näher zu veranlassen. Die wenigen archi-

1 tektonischen Entwürfe, die auf der Ausstellung vorhanden waren, gaben

von dem gegenwärtigen Standpunkte dieser Kunst keine Anschauung; nur
ein Paar von ihnen, namentlich die Compositionen von Gemmel in Kö-
nigsberg (der auf der letzten Ausstellung zugleich als tüchtiger Architektur-
und Landschaftsmaler erschien) nahmen ein höheres Interesse in Anspruch.

(
i'

Die Kunstausstellungen werden beiläufig, wie es in der Natur der
Sache liegen muss, von den Künstlern zu ihrer Empfehlung an das Publi-
kum benutzt. Sie bilden zugleich unmittelbar einen grossen Kunstmarkt,
namentlich für die Werke der Malerei. Auch in dieser Beziehung sind
einige besondre Resultate der letzten Ausstellung zur Sprache zu bringen.

Die Ausstellung enthielt, wie oben bereits bemerkt ist, nach Angabe
des Verzeichnisses 1406 Gemälde. Unter diesen waren 406 Portraits be-
findlieh, die als solche dem Privatbesitz angehörten. Von ,den übrigen
1000 Bildern war bei 218 der Besitzer angegeben, während 455 ausdrück-
lich als verkäuflich bezeichnet waren. Notorisch war die Zahl der ver-
käuflichen Bilder jedoch beträchtlich grösser und gewiss auf mehr als die
Hälfte der ausgestellten Gemälde, nach Abzug der Portraits, abzuschätzen.
Wie viel hievon verkauft worden ist,, möchte'mit numei;ischer Bestimmt-
heit wohl kaum anzugeben sein. So viel zu ermitteln vs'ar., ist die Nei-
gung der Privatpersonen zum Ankauf nur äusserst gering gewesen, indem
von solchen in der That nur einige wenige Bilder gekauft sind. Die we-
sentliche Hoffnung der Künstler beruht einstweilen auf den Kunstvereinen.
Doch hat sich unter den letztern dem- Vernehmen nach diesmal auch nur
der „Verein der Kunstfreunde im preussischen Staat" zu Ankäufen, und
zwar von etwa nur zwanzig Bildern entschlossen. Die Sorge der Künstler-
menge und der Wunsch der Privaten, wo möglich doch für einen «kleinen
Preis zu irgend einem Kunstbesitz zu kommen, haben unter solchen Um-
ständen zu einem eigenthümlichen Auskunftsmittel geführt. Es hätte sich
nemlich für diese Ausstellung (wie versuchsweise auch schon für die
vorige) ein besondrer Lotterieverein gebildet, der Loose zum Preise von
1 Thlr. ausgab und wesentlich den Zweck verfolgte, kleine Bilder anzu-

j.

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Berliner Kunstausstellung im^Herbst 1846, 577

'W-

kaufen und auszuspielen. Dieser „Thalerverein", wie er der Kürze halber
genannt wird, hatte in der That so bedeutenden Anklang gefunden, dass
er es möglich machen konnte, ungefähr hundert Bilder anzukaufen und zu
verloosen. Gewiss hat der durch ihn veranlasste rfege Betrieb seine im-
merhin erfreuliche Seite. Wenn aber schon die grösseren bisher bestehen-
den Kunstvereine nicht mit Unrecht der Vorwurf traf,' dass sie zur Beför-
derung einer, den niederen Interessen gewidmeten Kunstrichtung manche
Veranlassung gegeben haben, so ist dies bei diesem ,,Thalerverein" noch
mehr und fast ausschliesslich der Fall. Er war, wie bereits bemerkt,
darauf hingerichtet, nur kleine Bilder zu massigen Preisen zu kaufen, und
dabei zugleich, wie ausdrückUch öffentlich ausgesprochen wurde, vorzugs-
weise die minder Ibemittelten einheimischen Künstler, diese aber wieder
in möglichst grosser Ausdehnung zu berüclfsichtigen (so dass von Jedem
in der Regel nur e i n Bild gekauft werden sollte). Er hat also einerseits
den gewiss sehr ehrenwerthen Charakter eines Unterstützungsvereines,
kann aber andrerseits in seinen wesentlichen Folgen nur zur Förderung
des Kunstproletariats führen. Hier drängt sich unwillkürlich der Wunsch
auf, dass solcher Wirkung eine nachhaltige Gegenwirkung — durch eine
irgendwie umfassendere, aus öffentlichen Mitteln getragene Verwendung
der Kunst für öffentliche Zwecke — entgegentreten möge.

Die Werke der Sculptur werden im Allgemeinen, der Natur der Sache
nach, mehr auf Bestellung gearbeitet. Für sie kann also eine Ausstellung
nicht in gleichem Maasse die Eigenschaft des Marktes besitzen. Auch hat
bei der letzten Ausstellung, soviel bekannt, kaum ein nennenswerther
Ankauf von Sculpturgegenständen stattgefunden. *

- Berlin, 30. November 1846. ,

i., "

37

_ ! •

Kuglcr, Kleine Schriftcn, UI.

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Ueber

DIE KUNST ALS GEGENSTAKD DER STAATS-

YERWALTUNG,

mit besondrem Bezüge auf die Verhältnisse des preussischen Staates.

(Berlin, 1847.)

„Man kann es überhaupt nicht genng wiederholen:
Kunstgenuss ist einer Nation durchaus unentbehrlich,
wenn sie noch irgend für etwas Höheres empfänglich
bleiben soll."

Wilhelm von Humboldt, im J. 1809,

UOtm

Wie die "Wissenschaft dazu berufen ist, den Menschen geistig frei zu
machen, so ist es die Bestimmung der Kirnst, ihm das Gepräge des gei-
stigen Adels zu geben. Es wird mithin die Staatsregierung, -wenn es
überhaupt zu Ihren Pflichten gehört, die Bildung des Volkes zu fördern
und zu leiten, diese Sorge nicht bloss der Wissenschaft, sondern auch
der Kunst zuzuwenden haben. Und dies um so mehr, als die Kunst in
ihrer Allgemein-Verständlichkeit, in ihrer sinnlichen Kraft einen umfas-
senderen und schnelleren Einfluss auf die Einzelnen wie auf das<ölfent-
liche Leben und dessen Stimmung, auszuüben im Stande ist, aus demsel-
ben, Grunde aber zugleich der Entartung leichter unterliegt und zur
Erschlaffung und selbst, im Widerspruch mit ihrer ursprünglichen Bestim-
mung, zur Gemeinheit führen kann.

Diese wichtige Bedeutung der Kunst für das geistige Leben des Vol-
kes bedingt es ferner, dass sie, — da sie in verschiedenartig sich bethä-
tigende Fächer, in Künste von erheblicher formaler Verschiedenheit
auseinander fällt, — überall in ihrer Gesammtheit gegenwärtig erhalten,
dass nach Möglichkeit auf eine gleichmässige Behandlung derselben von
gemeinsamen obersten Grundsätzen aus hingewirkt werde. Je mehr die
Künste sich von einander trennen, je mehr sie vereinzelt behandelt wer-
den, um so mehr sind sie dem Zufall unterworfen, um so leichter wird

') Auf amtliche Veranlassung abgefasst.

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Uebersicht der Kunstfächer. 579

von ihrer hohen geistigen Bestimmung abgesehen und nur mehr jenes
Aeusserllche an ihnen, wo zunächst dif Entartung beginnt, gepflegt. Wo
dagegen der Kreis der Künste als ein Ganzes von nothwendiger innerlicher
Gliederung ins Leben tritt, da muss auch alles Einzelne, selbst das scheinbar
Zufällige und Spielende, selbst dasjenige, was ganz durch äusserlichen
Zweck bedingt zu sein scheint, seiner höheren Aufgabe treu bleiben.

Die folgenden Bemerkungen sind dazu bestimmt, unter einer Auf-
fassung wie die eben angedeutete und mit besondrer Bezugnahme auf die
im preussischen Staat vorhandenen Verhältnisse eine Uebersicht derjenigen
Gesichtspunkte zu geben, in denen die Kunst als Gegenstand der Staats-
verwaltung, die Fürsorge der letzteren in Anspruch nehmend, erscheint.

Uebersicht der Kunstfächer. ^

Nach der verschiedenen Weise, in welcher die Kunst ins Leben tritt
oder das Kunstwerk vorgeführt wird, unterscheiden sich die beiden Haupt-
Gattungen : der Künste von dauernder und der von vorübergehender
Darstellung.

Als Künste von dauernder Darstellung sind zunächst zu nennen : die
Architektur (in jener weitesten Bedeutung des Wortes, welche das
„Kunsthandwerk" mit einschliesst und für welche von neueren Schrift-
stellern der Ausdruck „Tektonik" angewandt ist) und die Gar te n- K unst.
Beide Künste stehen, in Betreff ihrer räumlichen Erscheinung, in häufiger
Wechselwirkung miteinander. Beide schliessen sich dem einfachsten, ur-
sprünglichen Lebensbedürfniss an und umfassen das Leben in seinen
weitesten Beziehungen; beide sind fähig und berufen, einerseits dem ge-
meinen Bedürfniss die möglichst edle Gestalt zu geben, andrerseits vom
gemeinen Bedürfniss unabhängige Werke in-idealer Behandlungsweise zu
schaffen. ■ -

Ferner gehpren hieher die Künste der Sculptur und der Malerei
mit ihren Nebenfächern. Dies sind wesentlich selbständige und ideellen
Zwecken dienende Künste, weiin schon sie geeignet sind, mit den oben-
genannten auf eine oder die andre Weise in Verbindung zu treten und
sich namentlich auch dem „Kunsthandwerk" als'Dekoration"anzuschliessen.

Zu den Künsten von vorübergehender Darstellung gehören vorzugs-
weise die Dichlkunst und die Musik.. Der Zweck beider ist ein aus-
schliesslich ideeller. Nur in wenigen besondern Fällen wird die Musik
zur Befriedigung eines äusserlich gegebenen Bedürfnisses angewandt, wie
beim Tanz oder beim Marsch und wie — was hier als das ungleich Wich-
tigere hervorzuheben ist — bei der Abhaltung des- Gottesdienstiss in seiner
gewöhnlichen, gesetzlich vorgeschtiebenen Form^ Jede von den genannten
beiden Künsten schafft entweder für sich selbständig, oder es tritt, ein
Zusammenwirken beider ein, indem die Musik sich des dichterisch aus-
geprägten Wortes als Basis für ihre Schöpfungen bedient.

Zu eigenthümlicher, höherer Wirkung entwickeln sich Dichtkunst und
Musik in der plastischen Darstellung ihrer Werke: im recitirenden oder
musikalischen Schauspiel. Als Hülfskünste dieser plastischen Darstel-

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1432 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

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580

lung treten hinzu: die Architektur oder Malerei, für die scenische Deko-
ration, und gelegentlich die Tanzkunst.

Die Tanzkunst, ebenfalls zu den Künsten von vorübergeliender
Darstellung gehörig, erscheint gegenwärtig nicht mehr als eine selbstän-
dige Kunst. Ihrem Begritfe nach ist sie dies zwar allerdings, indem auch
sie ohne allen Zweifel zum schönen Ausdruck geistiger Stimmungen dienen
und zugleich den M'^echsel und die Entwickelung solcher Stimmungen be-
zeichnen kann, ähnlich etwa, wie dies ihrerseits durch die Instrumental-
Musik geschielit. Diese Tanzkunst aber (die u. A. noch Chamisso bei den
Naturvölkern der Südsee kennen lernte) existirt für uns nicht mehr, und
nur gelegentlich finden sich bei der heutigen Ausübung des Kunsttanzes,
besonders wo derselbe sich in der einfachsten Darstellung bewegt, ver-
lorene Andeutungen ihrer Eigenthümlichkeit. Was heute mit dem Namen
der Tanzkunst bezeichnet wird, ist in der Regel nur die Darlegung einer
mehr oder weniger entwickelten körperlichen Fertigkeit, welche mit der
Darstellung andrer körperlichen Fertigkeiten, wie z. B. mit der Kunstrei-
terei, mit dem Ballonspiel (in Italien) u. s. w. parallel steht.

j

Verhältniss zwischen künstlerischer Erfindung und künstlerischer

Ausführung.

Mehrfach verschieden, aber eigenthümlich wichtig für die Behandlung
der Kunst von Seiten der Verwaltung, ist das Verhältniss zwischen der
künstlerischen Erfindung oder Composition und der künstlerischen Aus-
führung. Es ist nöthig, dies Verhältniss je nach seiner Besonderheit bei
den einzelnen Künsten näher anzudeuten.

In der Architektur und in der Gartenkunst beruht die Erfindung
in dem Entwürfe, den der Meister liefert, während die Ausführung des
eigentlichen Kunstwerkes durch die Hände Andrer bewerkstelligt wird.
Doch ist die architektonische Composition fähig, die Art und Weise der
Ausführung bis in die feinsten Details vorzuschreiben, so dass zur Aus-
führung selbst insgemein nur geschickte Handwerker erforderlich sind.
Die gartenkünstlerische Composition muss dagegen dem künstlerischen
Nachempfinden von Seiten der Ausführenden überall ungleich mehr über-
lassen, und es sind hiezu'somit, falls der erfindende Meister die Ausfüh-
rung nicht in allen Punkten selbständig leiten kann, neben den gemeinen
Arbeitern mehr künstlerisch gebildete Gehülfen nöthig.

Bei der Sculptur und der Malerei können ähnliche Fälle eintre-
ten, indem der erfindende Künstler ebenfalls nur eine Skizze liefert und
die Ausführung derselben Andern überlässt; die letzteren müssen hiebei
natürlich eine höchst bedeutende selbständige Kunstbildung besitzen. In
der Regel aber, und dem inneren Wesen dieser beiden Künste gemäss,
hat der erfindende Künstler hier das Werk, wenn auch unter Zuziehung
von Gehülfen, doch im Wesentlichen eigenhändig durchzuführen und ins-
besondre eigienhändig zu beenden. (Es versteht sich von selbst, dass die
nachbildenden Künste, auch der Metallguss, hier nicht mit in Betracht
kommen.) • -

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Künstlerische Erfindung und künstlerische Ausführung. 581

Bei der Dichtkunst und der Musik scheiden sich Erfindung und Aus-
führung zum Theil wieder wesentlich, .und es treten hier zum/fheil sehr
eigenthümliche Verhältnisse hervor.

In der Dichtkunst wird die sinnliche Vermlttelung (die Ausführung)
vielfach scheinbar ganz aufgegeben, da die allgemeine BiJdung einen Jeden
zur Leetüre des Dichtwerkes befähigt. Vollständig pflegt hierauf vor Allem
die prosaische Erzählung (der Roman) berechnet zu sein. Dann tritt je-
doch, als nächste Vermittelung, die Kunst des recitirenden Vortrags hinzu,
der eigentlich für die wahre poetische Composition überall Bedürfniss ist,
indem er dem Dichtwerk erst sinnlich wirkende Existenz giebt und somit
ausführt oder vollendet, was der Dichter selbst nur angedeutet hatte. Der
einfache (unplastische) Vortrag des Dichtwerkes kommt indess gegenwär-
tig, sofern es sich dabei um Ausübung einer wirklich -künstlerischen Thä-
tigkeit handelt, nur sehr selten zur Anwendung.

In der Musik sind Composition und Ausführung in der Regel völlig
geschieden, und wiederum wird von den ausführenden Musikern bedeu-
tendes Kunstvermögen und Kunstverständniss erfordert, da auch der Com-
ponist die beabsichtigten Intentionen überall nur andeuten, nicht aber,
wie der Architekt, bis ins letzte Detail vorschreiben kann.

Ganz eigenthümlich ist endlich das Verhältniss der ausführenden
Kräfte zur Composition in den für die plastische Darstellung — für die
Bühne — geschaffenen Dicht- oder Musikwerken. Neben der zunächst
erforderlichen sinnlichen Vermittelung durch gesprochenen oder gesun-
genen Vortrag tritt hier, in der plastischen Ausführung, welche gleichzei-
tig von dem Schauspieler verlangt wird, ein ganz neues, von dem Dichter
oder Componisten zwar empfundenes, aber auf keine Weise vorgebildetes
Element hinzu.. Der Schauspieler ist also derjenige unter den nur aus-
führenden Künstlern, der am meisten eigne künstlerische Schöpferkraft
besitzen muss.

Bei den Künsten der Sculptur, der Malerei und der Poesie (bei der
letzteren aber nur, sofern sie einen Gegenstand der Lectüre ausmacht) ist
sonach die gesammte künstlerische Thätigkeit'in der des einzelnen Mei-
sters abgeschlossen^ während sich bei den übrigen Künsfen Erfindung und
Ausführung unterscheiden urid die verschiedenartigen Kräfte, auf die es
hiebei ankommt, gleichmässig Pflege und Berücksichtigung erfordern: Es
tritt hiebei aber noch ein drittes Element künstlerischer Thätigkeit ein,
welches ebenfalls, je nach den betreffenden Kunstfächern, auf Berücksich-
tigung Anspruch hat: das der künstlerischen D i recti o n, die bei der
Ausführung von Werken der Architektur, der Gartenkunst, der mehrstim-
migen Musik und der dramatischen Poesie erforderlich ist. Es liegt in
der Natur der Sache, dass diese Direction am Angemessensten, wenn nicht
durch den Erfinder selbst, so doch durch Meister des betreffenden Kunst-
faches ausgeübt wird. So ist es auch in der Architektur, der Gartenkunst,
der Musik der Fall; nur bei der dramatischen Poesie hat sich, in Folge
der gesammten, von dem Theater schon seit lange eingeschlagenen Rich-
tung, das sonderbare Verh-ältniss ergeben, dass man hiebei den Dichter,
von dem doch das sicherste Verständniss des Dichtwerkes erwartet werden
muss, am wenigsten in Anspruch zu nehmen pflegt.

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582 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

Die Kunst in ihrem Verhältniss zur mercantilen Speculation.

Ein andres allgemeines Verhältniss, welches für die^ Behandlung der
Kunst von Seiten der Verwaltung ebenfalls sehr bedeutende "Wichtigkeit
hat, betriift ihre, je nach den verschiedenen Fächern verschiedenartige
Fähigkeit, einen Gegenstand der mercantilen Speculation zu bilden. Es
ist nöthig, die Art und Weise, wie dies Verhältniss sich in den einzelnen
Fällen gestaltet, ebenfalls näher anzudeuten.

Bei der Architektur und Gartenkunst tritt im Allgemeinen, und
namentlich bei den Werken von höherer künstlerischer Bedeutung, der
Gesichtspunkt der Speculation nicht hervor. Nur in einzelnen unterge-
ordneten Fällen kommen hier besonders Bauwerke, welche dem gemeinen
Bedürfniss dienen, in Betracht. — Das gesammte Kunsthandwerk findet
dagegen in der mercantilen Speculation eine wesentliche Stütze. — Die
architektonischen und gartenkünstlerischen Entwürfe können vervielfäl-
tigt werden; sie haben aber kein Interesse für das allgemeine Publikum,
sondern nur für den kleineren Kreis der Kunstverständigen, namentlich
der Techniker von Fach.

Das Werk der Sculptur kann Gegenstand des Kunsthandels werden.
Es liegt indess in der Natur der Sache, dass dies einestheils nur Origi-
nalwerke von kleinerer Dimension, anderntheils die Abgüsse von solchen,
in Metall und vornehmlich in Gyps, betrifft. — Im Fache der Malerei
bildet das Staffeleigemälde, namentlich das kleinere, einen schon ausge-
dehnten Gegenstand des Handels. Kupferstich, Holzschnitt, Li-
thographie u. s.w. sind insgemein ganz auf den Handel angewiesen. —
Die Originalwerke, in der Sculptur und in der Malerei, werden schon
nicht selten zum Behufe der Vervielfältigung, also der Speculation,
bestellt.

Als eigenthümliche Anstalten, die, wenn sie auch insgemein nicht
zum Behufe der Speculation gegründet sein wollen, doch das Element
derselben nicht abzuweisen vermögen, sind hier die Kunstvereine an-
zuführen. Die Speculation erscheint in ihnen in der Gestalt der Lotterie.

In der Musik bildet die, durch den Druck vervielfältigte Compo-
sition einen sehr umfassenden Handelsgegenstand, wenn gleich derselbe,
immer nicht das gesammte Publikum, sondern nUr den Musiker von Fach
und den kunstgeübten Laien interessirt. ~ Die Musik-Aufführungen sind,
sehr häufig wenigstens, Unternehmungen, bei denen das Element der Spe-
culation mehr oder weniger vorherrscht.

Das Werk der Poesie ist, als gedrucktes Buch, ein für das allge-
meine Publikum bestimmter und geeigneter Handelsgegenstand; das Publi-
kum desselben ist demnach sehr bedeutend und um so grösser, das Werk
mithin der Speculation um so mehr unterworfen, je mehr dasselbe auf die
blosse Leetüre berechnet ist.

Auf die dramatischen Aufführungen endlich wirkt das Ele-
ment der Speculation in der Regel ebenfalls in sehr erheblichem Grade
ein. Theils sind dies Unternehmungen, die geradehin auf den Gewinn
für den Unternehmer berechnet sind, theils ist der Unternehmer, auch
wenn er auf reinen Gewinn verzichtet, bemüht, die bedeutenden Kosten
der Aufluhrung so viel als möglich durch die Einnahme, und den Ausfall

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Oeffüütliche Lehr- und BilduDgsanstalteu für die Kunst. 583

einerseits durch den üeberschuss andrerseits zu decken, also immer so
viel Zuschauer als möglich heranzuziehen.

Ein frisch bewegter Handelsverkehr, eine erfindungsreiche mercantile
Speculation gehöreh zu den Aeusserungen eines rüstigen, gedeihlich sich
entwickelnden Volkslebens; auch auf die artistische Pro'duction haben sie
ihr wohlbegründetes Recht. Der Staat, der überall den Handel schirmt
und fördert, wird somit auch dem Kunsthandel und Allem, was mit ihm
verwandt ist, seine Gunst nicht "entziehen können, und dies um so weni-
ger, als dadurch für die vermehrte Production selbst so viel Gelegenheit
und Veranlassung gegeben ist. Dem Handel und der Speculation ist aber
an dem Werthe des Producirten nur insofern gelegen, als ihnen derselbe
den grösstmöglichen Gewinn, also die möglichst ausgedehnte und an-
dauernde Gunst des Publikums, der grossen Menge., sichert. Er ist also
abhängig von dieser Gunst und führt, als Kunsthandel, rückwirkend auch
der Kunst dieselbe Abhängigkeit zu. Soweit mithin dieser Einfluss herrscht,
macht sich dasjenige, was der Menge im Kunstwerk behagt, also das Ifeicht
Verständliche, das ^sinnlich Bestechende, Reizende, Erschütternde, ■vorzugs-
weise geltend, und die hohe, innerlich sittliche Bedeutung der Kunst ist
in Frage gestellt. Hier,ist einer der wesentlichsten Punkte, wo die Ent-
artung der Kunst beginnen kann, und hier entgegenzuwirken, wird dem-
nach vornehmlich Sorge der Staatsregierung sein müssen. Durch Hinde'r-.
nisse, die sie dem freien Verkehr in den Weg legte, würde 'sie allerdings
nicht einschreiten können; wohl aber ist es ihr möglich, durch die grossen
und mannigfaltigen Mittel zur Belebung und Beförderung der Kunst, über
welche sie zu gebieten vermag, die eben angedeuteten üebel nicht'bloss
grösstentheils aufzuheben, sondern-jenen Verkehr selbst in die, von ihr
begründeten würdigeren Bahnen hineinzuziehen und au ihm einen mitwir-
kenden Genossen zu erwerben.

Unter Voraussetzung der im Vorstehenden angedeuteten allgemeinen
Beziehungen und Verhältnisse sind nunmehr die Punkte, in welchen eine
Einwirkung der Staatsverwaltung auf die Kunst nothwendig oder wün-
schenswerth ist, im Einzelnen näher zu betrachten und hiebei eine Ueber-
sicht der im Inlande vorhandenen Einrichtungen zu geben.

Gründung öffentlicher Lehr- und Bildungs-Anstalten'für die

Kunst.

Zunächst erscheint die Gründuiig öffentlicher Lehr- und Bildungs-
Anstalten für die Kunst von erheblicher Wichtigkeit, da es die Aufgabe
der Schule ist, durchweg die richtigen,' die Würde der Kunst aufrecht
erhaltenden Grundsätze zu wahren und fortzupflanzen, — worauf eben die
Staatsverwaltung vor Allem ihr Augenmerk zu richten hat, — und die
gesammte, so schwierige wie* umfassende technische Durchbildung des

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Die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung.

Künstlers zu vermitteln, — was durch die dem Staate zu Gebote stehenden
reicheren Mittel wenigstens auf ungleich zuverlässigere Weise erreicht
wird, als bei der Bildung in Privat-Anstalten. Die grosse Anzahl künst-
lerischer Lehr-Anstalten, die überall, mehr oder weniger ausgebildet, als
Staats-Institute schon seit geraumer Zeit bestehen, bewährt das eben Ge-
sagte durch die That.

Die in manchen Fällen leider auf Erfahrung gegründete Furcht,, dass
durch diese Staats-Bildungs-Anstalten eine grössere Anzahl von Künstlern
erzogen werde, als Staat und Volk für ihre Bedürfnisse nöthig haben,
muss verschwinden, sobald die Sache nach dem richtigen Princip behandelt
wird. Wir können überzeugt sein, dass, den Gesetzen der ganzen Welt-
ordnung gemäss, zwischen den vorhandenen schaffenden Kräften und den
vorhandenen Bedürfnissen an sich ein Gleichmaass existirt. Es kann so-
mit fürs Erste nur darauf ankommen , das eingebildete Talent von dem
ächten zu unterscheiden, und es wird dies, bei einer aufrichtigen Leitung
des künstlerischen Unterrichts, selten schwer sein. Sodann aber und vor-
nehmlich wird es nöthig sein, den Charakter und das Maass des Talentes
zu erkennen und dasselbe hienach auf die ihm angemessene Sphäre seiner
Thätigkeit hinzulenken. Dies ist schwieriger, aber annähernd wird auch
dies in den meisten Fällen sehr wohl möglich sein.

Es ist hiebei freilich vorausgesetzt, dass jenes tiefe Bedürfniss der
Kunst für das gesammte und namenllich auch für das öffentliche Leben
mit üeberzeugung anerkannt sei, und dass es auch an den sonstigen, zur
Befriedigung dieses Bedürfnisses erforderlichen Einrichtungen nicht fehle.
Sollte der Künstler nach Beendigung der Schule in eine Wüste hinausge-
stossen oder allen Zufälligkeiten eines, der ächten Kunst entfremdeten
Verkehres Preis gegeben werden, so wäre es in der That besser, keine
Kunstschulen, — die in solchem Falle für die Staatsregierung nicht vie-
mehr als nur den Werth eines müssigen Schaugepränges hätten, — zu
gründen.

Auch im Inlande ist für die verschiedenen Kunstfächer eine erheb-
liche Anzahl von Staats-Bildungs-Anstalten vorhanden. Einzelnen von
ihnen stehen Reformen bevor, andre, deren Gründung erst im Werke ist,
w^arten noch der definitiven Bestimmungen zu ihrer Einrichtung und Er-
öffnung, Die Uebersicht gewährt ein für die wesentlichen Punkte sehr
vollständiges Bild.

Die erste Stelle nimmt die Schule für die bildenden Künste
bei der Königl. Akademie der Künste zu Berlin ein, welche die
Architektur in ihrer höheren künstlerischen Bedeutung, die Sculptur und
die Malerei mit ihren Nebenfächern umfasst.' Eine Reorganisation dieser
Anstalt ist schon seit längerer Zeit nöthig geworden, auch sind die Vor-
bereitungen hiezu, dem Vernehmen nach, bereits im Werk. Bei einer
solchen Reorganisation wird es vornehmlich darauf ankommen, dass Ein-
richtungen getroffen werden, um alles nicht die reine Kunst Berührende
von der Schule bestimmt auszuscheiden, sie dagegen nach allen Gesichts-
punkten^ ihrer eigenthümlichen Bestimmung vollkommen auszururiden und
ihre Zöglinge zu freier künstlerischer Meisterschaft emporzuführen. Die
nähere Entwickelung dieser Principien, die eine sehr ins Einzelne gehende
Darlegung nöthig machen würde und die hofl'entlich bald insiLeben treten
wird, ist hier nicht am Ort und bleibt dieselbe besser, falls es überhaupt
erforderlich, einer andern Gelegenheit vorbehalten.

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585

Oefifentliche Lehr- nnd Bildungsanstalten für die Kunst.

Dieser Schule zur Seite, steht die König]. Kunst-Akademie zu
Düsseldorf, welche bis jetzt vorzugsweise zur Bildung von Malern und
Kupferstechern bestimmt ist, zugleich einen massigen Unterricht in der
Architektur ertheilt, auch eine Zeichnenschule für Handwerker enthält.
Die Akademie hat sich nach ihrem eigenthümlichen Princip und den neue-
ren Bedürfnissen des Kunst-Unterrichts entsprechend in einer Weise ent-
wickelt, die inzwischen bei verschiedenen Anstalten des Auslandes noch
bedeutender und umfassender zur Anwendung gekommen ist.

Eine dritte höhere Kunst-Anstalt, ausschliesslich für Maler, soll in
Königsberg eingerichtet werden. Die Verhandlungen hierüber sind be-
endet, der Director der Anstalt ist bereits nach Königsberg berufen, doch
haben die derselben zu gebenden Einrichtungen noch nicht ihre definitive
Bestätigung erhalten.

Mit der König]. Akademie der Künste zu Berlin sind nach ihrer bis-
herigen Verfassung verbunden: eine „allgemeine Zeichnen-Schule"
(ohne Rücksicht auf die künftige I3estimmung der Schüler) und eine
„Kunst- und Gewerkschule" (zur künstlerischen Ausbildung der
Handwerker). Die Rücksicht auf die grosse "Wichtigkeit eines durchgebil-
deten Kunsthandwerkes für das Leben und den Verkehr, die Nothwen-
digkeit, dasselbe zu ähnlicher Höhe zu fördern, wie dies anderwärts (na-
mentlich in Frankreich) der Fall ist, die Ueberzeugung, dass hierin vor
Allem erfolgreich nur durch die Schule gewirkt werden kann, dürfte,
gleichzeitig mit dem erwähnten Reformplane in Betreff der hiesigen Königl.
Akademie, auch für die genannten beiden Schulen erhebliche Verände-
rungen herbeiführen.

In ähnlichem Verhältniss, wie bisher die hiesige Kunst- und Gewerk-
schule zu der hiesigen König], Akademie der Künste', stehen zu letzterer
ferner die Pr ovinzial-Kun s t- un d Gewerkschulen zu Königs-
berg, Danzig, Breslau, Magdeburg, Erfurt. Ob und welche Ver-
änderungen bei ihnen wünschenswerth sein werden, dürfte sich deutlicher
ergeben, wenn die eben angedeuteten Reformen bei der hiesigen Kunst-
und Gewerkschule ins Leben getreten sind. Ebenso, ob etwa noch an
andern Provinzial-Orten Schulen der Art einzurichten sein möchten.

Die genannten Anstalten ressortiren von dem Königl. Ministerium der
geistlichen etc.*Angelegenheiten. Eine Anzahl andrer Bildungsanstalten,
welche das Baufach und die Gewerbe betreffen, ressortirt vom Königl.
Finanzministerium. Sie haben es nicht unmittelbar mit der Kunst zu thun,
doch müssen naturgemäss Beziehungen -auf die letztere auch bei ihnen
eintreten. Desshalb ist. es nicht unangemessen, sie hier wenigstens mit
aufzuführen. Es sind die zur allgemeinen technischen und wissenschaft-
lichen Ausbildung künftiger Baumeister und Baubeamten bestimmte Kö-
nigl. allgemeine Bauschule, das Königl. technische Gewerbe-
Institut, die König]. Bau-Gew erbe sch ule in Berlin und die
zahlreichen Gewerbeschulen in den Provinzial-Städten. —
Mehrfach ist zur Frage gekommen, ob in Betreff des bei der hiesigen Aka-
demie der Künste ertheilten architektonischen Unterrichts ein irgendwie
festzustellendes annäherndes Verhältniss zwischen der Akademie und der
Bauschule nicht angemessen sein würde. Ob dasselbe In Betreff der von
beiden Ministerien ressortirenden Schulen zur Ausbildung der Handwerker
wünschenswerth, dürfte wenigstens für die Provinzialstädte, wo im Allge-

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586 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

meinen eine grössere Concentration der Mittel und Kräfte vortheilhaft
erscheint, in Erwägung zu nehmen sein. —

Für die Gartenkunst besteht eine selbständige und umfassende Bil-
dungsanstalt in der Königl. Gärtner-Lehranstalt zu Schöneberg
und Potsdam, die in verschiedenen Stufen theils die niedere, mehr
handwerkliche, theils die höhere, eigentlich künstlerische Ausbildung
gewährt. —

Bei den vorhandenen Musik-Bildungsanstalten ist vorzugsweise auf
das besondere praktische Bedürfniss, somit auf die Ausbildung der zur
technischen Ausführung des musikalischen Kunstwerkes erforderlichen
Kräfte, Rücksicht genommen. Unter den Staatsanstalten Berlins sind dem-
gemäss dem kirchlich praktischen Bedürfniss gewidmet: das Königl.
Institut für Kirchenmusik (das sogenannte Orgelinstitut), welches
zur Ausbildung von Organisten und Cantoren, sowie auch von Gesang-
und Musiklehrern für Gymnasien und Schullehrer-Seminarien bestimmt ist,
— und die Königl. Dom-Gesangschule, die zunächst für die spe-
ciellen Bedürfnisse der hiesigen Hof- und Domkirche, zugleich aber im
Allgemeinen zur Verbesserung des Kirchengesanges gegründet ist. — Für
die Bedürfnisse der Königl, Bühne sind die Theater-Bildungsschu-
len für Musik, welche Gesang und Instrumentenspiel umfassen, bestimmt.

Für ein tieferes Verständniss der Musik soll zunächst die Professur
der Musikwissenschaft an der hiesigen Königl. Universität wirk-
sam sein, während die Schule für musikalische Composition bei
der hiesigen Königl. Akademie der Künste zur höheren künstleri-
schen Ausbildung Gelegenheit geben, das selbständige Schaffen lehren
und fördern soll.

Die letztgenannte Schule besteht schon seit einer Reihe von Jahren,
ohne, bei dem seitherigen Mangel an zureichenden Mitteln, zu einer um-
fassenderen Entwickelung gekommen zu sein. Bei der Reorganisation der
Königl. Akademie der Künste wird daher auch die weitere Ausbildung
dieser Schule in Aussicht zu nehmen sein. Ausserdem erscheint es nicht
als unausführbar, die sämmtlichen vorgenannten Musik-Bildungsanstalten,
in einer irgendwie passlichen Weise, zu einander in ein innigeres Verhält-
niss zu setzen, auch die für ihre Zwecke wünschenswerthe Verbindung
mit andern Musikanstalten herbeizuführen und namentlich die akademische
Compositionsschule zum Schlussstein eines, nach der Natur der Bedürfnisse
gegliederten Ganzen zu machen, so dass demgemäss auch rückwirkend
sich für die weitere Ausbildung der übrigen genannten Anstalten die ent-
sprechende Gelegenheit ergäbe. Hiedurch würde das, was die musikali-
schen Conservatorien des Auslandes nach mehr abstracten Principien zu
erreichen bemüht sind, in einer ungleich wirksameren, unmittelbarer aus
den Bedürfnissen sich ergebenden Weise zu gewinnen sein. (Auch hier-
über liegen dem Vernehmen nach die Pläne vor.)

Als Provinzialanstalten zur Förderung der musikalischen Ausbildung,
namentlich wiederum in Betreff der kirchlich praktischen Bedürfnisse,
sind anzuführen; das akademische Institut für Kirchenmusik bei
der Königl. Universität zu Breslau, — und das Institut für
Kirchenmusik und Gesang an der Kö nigl. Universität zu Kö-
nig s b e r g. —

Für die Dichtkunst existirt keine eigne Bildungsanstalt. Leben,
Wissenschaft und die Werke der grossen Meister sind die Schule des

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Beförderung des artistischen Betriebes. 587

Dichters. Die äussere Technik seiner Kunst ist kein Gegenstand eines
besonders schwierigen Studiums. —

Die Schauspielkunst entbehrte bei uns bisher ebenfalls, obgleich sie
ganz Kunst-Technik ist und das feinste Kunstverständniss erfordert, aller
eigentlichen Schule; der angehende Schauspieler war allen Wirrnissen
einer von tausend Zufälligkeiten abhängigen Praxis Preis gegeben. Erst
gegenwärtig ist der Plan zu einer, in Berlin zu begründenden Theater-
schule aufgenommen, die Ausführung desselben jedoch für jetzt noch
nicht ins Leben getreten. — Die Theaterschule soll übrigens nur zur
höheren künstlerischen Ausbildung des recitirenden Schauspielers bestimmt
sein, indem die gegenwärtigen mangelhaften Verhältnisse der Bühne,gerade
für das recitirende Fach eine Hülfe vorzugsweise nöthig machen und die
Zugrundelegung einer künstlerischen Ausbildung gerade hier besonders
dringend erheischen. Der Opernsänger wird durch die unbedingt erforder-
liche und ohne anhaltendes technisches. Studium nicht erreichbare musi-
kalische Ausbildung in gewissem Sinne schon künstlerisch getragen; doch
dürfte auch für ihn eine specielle Ausbildung in dem eigentlich dramati-
schen Elemente (dem plastisch-mimischen) nöthig werden.

Zur allgemeinen Bildung des künstlerischen Sinnes im Volk wird
durch Zeichnen und'Gesangunterricht an allen öffentlichen
Schulen gesorgt. — Bei gelehrten Schulen sind gelegentlich Wünsche
zum wirksameren Betriebe des Zeichnenunterrichts und zur gründlicheren
Ausbildung des Kunstsinnes überhaupt hervorgetreten; sie haben aber nur
da berücksichtigt werden können, wo dies die entsprechenden eigentjiüm-
lichen Verhältnisse zulässig machten; bei den schon hoch gesteigerten
Anforderungen an die gelehrten Schulen haben allgemeine Maassregeln zu
diesem Behuf nicht eingeführt werden können. — Zur Gesangbilduug des
Volkes (namentlich der Gesellen) durch Unterricht und Uebung, und, dem
entsprechend zur Pflege eines ächten Volksgesanges sind einzeihe sehr
erfreuliche Bestrebungen hervorgetreten und wo dies wünschenswerth war,
von der Staatsbehörde gern gefördert worden. Unter Anderm haben die
Erscheinungen solcher Art in Pommern sich als sehr beachtenswerth her-
ausgestellt. '

Beförderung des, artistischen Betriebes.

Nächst der Gründung von Schulen ist, als zweiter wesentlicher Punkt
der Einwirkung des Staates auf die Kunst, die Beförderung des äusseren
artistischen Betriebes zu berücksichtigen, d. h. die Hülfe, welche die Re-
gierung, von ihrem Standpunkte aus, gewissermaassen dem Grunde und
Boden gewähren kann, auf welchem die künstlerische Thätigkeit sich
entfalten soll. '

Hieher gehört als allgemeinstes Bedingniss die gesetzliche Ord-
nung des Verkehrs, also vor Allem die der rechtlichen Verhält-
nisse. Früher genoss das Kunstwerk nur in inaterieller Beziehung, nur
in Betreff des Stoffes oder der technischen Ausführung, einen Rechtsschutz,
und nur Privilcgirte erfreuten sich einer Berücksichtigung von einem

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588 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

hliiWMiiiiii'Nlifi

f.

höheren Standpunkte aus. Durch das Gesetz vom 11. Juli 1837 „zum
Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen
Nachdruck und Nachbildung" ist jedoch für alle Fälle das Recht des er-
findenden Meisters gesichert und somit die höhere geistige Bedeutung der
Kunst auch für die äusseren Verhältnisse des Verkehrs festgestellt.

Die gesetzliche Bestimmung kann unter Umständen aber auch zur
hemmenden Fessel für die Freiheit des künstlerischen Schaffens werden,
und es dürfte in solchen Fällen in Erwägung zu nehmen sein, inwieweit
jene in dem Wesen der allgemeinen Bedürfnisse begründet ist. Hieher
werden die etwanigen Conflikte gerechnet werden müssen, welche sich,
namentlich in Betreff der Architektur, zwischen der Ausführung künstlerischer
Compositionen und den gesetzlich bestehenden polizeilichenEinrichtun-
gen ergeben können. Wenn die romantische und wegen ihrer Naivetät wenig-
stens dem künstlerischen Auge so wohlgefällige Unordnung mittelalterlicher
Städte mit den heutigen Lebensverhältnissen nicht mehr in Einklang zu brin-
gen ist, so ist doch die Frage erlaubt, ob die heutigen polizeilichen Bedürf-
nisse unbedingt zu der gesammten Nüchternheit der heutigen städtischen-
Bauweise haben führen müssen, und ob nicht ein gewisser Grad grösserer
Freiheit in der architektonischen Composition mit jenen Bedürfnissen ver-
einbar sei. Als charakteristisches Beispiel dürfte in diesem Betracht der
Erkerbau (statt der für unser Klima wenig geeigneten Anlage von Balkons)
hervorzuheben sein. Im Erdgeschoss wird die polizeiliche Ordnung aus
guten Gründen keinen Erker verstatten: die Gründe gegen die Anlage
desselben in den oberen Geschossen dürften aber vielleicht nicht so er-
heblich sein, als hiedurch das Innere der Wohnungen an behaglichem
Comfort, besonders aber das Aeussere derselben an künstlerischer Schön-
' heit, die gesammte Strassen-Architektur an Mannigfaltigkeit und lebendi-

ger Charakteristik gewinnen könnte. —

Ferner werden zur Beförderung des artistischen Betriebes diejenigen
technischen Kunst-Ans lalten wesentlich beitragen, die der Staat
i theils für ihm vorbehaltene eigenthümliche Zwecke, theils als Musterbei-

spiele für den Privatbetrieb und zur Anregung desselben einrichtet. Dies
sind namentlich solche Anstalten, in denen-das materiell technische Ele-
ment als ein besonders umfassendes oder schwer zu bewältigendes er-
scheint, deren Leistungen somit eine gediegene Vollendung nur bei Auf-
wendung bedeutender Mittel und bei einer von der Willkür-Hcrrschaft der
Mode unabhängigen Stellung erlangen und bewahren können.

^ Hieher gehören zunächst, als im Inlande vorhandene Anstalten: die

Königl. Münze, die nicht bloss dem Gelde ein künstlerisches Gepräge
giebt, sondern auch selbständige Kunstarbeiten (Medaillen) liefert und
hiebei durch die ihr zu Gebote stehenden umfassenderen technischen Ein-
richtungen unterstützt wird; — die Königl. P orzellan man n faktu r,
die in artistischer Beziehung einerseits für die geschmackvolle Form ihrer
Produkte sorgt, 'andrerseits mit einer Anstalt für Porzellanmalerei, und
zwar sowohl für die einfachsten wie für die künstlerisch durchgebildetsten
Arbeiten verbunden ist; — die hiesige Königl. Eisengiesserei, die
neben den allgemeinen technischen Leistungen, zu denen sie vorzugsweise
bestimmt ist, zugleich Kunstarbeiten (namentlich Arbeiten dekorirender
Kunst) von so ausgezeichneter Vollendung geliefert hat, dass dieselben
noch von keiner andern Nation übertroffen sind.

In Betreff anderer Kunstfächcr sind Anstalten zum Behuf besondrer

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Beförderung des artistischen Betriebes. 589

Ausführungen mit ausserordentlichen Königlichen Unterstützungen einge-
richtet worden, .wie die Anstalten für Glasmalerei, für die', neuerlich
zur Ausübung gekommene Lavamalerei und für den Bronzeguss.
Auch die hieselbst neu errichtete Privat-Anstalt für Galvanoplastik
erfreut sich, wie noch andre technische Kunstfächer, dem Yernehmen
nach des besondern Allerhöchsten Interesses Sr. Majestät. Für den Gyps-
guss existirt ein eigner, durch Fonds des geistlichen Ministeriums unter-
stützter Betrieb im Königl. Lagerhause. Ebenso ist von Seiten der Ver-
waltung der Königl. Museen ein Betrieb der Art, in Betreif der dort vor-
handenen Sculpturwerke, eingerichtet.

Die vorstehend genannten technischen Kunstfächer bilden ohne Zweifel
die'Reihenfolge derjenigen, bei denen eine höhere Einwirkung vorzugs-
weise wünschensvverth ist; ihre Einrichtung und Organisation wird sich
je nach den bisher hervorgetretenen Bedürfnissen gebildet haben. Ob in
ähnlicher Weise noch andre technische Kunstzweige, — etwa behufs der
plastischen Dekoration von Architekturwerken, der monumentalen Malerei
u. dergl. — zu berücksichtigen sein möchten, wird sich wiederum aus den
etwanigen speciellen Bedürfnissen ergeben müssen. — Bei so mannigfalti-
gen und zum Theil mit sehr verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung
in Verbindung stehenden Techniken, bei denen das"materielle Element
von so wesentlichem Einflüsse ist, scheint es übrigens nothwendig,. den
eigentlich artistischen Gesichtspunkt und * die gesämmten Consequenzen
desselben überall mit um so grösserer Aufmerksamkeit und mit steter
Rücksicht auf das höchste Kunstprincip aufrecht zu erhalten. In Gemäss-
heit des bisherigen Organismus der einheimischen Kunst-Angelegenheiten
scheint es nicht unangemessen, dem Senate der hiesigen Königl. Akademie
der Künste die Stellung eines vermittelnden Organs auch für diese Gat-
tungen künstlerischer Thätigkeit zu geben.

Ausser den genannten technischen Kunstfächern kommen hiebei auch
die des Kupferstiches, des Holzschnittes, der Lithographie u. s. w. in Be-
tracht., Ihre etwanige Förderung von Seiten des Staates wird aber besser
im Folgenden, bei Gelegenheit der „Veranlassung zur Ausführung von
Kunstwerken" zu berühren sein. — Die königlichen Anstalten zur Ausfüh-
rung musikalischer und theatralischer Leistungen stehen in gewissem Sinne
ebenfalls den genannten Anstalten zur Beförderung des artisüschen Betrie-
bes parallel; indess findet auch ihre Thätigkeit die angemessnere Berück-
sichtigung unter jenen „Veranlassungen." \;

Endlich ist noch, als unter diesen Gesichtspunkt der Staats-Einwir-
kung gehörig, zu bemerke'n, dass diejenigen technischen Er fin dun-
gen, welche zur Beförderung der Ausübung der Kunst dienen konnten,
von Seiten der Staatsverwaltung stets berücksichtigt worden sind, und dass
des Königs Majestät, um solche Erfindungen gemeinnützig zu machen, den
Erfindern mehrfach ausserordentliche Unterstützungen oder Abfindungen
zu bewilligen geruht haben. --

In andrer Beziehung kann eine Beförderung des artistischen Betriebes
von Seiten des Staates durch Beschaffung eines gediegenen und
V e rhältniss massig wohlfeilen Materiales' in hinreichender Aus-
wahl eintreten. Für die eigenthümlicheh Verhältnisse der Gartenkunst
musste sich die Begründung einer Anstalt zu solchem Zwecke als beson-
ders nöthig ergeben; die Königl, Landes-Baumschule zu Potsdam
ist hiefür eingerichtet und erfüllt bekanntlich ihre Aufgabe in eben so

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inTilii iTi' 11 iVT'BiVT'lllIC-Vff iflliPW'iWpgWpg^

590 Die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung.

umfassender wie fruchtbringender Weise. Ob auch für die andern Künste
ähnliche Anstalten wünschenswerth sein dürften, kann sich nur aus den
jeweiligen besondern Verhältnissen ergeben und muss dem Ermessen der
Sachverständigen vorbehalten bleiben. Ohne dem letzteren vorzugreifen
und nur Beispiels halber mag hier angeführt werden, dass unter Umstän-
den eine öffentliche Niederlage des für Bildhauer und Steinmetzen erfor-
derlichen Materials (namentlich des Marmors) oder die Einrichtung einer
Farbenfabrik, bei der durch die Aufsicht von Seiten der Verwaltung die
Aechtheit und Dauerhaftigkeit des Farbenmaterials soviel als möglich ga-
rantirt wäre, eine eigenthümlich vortheilhafte Einwirkung ausüben könnte.
— In Betreff der Musik würde solchen Bestrebungen die Beschaffung
gediegener musikalischer Instrumente parallel stehen. Die Concurrenz für
diesen Zweig der Production ist aber so gross, die Anforderungen und die
Leistungen sind im Allgemeinen zu einer solchen Höhe gesteigert, dass es
hiefür wohl keiner Staats^Einwirkung bedarf. —

Als ein sehr wichtiger Punkt zur Beförderung des artistischen Betrie-
bes (wenn auch, der Natur der Sache nach, nur für Sculptur und Malerei
und die Nebenfächer derselben) ist schliesslich die Anlage künstleri-
scher Werkstätten durch Staatsmittel hervorzuheben.

In Berlin sind verschiedenen Künstlern, theils als persönliche Begün-
stigung, theils mit Rücksicht auf besondre, ihnen übertragene Ausführungen,
Ateliers unentgeltlich eingeräumt worden. Bei der Düsseldorfer Akademie
ist jedem, eigentlich artistischen Lehrer ein besondres Atelier im Lokale
der Uuterrichtsanstalt überwiesen. Dies Letztere hat zunächst zwar nur den
Zweck, die Lehrerwirksamkeit des betreffenden Künstlers zu befördern;
doch hat das räumliche Beisammensein schon dieser Ateliers auch in wei-
? terer Beziehung dort sehr bemerkenswerthe Früchte gehabt, undi es hat

sich daran namentlich die eigenthümlicho Einrichtung angeschlossen, dass
auf Kosten der Akademie eine beträchtliche Anzahl noch andrer Ateliers
eingerichtet ist, welche an andre, selbständig thätige Künstler vermiethet
werden. Hiedurch ist eine stete Wechselwirkung zwischen Ausübung und
Lehre erzeugt und die umfassende Wirksamkeit jener Schule wesentlich
mit begründet worden.

Für die Hauptstadt des Staates, in welcher naturgemäss der umfas-
sendste künstlerische Betrieb seine Stelle findet, dürfte — unter Voraus-
setzung dieses Betriebes — eine Einrichtung wie die ebengenannte die
vorzüglichst wichtigen Erfolge gewähren. Wenn die künstlerischen Werk-
^^ Stätten, die mit Hülfe von Staatsmitteln angelegt werden, schon an sich

zweckmässiger eingerichtet und den Künstlern zu wohlfeileren Preisen ver-
miethet werden könnten, als ihnen die auf Privafspekulation oder aus eig-
nen Mitteln erbauten Ateliers zu stehen kämen, so würde es, was bei
Weitem wesentlicher, zugleich in der Hand des Staates liegen, planmässig
umfassende Anlagen zu diesem Behuf, die unter sich und vielleicht auch
mit den für die hiesige Akademie erforderlichen Lokalen in räumlicher
Beziehung ständen, zu beschaffen, Hiedurch würde das Kunstleben der
Residenz concentrirt und würden alle die tausendfältigen Vortheile gewon-
nen werden, welche sich überall aus der Concentration der Mittel und
Kräfte ergeben. Zunächst würde hiedurch eine sehr bemerkenswerthe Er-
leichterung in der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse eintreten (die
namentlich für die Sculptur, durch Anlage von Werkstätten für das Hand-
werkszeug, durch bequeme Einrichtungen für den Transport- grosser Lasten

-

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Anertennnng des künstlerischen Strebehs. 591

u. 8. w. sehr wichtig werden könnten): sodann aber müsste nothwendiger
Weise das Zusammenarbeiten in benachbarten Räumen, die Gelegenheit
zum steten Austausch künstlerischer Gedanken und Erfahrungen, überhaupt
das künstlerische Ineinanderleben für die'höhere Entwickelung und Kräf-
tigung der Kunst die glänzendsten Erfolge haben. Zugleich würde bei sol-
chen Einrichtungen auch dem Volke und den Fremden das Bild einhei-
mischer Kunstthätigkeit in wahrhaft grosser Weise gegenübergeführt und
die Achtung vor der einheimischen Kunst und ihre Anerkennung wesent-
lich gesteigert werden, was dann wieder die naturgemässe Folge haben
müsste, dass im Allgemeinen der Absatz sich vermehrte und Bestellungen
in grösserer Bedeutung und Zahl eingingen. Es sei vergönnt zu bemer-
ken, dass das Bild solcher Erfolge nicht ein imaginaires ist, sondern dass
diese Erfolge sich überall da, wo grossartige Kunstwerkstätten den Künst-
lern und dem Publikum geöffnet sind, finden und für einzelne beschränk-
tere Beziehungen auch bei uns wahrzunehmen sind.

Es versteht sich übrigens von selbst, dass die Ausführung eines sol-
chen Planes und die Art und Weise derselben von der äusseren Gelegen-
heit und von den aufzuwendenden Mitteln abhängen müsste. Rücksichtlich
der Mittel ist jedoch zu bemerken, dass wenn sie*auch nicht zum Behuf
einer Spekulation zu verwenden wären, jene Räume doch, wie erwähnt,
wiederum einen Miethsertrag abwerfen würden. Auch finden sich im In-
nern der Stadt bedeutende Werkstätten, die vielleicht für den dortigen
Verkehr einen grösseren Werth haben dürften als für das artistische Be-
dürfniss; statt ihrer möchten somit andere Lokalien von grösserer Ausdeh-
nung, zugleich in einer Gegend, die dem künstlerischen Betriebe bequemer
belegen wäre, ohne höheren Aufwand angelegt werden können.

Anerkennung des künstlerischen Strebens:

Ein dritter Punkt der Einwirkung des Staates auf die Kunst besteht
in den Einrichtungen, welche zur Anerkennung und Auszeichnung des ge-
diegensten künstlerischen Strebens bestimmt sind.

Im Allgemeinen bedarf die künstlerische Thätigkeit so wenig wie alle
sonstige Production eines äusseren Spornes. Abgesehen von der inneren
Befriedigung, nach welcher jeder ächte Künstler ringen wird, ist in der
grossen und weiten Concurrenz, in die er eintritt, in der Aussicht auf
Ehre und Gewinn, die dem Vorkämpfer in dieser Concurrenz zu Theil
werden müssen, hinreichende Aufmunterung zur Thätigkeit enthalten. Aber
der Gewinn ist durch mannigfache Zufälligkeiten und vornehmlich da-
durch, dass derselbe insgemein von der augenblicklichen Geschmacksrich-
tung, von der Herrschaft der Mode abhängt, bedingt; und eben so wird
wenigstens die öffentliche Ehre nicht stets dem Würdigsten zu Theil.
Hier nun ist es die Sache der höchsten Intelligenz des Staates, soviel als
thunlich ins Mittel zu schreiten, demjenigen, der in der allgemeinen Con-
currenz das wahrhaft Bedeutendste geleistet hat, die gebührende öffent-
liche Anerkennung zu gewähren und dadurch wiederum zur Sicherung der

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592 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

Würde des ächten künstlerischen Strebens, der ächten Kunst selbst bei-
zutragen.

Zur öffentlichen Anerkennung des ausgezeichneten Verdienstes dienen,
nach den Verhältnissen der Gegenwart, überall und vorzugsweise die Or-
den, welche von des Königs Majestät, als höchstem Quell der Ehre, ver-
theilt werden. Die geistige Production ist im Inlande durch Allerhöchste
Stiftung eines besondern Ordens, des Ordens pbur le mörite für
Wissenschaft und Kunst, ausgezeichnet worden. Dass Se. Majestät
hierin das gesammte Schaffen von höherer geistiger (oder, für den vorlie-
genden Fall: von höherer künstlerischer) Bedeutung beschlossen wissen
wollen, geht aus der neuerlich erfolgten Allerhöchsten Bestimmung hervor,
■wonach bei den künftig anzubefehlenden Vorschlägen zu Ernennung aus-
ländischer Ritter dieses Ordens auch die Dichtkunst nicht unberücksich-
tigt bleiben soll, i)

So besondre Auszeichnung, wie dieser königliche Orden gewährt, kann
aber nur wenigen höchstverdienten Meistern zu Theil werden. Es sind
mithin noch andre Stufen der dem Verdienste gebührenden Anerkennung
■wünschenswerth.

Durch Ertheilung grösserer und kleinerer goldner Medaillen für
Kunst (wie ähnlicher für Wissenschaft) sind Se. Majestät auch dem letzt-
genannten Bedürfniss in huldvoller Berücksichtigung entgegengekommen.
Auch hat sich diese Allerhöchste Gunst für gewisse Fächer der Kunst in-
sofern noch bestimmter normirt, als Se. Majestät zu genehmigen geruht
haben, dass von jetzt ab eine bestimmte Anzahl dieser Medaillen bei den
alle zwei Jahre stattfindenden grossen Kunstausstellungen der hiesigen Kö-
niglichen Akademie der Künste, zur Vertheilung an die Verfertiger der
vorzüglichst ausgezeichneten unter den ausgestellten Werken, bewilligt
werden und die Vorschläge hiezu von der genannten Königl. Akademie
ausgehen sollen.

Durch diese Maassregel wird wenigstens einem erheblichen Theile der
künstlerischen Thätigkeit die verdiente öffentliche Anerkennung, zugleich
unter Voraussetzung des möglichst gediegenen Urtheils, gesichert sein. Doch
wird dies nur die Künste der Sculptur und Malerei mit ihren Nebenfächern
und ausserdem in bedingtem Maasse (in Betreff des'Entwurfes) die Archi-
tektur betreffen können; auch werden nicht ganz selten und aus mehr-
fachen Gründen Fälle eintreten, wo vorzügliche Leistungen dieser Künste
von den Ausstellungen ausgeschlossen bleiben müssen. Die übrigen Künste
aber können au der auf solche Weise normirten Auszeichnung gar keinen

tAntheil gewinnen. Um hier nun ein einigermaassen Übereinstimmendes
Verhältniss herzustellen und sämmtlichen Künsten jene Allerhöchsten Orts
zu bewilligende öffentliche Anerkennung zu sichern, dürfte höherem Er-
messen anheimzustellen sein: ob für diejenigen Gattungen und Fächer der
künstlerischen Thätigkeit, welche an den genannten Ausstellungen nicht
Theil zu nehmen vermögen (also, neben einzelnen Fächern der Künste von
dauernder Darstellung, besonders für die, musikalische Composition und für
die Dichtkunst), nicht insofern eine ähnliche Berücksichtigung eintreten
könnte, als in gleichen Zeitabschnitten eine entsprechende Anzahl von
Medaillen zur Vertheilung an Diejenigen, deren öffentlich hervorgetretene
Leistungen während des vorangegangenen Zeitraumes als die gediegensten

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») Königl. Kabinetsordre vom 24. Januar 1846.

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Veranlassung zur Ausführung von Kunstwerken etc. 593

erschienen sind, ebenfalls bewilligt würde. Eine analoge Einrichtung findet
sich im Inlande schon in jener Allerhöchslen Bestimmung, wonach dem
vorzüglichsten, deutsch geschriebenen Werke über deutsche Geschichte,
welches je von fünf zu fünf Jahren im Drück erschienen ist, eine ähnliche
Auszeichnung,* durch eine eigens zu diesem Zweck geprägte goldne Me-
daille, zu Theil werden soll. ') In Betreff der musikalischen Coitipositiou
würden die Vorschläge hiezu naturgemäss von der musikalischen Section
des Senates dervKönigl. Akademie der Künste ausgehen; in Betreff der
Dichtkunst aber würde es einer besoudern Commission Sachverständiger
von ähnlicher Einrichtung bedürfen, über die später (da eine solche
auch noch für andre Fälle nöthig sein dürfte) die nähere Andeutung ge-
geben werden wird.

Mit jener Medaille für deutsche Geschichtswerke soll übrigens, zu-
gleich die Ertheilung einer Geldprämie von 1000 Rthlr. verbunden sein.
Inwiefern dergleichen auch für musikalische Compositionen und Dicht-
werke wüuschenswerth, wird sich besser im Folgenden, im Vergleich mit
den entsprechenden Verhältnissen bei den übrigen Künsten, darlegen lassen.

Veranlassung zur Ausführung'von Kunstwerken, und Sorge für
Erhaltung und Geltendmachung der Werke älterer Kunst.

Die unmittelbarste Einwirkung auf 'die Kunst besteht naturgemäss in
der Veranlassung zur Ausführung von Kunstwerken, indem erst hiedurch
jene Wechselwirkung zwischen Verlangen und Schaffen sich bildet, welche
ein eigentliches, Kunstleben^im höheren Sinne zur Folge hat.

Das Kunstwerk kann, je nach den Zwecken des PHvatlebens und
nach denen des ötfentlicheri Lebens , sehr verschiedenartige Bestimmung
haben. Ausführungen für das Privatleben zu veranlassen , ist im Allge-
meinen nicht Sache des Staates; - nur insofern in jenen, auf Rechnung des
Staates betriebenen technischen Kunst-Anstalten Arbeiten geliefert werden,
die für das Privatleben geeignet sind, findet eine solche Einwirkung statt.
Für das öffentliche Leben können Veranlässungen der Art von Seiten des
Einzelnen oder durch frei zusammentretende Vereine oder durch Com-
munen erfolgen; ebenso aber und vornehmlich wird auch der Staat, als
höchster Ausdruck ' der'Gesammtheit des Volkes, zu Veraulassungen für
den letzteren Zweck berufen sein. Wenn überhaupt die Kunst für die
geistige Erbebung des-M'enschen so wesentlich mitwirkt, wenn diese Er-
liebung nicht bloss dem bjßvorzugten Einzelnen, sondern wo möglich der
Geiammtheit des Volkes zu Theil werden soll, so muss .Etwas da sein,
worauf sie sich begründe. Kunstlehre, Beförderung des artistischen Be-
triebes, Anerkennung des künstlerischen Strebens'kÖnnen in dieser Bezie-
hung doch nur mittelbar und vorbereitend wirken; *zum wahren Bejvusst-

Vergl. das Köiiigl. Patent vom 18, Juni 1844. (Gosetz-Saminlung für <iie
Königl. Preuss. Staaten,,No. 32.)

I(ug^e^, Kleine Seliriflen. III, '38

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594

Die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung.

sein einer das Leben durchilringenden Kunst kann das Volk erst gelangen
und sich in demselben erhalten, wenn die Vertreter der höchsten Intelli-
genz ihm entsprechende, an die höchsten Interessen des Lebens sich an-
lehnende Meisterwerke gegenüberführen. Ohne diese, die wichtigste Maass-
regel wird trotz aller sonstigen Veranstaltungen die wahre Durchbildung
des allgemeinen ästhetischen Sinnes immer zweifelhaft bleiben müssen.
Auch die Kunst selbst und das gesammte künstlerische Streben kann nur
bei einer Maassregel solcher Art, die für die Lehren der Schule erst ein
festes Ziel hinstellt und der öffentlichen Anerkennung erst eine gewichtige
Folge giebt, dem unermüdlichen Treiben der mercantilen Speculation
gegenüber in reiner Würde erhalten bleiben. Nur so kann dem Künstler
Unabhängigkeit von dem Eig:enwillen des Privatbestellers (auch gelegentlich
der eignen phantastischen Laune) bereitet, kann seine Kraft an der wahr-
haft grossen Aufgabe entwickelt, kann endlich eine künstlerische Schule
(im höheren Sinne des Wortes), eine künstlerische Tradition gebildet
werden, welche allein die Fortdauer der ächten Classicität des künstleri-
schen Schaffens verbürgt.

Hls ist nicht nöthig, hinzuzufügen, dass nach solchem Vorgange von
Seiten der Staats-Regierung, auch Communen und Vereine zur würdigen
Nacheifernng angereizt werden müssen.

Neben der Veranlassung zur Ausführung neuer Kunstwerke kommt
der Staats-Regierung zugleich aber auch die Sorge für Erhaltung und Gel-
tendmachung der Werke älterer Kunst zu.

Das geistige AVollen uud Streben der verschiedenen Zeiten i^t ver-
schieden; die Werke, welche der Vergangenheit in dieser Beziehung zum
Ausdruck gedient haben, vermögen dasselbe nicht mehr für die Gegenwart.
Sie verlieren also, den Anforderungen der Gegenwart gegenüber, einen
Theil ihrer Bestimmung und treten gegen die Werke der letzteren in
gewissem Betracht zurück. Aber sie erhalten eine neue Bedeutung. Zu-
nächst einfach die des Denkmales., welches den Ausdruck früherer Le-
bensrichtungen in sich bewahrt und somit für die allgemeine historische
Kunde, wie auch für die der artistischen Entwickelung unter besondern
gegebenen Verhältnissen, von belehrender Wichtigkeit ist. Dann aber
gewinnen diejenigen unter den Kunstwerken der Vergangenheit, welche
das Gepräge der Vollendung tragen, eine über den Begriff des blossen
Denkmales hinausgehende Bedeutung; sie treten der Gegenwart, eben weil
sie ausserhalb der Strebungen derselben stehen und dabei das Resultat
geistigen Ringens in ihnen fertig uud abgeschlossen daliegt, zugleich als
Muster und Vorbilder, als mahnende Zeichen zur Nacheiferung gegen-
über. Die grossen Meisterwerke aus solchen Zeiten, in welchen die eine
oder die andre Kunst sich einer besondern Blüthe erfreute, werden daher
auf die künstlerische Erhebung, auf den Kunstsinn und die Kunstbildung
der Nachkommen stets wiederum den unmittelbarsten Einüuss auszuüben
im Stande sein. — Es kommt hier also, was jene Fürsorge von Seiten der
Staatsregierung betrifft, auf Erhaltung und gelegentlich auf möglichst reine
Wiederherstellung, auf die Gründung von Sammlungen und überhaupt auf
die, nach den Umständen sehr verschiedenartige Weise der Vorführung
der älteren Werke an. —

Bei den Künsten von dauernder Darstellung, und namentlich bei
den bildenden, ist die Veranlassung neuer Kunstwerke von der Sorge für
die Werke vergangener Zeit wesentlich geschieden; bei den Künsten von

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Veranlassung zur Ausführung von Kunstwerken etc. 595

vorübergehender Darstellung dagegen, wo das einzelne Werk, um
zur Erscheinung zii kömriien, stets aufs Neue reproducirt werden muss,
berühren sich diese beiden Gesichtspunkte zum Theil sehr nah.

Zur Ausführung von Kunstwerken der erstgenannten Kunst-
gattung ist im Inlande seither auf Veranlassung der Beherrscher des
Staates Vieles geschehen und sind namentlich gegenwärtig durch die Gnade
Sr. Majestät des jetztregierenden Königs sehr bedeutende Unternehmungen
veranlasst worden. Königliche Parks (die mit hoher Liberalität dem Volke
eröffnet werden) und eigentliche Volksgärten, Pracht-Architekturen man-
nigfaltiger Art, Sculpturen an öirentllchen Gebäuden und solche, die die
Bedeutung eines selbständigen Denkmals haben, StaffeleirGemälde und
grossräumige "Wandmalereien in Kirchen und andern Gebäuden, theils aus
der jüngeru und jüngsten Vergangenheit herrührend, theils noch in der
Arbeit begriffen, bezeugen dies hinlänglich. In einzelnen Fällen ist diesen
grossartigen Bestrebungen auch schon durch Gommunen, Verein© und ein-
zelne vermögende Privaten nachgeeifert worden,.

So erhaben und höchst dankenswerth indess diese Unternehmungen
sind, so darf hier, wo es sich um eine Anschauung der öffentlichen Kunst-
angelegenheiten in ihrer Totalität handelt, docli die Frage verstattet sein:
ob und in wie weit den einzelnen, Allerhöchster Gnade entspringenden
Veranlassungen gegenüber nicht auch solche zu berücksichtigen sein dürften,
die in einer eigentlich normirten Weise, in einer gewissen stetigen Folge
ins Leben träten und die somit zur vollkommenen, wahrhaft durchgreifen-
den Einwirkung der Kunst auf das Volk und zur dauerhaft liebenden För-
derung der Kunst selbst noch anderweitige Garantleen darböten; oder in
andrer Fassung: ob und unter welchen Beziehungen die Beschaffung von
Kunstwerken als ein allgemeines öffentliches Bedürfhiss aufzunehmen und
nach bestimmt durchgreifendem Plane, wenn natürlich auch nur in allmah-
liger, von den äusseren Umständen bedingter Folge, zur Ausführung zu
bringen wäre. '

Die Architektur wird hiebei im Allgemeinen weniger zu berück-
sichtigen sein, sofern der Zweck des Architekturwerkes, auch wenn es der
höchste geistige ist, sich doch jedesmal aus dem einzelnen Lebensbedürf-
niss ergeben muss und dieser Einzelzweck jedesmal die Seele des Bau-
werkes ausmacht. Allgemeine Principien in Betreff einer Veranlassung
aus eigentlich künstlerisclien Rücksichten werden hier also vom Staate
nicht befolgt werden können. Aehnlich verhält es sich mit der Garten-
kunst. Wohl aber ist es Aufgabe der Staatsverwaltung, daliin zu wir-
ken, dass überhaupt bei den baulichen und landschaftlichen Anlagen, die
auf Veranlassung des Staates ausgeführt werden, das Element der Schön-
heit (der edeln Gestaltung) die den jedesmaligen Umständen entsprechende
Berücksichtigung finde.' Soviel bekannt, wird diesem, Punkte gegenwärtig
auch von den betreffenden Staats - Behörden überall besondre Sorge ge-
widmet.

Die Veranlassung von Werken der Sculptur und Malerei dagegen
ist freier und geht mehr, so individuelle Bedingungen hier auch das Ein-
zelwerk haben möge, aus-allgemeinen Bedürfnissen hervor. Hier machen
sich grosse volksthümliche Interessen geltend, denen die Kunst nicht bloss
Zum Ausdruck zu dienen vermag, die sie vielmehr zugleich zu kräftigen,
zu läutern, selbst dem Volke
zum Bewuskseih zu bringen alle Fähigkeit
hat und denen gemäss sie daher vom Staate gefördert zu werden aller-

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1448 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

mm

rlings sehr geeignet ist. Es sind die grossen Interessen der Religion und
der Geschichte des Volkes und das deni Menschen eingeborene Bedürf-
niss, das Gefühl seines Daseins durch lebendig sprechende Zeugnisse der
Nachweit zu überliefern. Religiöse und historische Monumente und solche,
welche die Strebungen der Gegenwart anschaulich machen, sind hier~die
grossen Aufgaben der volksthümlichen Kunst, — Werke, die sich an
Architekturen, sie nach den ästhetischen Erfordernissen vollendend, an-
schliessen oder die in selbständiger Befriedigung ausgeführt werden, ein-
zelne für sich bestehende Kunstwerke oder solche, die in kleineren oder
grösseren Reihefolgen erst ein geschlossenes Ganzes ausmachen. Die Fülle
der Aufgaben, die hier gelöst werden können, ist überaus reich; es kann
aber, der Natur der Sache gemäss, nicht darauf ankommen, diesen Reich-
thum sofort erschöpfen zu wollen, vielmehr nur darauf: dass je nach den
Punkten, welche vorzugsweise den Nerv des Volkslebens berühren wür-
den, eine glückliche Auswahl, je nach den äusseren Umständen und auch
nach der Summe der künstlerischen Kräfte des Staates eine bestimmte
Disposition getroflFen und das ausführbar Befundene principmässig einge-
leitet und consequent durchgeführt werde. Schon das Einzelne, was in
diesem Bezüge unternommen wird, muss in vielfacher Hinsicht anregend
und belebend wirken, wie dies in der That vornehmlich in Betracht jener
plastischen national-historischen Denkmäler,, deren wir uns erfreuen und
denen wir eine eigenthümliche Bildhauerschule von seltner Gediegenheit
verdanken, der Fall ist. Vornehmlich wichtig müssen natürlich diejenigen
Kunstdenkmäler sein, welche im Herzen des Staates, in der Residenz,
ausgeführt werden; aber auch für die Hauptorte der Provinzen würde die
Staatsverwaltung ähnliche, wenn verhältnissmässig auch mehr bedingte
Sorge zu nehmen haben. Bedeutende Werke, ganz auf Veranlassung des
Staates ausgeführt, würden den einflussreichsten Punkt solcher Thätigkeit
ausmachen; aber auch eine Theilnahme des Staates an den, von Com-
munen auszuführenden Werken würde den allgemeinen Sinn für das
volksthümlich ästhetische Element fördern und namentlich dem Staate
Gelegenheit geben, vom Standpunkte seiner vorausgesetzt höchsten Kunst-
Intelligenz über der möglichst gediegenen Durchführung auch dieser Ar-
beiten zu wachen.

Es ist übrigens wünschenswerth, dass die in Rede stehende Fürsorge
von Seiten des Staates nicht bloss denjenigen besondern Fächern der
SCulptur und Malerei zu Theil werde, deren Werke, je nach dem etwa
zu befolgenden Gesichtspunkte, einen monumentalen Charakter anzuneh-
men geeignet sind, sondern gleichzeitig auch den vervielfältigenden
Kunstfächern. Die Rücksichtnahme auf die letzteren ist besonders
dadurch motivirt, dass ihnen bei der grossen Anzahl von Exemplaren des
mit ilii'en Formen beschafften Kunstwerkes und bei der verhältnissmässigen
Wohlfeilheit des einzelnen Exemplars eine ausserordentliche Popularität
beiwohnt und sie somit ebenso zur Veredelung wie zum Verderb des
höheren Kunstsinnes und des Geschmackes überhaupt in ausgedehntem
Maasse beitragen können. Hier dürfte es angemessen sein, möglichst ge-
diegene Arbeiten von volksthümlichem Interesse aus Staatsmitteln und
unter Garantie der betreffenden Staatsanstalten zu veranlassen und ihnen,
auf die jedesmal als angemessen erscheinende Weise, möglichst grosse
Verbreitung zu geben. Namentlich gilt dies von denjenigen der verviel-
fältigenden Kunstfächer, deren Technik besonders schwierig ist, also zu-

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Veranlassung zur Ausführung von Kunstwerken etc. 597

nächst von der Medaillenkunst und vom Kupferstich. Bei der
Öffentlichen und allgemeinen Concurreiiz, die gerade in Beziehungen wie
den in Rede stehenden durch die gemeine mercantile Speculation leicht
beherrscht wird, kann in Betreff, der eben genannten beiden Kunstfächer
eine "Gegenwirkung von Seiten des Staates nur sehr -wohlthätig wirken.

Unter Umständen könnten die Aufträge zur Ausführung von Kunst-
arbeiten für öffentliche Zwecke, wie sie im Vorstehenden angedeutet sind,
auch füglich von der Eröffnuiig und dem Ausfall besondrer Concurreu-
zen abhängig gemacht werden. Der künstlerische Wetteifer würde hie-
durch ohne Zweifel lebhaft angeregt werden, und dürfte sich dabei zugleich
der Vortheil ergeben, manche künstlerische Kräfte, die ohne solche Gele-
genheit vielleicht länger unbekannt geblieben wären, schneller kenneu ler-
nen und ihrem Werthe gemäss benutzen zu können. —

In Betreff der Erhaltung und Gelten dmach ung älterer Werke
der bildenden Künste sind- im Inlande bedeutende und umfassende
Staatseinriclitungen vorhanden. '

Die Sorge für die nationalen, in öffentlichem Besitz vorhandenen
Denkmäler ist dem Königl. Ministerium der geistlichen etc. Angelegenheiten
und unter demselben einem besondern Conservator der Kunstdenk-
mäler übergeben. Ob sich für diese Angelegenheit, soweit sie bisher
durch den Conservator allein vertreten ist, erweiterte Einrichtungen als
nothwendig ergeben dürften, wird von höherem Ermessen abhängen müs-
sen. — Beim Hinzutreten des Staates werden die zur Conservatipn oder
Restauration der Denkmäler erforderlichen Mittel von der Gnade Sr. Ma-
jestät des Königs jedesmal ausserordentlich bewilligt.

Ausgedehnte Sammlungen für die bildenden Künste aller Zeiten und
Länder sind in dem Institut der Königl. Museen vereinigt. Die grosse
Bedeutung desselben darf hier als hinlänglich bekannt vorausgesetzt
werden.

Städtische Museen, dergleichen sich an verschiedenen Orten des
Inlandes vorfinden, sind gelegentlicli durch besondre Allerhöchste Bewilli-
gungen gefördert worden.

Bei der Gartenkunst dürfte der Gesichtspunkt der,artistischen Gon-
servaliou älterer Anlagen in ihrer ursprünglichen Eigenthümlickeit nur
selten vorkommen und dann allerdings eine eigenthümliche Behandlungs-
weise bedingen. Im Inlande finden sich wohl kaum Verhältnisse der Art,
die hier zur Sprache kommen könnten.—

Bei den Veranlassungen zur Besch äff ung künstlerisch er Werke,
die den Fächern der Künste von vorübergehender Darstel-
lung, also der Dichtkunst und Musik angehören, treten zwei
verschiedene Gesichtspunkte ein, je nachdem es auf die künstlerische Er-
findung (auf das geschriebene Dichtwerk nnd die musikalische Compo-
sition) und auf die künstlerische Ausführung (in der einfachen musika-
lischen Aufführung und in der theatralischen Darstellung des Dicht- oder
Musikwelkes) ankommt. i

Es ist nicht undenkbar, dass Gelegenheiten eintreten können, in yenen
es passlich ist, zu Dichtungen oder musikalischen Co'mpositionen
ähnliche specielle Bestellungen zu geben, wie dies für die bildenden
Künste vorzugsweise geschieht. Die musikaliscben Compositionen, deren
die katholische Kirche für ihre höheren Feste bedarf, sind häufig auf
solche speciellen Veranlassungen geliefert worden, und so können über-

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Diu Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung.

haupt Dichtungen und Compositiouen zu dem besondern Zwecke, bestimm-
ten festlichen Ereignissen zum Schmucke zu dienen, gefertigt werden. Es
dürften unter Umständen, und freilich unter der allgemeinen Voraussetzung
eines künstlerisch bewegten Lebens, zum Behuf solcher Feste von volks-
thümlicher Bedeutung auch von Seiten des Staates an Dichter und Compo-
nisten die erforderlichen Aufträge ergehen können.

Indess liegt es doch in der Natur der Sache und in dem Wesen die-
ser beiden Künste, dass bei ihnen die Anregung zur Production ungleich
weniger durch die vorübergehende äussere Gelegenheit .als vielmehr aus
dem inneren Triebe von Seiten des schaffenden Künstlers erfolgen muss.
Hier aber liegt eine zwiefache Gefahr nah, die in der That besonders
unsrer Dichtkunst so vielfältiges Verderben gebracht hat. Bei minder cha-
rakterfesten Naturen, die ihre Unabhängigkeit nicht zu währen wissen,
wird die Classicität des Schaffens, d. h. die volle, unermüdliche Hingabe
an die Arbeit und ihre gediegene Durchführung, leicht durch die vielge-
staltigen Einflüsse der mercantilen Speculation, bei energischen Charakte-
ren, die sich hievon und gleichzeitig von der öffentlichen Meinung mit
Verachtung abwenden, leicht durch eine egoistische Willkür untergraben
werden. Darum ist es so wüuschenswerth, dass dennoch, wenn auch nur
in vermittelnder Weise, für die beiden in Rede stehenden Künste eine
Veranlassung gegeben werde, die ein wahrhaft gediegenes, von jenen äus-
serlicheu Rücksichten freies Schaffen zu befördern und eine Ausgleichung
mit der grossen Begünstigung, welche den bildenden Künsten durch Auf-
träge für öffentliche Zwecke zu Theil wird, hervorzubringen im Stande sei.
Die Betrachtung knüpft sich hier an die schon irti Obigen enthaltenen
Vorschläge wegen Bewilligung goldncr Medaillen für ausgezeichnete Dicht-
und Musikwerke an. Da die Ausübung jeder Kunst (auch der Dichtkunst,
wenn sie sich nicht auf das Leicliteste und Gewöhnlichste beschränken oder
völlig dem Zufall anheimgegeben sein soll.) ein Leben erfordert und ins-
gemein jeder Künstler von dem -Ertrage seines Schaffens leben muss, so
scheint es am Angemessensten, neben jenen Medaillen (und in einem
irgendwie näher bestimmten Verhältnisse zur Ertheilung derselben) für
gewisse Zeit-Abschnitte fortlaufend bestimmte Geld-Prämien zu
bewilligen, die den gediegensten der innerhalb der jedesmaligen Pe-
riode erscliienenen Dicht- und Musikwerke nacli festgesetzten Normen
ziiertheilt würden. Die hiebei zu beobachtenden Rücksichten, in Betreff'
der besondern Fächer beider Künste, des Modus der Preis-Ertheilungen
u. s. w., würden ohne Schwierigkeit festzustellen sein. Für einzelne Fälle
könnte die zu bewilligende Geldprämie auch den Preis einer Concurrenz
über eine besondre Aufgabe, die für die in Rede stehenden Zwecke ausge-
schrieben wäre, ausmachen, analog dem im Obigen, bei den Veranlassungen
zu Werken bildender Kunst beiläufig gemachten Vorschlage; wobei zu be-
merken ist, dass einige allgemeine Concurrenzen der Art, welche von der
musikalischen Section der hiesigen Königl. Akademie der Künste veran-
staltet waren, schon sehr beachtenswerthe Erfolge hatten. — Es braucht
nicht besonders darauf hingedeutet zu werden, dass, abgesehen von dem,
dem Einzelnen zufallenden Gewinne,, schon der hiedurch angeregte ungleich
höhere Wetteifer, vor Allem aber das Bewusstsein, dem Staatsleben anzu-
gehören und einen Gegenstand der Fürsorge von Seiten dbr" höchsten Ver-
treter desselben auszumachen, so belebend wie kräftigend auf diese Fächer
der künstlerischen Thätigkeit zurückwirken müsste.

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VeraülassTing zur Ausführung'von Kuustwerken etc. 599

Sehr wichtig würde es sodanii sein, dafür zu sorgen, dass diejenigen
unter den iieuentstehenden Dicht- und Musikwerlten, welche zur öffent-
lichen Aufführurig durch einen Verein mehrfacher künstlerischer Kräfte
bestimmt sind und sich durch ihre Gediegenheit auszeichnen, auch wirklich
zur Aufführung gebracht werden, indem erst hiedurch ihre volle Wirkung
eintreten kann. Rücksichtlich der hieher gehörigen unter den eben erwähnten
prämiirten Werken könnte festgesetzt Averden,-dass mit der Prämiirung zu-
gleich die Öffentliche* Aufführung durch die entsprechenden öffentlichen
Anstalten (falls eine solche nicht schon vorher stattgefunden) erfolgte. Im
Uebrigen wird es freilich diesen Anstalten, sofern sie von der höheren Be-
hörde abhängen, nur im Allgemeinen zur Pflicht zu machen sein, das,gute
Neue so viel als möglich zu berücksichtigen. Der äussere'Lohn, der sich
dabei für Dichter und Componisten ergäbe, ist zunächst durch das Gesetz
vom 11. Juni 1837 bedingt, indem dasselbe (§ 32) die öffentliche Auffüh-
rung eines solchen Werkes ohne Bewilligung des Urhebers untersagt, doch
nur, so lange das Werk ungedruckt ist. Bei öffentlichen Anstalten zur
Auftuhrüng von Dicht- oder Musikwerken, die nicht aus Speculation, son-
dern zur öffentlichen Beförderung der Kunst und des Kunstsinnes" begrün-
det sind, dürfte es unter Umständen angemessen sein, an jene Prämiirungen
anknüpfend dem Urheber eines jeden'neuen Werkes, das sonst bei ihnen
zur Aufführung gebracht,,wird und dessen Erfolge sich bewähren, gleich-
viel'ob dasselbe gedruckt sei oder nicht-, ein irgendwie entsprechendes
Anerkenntniss zu Theil wetden zu lassen. Auch hiefür dürften die erfor-
derlichen Normen leicht festzusetzen .sein. —

Die öffentliche Conservation und Sammlung der Dichtwerke,
als solcher Gegenstände, welche der allgemeinen Literatur angehören, ist
Sache der öffentlichen Bibliotheken, Die musikalischen Composi-
tionen werden .auf dieselbe Weise für den öffentlichen Bedarf erhalten
und gesammelt. In der musikalischen Abtheilung der Königl. Bibliothek
zu Berlin ist ein, schon höchst umfassendes Institut solcher Art gegründet. —
Der Berücksichtigung der künstlerischen Erfindung in Dicht- und Mu-
sikwerken steht die So Ige für gediegene künstlerische Ausfüh-
rung derselben, sofern die letztere auf der Vereinigung mehrfacher Kräfte
beruht, entgegen. "Da hiedurch die betreffeuderf Werke eigentlich erst ins
Leben treten und ihre tiefere Wirkung auf das Volk gewinnen, so .sind
auch die zu diesem Zweck erforderlichen Anstalten wesentl-ich geeignet,
einen Gegenstand der Fürsorge von Seiten des Staates auszumachen.

Als im Inlande vorhandene Anstalten, die hiebei in Betracht kommen
können, sind anzuführen:

Die Königl. Kapelle, namentlich sofern dieselbe in 4en von ilir
veranstalteten Symphonie-Soiröen die Instruuiental-Compositionen der Mei-
ster zur Ausführung bringt.

Der Königl. Dom-Ghor (als Ünterrichts-Anstalt schon im Obigen
unter dem Namen der Dom-Gesang-Schule aufgeführt), zur Ausführung
kirchlicher Vokal-Musik, der sich ihdess an die näheren Zwecke der
Königl. Hof- und Dom-Kirche zu Berlin anschliesst und nicht eigentlich
zu den Aufführungen entsprechender Art für allgemeine Kunstzwecke be-
stimmt ist. — Ein unter Leitung der. höheren Behörde stehendes Institut,
welches die Pflege der Vokal-Musik ernsten Styles für allgemeine Kunst-
zwecke zur Aufgabe hätte, ist in Berlin nicht vorhanden. Ersetzt wird
dieser Blangel nur, und in nicht genügender Weise, durch verschiedene

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600 Die Kuust als Gegenstand der Staatsverwaltung.

Gesang-Vereine, namentlich durch die „Sing-Akademie", bei denen eben
die höhere Garantie, die Einwirkung auf stets vollendete Ausführung und
auf Berücksichtigung möglichst aller Gattungen der entsprechenden Mei-
sterwerke fehlt.

Das Musik-Institut zu Coblenz, aus dem ehemaligen kurfürst-
lichen Orchester daselbst entstanden und in Berücksichtigung jener älteren
Verhältnisse durch Staatsmittel unterstützt, zur sorgfältigen und kunstge-
rechten Aufführung classischer Meisterwerke bestimmt.

Das Königl. Schauspiel und die Königl. Oper zu Berlin, die
umfassendsten Anstalten für die in Rede stehenden Zwecke.

Als allgemeiner Grundsatz darf für diese und ähnliche Anstalten, die
möglicher Weise noch gegründet werden könnten , vorausgesetzt werden,
dass sie, auch wenn das Publikum für die Theilnahme an ihren Leistun-
gen zu zahlen hat, doch nicht im Interesse der Speculation, sondern einzig
nur im Interesse der Kunst gegründet sind, dass sie mithin nur die Kunst
in ihrer ächten Gestalt zu vertreten, nur das Gediegene und Classische
(oder dasjenige, was wenigstens ein unverkennbares Streben hienach ent-
hält), zur Ausführung bringen und das Leere, Frivole, Gemeine, was viel-
leicht der Speculation zu Gute kommen könnte, jenen Anstalten überlassen,
die auf der letzleren basirt sind ; wobei jedoch angenommen wird, dass
es jenen königlichen Anstalten durch die Macht ihres Beispiels gelingen
werde, das Schlechte in der öffentlichen Achtung itnmer mehr zn entwer-
then. Die Consequenzen dieses Grundsatzes verstehen sich von selbst und
brauchen liier nicht weiter erörtert zu werden.—-

Es liegt aber im Wesen der betreffenden Künste, dass bei diesen An-
stalten nicht bloss die künstlerischen SchÖpfnngen der Gegenwart, son-
dern auch die der Vergangenheit zur Aufführung kommen, dass in
ihnen sich somit die Sorge für das Neue mit der Geltendmachung des
Alten (als künstlerischen Denkmales oder als künstlerischen Musterbildes)
vereinigt. Es ist nicht unwichtig, diesen Gesichtspunkt näher ins Auge zu
fassen, indem sich daraus für die Behandliing der, jenen Anstalten zu-
stehenden Aufgabe im Einzelnen erhebliche Unterschiede, je nachdem das
Neuere oder das Aeltere zur Ausführung kommen soll, ergeben dürften.

Weniger werden solche Unterschiede bei den musikalischen Auf-
führungen hervortreten können, da iiberhaup't die reichere und umfas-
sendere Ausbildung der Musik erst in den neueren Zeiten erfolgt ist. Die
Vokal-Musik strengen, namentlich kirchlichen Styles zählt ihre Dauer
zwar schon nach Jahrhunderten und hat in der That bereits bedeutende
Wandlungen der künstlerischen Richtung durchgemacht; doch ist in ihr im
Allgemeinen der Gattungscharakter so vorherrschend, dass hiereine durch-
geführte Scheidung älterer und neuerer Werke nicht nöthig sein wird;
Ein Institut, das zur häufigen Aufführung solcher Werke begründet wäre,
würde freilich wohl thun , wenn ^es bei der Auswahl der in einem be-
stimmten Zeitraum aufzuführenden Werke, um des möglichst entsprechen-
den Eindruckes auf die Hörer versichert zu sein, eine gewisse historische
Folge beobachtete. — Die reine Instrumental-Composition und die Oper
gehören in ihrer höheren Ausbildung vorzugsweise der neueren Zeit an ; bei
ihnen kommt also das historische Element mehr nur ausnahmsweise, mehr
nur für Werke, die man etwa als Jncunabeln bezeichnen könnte, z^ur Sprache.

Ganz anders dagegen vjjrhält es sich mit der d ramatisch en. Poes ie.
Die grosse Bedeutung des Gegenstandes, der höchst umfassende Einfluss

■üt
1'

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Veranlassung zur Ausführung von Kunstwerken etc. 1453

des Theaters auf die ganze Volksbildung möge es verstatten, dass diesem
Punkte eine nähere Betrachtung gewidmet werde.

Von einsichtigen Kennern der Bühne ist schon mehrfach auf überzeu-
gende Weise dargelegt worden, dass ein Hauptgrund des allgemeinen Ver-
falls, in dem die Bühne sich trotz der künstlerischen Virtuosität einzelner
seltner Schauspieler befindet, darin beruhe, dass dem recitirenden Schau-
spiel und der grossen Oper (vom Ballet ganz zu geschweigen) ein und
derselbe Schauplatz angewiesen ist, dass hiedurch räumliche und scenische
Einrichtungen auch für das Schauspiel herrschend geworden sind, die rhit
dessen inneren Bedingnissen mehr oder weniger im Widerspruch stehen,
und dass somit das erste Erforderniss zur Herstellung der Bühne in einer
selbständigen Behandlung der äusseren Einrichtungen des.Schauspiels nach
dessen eigenthümlichen Gesetzen bestehen würde. (Die kleine geschlossene
Scene für das Conversationsstück darf als ein erster Schritt hiezu ange-
sehen werden.) Doppelt gewichtig wird diese Bemerkung in Betracht der
älteren Dramen, welche überall für ganz eigenthümliche scenischö Ein-
richtungen gedichtet zu sein pflegen und feich daher nur höchst selten der
heutiges Tages üblichen Scene fügen. Die Folge hievon ist, dass Meister-
werke, deren innere Composition nach den höchsten Gesetzen der Kunst
aufgebaut ist, in der Regel auf die willkürlichste Weise verstümmelt
werden, um sie für die heutigen Zwecke benutzbar zu inachen, falls man
überhaupt daran denkt, die reichen Schätze der älteren dramatischen
Poesie der Gegenwart aufs Neue vorzuführen.

Neben diesem äusseren Uebelstande ist aber auch aus inneren Gründen
das Durcheinanderspielen älterer und neuerer Dramen an einer und der-
selben Stelle höchst bedenklich. Jene sind, eben der Ausdruck geistiger
Richtungen und volksthümlicher Zustände, welche der Vergangenheit an-
gehören und daher, so grossartig im einzelnen Falle auch das allgemein
Menschliche in ihnen zur Erscheinung kommen möge, doch den Strebun-
gen der Gegenwart in gewissem Betracht fremd gegenüberstehen; sie müssen
dies um so mehr, als die Poesie überhaupt (im Vergleich zu den übrigen
Künsten) mehr Ausdruck des Gedankens ist und daher das Geistesleben
mit vorzüglicher Schärfe individualisirt. In eine Reihe gestellt mit den
neueren Dramen, kann aber bei den älteren dies historisch Individuelle
nicht zu seiner nothwendigen Berechtigung kommen; sie werden vielmehr
unwillkürlich, von den Darstellern wie von den Zuschauern, stets nach
dem Maassstabe der geistigen Richtung der Gegenwart aufgefasst und da-
durch einem völlig ungeeigneten Standpunkte des ürtheils Preis gegeben.
Sie verlieren hiedurch ganz die eigenthümliche Wirkung, die sie — gleich
den älteren Meisterwerken andrer Künste — hervorzubringen im Stande
wären, und so ist man, zumal bei dem krankhaften und apathischen Zu-
stande, der heutiges Tages das gesammte Bühnenwesen drückt, dahin ge-*
kommen, die Reproduction des Alten, soviel es sich nur thun lassen will,
völlig aufzugeben.

Ein solches Aufgeben dessen, was doch den vielseitigsten und bedeu-
tendsten Einfluss auf das Leben auszuüben im Stande ist, kann aber vor der
Uebersicht der gesammten öffentlichen Kunstbedürfnisse nicht als gerechtfer-
tigt erscheinen. Es dürfte vielmehr nur auf eine Erwägung der Mittel an-
kommen, welche erforderlich'sind, um auch dem Drama vergangener Zeit
sein Recht auf eine entsprechende Reproduction zu sichern. Dies scheint
sich indess ganz einfach und naturgemäss dahin zu gestalten: dass das

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Die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung,

ältere und das neuere Drama bestimmt gescliicden und jenem eine
besondre Bühne angewiesen würde, in welcher die jedesmal erforder-
lichen scenischen Einrichtungen zu Grunde gelegt wären und bei der jeuer
verwirrende Standpunkt des Urtheils von vornherein ausgeschlossen bliebe.
Beide Bühnen würden zu einander in einem ähnlichen Verhältniss stehen,
wie etwa eine Sammlung neuerer und eine Gallerie älterer Gemälde, bei
denen der gebildete Sinn alles Durcheinandermischen ebenfalls unbedingt
vermeiden wird. Dass überhaupt die älteren Dramen, auch in ihrer sceni-
schen Einrichtung, noch gegenwärtig sehr wohl ausführbar und den mäch-
tigsten Eindruck hervorzubringen geeignet sind, haben die wenigen Repro-
ductionen von solchen, die neuerdings bei der hiesigen Königl. Bühne auf
Befehl Sr. Majestät des Königs stattgefunden, zur Genüge bezeugt. Die
Grenzlinie zwischen älterer und neuerer dramatischer Poesie wäre dabei
ohne Schwierigkeit zu ziehen, indem, der Entwickelungsgeschichte der
Poesie entsprechend, etwa das, wa« im Laufe der letzten hundert oder
achtzig Jahre entstanden ist, der letzteren zuzuzählen sein dürfte. Das,
was jenseits dieser Grenzlinie läge, würde aber ein überaus reiches Ma-
terial gewähren, um eine Fülle älterer Meisterwerke aufs Neue zu Tage
zu fördern, die dem Volke den edelsten Genuss und eine maassvolle Bil-
dung, zugleich aber der Bühne der Gegenwart die würdigsten und gross-
artigsten Musterbilder geben könnten. Eine Heilung der heutigen Bühne
von ihren vielfachen Gebrechen möchte in der That durch eine solche
Gegenüberstellung, deren Bcdürfniss sich völlig unbefangen aus der Be-
trachtung des allgemeinen Sachverhältnisses qrgiebt, am Ersten möglich
gemacht werden. — .

Berufung von Commissionen von Sachverständigen.

Um sich schliesslich in allen Beziehungen der artistischen Verwaltung
auf den höchsten Standpunkt des Urtheils zu stellen, um sich wirklich
zum Ausdruck der möglichst vollkommenen Kunst-Intelligenz zu machen,
bedarf die Staatsregierung für die einzelnen vorkommenden Fälle mög-
lichst zuverlässiger Gutachten von Sachverständigen. Die zu diesem Bo-
hufe bestellten Commissionen müssen diejenigen Männer in sich vereini-
gen , denen man für die betreffenden Punkte ein möglichst unbedingtes
Vertrauen schenken kann.^ Die Zusammensetzung der Commissionen hängt
von den verschiedenartigen Zwecken, denen sie gewidmet sind, ab; um zu
verhüten, dass die Ansichten der Commissionen nicht in sich erstarren,
lim ihnen stets neues Lebenselement zuzuführen, zwischen, diesem Ele-
mente der Bewegung und den andern ^ stabilen Elementen aber zugleich
das angemessene Verhältniss festzustellen, bedarf es einer gesetzlichen, je
nach dem Zwecke der Commissionen entwickelten Organisation. , Je inni-
ger mit den, der einzelnen Commission vorgelegten Fragen das technische
Element zusammenhängt, je ausschiesslicher es sich um letzteres han-
delt, um so entscheidender muss natürlich das Gutachten der Commis-
sion sein.

Als Commissionen solcher Art für die bilden d en Kün st q (für Ar-
chitektur, Sculptur und Malerei mit ihren Nebenfächern) und für die

602

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Berufung von Commissionen von Sachverständigen. 603

Musik fuDgireu die beiden Scctionen des Senates der Königl.
Akademie der Künste zu Berlin. Es ist zu hoffen, dass bei der be-
vorstehenden Reform der Akademie auch dem Senate eine, den eben an-
gedeuteten Principien entsprechende Organisation gegeben werde.

Bei der hohen künstlerischen Bedeutung der Gartenkunst und bei
ihrem häufigen Zusammenvpirken mit den übrigen Künsten, namentlich mit
der Architektur, scheint es angemessen, auch dieser Kuiist eine Vertretung in
der betrefi'enden Commission, d. h. in der ersten Section des akademischen
Senates, zu geben.

Für die eigentlich technischen Zwecke des Bauwesens und der Ge-
werbe, die aber der Natur der Sache nach, besonders bei dem ersteren,
gelegentlich bedeutend in das künstlerische Element hinübergreifen müssen,
sind die König]. Ober-Bau-Deputation und die technische De-
putation für Gewerbe berufen.

Die Dichtkunst hat bisher, sowohl in ihrer selbständigen Wirksam-
keit als in ihrem Verhältniss zur Bühne, da eine Einwirkung des Staates
auf sie überhaupt nicht stattgefunden, einer Vertretung solcher Art ent-
behrt. Bei der Allerhöchsten Bestimmung wegen künftiger Vorschläge zur
Ernennung ausländischer Ritter des Ordens pour le m6rite für "Wissenschaft
und Kunst haben des Königs Majestät die Berücksichtigung der Dichtkunst
der Königl. Akademie der Wissenschaften mit anheimgeben zu lassen ge-
ruht. Bei dem Plane zur Gründung einer Theaterschule hat dem Verneh-
men nach auf eine eigne dramaturgische Commission zur allgemeinen
Ueberwachung derselben Rücksicht genommen werden müssen. Sollten im
Uebrigen die im Vorstehenden entlialtenen Vorschläge zur Förderung einer
gediegenen dichterischen Thätigkeit und Wirksamkeit Berücksichtigung
finden, so würde es gleichzeitig und naturgemäss auch auf die Gründung
einer besondern poetisch-dramaturgischen Commission, für die sämmt-
lichen, in dies Gebiet einschlagenden Zwecke, ankommen. Dieselbe dürfte
etwa den beiden schon vorhandenen Sectionen des Senates der Königl.
Akademie der Künste als dritte Section anzuschliessen sein und in den
Fällen, wo es auf ein Zusammenwirken von Musik und Poesi(3 ankäme,
mit der zweiten Section,- der musikalischen, gemeinschaftlich zu handeln
haben. .

Die vorstehende Schrift war ein Vorläufer umfassender Entwürfe zur
Organisation der gesammten Kunstangelegenheiten im preuss. Staate, welche
besonders in- den Jahren 1849 und 1850 ausgearbeitet wurdeu. Die Veröffentli-
chung der letzteren erschien nicht thunlich.

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BERICHTE, KRITIKEN, ERÖRTERUNGEN.

1847 — 1853.

Kupferstich.

(Kunstblatt 1847, No. 6.)

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Von dem Kupferstecher F. A. Pflugfelder zu Düsseldorf, der sich
durch verschiedene Arbeiten nach Overbeck und andern Künstlern der
nazarenischen Richtung, besonders aber durch den Stich nach Overbeck's
Kreuztragung bereits vortheilhaft bekannt gemacht hat, ist kürzlich ein
neuer Stich nach einer Federzeichnung desselben Meisters, 17'/2 2ioll hoch
und 14 Zoll breit, vollendet worden. Das Blatt stellt die Berufung der
Apostel Jacobus und Johannes durch Christus dar, umgeben von einem
Kähmen, in dessen Ornamenten Momente aus den Parabeln vom guten
Hirten und vom Weingärtner enthalten sind. Die Hauptdarstellung ist
leicht ausgeführt, die Gestalten des Rahmens sind kaum mehr als nur im
Umriss angegeben. Die Originalzeichnung ist, nach dem bei dem Mono-
gramm enthaltenen Datum, im Jahr 1839 ausgeführt; sie hat das allge-
meine Gepräge Overbeck'scher Darstellungen, dieselbe feierliche Rhythmik,
denselben visionären Hauch, dieselbe zart elegische Gefühlsstimmung, wie
dies schon aus so vielen andern Arbeiten seiner Hand bekannt ist, ohne
dass aber bei den vorgeführten Gestalten auf Erfüllung aller Bedingungen
der körperlichen Existenz, auf entschiedene Charakteristik und auf diejeni-
gen Nebenumstände, welche eine . dramatische Handlung wahr und für
ihren Zweck wirksam machon, sonderliche Rücksicht genommen wäre.
Auffallend bei dem sonstigen Stylgefühle Overbeck's ist es In dem vorlie-
genden Blatte u. A. , dass durch den giottesk gebrochenen Rahmen die
Gestalt des alten Zebedäus (der zugleich äusserst apathisch zuschaut, wie
seine beiden Sühne ihn verlassen,) in sehr unschöner Weise zerschnitten
wird. Auch mag das bedenklich scheinen, dass die beiden neuen Jünger,
welche vorn in dem Nachen knieen, ihren Verhältnissen nach tiefer im
Bilde befindlich erscheinen als Christus, der doch liinter dem Nachen,

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Germanische Oulturzustände. 605

nnd wenigstens einen guten Schritt von diesem entfernt,, am Ufer steht.
Immerhin indess wird das Blatt, bei den sonstigen allgemeinen Vorzügen
und Eigenthümlichkeiten des Meisters, seine Freunde und Verehrer finden,
und dies um so mehr, als der Stecher, wie ,übrigens nach seinen früheren
Leistungen nur zu erwarten war, sich in jene zarte Stimmung, welche
Overbeck's Zeichnungen eigen zu sein pflegt, mit Glück iiineingefühlt und
das — ich möchte sagen: Musikalische derselben mit bewusstem Sinne
wiedergegeben hat.

Germanische C ul tu rzu stä n d e, für die erste Cajüte des Moldau-Elb-
Dampfschifl"es Germania grau in grau ausgeführt, radirt etc. von Rolle.
Dresden, 1846. (Ohne-Angabe einer Verlagshandlung.)

(Kunstblatt 1847, No. 7.) ' .

Der Künstler, der diese Compositionen als friesartige Verzierungen,
auf Goldgrund, in dem genannten Da.mpfschiife ausgeführt hat, ist der-
selbe, von welchem die Composition der Gigantomachie auf dem Vorhange
zur Dekoration"* der Antigone im Dresdener Theater, die in lithographi-
scher Federzeichnung ebenfalls schon herausgegeben ist, herrührt. Das
vorliegende Heft enthält 11 Blätter in Quer-Foiio mit länglichen, wie
eben angedeutet, friesartigen Darstellungen. Die Aufgabe ist" in sinnrei-
cher Gedankenfolge und in charakteristischer Entw:ickelung des einzelnen
Momentes gelöst. Der Inhalt der Blätter ist folgender: 1) Allgemeines
Titel - oder Einleitungsbild, mit den allegorischen Gestalten der Germania,
der Moldau und Elbe, welche letzteren beiden sich zur Seite jener lehnen.
2) Jagdscene, zur Charakteristik des Urzustandes der Deutschen. 3) Fürst-
licher Held, auf abendlicher Wasserfahrt. 4) Römische Händler, Sthmuck
und auch Wallen zum Kauf bringend. 5) Peinliche Rechtspflege- der
Römer in Deutschland. 6) Drusus am Elbufer, dem jenes räthselhäfte
weibliche Wesen das weitere Vordringen wehrt. 7) Die Hermannsschlaeht,
8) Einführung des Christenthums. 9) Pflege der Wissenschaft durch Karl
den Grossen. 10) Rückkehrende Kreuzfahrer, Kunstwerke aus Griechen-
land herbeiführend. 11) Guttenbergs Druckerthätigkeit und die befreite
Wissenschaft, unter den allegorischen Gestalten der vier Fakultäten , die
in die Ferne "hinaus entschweben. Ueberall ist in diesen, zum Theil
figurenreichen Compositionen der gedankenhafte Inhalt und die glückliche,
klar verständliche Darlegung desselben, sowie der ansprechende dekorative
Sinn, der sich in der allgemeinen Raumvertheilung und in der meist sehr
.geschmackvollen Linienführung kund giebt, anzuerkennen. Wäre der Ge-
danke auf gleiche Weise zur naiven Lebensäusserung geworden, wäre die
Zeichnung, die Form und die Bewegung der einzelnen Gestalten, zumal
in den genreartigen Scenen, minder conventioneil gehalten, als dies we-
nigstens zum grösseren Theile der Fall ist, so würde das geistvolle Werk
auf noch höheren Beifall Anspruch haben. — Die Blätter sind im Umriss

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Bericlite, Kritiken, Erörterungen.

G0(5

gezeichnet; in der Führung der Nadel erkennt man auf erfreuliche Weise
die eigne Künstlerhand, die sich bei jed^m Momente der Bewegung des
Zweckcs bewusst bleibt.

Aclit landschaftliche 0 ri gi n al-Radi r un gen von Wilhelm
Schirmer, Professor an der königl. Kunstakademie zu Düsseldorf. Düs-
seldorf bei A. W. Schulgen und bei dem Verfasser. (Gr. Quer-Fol.)

(Kunstblatt 1847, No. 1 l.)

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1

Schirmer's Name hat in der landschaftlichen Kunst unsrer Tage einen
so guten Klang, seine Meisterschaft in der Führung der Iladirnadel zur
Darstellung der ausgefübrtesten landschaftlichen Compositionen hat er so
mannigfach erwiesen, dass es nur der einfachen Anzeige eines nenen Un-
ternehmens, wie des vorstehend genannten, bedarf, um demselben die leb-
hafteste Aufmerksamkeit und Theilnahme der Kunstfreunde zu sichern.
Wie er es vorzugsweise liebt, so bildet auch hier die Darstellung des
vegetativen Lebens der Natur, Baum, Busch, Kraut und Rasen in ihrem
Beisammensein je nach den verschiedenen lokalen Bedingnissen, den
Hauptinhalt der Blätter. Mit vollkommener Leichtigkeit und Freiheit fügt
sich hiebei die Nadel der Charakteristik des Stofflichen und dem bunten
Spiele desselben auf das Auge des Betrachtenden. Aber auch der höhere
Lebensathem der Natur, die Wirkungen von Licht und Luft fehlen nicht
und geben im Einzelnen diesen Blättern die schönste künstlerische Weihe.
Zumeist ist es das nordische Waldgeheimniss, das sich hier unsern Blicken
erschliesst; einige Darstellungen sind der Erscheinung der südlichen Natur
gewidmet. In Betracht des vollen malerischen Tones sind besonders die
beiden letzten Blätter des Heftes ausgezeichnet, von denen das eine eine
schlichte nordische Wassermühle am Waldsaum, in schimmernder Morgen-
beleuchtung, das andre einen Berghang am_ Saume der römischen Cam-
pagna, dessen Schatten sich von dem warmen Abendlicht der Ferne abhe-
ben, darstellt. Diese beiden Blätter geben der Wirkung eines ausgeführ-
ten Gemäldes kaum etwas nach. — Beiläufig dürfte zu bemerken sein,
dass die Blätter des vorliegenden Heftes, wie freilich auöh schon die frü-
her herausgegebenen von Schirmer's Hand, als Studien- und Uebungsblätter
für landschaftliche Federzeichnung besonders vortheilhaft zu gebrauchen
sein werden, da die einfachen Mittel der Darstelliing sich dem Auge überall
klar und verständlich darlegen.

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ßedürfniss eines zweckmässigeren Unterrichtes in der Malerei etc. 607

Das Bedtirfniss eines zweckmässigeren Un t errichtes in der
Malerei und plastischen Kunst. Angedeutet nach eigenen Erfah-
rungen von Ferdinan-d Georg Waldmiil 1 er, k. k. akadem. Rath und
Professor. Wien, 1346. 47 S. in 8.

(Kunstblatt 1847, No. 22.).

Die inneren Zustände unsrer Kunst sind, wie sich dies aus dem zum
Theil scharfen und schneidenden Gegensatze der verschiedenartigsten
Tendenzen ergieht, ohne Zweifel in einer lebhaften Uebergangsperiode
begriffen; mit der Stellung, welche die Kunst im Verhältniss zum äusseren
Leben einzunehmen hat, scheint es ebenso zu sein. Unter solchen Um-
ständen kann es nicht befremden, wenn wir auch die Principien, welche
dem künstlerischen Unterrichtsgange zu Grunde liegen sollen, von ähnli-
cher Bewegung ergriffen sehen, wenn der altakademische Formalismus
einerseits und der Spiritualismus der romantischen Schule andrerseits
nicht überall mehr als zureichend erscheinen, wenn man auch für den
Unterrichtsgang neue Wege anzubahnen oder'vielmehr für die ursprüng-
lichen, naturgemäss sich ergebenden Bedürfnisse desselben diejenige Form
festzustellen bemüht ist, die den heutigen Verhältnissen vorzugsweise zu
entsprechen scheint. Reformen bei den Kunstbildungsanstalten sind an der
Tagesordnung. An einigen Orten sind solche schon zur Atisführung ge-
bracht, an andern wird darüber mehr oder weniger lebhaft verhandelt.
Auch die oben genannte Schrift giebt ihr Votum in dieser Angelegenheit
ab. Wie mir beiläufig mitgetheilt worden, ist sie aus Debatten, welche
bei der Wiener Akademie stattgefunden haben, hervorgegangen; der Um-
stand, dass der Verfasser mit seinen Ansichten nicht durchgedrungen, soll
ihn veranlasst haben, mit dieser kleinen Schrift an das öffentliche Urtheil
zu appelliren. Mir sind die Wiener Verhältnisse nicht näher bekannt,
und es werden dieselben auch, ihrer d'ermaligen Beschaffenheit nach, in
dieser Schrift nicht weiter charakterisirt; ich kann auf dieselben also kei-
nen sonstigen Bezug nehmen und an die Schrift nur den Maassstab des
Urtheils für das Allgemeine anlegen." Indess hat der Name des Verfas-
sers, eines unsrer trefflichsten Genremaler, einen so guten Klang,,dass er
auch so jedenfalls volle Berücksichtigung verdient.

Die Anklage , welche der Verfasser .gegen den heutigen Kunstunter-
richt ausspricht, ist unter zwei Hauptpunkte zusammenzufassen: dass der-
selbe sich über eine viel zu lange Zeit ausdehne und dass er den Jünger,
statt zur naiven, seiner Individualität entsprechenden Auffassung der Na-
tur, zu einer conventioneilen Manier führe. Er dringt also darauf^ dass
alles zur künstlerischen Bildung Erforderliche in möglichst kurzer Zelt
dargeboten.und dass der Zögling, ohne alle weitere Vermittelung, sofort
an die allein gültige Quelle der Natur verwiesen werde. Grundsätze, die
im Allgemeinen gewiss nicht genug zu beherzigen sind. Alle Grundlage
zur künstlerischen Ausbildung soll in dem Studium der Darstellung des
menschlichen Körpers bestehen; alles Copifen von Vorzeichnungen soll
dabei unterlassen, vielmehr sofort nach dem Modell gezeichnet und, sobald
nur der Schüler des Conturs mächtig ist, ohne Weiteres zum Pinsel

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608 Bericht«, Kritiken, Erörterungen.

gegriffen werden. Zum Erkennen des vorhandenen Talents soll eine (mit
richtigem Sachverständniss näher dargelegte) Probe angewandt und, wenn
diese glücklich bestanden, nach einem Zeitraum von etwa sechs Monaten
über den Beruf des Schülers definitiv entschieden worden. Auch dies
scheint im Allgemeinen richtig und zweckgemäss; das Zeichnen nach Vor-
legeblättern muss für den, der wahrhaft künstlerisch begabt ist und also
das Auge für die Natur besitzt, überflüssig sein und somit eher hemmend
als fördernd wirken; die möglichst zeitige Handhabung des Pinsels ge-
wöhnt von vornherein an unmittelbare Aufnahme der vollständigen Na-
turerscheinung, während die Schattenzeichnung in der That nur eine
künstlich vermittelte Abstraction derselben ist. Doch möchte es gut sein,
den le'tzten Grundsatz nicht allzu ausschliesslicli in Anwendung zu bringen.

Alles Wesentliche soll ferner im Studium des lebenden Modells ge-
lernt und, wie das Kopiren älterer Gemälde, so namentlich auch das Stu-
dium in der Darstellung der Antike ganz ausgeschlossen bleiben oder doch
nur höchst ausnahmsweise verstattet sein. Hier, muss ich gestehen, habe
ich zunächst ein erhebliches Bedenken gegen die Grundsätze des Verfas-
sers. Allerdings zwar wird auf unsern Kunstschulen zumeist ein grosser
Missbrauch im Zeichnen nach der Antike getrieben; indem man diese
üebung Jahre hindurch fortsetzt, gewöhnt sich der Schüler an eine ge-
y ' wisse couventionelle Correctheit, der es au Gefühl für das frische Leben

und dessen reiche Mannigfaltigkeit fehlt, und, was noch schlimmer ist,
verwöhnt sich sein Auge durch den steten Blick auf den kalten Gyps
dermaassen, dass später, wenn er zur Farbe greift, der harte kreidige Ton
desselben nur zu häufig durch alle seine Malereien hindurch klingt. Doch
aber wird die Antike ohne Zweifel eine sehr wesentliche Bedeutung, wie
für die heutige Kunst überhaupt, so auch für die Klinstbildung behalten,
vorzugsweise desshalb, weil sie die Mängel in der körperlichen Durchbil-
dung, die unsre Modelle in der Regel haben und selbst haben müssen,
auf die vollkommenste Weise ergänzt. Fast durchweg sind unsre Modelle,
auch die besseren, nur theilweise wohlgebildet; eine vollkommene körper-
liche Entwickelung fehlt, weil keine körperliche Pflege (wie durch die
Gymnastik der Griechen) vorhqiiden ist; einzelne Theile des Körpers sind
durch unser nordisches Kostüm in der natürlichen Ausbildung geradehin
verkümmer.t. Alles diess ist in den antiken Sculpturen, welche nach den
edelsten Modellen die edelste Natur darstellen, wesentlich anders, und sie
werden daher stets dazu beitragen, den rohen Natursinn zum Sinn für den
gesetzmässig entwickelten Organismus, zum Schönheitssinn auszubilden, so
sehr es übrigens, wie sich von selbst versteht, zugleich im Interesse der
Kunstbildungs-Anstalten liegen wird, stets möglichst schöne Modelle zu
gewinnen, und so manche fördernde Einrichtung auch für diesen Punkt
noch möglich zu machen sein dürfte. Mit einem Wort:/es scheint uner-
lässlich, wenigstens neben dem Studium des lebenden Modells auch das
der Antike fortgehen zu lassen. — Das Kopiren von Gemälden, wenigstens
von einigen Studien, möchte auch keinesweges ganz verwerflich sein, da
es beim Malen doch zunächst auf Kenntniss des Materials und der nöthig-
8ten Handgriffe ankommt und es wohlgethan sein dürfte, dem Schüler
hierin wenigstens einige Sicherheit zu geben, bevor er zur Nachbildung
des farbenreichen Lebens angewiesen wird. Doch kann* die erste äussere
Praxis auch wohl vortheilhaft in der Darstellung und Nachbildung leb-
loser Gegenstände, Gewandstofl'e u. dergl., erlernt werden.

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Bedürfniss eines zweckmässigeron Unterrichtes in der Malerei etc. 609

<

Zur Darstellung des menschlichen Körpers und zum Studium desselben.
gehört aber zugleich als unentbehrliches Hülfsstudium das der Anatomie-
Auch diess versäumt der Verfasser zwar nicht, nimmt dasselbe aber, viel-
leicht um .alles Pedantische daraus zu entfernen, doch zu oberflächlich
und willkürlich. Er verlangt eigentlich nur ein durchgeführtes Zeichnen
des Skeletts; das weitere Studium, das er vorschreibt, scheint lediglich nur
darin zu bestehen, dass er eine Anatomieflgur neben das lebende Modell
gestellt und die Musk'eln der einen in denen des andern. Zuerst bei glei-
cher, dann bei veränderter Stellung des Modells" aufgesucht wissen will.
Es bedarf~wohl keines Beweises, dass bei solchem Verfahren nur flüchtige
Empiriker gebildet werden können, den Schülern aber das tiefere Ver-
ständniss des Lebens und der Grund der Gestaltung und Bewegung des-
selben fremd bleiben muss. Gewiss sollen die Künstler nicht zu Anato-
men erzogen werden, gewiss ist die beste Methode des anatomischen Unter-
richts für Künstler sehr schwer darzulegen; wenn aber neben der scharfen
Beobachtung des Lebens (wozu ohnehin ausserhalb der^ Modellsäle so
wenig Gelegenheit ist) den Schülern keine tiefere wissenschaftliche Be-
gründung des körperlichen Organismus gegeben werden sollte, so würden
wir auch in den Bildern nur selten über Aktfiguren hinauskommen. Und
einstweilen sehen wir es leider nur zu häufig, wie wenig unsre Künstler
das Leben-verstehen, wie sehr sie das mangelnde Verständniss durch
Abschreiben dessen, was das Modell ihnen äarbietet, zu ersetzen suchen,
wie gern sie daher ihre Compositionen von vornherein auf möglichst be-
queme Stellung des Modells — durch all jene Darstellungen der Klage,
der Trauer, des Nachsinnens, des Ueberlegens, des Beschliessens statt der
wirklichen That — einrichten, in wie hohem Grade den seltnen Darstel-
lungen bewegter Action doch der eigentliche Nerv der Bewegung zu feh-
len, wie auf die leidenschaftlichsten Gestalten jenes Hamlet'sche „Parteilos
zwischen Kraft und Willen"-nur allzuoft ganz wohl zu passen pflegt. —
Ausserdem nimmt der Verf. auch auf den Unterricht in der Perspective
Rücksicht, scheint ihn aber, da er sich weder über den Modus desselben,
noch über die für ihn erforderliche Zeit näher-auslässt, noch beiläufiger
behandeln zu wollen, was ebenfalls nicht angemessen sein kann, so sehr
auch hier die pedantische Behandlung des Gegenstandes fern zu halten
sein dürfte. .. - , , ,

Nach solchen Prämissen wird es nicht befremden, wenn der Verf. für
den gesammten KunstunterricTit (wobei aber die Ausbildung für die Be-
dürfnisse der besonderen Einzelfächer ausgeschlossen zu sein scheint) nur
ein Jahr in Anspruch nimmt und den Schäler sogar schon in der zwei-
ten Hälfte desselben zur Composition veranlassen will. Er versichert, dies
durch mannigfache Erfahrung in seiner Wirksamkeit als Lehrer'bestätigt
gefunden ku haben. Gegen die Erfahrung wird nicht zu streiten sein;
dass der Schüler in so kurzer Zeit aber vollständig feste Grundlagen,
einen vollkommen zureichenden Beruf "für das Leben gewonnen haben
sollte, scheint nach den obigen Gegenbemerkungen doch sehr zu bezwei-
feln. Zudem wird e6 jedenfalls auf länger fortgesetzte Uebung und Thä-
tigkeit des Schülers unter den Augen des Meisters, sowie zugleich auf die
besondre Aneignung alles desjenigen, was nicht der figürlichen Malerei
angehört, je nach dem erwählten,besondern Kunstfache ankommen müssen.
Ueber das fflr diese besondern Fächer Erforderliche spricht sich der Verf.

Kugler, Kleine Schriflen. fll. ■ 39

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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meist nur sehr kurz und zum Theil wenig befriedigend aus. Sehr beher-
zigungswerth scheint dagegen, was er über die Anleitung zur Composition
sagt, indem er auch hier, statt auf Beobachtung abstracter Regeln, vor
Allem auf Beobachtung der Natur und des Lebens in seinen wechselnden
Erscheinungen dringt. '

■'Ich kann nach allem diesem den in der Schrift des Herrn Wald-
müller enthaltenen Principien keineswegs unbedingt huldigen; gleich-
wohl halte ich dieselbe für einen werthvollen Beitrag zu den neueren
IJIrörterungen über die Gestaltung des Kunstunterrichts, da sie mit Geist
und reiner Liebe zur Sache geschrieben ist, wirkliche Uebelstände auf-
deckt und, auch wo sie den Widerspruch hervorruft, doch zum weiteren
Nachdenken reizt. Jedenfalls ist das Ziel, das er erstrebt, das richtige:
dass der Künstler leichter und rascher schaflfen lernen müsse: nur dass ich
der unmaassgeblichen Ansicht bin, dies Ziel sei nur auf einer sehr gründ-
lichen und ernst behandelten Basis zu erreichen. Die Sache selbst aber
hat, wie ich glaube, noch eine andre, ganz ernsthafte Seite für die äussere
Lebensstellung der Künstler. Onsre Künstler schallen im Allgemeinen (und
vornehmlich vielleicht desshalb, weil die alten Schultraditionen abgerissen
sind) zu mühsam, zu langsam. Sie brauchen zu dem einzelnen Werke,
wenn dasselbe überhaupt gediegen sein soll, mehr Zeit wie die Alten,
müssen es sich mithin theurer bezahlen lassen und finden in Folge dessen
weniger Absatz. Die Alten, die sich in ihrer Hand vollkommen sicher
fühlten, malten bei gleicher oder grö sserer Gediegenheit der
Arbeit schneller und forderten (einzelne besondre Ausnahmen abgerech-
net) zumeist ungleich geringere Preise, auch nach den Geldverhältnissen
ihrer Zeit. Mir scheint, dass wenigstens ein Theil' der Klage über den
mangelnden Kunstsinn unsrer Zeit hier seine Auflösung findet, und dass
es somit nicht einzig und allein Sache des Publikums, des Volkes sein
möchte, wenn ein andrer und besserer Zustand herbeigeführt werden soll.

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V^ertheidigung einer Tyroler-Familie im Kriege 1809. Der
schlesische Kunstverein seinen Mitgliedern. Gem. von M. Müller. Litli.

von Fr. Jentzen.

(Kunstblatt 1847, No. 46.)

Es ist jene bekannte ausgezeichnete Composition von C. F. Moriz
Müller in München, die den Heroismus des tyrolischen Volkes in seinem
Kampfe gegen die Franzosen in einer schlichten Genrescene vergegenwär-
tigt, und die uns hier in einer wohl durchgearbeiteten Lithographie sehr
bedeutenden Maassstabes (18^4 Zoll breit bei etwa 23 Zoll Höhe) vorge-
führt wird: das Schindeldach eines Tyroler Bauernhauses, auf dem Män-
ner, Weiber und Knaben versammelt sind, mit dem F^er ihrer Stutzen
und mit den, zum Festhalten der Schindeln bestimmten Felssteinen, den
andringenden Feind abzuwehren. Wenn wir bedenken, wie sehr in un-
serm Kunsthandel bei Darstellungen historischer Begebenheiten die von

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Preussens Monarchen. 611

ausserlialb eingeführten fremdländischen, oft genug die Unterdrückung
Deütschland8...feiernden Gegenstände noch immer vorherrächen, so werden
wir es doppelt anerkennen müssen, dass hier, bei Vertheilung eines Kunst-
blattes an die Mitglieder eines ansehnlichen Kunstvereins, die Wahl auf,
ein Bild von so edlem vaterländischen Interesse gefallen ist.

Preussens Monarchen. Sieben nach den besten Originalgemälden
lithographirte Bilder nebst .'historischer Einleitung. Herausgegeben yon
Rudolph Freiherrn v. Stillfried-Rattonitz, k. Kammerherrn und
Vice - Oberceremonienmeister. Berlin, in der Gropius'schen Buch- und
Kunsthandlung (C. Reimarus). 1847. Fol. " ■

. (Kunstblatt 1847, No. ,48.) ' •.

Der um die Geschichte des preussischen Königshauses und des Hohen-
zollern'schen Geschlechtes überhaupt vielfach verdiente Herausgeber hat
unter vorstehendem Titel ein Werk veröffentlicht, das zunächst zwar eben-
falls dem patriotisch preussischen'Interesse gewidmet ist, doch auch im
weiteren Bezüge — für die Anschauung ausgezeichneter historischer Per-
sönlichkeiten, für die Art und Weise der auf Repräsentation berechneten
Portraitdarstellung im Laufe von zwei Jahrhunderten, für den Gang der
künstlerischen Behandlung innerhalb dieses Zeitraumes und bei Gegen-
ständen der betreffenden Gattung,'—-ebenfalls nicht ohne erhebliche Wich-
tigkeit ist. Es sind die Bilder der Beherrscher des preussischen Staates
von der Zeit des grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm ab, d. h. von jener
Zeit^ da der preussische Staat (aus der Vereinigung Brandenburgs und
eines von fremder Macht unabhängigen Preussens erwachsend) in die Reihe
der Mächte von europäischer Bedeutung eintrat. Sämmtliche Darstellungen
sind aus dem ungemein reichen Vorrath der Bildnisse ausgewählt, welche
in den königlich preussischen Schlössern zerstreut sind und ihrer Zusam-
menstellung zu einer grossen Gallerie von seltenster Qnd umfassendster
historischer Bedeutung noch immer entgegenharren. Der Unterzeichnete,
mit diesen Schätzen zufällig näher bekannt, kann es bezeugen, dass der
Herausgeber überall mit sicherem Takt die gediegensten und für seinen
Zweck geeignetsten Originale zur Darstellung genommen hat. • ^

Es sind sämmtlich ißildnisse in ganzer Figur und, bis auf eine Aus-,
nähme, in stehender Stellung. Das erste ist das des grossen Kurfürsten,
nach einem (besonders auch in der Färbung) sehr ausgezeichneten Ge-
mälde von Nason, einem sonst nur wenig bekannten Holländer der zwei-
ten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, der zu jenen holländischen Künst-
lern gehört zu haben scheint, welche, wenigstens zeitweilig, von Friedrich
Wilhelm nach Berlin berufen wurden. -Es ist ein Bild fürstlich conven-
tioneller Repräsentation im Charakter jener Zeit: der Kurfürst'steht da,
vollständig gepanzert (wie er sich im Leben wohl schwerlich noch trug),
über dem Panzer den Kurfürstenmantel, mit "zierlich gesticktem Halstuch
und tief auf die Brust niederfallender Lockenperrücke, die Hand auf den

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1464 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

612

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Feldherrnstab gestützt, ein Ganzes von feierlich energischer Erscheinnng.
— Das zweite Bild stellt den ersten König Preussens, Friedrich I., dar,
nach einem Gemälde des damaligen Hofmalers Pesne, eines Parisers von
Geburt. Auch dies ist eine entschieden repräsentirende Darstellung, doch
nicht mehr conventioneller Art,, sondern unmittelbar der im Leben aus-
geübten Repräsentation entnommen. Der König, in blitzend funkelnder
Kleidung, sitzt auf silbernem Throne, zu dessen beiden Seiten der Her-
melin in majestätischen Falten tief die Stufen niederfällt; die Rechte hält
mit eleganter Fingerbewegung das zierliche Scepter. die Füsse ruhen, in
ebenso eleganter Stellung, auf dem prachtvoll gestickten Sammtkissen,
welches vor den Thron niedergelegt ist. Baldachin, Säulen und sonstiges
Zubehör sind nicht vergessen. Die fast seltsam eigenthümliche Aufgabe
ist von dem Maler mit ungemeinem Geschick behandelt und zu einer har-
monischen Gesammtwirkung von grosser malerischer Kraft zusammenge-
zogen, das Original (was auch schon aus der Lithographie hervorgeht) mit
ächter Meisterschaft im Colorit ausgeführt, wie denn überhaupt Pesne den
besten Coloristen seiner Zeit — Anfang des achtzehnten Jahrhunderts —
zugezählt werden muss und wenigstens im Portrait die meisten überragen
dürfte. — Als drittes Bild reiht sich das des Königs'Friedrich Wilhelm L,
ebenfalls nach einem Gemälde von Pesne, an. Hier ist es wieder auf
mehr conventioneile Repräsentation abgesehen. Der König erscheint als
Feldherr, den Feldherrnstab in der erhobenen Rechten, mit einem alt-
ritterlichen Brustharnisch angethan, während ein phantastisch kostümirter
Mohr hinter ihm einen prachtvollen Turnierhelm zum Aufsetzen bereit
hält. Die romantischen Panzerstücke passen nicht mehr zu der Zopfper-
rücke und dem gesammten Generalskostüm, das der König ausserdem
trägt, noch weniger die etwas theatralische Commandobewegung zu seiner
eigenthümlichen biderben Erscheinung, die der Maler im üebrigen mit
^vollkommener Meisterschaft aufgefasst und wiedergegeben hat; aber gerade
die Naivetät, mit der der Künstler den König die für nothwendig be-
fundene Rolle spielen' lässt, giebt dem Bilde wieder ein eigenthümliches
Interesse. — Das vierte Bild stellt König Friedrich IL dar, nach einem
Gemälde von Cuningham, einem Schotten, der an verschiedenen Höfen
thätig und, wie es scheint, von Petersburg nach Berlin gekommen war.
Dies Bild ist einfaches Portrait, ohne alle, zumal künstliche Repräsen-
tation, doch in so charakteristischer Aulfassung und Umgebung, dass ge-
rade hier der Eindruck einer Persönlichkeit von höchster Bedeutung mit
voller Entschiedenheit sich geltend macht. Der König, schon das Gepräge
des höheren Alters tragend, steht auf einer Marmorterrasse des Parkes von
Sanssouci, auf die Lehne eines mit Karten gefüllten Stuhles gestützt und
im einsamen Nachsinnen mit scharfem Adlerblick zum Bilde hinaus-
schauend. Vor ihm eins seiner Windspiele,' das vergebens seine Aufmerk-
samkeit auf sich zu lenken sucht; hinterwärts, auf der Brüstung der Ter-^
rasse und von den Bäumen beschattet, eine im französischen Geschmack
gehaltene Marmorstatue der Wahrheit. Leider ist diese, iri der That er-
greifende Composifion nicht in der wünschenswerthen malerischen Durch-
bildung ausgeführt, wie sich überhaupt Cuningham's Bilder, ob auch durch
vortreffliche Charakteristik, doch weder durch Colorit noch durch Hell-
dunkel besonders auszeichnen; indess ist wenigstens bei dem in Rede
^.tehenden Blatte der Lithograph für die erforderliche Totalwirkung nicht
erfolglos bemüht gewesen. Es"muss hiebei bemerkt werden, dass Fried-

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Preussens Monarchen, 613

rieh II. wohl nur in jüngeren Jahren zur Ausführung gediegener Portrait»
gesessen hat, wie aus dieser Zeit namentlich mehrere vortreffliche Bild-
nisse von ihm noch von Pesne's Hand -(und unter diesen ein sehr schö-
nes, den ersten Jahren seiner königlichen Würde angehöriges Brustbild in
der Gemäldegallerie des Berliner Museums) vorhanden sind. Im spätem
Alter scheint er gar nicht mehr gesessen und den Malern ganz überlassen
zu haben, wie weit sie eine hinreichende Aehnlichkeit seiner Züge aus
der Erinnerung errdchen mochten. So finden sich denn auch in den kö-
niglichen Schlössern nur wenig Bildnisse des grössten Mannes seiner Zeit,
die den an sie zu machenden Ansprüchen genügen, und sind namentlich
die durch Stich etc. vervielfältigten und im Handel befindlichen Bildnisse
nur äusserst selten befriedigend, zuweilen sogar vollkommene Karikatur.')
Mit um so grösserem Interesse wird daher die hier gegebene Veröfl'ent-
lichung des Cuningham'schen Bildes aufgenommen werden. —- Die drei
letzten Darstellungen sind ebenfalls einfache Bildnisse, ohne eigentliche
Repräsentation, doch auch ohne die Andeutung eines charaktervollen Mo-
mentes, vielmehr alle drei in einer gewissen Portraitstellung, welche sich,
auf eine oder die andere Art, in möglichst würdiger Weise der Schau dar-
bietet. Friedrich Wilhelm II.'ist nach, einem Bilde von Döpler gegeben,
in chevaleresker Haltung und, was die i^usführung betrifft, in jener auf
Totaleifect berechneten Breite des Vortrages, die'eine Einwirkung dama-
liger englischer Portraitmalerei zu verrathen scheint; Friedrich Wilhelm III.
nach einem Gemälde von Professor F. Krüger, leider etwas zu befangen
in der Haltung, und die öde landschaftliche Fläche, in'der der König
steht, nicht wohl zu seiner einsamen persönlichen Erscheinung stimmend;
Friedrich Wilhelm IV. dagegen, ebenfalls nach Krüger, so charaktervoll
wie in ächter künstlerischer Durchfülirung und mit dem landschaftlichen
Grunde ein malerisches Ganze von vortrefflicher Gesammtwirkung bildend.

Die lithographische 'Ausführung sämmtlicher Blätter rührt von W.
Schertie her und verdient überall eine unbedingte Anerkennung. Der
Künstler hat durchweg das charakteristisch Eigenthümliche in der Erschei-
nung der dargestellten Personen und ebenso in-der Behandlungsweise der
verschiedenartigsten Originalgemälde aufzufassen und wiederzugeben und
mit einer gewissen Freiheit und Breite des Vortrages zugleich die zarteste
Durchbildung zu vereinigen gewusst. " ,, '

Die von dem Herausgeber vorangeschickte historische Einleitung giebt
in kurzen und kräftigen Zügen eine üebersiclit der Entwickelungsgeschichte
des preussischen Staates und der Charaktere und Wirksamkeit der genann-
ten sieben Fürsten.

Nach solchen scheint Mad. George Saud in ihrer Consuelo das ab-
schreckende Bild dos Preussenkönigs entworfen zu haben.

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t)14 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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Künstler-Jugend, Boman aus dem Leben. Von Dr.'Ca rl August
Menzel. Berlin 1848. 2^Bände. ■ . ~

(Kunstblatt 1847, No. 57.) ' •

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Dies Buch ist von einem praktischen Künstler geschrieben, dem Uni-
versitäts-Bauinspector Menzel zu Greifswalde, der sich durch eine uner-
müdliche öffentliche Thätigkeit, in der Herausgabe der mannigfaltigsten
baulichen Entwürfe und in schriftstellerischen, die Bauwissenschaft betref-
fenden Werken den Fachgenossen bekannt gemacht hat. Der Roman, der
uns hier dargeboten wird, hat im Allgemeinen die Stellung der heutigen
Kunst zum heutigen Leben zur Aufgabe; dies wird an der bunt ineinander
verzweigten Jugendgeschichte einer Anzahl von Künstlern, welche den ver-
schiedenen Kunstfächern angehören, dargestellt. Das Buch hat einen
eigenthümlichen kulturgeschichtlichen Werth; von gewissen Momenten des
Kunstlebens unserer Zeit ist darin ein zumeist sehr lebendiges Bild ge-
geben. Freilich nicht von dem Höchsten, nicht von dem Wesentlichen
der Kunst. Dem vorgehefteten Prospectus zufolge erwartet man in dem
Buche zunächst unmittelbar Bezüge auf die gesammle Entwickelungsge-
schichte der neueren deutschen Kunst; dies ist aber nicht der Fall; es
finden sich nur sehr vereinzelte, oberflächliche Andeutungen der Art;
eine Darlegung der tieferen Gründe jener Wandlungen, weiche in der
Geschichte der neueren Kunst sichtbar werden, hat der "Verfasser gar niclit
beabsichtigt. Ueberhaupt sclieint es nicht in seinem Plane gelegen zu
haben, die — ob auch seltene — innere Grösse des'Künstlerthums, das
sich der Herrschaft über die Gemüther der Menschen zu bemächtigen weiss
oder an widerwärtigen Verhältnissen tragisch untergeht, zur Erscheinung
zu bringen; er hat es nur mit der zahlreichen, wenig charaktervollen
Mittelklasse von Künstlern zu thun, deren Bestimmung es in grossen Kunst-
zeiten ist, sich den grossen Meistern als Gesellen und Handlanger anzu-
reihen, und die in andern Zeitea sich unbemerkt und unbeachtet in das
Philisterium verlaufen. Letzteres ist hier der Fall; und wenn man sich
künftig einmal über die allgemeinen Kunstzustände unserer Zeit unterrich-
ten will und die Frage stellt, was bei uns aus jener Mittelklasse gewor-
den, so vermag dies Buch eine hinlänglich deutliche Antwort zu geben.
Es geht eine eigne, zum Theil wohl kaum bewusste oder beabsichtigte
Ironie durch dasselbe, die um so mehr wirkt, je naiver, je frischer aus
dem Leben gegriffen die meisten Schilderungen sind, mag der Verf. auch
mit etwas zu grosser SammlerleidenSch^ft auf die barocken Erscheinungen
der Philisterwelt, deren sicherer Hafen die sämmtlichen Helden des Ro-
mans aufnimmt, ausgegangen sein.

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Berliner Kalender für 1848. 6"l5

Berliner Kalender' für 1848. Zweiundzwanzigster Jahrgang. Mit
7 Stahlstichen. Berlin, Verlag von Karl Reimarus (Gropius'sche Buch-

und Kunsthandlung). .

.(Kunstblatt 1848, No. 1.); ' '

Der neue Jahrgang des Kalenders bringt uns in seinen Stahlstichen
artistisch interessante Darstellungen, die nächst dem Titelbildc, dem Por-
trait des Prinzen Friedrich von. Preussen (Sohnes des Prinzen Carl) nach
einem Bilde Krüge r's von Teichel gestochen, der jüngsten ThHtigkeit der
Architekten Berlins gewidmet sind. Besondre Wichtigkeit für die höhere
künstlerische Richtung der letzteren hat zunächst das perspectivische Bild
der kürzlich neugegründeten St. Petrikirche zu Berlin, die, in Folge einer
von der städtischen Behörde besonders ausgeschriebenen Concurrenz, nach
den Entwürfen des Professors Strack und unter seiner Oberleitung ge-
baut wird. Die Bedürfnisse des evangelischen Gotteshauses und das Be-
dingni'ss des unserm Norden eigenthümliehen Backsteinmaterials haben hipr
die wesentlichen Motive für Anlage, Composition und Ausbildung des
Einzelnen gegeben. Die künstlerischen Hauptformen sind, solchem Zwecke
entsprechend und ohne sclävische Abhängigkeit von bloss traditioneller
Vorschrift, die des Spitzbogenstyles; das Ganze steigt in ernster j gehal-
tener Kühnheit empor. Der Bau, der ungesäumt zu Ende geführt werden
wird, dürfte (zumal bei dem grossen Einflüsse, den Herr Strack auch als
Lehrer seines Kunstfaches ausübt) für den Entwickelungsgang der hiesigen
Architektur eine sehr erhebliche Bedeutung gewinnen. — Andre Darstel-
lungen beziehen sieh auf diejenigen grossen Anlagen ausserhalb Berlins,
durch welche die Stadt an den unteren Spreeufern weiter in das Land
hinausgeführt wird> Schon der letzte Jahrgang des Kalenders hatte hie-
von ein Beispiel gebracht, indem er eine Darstellung der von Strack aus-
geführten Gebäudegruppe der Raczynski'schen Gemäldegallerje und der
mit dieser verbundenen Künstlerlokale, am ehemaligen Exerzierplatze vor
dem .Brandenburger Thore, enthielt. Ihnen hat sich neuerlich eine um-
fassende Gruppe stattlicher Privatgebäude angeschlossen, unter denen be-
sonders die. von dem Baumelster F. Hitzig ausgeführten durch die clas-
sische Würde ihrer Formen das Gepräge ächt künstlerischer Gediegenheit
besitzen. Diese Anlagen befinden sich auf dem südlichen Spreeufer. Am
nördlichen beginnen sie zunächst der Stadt mit den weiten Baulichkeiten
des Hamburger Eisenbahnhofes. Etwas weiter hinab folgt das, nach dem
Plane des Geh. Oberbauraths Busse efbaute kolossa;le Mustergefängniss,
dessen Umfassungsmauer einen Flächenraum von 16V2 Morgen umschliesst.
Hievon bringt der diesjährige Kalender eine malerische Ansicht, die frei-
lich, bei dem kleinen Maassstabe des Blattes, nur in allgemeineren Zügen
ein Bild des' ernsten kastellartigen Charakters der Anlage geben kann.
Wieder etwas weiter hinab erhebt sich der ebenfalls mächtige Bau der
neuen Garde-Uhlanen-Ka's«rne mit ihrer ZinnenbekrÖnung und den thurm-
artig aufsteigenden Pavillons, die uns ebenfalls in einer Ansicht vorge-
führt wird. Unmittelbar an die Kaserne schliesst sich die vörstädtische
Kolonie Moabit an, die vor noch nicht langer Frist das Gepräge eines
schlichten Ackerdörfchens hatte, neuerlich aber zu einem ansehnlichen

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

016

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Fabrikorte angewachsen ist. Die grossartigste der dortigen Fabriken ist
die Elsengiesserei und Maschinenbauanstalt von Borsig, die einen Flächen-
raum von ungefähr 120,000 Quadratfuss bedeckt, mit 900 Gasflammen er-
leuchtet wird, 1200 Arbeiter beschäftigt und aus der im Jahre 184(5, dort
gefertigt, die hundertste Locomotive hervorging, welcher im Frühjahr 1848
die zweihundertste folgen wird. Zwei Darstellungen sind dieser Borsig'-
schen Anstalt gewidmet. Die eine zeigt uns die noch sehr schlichte Be-
schaffenheit, welche sie im Jahre 1837 hatte; die andre ihre gegenwärtige
Erscheinung, wo man eine ganze Stadt vor sich zu haben meint, über der
sich Thürme und ein Wald qualmender Dampfschornsteine erheben. In
dem erläuternden Text ist vergessen zu bemerken, dass die neueren An-
lagen in dieser Anstalt nach Plänen von Strack gebaut sind und dass er
in dieser Verwendung des heimischen Baumaterials für bestimmt prak-
tische Bedürfnisse und in der acht künstlerischen Behandlung desselben
bei der naiven Befolgung aller gegebenen Bedingungen wieder die beach-
tenswerthesten Belege seiner Meisterscliaft gegeben hat. — Ein Blatt end-
lich enthält eine Ansicht des noch iin Bau begriffenen, aber der Vollen-
dung sich bereits nahenden Schlosses Kamenz in Schlesien, welches I. K.
H. der Frau Prinzessin Albrecht von Preussen gehört. Der ursprüngliche
Plan des Schlosses, das in seiner Gesammtheit 420 Fuss lang und 370 Fuss
breit ist, rührt von Schinkel her; die weitere Fortführung desselben und
seine theilweise Umbildung, die besonders durch die anbefohlene grössere
Ausdehnung nöthig wurde, ist das Werk des den Bau leitenden Hofbau-
meisters Marti
US. Das Material, aus dem 'derselbe aufgeführt worden
und das in seiner Eigenthümlichkeit für die Behandlung der Formen
maassgebend war, ist Glimmerschiefer, Backstein und glasirte Ziegel. So
erhebt sich das Schloss mit seinen Thürmen, Hallen und Nebenbauten auf
dem Rücken des Hartaberges , einfach imposant, im Charakter etwa die
Mitte haltend zwischen den preussischen Ordensschlössern und den sicilisch-
maurischen Schlossanlagen.

Die eben besprochene Ansicht ist nach einer Zeichnung des Grafen
V. Pfeil, die Ansicht der Petrikirche zu Berlin nach einer Zeichnung
von Strack, die übrigen Blätter nach Zeichnungen von Biermann ge-
stochen. Die Stiche sind in eleganter und geschmackvoller Weise von
Sagert, Schulin und Fincke ausgeführt. f

Just Ulrik Jerndorff. Ein Charakterbild von L. Starklof. (Druck
und Verlag der Schulze'schen Buchhandlung in Oldenburg.) 31 S. in 8.

(Kunstblatt 1848, No. J3.)

Wir machen die Freunde der heutigen Kunst auf diese kleine Schrift
aufmerksam, die in kurzen, aber ckarakteristisch bestimmten Zügeii und mit
inniger Pietät von dem Leben und Wirken eines jüngst verstorbenen, in
verschiedener Beziehung sehr schätzbaren Künstlers Kunde, giebt. Jern-
dorff war am 30. December 1806 zu Kopenhagen geboren und zunächst in
schlichter Weise für den handwerklichen Betrieb der Malerei ausgebildet.

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Rulaiid et ses ouvrages, par David. 617

Doch regte sich bald' in ihm der höhere Drang; er malte Portraits uud
Landschaften, die Beifall fanden. Im Jahre 1831 ward-er Schüler des
Professors Möller, Lehrers an der Kunstakademie zu Kopenhagen und Re-
staurators an der königl. Bildergallerie; 1837 ging er, mit einem königl.
Stipendium versehen, nach Deutschland und dann nach Italien, zunächst
mit der Aufgabe, sich durch kunsthistorisches und kritisches Studium der
älteren Meister und Schölen für das Fach der Gemälderestauration, in
welchem er bei Möller bereits eineii glücklichen Grund gelegt hatte, weiter
auszubilden; er versäumte dabei aber auch seine selbständige künstlerische
Ausbildung nicht und sandte mehrere ausgezeichnete landschaftliche Ge-
mälde in die Heimat. Im Herbst 1839 kehrte er nach Kopenhagen zurück
und erwarb sich dort durch geluiagene Herstellung verschiedener, im
königl. Besitz befladUchen Bilder einen vortheilhaften Ruf. Dies gab
Veranlassung, ihn im folgenden Jahre nach Oldenburg zu berufen, um
hier für die Herstellung der in sehr vernachlässigtem Zustande befind-
lichen Gemälde der grossherzbgl. Gallerie wirksam zu sein." Er blieb
fortan in Oldenburg und wurde später Hofmaler" des GroBsherzogs. Die
dortige Gallerie enthält nicht viele Bilder, unter diesen aber sehr schätz-
bare Stücke; man-betrachtet Jerndorlf entschieden als ihren Retter. Neben
den Restaurationsarbeiten, denen er sich mit hingehendster Treue unter-
zog, begann er auch wieder eigne Leistungen, und namentlich seine Land-
schaften gelten allgemein als so tüchtige wie erfreuliche Meisterarbeiten.
Ausserdem war er für .die , Förderung des allgemeinen Kunstsinnes in Ol-
denburg in erfolgreichster . Wiäise thätig. Er stiftete einen Kunstverein,
der sich vornehmlich durch Ausstellung von Kunstwerken bethätigte, wo-
bei aber, den dortigen abgeschlossenen Verhältnissen entsprechend, nicht
bloss auf die Kunst der Gegenwart, sondern ^zugleich, so umfassend es die
vorhandenen Mittel nur gestatteten, auf'die Kunst der Vergangenheit in
ihren verschiedensten Phasen Rücksicht genommen wurde. Die dazu aus-
gegebenen Programme enthalten die belehrendsj|n kunsthistorischen Ueber-
sichten. In ähnlicher Weise war JerndorfF auch durch anregende Vorträge
(in dem dortigen literarisch-geselligen Verein) wirksam; besonders hervor-
gehoben wird unter diesen ein Vortrag „über die Verhältnisse der Kunst
in der Gegenwart und die HolFnungen für die Zukunft." Zum Druck dieser
Aufsätze war Jerndorff nicht zu bewegen: vielleicht dürfen wir jetzt ihrer
Veröffentlichung von Seiten seiner Freunde entgegensehen. Nach längerem
Kränkeln, welches ihn zuletzt arbeitsunfähig machte, verschied er am
27. October 1847, von der ganzen Stadt betrauert nicht bloss seiner künst-
lerischen Verdienste halber, sondern ebenso wegen seines durchaus edlen,
offnen, männlichen Charakters. .

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Roland et ses ouvrages, par David (d'-Angers). Paris 1847. 40 S.

in Octav. - >

(Kunstblatt 1848, No. 15.)

Philipp Laurent Roland, am 13. August 1746 zu Pont-a-Mai(j
bei Lille geboren und am llf Juli 1816 zu Paris gestorben, gehört zu den

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Berichte, Kritiken, Erörterungeu.

ausgezeichnetsten französischen Bildhauern und zu den Gründern der
neueren Kunstblüthe. Die k. Gesellschaft für Agrikultur-Wissenschaften
und Künste zu Lille hatte im Jahre 1846 die Abfassung einer Gedächt-
nissschrift auf ihn zum Gegenstande einer Preisaufgabe gemacht; Pierre Jean
David von Angers, der unter den heutigen Bildhauern Frankreichs einen der
ersten Plätze einnimmt, ein Schüler Roland's, hat mit der oben genannten
Schrift den Preis gewonnen. Die Schrift hat das doppelte Interesse: uns
den Mann, dessen Andenken sie gewidmet ist, und sein künstlerisches
Streben in anschaulichst lebenvoller Weise vorzuführen, und uns in dem
Verfasser, den wir bisher nur als Meister des Meisseis kannten, zugleich
auch einen Meister der Feder kennen zu lehren. '

Roland war in sehr bedürftigen Verhältnissen geboren; David (dessen
Entwickelung unter ähnlichen Verhältnissen begann) giebt uns eine be-
redte Schilderung des künstlerischen Dranges in der jungen Brust, der
sich siegreich durch alle Entbehrungen hindurchgekämpft. Seine erste
Bildung erhielt Roland auf
der" Kunstschule zu Lille; in seinem acht-
zehnten Jahre trieb es ihn nach Paris. Er fand ein Unterkommen in dem
Atelier des Bildhauers Pajou, der ihn bald bei seinen Arbeiten im Palais
Royal und im Schlosse von Versailles beschäftigte und ihm hiedurch zu
Einkünften und Ersparnissen Gelegenheit gab, die ihm eine Reise nach
Italien möglich machten. Dort eignete er sigh, durch das Studium der
Antike, die tiefere AutFassung des Lebens, die gemessnere Weise der
Darstellung an, die ihn befähigten, der Kunst neue Bahnen vorzuzeichnen.
David zieht hier eine interessante Parallele mit Canova und dessen Rich-
tung. „Canova (so sagt er) hat ebenso wie mehrere andre grosse Künstler
damit angefangen, einen einfachen Abdrück der Natur zu geben; aber der
italienische Bildhauer ist nicht so tief in das Innere des Einzelwesens
eingedrungen, wie Roland und einige berühmte französische Bildhauer.
Die Italiener beschäftigen sich vorzugsweise mit dem primo aspettomit
der äusseren Wirkung, di^ wenn ich so sagen darf, den Charlalanismus
der Form ausmacht; sie sind sich ihrer Wirkung so bewusst,"sie sprechen
zu einem Volke, das selbst eine einfache Andeutung so lebhaft aufnimmt
und sich, wenn es nur schnell erfasst wird, die ernsthafte Untersuchung
für später vorbehalten zu dürfen meint, dass sie das Bedürfniss nach einem
tieferen Studium der Anatomie und Physiologie nicht empfinden, wie sehr
auch dies Studium für den nöthig sein mag, der die Natur in ihrer er-
greifenden Wirklichkeit erhabner fassen will. 'Und das ist es, ich wieder-
hole es, worin die französischen Bildhauer sich unterscheiden: sie wissen
es," dass der Eindruck, den die Seele empfangen hat und den allerdings
auch sie unermesslich tief empfinden, doch das genauste Studium nicht
ausschliesst, die unerlässliche Bedingung für jedes Werk, welches der
wechselnden Vorliebe der Zeiten widerstehen soll." — Mich dünkt, dass
diese goldnen Worte noch manche Nutzanwendung finden könnten, auch
für Verhältnisse, die uns näher liegen, als die zwischen italienischen und
französischen Bildhauern!

Roland hi«lt sich fünf Jahre in Italien auf. Nach seiner Rückkehr
fand er in seinem früheren Meister einen thätigen Förderer seines Stre-
bens. Er wurde ausserordentliches Mitglied (agrög^) der Akademie. Zu
diesem Behuf hatte er einen Cato von Utica, der sich den Tod giebt, ge-
arbeitet; Arme und Beine dieser Statue hatte er vorher, des Studiums
halber, überlebensgross modellirt, mit solcher Sorgfalt und Meisterschaft,

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Röland et ses ouvrages, par David. 619

dass sie über den Gliedern eines Riesen abgeformt zu sein schienen. 1781
wurde er wirkliches. Mitglied der Akademie mit einer Statue des Simson,
1782 Mitglied der Akademie zu Lille mit einem, sterbenden Meleager,
einer Statue, die, ohne sclavis'che Nachahmung der Antike zu sein, doch
nach David's Urtheil alle, Schönheiten der antiken Kunst in sich ein-
schliesst. In demselben Jahre'hatte er sich mit einer Töchter des Archi-
tekten des Königs, N. Potain, verheirathet und eine Wohnung im Louvre-
erhalten.

In dieser Zeit fertigte er u. A. einige Basreliefs, in denen er, im
Gegensatz gegen die damalige Richtung seiner Kunstgenossen, zu der an-
tiken Behandlungsweise 'des Reliefs, wie sie dieses Kunstfach verlangt,
zurückkehrte. David giebt bei dem Bericht über diese Arbeiten schla-
gende, aus der ächten künstlerischen Anschauung hervorgegangene Winke
über die Bedingnisse des Reliefs. Andre Arbeiten folgten. Im Jahr 1783
kolossale Medaillons mit den Bildnissen Ludwig?s XV., Ludwig's XVI.,
Lenoir's, Delorme's; 1784 die zierliche Figur eines Kindes mit einem
Schwan für den Park von Fontainebleau und dife Büste Feutry's für Lille;
1786 die prächtigen gigantischen Karyatiden, weiche die Fa?ade des Thea-
ters Feydeau schmückten. Ausserdem ein höchlichst gerühmtes Relief mit
den^neun Musen für die Gemächer der Königin zu Fontainebleau.

Dann brachen die Stürme 'der Revolution herein. Aber die idealen
Pläne der Gewaltherrscher der Freiheit gaben dem Künstler bald zu neuen,
eigenthümlich grossartigen Schöpfungen Anlass, Zunächst, im Jahr 1791,
zu einer kolossalen Gruppe, das Volk darstellend, welches den verhassten
Föderalismus zu Boden schmettert. 1792 folgte, im Auftrage des Convents,
die Ausführung des Denkmals eines der Freiheitsmärtyrer, Simonneau's,
Maires von Etampes, und die einer mächtig kolossalen allegorischen Sta-
tue des Gesetzes, für die*Vorhalle des Pantheons. Diese war nur in Gyps
ausgeführt. „Beim Anblick dieser edlen und strengen Gestalt, (sagt David)
war es unmöglich, sich eines religiösen Gefühles zu erwehren; Alles an
ihr athmete den Frieden der Majestät; mit der vollendeten Durchführung',
mit der zarten Behandlung des Nackten stand die Schönheit und der Reich-
thum der Gewandung nur im Einklang." Für die Vorhalle des Pantheons
fertigte er ausserdem^ in Stein, ein Relief symbolischen Inhalts, die neue
Rechtspflege darstellend. Im vierten Jahre der Republik, bei Gründung
des '„Instituts", wurde Roland einstimmig zum Mitglied 'der Klasse der
Künste erwählt. Wieder andre Arbeiten folgten, . zunächst die reizvolle
Statue einer Bacchantin, dann eine Reihe von Büsten: Pajou, Ruyter,
Lesueur, Cambaci^rfes, Laboissifere, Chaptal u. s. w., endlich die Büste
seiner Tochter, ein Werk so hoher Meisterschaft, dass David dasselbe
geradehin als das Hauptwerk seines Lebens bezeichnet. Was David bei
dieser Gelegenheit über die Kunst der Büsten im Allgemeinen, über die
Pflicht des Künstlers sagt, hier den besondern geistigen Gehalt eines Men-
schenlebens in die Erscheinung treten zu lassen , dürfte vorzugsweise von
seinen eignen Büsten gelten, unter denpn einzelne, wie die von B^ranger
und Victor Hugo, gerade in solcher Beziehung so eigenthümlich ausge-
zeichnet sind. , , " '
' Ebenfalls höchsten Ruhmes würdig ist Roland's Statue des Homer, die
er im Jahr 1802 ausstellte. Der'Dichter ist sitzend dargestellt,, die Lyra
in seinen Händen, der Wanderstab neben ihm, Kränze zu seinen Füssen.
Die Statue befindet sich gegenwärtig in Mitten der Meisterwerke franzö-

t

/

I.

-ocr page 621-

Berichte, Kritikeu, Erörterungen.

sischer Sculptur, welche im Louvre aufgestellt sind. 1805 fertigte er ein
bedeutendes Relief für den Hof des Louvre, das nicht ohne Schwierigkeit
den architektonischen Bedingnissen einzufügen war: zwei Victorien mit
dem Namensschilde Napoleon's, Herkules, Minerva und zwei Flussgötter.
1808 eine Statue Napoleon's für den ÖflFentlichen Sitzungssaal des Instituts,
im kaiserlichen Kostüm, gross und edel in der "Wirkung, breit und frei
in der Ausführung; David zieht dies Werk der Darstellung Napoleon's
durch Canova bei Weitem vor. Die Statuen Cambac6rös' und Tronchet's
folgten, auch die eines Solon für den Saal der Senatssitzungen. Eins
seiner letzten Werke war eine Statue von Lamoignon-Malesherbes. Ein
grosses Basrelief, das den Kaiser Marc Aurel zum Gegenstande hat, war
dieser Arbeit noch vorangegangen. Als Ludwig XVHI. nach seiner Rück-
kehr beschlossen hatte, die Brücke Ludwig's XVL mit zwölf Marmorsta-
tuen zu schmücken, erhielt Roland den Auftrag, die des grossen Conde zu
liefern. Er arbeitete noch die Skizze; der Tod rief ihn vor der Ausfüh-
rung ab.

Roland hat nur vier Schüler gebildet: Caillouette, der sich eben-
falls einen geachteten Namen erworben hat; Wangel, der zu grossen
Hoffnungen berechtigte, aber in unglücklicher Melancholie untergegangen
ist; Massa, David's innigen Jugendfreund, der gleichfalls das Ausgezeich-
netste verhiess und früh starb, und David selbst.

„Was vor Allem (so sagt David) die Werke Roland's auszeichnet, ist
Lebensgefühl und Gewissenhaftigkeit, verbunden mit dem Grossartigen,
was die Kunst verlangt. Seine Sculptur hat ein unläugbares Zeichen von
Verwandtschaft mit der römischen Sculptur in der schönen Zeit August's.
Seine starke Seele war eins geworden mit dem männlichen Geiste dieser
Epoche."

620

K-

Die Schrift ist mit einem Profllbilde Roland's, nach einem Medaillon
von David's Hand in Holz geschnitten, geschmückt. Wir dürfen sie, wie
es scheint, als Vorläufer andrer literarischer Mittheilungen des geistvollen
Künstlers betrachten. Wenigstens hat er in ihr eine Veröffentlichung seiner
Studien über die älteren französischen Bildhauer Jean Goujon und Puget
verheissen. i .

>i

k

Rieht er-Alb um. Eine Auswahl von Holzschnitten «ach Zeichnungen
von Ludwig Richter in Dresden. Leipzig 1848. Veranstaltet und ver-
legt durch Georg Wigand.

(Kunstblatt 1848, No. 24.)

Vor fünfzehn Jahren gab ich mit Robert Reinick das Liederbuch für
deutsche Künstler heraus. Wir wollten den Inhalt des Büchleins, Text
und Musiknoten, gern zugleich mit bildlicher Zierde ausstatten und such-
ten den Umstand, dass es. im Verlag des Professors Gubitz zu Berlin
erschien * hiefür nach Möglichkeit zu nutzen. Wir wählten unter dem
Vorrath Gubitz'scher Holzschnitte aus, was für unsern Zweck passend
erschien; verschiedene künstlerische Freunde hatten die Güte, unser Vor-

-ocr page 622-

Richter-Album. 621

iiaben mit allerlei kleinen Zeichnungen auf Holz zu unterstätzen, die j.

sodann bei Gubitz geschnitten wurden, Wir durften voraussetzen, etwas 1

ganz Artiges und in seiner-Weise Eigenthümliches geliefert zu haben, und J

nachsichtige Recensenten machten. uns die Freude, dies anzuerkennen. '

Wie aber hat sich der Charakter der deutschen Bücherausstattung in die-
sen wenigen Jahren verändert! Welch eine Fülle von Werken, die theils ?
in einfach volksthümlicher, theils in künstlerisch durchgebildeter, selbst |
prachtvollster Weise mit Holzschnitten überreich ausgestaltet sind, ist ^
seitdem ans Licht getreten! Eine Masse von Volksbüchern, und zwar in
zwei verschiedenen Ausgaben, das Nibelungenlied in drei verschiedenen
Ausgaben, Luthers Lieder in zwei verschiedenen Ausgaben, volksthümliche i
Erzählungen, Mährchen — wie die von Musäus, — Volks-, Soldaten-
und Studentenlieder, stattliche ABC- und andre Kinderbücher, die Bibel, i
umfassende historische Werke, allerlei Kalender, selbst mehrere Wochen- :{
blätter, die fort und fort eine Menge von bildlichen Darstellungen bringen, j
breiten ihren reichen Inhalt vor uns aus. Unser schlichtes Liederbuch, f
mit dem wir einen Anfang zu solcher Weise der Ausstattung machten, i
tritt aus diesem bunten Reigen bescheiden zurück. Eine eigenthümliche a
und in mannigfacher Art sehr beachtenswerthe liunst der Bücher-Hlustra- *
tion hat sich bei diesen Anlässen ausgebildet. Der deutsche Holzschnitt, !
in verschiedenen Schulen verschiedenartig behandelt, hat sich bei so
reichlich strömenden Bestellungen auf eine Weise-entwickelt, dass er kei-
nen Vergleich zu scheuen braucht.

Es würde eine sehr dankenswerthe Aufgabe sein, diesen ganzen Ab-
schnitt unsrer heutigen künstlerischen Thätigkeit in all seinen Besonder-
heiten und Wech^elbezügen näher zu beleuchten, zumal wenn man dabei
gleichzeitig auch dasjenige ins Auge fasste, was für dieselben Zwecke von
 4

Engländern, Franzosen, Belgiern geleistet ist. Wer einmal die Geschichte |

der Kunst unsrer Tage schreiben will, wird diesen Abschnitt,' der schon
durch seine volksthümlichen Wirkungen von so grosser. Bedeutung ist^
gewiss nicht ausser Acht lassen dürfen. In diesem Augenblick ist es aber ^

keineswegs meine Aufgabe, den geneigten Leser auf ein so weites Feld
zu führen. Ich habe hier nur, -aus Veranlassung des in der Ueberschrift
genannten Werkes, über einen einzigen unter' denjenigen unsrer deutschen
Künstler, die ihre Thätigkeit in,mehr oder weniger umfassender Weise !

der Bücher-Illustration zugewandt, zu berichten.

Professor L. Richter in Dresden ist — so viel mir bekannt — mit
selbständigen Bildern bis jetzt wenig hervorgetreten.') Auch Kupferstich
oder Lithographie, sonst sehr wirksame Träger für die Verbreitung des
künstlerischen Namens und seiner Wirkung, haben nicht eben beigetra- |

gen, ihn bekannt zu machen. Die „Deutschen Dichtungen mit Randzeich- 1

nungen deutscher Künstler" (Düsseldorf bei Buddeus) enthalten drei sau- ;

ber durchgeführte Radirungen von seiner Hand, in denen die Freunde
seiner Darstellungsweise den liebenswürdigen Künstler allerdings wieder- \

finden, die sich aber doch unter der Fülle der Radirungen verlieren, welche ;

bei uns in jüngster Zeit ebenso reich und lustig zu Tage gekommen sind. ]

Hr. von Quandt in Dresden hat mich; in No. 60 des Kunstblattes vom |
J. 1848, ob meines oben ausgesprochenen Nichtwissens von Richter's umfassen-
der Thätigkeit auch i_m Fache der eigentlieheh.Malerei, gebührlich zurechtgewie- •!
sen. Ich bin ihm für die Belehrung mag diese auch in einer eigehthümli- ' |
chen Sprechweise vorgetragen sein — aufrichtig dankbar. ; |

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Berichte, Kritiken, Erörterungon.

So kann man sagen, dass seine Thätigkeit, soviel davon in die Oelfent-
llchkeit gelangt, bis jetzt fast ausschliesslich''der Bücher-Illustration, der
Anfertigung von Zeichnungen zum Holzschnitt für diesen Zweck, zuge-
wandt gev/esen ist. In diesem Kreise aber hat er die allerfruchtbarste
Thätigkeit entwickelt; er ist derjenige, welcher dieser Gattung des
künstlerischen Berufes das am meisten charakteristische, am entschie-
densten volksthümliche Gepräge aufgedrückt hat. Er ist für Deutschland
der eigentliche Repräsentant des künstlerischen Bücherschmuckes, sofern
mit demselben überhaupt eine volksthümliche Wirkung erreicht werden
soll. Andre haben vielleicht mehr Gewicht des grossen Styles, mehr Clas-
sicität in der Behandlung der Formen, mehr Strenge und Scharfblick für
die Wiedergabe des historisch-Individuellen; oder sie mögen sich, wenn
auch nicht eben in demselben Fache, einer ähnlich reichen Productivität
erfreuen. Keiner dagegen findet so, wie Richter, sein eigentliches Lebens-
element in der Naivetät volksthümlicher Auffassung, bleibt sich hierin
unter allen Umständen so gleich, weiss von hier aus die verschiedenartig-
sten Aufgaben mit derselben stetigen Frische und Unbefangenheit zu be-
wältigen. Seine harmlose Gemüthlichkeit giebt den schlichtesten Zuständen
des gewöhnlichen Lebens, wenn er uns dergleichen vorzuführen hat, stets
einen eignen Reiz; sein schalkhafter Humor weiss das Komische am flüch-
tigsten Zipfel zu fassen und dasselbe ebenso wirksam mit leisen Andeu-
tungen zu bezeichnen, wie im verwegenen Uebermuth bis zur grotesken
Tollheit aufzustacheln: sein feines Gefühl hält die lieblichsten idyllischen
Züge fest und öffnet uns leise den Zaubergarten, aus dem die ganze
Blüthenpracht der Romantik uns entgegenleuchtet; sein edler Sinn vermag
es, unser Herz in seinen verborgensten Kammern zu rühren und wiederum
die Erregung unsres Gemüthes mit beruhigenden Feierklängen zu versöh-
nen. Und wie sich in alledem die Naivetät der Auffassung gleich bleibt,
so auch die Angemessenheit, mit der uns seine Darstellung zwischen den
gedruckten Lettern des Buches entgegentritt. Er weiss es, dass er kein
für sich bestehendes Bild zu geben hat, das in irgend welcher, für maleri-
sche Zwecke berechneten Composition, in irgend welchen Schatten- oder
Lichteffekten uns von der Totalwirkung des gedruckten Buches abzöge.
Er hat überall diejenige wohl empfundene Stylistik, die sich dieser Buch-
wirkung aufs Beste anschliesst: schlichte Composition, mässige Schatten-
angabe und besonders gern jene strenger geschlossenen, arabeskenhaften
Ausgänge, die dem Bilde einen halb dekorativen Charakter geben und
wesentlichst zur harmonischen Einfügung desselben in die schematischen
Drucklettern beitragen. Wenn ich nicht sehr irre, gehört sogar diese
Stylistik in solchem Grade zu seinem eigenthümlichen künstlerischen
Wesen, dass sie ein Hauptgrund' sein dürfte, wesshalb bis jetzt nur so
wenig selbständige Bilder von ihm der Oeffentlichkeit vorgeführt sind.

Leider weiss ich von Richter nichts weiter, als,was sich eben aus
seinen Publikationen ergiebt. Sein Bildungsgang, die Art und Weise sei-
ner etwaigen früheren Leistungen ist mir unbekannt. Doch halte ich mich
(so misslich es sonst sein mag, Mitlebenden dies und jenes aus blosser
Vermuthung auf den Kopf zuzusagen) für berechtigt, hierin Bezug auf ihn
eine Conjectur zu machen. Mir scheint nämlich, dass die Holzschnitte in
der Ausgabe der deutschen "Volksbücher, welche seit zehn Jahren in reich-
lichster Folge bei Otto Wigand in Leipzig erschienen sind, zum grossen
Theil, xmd namentlich die der früheren Jahre, nach Richter'schen Zeich-

iii-i-^ilMMiiiiiift

-ocr page 624-

623

Richter-Album.

nungen gefertigt sind. . Wie unkünstlerisch und dem bäuerlichen Charak-
ter der alten Volksbücher entsprechend auch in diesen früheren Jahrgängen
die Holzschnitte behandelt sein mögen, so leuchtet aus ihnen dennoch ein
so eigenthümlicher, sinnig romantischer Zug hervor, dass derselbe mei-
nes Erachtens eben auf keinen andern Urheber als auf Richter schliessen
lässt. Irre ich mich hierin nicht, so würden wir den Geist unsrer alten
Volksbücher, in den er sich solchergestalt versenkt, als'den eigentlichen
Born zu betrachten haben, aus welchem er für seine Naivetät, seinen Hu-
mor, seine Gemüthlichkeit, seine idyllische oder romantische Anmuth, seine
warme Feierlichkeit, mit einem Worte: für sein ganzes deutsch volksthüm-
liches Wesen die entsprechendste Nahrung geschöpft. Dies hat er auf.die
schier unzählbare Fülle der Leistungen, mit denen er sodann die verschie-
denartigsten Bücher geschmückt hat, übertragen. Betrachten wir dieselben
schliesslich noch unter dem Gesichtspunkt der engeren künstlerischen Kri-
tik , so werden wir die letztere allerdings bis zu einem gewissen Grade"*
stets nur nach Maassgabe des volksthümlichen Zweckes dieser Leistungen
in Anwendung zu bringen haben. Schon der Holzschnitt, von verschie-
denartigen Händen herrührend, führt uns die Originalarbeit offenbar in
verschiedenartig modificirter Weise vor, und wir haben mit dem Zeichner
nicht ohne Weiteres zu rechten, wo möglicher Weise die specielle Thätig-
keit des Holzschneiders in Betracht kommt. Doch ist in dem Vortrag im
Allgemeinen eine gewisse (wiederum dem volksthümlichen Charakter ent-
sprechende) Derbheit vorherrschend, die überhaupt ein allzu,genaues kri-
tisches Anatomisiren nicht eben zulässig macht. Und wenn uns ein oder
ein andres^Mal auch ein erheblicheres Bedenken in Betreff der Forderun-
gen, welche die Natur an die Formenbildung macht, entgegentreten sollte,
so lassen wir dasselbe, wo uns im Ganzen so viel Erquickliches geboten
wird, gern bei Seite liegen.

Es ist gewiss ein sehr glücklicher Gedanke des Herausgebers des
„Richter-Albums", uns in demselben eine Auswahl aus dem reichen Vor-,
rath seiner Composltioneji in Separatabdrücken und in übersichtlicher
Folge vorzuführen. Das'Album enthält 115 Holzschnitte auf 85 Blättern
in gross 8. Es würde allzuweit führen, »wollte ich hier auf das Einzelne
des Inhalts näher eingehen, und es möge statt dessen die Bemerkung
ge-
nügen,
dass uns'hier von allen Richtungen, in denen seine künstlerische
Erfindung sich bewegt, gehaltreiche und auch im Schnitt wohlgelungene
Beispiele dargeboten werden. DieMehrzahl der Verleger derjenigen Werke,
welche mit Holzschnitten nach Richter geschmückt sind, haben die Holz-
stöcke zu diesem Zweck bereitwillig mitgetheilt, und es sind die Abdrücke
hier von diesen Holzstöcken selbst (nicht von Bleiabgüssen), zugleich in
sorgfältigster Behandlung des Druckes genommen worden. Ich liabe bei
Durchsicht des Albums einzig das Bedauern empfunden, dass nicht noch
mehr, nicht auch diese und jene andre Composition, die mir durch ihre
eigenthümlicheh Vorzüge werth und lieb geworden, mit aufgenommen ist.
Indess Avürde es, bei der an sich schon so dahkenswerthen Gabe, die eben
nur eine Auswahl sein sollte, unbescheiden sein», noch mehr zu fordern,
und es kann ja ohnehin bei einer Auswahl nur das subjective Urtheil
entscheiden. Jedenfalls werden die Freunde der Richter'schen Arbeiten,
werden die Sammler von LeiiStungen der vervielfältigenden Kunst das Er-
scheinen des Albums höchlichst willkommen heissen.

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624 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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lieber die akademischen Künstler-Vereine.

(Gesellschafter 1848, Beilage zu No. 94.)

Das Wort „Kunst-Akademie" hat eine scliwankende Bedeutung. Im
Allgemeinen versteht man darunter theils Kunst-Bildungs-Anstalten, theils
Vereinigungen von Künstlern; aber die wechselseitigen Beziehungen zwi-
schen diesen beiden Klenienten sind in den verschiedenen Ländern ver-
schieden. lu der alten Akademie von S. Luca zu Rom bildet sich aus
beiden ein zusammenhängendes Ganzes. . In Paris ist die „Akademie der
schönen Künste", die eine Abtheilung des sogenannten „Instituts" aus-
macht, nur ein geschlossener Künstlerverein und von der dortigen Kunst-
schule gänzlich geschieden. In London ist die Akademie ebenfalls nur
ein Künstlerverein, der aber zugleich, aus freiem Antriebe, ein wenig
Kunst-Unterricht ertheilt. In Belgien sind die zahlreichen Akademieen,
und namentlich die grosse Akademie von Antwerpen, im Wesentlichen
nur Kunstschulen; daneben aber ist dort, und zwar zu Brüssel, in den
letzten Jahren eine'besondere „Akademie der Wissenschaften und Künste"
errichtet, die als eine Nachahmung des französischen „Instituts" erscheint
,und deren eine Ahtheilung, die „Akademie der schönen Künste", wie-
derum aus einer Künstlergesellschaft besteht. In den ober-italienischen
und deutschen Kunst-Akademieen erscheint die Kunstschule durchweg als
die Hauptsache; vertreten und verwaltet werden dieselben hier in der
Regel durch ein von der höheren Staatsbehörde berufenes Collegium von
Künstlern, das gelegentlich auch durch Nicht-Künstler vervollständigt wird
und dessen Mitglieder den Charakter von Beamten tragen; in den meisten
Fällen sind die auf solche Weise eingerichteten Akademieen zugleich be-
fugt, andern, ausserhalb stehenden Künstlern den Ehrentitel eines „Mit-
gliedes der Akademie" zu ertheilen. Auch die Akademie von Berlin hatte
nach ihrer ursprünglichen Verfassung im Wesentlichen dieselbe Einrich-
tung; seit etwa siebzehn Jahren ist hier aber, die veränderte und meines
Erachtens nicht ganz folgerichtige Bestimmung in's Leben getreten , dass
die „Mitglieder der Akademie" selbst die etwaigen neuen Mitglieder zu
wählen haben. Ich halte dafür, dass, wer Ehrenrechte ertheilen soll,
nothwendig darüber stehen muss; die Sache" gewinnt sonst leicht einen
ausschliesslichen Charakter und bleibt mannigfacher Anfechtung aus-
gesetzt.

Ueber das Wesen der Akademieen als Kunstschulen ist seit fünfzig
Jahren und länger sehr viel gesprochen und geschrieben worden. Ich will
diesen Gesichtspunkt hier bei Seite lassen und nur meine Ansicht über
die Bedeutung der akademischen Künstlervereine aussprechen. Ich glaube,
dass die grössen Umgestaltungen unserer Tage, die auf alle Gebiete des
Lebens ihren Einfluss ausüben, auch sie nicht unberührt lassen können.
Ich wünsche, dass sie aus den Wehen der Zeit neuverjüngt hervorgehen,
dass sie statt eines müssigen Scheinlebens ein wahres, wirksames Dasein
gewinnen mögen.

Es fragt sich, welchen Beruf diese, mit einem öffentlichen Charakter
bekleideten Künstlervereinigungen, die wir theils in selbständiger Stel-
lung, theils an andere Institute (die Kunstschulen) angelehnt finden, eigent-

-ocr page 626-

lieber di« akademischen Künstler-Vereine. 625

lieh haben. Die Antwort ist, wenn wir die bisherigen Verhältnisse be-
» trachten, nicht ganz leicht; auch die Einsicht in die Statuten der verschie-
ilenen Anstalten giebt uns nicht viel befriedigende Aufschlüsse. In den
meisten Statuten bleibt, wenn wir die einhüllenden Formeln abschälen,
als eigentlicher Kern nur.die Bestimmung, dass die Mitglieder wiederum
Mitglieder zu machen haben. Ich glaube, ich darf mir meine Bemerkung
hierüber sparen. Oder sie sollen nützliche Dinge über die-Kunst spre-
chen, Vorschläge desshalb machen, auch (wenn es der Behörde beliebt)
über dergleichen vernommen werden, — Befugnisse, wozu es doch keiner
ausschliesslich akademischen Stellung bedarf. Oder sie sollen ein Kunst-
gesetzbuch, ein allgemeines Wörterbuch über die Kunst, aufstellen, wie
mit einem solchen die französische Akademie schon seit länger als einem
Vierteljahrhuüdert beschäftigt ist, ohne dass bis jetzt jedoch eine Zeile
davon im Druck erschienen wäre; aber erscheint das Buch auch, wer
zwingt die "Welt, nach dessen Gesetzen zu leben? Oder sie sollen ein
Jahrgehalt empfangen. Diese Bestimmung wird Jedenfalls seht annehmlich
sein, und ich gönne zumal den alten verdienten Künstlern von ganzem
Herzen ein Dasein, das sie der zuweilen doch sehr drückenden Sorgen
überhebt; aber wozu für eine Küustler-Pensionsanstalt dieser akademische
Nimbus? Oder sie sollen bei, künstlerischen Concurrenzen ihr entschei-
dendes Votum abgeben. Dies Letztere ist die einzig positive Bestimmung,
die ich in Betreff der Wirksamkeit der akademischen Mitglieder, so viel
mir erinnerlich, in den Statuten der Akademieen gefunden habe. Aber die
Sache scheint mir^doch auch zu einfach, als dass es dazu eines besonders
glanzvollen akademischen Apparates bedürfte.

Meines Bedünkens verhält sich die Sache so. — Es war in der schö-
nen Zeit des italienischen Lebens, .da Wissenschaften und Künste auf's
Neue emporblühten, da die Geister des classischen Alterthums nach langer
Entfremdung die Welt wieder besuchten, und die Gleichgestimmten und
Gleichstrebeuden sich zum Austausch ihrer Gedanken und Erfahrungen,
zur gegenseitigen Anregung und Förderung gesellig vereinten. Mit altehr-
würdigem Namen benannte man diese gesellschaftlichen Zusammenküjifte
als Akademieen. Die Mächtigen und Herrschenden waren stolz darauf,
solche Kreise' in ihre Nähe zu ziehen; fehlt« ihnen selbst der Sinn dafür,
so gebot ihnen dennocli die milde italienische Sitte, dem allgemeinen Bei-
spiel zu folgen. Es gehörte allmälig zum guten Ton, Akademieen im Ge-
folge der Fürstenhöfe zu sehen, auch ausserhalb Italiens; sie wurden bald
ein wichtiges Pertinenzstück des fürstlichen Luxus. Es kam die Zeit, wo
die Staaten in die Personen der Fürsten aufgingen; es konnte dabei nicht
fehlen, dass die Akademieen den kostbaren Kleinoden zugezählt wurden,
welche den Saum des grossen Staatskleides zu schmücken bestimm! waren.
Sie waren zuletzt, ob auch die Zeiten sich wiederum verwandelt hatten,
feststehende Artikel des Staats-, selbst des National-Luxus geworden; man
schien förmlich übereingekommen, dass die Völker eine solche ostensible
llepräsentation der in ihtem Innern verborgenen geistigen. Kräfte nötliig
hätten. Aber man darf.endlich doch einmal inne halten und fragen, ob
dieser Luxus, diese llepräsentation in der Natur der volksthümlichen Be-
dürfnisse liegt?, oder wie sich ^iese Bedürfnisse je nach dem verschieden-
artigen Volkscharakter verschieden gestalten ? Die Franzosen, glaube ich,
haben viel zu viel volksthümliche Eitelkeit, um von Instituten lassen zu

Kugicr, Kleine Scliriflen. III. . 40

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pqppiPpaHIpppmppipni^mi^iiwpjgi I I, »I lui» -.......—......Ts-y.-Bi'^w

ß26 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

ItÖnnen, die die Erhabenheit ihrer Intelligenz zur Schau tragen. Die
Deutschen können in manchen Dingen äusserst Nützliches von den Fran-
zosen lernen; aber es giebt auch manche Dinge, in denen sie besser ihre
eigenen Wege gehen.

Ich höre hier einen Einwurf. Die Kunst-Akademieen, wird man mir
sagen, sollen nicht bloss die Kunst-Intelligenz repräsentiren: sie sollen
sie wirklich enthalten; die Behörden des Staates sollen verpflichtet sein,
sie als die Organe solcher Intelligenz zu betrachten; die Behörden sollen
bei ihrer Verwaltung der Kunst-Angelegenheilen stets nur auf Grund
der von diesen Organen abgegebenen Gutachten handeln. Alles dies, so
fügt man hinzu, ist eine um so grössere, bedeutsamere Aufgabe, als die
gesammte Pflege der Kunstangelegenhelten, und vornehmlich die Veran-
lassung zur Ausführung von Kunstwerken im allgemeinen volksthümlichen
Interesse, was bisher zumeist eine fürstliche Gnadensache war, nach den
Umgestaltungen unsrer Tage wesentlich eine Staatssache wird werden
müssen.

Das wäre freilich, all den müssigen Formalitäten, all der eiteln Re-
präsentation gegenüber, eine sehr würdige Aufgabe, um die es sich schon
der Mühe lohnen möchte, akademische Künstlervereine zu gründen. Aber,
so muss ich wieder fragen, haben diese Vereine nach ihren bisherigen
Verfassungen wirklich das Recht, sich der Erfüllung einer solchen Auf-
gabe zu unterziehen? Haben sie die volle Befähigung, sich als die Organe
der Kunst-Intelligenz eines Volkes hinzustellen? — Ich glaube: Nein! Sie
stehen, wie es mir scheint, auf einer Basis, von der aus kein folgerich-
tiger üebergang zu jener Stellung zu gewinnen ist. Ihre Verfassung hängt
wesentlich mit der früheren Theorie des gesellschaftlichen Verbandes zu-
sammen. die die Ertheilung von Titeln, Würden und Orden als einen
Ausfluss höherer Intelligenz erscheinen liess; wie sie auch eingerichtet
sein mögen, es handelt sich bei ihnen stets um das Zufällige eines Ehren-
titels. Ist die Genossenschaft der Mitglieder auf. eine bestimmte Zahl be-
schränkt, ist mit der Mitgliedschaft gar eine Pfründe, ein Gehalt verbun-
den, so ma.cht sich die Sache noch am Einfachsten und Klarsten; es wird
dann um die erledigte Stelle eine lebhafte Bewerbung eintreten, und man
wird Gelegenheit haben können, den möglichst Ausgezeichneten zu wählen.
Aber darf vorausgesetzt werden, dass in einer so abgeschlossenen Genos-
senschaft die Summe der jedesmaligen Kunst-Intelligenz wirklich enthalten
sei? der Kunst, die ihrer Natur nach stets jung sein muss, bei der die
junge Meisterschaft oft denselben, oft einen höheren Rang behauptet, wie
die alte? — Ist die Zahl der Mitglieder unbeschränkt, so kann die
Wahl sich nach Belieben weiter erstrecken; aber eben nach Belieben, nach
einem unbestimmten, willkürlichen Gefühle für das Vorzüglichere. Wer
giebt den Draussenstehenden eine Bürgschaft, dass die Genossenschaft sich
nicht allmählig in eine Kotterie umwandelt? dass Künstler, die vielleicht
ein oder zwei Mal Vortreffliches geleistet haben, hinterher aber erschlaf'-
fen, sich nicht gar eigenwillig gegen neu auftretende Kräfte oder Rich-
tungen verschliessen?— Geschieht die Wahl neuer Mitglieder durch die
Genossenschaft selbst, so bleibt, wie schon angedeutet, das Missliche und
Missliebige, das überall entstehen muss, wenn Ehrenrechte aus dem Kreise
der Geehrten fortgepflanzt werden. Geschieht die Wahl durch eine höher
gestellte Behörde, wTr giebt Bürgschaft für die richtige Einsicht der
Letzteren ?

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Ueber die akademisclien Küiistlpi-Vereiju',. 027

mmimimmmmm

Wie man die Sache auch aiifasseu möge, das bisheiige Princip der
akademischen Künstlervereine passt nicht mehr zu den Forderungen der
heutigen Zeit, am wenigsten, wenn sie zu der oben in Anspruch genom-
menen schönen und grossen Wirksamkeit berufen werden sollten. Es wird
wesentlich darauf ankommen, ob für sie ein andres Princip gefunden
werden kann, ein solches, wo an die Stelle des Zufälligen, des willkür-
lichen Ehrenrechtes, die bestimmte, gesetzlich normirte Anerkennung träte.
Ich habe kein Bedenken, sofort dasjenige Princip auszusprechen, welches
hiernach mit den Fordertingen unserer neuen Zeit allein im Einklang stehen
würde. Die akademischen Künstlervereine müssen sich, wie es mir scheint, ,
in Genossenschaften der Meister verwandeln. Es handelt sich hie-
bei nicht um eine Auszeichnung, nicht um ein mehr oder weniger will-
kürliches Hervorheben des Einen vor dem Andern; es handelt sich um das
offene Anerkenntniss der vollkommen entwickelten, durch gründliche Lei-
stungen belhätigten künstlerischen Ausbildung. Es handelt sich um ein
Ziel, danach mit Anstrengung gerungen werden kann; — um Titel und
Orden bewirbt man sich nicht,*) um die Aufnahme in den Kreis der
Meister muss der Tüchtige sich gern bewerben. Ein solcher Kreis wird in
sich fassen, was das Volk ah gediegener, völlig gestählter künstlerischer
Kraft besitzt;'er wird"in Wahrheit die Kunst-Intelligenz dos Volkes
darstellen.

Und was, so wirft man mir vielleicht ein, was ist das Kriterium der
künstlerischen Meisterschaft? Lässt sich das so bequem als gesetzliche Vor-
schrift in Worte fassen ? Kommen wir dabei nicht am Ende auf den alteu
Standpunkt des Gutdünkens und der Willkür zurück? — Ich weiss es
ganz wohl, dass das Höchste und Letzte, des künstlerischen Urtheils im
Gefühle liegt, das nicht füglich in Worte übersetzt werden kann. Dennoch
scheint mir die Aufgabe der Meister-Erklärung keineswegs auf schwan-
kenden Grundsätzen beruhen zu müssen, scheint sie mir von der zum Ver-
gleich herangezogenen bisherigen Aufgsjbe wesentlich verschieden. Es gilt
eben zu prüfen, ob die Stufe der Meisterschaft, der vollliommen ent-
wickelten Ausbildung, je nach den verschiedenen Anforderungen, w^elche
die verschiedenen Kunstfächer bedingen ^ erreicht ist. Hierüber wird sich
die Jury der Meister, auch wenn sie, wie billig, strenge Anforderungen
macht, auch wenn im einzelnen Fall von einander abweichende Meinungen
laut werden sollten, zu- einigen wissen. Ich setze dabei aber freilich vor-
aus, dass eine solche Einigung wirklich stattfinde, d.h. dass. Gründe und
Gegengründe dargelegt werden, und dass man stets zu einer offnen na-
mentlichen Abstimmung schreite. Geheimes Scrutinium, weisse und
schwarze Kugeln iln verdeckten Kasten passen für solche Verhältnisse
nicht mehr. ^ '

Von andrer Seite bemerkt man vielleicht, die ganze Sache, von der
ich spreche, sei so lang wie breit; di« Auszeichnungen, durch die man
seither „Mitglieder der Akademie" berufen habe» seien eben den vorhan-
denen „Meistern" zu Theil geworden; das Resultat für die Mitgliederzahl
werde, in vielen Fällen wenigstens, dasselbe bleiben, möge man sie nach
der einen oder nach der andern Fassung wählen. Zugegeben : nur meine
ich, dass auch in diesem Fall^schon "die veränderte Fassung von wesent-

')" Haben Sie das schriftlich?

Anmerkung des Setzers.

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628 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Hellster Bedeutung ist. Sie stellt eben den Künstlerverein, der sich Aka-
demie nennt, auf eine andre Basis, ich möchte sagen: auf einen andern
oder vielmehr auf den eigentlichen Rechtsboden.

Die Genossenschaft der Meister, wenn die akademischen Künstlerver-
eine sich liiezu umbilden, wird ein wirkliches, lebendes Glied im Orga-
nismus des Staates ausmachen. Sie in der That wird den Beruf und die
Pflicht haben, der verwaltenden Behörde überall in Kunstsachen ihr ge-
wichtiges Gutachten abzugeben. Sie wird ebenso auf das Innere ihres
genossenschaftlichen Berufes die mannigfachste vortlieilhafte Einwirkung her-
vorbringen können. Ich betrachte z. B. die Genossenschaft der Meister
bildender Kunst als die eigentlichen Urheber unserer grossen akademischen
Kunstausstellungen 5 ihnen — aber als Genossenschaft, nicht den Einzel-
nen, — fällt also mit Recht die pekuniäre Einnahme dieser Ausstellungen
zu, die, für wahre genossenschaftliche Zwecke und namentlich zur Unter-
stützung hülfsbedürftiger, arbeitsunfähiger Mitglieder verwandt, sehr wohl
geeignet sein würde, zur Sicherung der unabhängig künstlerischen Exi-
stenz nachhaltig beizutragen.

Vieles wäre hieran noch anzuknüpfen, doch mag es einstweilen bei
diesen Andeutungen sein Bewenden haben. Nur das will ich noch be-
merken, dass die Genossenschaft sich zum Betrieb ihrer Angelegenheiten
nach den
künstlerischen Hauptfächern in Sectionen würden zu theilen
haben, und dass, wo sie irgend eine grössere Anzahl von Mitgliedern
umfassten,
Ausschüsse auf bestimmte Zeitdauer zu wählen sein würden,
die sodann, namentlich den Behörden gegenüber, die Genossenschaft
und die Interessen derselben verträten.

Berliner Briefe.
Von
T. L. S.

(Kunstblatt 1848, No. 36 ff.)

iftMiir'iliiir'"'''

I.

Sie haben mich mehrfach aufgefordert, mich , über den Stand der
künstlerischen Dinge in unsrer guten Residenz auszusprechen, und Sie
haben ein so gutes Zutrauen zu mir, dass Sie trotz meines beharrlichen
Schweigens abermals eine Mahnung an mich ergehen lassen. Sei es denn!
ändern sich doch heut zu Tage so viele Dinge in der Welt, —- warum
sollen nicht auch einmal die des Schreibens entwöhnten Finger wieder zur
Feder greifen ?

Wenn ich so lange geschwiegen, so war es freilich nicht ganz ohne
Grund, für mich wenigstens. Man wird mit den Jahren überhaupt etwas
bedachtsam im Urtheil, mitunter auch etwas kopfscheu. Ab und zu freut
man sich wohl der bunten Erscheinungen, die an einem vorüberrauschen;
CS giebt Thaten und Leistungen, die uns stolz-darauf machen, dass uns

ipp

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Berliner Briefe. 629

dergleichen mitzuerleben vergönnt ward. Aber es passirt auch allerlei in
Leben und Kunst, das die Menge jubelnd beklatscht und dessen Berech-
tigung zum Dasein uns doch nicht sonderlich einleuchten will. Wir wissen
aus der Geschichte, wieviel Scheingrössen gefallen sind, und wir meinen,'
manchem glanzvollen Thun der Gegenwart auch sein Horoskop stellen zu
dürfen^ Denke ich nun bei solcher Stimmung an_die letzten Jahre unsrer
hiesigen Kunst zurück, so finde ich in dieser Frist ebenfalls wohl ein-
zelnes Hohe und Schöne, aber die grössere Masse des Unternommenen,
die vorherrschende Gesammtrichtung hat mich nicht allzu lebhaft erfreuen
können. Ich habe darin im Ganzen mehr Bchein als Wesen gesehen; die
Dinge karnen mir in hundert Fällen gemacht, absichtsvoll, spielerisch
vor; ich vermisste darin vor Allem den Ernst der Ueberzeugung,-der bei
jeglichem Thun des Menschen, und so auch bei der Kunst, doch wohl
das erste Bedingniss ist. Neben einzelnem Gediegenen trat mir allzu viel
Dilettantismus entgegen: es war mir, aufrichtig gesprochen",-unbequem, ihm
durch all seine kleinen und grossen Irrgänge nachzufolgen. Indess ist ein
stürmischer Tag gekommen, der manchen Schein'zerstieben gemacht hat.
Ich glaube, dass das Nachwehen dieses Sturmes auch unser friedliches
Kunstgebiet treffen wird. Auch hier wird es sicn vermuthlich zeigen, was
auf festen Pfeilern und was (wie etliche Strassen in der Nordwestecke
Berlins) auf beweglichem Infusoriengrunde gebaut war. Vielleicht, dass
mit jenem Tage auch für unsre Kunst eine alte Epoche abgeschlossen ist.
Da mag sich's denn wohl ziemen, auf einen Augenblick still zu stehen
und über unser Gebiet eine rasche Rundschau zu halten. Es handelt sich
um unsre Zukunft, für die der Blick über die, wenn auch nicht durchweg
erfreuliche nächste "Vergangenheit nicht ganz ohne Frucht sein wird. . ;

Wir hatten uns hier kürzlich in den ersten Anfängen unsres nöuen
constitutionellen Lebens zu versuchen; wir,hatten Deputirte zu wählen für
unsre preussische, auch für die allgemeine deutsche Nationalversammlung.
Man hielt die gemeinsamen Vorberathungen dazu in dem Conzertsaale
des Schauspielhauses. Sie kennen das Gebäude; Sie wissen, dass
dasselbe eine der gediegensten Leistungen unsres unvergesslichen S ch i n-
kel ist. Der grosse Saal mit seinen lauteren griechischen Formen hallte
diesmal nicht von den Beethoven'schen .Symphonieen, sondern von dem
stürmischen Kampfe politischer Parteien wider. Doch gab es, wie man sich
Tag für Tag an derselben Stelle wiederfand, immerhin Augenblicke genug,
da das Auge sich an dem harmonischen Einklänge dieser Formen erfreuen,"
an ihrer stillen Einfalt Ruhe und Befriedigung suchen konnte. Auch
traten nicht allzu selten Redner auf, deren Worte keinen sonderlichen
Gewinn verhiessen, so dass man es vorziehen durfte, sich in den klei-
neren Vorsälen und Seitenräumen zu ergehen. Ich habe in jenen Tagen
manches Absonderliche in politischer Beziehung gelernt, aber ich bin, was
mir nicht minder werth ist, gleichzeitig dazu gekommen, die künstlerische
Totalität dieses schönen Lokals un:ifassender und vollständiger denn bis-
her in mich aufzunehmen. Welch ein keusches Ebenmaass, welche reine
Gesetzlichkeit, welch ein klar bewusstes Wollen tritt in dieser Kunst-
schöpfung uns. überall entgegen! Und wie durchdringt dieser hohe und
reine Geist die sämmtlichen/übrigen künstlerischen Kräfte, die in Male-
reien und Sculptufen zur würdigen Ausstattung jenes Lokales mitgewirkt
haben! Wie werden wir selbst mit den schwächeren der hier befindlichen
Leistungen bildender Kunst doch durch eben denselben unverkennbaren

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................................................' ■■VT-^'-Wt-gs-t.s-.f.«»..!.. .........................................................'-fJHg

ß:JO Berichte, Kritiken, Erörtennigeii.

Ernst des Strebens ausgesöhnt! Ich habe einzig zu'beklagen gehabt, dass
das Material, welches hier zur Anwendung gekommen, keine wahrhaft
monumentale Dauer hat und dass das Verderben, namentlich der schönen
Stucco-Sculpturen, bereits beginnt. — Erinnere ich zugleich noch an das
unter demselben Dache befindliche Bühnenlokal, und zwar an das des
Zuschauerraumes, so tritt uns auch hier das Bild derselben künstlerischen
Besonnenheit entgegen. In der architektonischen Anordnung und ihren
Formen sehen wir dieselbe würdevolle Grazie, in der bildlichen Ausstat-
tung dieselbe begeisterte Hingabe. Ja, ich glaube es behaupten zu können :
W. Wach und W, v. Schadow haben in den Deckengemälden gerade
dieses Raumes ihre gediegensten Meisterwerke geliefert.

Das war Schinkel und die Zeit seiner Wirksamkeit. Wir sind die
Erben seines Geistes und wir haben die Aufgabe gehabt, die von ihm
ausgestreute Saat zu hüten und zu pflegen, auf dass sie zu stets erneuten
Blüthen sich entfalte. Sein künstlerisches Gesetz war weit und frei ge-
nug, dass wir in dessen Gefolge nimmer einem beschränkenden Regel-
zwange zu unterliegen hätten befürchten mögen. Und in welcher Weise
haben wir unsre Aufgabe erfüllt? — Ich bitte, folgen Sie mir in unser
grosses Opernhaus. Sie wissen, es brannte vor einigen Jahren aus und
musste, bei einigen massigen Veränderungen im Aeussern, im Innern gänz-
lich erneut werden. Lassen Sie uns eintreten: Sie fühlen sich überrascht
durch den grossartigen Raum, der uns umfängt, geblendet durch die, wenn
zum Theil auch nur scheinbare Pracht der Stoffe und den Glanz der tau-
send Gasflammen. Sie prüfen mit Behagen den raffinirten Comfort der
Sitzplätze, der dem Schinkel'schen Schauspielhause freilich fehlt, doch
auch ohne zu grosse Mühe dort ebenfalls einzuführen wäre. Aber Sie
verlangen mehr: Ihr Auge, kunstbedürftig und in einem Tempel der Kunst
mit doppeltem Recht nach künstlerischer Befriedigung verlangend, schweift
über diese funkelnde Pracht hin und wider; aber es findet keinen Punkt,
wo es ausruhen möchte. Es ist eben ein buntes, wirres Durcheinander
von Zierraten und Figuren , wie es die Chablone oder die Gussform ge-
geben haben mag, ohne organisches oder rhythmisches Gesetz, das wir
doch in allen Kunststylen vergangener Kuustepochen, den Rococostyl nicht
ausgenommen, vorfinden. Und blicken Sie empor zur Decke, oder blicken
Sie lieber nicht empor, — Sie möchten, Deckengemälde erwarten wie im
Schauspielhause und würden sich leider überzeugen müssen, dass diese
Musen und sonstigen Göttinnen füglich nur den Beruf haben können, auf
die Scliaubilder an Putz- und Modeläden hinüberzuflattern. Zvvisohen den
Göttinnen aber liängt der berühmte kolossale Kronleuchter lierab, dessen
Erscheinung von unseru Zeitungen feierlichst begrüsst wurde. Er ist aus
einem lustigen Gewülil von Ornamenteri und Figuren zusammengepappt
(denn er besteht aus Pappe), wie wir dergleichen aus französischen Re-
naissance - Vorlegeblättern kennen. Vergoldete Flügelwesen tragen einen
dichten Wald von Wachskerzen, die eine blendende Helle im weiten
Räume verbreiten. Wachskerzen? Sie irren sich. Das ist eben die geist-
reiche Erfindung, dass es keine sind und dass sie nur dazu dienen, die
einzelnen Gasflämmchen zu motiviren. Wäre freilich ein Künstler mit
dabei gewesen, so hätte ihm auch wohl einfallen können, dass Kerzen nur
ein Nothbchclf zur Erzeugung der Flammen sind und dass,, wo man über
Flammen ohne solchen Nothbehelf disponiren kann, Gelegenheit zu überaus
reizenden phantastischen Formspielen gegeben war. Indess hätte das eben

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Berliner Briefe, 631

eine künstlerische Wirksamkeit bedingt, wovon hier überhaupt nicht die
Rede ist. Nur von Wich mann befindet sich in dem Räume, zwischen die
Prosceniuraslogen eingeklemmt, eine Anzahl Statuep, allegorische Wesen
vorstellend, die zufällig auch eine künstlerische Mitwirkung bezeugen. Aber
sie können in dieser Umgebung nicht sonderlich zur Geltung kommen.

Da wir eben das Innere von Schauspielhäusern besuchen, so erlauben
Sie mir, gleichzeitig einen kurzen Sprung über die Lampen zu machen,
auf die Bühne selbst. Ist dasjenige, was uns dort vorgeführt wird, zum
guten Theil doch ebenfalls dem Bereiche der bildenden Kunst zuzuzählen.
Ich erwähnte der Lampen, die die Bühne vom Orchester scheiden und die
Scliäuspieler mit hellstem Licht zu übergiessen bestimmt sind. Das thun
sie freilich, aber wie? Von unten auf, so dass regelmässig die schönsten
Gesichter aufs Barockste entstellt werden. Die tiefe Wölbung unter den
Augenbrauen, deren Dunkel dem Auge doppelten Glanz geben soll, wird
scharf erhellt, über den Rücken der Nase lagert sich ein schwarzer Schat-
ten, jede Bewegung des Mundes verzerrt das Gesicht zur Grimasse und am
Halse der aimen Sängerinnen, die ein Meyerbeer'sches Orchester zu be-
herrschen verurtheilt sind, entwickelt sich, die anatomisch instructivste
Musculatur. Wir sind das gewohnt und denken, es müsse so sein, oder
wir denken gar nichts dabei. Die Herren Baumeister aber, die in unsern
neuen Theatern Mechanik und Optik napoleonisch zu beherrschen und
dem Publikum so über alle Maassen behagliche Ruheplätze zu verschaffen
wissen, sollten füglich auch einmal darauf sinnen, diesen widerwärtigsten
aller Uebelstände zu beseitigen und eine entsprechende Beleuchtung von
oben herab möglich zu machen. — Ein andres Unwesen betrifft die Deko-
rationen. Man ist nach und nach dahin gekommen, der Phantasie des
Zuschauers (und der Anregung derselben durch die Dichterworte) gar
nichts mehr zuzutrauen; Alles', wovon in der einzelnen Scene die Rede
ist oder nicht die Rede ist, muss auch auf der Bühne dargestellt werden.
Dass solche Darstellung in hundert Fällen trotz alles Aufwandes doch
nur kümmerlich und kindlich ist, stört unar^e eifrigen Bühnenmeister nicht.
Können diese Dinge und die steten Widersprüche ihres Daseins (in der
Perspektive, in der Licht- und Schattenwirkung etc.) ein kunstbedürftiges
Auge schon wenig erfreuen, so wird der Eindruck völlig widerwärtig,
wenn sich die vollen Menschengestalten zwischen diesen flachen Setz-
stücken hin und wieder'bewegen. Es giebt ein absonderliches modernes
Stück, König
Ren6s Tochter, in dem die Bühne einen von Felsen um-
schlossenen reichblühenden Garten darst('llt. Die ganze Bühne ist hieriri
bei uns mit lauter auf Pappe gemalten Beeten, Büschen, Bäumen etc. an-
gefüllt, und uns wird bei so aufdringlicher Darstellungsweise zugemuthet,
uns durch diese ausgeschnittelien und ausgezackten Stücke, zwischen denen
die Personen der Hahdlung sich hindurchwinden und auf die sie in aller
Ruhe ihren Schlagschatten werfen, zur Illusion hinreissen zu lassen, zumal
wenn nun gar die blinde Königstochter erscheint und von den flachen
Setzstücken gemachte Blumen, die daran gewachsen sein sollen, abpflückt.
Wir wollen die Kunst der Dekoration keinosweges entbehren, aber wir
wollen sie mit vernünftigem Maasse und vor allen Dingen auf eine wirk-
lich künstlerische Weise ang/awandt wissen. —'Doch die Uebelstände des
Theaters sind so mannigfach, dass man darüber Bücher schreiben könnte.
Ich kehre lieber zu meiner eigentlichen Aufgabe zurück.

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032 Buriclitf', Kritiken, Erörteriiugcji.

Im Aeusseiii ist das Opernhaus, bis auf eine geringe Veränderung in
der räumlichen Disposition und die Erneuung eines Theiles der Sculpturen,
in seiner alten Form geblieben. Die auf den öiebeln und den übrigen
Vorsprangen angebrachten Sandsteinstatiien, Apoll, Musen und ähnliche
Gottheiten vorstellend , zeigen die erfreuliche Tüchtigkeit, die unsrer Bild-
hauerschule ira Allgemeinen eigen ist. P2s zeigt sich hier eben Schule,
die wir im Innern fast durchweg vermissen. Vorzüglich bedeutend aber
ist das Relief des Portikusgiebels, das von Rietschel in Dresden gefer-
tigt ist. Sie kennen diese schöne, Avahihaft künstlerische Comppsition aus
dem Umriss, den das Kunstblatt schon vor einiger Zeit gebracht hat
Man hat nur leider an Ort und Stelle keinen sonderlichen Genuss davon.
Der Portikus springt auf das Trottoir vor, auf dem stete Bewegung ist,
und ebenso ist der Platz unaufhörlich mit Wagen, Reitern und eilenden
Fussgänger n erfüllt. Iis ist überflüssig, edle Kunstwerke in so drängen-
den Verkehr hinausziirücken; sie verlangen eine Umgebung, die Müsse
und Sammlung gewährt. Ich wollte mir das Relief (dessen linke Seile
mir bei allen Vorzügen doch etwas unriiliig in der Composition vorgekom-
men war) zum Behuf meines heutigen Schreibens noch einmal gründlich
ansehen; heutiges Tages aber ist dergleichen hier doppelt schwer ausführ-
bar. Unsre guten Mitbürger sind von Eifersucht für unsre junge Freiheit
und von Verdacht gegen reaktionäre Gespenster so erfüllt, dass Alles,
was nicht dem gewöhnlichsten Gange der Dinge angehört, sofort Aufsehen
erregt. Einige unschuldige Brückenstützeu, eine Gerüststange hatten schon
die ganze Stadt in Gährung versetzt. Ich hatte das Relief vom Platze aus
noch keine Minute mit bewaiTnetem Auge angesehen, als sich schon dichtes
Volk um mich schaarte, nach dem bedrohlichen Grunde meiner Aufmerk-
samkeit zu forschen. Ich suchte die Leute zu beschwichtigen und eilte fort.

Die schlimme Gerfiststange, von der ich eben sprach, befindet oder
befand sich auf der Kuppel, die kürzlich über dem Triumphbogen-Portal
des Schlosses, an der Sciilossfreiheit, in die Lüfte emporgestiegen ist.
Ueber das Künstlcrisclie dieses Baues lässt sich für jetzt noch nichts sagen;
jedenfalls trägt die Kuppel schon jetzt wesentlich dazu bei, das wenige
Charakteristische in der Physiognomie Berlins angemessen und Avürdig zu
verstärken. Sie wölbt sich über der künftigen Kapelle des Schlosses, Dass
man die Kapelle so hoch, über das Dach, gelegt hat, darf nicht befrem-
den, da das Festlokal des Schlosses, mit dem sie in Zusammenhang stehen
wird, sich schon in den oberen Geschossen befindet und es, soviel ich
weiss, zur Herstellung dieses Zusammenhanges nur einer einfachen statt-
lichen Verbiiidungstreppe bedürfen wird,' Der Hauptraum dieses Lokales,
der sogenannte weisse Saal, ist vor einigen Jahren, etwa gleichzeitig
mit der Erneuerung des Opernhauses, mit bedeutendem künstlerischen
Aufwände in den seiner Bestimmung entsprechenden Stand gesezt worden.
Er war bei den Prachtbauten König Friedrichs L unvollendet geblieben
und dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm I., sparsamen Andenkens, hatte
ilin einfach mit weissem Kalk ausstreichen lassen; daher der Name. Erst
König Friedrich Wilhelm IV. fasste den Gedanken, das vor beinahe .an-
derthalb Jahrhunderten angefangene Werk zu Ende zu führen. Reichge-
schmückte Arkaden mit frei vortretenden Marmorsäulen öflnen sieht jetzt
zu beiden Seiten des Saales; die grosse Voute und die Fläche der Decke

') Bei Nr, 2 des Kunstblattes vom Jahr 1846,

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Berliner Briefe. 633

t

sind gleichfalls rcich mit Stuccaturen, Gold und Malerei versehen. Im
Styl dieser neuen Arbeiten hat man, wie es scheint, den prächtigen Ba-
rociistyl der Zeit Friedrichs I. zum Vorbilde genommen; aber dergleichen
scheint mir allewege-ein missliches Unternehmen und hat auch hier keine
allzu erfreulichen Früchte getragen. Es ist im Ganzen der Anordnung
allerdings mehr künstlerischer Geschmack vorhanden als in der innern
Decoration des Opernhauses; es ist aber doch dieser künstlerische Schmuck
nicht aus der wahren innerlichen üeberzeugung von irgend einem unbe-
dingten Werthe seiner Formen hervorgegangen. Es ist durchaus etwas
Angelerntes darin, wobei sich überdies die ursprüngliche, an sich viel
reinere und edlere Bildung durchaus nicht verläugnet. Halbverstandenes
barockes Schnörkelwesen geht mit griechischer Ornamentik im Schinkel-
schen Style friedlich Hand in Hand. Dazu kommt, dass die theilweise
angewandte Vergoldung und Färbung auch ihrerseits nur einen disharmo-
nisch bunten Eifect macht und dass die zur Ausführung des Einzelnen
herangezogenen künstlerischen Kräfte sehr verschiedenen Werth haben.
Neben flau gehaltenen Deckensculpturen, bei denen auch wohl die Absicht
zu Grunde lag, den Styl der Barockzeit aufzunehmen, erscheinen andere

— an den untern Bogenzwickeln, die verschiedenen Kulturbeziehungen,
wenn ich mich recht entsinne, personiflcirend — in denen sich die von
mir schon oben gerühmte und noch immer nicht wesentlich erschtitterte
allgemeine Tüchtigkeit unsrer Bildhauerschule erkennen lässt, während
in den Barocknischen der Voute imposante weibliche Gestalten, die Pro-
vinzen des preussischen Staates darstellend, angebracht sind'. Diese sind
von Drake mit derber rascher Meisterhand gefertigt; aber leider ist Stel-
lung und Umgebung so, dass auch sie nicht recht zur Wirkung kommen.
Das Schlimmste ist, dass man angefangen hat, in den Feldern der Voute
zwischen diesen Statuen und ihren Nischen figurenreiche bunte Kalkmale-
reien ausführen zu lassen, etwa im Styl der Deckenmalereien des Opern-
hauses, durch die alle Reste von edlerer Harinonie gänzlich vertilgt wer-
den. Vielleicht hat der allzu unerfreuliche Erfolg die Sistirung dieser
Malereien veranlasst; ich lebe der stillen Hoffnung, dass -eines schönen
Tages auch die sclion fertigen Stücke wieder verschwunden sein werden.

Dem Schloss gegenüber liegt das Museum mit seiner grossartig schö-
nen ionischen Säulenhalle. Auch hier ist im Lauf der letzten Jahre das
Unfertige zu Ende geführt und abgethan worden ^ ich meine die Ausfüh-
rung der von Schinkel entworfenen Malereien auf den Wänden dei- Halle,
deren leere Fläche uns lan^e Jahre hindurch allzu schmerzlich berührt
hatte. Sie kennen die Schinkel'schen Entwürfe; ich habe nicht nöthig,
Ihnen den Inhalt dieser Compositionen wieder in das Gedächtniss zurück-
zurufen; ich erinnere Sie nur an die schöne festliche Stunde, als wir im
Zimmer des Meisters selbst die Gouachebilder gemeinschaftlich betrachte-
ten und uns an der Fülle seiner Ideen, *an dem quellenden ßeichthum
seiner Gestalten, an der griechischen Reinheit ihrer Formen, an dem har-
monischen Farbenzauber, der das Ganze umfing, nicht satt sehen konnten.
Wie schwärmten wir für den Gedanken, sie dereinst, was doch kaum zu
hoffen war, an dem Ort ihrer Bestimmung im grossen Maassstabe al fresco
ausgeführt zu sehen! Das Iröum Gehoffte hat sich nun erfüllt und wir
gehen kühl und ohne sonderliche Erbauung vorüber. Worin liegt das?

— Ich meine, es sind zweierlei Gründe. Einmal fehlt eben der Ausfüh-
rung, wenn nicht durchweg, so doch in sehr überwiegendem Maasse jener

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634 Berichte, Kritiken, Erörteruugeii.

zarte keusche Haucli des Schinkel'schen Geistes, fehlt ihr überluiupt das
Gepräge der Meisterhaftigkeit. Ich will weniger mit der Zeichnung rechten
(obgleich auch in Bezug auf sie einzelne erhebliche Bedenken zu machen
wären) als mit der Farbe, die fast durchgehend den starren schweren
erdigen Ton des Materials hat, fast nirgend jene edlere Schönheit der
Schinkel'schen Entwürfe uns vergegenwärtigt. Auch ist die Art und Weise
der Farbe, je nach den verschiedenen Schülerhänden, allzu verschieden:
rothe, grüne, braune Carnation wechselt nach Belieben. Nicht minder hat
man sich zu allerlei Abänderungen ermüssigt gesehen, z. B. zu einer ganzen
Menge von Schürzen, die mau bei dem sittlich reinsten Künstler, bei einem
Schinkel, für nothwendig zu halteu im Stande war! Ja ich glaube, dass
der ganz abweichende Eindruck, den das im Entwurf so besonders hin-
reissende Bild der zweiten Langwaud, mit der Darstellung einer Art phi-
losophischer Kulturgeschichte des menschlichen Geschlechts, in der grossen
Ausführung hervorbringt, von einer durchgehenden Abänderung herrührt,
welche vornehmlich den Maassstab der Gestalten zum Verhältniss des
Ganzen betreffen dürfte. Wenigstens erscheint das Bild hier auf eine Weise
überfüllt und überladen, die mir doch in dem Entwürfe nimmer entgegen-
getreten ist. — Das Alles aber betrifft nur den ersten Grund. Es ist noch
ein andrer vorhanden. Die Cprapositionen müssten trotz all der mangel-
haften und willkürlichen Ausführung doch ihre schlagende Bedeutung be-
haupten, läge nicht — in ihnen selbst ein Moment, das dem entgegen-
wirkt. Wir müssen es uns eingestehen, mein Freund: wir haben geschwärmt,
und Schwärmerei ist nichts für die Dauer. Ich bin wahrlich fern davon,
auch nur das leiseste schöne Gefühl, das jene Entwürfe in uns hervor-
riefen, verläugnen, den künstlerischen Werth dieser Arbeiten jetzt, da
andre Zeitrichtungen aufgekommen sind, herabsetzen zu wollen. Aber
der Werth, die Gültigkeit dieser Compositionen beruhte vor Allem in der
Individualität des Meisters; es sind seine subjectiveu Ahnungen und An-
schauungen von Welt- und Menschenleben, die er uns hier mit den wun-
dervollen Mitteln der ihm subjectiv eigenthümlichen Phantasie verkörpert
liatte. Schinkel stand wohl mit dem einen Fuss im Griechenthum, mit
dem andern doch völlig in seiner Zeit, die aus der romantischen Durch-
gangsepoche sich herausgebildet hatte und die dem Rechte der Subjecti-
vität, dem persönlichen Gedanken, soviel freien Spielraum gab. Seine
Entwürfe sind musikalischen Compositionen gleich, in denen der Meister
uns in die Zauberkreise seines Genius bannt, die aber wieder verschwim-
men, wenn die Klänge verhallt sind. Wir können die Entwürfe jeder-
zeit, wenn sonst unsere Stimmung dem entspricht, aus der Mappe neh-
men und auf längere oder kürzere Momente uns dem Zauber dieses Genius
hingeben; aber sie tragen nicht dasjenige in sich, was ihnen eine volks-
thümlich monumentale Bedeutung giebt. Schon in dem grossen Maassstabe,
ganz abgesehen von der Art der Ausführung, wirken sie anders; schon da-
durch machen sie Anspruch auf eine Art von Realität, die sie doch nicht
erfüllen. Fremd und selbst phantastisch treten, sie dem Bedürfnisse des
Volkes gegenüber, wo für sie keine eigentlichen Anknüpfungspunkte zu
finden sind. Das monumentale Werk muss aus dem Bewusstsein des Vol-
kes heraus geboren werden! Dies möchte eine der wichtigsten Lehren
der Neuzeit sein. Wären Schinkel's Entwürfe noch unter seiner Leitung
ausgeführt worden, so träten sie uns wenigstens als eigentliche Denkmale
seines Genius entgegen. So aber sind sie auch das nicht einmal.

m

V

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.i V

635

Berliner Briefe.

Aus der Vorhalle des Museums gelangt man unmittelbar in die Bo-
tunde, vor deren Rundmauer die griechisch-korinthische Säulenstellung
herumläuft, und die durch die Oeffnung in der Mitte der Kuppel ihr feier-
liches Licht erhält., Das Bild der Kotunde wird Ihnen noch vorschweben;
wir waren beide der Meinung, dass dies der schönste Raum Berlins sei
und dass wir überhaupt keinen Rundbau von edleren Verhältnissen und
reinerer Durchbildung namhaft zu machen wüssten. Wir betrachteten die
Rotunde überhaupt als die Perle unter Schinkel's architektonischen Lei-
stungen. Sie entsinnen sich: auf der Gallerie über den Säulen, .in flachen
Wandnischen, standen kleine antike Sculpturen, meist von geringem
Werth, über die wir oft scherzten, wenn wir daran vorübergingen; für
den Eindruck der Räumlichkeit an sich, zumal von unten aus gesehen,
für die feierliche Wirkung der grossen, zwischen den Säulen aufgestellten
Götterstatuen kamen jene aber nicht in Betracht, und für das Maass des
Ganzen, für die Totalwirkung des Raumes, mochten sie nicht völlig ohne
Einfluss sein. — Hiebei sind neuerlich bedeutende Veränderungen vorge-
gangen. Die Suite der alten Tapeten nach Raphael (mit den vatikanischen
Exemplaren wohl von ganz gleicher Beschaffenheit), die für unser Museum
erworben wurde, ist auf der Gallerie der Rotunde aufgestellt, so dass durch
sie die Nischeu verdeckt werden und der ganze Raum bis zum Ansatz der
Kuppel ausgefüllt ist. Ich kann die Durchführung dieser Idee nur sehr
schmerzlich bedauern. Es sind allerdings vortreffliche alte Copieen nach
Raphael und merkwürdige Zeugnisse hochentwickelter alter Industrie. Aber
fürs Erste sind sie, wie natürlich, gänzlich und nach den verschiedenen
Farben in verschiedener Weise verschossen und schon daher in einem
Räume, der, ob auch ohne allen IL,uxus, doch in einem eigenthümlich
feierlichen Glänze erscheint, nicht wohl an ihrer Stelle. Sie hätten, eben
ihrer selbst willen, ein bescheidneres Unterkommen finden sollen. Dann
hat man gar keinen genügenden Ständpunkt zu ihrer Besichtigung; unmit-
telbar vor ihnen auf den Gallerieen ist man ihnen zu nah, gegenüber und
unten in der Rotunde zu entfernt. Viel schlimmer als alles Uebrige aber
ist es, dass sie die Maasswirkung der Rotunde gänzlich vernichten. Die
Darstellungen der Teppiche, die einzelnen Gestalten sind für die ihnen
hier eingeräumte Stelle viel zu gross, zu gewichtig; sie drücken die Säulen
und lassen diese wesentlich kleiner erscheinen. Sie stören nicht bloss den
von Schinkel mit so weiser Vorsicht angeordneten einfachen Rhythmus
der Farbentöne, sie Heben zugleich?auch das aufwärts steigende architek-
tonische Gefühl, welches bisher i n der Rotunde waltete, vollständig auf.

Auch noch andre Neuerungen sind eingetreten, welche das Schinkel-
sclie Museum wesentlich beeinträchtigen. Der Hinterseite desselben gegen-
über ist ein zweites grosses Museum aufgeführt worden, zur Aufnahme all
derjenigen Kunstsammlungen, welche in dem alten Museum kein Unter-
kommen finden konnten. Ueber den Neubau kann ich nicht viel sagen,
da er noch zwischen andern Gebäuden, die, wie es scheint, abgerissen
werden sollen, versteckt liegt. Ini Allgemeinen, erkennt man daran die
reinen Einzelformen der Schinkel'schen Schule; in der Tolalanlage fürchte
ich einen etwas trockenen Eindruck. Doch soll dies Urtheil noch nicht
maassgebend sein, zumal da/'das Gebäude an der Strassenseite sich als
absichtlich unvollendet darstellt und es den Anschein iiat, als beabsich-
tige man in Zukunft noch Säulenhallen oder Aehnliches anzubauen. Einige
oberwärts an Pilastern angebrachte Reliefsculpturen, eine Anzahl einzel-

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636 Berichte, Kritiken, ErörtfiningPn.

I?

ner, aus Medaillons hervorschauender Köpfe wollen mich als eine etwas
willkürliche Zuthat bedtinken. Das Innere ist noch nicht geöffnet und ich
kann darüber ebenfalls noch nichts sagen, weiss Ihnen daher auch über
die Malereien, welche Kaulbach darin ausführt, und über die alt-
ägyptische Malerschule, welche sich darin bethätigen soll, nichts zu be-
richten. Ein Verbindungsbau, über die Strasse hin, vereinigt das neue
Museum mit dem alten. Der Bau allerdings ist in ungemein schöner Form
ausgeführt und gehört ohne Zweifel zu den gediegensten Stücken neuester
Berlinischer Architektur. Er besteht aus drei zur Durchfahrt geöffneten
Arkaden, etwa im Style der Wasserleitung beim Windethurme zu Athen,
und darüber aus einem mit Glasscheiben ausgesetzten korinthischen Säu-
lengange, Der Gang steht sowohl mit den oberen Räumen des alten Mu-
seums, wo die Gemäldegallerie sich befindet, als mit den unteren Räumen,
der Sculpturengallerie, in Verbindung; mit den letzteren aber in der Art,
dass sich in die Mitte des langen grossen Säulensaales eine marmorne Dop-
peltreppe, welche zu dem Gange emporführt, hineinschiebt. Hiedurch und
da zugleich die Anlage des Verbindungsbaues den langen Saal in der
Mitte dunkel macht, ist dessen eigenthümliche Wirkung wiederum ganz
i aufgehoben und er erscheint in der That zu der Rolle eines Vorüurs für

das neue Museum herabgesetzt. Im Mittelpunkt des Säulensaales stand
früher die schöne griechische Bronzestatue des Adorante. Auch diese hat
naturgemäss von ihrer Stelle weichen und seitwärts einen etwas beiläufi-
gen Platz, als Gegenstück zu einer neuerlich erworbenen bronzenen Vic-
toria von ziemlich mittelmässigem Werthe, finden müssen. Ich meine,
; dass wenn man einmal den Adorante ~ den Glanzpunkt unseres gesamm-

' ten Museums— von seiner Stelle rückte, man ihm füglich und mit Hint-

i|i ansetzung aller Sorge für hundert Mittelmässigkeiten ein eignes kleines

IJeiligthum hätte einrichten sollen. — Auch in der Gemäldegallerie sind
einige Gemächer durch den Anbau mehr oder weniger verdunkelt worden
t und die gleichmässige Beleuchtung, die der freie nördliche Himmel auf

dieser Seite gewährte, durch das gegenüberstehende Gebäude und die Re-
flexe desselben beeinträchtigt. Dies freilich könnte zu äusserst vortheil-
haften Aenderungen führen, wenn mau sich nämlich entschlösse, die höl-
zernen Scheidewände, welche die einzelnen Gemächer der Gallerie trennen
und der kunsthistorischen Pedanterie, wäe sie vormals hier durch Hirt
vertreten ward, ihr Dasein verdanken, ganz hinauszuwerfen, grössere Säle
einzurichten, die Fenster zuzumauern und sämmtliche Räume durch ein
zweckmässiges Oberlicht zu erleuchten..

Bei Gelegenheit der Terhalle des Museums, von der ich vorhin sprach,
habe ich zu bemerken vergessen, dass auf der rechten S'eitenwand der
grossen äusseren Freitreppe seit einigen Jahren die Kiss'sche Amazonen-
gnippe, die Sie schon kennen, aufgestellt ist. Sie trägt hier wesentlich
zum vortheilhafteren Eindrucke des Gebäudes bei, obgleich ich der Mei-
nung bin, dass die Gruppe an sich in einer selbständigen Aufstellung, die
eine freiere Schau von allen Seiten verstattet hätte, gewonnen haben
würde. Was auf der andern Seitenwand der Treppe aufgestellt werden
wird, weiss ich noch nicht; doch ist ohne allen Zweifel die Absicht auf-
genommen, der Amazonengruppe ihr Seitenstück nicht fehlen zu lassen.
Ebenso soll es im Werk sein, correspondirend mit den Dioskurengruppen,
welche die vorderen Ecken des mittleren Aufbaues des Museums schmücken,
auch die hinteren bis jetzt noch leeren Ecken mit ähnlichen Gruppen zu

■ \

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Berliiun- Briefe. 637

versehen. Ueberliaupt geht ein wesentlicher Theil der neueren Kunstthä-
tigkeit am hiesigen Orte darauf hinaus, das was au den Monumentalbau-
ten der vorigen Regierungsperiode unvollendet geblieben ist, ganz zu
Ende zu bringen. Zu den wichtigsten Unternehmungen dieser Art gehört
ohne Zweifel die Vollendung der Schlossbrücke, deren mächtige Granit-
podeste nun endlich mit den schon von Schinkel projectirten colossalen
Marmorgruppen von Victorien und Kriegern geschmückt werden sollen.
Die Sculpturen sind, so viel mir bekannt, hiesigen Bildhauern in die.
Arbeit gegeben; über die Zeit der etwaigen Aufstellung weiss ich aber
noch nichts zu sagen. Die dem Opernhause gegenüber belegene Haupt-
wache hat im Giebel ihrer Vorhalle das von Schinkel ebenfalls projectirte
Relief bereits erhalten. Es ist, nach seiner Composition, die Darstellung
eines kriegerischen Kampfes unter dem Geleit der Minerva, von nicht
unwürdiger Ausführung, obgleich etwas dünn oder zerstreut im Eindruck.
Auch die Seitenwände der Freitreppe des Schauspielhauses sollen , wie
man versichert, demnächst ihre bekrönenden Sculpturen erhalten. Dann
gehört hierher die noch immer sehr Isolirt stehende sogenannte „Friedens-
säule" inmitten des ßelle-Alliance-Plalzes am Hallischen Thore. Es heisst,
dass die Marmorgruppen, welche sie umgeben sollen, nach hiesigen Mo-
dellen in Carrära gearbeitet werden. Es scheint mir übrigeiiis die aller-
höchste Zeit, dass sie zur Aufstellung kommen; zu unsern Seiten sind so
viele Wetter aufgestiegen und unter unsern Füssen rollt es so seltsam,
dass nur allzurasch die Zeit eintreten könnte, wo Friedeusdenkmale wun-
derlich aussehen möchten. ^

Zu den künstlerischen Beendigungen, die hier in den letzten Jahren
an der Tagesordnung gewesen, gehört auch der Restaurationsbau der alten
Klosterkirche. Sie entsinnen sich des alten sciilichteu Backsteingebäudes
aus frühgothischer Zeit inmitten unsrer City., das. verkommen, und halb
verfallen unter dem Lärm des Tages dalag; wir hatten uns ein paarmal
hineingeflöchtet und uns dort dem Träumen über vergangene Zeiten hin-
gegeben. Die Kirche ist jetzt im Innern möglichst in ursprünglicher Weise
hergestellt und macht nach Entfernung der Tünche von den soliden Back-
steinen und den sparsamen plastischen Ornamenlen , nach Auffrischung,
der in den Füllungen etc. angewandten farbigen Zierden einen sehr eigen-
thümlichen Eindruck. Auch die alten Bilder und Schnitzwerke, die sie
enthält, sind reparirt, neu aufgestellt und durch einige, in ihrer absicht-
lichen Strenge doch nicht sehr ansprechende Fresken von C. Her-
mann vermehrt. Im Aeussern hat mau sich aber nicht mit blosser Repa-
ratur des einfachen Gebäudes begnügt. Man hat zu den Seiten des
Portales ein Paar achteckige Thürme vorgebaut, die mit schlanken, reich
ornamentirten Spitzen versehen sind; ebenso ist der Giebel mit einem
Thürmchen bekrönt worden, dessen Spitze gar, nach rheinisch-gothischer
Art, durchbrochen gehalten ist. Diese Dinge wollen zu dem ehrlichen
alten Gebäude nicht sonderUch passen; es ist, als ob ein schlichtes Ma-
tronengesicht sich mit einer tändelnden Blondenhaube schmücken wollte.

Ein zweiter unlängst vollendeter Umbau, aber von ganz andrer Art,
ist der des Kriegsministeriums in der Leipziger Strasse. Das lauge Ge-
bäude, früher im einfachen P^cocostyl, ist durch Aufsetzen eines neuen
Obergeschosses zu einer mächtigen Masse angewachsen und erscheint jetzt
in Formen, die etwa der florentinischen Renaissance entsprechen. Es ist
leider nur in dem Ganzen keine recht wirksame Disposition, und beson-

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

()38

(lers macht es sich übel, dass die Mitte des breitgedelinten Ganzen, wo
früher der Eingang und, wenn mir recht ist, auch ein Balkon befindlicli
war, jetzt gar keine Auszeichnung hat, während sich nunmehr Portale au
beiden Endseiten befinden. Die Portale an sich aber gefallen mir ganz wohl,
besonders wegen einer gewissen kecken Naivetät, die bei ihrer Composi-
tion beobachtet ist. Sie sind nemlich, bei vortrefflicher Profilirung und
Ornamentirung, im Halbkreise überwölbt und durch eine ebenso edle recht-
winklige Architektur umfasst-, zu den Seiten aber treten starke Pilaster
vor und auf diesen, in der Höhe des Bogenansatzes der Thür, stehen
lebensgrosse Statuen, welche die verschiedenen vorzüglichst charakteristi-
schen Truppengattungen unsrer Armee darstellen. Diese Statuen sind derb
und kräftig gehalten, wie über die lebende Natur abgeformt, und doch
stimmen sie sehr wohl zu dem architektonischen Princip und selbst zu
den classisch feinen Formen, die hier angewandt sind. Man sei vor allen
Dingen nur wahr und lebendig in der Kunst: das Stylgesetz liegt davon
gar nicht so weit ab, wie manche Theoretiker und theoretisirende Künst-
ler meinen. — Das Obergeschoss des Gebäudes, mit einer kräftigen Pila-
sterstellung versehen, wird von den Untergeschossen durch einen reichen
Ornamentfries in ziemlich wirksamem Relief getrennt. Der Fries, über
den Pilastern hat eine andre Decoration erhalten, ornamentistischen Waf-
fenschmuck, der al sgraflitto gezeichnet und im Verhältniss zu dem untern
Friese nur nicht wirksam genug ist. Der Versuch in dieser Technik —
Sie wissen, es wird dabei in die über einen dunkeln Grund gezogene
helle Farbenschicht mit einem scharfen Stift gezeichnet — gehört zu den
verschiedenartigen technischen Kunstversucheu, die in den letzten Jahren
hier gemacht oder begünstigt worden sind, ohne bis jetzt doch zu rech-
ten Resultaten zu führen. Ich hoffe, darauf hernach nocli einmal zurück-
zukommen.

Von selbständigen, neuen architektonischen Kunstbauten aus den letz-
ten Jahren weiss ich Hineu nicht sonderlich viel zu melden. Das Project
zu unsrem neuen Reichsdorae lautet auf eine mächtige fünfschifflge Basi-
lika mit grossen Gallerieen im Innern, mit zwei colossalen viereckigen
Thürmen und einem nach Art der Klosterhöfe eingerichteten Campo santo,
als Begräbnissstätte der Glieder des Königshauses, zur Seite. Die Funda-
mente haben sich, während freilich der alte Dom noch stellt, schon bis in
die Mitte unsres geduldigen Spreeflusses vorgeschoben, da man es für
nöthig gehalten hat, durch dessen Einengung den erforderlichen Platz zu
gewinnen. Aus den bis jetzt getroffenen Maassnahmen lässt sich für einen
I.aien, wie Ihren diesmal dienstwilligen Correspondentent noch keine
rechte Einsicht in das Project gewinnen. Einstweilen wird wieder ziem-
lich lebhaft daran gearbeitet, wohl um die brodloseh Arbeiter zu be-
schäftigen ....

Ein Paar andre Kirchen, von kleiner Dimension und einfacher Anlage,
sind in den letzten Jahren wirklich^ausgeführt und vollendet worden.
Die eine ist die Jakobskirche, auf dem sogenannten Köpniker Felde, das
sich neuerlich schnell mit breiten Strassen und hohen Wohnhäusern anzu-
füllen begonnen hat. Die Kirche ist eine durchaus anspruchlose Basilika und
im Innern durch einfachen Ernst der Verhältnisse und Formen wirksam.
Im Aeussern trägt sie den etwas absichtlichen Charakter von italienischen
Gebäuden dieser Gattung und tritt uns wieder, bei aller Schlichtheit der
Ausführung, mit einiger Schönrednerei entgegen, unsern heutigen Cultur-

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Berliner Briefe. 639

Verhältnissen gewissermaassen die naiven des italienischen Mittelalters,
mit denen sie doch wenig gemein haben, substituirend. Der unverjüngfe
viereckige Thurm, der seitwärts steht, will uns nicht anmuthen; mehr
jedoch der mit Arkaden umgebene Vorhof, der die Kirche von der Strasse
trennt. — Die andre Kirche ist die Matthäuskirche im Thiergarten. Auch
sie ist im Ganzen einfach, doch im Innern durch Heiterkeit, Licht, be-
queme Anordnung der Sitzplätze — im Aeussern, besonders in der Anlage
des Thurms, durch eine gewisse, wiederum nicht absichtslose Eleganz
ausgezeichnet. Sie ist die Lieblingskirche eines grossen Theils unsrer
vornehmen Welt; eigentlich gehaltenen kirchlichen Ernst, wirksamen
künstlerischen Rhythmus in Formen und Verhältnissen habe ich darin
aber vermisst. Die böse Berliner Zunge hat ihr einen Beinamen, der alle
diese Eigenschaften und Nichteigenschaften mit dem die modischen Dinge
bezeichnenden Stichworte der Zeil in sich schliesst, gegeben. Sie heisst
allgemein die „Polkakirche." — Dann ist noch des neuen grossen Muster-
Krankenhauses oder der Diakonissenanstalt, die den Namen Bethanien
führt, und ihrer Kirche zu gedenken. Die kleine Kirche, in der Mitte
des Gebäudes gelegen, erscheint im Innern ebenfalls basilikenartig, doch
mehr schon in einer, dem Element der Renaissance sich zuneigenden Um-
bildung, im Uebrigen etwas nüchtern. In der Altarnische, doch nicht in
rechter architektonischer Vermittelung, ist von C. Hermann ein^Brust-
bild des Erlösers in einem Rund von Engelsköpfen al fresco gemalt; die
Arbeit und der wirklich tiefe Ausdruck des Kopfes kommt aber nicht zu
sonderlicher Wirkung. Im Aeussern, an der Fa^ade des Gebäudes, wird
die Kirche und der auf religiöse Elemente gegründete Charakter des Gan-
zen durch ein Paar , an sich Übrigens schlichte Thürme mit sclilanken
Spitzen bezeichnet. Das sehr geräumige Gebäude der Anstalt selbst ist
durchweg einfach gehalten; nur das Vestibül hat einen reicheren und nicht
unedlen, ich möchte sagen: einen künstlerisch einladenden Charakter.

Für das Privatbedürfniss ist in den letzten Jahren ungemein viel
gebaut worden, leider so viel, dass jetzt, bei der grossen Flucht der Rei-
chen, die Wohnungen in bedrohlicher Weise leer stehen. Wir haben ein-
zelne tüchtige , künstlerisch durchgebildete Privatbaumeister, die auch in
dieser Sphäre, soweit es die beschränkten Bedingnisse gestatten, sehr
Erfreuliches zu leisten wissen. Dahin gehören besonders einzelne der
Privathäuser in den ausserhalb der Stadt belegenen Vierteln, die von den
Vermögenden zumeist gesucht werden, namentlich in der Lenndstrasse
und am ehemaligen Exercierplatz. Hier konnten sich die Architekten,
zum Theil selbst durch Anwendung-von erkerartigen Vorbauten, freier
bewegen und manche geistreiche Conception zur Ausführung bringen, wo-
bei denn die unmittelbar gegenüberstehenden grünen Bäume und Büsche,
der Schmuck der Vorsprünge und Balkone mit Blumen und Schlingpflanzen
das Ihrige beitragen, uns die heitersten Bilder vorzuführen. Eigentlich
künstlerische Consequenz linden wir aber doch nur in wenigen dieser
Gebäude, und sehr gross ist leider die Menge derjenigen, die sich, um
doch auch Staat zu machen, mit einer Masse willkürlich aufgeraffter Zier-
raten behängen und bekleben. In diesem Betracht ist unser leichtes Bau-
material im höchsten Grade jPördersam. Unsre Backsteine sind grossen-
theils so gebrannt, dass sie ohne Kalkputz vor Verwitterung nicht geschützt
bleiben; da ist es denn zu anlockend, wohlfeile Gypsornamente, deren

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) 640 Bericlite, Kritiken, Erörterungen.

I Vorräthe überall ausliegen, rasch aufzukleben. ') Bei diesem leeren Putz,

den ohnehin der Regen weniger Jahre abweicht, kann aber ein wirklicli
'I künstlerischer Sinn, wie er einer jeden edleren Natur einwohnen sollte,

4 durchaus nicht zur Entwickelung kommen, und ebenso wenig der Sinn

für eine irgendwie dauernde Gestaltung des Daseins, der mit jenem Hand
in ITand gehen sollte. So liommt es denn schliesslich, dass uns dies neue
« Berlin, trotz all seiner scheinbaren Eleganz, eben gar nicht anheimeln

will. Sicherheit und Bewusstsein des Daseins, klare, entschiedene und
^ bedeutsame Form spricht sich ungleich erfreulicher in den mannigfachen

I Fabrikanlagen aus, die zumeist in den abgelegenen Gegenden der Stadt

I aufgeführt sind. An diesen Gebäuden wird in der Regel gesundes Mate-

rial und solide Construktion unbefangen zur Schau getragen, und wie dies
die Grundbedingungen auch für die künstlerische Entfaltung der architek-
tonischen Form sind, so mögen wir von ihnen noch das Meiste für künf-
tige Entwickelungen hoffen. Bei einem dieser Gebäude hat man freilich
auch schon wieder ein Ueberflüssiges hinzugethan. Icli meine das grosse
Mühlengebäude am sogenannten Mühlendamm, das nach dem vor einigen
Jahren stattgefundenen Brande neu aufgeführt ist und von der „langen
Brücke'^ aus gesehen den hier ganz malerischen Prospect schliesst. Wohl
dieser malerischen Wirkung zu Liebe ist das Gebäude mit mittelalterlichen
Zinnen und Erkerthürmen versehen, die, statt aus der Natur der Bedürf-
nisse Gewachsenes zu geben, doch wiederum nur eine romantische Fiction
vergangener Zustände sind. — Unsre Schwesterstadt Potsdam ist au sol-
chen , in neuerer Zeit entstandenen architektonischen Fictionen ungemein
reich.

I'; Von Werken bildender Kunst, die in unser i)ffentliches Leben getre-

* ten, ist ausser denen, die ich Ihnen bei meiner Rundschau der Lokalitäten

bereits genannt habe, einstw^eilen nicht viel zu melden. Das grosse Bronze-
denkmal für Friedrich IL, welches Rauch arbeitet und dessen prächtigen,
in seiner Art einzigen Entwurf Sie kennen, rückt allerdings seiner Voll-
endung entgegen. Der Coloss des Königs, der den alten Preussenruhm
gegründet, ist sammt seinem Pferde in Guss und Ciselirung voLlendet und
^ schon seit geraumer Zeit zur Besichtigung der Kunstfreunde aufgestellt.

I Für die TrefQichkeit des Einzelnen bürgt Rauch's Name; über die Total-

^ Wirkung kann ich Ihnen noch nichts sagen, da die beschränkte Lokalität

eine eigentliche Ueberschau des Colosses noch nicht möglich macht. An
den Stücken des figurenreichen Piedestals wird ebenso schon aufs Eifrig-
^ ste gehämmert und gefeilt. — Ueber die Zeit, wann D r a k e 's Marmor-

denkmal Friedrich Wilhelms III., das. die Verehrer des verstorbenen Königs
im Thiergarten setzen wollten, und dessen Modell schon vor längerer Zeit
- öffentlicher Besichtigung anheimgegeben war, aufgestellt werden möchte,

weiss ich nichts zu sagen. Die Zeiten erscheinen dafür augenblicklich

i nicht allzu günstig. Auch gestehe ich aufrichtig, dass ich das Rundpiedestal

^ ■ •""

Auch Sculptnren, selbst Statuen in reichlicher Anzahl, di h. ehen Gyps-
abgüsse von solchen, werden nicht ganz selten zum Schmuck dieser Hänser
angewandt. Wie gänzlich gedankenlos man aber dabei unter Umständen ver-
ä- fährt, bezeugt ein grosses palastähnliehes Gebäude auf dem Pariser Platz, seit-

wärts vom Brandenburger Thor, welches auf seinen Zinnen u. A. einen Abguss
^ der Venus aux belies fesses trägt. Und das ist gewiss in lauterster, sogenannt

^ künstlerischer Absicht angeordnet!

tu ■ II.....Tiiir

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mmm

Byriiiier Briefö, 641

dieses Monuments, dessen Relief das Lebeft im Genüsse dtir Natur, in so
reizvoller wie künstlerisch vollendeter Weise darstellt, nicht gern der
Möglichkeit einer Beschädigung ausgesetzt sehen möchte. Vielleicht geben
die jetzt in so vieler Beziehung veränderten Verhältnisse Gelegenheit,
diesem classischeri Werke einen vollkommen angemessenen und gesicher-
ten Aufstellungsplatz zu gewähren. 0

') pjin an dori Erscheinungen der hiesigen Kunstwelt mit Begeisterung theil-
nelioiender Freund hatte schon vor längerer Zeit einen Aufsatz über das oben
erwähnte Denkmal niedergeschrieben, der nicht zum Abdruck gekommen ist.
Er hat mir gegenwärtig erlaubt, Ihnen denselben mitzutheilen. Ich wünsche,
dass Sie dadurch ein näheres Bild des interessanten Werkes gewinnen mögen.

„Die ursprüngliche Idee des Denkmals (so sagt mein Freund) bestand darin,
dass dasselbe ein Zeichen der Verehrung und Dankbarkeit sein sollte, welche
die Residenz deoi verstorbeneu Monarchen für das, was er zur Verschöneruug
und Erfrischung des Lebens in ihr gethan hat, schuldig ist; für das grossartige
Geschenk des zum herrlichen Park umgeschafifenen Thiergartens, wodurch mit
dem städtischen Leben der volle Genuss einer so schönen und reichen Natur
verbunden wurde, wie solche in den Gegenden unsres Flachlandes nur zu finden
ist. Man hatte sich absichtlich nur auf diesöu Zweck des Denkmals beschränkt,
es mit Bescheidenheit anerkennend, dass ein Denkmal, welches die hohen Wir-
kungen des Lebens des verewigten Monarchen in weiterer Beziehung, die Be-
deutung desselben für den ganzen Staat und über den letztern hinaus für das
Gesammtgebiet der neueren Geschichte umfasste, nur durch einen höheren Wil-
len geschaffen werden kann. Das Denkmal sollte gleichsam ein geheiligtes
Weihgeschenk, ein Opfer sein für die von dem Verewigten empfangene Wohlthat;
und wie man zum Opfer einen Theil der Gabe selbst darzubringen pflegt, so
ging auch der ursprüngliche Entwurf des'Denkmals dahin, dasselbe als ein
Sinnbild jeuer Gabe erscheinen zu lassen. Das Denkmal nahm jenes Geschenk
eines reichen Naturlebens und des Genusses der Natur zum Gegenstande; seine
Bestimmung wird, wie dies überall bei Werken der Art üblich ist, durch die In-
schrift näher bezeichnet "werden.

Das Ganze sollte eine kandelaberartige Form bis zu ungefähr 22 Fuss Höhe
erhalten, lieber einem cylinderförmigen, aus mehreren Absätzeu bestehenden
Postament von ungefähr 14 Fuss Höhe und ft—7 Fuss Durchmesser sollten sich
ursprünglich drei weibliche Statuen erheben, die drei Jahreszeiten vergegenwär-
tigend, in denen wir uns der freien Natur erfreuen, lieber diesen Statuen und
von ihnen getragen sollte als oberer Schluss eine architektonische Bekrönung,
verziert mit Blumen Und Früchten, angeordnet werden. Mau ist auf allgemeinen
Wunsch unsres Publikums aber von dieser ursprünglichen Anordnung abgewi-
chen, indem an die Stelle dei drei allegorischen Gestalten die Portraitstatua
des verstorbenen Königs, im einfachen Oberrock und mit unbedecktem Haupte,
gesetzt ist.

Um den oberen Absatz des Postaments, i'/a Fuss hoch, läuft eine reiche
Reliefco'mposition umher, in welcher die mannigfache Weise des Naturgeuusses,
den die königliche Huld uns eröffnet hat, dargestellt ist. Diese Reliefcompo-
sition, bei weitem der wichtigste und schwierigste Theil des ganzen Denkmals,
ist bereits vollendet. In einer zusammenhängenden Reihenfolge von Gruppen
führt sie uns das fröhliche Treiben im Wald, a'uf der Wiese, am Wasser vor-
über. Hier sehen wir die muntere Jugend, kranzgeschnjückt, im fröhlichen
Tanze, und das Alter, das. rastend dem Spiele zuschaut; dort ist' es ein Vogel-
nest, das n-eugierig belauscht wird, dort ein Eichkätzchen, dort ein Schwan, um
den die Gruppen der Lustwandelndjen, Elteru und Kinder, sich sammeln. Auf
hohem Stein sitzt die Najade, dfe ihre Urne in das Wasser des Teiches nieder-
giHsst, während der Bach, ein muthwilliger Knabe, einer schönen Frau heimliche

Kugler, Kleine Schriften.' III.

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It

042 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Icli habe zum Schluss dieser Uebersicht noch ein Paar Bemerkungen
% hinzuzufügen. Der Dilettantismus, der in unsern künstlerischen ünter-

nehmungeu neuerlich eine namhafte Rolle gespielt hat, hat sich seiner
Natur gemäss auch in der Liebhaberei für allerlei Neues in der Technik,
in allerlei Versuchen und Spielen mit den äusseren Darstellungsmitteln
kund gegeben. Aber eben weil es der Dilettantismus war, so sind auch
diese, an sich gewiss sehr schätzbaren Elemente, so eifrig man sie im
p: Anfang jedesmal anfasste, nicht mit nachhaltigem Ernste festgehalten und

Worte ins Ohr flüste.l't, die mit ihren Kindern sich an der Wiese niedergelassen
hat und seinem Murmeln lauscht. Die Kinder winden Kränze und plätschern
in dem Wasser. Die Darstellung dieser Gruppen verschmilzt Ideal nnd Wirk-
lichkeit auf sinnige, acht künstlerische Weise. Wie in den Werken der Antike
(aber nicht etwa als gelehrte Nachahmung derselben) ist hier, z. B. im Kostüm,
■von den Besonderheiten eines vorübergehenden Culturzustandes abgesehen, und
statt dessen nur das allgemein Menschliche, das allgemein Gültige und Verständ-
liche aufgenommen, dies jedoch mit vollster Lebendigkeit durchgebildet. Es ist
eine Heiterkeit, eine blühende Anmuth und dabei zugleich eine Frische und
Naivetät in diesen Gestalten, dass wir uns davon mit eigenthüralichem Zauber
gefesselt fühlen. So einfach die Gegenstände der Darstellung sind, so geben -sie
in dieser Behandlung doch das Höchste, was von der Kunst verlangt werden
kann : das Leben in seiner edelsten Elntwickelung. Die schlichte Aufgabe ist
hier mit vollkommener künstlerischer Kraft gelöst.

Wir müssen indess noch einen näheren Blick auf die Art und Weise der
künstlerischen Behandlang werfen. So einfach die Aufgabe auch war, so galt
es doch, ganz eigenthümliche Schwierigkeiten zu überwinden. Es kam niclit
bloss darauf an, die einzelne Gestalt, die einzelne Gruppe für sich mit Leben
und Anmuth auszuführen, sondern zugleich auch alle diejenigen Rücksichten zu
beobachten, die aus der Stellung und Form des Reliefs und aus der beabsich-
tigten Gesammtwirkung des Denkmals sich ergaben. Die Gestalten mussten
kräftig, zum guten Theil im Hautrelief, aus der Fläche hervortreten. Die letz-
tere musste überall gleichmässig ausgefüllt werden nnd jede Gruppe mit der
folgenden in unmittelbarem Zusammenhang stehen; Dennoch musste die Ansicht
des Reliefs, von dem man bei der Cylinderform der Fläclie-immer nur einen
geringen Theil sehen konnte, für jeden beliebigen Standpunkt ein abgeschlosse-
nes Bild geben; und hiebei war besonders darauf zu achten, dass die perspek-
tivisch zurückweichenden Gestalten sich überall der Ansicht harmonisch an-
schlossen. Dies gab eine grosso Menge verwickelter Forderungen , denen nur
durch die ausdauerndste Umsicht genügt werden konnte, etwa dem schwierig-
sten Contrapunkt in der musikalischen Composition vergleichbar, wo von dem
Componisten innerhalb streng vorgezeichneter Gesetze doch der freie Erguss der
Empfindung verlangt wird. Dass der Bildhauer all jenen, in der Natur seiner
Aufgabe liegenden Bedingungen genügt nnd sich für die freie, durchaus unbehin-
derte Durchbildung jeder einzelnen Gestalt die volle Frische des Geistes bewahrt
hat, dies macht keinen der kleinsten Vorzüge seiner Arbeit aus.

In der That sehen wir hier ein Meisterwerk der Bildhauerei vor uns, das
unbedenklich zu den vollendetsten gehört, die unsre Zeit hervorgebracht hat und
dessen wir nns demnach mit gerechtem Stolze erfreuen dürfen. Durch , diese
hohe Vollendung aber gewinnt das Denkmal überhaupt erst seinen Werth wir
bringen dem Andenken des verewigten Monarchen eine Gabe där, die nicht
allein durch den frommen Willen der Stiftung, sondern die zugleich auch da-
durch ihre Bedeutung hat, dass sie ein Beispiel des Schönsten" und Gediegensten
ist, was wir darzubringen vermögen, dass sie mit dem Aufwände der vollsten
geistigen und künstlerisclien Kraft, deren unsre Zeit fällig war, ihre Gestalt, ihr
Dasein empfangen hat." ' ' - i

(Früherer Artikel des Verfassers.)

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Berliiiw Briefe. 643' J

bis jetzt zu keinen, die Kunst fördernden Resultaten gediehen. ; Der
Lipmann'sche Oelfarbendruck, die Fürcliau'schen elastischen Radirungs-
platten, die in beliebiger Grösse höchst -wohlfeil herzustellen sein sollten,
haben viel von sich sprechen machen und sind verschollen. Aehnlich
andre Erfindungen. In der Lavamalerei ist, wie ich höre, umständlich
laborirt worden, aber noch kein Zeugniss dieser Kunst an die OefFentlich-
keit getreten. Die Glasmalerei hat das Letztere freilich gewagt, aber nicht
eben zum Stolze Berlins. Wir haben hier eine, dem Vernehmen nach
wohl subventionirte Anstalt für diese Kunsttechnik; die Leistungen —
grosse Arbeiten für Kirchenfenster — mit denen sie, ziemlich zuversicht-
lich und in den Zeitungen wohlbelobt, auftrat, haben die wirklichen
Kunstfreunde mit schreckhaftem Bedauern erfallt. — Es ist aber allzu
unerfreulich, bei diesen Dingen,, die den Keim der Nichtexistenz ohnehin
in sich tragen, zu verweilen. Nächstens von andern Sachen mehr.

II.

Gestehen Sie es, Verehrtester, Sie haben es bewundert, wie reichlich
die lang aufgestaute Tinte in meinem vorigen Briefe geströmt ist. Sie
sind aber vielleicht nicht ganz ohne Besorgniss vor der Gefahr einer Ueber-
schwemmung, und Sie rathen mir wohlmeinenden Sinnes, die Schleuse bei
Zeiten wieder zu schliessen. Aufrichtig gestanden, und wüsste ich dem
losgelassenen Strome irgend entgegen zu arbeiten, so möchte ich Ihren^
Rath befolgen und meine Confessionen über die hiesigen Kunstzustände
hiemit abgethan sein lassen, zumal wenn ich das schwierige Kapitel er-
wäge, das mir jetzt bevorsteht. Es gilt über einen Mann von grossem
deutschem oder vielmehr europäischem Renommee zu sprechen, den Berlin
jetzt zu den Seinen zählt , der aber bis jetzt so wenig zu Berlin, wie Berlin
zii ihm, eine rechte Stellung gewonnen hat. Es gilt, einen Cornelius
in Berliner Briefen zu behandeln. Schon bei diesem Wort sehe ich gar
manche Ihrer süddeutschen Freunde sich mit Unwillen abwenden. Berlin,
dies Symbol von Hochmuth und Selbstgefälligkeit, Berlin, das seinen
Schinkel nicht einmal verstanden, Berlin, das es nur zu seinen schlechten
„Witzen" und höchstens zu einer Hegel'schen Philosophie gebracht hat,
will es sich anmaassen, über einen Meister ein Urtheil zu "fällen, der nur
mit Entäusserung aller Subjectivität aufgefasst, nur mit voller Hingabe der
Kräfte des Gemüthes begriffen werden kann! — Es mag immerhin so sein.
Aber Cornelius ist einmal in Berlin, er hat den Ruf hieher angenommen,
er hat für uns zu schaffen angefangen, — ich glaube, es hat also auch die
Stimme des Berliners ein .Recht, Über ihn gehört zu werden.

Diejenige persönliche Pietät, die wir für einen Mann empfinden, an
den wir bei langjährigem Zusammenwirken durch die verschiedenartigsten
Bande geknüpft sind, eine Pietät, wie sie für Cornelius in München noch
bewahrt werden mag, können wir für ihn liier natürlich nicht haben. Es
würde unsrer Auffassungsweise, einen ziemlich servilen Beischmack geben,
wollten wir bei ihm auf Andres als auf den berühmten Namen-und na-
mentlich auf seine Leistungen besondere Rücksicht nehmen. Auch hat es
sich Cornelius nicht eben angelegen sein lassen, seinerseits zu uns in ein

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644 Böricbto, Kritiken, Erörterungpn.

näheres Verhältniss zu treten. Ob or sich in den Beziehungen des hiesigen
Künstlerlebens thätig und wirksam erwiesen, ist mir wenigstens nicht be-
kannt geworden; an unsern grossen Kunstausstellungen hat er keinen Theil
genommen, auch sonst seine Compositionen hier nicht zur öifentlichen
Ausstellung gebracht, was er doch an andern Orten, wenigstens bei seiner
letzten Anwesenheit in Rom, nicht verschmäht hat. Wir können seine
hiesige Wirksamkeit im Wesentlichen nur nach dem einen, in der Raczyns-
ki'schen Gallerie befindlichen Bi]de und nach den von ihm herausgege-
benen Blättern beurtheilen. Er ist uns, wie es scheint, mit einer gewissen
Absichtlichkeit fremd geblieben, und wir haben demnach um so weniger
Anlass, einen andern Maassstab an seine neueren Werke zu legen, als in
diesen selbst enthalten ist.

Cornelius' erstes Auftreten unter uns bestand in dem eben erwähnten
Bilde, welches er für den Grafen Raczynski gemalt hatte und welches in
dessen Gallerie aufgestellt ward, Christus unter den Erzvätern in der Vor-
hölle. Die Gallerie ist dem Besuche des Publikums täglich freigegeben, und
Alles, was sich für Kunst interessirte, besonders diejenigen, die Corne-
lius' Arbeiten in München noch nicht kannten, strömte dorthin, von der
Richtung des vielbesprochenen Meisters eine Anschauung zu gewinnen.
Aber — ich referire in diesem Augenblick einfach Thatsächliches — ein
Schrei des Unwillens zuckte durch die Stadt und machte sich selbst in
einzelnen sehr beissenden Aeusserungen in den Zeitungen Luft. Sollten
diese harten, schweren, zum Theil unvermittelten Farben für Malerei, diese
körperlosen, im Einzelnen geradezu widernatürlichen Formen für Zeich-
nung und Plastik, diese seltsam zurückgewundenen Augen für Ausdruck
gelten? Sollte dies, zum Theil gänzlich apathische, zum Theil allerdings
leidenschaftlich angeregte Zusammensitzen und Stehen eines Kreises von
Personen, in dessen Mitte ein mangelhaft organisirter Mann mit ausge-
breiteten Händen stand, die Befreiung der Seelen des alten Bundes, die
ihrer Erlösung Jahrtausende hindurch entgegengeharrt, vorstellen? —
Auch diejenigen, die sehr wohl wissen, worin bis dahin Cornelius' Grösse
bestand, mussten schmerzlich das Haupt schütteln. Sie erkannten in den
allgemeinsten Zügen der Composition wohl das" ihm eigne Gesetz einer
grossartigen Rhythmik, konnten aber nicht umhin, sicTi einzugestehen,
dass der Zorn des Publikums nicht eben ohne Grund sei, und wussten
sich nur mit dem Gedanken zu trösten, dass auch Homer zuweilen schlafe.

Schlimmer noch, obgleich ohne namhaften Einfluss auf das grosse
Publikum, das überhaupt keinen andern Maassstab'seines Urtheils für
Cornelius erhalten hat als diese Vorhölle, war sein zweites, Auftreten. Es
Wjir einer der Tage des höchsten Glanzes der eben zu Ende gegangenen
achtjährigen Periode unsren Geschichte gewesen. Ein prächtiges Hoffest
war gefeiert, lebende Bilder, Scenen aus Tasso's befreitem Jerusalem,
waren dabei mit allem Luxus, der für dergleichen nur beizubringen ist,
zur Ausführung gebracht worden. Cornelius hatte die Entwürfe zu diesen
Bildern geliefert; die schönen Gesichter und edeln Gestalten, die präch-
tigen Stoffe, die frappante Beleuchtung hatten eine magische Wirkung
hervorgebracht. Aber das Fest war vorübergegangen und die augenblick-
liche Wirkung der Bilder war verrauscht. Da erschienen die Composi-
tionen im Kupferstich, einfache Umrisse, doch im sehr grossen Maassstabe
und mit grösster Sorgfalt und Eleganz herausgegeben, gestochen von

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Berliiiw Briefe. 645' J

Eichens'); sie sollten also nicht bloss als Gelegenheitsarbeiten gelten,
sie machten Anspruch auf volles künstlerisclies Anerkenntniss. Aber die
Kunstfreunde standen vor diesen Blättern und wussten nicht, was sie
dazu sagen sollten. War hier irgendwo von Cornelius'scher Compositions-
weise eine Spur? nur hin und wieder erinnerten einzelne Gestalten, ein-
zelne Bewegungen an die Art seines Vortrages; im Ganzen mochte man'diese
Blätter, wenigstens dem Princip nach, etwa mit Eetzsch vergleichen, an
den ein Paar Compositionen auch, aulfallend erinnerten. Doch hatte man
auch bei Retzsch keineswegs diese gänzliche Gleichgültigkeit gegen die
Bedingnisse der natürlichen Form gesehen. Allenfalls nur die kleinen
Füsschen der Kämpfer des heiligen Grabes mochten sich ähnlich bei ihm
vorfinden; so verzwickte Häude, so formlose Gewandungen, wie hier, sind
in seinen Compositionen schwerlich enthalten; noch weniger 9V2 Kopf-
längen hohe Gestalten, wie sie hier mehrfach vorkommen, oder gar ein
Tancred, wie der auf dem fünften Blatt, der die Clorinde tauft, mit einer
Hüftenbildung, welche allen Gesetzen des menschlichen.Körpers, zumal des
männlichen, Hohu spricht. — Sie zürnen mir vielleicht, mein Freund, dass
ich über einen so vielfach bewunderten Meister mit solchen Worten zu
reden wage. Ich bitte, nehmen Sie die Blätter zur Hand und widerlegen
Sie mich, wenn Sie es vermögen. Und kehrte uns ein Raphael wieder
u'nd wollte uns Arbeiten der Art unter der Autorität seines Namens auf-
dringen , ich würde sie mit Entrüstung von mir weisen.

Es konnte nicht fehlen, dass man sich Cornelius gegenüber in einer
wahrhaft peinlichen Stellung befand. Man athmete wieder auf, als er mit
Leistungen hervortrat, die,endlich der Würde seines Namens entsprachen
und die es bekundeten, dass seine eigenthümliche Scliöpferkraft doch noch
ungebrochen war. Dies waren die Compositionen zu dem sogenannten
„Glaubensschilde", den unser König zum Pathengeschenk für den Prinzen
von Wales anfertigen liess. Der Schild ist, nach den Zeichnungen von
Cornelius und nach den Entwürfen -von Stüler für die Gesammtan-
ordnung und für das Ornamentistischej von A. Fischer modellirt und
der Brotizeguss von A. Mertens ciselirt; zwölf geschnittene Steine, die
ihn gleichfalls schmücken, rühren von Calandrelli her. Er ist schon
vor einiger Zeit an seine Bestimmung abgegangen und war vorher im
hiesigen Kupferstichkabinet öffentlich ausgestellt. Die Zeichnungen sind
unlängst im Kupfersticli und zwar ebenfalls in Umrissen erschienen 2).
Der Schild hat eine kreisrunde Gestalt. In der Mitte ist ein Medaillon
mit dem Brustbilde des Erlösers. Von dem Medaillon gehen vier breite
Bänder, ein Kreuz bildend, aus, die mit kleinen arabeskenartigen Com-
positionen ausgefüllt sind Darstellungen von vier christlichen Kardinal-
tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung, denen als vierte etwas willkürlich
— denn sie gehört einem andern Ideenkreise an — die Gerechtigkeit zu-

') Sechs Entwürfe zu Darstellungen aus Tasso's befreitem Jerusalem von
P. V, Cornelius. Berlin, bei G.Reimer, 1843. Gross Querfolio, — Ent-
würfe zu den Bildern, einzelnen Figuren und Arabesken, welche auf dem von
Sr. Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm IV. dem Prinzen von Wales als
Pathengeschenk übersandten Schilde dargestellt sind, von Dr. Peter v. Gerne-,
Ii US. Gestochen von A. H-ofpmann. Die architektonischen Verzierungen ge-
stochen von L. A. Schubert. Berlin Verlag von Ditttrich Reimer, 1847. Ein
Toxtblatt und 6 Kupferblätter im grössten Querfolio.

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64G Berichte, Kritikeu, Krörteruugeii.

gesellt ist) und von den vier Evangelisten enthaltend. In den vier Dreieck-
feldern
zvi^ischen diesen Bändern sind die beiden Sakramente der pro-
testantischen Kirche und zwei alttestamentliche Scenen aus dem Kreise
derer, welche die mittelalterliche Symbolik als Vorbilder zu jenen auf-
fasst, enthalten. Dies sind schon ziemlich flgurenreiche Compositionen,
der Mehrzahl nach indess nicht eben sehr bedeutend und im Ganzen nicht
ohne eine gewisse Flauheit der Linienführung behandelt. Am charakteri-
stischsten an ihnen erscheint mir ein gewisses ekstatisches Element, das
hier und dort hervortritt und namentlich in der Darstellung des Abend-
mahls zu einer allerdings grossartigen und effektvoll bewegten Composi-
tion geführt hat. Indess will die Gewaltsamkeit, mit der das Mysterium
uns hier dargelegt wird — Christus, hocherhoben hinter dem Tische stehend
und Brod und Wein mit ausgebreiteten Händen emporhaltend, während
die Jünger von schauernder Begeisterung erfüllt sind — unsrer heutigen
Schriftauffassung etwas fremd bedünken und dürfte namentlich dem "Wesen
der protestantischen Lehre nicht ganz entsprechen. Die sämmtlichen bis-
her genannten Darstellungen werden von einem Ringe umfasst, in welchem
ornamentistische, durch Trauben und Aehren bezeichnete Felder mit zwölf
andern abwechseln, die die einzelnen Gestalten der zwölf Apostel ent-
halten. (Die letzteren bestehen in dem Schilde selbst in geschnittenen
Onyxen.) Das Ganze endlich wird von einem breiten Kundfries umschlossen,
der rücksichtlich der künstlerischen Ausführung die gediegenste, die eigent-
lich bedeutende Composition des Werkes enthält. Es ist eine geistreiche
und sich vortrefflich entwickelnde Folge von Scenen, welche die Besie-
gelung des Christenthums, die Gründung der Kirche und das besondere
Ereigniss, dessen Erinnerung der Schild gewidmet ist, zum Inhalt haben.
So sehen wir zunächst den Einzug Christi im festlichen volkreichen Zuge;
Engel tragen ihm die Passionsinstrumente vor, dem jubelnden Volke ent-
gegen; Jerusalem, als allegorische Gestalt, sitzt in gedankenvoller Trauer
am Thore der Stadt. Dann folgt der Verrath des Judas; unmittelbar dar-
auf die Grablegung, die Auferstehung Christi, das Pflngstfest, die Taufe
der Völker. Ein anglikanischer Bischof wendet sich von hier zur Taufe
nach dem Gemach der Königin Victoria. Wir sehen das Iftnere desselben
(die Personen, wie auch im Folgenden, nach antiker Art idealisirt). Wel-
lington und Prinz Albert sitzen harrend am Ufer; vor ihnen steht der
heil. Georg, der Schutzpatron Englands, die Hand grüssend dem Preussen-
könige entgegengestreckt, der zu Schilfe naht. Ein Engel führt das Steuer
des Schiffes; Flussgötter sind an der diesseitigen und jenseitigen Küste
bemerklich. Die Scenen, zunächst die der biblischen Geschichte, sind
hier mit ungemein glücklichem, ächt künstlerischem Sinne behandelt; es
ist eine edle Grazie, eine Milde und Würde darin> die wir in der That
nur in Cornelius reinsten Arbeiten wiederfinden.' Die Gruppenanordnung,
die bei der Friescomposition freilich einfach war, doch darin auch
wieder eigenthümliche Schwierigkeit haben mochte, «ist überall klar und
harmonisch, die Gestaltung im Einzelnen voll schönen Lebensgefühles, in
der Gewandung nur noch wenig von dem lässigen Wesen, das sich Cor-
nelius bei seinen späteren Arbeiten in München nicht allzu übel genora-
• men hatte, und im Ausdruck (wie es z. B. in der Scene des Judas der
Fall ist, nur wenig Forcirtes und Uebcrtriebenes. Sehr eigenthümlich
machen sich die'Schlnssscenen des Frieses. St. Georg steht als prächtiger
jugendlicher Held auf dem Ungethüm da, dem er den Tod gegeben hat.

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H:

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I

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Berliiiw Briefe. 647' J

Das Schiff des Preusseukönigs, in autiken Formen phautastisch geschmückt
und verziert,, giebt zugleich 'den treibenden Kräften des Dampfschiffes eine
wundersam mälirchenhafte Existenz. Ein Feuerdämon ist an seinen Bord
gefesselt und theilt mit gewaltigem Arm die Wogen; ein Candelaber ist
mit dem grotesken Kopfe eines Winddämons, der mit Macht den Dampf
ausstösst, gekrönt. Der König sitzt inmitten des Schiffes in weitem, mu-
schelgeschmücktem Pilgermautel, mit Pilgerstäb und Pilgerhut, welcher
letztere oberwärts als Krönchen ausgezackt ist. Drw andre Personen auf
dem Schiffe tragen, wie der König, Portraitzüge; der Text nennt sie uns
als Alexander v. Humboldt, General v. Natzmer und Graf v. Stolberg.

Was haben Sie, mein Freund? was legen Sie mir die Hand auf das
Papier? Bezweifeln Sie es, dass ich, der ich überall in der Kunstwelt zu
kritteln und zu mäkeln finde, von den Schönheiten dieses Werkes mit
Ueberzeugung gesprochen habe? — Freilich!.es ist noch ein Punkt, über
den Sie Auskunft verlangen. Sie meinen, jene biblischen Darstellungen
hätten doch die grössten Momente der Geschichte des menschliclien Ge-
schlechtes, deren die Vorwelt sehnsuchtsvoll geharrt liatte und auf denen
der Bau der Nachwelt errichtet ist, zum Gegenstande. Sie fragen, welch
ein neues welthistorisches Ereigniss es sei, das liier jenen Scenen in gleich-
berechtigter künstlerischer Ausdehnung gegenübergeführt wird, welche Be-
deutung für die Völker der Erde jener wundersame Wasserzug des pil-
gernden Königes habe, der hier geradehin wie ein Gegenbild des Zuges des
Weltenerlösers, mit dem die Darstellungen beginnen, erscheint? — Ich bin
nicht berufen, Ihnen hierauf Antwort zu geben; fragen Sie den Künstler!
Ich habe schliesslich nur noch hinzuzufügen, dass die technische Ausfüh-
rung des Schildes von Seiten derrverschiedenen Künstler, welche man dazu
in Anspruch genommen, vorzüglich gelungen war.

Der eigentliche Zweck, der sich an Cornelius' Anwesenheit in Berlin
knüpft, bezielit sich, wie Sie wissen, auf die. bildlichen Ausschmückungen,
mit denen der Campo santo, die fürstliche Begräbnisshalle neben dem
künftigen neuen Reichsdome, versehen werden soll. Cornelius hat sämmt-
liche Compositionen dazu bereits entworfen und es sind .auch sie kürzlich
im ümrissstiche (dem Vernehmen nach von Thäter) erschienen.^,) Cor-
nelius hat hierin ein ungemein reiches Werk geliefert; der den Stichen
beigegebene erläuternde Text bezeichnet es geradehin als das umfassendste
Werk seiner schöpferischen Thätigkeit, Mit vollster Hingebung spreche
ich es'aus, wie es auch schon von so mancher andern Seite geschehen,
dass der Meister in diesen Entwürfen wieder ganz auf der Höhe seiner
Kunst steht, wenigstens was die Compösition an sich und diejenigen Ele-
mente derselben, die in der kleinen Umrisszeichnung ersichtlich werden,
betrifft. Es ist eine Grösse und Energie in diesen Darstellungen, die der
Grundrichtung entspricht, welche ihm von früh an eigen war, die aber
hier das Gewaltsame und Uebertriebene-, was in seinen früheren Werken
oft störend entgegentritt, zumeist sehr glücklich überwunden hat. Es ist
eine Sicherheit und charaktervolle Bestimmtheit darin, die jeder Scene
eine Wirkung von schlagend dramatischer Kraft giebt. Es verbindet sich
damit, trotz des Skizzenhaften ider Behandlung, ein sehr edles stylisti-

') Entwürfe zu den Freske^ der FriedhofshalJe zu Berlin, von Dr. Peter
v. Cornelius, Leipzig, 1848, Georg "Wigands Verlag. Ein Bogen Text und
11 Kupferblätter in grösstem Querfolio.

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648 Berichte, KritikPii, ErörterUTigeii.

sches Gesetz, das in dem Rhythmus der Gruppen und Gestalten sowohl
als in der Behandlung; der Gewandung, welch letztere, wie bemerkt, in
Cornelius späteren AVerken bis dahin nicht gar selten einen etwas schlaffen
Charakter angenommen hatte, fiberall vorherrscht. Es sind endlich, neben
der freien und selbständigen Auffassung bekannter Scenen auch deren,
und zwar vorzüglich bedeutende, vorhanden, die dem Kunstgebiet ganz
neue Anschauungen zuführen. Nur in Betreff des tiefen geistigen, gewisser-
maassen dogmatischen Zusammenhanges, den diese Arbeiten haben sollen,
der bei ihnen ebenfalls mit nicht geringerem Ruhme hervorgehoben ist
und auf den Cornelius selbst ein erhebliches Gewicht zu legen scheint,
muss ich mir erlauben, wieder einige ketzerische Bedenken auszu-
sprechen.

Die vier Wände der Halle, die, wie ich in meinem früheren Briefe
bereits bemerkte, den Klosterhöfen oder Kreuzgängen ähnlich angeordnet
werden soll, sind eine jede auf eine Ausdehnung von 180 Fuss bestimmt.
Sie sollen sämmtliöh ganz mit Malereien bedeckt werden. Cornelius hat
die Einrichtung getroffen, dass die vorzüglichst wichtigen Scenen seiner
Darstellung jedesmal als Hauptbilder iil der Mitte stehen, denen sich
unterwärts ein längliches Predellenbild, oberwärts ein Lünettenbild im
flachen Bogen anreihen. Jn den Ecken bei diesen Bögen erscheinen kleine,
zumeist ornamentistische Darstellungen. Unterbrochen wird diese ganze An-
ordnung in wechselnder Folge durch (gleichfalls gemaltcj Nischen, die
auf verschiedenartig dekorirtem Untersatz sehr kolossale Gruppen, je eine
männliche oder weibliche Gestalt und je zwei Kinderfiguren enthalten. Es
erscheinen demnach 17 Hauptbilder, 15 Predellen- und ebensoviel Lünct-
tenbilder und 8 Gruppen der eben angedeuteten Art. Als Grundthema
der Darstellungen wurde schon vor einiger Zeit in einem gewissermaassen
officiellen Bericht, den die frühere hiesige Staatszeitung über ihren Inhalt
gab, der Ausspruch des Paulu^ (Römberbrief 6, 23) angeführt: „Denn der
Sold der Sünde ist der Tod, die Gnade Gottes aber ist das ewige Leben
in Christo Jesu unserm Herrn." Dies entwickelt sich in mannigfachen
Darstellungen aus dem Leben des Erlösers, mit gelegentlicher Bezug-
nahme auf Momente des alten Testaments, aus der Geschichte der Apo-
stel und der Offenbarung Johannis, durchflochten mit der steten Hindeu-
tung auf die Seligkeit in der Vereinigung in Gott, nach den acht
Seligkeiten der Bergpredigt, welche in symbolischer Darstellung in jenen
acht Nisch(^ngruppen enthalten sind.

Folgendes ist die Uebersicht des Inhalts:
A. Erste Hauptwand. Ostseite. Durch den in der Mitte belind-
lichen Eingang in die Königsgruft in zwei gleiche Theile getheilt.
Hauptinhalt: Die Erlösung von der Sünde.

Rechts von der Grüft:
I. I.ünettenbild. Der segnende Jehovah.

Hauptbild. Christi Geburt, Anbetung der Könige und Hirten.
Predellenbild. Sündenfall und Strafe der ersten Menschen.

Gruppe. „Selig sind die Armen im Geist."

') Er bat dies Werk in seinem Denkschreiben an die philosophische Fakul-
tät zu Münster, nachdem dieselbe ihn zum Doctor ernannt, geradezu als seine
Doctor-Dissertation bezeichnet und dies ausführlich motivirt. Vergl. das Kunst-
blatt vom Jahr I84.'>, No. 7, S. 28, '

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Berliner Briefe.

II. Ltinettenbild. Klagende Engel.
Hauptbild. Klage über dem Leichnam Christi,
Predellenbild. Arbeit der ersten Menschen und Brudermord. "

Links von der Gruft:

III. Lünettenbild; Christus nimmt die Sünder — Adam, Eva, David,

Salomo, Magdalena, den Schacher und Petrus— zu seiner Herr-
lichkeit auf.
Hauptbild. Christus heilt den Gichtbrüchigen.
Predellenbild, Christus warnt vor der Heuchelei der Pharisäer.
Gruppe. „Selig sind die Traurigen." .

IV. Lünettenbild, Wieder die Aufnahme des Sünders (einzeln personi-

ficirt) in die Herrlichkeit Christi.
Hauplbild. Christus vergiebt der Ehebrecherin.
Predellenbild, ^'oahs Dänkopfer und Bund mit Jehovah. —

B. Zweite Hauptwand. Westseite. Hauptinhalt: Die Göttlichkeit
des Erlösers. (Bezug der Seitenbilder L und III. auf- das Mittel-

. bild.) - ^
I. Lünettenbild. Der barmherzige Samariter.

Hauptbild. Auferweckung des Jünglings zu Nain.
Predellenbild. Davids Tanz vor der Bundeslade.
Gruppe. „Selig sind die Barmherzigen."

II. Lünettenbild. Auferstehung Christi. " '
Hauptbild.' Der auferstandene Christus bei den Jüngern. Thomas.
Predellenbild. Geschichte des*Jonas.

Gruppe. „Selig sind die Friedfertigen:"

III, Lünettenbild. Die Fusswaschung,
Hauptbild. Auferweckung des Lazarus.
Predellenbild. Davids Sieg über Goliath. —

C. Erste Seitenwand. "Südseite, ,|Hauptinhalt: Fortsetzung des
Werkes Christi durch die Kirche. (Das Mittelbild III. als Ausgangs-
punkt für die Seitenbilder.) i . •

I. Lünettenbild, Paulus, im Predigtamt.-~ '
Hauptbild. Bekehrung Pauli, ' '
Predellenbild. Paulus noch als Verfolger der Christen.

Gruppe, „Selig sind die Sanftmüthigen, " ,

II. Lünettenbild. Auferweckung der Tobitha durch Petrus.. '
Hauptbild. Petrus, die Kranken durch seinen Schatten heilend.
Predellenbild,. Petrus in früheren kleingläubigen Zuständen,

III. Nur ein grosses Bild (unterwärts die in den Dom führende Thür.)
Pflngstfest.

IV. Lünettenbild. Gemeinschaft det_Märtyrer, welche Palmen und Kro-

nen zu den B'üssen des Lammes niederlegen.
Hauptbild. Martyrthum des Stephanus-
Predellenbild. Untergang von Sodom und Gomorrha.
Gruppe, „Selig sind, die reines Herzens sind,"

V. Lünettenbild. "Der Engel, der dem Heiden Cornelius erscheint und

ihn zu Petrus sendet. • . ^ -

Hauptbild. Philippus auf dem Wagen des äthiopischen Kämmerers

und diesen unterweisend.
Predellenbild. Die aufrührerischen Goldschmiede in Ephesus. —

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

650

D. Zweite Seiteuwand. Nordseite. Hauptinhalt: Ende des Irdi-
schen und Uebergang zum Ewigen. (Bezug der Seiteubildcr in bei-
derseits fortschreitender Folge auf das Mittelbild III. Die Predellen
ohne Bezug auf das jedesmalige Hauptbild, doch unter sich im Zu-
sammenhange.) '
I. Lünettenbild. Christus auf den vier symbolischeo Gestalten, Engel
mit Posaunen.
Ilauptbild. Auferstehung des Fleisches.

Predellenbild. Pflege der Kraniien und Bestattung der Todten. .

Gruppe. „Selig sind die hungert und dürstet nach Gerech-
tigkeit.

II. Lünettenbild. Engel, Johannes auf die neue Jerusalem nieder-
schauend.

Hauptbild. Die neue Jerusalem (allegorische Gestalt), von den
zwölf Engeln vom Himmel herabgebracht. Gruppe von Gerechten.
Herannahende Völker.
Predellenbild. Erquickung der Hungrigen und Durstigen.

III. Nur ein grosses Bild (unterwärts wiederum eine.Thür). Wieder-
kunft des Heilandes, mit lobsingenden und richtenden Engeln.
Die klugen und die thörichten Jungfrauen, als Symbole der
Menschheit.

iV. Lünettenbild. Christus mit einer Sichel, Racheengel mit Sicheln,
Flammen etc.

Ilauptbild. Die gestürzte Babel, auf dem siebenköpflgen Thier.
Predellenbild. Bekleidung der Nackten und Aufnahme der Pilger.

Gruppe. „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen ver-
folgt werden."

V. Lünettenbild. Die sieben Engel mit den Schalen des Zorns.

Hauptbild. Die vier Reiter der Ofi'enbarung, welche alles Leben

vernichten. |

Predellenbild. Besuch der Gefangenen, Tröstung der Betrübten,
Führung der Verirrten.
Dieser Uebersiciit ist zunächst noch anzureihen, dass,; wie schon be-
merkt, die oberen Ecken zu den Seiten der Flachbögen, welche die Lü-
netten bilden, mit kleinen ornamentistischen Darstellungen versehen sind.
Gelegentlich haben diese eine Bezugnahme auf christliche Symbolik. An
der zweiten Hauptwand aber treten hier, mit einem eigenthümlichcn Ge-
dankenspiel, plötzlich mythologische Bezüge hinein. So sehen wir auf
dem Bilde, welches als Hauptgegenstand die Auferweckung des Jünglings
von Nain enthält, an diesen Stellen einerseits Orpheus, dem'der Schatten
der Eurydice entschwebt, andererseits Semele, die vor der Majestät Ju-
piters niedersinkt, dargestellt. (Wenigstens glaube ich diese Darstellungen,
über die der erläuternde Text keinen Bericht giebt, so verstehen zu müssen.)
Auf dem Bilde der Auferweckung des Lazarus aber scheint einerseits der
Engel Michael, der den Satan stürzt, dargestellt zu sein, andererseits
sehen wir Jupiter, der die Giganten niederschmettert. Die Nischen,
darin sich die Gruppen der Seligkeiten befinden, sind an dieser Wand in
breiterer Anordnung mit Säulchen geschmückt, und über den letzteren sieht
man Gruppen von Flügelknabeu mit Greifen und Sphinxen. Der Künstler
hat, wie es scheint, auch die griechische Mythe, ähnlich wie es in der
juittelalterlichen Symbolik für die Beziehungen der Ereignisse des alten

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Berliiiw Briefe. 1503' J

Testaments zu denen des neuen festgestellt war, als vorbildliche Gegen-
stände für die Momente defe letzteren einführen wollen, muss es aber im
Verlauf der Arbeit doch nicht für passlich erachtet haben, in solcher Ge-
geoüberstellung fortzufahren.

Es ist, wie gesagt, zunächst auf die Dutchführung und Entwickelung
des Gedankens in diesem grossen Cyklus von Darstellungen besonderes
Gewicht gelegt worden, und ich habe bemerkt, dass ich in dieser Rück-
sicht nicht ganz damit einverstanden sein könne. Ich muss mir erlauben,
meine Behauptung etwas näher zu begründen.

Schon das scheint mir bedenklich, dass in dem Uebergange von den
Darstellungen der einen Wand zu denen der andern nicht die naturgemässe
Folge beobachtet ist, sondern dass man springen muss. Sodann ist in der
Folge der Darstellungen auf den einzelnen Wänden nicht dasselbe Gesetz
festgehalten; einmal wird eine Hälfte der andern entgegengesetzt, ein an-
dermal hat man von der Betrachtung der Mitte nach den Seiten, in wieder
andern Fällen von den Enden nach der Mitte zu auszugehen. Jedes
Hauptbbild steht natürlich mit der dazu gehörigen Lünette und Predella
in Verbindung; bei der zweiten-Seitenwand ist dies aber nicht der Fall,
indem hier die Folge der Predellen unter sich ein besonderes zusammen-
hängendes Ganze ausmacht. Ich fürchte, dass schon die allgemeine Orien-
tirung allzu schwierig sein würde, falls man den Besuchern nicht jedesmal
ein förmliches Textbuch in die Hand geben will. ^

Die erste Hauptwand (A) zerfällt in zwei etwas willkürliche Gegen-
sätze: einerseits die äusserlichen Endziele des irdischen Daseins des Erlö-
sers, Geburt und Tod, andrerseits Hauptmomente seines irdischen,Wirkens,
die Hinwegnahme von Krankheit und Sünde. Es wäre leicht gewesen,
hier ein innig verbundenes Ganze herzustellen, wenn der Künstler nämlich
einfach das Bild des Todes Christ^ an das Ende der Wand gesetzt hätte;
die Anordnung hätte dann auch der der übrigen Wände mehr entsprochen,
die Gesammtbedeutung der ersten Wand hätte sich eindringlicher ergeben
und die zweite Hauptwand (B), die den Erlöser als den Besieger des
Todes darstellt, hätte einen gewichtigeren Gegensatz gegen jene gebildet.
Uebrigens ist es auflfallend, dass Cornelius hier (an der ersten Wand) die
unmittelbare Darstellung des Todes Christi, worauf doch im dogmatischen
Sinn ein so wesentliches Gewicht zu-legen war, vermieden und statt ihrer
die elegiscli weichere, aber weniger bezeichnende der Grablegung und der
Klage über dem Leichnam vorgezogen hat; auch dies trägt dazu bei, die
Begriffe minder scharf heraustreten zu lassen. Die Wiederkunft des Er-
lösers und die vorbereitenden Momente, wie diese die Vision des alt-
christlichen Dichters erzählt (zweite Seitenwand D),. bildet ferner den
angemessenen Gegensatz gegen; den Inhalt der beiden Hauptwände; die
Scenen der Apostelgeschichte aber (erste Seitenwand C) erscheinen als
eingeschoben. Sie haben eiueii beiläufigen Charakter für den Inhalt des
Ganzen. Die grosse historische That, die grosse geistige Bedeutung der
Erscheinung des Christenthums ist mit dem irdischen Dasein des Erlösers
und dessen Ende vollständig abgeschlossen; wie wundervoll auch die erste
Gründung der Kirch.e in jenem eposähnlichen Berichte erscheinen mag, es
beginnt mit ihr doch die Einzelgeschichte und wo es sich, wie hier, um
eine welthistorische Anschauui/g im höchsten Sinne des Wortes handelt,
da würde neben ihren Einzelfakten auch noch gar manch ein hohes Ereig-
niss aus dem Lauf der folgenden Jahrhunderte seine Stelle finden müssen.

I

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

Soviel über das Allgemeine. Betrachten wir nun die Gliederung der
Gedanken in dem Einzelzusammenhange der Darstellungen. Bei den Bil-
dern I und II der ersten Hauptwand
(A) wird diese Gliederung und der
gleichartige Rhythmus derselben keinen Widerspruch erleiden. Anders ist
es bei den Bildern III und IV derselben Wand. In IH stehen die Dar-
stellungen nur in ziemlich losem geistigem Zusammenhang zu einander
und die Lünetten in beiden Bildern sagen zweimal dasselbe. — An der
zweiten Hauptwand (Bj hat das Mittelbild (III) seinen klaren Zusammen-
hang in sich, da bekanntlich auch der Inhalt der Predella, die Geschichte
des Jonas, sinnbildlich auf Christi Auferstehung gedeutet werden muss.
Bei Bild I können wir die Lünette, Darstellung des barmherzigen Sama-
riters, wenigstens einigermaassen mit dem Gedanken"des Hauptbildes, Auf-
erweckung des Jünglings zu Nain, in Verbindung bringen, während uns
jedoch die Bedeutung der Predella, Davids Tanz vor der Bundeslade,
dunkel bleiben muss. Bei Bild III, das in der Hauptdarstellung die Auf-
erweckung des Lazarus enthält, können wir in der Predella, Davids Sieg
über Goliath, wieder eine sinnbildliche Beziehung vermuthen; aber die
Bedeutung der Lünetie, mit der Darstellung der Fusswaschung, muss uns
hier dunkel bleiben. Der erläuternde Text giebt uns den allerdings ziem-
lich unerwarteten Aufschluss, dass hier zugleich einerseits die Liebe, an-
drerseits die Demuth Christi dargestellt sein soll. Vermuthlich soll dies
zugleich die Doppeldarslellung der Todtenerweckung rechtfertigen; den
Zusammenhang der beiden Begriffe mit den beiden Thaten des Heilands
aber vermag ich nicht einzusehen. Dass im Ueb^igen die Fusswaschung
als Symbol der Demuth Christi erscheint, ergiebt sich deutlich genug; dass
aber Davids Tanz, weil er aus Liebe zu Gott getanzt ifabe, nun ein Sym-
bol für die Liebe sei, dünkt mich doch etwas weit hergeholt, selbst wenn
es auch schon 'in mittelalterlicher Symbolik gelegentlich so vorkommen
sollte. — In der ersten Seitenwand (C) herrscht der historische Charak-
ter, auch in Lünetten und Predellen, vor; namentlich die Bilder I und II
erscheinen hier in vortrefflichem Gleichmaass der Anordnung, besonders
was die Verhältnisse der Predellen trifft. In dem Bilde IV aber ist bei
der Lünette und Predella ein ganz abweichendes Verfahren, die Gedan-
kenrhythmik des Ganzen wiederum störend, eingeschlagen. Die Lünette
enthält eine symbolisch-legendarische Weiterführung von dem Gedanken
des Hauptbildes, des Martyrthums des Stephanus, und die Predella, mit
der Darstellung des Endes von Sodom und Gomorrha, den symbolischen
Gegensatz, sofern es nämlich des Künstlers Absicht gewesen ist, hier einer-
seits das Ende des Gerechten, andrerseits das Ende des Sünders darzu-
stellen. Die ganz andre Auffassung in diesem Bilde IV erklärt sich übri-
gens dadurch, dass dasselbe Bild ursprünglich, wie es^ auch gestochen ist,

für die Folge der Bilder der ersten Hauptwand (A, an die Stelle von

%

%

*■) Beiläufig kaiin ich zugleich nicht umhin, die Art und "Weise dieser Dar-
stellung, die sich freilich ähnlich auch schon bei früheren Künstlern findet, zu
rügen. Wenn wir einen König au der Spitze eines feierlichen religiösen Zuges
mit der Harfe im Arm auf einem Beine hüpfend finden, so werden wir ihm
schwerlich ein tieferes geistiges Vermögen zuzuschreiben und ihn eher unter
Kuratel zu setzen geneigt sein. Es ist in diesem Fall wahrhaftig an eitie ganz
andre, an eine feierlich erhabene Tanzbewegung, die von allem Hüpfen und Sprin-
gen durchaus fern bleibt, zu denken.

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'Y .'.tw;;-»"" 'i;-"- .'!.»"»"■ im-WI.W.,! iii iiaimu im

Berliner Briefo. - 653

Bild III) bestimmt war, wobei es nur ein weuig bequem erscheint und
für die philosophische Consequenz der Arbeit kein zu günstiges Vorurtheil
erweckt, wenn dergleichen Umstellungen so ganz ohne weitere Aenderung
vorgenommen wurden. — "Auf der zweiten Seitenwand (D) endlich >steheii
die Lünetten mit'den Hauptdarstelluugen überall im unmittelbaren Zu-
sammenhang, das Dichterische der Gegenstände hier durchweg weiter
ausführend. Die Predellen dagegen sind hier, wie schon bemerkt, ganz
selbständig aufzufassen. Sie sind der Darstellung der Werke der christ-
lichen Liebe gewidmet, und es bedarf vielleicht wiederum einiger Erklä-
rung, um hierin die Idee zu finden, dass sie demnach dasjenige vergegen-
wärtigen sollen, was beim Ende der Dinge bestehend sein wird. — Gegen
die Darstellung des Mittelbildes dieser letzten Wand, Christus als Welten-
richter über den klugen und thörichten Jungfrauen, muss ich aber aufs
Entschiedenste protestiren, so oft sie auch von den Künstlern in ähnlicher
Weise behandelt sein mag. Es ist hier eine Vermischung von Symboli-
schem (der Parabel) und Historischem, dessen beide Theile sich gegenseitig
vollständig aufheben. Wenn man die, in altorientalische Sitte verwach-
sene und sogar auf der Vielweiberei fussende schlichte Parabel malen will,
so gebe man naiv, was sie wahrscheinlich und lebendig macht; und wenn
man das Gericht am Ende der Tage malen will, so gebe man dieses mit
all seinen Schauern und Schrecknissen. Arme Mädchen aber, die vor
lauter unschuldiger Müdigkeit ihre Thonlampen, haben ausgehen lasse'n,
während ihre Schwestern auf ihre wohlerhaltenen Flämmchen stolz genug
sind, und darüber der ganze Apparat furchtbar glänzender himmlischer
Erscheinungen — wer möchte'sich dabei eines Lächelns, er wehren können.
Und was nützt es, wenn man mir sagt: Sie sollen sich ja bei dem, was
Sie vor sich sehen, etwas ganz Andres denken! — Dazu braucheich eben
keinen Maler und keine Kunst. ,

Die Einführung der symbolischen Gruppen der acht Seligkeiten nach
den Worten der Bergpredigt, zwischen den übrigen Compositionen, ist ein
schöner Gedanke und um so mehr gerechtfertigt, als der Gesammtinhalt
der Darstellungen eben zu der Seligkeit überhaupt, die den Getreuen des
Herrn vorbehalten ist, hinführt. Rücksichtlidi der Art und Weise ihrer
Einschaltung aber habe ich leider wieder meine unartigen Bemerkungen
anzuhängen. Der erläuternde'Text bezeichnet das Ganze als christliches
Epos und das Verhältniss der Gruppen zu den übrigen Darstellungen wie
das des Chores zur Tragödie, in den altgriechischen Dramen. Der Ver-
gleich passt nicht ganz; zum guten Theil ist in den Darstellungen, ihrer
eigentlichen Absicht nach, nicht das Historische, sondern das Dogmatisch-
didaktische überwiegend; schon die gar nicht durchgehend historische
Folge spricht dafür. Das Epische oder Dramatische ist mithin in den Dar-
stellungen nicht rein zur Erscheinung gekommen; wir werden vielmehr
schon bei vielen von ihnen selbst zum einseitigen Nachdenken, zur Ab-
straction veranlasst, während^ es angeblich die Absicht bei Einführung
jener Gruppen hätte sein sollen, gerade sie zu Ruhepunkten für den Ge-
danken (und für das aus dem Gedanken hervorquellende Gefühl) hinzu-
stellen. Wäre . dies Letztere mit Entschiedenheit beobachtet und durch-
geführt, so wäre in dem grossen Ganzen, auch schon in ausschliesslich
geistiger Beziehung, ohne Zweifel eine ungleich mächtigere und nachhal-
tigere Totalwirkung erreicht worden. Es kommt hinzu, dass der erläu-
ternde Text zwar versichert, zwischen der einzelnen Gruppe und den

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

zunächst daran angrenzenden Darstellungen sei jedesmal der innigste gei-
stige Znsammenhang da, dass wir denselben aber keineswegs so klar vor
uns sehfen und ihn gelegentlich nur in fast zufälligen Anspielungen finden,
gelegentlich aber auch sehr entschieden vermissen. Sie haben eben für
den Gedankengang des Ganzen, wie so vieles Andre dieser reichen bild-
lichen Cyklen, etwas Zufälliges, Unbestimmtes.

Ich würde Ihnen nicht diese lange Auseinandersetzung des Inhaltes
der Darstellungen vorgetragen haben, wäre nicht, wie bemerkt, von andern
Seiten und namentlich auch von dem Meister selbst, schon in diesem Be-
reiche der Ideen, die sie entwickeln sollen, ein eigenthümlicher Vorzug
gesucht worden. Ich mu,ss sogar gestehen, ich halte das ganze Princip
für misslich und bedenklich. Die Kunst kann am Ende doch nur That-
sächliches darstellen, und es wird einzig darauf ankommen, ob das einzelne
Thatsächliche so .gross gefasst und die Folgereihe desselben so folgerichtig
ist, dass sich uns darin unwillkürlich das Gesetz einer höheren Weltord-
nung darlegt. Ich kann, wenn ich nach alledem doch mein Haupt vor der
Meisterschaft dieser Compositionen beuge, auf sie auch nur das beliebte
Parceque und Quoique anwenden; sie haben ihre künstlerische Bedeutung,
nicht weil sie, sondern obgleich sie als eine philosophische Doctor-Dis-
sertation gelten sollen.

Blicken wir nun näher auf das eigentlich Künstlerische dieser Ent-
würfe, so ist es M'ahrhaft wunderwürdig^ wie dieselbe Hand, die in den
vorhin besprochenen Entwürfen zum Tasso sich in willkürlichem Wider-
spruch gegen alle natürlichen Gesetze und Bedingungen bewegte , hier
durchgängig von derjenigen Ehrfurcht für Natur und Leben und den wei-
ten Umkreis ihrer Erscheinungen beseelt erscheint, ohne die alles künst-
lerische Wollen nichtig ist, und wie hier (z. B. gerade in den Gewandungen)
diejenige Höhe eines reinen und freien Styles erreicht ist, durch die Natur
und Leben, gleich fern von willkürlicher Zerfahrenheit und von willkür-
licher Strenge, in maassvoll harmonischer Weise gehoben und geläutert
erscheinen, — soweit dies eben bei solchen, verhältnissmässig kleinen
Umrissdarstellungen anzudeuten ist. Nur zufällige Einzelheiten lassen ein
augenblickliches Vergessen der natürlichen Bedingnisse erkennen, wie
z. B. in der allzu langen Figur der heil. Jungfrau auf der Darstellung der
Anbetung der Könige, die überhaupt wohl die am wenigsten gelungene
Composition ist; oder wie in der ganz unmöglichen Lage des jungen Hir-
ten auf dem Pfingstbilde, unterwärts in der Mitte der Stufen, oder in der
Lage einer der „thörichten Jungfrauen", die wie auf elastischen Polstern
schwebend gestreckt ist und in der That doch auf der sehrl harten Kante
einer Steinstufe liegt. Je mehr man sich in den plastiscljen Khythmns der
Composition, in die energische und ausdrucksvolle Lösung der jedesma-
ligen Aufgabe hineinsieht, um so mehr lernt man dergleichen übersehen,
um so vertrauter wird man mit der allerdings eigeuthümlichen Formen-
sprache, die Cornelius ebenso wie jeder andre selbstschaffende Künstler
besitzt. Es ist schwer, über diese Vorzüge'der Entwürfe, eben weil sie
dem Eigensten der Kunst (im Gegensatz gegen etwaige poetische oder phi-
losophische Liebhabereien der Kunst) angehören, anschaulich, mit Worten
zu sprechen. So sind zunächst die Scenen der biblischen Geschichte
durchweg von derjenigen vollen und grossen Realität getragen, die allein
das Ideelle zum Ausdruck bringen kann. Die wirksamste Frische, Bedeu-
tung und Originalität scheint mir besonders in den Bildern der ersten

L »»

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Berliner Briefe. 655

Seitenwand, denen der Apostelgeschichte, enthalten. Die Darstellung des
Pfingstfestes baut sich hier in prächtiger Majestät, wie ein voller Orato-
rienhymnus, empor; das Martyrthura des Stephanns, die Bekehrung Pauli
(leider.nur mit Ausnahme des sehr verzeichneten Pferdes), die Erweckung
der Tobitha durch Petrus, die Bekehrung des äthiopischen Kämmerers
durch Philippus — das Letztere originell, aber ungesucht wie ein Triumph-
zug cömponirt, mit dem die neue Lehre des Heils zu den Völkern der
Erde hinauszieht — alles dies und Andres sind Erfindungen von höchster
Bedeutung. Noch entschiednere Originalität, weil seltner gesuchte Gegen-
stände behandelnd und zugleich gewissen Eigenthömlichkeiten in dem
Charakter des Meisters so ganz entsprechend, zeigen die apokalyptischen
Darstellungen auf der zweiten Seitenwand. Ist hier das Bild der Aufer-
stehung des Fleisches vielleicht nicht ganz befriedigend, weil der unge-
heure Vorgang durch das absichtliche Hervorheben persönlicher Beziehungen
zu sehr in den Kreis der privaten Einzelinteressen gezogen erscheint, so
zeigt sich das Bild der neuen Jerusalem von eigenthiimlich festlicher
Pracht erfüllt, erscheint das der gestürzten Babel voll schmetternd gross-
artigen Ernstes und entwickelt sich in dem •<3er vier Todesreifer ein
dämonisch machtvolles Entsetzen, wie ich Aehnliches der Art in der Kunst
bisher nirgend gesehen zu haben nleine. Es ist hier in Wahrheit eine
Vision des Furchtbarsten, die dennoch das Maass nicht überschreitet, auf
das Papier gebannt. Den höchsten Preis aber möchte ich den Gruppen
der acht Seligkeiten, wenigstens der Mehrzahl von ihnen, geben. Mit
lebhaftester, ächtest künstlerischer Empfindung ist hier für den jedesma-
ligen Begriff die völlig zusagende Form, der völlig treffende Ausdruck
gefunden. Wie wundersam rührend sitzt in der ersten dieser Gruppen,
den „Armen im-Geist", das Weib da, das nach der Art solcher, die Al-
mosen zu empfangen gewohnt sind, die Hände im Schooss gegen einander
legt, aber das Haupt nach oben wendet, von wo ihr das Almosen kommen
wird! Wie ist jene, die „hungert uncl dürstet nach Gerechtigkeit," mit
ihren beiden Kindern ähnlich gewandt, aber soviel inniger, bewegter^ hin-
gebender, zuversichtlicher! Wie ist die Seligkeit der Barmherzigen, die
der Friedfertigen, die derjenigen, welche um Gerechtigkeit willen verfolgt
werden, ebenfalls so schön und- gross und würdig verkörpert! Gewiss,
diese Darstellungen werden.für ihren Zweck feststehende Typen werden,
ebenso wie die Schöpfungen andrer grosser Meister in die künstlerische
Formensprache als gesetzlich feste Normen eingetragen sind.

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Aber noch eins muss ich hinzufügen, — ich habe Hinen schon zu

Vieles, was ich lange still mit mir herumgetragen, offenherzig vorgelegt,
als dass ich mein Glaubensbekenntniss über den merltwürdigen Meister,
soweit es sich um seine neusten Leistungen handelt, nicht völlig ab-
schliessen sollte. Die Entwürfe bestehen aus Umrisszeichnungen, mit
vollständiger Angabe der Motive, in der Umrisslinie, ohne irgend welchd
Schattenaudeutung. Cornelius hat offenbar, für den ersteö Moment wenig-
stens,« keine Nothweridigkeit gefühlt, weiter zu gehen, er hat die Darstel-
lungen nach diesen linearen Gesetzen concipirt, ja, sehen wir näher zu,
so überzeugen wir uns, dass überhaupt kein weiteres Bedürfniss vorliegt, , ./

dass nichts unverständlich bleibt und vielmehr die architektonische Rhyth-
mik des Baues der Compositione;» in diesen linearen Umzeichnungen durch-
aus vollendet ist. Es sind nicht Skizzen, es sind in ihrer Art
abgeschlossene Kunstwerke. Zu einem Kunstwerk lässt sich aber

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W

I G56 Berichte, Kritiken, Erörteningen,

|[i% so wenig hinzuthnn, wie davon hinwegnehmen. Ich habe also die begrün-

' dete Ueberzeugung, dass die weitere Ausführung dieser Entwürfe im grossen

t Maassstabe ihnen nicht zum Vortheil gereichen wird. „Weiter ausbilden

I I lässt sich dieses oder jenes Motiv natürlich , sofern dabei nur das Gesetz

der natürlichen Organisation gleichmässig festgehalten wird; wo aber ein
bestimmtes rhythmisches Gesetz, wie hier das lineare, abgeschlossen und
also ausschliesslich vorliegt, da können andre rhythmische Gesetze,
wie das der Modellirung in Schatten und Licht und das der Farbengebung,
nur zur Störung der Gesammtharmonie hereingeführt werden, es mtlsste
denn, was mir aber ziemlich bedenklich erscheint, der eigentliche Com-
positionsprocess noch einmal begonnen werden. Auch hat der Erfolg diese
meine Ansicht bereits bestätigt. Sie wissen, ich habe zwar eine alte An-
tipathie gegen den Besuch der Künstlerateliers; man ist da niemals frei
und unbefangen im Urtheil, man fühlt, dass man einer noch privaten Thä-
tigkeit gegenübersteht, bei der es sich überhaupt nicht ziemt,' zu urthei-
len, und ist man dazu dennoch getrieben und behält man, wie billig, das
Urtheil bei sich, so ist das ein unbehagliches Gefühl, dem ich mich am
liebsten eben gar nicht aussetze. Ich vermeide dergleichen also soviel ich
kann; dennoch konnte ich nicht umhin, meinem enthusiastischen Freunde
zu folgen, der mich in Cornelius' Atelier mitzog, als dieser den ersten
grossen Carton zu diesen Compositiouen, und zwar den zu der Darstellung
der vier Reiter der Offenbarung, vollendet hatte. Gewiss war iu dieser
grossen Arbeit Vieles mehr spezialisirt, Vieles energischer durchgeführt
als in dem kleinen Entwurf, doch war der Eindruck für mich keineswegs
so erfreulich. Das in dem letzteren Enthaltene hatte vollständig hinge-
reicht, meine Phantasie mächtig anzuregen, die derbere Gegenständlich-
keit der grossen Gestalten erreichte diese Wirkung nicht. Die Gesammt-
harmonie war beeinträchtigt, manches verändert, wohl der volleren Realität
zu Liebe, ohne doch die schlagende Kraft des wahrhaft Realen zu errei-
chen, ja, bei längerem Hinsehen traten mir aufs Neue so manche Wider-
sprüche gegen das organische Gesetz der Natur und der Erscheinung
entgegen, dass mir die Erinnerung an die Tasso-Compositionen einiger-
maassen lebendig ward und ich froh war, als mein Enthusiast mich entliess.

III.

1

Wir haben noch einen Punkt in Berlin zu besuchen, der uns man-
cherlei Einblicke in hiesiges und beiläufig auch in auswärtiges künstle-
risches Treiben, in Wollen, Streben, Stimmung eines guten Theiles der
heutigen Kunst zu geben vermag. Wir werden dort eine Menge künstleri-
scher Kräfte versammelt finden und uns im weiteren Umfange klar machen
können, ob und was darunter'eine wirklich verlässliche Kraft ist. Aber
eilen Sie, mein Freund, eilen Sie: der Schluss der grossen akademischen
Kunstausstellung — denn dahin will ich Sie führen — ist vor der Thür,
und es giebt dort Vieles zu sehen. Es ist die gewöhnliche Ausstellung,
nur diesmal, statt die sonst übliche Herbstzeit zu beobachten, in den Früh-
ling verlegt. Ich weiss nicht, ob man, vorfühlenden Sinnes,'die Ausstel-
lung absichtlich zur Begrüssung all der Dinge angeordnet haben mag, die

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. .1,m. JI.|Hgl|llill 11.1! I^^^wpipilip

Berliner Briefe. 657

uns der Frühling dieses Jahres bringen^ sollte. Wüssten wir lui'v, dass mit
dem Schluss der Ausstellung und des Frühlings auch diese Bescheerung
beendet wäre! und stünde uns nicht vielleicht noch ein heisser Sommer
und ein kalter Winter bevor!

Lassen Sie uns die Linden entlang gehen. Die Bäume, unter denen
Sie hier und dort bewegte Volkshaufen gewahr werden, blühen ruhig fort,
wie sie es schon seit langen Jahren gethan. Auch dies alte Akademiege-
bäiide befindet sich noch in derselben etwas rqinenhaften Verfassung, wie
schon damals, als wir es dilettantistischen Muthes wagten, uns unter die
Kunstschüler zu mischen.' Es liegt aber doch eine historische Bedeutung
in diesem ruiaenhaften Zustande. Sie wissen: König Friedrich II. hatte
hier seine Mauleselställe, über denen zuerst der Akademie einige Lokali-
täten eingeräumt wurden. Als man hernach an dei-selben Stelle ein eignes
Gebäude für die letztere, ohne weitere Berücksichtigung der Maulesel,
baute, versäumte man es, den Grund für die Fundamente völlig zu reini-
gen; die neuen Fundamente wurden von den Residuen der Feuchtigkeit,
welche die früheren Inhaber zurückgelassen hatten, ergriffen und solcher-
gestalt der Keim des Verderbens in das Gebäude gelegt, dem kein Kalk-
anwurf abzuhelfen vermag. Doch aber müssen wir es einstweilen gelten
lassen, dass diese wüste Beschaffenheit des Mauerwerks an die grosse Zelt
Friedrichs II. erinnert, obschon es allerdings im sehr dringenden Interesse
der heutigen Zeit — ich meine die künstlerischen Interessen derselben —
sein mag, ein neues Gebäude über neuen und gereinigten Fundamenten
zu errichten.

Die jungen Männer mit schwarzem Federhut, leichtem Bart und blan-
ker Muskete, welche den Eingang bewachen und in der dorischen Halle
des Flurs gelagert sind, gehören unserm fliegenden Künstlercorps an , das,
wie andre fliegende Corps, neben der Bürgerwehr den Zweck hat, für die
Sicherheit unsrer Residenz zu sorgen. Schreiten wir muthig hindurch, die
breite Steintreppe empor, deren Nischen oben in eigenthümlicher Auswahl
mit der mediceischen Venus,, König Friedrich L in sonderbar idealer Er-
scheinung (z. B. mit Hosen,' die bis an die Waden reichen) und König
Friedrich Wilhelm IL in historischer Tracht, — die letztere Statue bron-
zirt und in kolossaler Grösse, geschmückt sind. Es dürfte sich schon der
Mühe verlohnen, das bei dieser Zusammenstellung befolgte Princip zu-ent-
räthseln; für heut haben wir aber keine Zeit dazu. Noch wenig Schritte,
und die Säle, die sich in schier unermesslicher Ausdehnung hinziehen,
nehmen uns auf, uns auf allen Seilen den Glanz ihrer frischen Farben,
den funkelnden Schimmer ihrer Goldrahmen darbietend. Es ist, als ob
einem ganzen Volke ein glänzendes Fest bereitet sei. Aber das Volk ist
aussen geblieben.' Wir haben bei Betrachtung dieser Schätze wenig Stö-
rung zu befürchten. Die armen Künstler, denen solche Aufstellung ihrer
Werke zugleich als Markt dienen soll, werden von den leeren Räumen so
wenig erbaut sein, wie-Kaufmannsstand und Gewerbe von der diesjäh-
rigen Leipziger Messe.

Unser Besuch mag vor der Hand nur dem Allgemeinen gelten. Es ist
wohlgethan, zu Anfang scheinbar zwecklos durch die Säle zu schweifen
und, ohne auf Einzelnes näher einzugehen, nur denjenigen Eindruck
festzuhalten, den das Auge u;iwillkürlich empfängt und festhält. Gegen
den Prunk der Goldrahmen, mit dem die neuere Kunst einen oft sehr

Kurier, Kleine Schritlen. III. . " 42

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

übei-fldssigeii und für das einzelne Bild zuweilen verderbliclien Luxus treil)t,
werden wir bald gleichgültig; das Auge gewöhnt sich leicht, auf die Wij-kung,
die die Farben an sicli hervorbringen, zu achten. Mir ist es . immer, und
gerade wenn ich midi scheinbar passiv gegen die Bilder der Ausstellung
verhalte, als ob die Farben der wahren, meisterhaften Malerei, auch wenn
von leuchtenden, glänzenden Tönen durchaus nicht die Rede ist, in mei-
nem Auge mit der Kraft ächter Edelsteine widerglänzen, während mich
die ülirigen gemeinhin wie bölimische Steine oder gefärbtes Glas bedünken
wollen. Es ist in der Technik des Meisters, und schon in der nur erst
äusserlichen Wirkung derselben, eine positive Gewalt, die uns von selbst
zu dem Gehaltreichen hinzieht. Geben Sie Acht auf diesen ersten, noch
rein sinnlichen Eindruck: Sie werden schon dadurch wahrnehmen, dass es
an solchen Meisterwerken keineswegs fehlt,, wenn dergleichen, wie natür-
lich, auch stets nur in verhältnissmässig geringer Zahl vorhanden ist.
Abgesehen aber von dieser, allerdings schon ziemlich strengen Probe wer-
den Sie bei der aligemeinen Uebersicht bemerken, dass überhaupt viel
gesunder Sinn, viel frische Natürlichkeit vorhanden ist, was die erste
Grundlage zu allem wahren künstlerischen Schaffen ist und woraus sich
wenigstens künstlerische Meisterschaft entwickeln kann. Besonders werden
Sie dies im Fache der Landschaft bemerken. Dass uns gleichzeitig auch
eine Masse von Halbem, Mattem, Verkehrtem, selbst Frechem entgegen-
tritt, darf Sie nicht befremden, Mit der Censur- und Redefreiheit scheint
diesmal bei uns auch absolute Ausstellungsfreiheit eingekehrt und die
sogenannte Todtenkammer,
avo die Ausstellungscommission diesen Trödel
sonst zusammensperrte, gänzlich aufgehoben zu sein. Und am Ende ist es
auch so das Beste; wir wollen doch eben wissen, wie es mit unsrer Ge-
sammtkunst beschaffen ist. .

,, Wenn Sie von dem ersten Besuch der Ausstellung erschöpft sind, will
ich Sie in das der Akademie gegenüber gelegene Kranzler'sche Lokal füh-
ren, wo Sie sich au vortrefflichem Eise erfrischen mögen. Sie erlauben mir,
dass ich Ihnen dort, als zweckmässiges Zubrod, einige statistische Notizen
vortrage, die ich mir aus: dem Ausstellungskatalog ausgezogen habe und
deren möglichst baldige Mittheilung mir auf der Seele brennt. Sie wis-
sen: ich bin in solchen Dingen ein alter Pedant; ich^^präparire mich vor
jedem Reiseantritt sorgfältigst aus den geographischen Handltüchern über
Terrainbeschaffenheit und Ausdehnung des Landes, über Zahl, Beschäf-
tigung, Sitte der Einwohner, über Eisenbahnen und Dampfschiffe, Sehens-
würdigkeiten, Gasthäuser u. s. w. Ich vermeine dann am besten zu wissen,
an welcher Stelle und nach welchen Beziehungen ich jedesmal meine Be-
merkungen und Ansichten einzuschieben habe. Lassen Sie den Katalog
uns diesmal statt Reisehandbuches dienen ; so zuverlässig wie jene wird
er ohne Zweifel schon sein, wenn auch manch ein Bild, das er aufführt,
nicht erschienen ist und manch eins auf der Ausstellung sich findet, das
der Katalog nicht enthält. Sind die aus ihm zu entnehmenden Zahlen-
verhältnisse auch nicht ganz genau die der Ausstellung, so werden sie
im Allgemeinen doch gewiss nur wenig davon abweichen.

Der Katalog enthält im Ganzen 1733 Nummern, wobei aber nicht gar
selten mehrere Kunstgegenstände unter einer Nummer aufgeführt sind. An
Gemälden und Zeichnungen sind 1370 Nummern vorhanden; in ihnen also
besteht die bei weitem überwiegende Masse des Ausgestellten. Nehmen
wir davon gegen 100 Stücke, als den weniger cultivirten Gattungen der

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Berliiiw Briefe. 1511' J

Malerei gehörig,, ab, so scheidet sich die übrige Masse in drei nicht be-
deutend verschiedene Drittheile, je nach den drei grossen Gattungen der
Bildnissmalerei (420 Nummern), der %ürlichen Composition (409 Num-
mern) und der Lan'dschaftsraalerei, mit Einschluss der Marine- und Archi-
lekturmalerei (443 Nummern). An Thierstücken sind 22 vorhanden; an
Stillleben, besonders Frucht- und Blunienstücken, 46; an Arabesken-Com-
positionen 30. — Nach Abzug der Bildnisse, welche natürlich durchweg
auf Bestellung gemalt sind, bleiben 950 Gemälde, die mehr oder weniger
als der freien Entwickelung der Phantasie angehiirig zu bezeichnen sind.
Von diesen sind 547 ausdrücklich als verkäufliche Bilder bezeichnet; es
sind ihrer aber ohne Zweifel beträchtlich mehr, — die hieutige Nothzeit
wird ihre Zahl leider nicht in umfassender Weise verringert haben. Bei
vielen Bildern sind die Besitzer angegeben. Als im Besitze des Königs
befindlich ist nur.die Zahl von 22 Gemälden bezeichnet; 23 sind als Ver-
einen oder städtischen Gallerien zugehörig benannt; für den preussischen
Kunstverein sind die diesjährigen Ankäufe im Laufe der Ausstellung nach-
träglich gemacht. — Die 1370 Gemälde und Zeichnungen sind von 459
Künstlern geliefert. 296 davon haben ihren Wohnsitz in Berlin und Pots-
dam, 93 in andern Städten des preussischen Staates, wobei Düsseldorf mit
71 und Königsberg mit 6 Malern betheiligt ist. 20 Maler gehören dem
übrigen Deutschland an. 49 Maler endlich haben ihre Sachen aus dem
Auslande eingesandt und zwar 16 (zumeist Deutsche) aus Rom, 12 (unter
denen ebenfalls Deutsche) aus Paris und Versailles, 2 aus London, 13 aus
Belgien, 5 aus Holland, 1 aus Polen.— Das Fach der Kupferstiche, Holz-
schnitte, Lithographieen und für den Stich bestimmten Zeichnungen zählt
157 Nummern, von 50 Künstlern, fast ohne Ausnahme Berlinern, herrüh-
rend. — An Bildwerken ist die geringe Zahl von nur 148 Nummern vor-
handen. 19 Nummern hievon sind Medaillen und Siegelabdrücke (zum
Theil in nicht unbedeutender Folge unter einer Nummer), 6 sind Erzgüsse
nach anderweitigen Originalen. So bleiben-123 Nummern für Büsten, Sta-
tuen, Gruppen, Reliefs, Thierstücke, Ürnamentistisches — in Gyps, Mar-
mor oder Erz (originale Composition), zugleich mit Einschluss noch eini-
ger Arbeiten, welche schon der eigentlichen Kunstindustrie angehören.
42 Künstler, fast sämmtlich wiederum Berliner und 5 Kunstanstalten haben
diese Arbeiten geliefert.' — Die ausschliesslich sogenannte Kunstindustrip,
Schnitzwerko in Kork, Mosaiken, Glaspasten, Galvanoplastisches, nach-
geahmte antike Gefässe etc. zählt.30 Nummern, die von 7 Künstlern ein-
geliefert siiid. — Das stets sehr gering vertretene Fach der architektoni-
schen Compositionen endlich besteht nur aus 28 Nummern, von 5 Künstlern
herrührend. — Ich holfe, Sie werden die Sorgfalt anzuerkennen wissen, die
ich für diese Berechnung aufgewandt habe, und mir nach der erforderlichen
kalkulatorischen Prüfung freundlichst Decharge ertheilen.

Wir wenden uns nunmehr wieder zur Ausstellung selbst, un'd zwar
zunächst zur Betraclitung der Gemälde und Zeichnungen. Wir haben e.s
hiebei, wie sich aus dem Vorstehenden ergiebt, vorzugsweise mit figür-
lichen Compositionen, d. h. mit sogenanhter Historien- und Genremalerei,
und mit landschaftlichen Stücken" zu thun, welche letzteren, was schon
auf den früheren Ausstellungen der Fail war und was nicht ohne charak-
teristische Bedeutung für die g(^ammte Kunstrichtung unserer Zeit, wenig-
stens der norddeutschen Kunst sein wird, die grössere Mehrzahl ausmachen.
Die Bildnisse werden wir, bis auf wenige vorzüglich ausgezeichnete Lei-

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stungen, ganz unbeachtet lassen können, da sie, wie es in äer Natur dei
Sache liegt, im Ganzen weniger der Kunst als dem künstlerischen Gewerbe
angehören. Doch will ich wenigstens beiläufig bemerken, dass sich in die-
sem Fache, neben vielem Mittelmässigen, doch auch viel gutes Handwerk
zeigt. — Es sind fast ausschliesslich Arbeiten von Malern, die in den ver-
schiedenen Gegenden des preussischen Staates ansässig sind, vorzugsweise
von Berlinern und Düsseldorfern, indem auch die übrigen sich den Rich-
tungen dieser beiden Hauptpunkte anschliessen. Die Differenz zwischen
den Berlinern und Düsseldorfern ist nicht so bedeuteud, wie es die Zahlen
(296 und 71) vermuthen lassen möchten, da begreiflicherweise das Mittel-
massige und Schlechte am Ort selbst viel leichter Zugang finden musste,
als bei 70 bis 80 Meilen Entfernung; das Werthlose, das wir gern über-
gehen, ist also bei der grossen Zahl der ersteren in Abzug zu bringen.
Leider fehlen dabei manche ausgezeichnete Namen. Rosenfelder, der vor
einigen Jahren von Berlin nach Königsberg ging, als Director der dorti-
gen neuen Kunstakademie, hat nichts eingesandt; Sohn in Düsseldorf des-
gleichen, und ebensowenig J. Hübner und Bendemann, die sich seit einigen
Jahren von Düsseldorf nach Dresden übergesiedelt haben. Die ausser-
preussischen Künstler Deutschlands kommen wenig in Betracht; besonders
sind nur einige Münchner Maler zu nennen, doch findet sich unter ihnen
kein Name, der den grösseren Meistern der Schule von München ange-
hörte (auch nicht Kaulbach's, der doch seit dem vorigen Jahre wenigstens
für die Sommerzeiten unser Mitbürger geworden ist). Um so wichtiger
dagegen sind die, wenn der Zahl nach auch nur geringen Beispiele fran-
zösischer und niederländischer Kunst, welche die Ausstellung enthält;
selbst zum Theil sehr schätzbar, können sie zugleich dazu dienen, uns
durcli den Gegensatz die Bedeutung des Heimischen klarer zu machen.

Einstweilen indess. wollen wir die von Ausländern eingesandten Male-
reien unberücksichtigt lassen und uns zu den Arbeiten deutscher Malerund
zwar zunächst zu denen der figürlichen Darstellung wenden.

Die Berliner Malerei zeigt in den hieher gehörigen Fächern sehr ver-
schiedenartige und ziemlich unvermittelt nebeneinander hinlaufende Rich-
tungen. Dies darf uns nicht befremden, da eine höhere Gemeinsamkeit
der Richtungen nur entstehen kann, wenn die Kunst wirklich für das Ge-
meinsame, d. h. für volksthümliche Zwecke, thätig gewesen ist. Hieran
aber hat es in Berlin, zumal in Betreff der Malerei, seither gefehlt; die
Schuld liegt also nicht auf Seiten der Kunst. Wir können nur das wich-
tigere Einzelne in seiner einzelnen Besonderheit betrachten. So bemerken
wir zunächst, als ein gewiss merkwürdiges Phänomen, einige Arbeiten von
einem, fast möchte ich sagen: urweltlichen Charakter, Werke altakademi-
schen Styles und Gefüges, an denen alle Wandlungen dieses Jahrhunderts
wirkungslos vorübergegangen sind, Petrefakten, die immerhin als natur-
historische Seltenheiten gelten können. Ein etwas jüngeres Datum, ihrem
geistigen Ursprünge nach, haben die Arbeiten von Kolbe. Gewiss ent-
sinnen Sie sich noch der schönen alten Zeit, da Kolbe in der Kunst der
Romantiker des Nordens war, wie Fouquö in der Poesie; ja, er muss sei-
nen Ruhm schon vor dem Dichter erworben haben, denn ich weiss, dass
Fouqud hoch erfreut gewesen ist, als sein Sigurd mit einem Holzschnitt
nach einer Zeichnung des berühmten Kolbe versehen'ward. Und welche
Jahre liegen dazwischen und zwischen der späteren Zeit, da Hoffmann
seine Novellen zu Kolbe'schen Bildern schrieb! Kolbe hatte in seiner Art

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

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Berliiiw Briefe. 1513' J

zu malen fortgefahren und die Bilder anderer Richtung waren statt der
seinigen in,den Vorgrund getreten. Da erweckte es plötzlich, vor ein Paar
Jahren, das höchste Aufsehen unter den hiesigen Kunstfreunden, als er
unerwartet in erneuter J\igend auftrat und seine Bilder, ohne seine eigen-
thümliche Richtung zu verlassen, doch zugleich — um das Stichwort der
Zeit zu gebrauchen — an allen .„Errungenschaften'' der neueren Behand-
lungsweise Theil nahmen. Es hat aber nicht angedauert; wenigstens be-
wegen sich seine diesmaligen Leistungen, kleinere Skizzen und ein grös-
seres Bild für das Jagdschloss zu Putbus auf der Insel Rügen, eine Scene
aus der Einführung des Christenthums in Rügen darstellend, im Wesent-
lichen wieder auf der alten, etwas ausgetretenen Fouqu^'schen Bahn. Doch
zeigt eine Anzahl von Cartons, die der Katalog nicht mit anführt, Pilaster-
dekorationen mit Darstellungen aus den Nibelungen, die immer noch höchst
lebendige Rüstigkeit des Künstlers. — An Kolbe schliesse ich A. Eybel
an, der, wenn ich nicht irre, sein ehemaliger Schüler ist. Eybel hatte
auf der vorigen Ausstellung grosse Erwartungen hervorgerufen, als er ganz
aus freiem Antriebe ein grosses historisches Bild, eine Scene der Schlacht
von Fehrbellin, gemalt hatte. "Vielleicht hätte er, in dieser Richtung
fortfahrend, noch Bedeutenderes leisten können; vielleicht enthielt das
Bild, mit dem er diesmal aufgetreten ist. nur wenig, was seinem eigen-
thümlichen Streben zusagte. Genug, Seitenstück, das er zu dem grös-
sern Kolbe'schen Bilde, ebenfalls für Putbus, geliefert hat, erscheint im
Ganzen zieinlich trocken und unlebendig. Nur einzelne Köpfe lassen es
erkennen, dass wir es dabei mit einem höhereu Talente zu thun haben.
Hollen wir, dass ihm bald Gelegenheit gegeben werde, sich wieder in
seiner vollen Kraft zu bethätigen!

Der anerkannteste Meister unter den hiesigen Historienmalern ist
Begas. Von ihih gilt es am wenigsten, was mich zu den eben gemach-
ten Bemerkungen veranlasste, das hartnäckige Festhalten an einer be-
stimmten Richtung oder Theorie. Begas ist fortwährend strebsam, fort-
während nach erneuter Entwickelung begierig, von dichterischen Anklän-
gen bewegt und zugleich mit gespanntem Gefühle den malerischen Wir-
kungen lauschend. Aus seinen Werken spricht ein Künstler zu uns, dessen
Inneres fein organisirt, mit eigenthümlicher Sensibilität versehen sein muss.
Ich hätte es wohl gewünscht, dass ihm zugleich von aussen her ein voller
Beruf, eine Bahn des künstlerischen Wirkens, die gerade ihn in bestimm-
ter Richtung festgehalten hätte, zu Theil geworden wäre. Ich habe seine
Leistungen stets mit lebhafter Theilnahme verfolgt und daher darf ich es
aussprechen: ich fürchte, er sucht zu viel; er .sucht das Geheimniss.der
Kunst hüben und drüben und rechts und links, und' sieht es nicht, dass
er den Arm nur dreist auszustrecken braucht, die volle Frucht vom Zweige
zu pflücken. Er würde die Stetigkeit (im höchsten Sinne des Worts) be-
sitzen, die ihm immer noch fehlt; er würde der Gefahr, das Feinste seiner
Kunst in conventioneilen Stylgesetzen zu finden, ganz aus dem Wege
gehen, wenn er sich entschliesscn könnte, die Natur in der freien Naivetät
ihrer Erscheinung zu erfassen. Das ist es vielleicht, was auch bei seinem
diesmaligen grossen Bilde, Adam und Eva, die den erschlagenen Abel
erblicken, keine recht freudige Anerkennung zu Tage kommen lassen
will. Das Bild ist mit grösst^r Sorgfalt durchgearbeitet, es hat allen
Schimmer eines malerischen Helldunkels, die geistige Bedeutung des Mo-
mentes — die Erscheinung des ersten Todten vor dem Auge (1er ersten

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(iß:? l!e,richte, Kritiken. Eriattn'uiigeii.

Lebenden — hat dem Künstler ohne Zweifel klar vorgeschwebt, und
dennoch dringt die Wirkung des Bildes, auch in offner Hingebung an
dasselbe, nicht in unser Inneres. Es fehlt eben an höherer Natureinfalt,
auch wohl an Naturkraff. Adam und Eva, so sehr die Intentionen des
Malers unverkennbar sind, erscheinen unentschieden in dem innern orga-
nischen Zusammenhang ihrer Bewegungen; die Scala des malerischen Tons
für das Ganze erscheint berechnet. Bei weitem die befriedigendste Wir-
kung bringt die Gestalt des erschlagen daliegenden Abel hervor.

Wieder einen ganz entgegengesetzten Eindruck macht die Arbeit eines
jungen Künstlers, Pfan n schmid t, der noch vor Kurzem als Stipendiat
der hiesigen Akademie in Italien weilte und sich, wie es scheint, beson-
ders der Richtung der Münchner Schule, eines Cornelius, Kaulbach u. s. w.
anschliessen will. Er hat einen grossen Carton. „Noah zieht in die Arche",
zur Ausstellung gegeben. Noah und hinter ihm seine Familie, Paar für
Paar, wandeln eine Felsschlucht hinab; er hat die Hände emporgehoben,
den Zug der Thiere gewissermaassen segnend xind leitend, die, ebenfalls
Paar für Paar, vor ilimMiinschreiten und von denen die vordersten bereits
die Fallbrücke der Arche ersteigen. Oben auf dem Rande der Schlucht
sehen wir das Geschlecht der Menschen, dem das Verderben bestimmt ist.
Tanzende, Essende (auch Fressende) und Andre, welche die Patriarclien-
familie bei ihrem Zuge zur Arche verspotten. Das Ganze ist mit Sinn für
edle Form und mit feinem Stylgefühle durchgeführt; aber es macht auf uns,
wenn wir es ehrlich heraussägen, doch nur einen komischen Eindruck,
und wir werden sehr geneigt, den Spöttern Recht zu geben. Wir glauben
es nichtr dass die Leute oben so arge weltvernichtende Sünden begangen ha-
ben; wii'glauben es nicht, dass die Pietistenfamilie im Vorgrund ein neues
Menschengeschlecht zu erzeugen berufen ist; -wir glauben nicht an dieses
polizeilicli bescheidene Schreiten der Thiere, die uns allzu lebhaft an die
Thiere der Noahkasten,- mit denen wir als Kinder spielten, erinnern; wir
glaubeil nicht, dass diese nach gänzlich antinautischen Gesetzen construirte
Arche Sturm und Wellen nur auf fünf Minuten aushalten wird. Wir ver-
langen überall in der Kunst, und um so ernstlicher und entschiedener,
auf eine je höhere Stufe des Styles der Künstler sich stellt, volle Realität,
(I. h. Wahrheit; ohne das wird er uns nimmer überzeugen.

Ein andrer Stipendiat der Akademie war Julius Schräder. Er war
zu \ins mit dem grossen historischen Gemälde, eine Scene der Eroberung
von Calais durch Eduard III. , zurückgekehrt, welches er in Rom gemalt
hatte und welches denselben ungetheilten Beifall, den es dort fand und
von dem auch die Spalten Ihres Blattes widerhallten, bei uns empfing.
Wie wir uns schon früher gefreut hatten, dass ihm von der liiesigen Aka-
demie, ohne vorgängige Concurrenz und bloss auf ein vortreffliches Bild
der hiesigen Ausstellung, der grosse Preis ertheilt war, so glaubten wir
uns nach dem neueren Bilde den glänzendsten Hoffnungen für dies edle
Talent hingeben zu dürfen. Leider jedoch scheint es, dass wir uns ge-
täusclit haben. Seine diesmal ausgestellten Bilder — italienische Frauen
und Kinder in einer Vigne, und eine Bacchantin, die mit jungen Pantliern
spielt, — haben nur noch die Vorzüge virtuosenmässiger Bravour, die die
Pforte zur Manier ist; ein weibliches Brustbild hat auch diese Vorzüge
nicht mehr. Möge der junge Künstler die abschüssige Klippe erkennen,
auf der er steht! und möge er sich gürten, mit Ernst die grosse Bahn ein-
zulialten und das erhabene Ziel zu erreichen, dazu ihm, wie wenig An-

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Borliiier Briefe. (>63

deiu, uiü gütiges adricksal Beruf und Kraft gegeben ]iat! — Ein dritter
ehemaliger Stipendiat der Akademie, C. Becker, der gleichfalls aus Ita-
lien wieder heimgekehrt ist, hat uns verschiedene idyllische Bilder, theils
volksthümlichen, theils mythologisch-idealen Inhalles gebracht und mit
ihnen den erfreulichen Beweis geliefert, dass auch ein mässiges Talent
bei redlichem Streben Wohlgefälliges zu leisten vermag. . ■

Es ist ein eigen Ding mit den künstlerischen Talenten, zumal' in
neuerer Zeit. Es ist etwas unsäglich Schwankendes in ihrer Entwicke-
luDg. Mit einem Sprung erreichen sie oft das Ausgezeichnete; wir stau-
nen dieser neuen Offenbarung, und während wir noch darüber nachsinnen,
welche Folgerungen daraus für die Kunst zu entwickeln sind, verschwin-
den sie ebenso schnell dem höheren Gesichtskreise, und andre sind/iih
ihre Stelle getreten, die uns auch nicht allemal eine mehr gesicherte Bürg-
schaft geben. E. Ratti war ein Künstler, der allerdings zwar nicht mit
blendenden, aber doch mit solchen Leistungen auftrat, die immerhin be-
deutende Erfolge erwarten Hessen. Ich entsinne mich namentlich aus
ziemlich früher Zeit des Bildes eines alten üorfmusikanten, das er in ganz
allerliebster Weise aufgefasst und behandelt hatte Er hat diese Hollnun-
gen aber systematisch beseitigt. So befindet sich auf der gegenwärtigen
Ausstellung von-,ihra ein grosses Bild, Maria Magdalena am Grabe des
Herrn, das ^ille Symptome .künstlerischer Nullität an sich trägt, obgleicli
selbst über diese anspruch volle Fadheit der wehmüthige Hauch eines zwar
untergegangenen, einst aber wirklich schönen "Talentes noch immer hin-
spielt. Ein Witzling in piner hiesigen Zeitung bemerkte, das Bild habe
wenigstens den Vorzug, sofort in angemessenster Weise betrachtet zu
werden; denn da Jedermann sich nur nach dem gegenüberhängenden
grossen Bilde von Steffeck wende, so werde es stets nur mit dem
Kücken angesehen. Dies Bild von Steffeck ist in der That höchst erfreu-
lich. Steff'eck war uns schon seh einigen Jahren durch seine derben
kräftigen Genre- und namentlich durcli seine Thierbilder werth geworden;
jetzt hat er,^wieEybel auf der vorigen Ausstellung, einen liöhereu Anlauf
genommen und ein grosses historisches Bild mit fröhlicher Meisterschaft
zu Stande gebracht. Es stellttden brandenburgischen Markgrafen Albrecht
Achilles dar, der kühnen Muthes in eine feindliche Reiterschaar hinein-
gesprengt ist und ihnen, mit seiner Streitaxt gewaltige Streiche austhei-
lend, die Fahne entreisst. Es ist eben kein welthistorischer Moment, w ohl
aber ein solcher, der zu einer individuell dramatischen Durchbildung alle
Gelegenheit gab. Dies hat der Künstler vortrefflich empfunden und wie-
derzugeben gewusst. Wir fühlen uns mitten in dem lebhaften Getümmel,
wir werden von der übermüthigen Kriegslust des ritterlichen Fürsten mit
hingerissen, wir theilen die Gefahr des Augenblicks, aber wir sehen zu-
gleich, wie das Ding gekommen ist und wie es sich ohne Zweifel wenden
wird. Alles ist voll frischen, unmittelbar geschauten Lebens, so dass von
schwierigen Stellungen und Verkürzungen (denn die'sind es nur für die
halbe Kraft) überhaupt nicht die Rede sein kann; besonders in den Pfer-
den zeigt sich eine verwegene Meisterschaft. Alles Einzelne ist so greif-
lich hingestellt,^ wie das Ganze in malerischer Harmonie. Nur ist, wie es
mir scheint, ein Etwas noch im Ton, das der Künstler zu überwinden
haiL: es fehlt in der Gesammtwirkung (wenn ich mich richtig ausdrücke)
noch jene tiefere

Pastosität. i!fie d ie Existenz der Dinge wie im lufterfüll-
ten Räume doch eigentlich erst vollendet; die Malerei scheint mir hier

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604 Bericht«^, KritiTsen, Erörteruiigeü.

lialbwege doch noch wie auf der Fläche aufzuliegen.- Wer aber so viel
erreicht hat, wird, wenn er will, auch noch mehr zu erreichen wissen.

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass die Berliner Historienmalerei nur
ein Bild der Gegensätze ist; schütteln Sie also nicht den Kopf, wenn ich
Ihnen schon wieder einen neuen Gegensatz vorführe. Es sind die Arbei-
ten von A. Menzel. Sie kennen das merkwürdige und in seiner Art
einzige Talent dieses Künstlers aus den Illustrationen, die er zu Kugler's
Geschichte Friedrichs des Grossen und andern Werken geliefert hat, auch
vielleicht aus seineu Radirungen. Sie wissen, es ist eine daguerreotyp-
artige Realität in seinen Anschauungen, eine historische Tüchtigkeit in
seinen Gompositionen (wenigstens so weit sich diese in der Geschichte
des vorigen Jahrhunderts bewegen), die in solcher Art fast nicht ihres
Gleichen findet. Man war höchst gespannt, wie er sich, nach so viel
Arbeiten kleinen Maassstabes, in selbständigen, durchgeführten Bildern
zeigen würde. Die vorige Ausstellung hatte ein einfaches Genrebild in
Oel von seiner Hund gebracht, wodurch die Frage eigentlich noch unge-
löst geblieben war. Die diesjährige bringt ein Paar Oelskizzen, wovon
besonders die eine, die das Innere einer alten Kirche mit zur Predigt ver-
sammelter Gemeinde darsellt, zwar wieder seine unläugbare Genialität,
auch .für eigentliche malerische Haltung und Stimmung, bestätigt, aber
doch zu flüchtig hingeworfen ist, um Näheres über die Art und Weise
der Durchbildung dieser Genialität daraus entnehmen zu können. Ausser-
dem aber sehen wir von ihm einen sehr grossen Carton, der eine grosse
liistorische Composition, und zwar eine mittelalterliche Scene, enthält. Es
ist der festliche Einzug der Herzogin Sophia von Brabant mit ihrem Sohne
Heinrich, dem Erben der hessischen Herrschaft, in Marburg, im Jahr 1248.
Die Arbeit ist, auf Anlass des öOÜjährigen Regierungsjubiläums des hessi-
schen Hauses, im Auftrage des Kasseler Kunstvereins gefertigt. Die Her-
zogin, im Wittwenschleier, 8teht..auf dem Wagen und hält den fürstlichen
Knaben vor sich, auf der Lehne des Wagens, dem Volk entgegen; sie
fühlt durch ein Spalier von Berittenen und Fussgängern; der Bürgermei-
ster der Stadt oder sonst irgend ein Würdenträger, vornehme Herren und
Landleute mit Geschenken treten ihr entgegen, ritterliche Reiter folgen
ihrem Zuge; im Hintergrunde sieht man die im Bau begriffene Marburger
Elisabethkirche. Die Handlung erscheint, wenn man sich in den Carton hin-
einsieht, der eine etwas mehr energische Haltung haben könnte, vollkommen
lebendig und dem gewählten Momente entsprechend; alles Einzelne ist
wahr und empfunden. Und doch macht das Ganze keinen recht befriedi-
genden Eindrucki Der Grund liegt zunächst wohl in der verwunderlichen
Wahl des Standpunktes, den der Zuschauer einzunehmen genöthigt ist.
Er steht nämlich hinter dem einen Spalier und hat somit im breiten Vor-
grunde verschiedene Rückenansichten, von Pferden und Personen, die für
das Ganze und dessen Bedeutung doch allzuwenig Interesse gewähren.
Vielleicht werden Sie hier, lieber Freund, mit ihrem zweideutigen Lächeln
bemerken, das sei ja eben im höchsten Maasse die Naivetät und Realität,
nach der ich fort und fort verlange. Ich bitte um Entschuldigung: sie ist
es nicht gänzlich; ich bin vor das Bild hingetreten, um^den Einzug der
Herzogin zu sehen, den mir die Rücken eben verdecken. Dann ist hier
und da, wiederum vielleicht durch ein Uebermaass von Naivetät, eine
gewisse Seltsamkeit, in Geberden und Bewegungen sichtbar, die ebenfalls
störend wirkt. Auch glaube ich bemerken zu müssen, dass die Physio-

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Berliner Briefe. (565

gnomie des Ganzen nicht recht dem Charakter des dreizehn ten Jahrhun-
derts entspricht, wie uns die Personen desselben in ihrem äusseren Ge-
bahren, in ihrem Fühlen und Denken aus den Bildnissen auf den Grab-
steinen jener Zeit und aus den Dichtungen (namentlich den Minneliedern,
auch den derben eines Nithart) hinlänglich bekannt sind. Die hier Dar-
gestellten reichen höchstens bis' in den Anfang des sechzehnten Jahrhun-
derts zurtick; sie sind fast sämmtlich für das Jünglingshafte des dreizehnten
Jahrhunderts etwas zu poesielos; nur ein paar weibliche Köpfe im Hinter-
grunde und der eines ritterlichen Jünglings zur Rechten entsprechen be-
stimmter jener früheren Zeit, Ich bitte Sie, mich mit dieser Bemerkung nicht
misszuverstehen: ich verlange keine Frauentaschenbuch-Ritfer, wohl aber,
wenn es einmal streng historische Auffassung gilt, den specifischen Cha-
rakter der ausgewählten Zeit. — Und was also sagt uns der Carton über
dies Talent, auf dem so grosse Hoffnungen ruhen sollen? — Ich weiss es
nicht und will einstweilen mich mit dem Gedanken zu befreunden suchen,
dass der Künstler selbst seine Fehlgriffe eingesehen haben wird.

Zu den aus Italien neuerlich heimgekehrten Pensionirten der Akade-
mie gehört ferner 0. Meyer. Er hat mehrere italienische Genrebilder
ausgestellt, Scenen einfachen römischen Volkslebens, die durch die Frische
der Auffassung, welche sich von aller_sentimentalen Koketterie durchaus
fern hält, die kräftige, volle Malerei und die energische Gesammthaltung
vortheilhaft auszeichnen. Er-hat sich hierin, wie schon in früheren Bil-
dern, die wir von ihm sahen, ein Feld bereifet,, auf dem er sich mit
erfreulicher Thätigkeit bewegt. Andre unsrer Genremaler halten an an-
dern Darstellungskreisen fest. So hat uns z. B. Edm. Rabe in seiner
gewohnten ansprechenden Weise wiederum verschiedene, sorgfältig gemalte
Scenen aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges von 1813 bis 15
gebracht, Pietrowski wiederum,die Scene eines übermüthigen studenti-
schen Trinkgelages, die im Einzelntin vortrefflich behandelt und im Ganzen
nur etwas zu bunt ausgefallen ist, Kretzschmer wiederum Darstellungen
des orientalischen Volkslebens, die durch die Frische der Anschauung
ansprechen und noch höheren Werth haben würden, wenn sie mit mehr
künstlerischem Ernst behandelt wären. So fahren v. Rentzell, W.
Meyerheim (der jüngere der beiden Brüder), Hos eman n, der gewandte
Illustrator, u. A. m. fort, uns Bilder zu liefern, die immer einen angeneh-
men Zimmerschmuck abgeben w-erden, während wieder Andere, deren
Name uns bisher nicht eben aufgefallen, wie z. B. Radike, Heiden-
reich, Frieden reich u. A. m. für die Zukunft zu merken sein werden.

lu höherer Eigenthümiichkeit steht diesen Genremalern Eduard
Meyerheim, von dem die Ausstellung sechs Bilder bringt, gegenüber.
Dies ist einer derjenigen Künstler, auf die Berlin stolz zu sein alle Ur-
sache hat. Sie haben, lieber Freund, schon vor Jahren die Schritte
Meyerheim's, als er noch erst das Feld suchte, auf dem er gross sein
sollte, mit lebhafter Theilnahme verfolgt; Sie würden sich freuen, ihn
jetzt auf derjenigen meisterlichen Höhe zu erblicken, die die'fTendenzen
und Stimmungen, die künstlerischen Neigungen und Abneigungen der Zeit
hinler 'sich lässt und Werke schafft, welche gleich denen der älteren
Meister jeder Zeit gerecht sein werden. Der Kreis, in dem er sich be-
wegt, ist scheinbar klein, (^e Gegenstände, welche er darstellt, sind
scheinbar geringfügig; aber er würde es uns lehren — falls wir es nicht
eben schon anderweitig gelernt hätten — dass es in der Kunst keine

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

-wirklich kleinen oder grossen Aufgaben giebt, dass Kleinheit und Grösse
vielmehr nur in dem Künstler liegen. _ Es sind die schlichtesten Zustände
norddeutschen, zumeist bäuerlichen Volkslebens, die er uns in seinen Bil-
dern vorführt — heitres Familiendasein, wo das Spiel der Kinder den
Mittelpunkt ausmacht, Kätzchen, Hunde oder Ziegen, die sich demselben
traulich zugesellen, die kleinen Freuden, Sorgen und Kümmernisse, die
diesen einfach gezogenen Gesichtskreis bewegen — und doch weiss er uns
die innigste, herzlichste Theilnahme dafür abzugewinnen. Es ist nichts,
durchaus nichts in diesen Zuständen idealisirt; aber Meyerheim hat den
Blick für das innerste Herz des Volkslebens, für die Sittlichkeit und Un-
schuld, die dasselbe gesund und schön machen. Er verschönert nichts,
aber er ist,überall schön; er opfert keinen Hauch der volkstliümlichen
IMaivetät, aber er ist durch und durch von Grazie und Anmuth erfüllt.
Und wie die Körperbildung seiner Gestalten, so ist — was hier zwar bei-
läufig erscheint, worauf ich aber doch ein grosses Gewicht legen möchte
— auch seine Gewandung überall in edelster Form entwickelt; er hat eben
den Blick für den eigenthümlichen Adel der Natur und er schwingt sich
daher aus den scheinbar unbedeutendsten Motiven zu einer Höhe des
Styles auf, die ihr mit all euren Stylprincipien, mit all eurem gelehrten
und wohl ausgeklügelten Schematismus von Faltenwurf u. dergl. nimmer
zu erreichen im Stande seid. Er bildet seine Aufgaben mit der hinge-
hendsten, nimmer rastenden Liebe- durch, die auch den geringsten Neben-
dingen einen vollkommenen Antheil gewährt, und er erreicht es damit,
dass auch uns aus seinen Bildern dieselbe -Liebe entgegentritt und wir
uns von ihnen mit allem Zauber heimatlicher Innigkeit gefesselt füh-
len. Er versteht sich meisterhaft, und ganz besonders, wenn er das In-
nere der ländlichen Wohnungen malt, auf jenen Reiz malerischer Harmo-
nie, dem dies kleine Dasein seine voll^ Befriedigung und Geschlossenheit
verdankt. Soll ich endlich bei einem »Künstler, den ich so sehr bewun-
dere, auch noch einen Tadel aussprechen, so möchte ich nur bemerken,
dass der Ton seiner Farbe mir zumeist um ein Weniges zu kühl erscheint,
aber gerade auch nur um soviel, dass mit Zuversicht zu erwarten ist, die-
ser Mangel werde in dreissig Jahren, wenn der Firniss der Bilder sein
Recht ausgeübt hat, von selbst völlig verschwunden sein. — Meyerheim
verdankt seine Entwickelung keiner Förderung von ausserhalb, keiner
höheren Protection. Er besitzt nichts von dem Apparat ausserkünstleri-
scher poetischer Interessen und philosophischer Ideen, mit dem sich sonst
Mancher nach Möglichkeit ausrüstet. Er selbst hat mit treuem Ernst die
Gottesgabe, die ihm verliehen ward, ausgebildet, und erwird bleiben,
wenn Vieles verschollen und vergessen ist, was heut zu Tage noch als
Zeichen einer neuen, ausbündigen Offenbarung verehrt wird.

Von der Bildnissmalerei, der „milchenden Kuh^' für die Künstler,
habe ich, wie schon bemerkt, trotz der grossen Menge ihrer Leistungen,
nicht viel zu sprechen. Doch ist es nöthig, einige Bildnisse, die dem
liöheren, selbständig künstlerischen Streben der hiesigen Meister angehö-
ren, namhaft zu machen. So hat die Ausstellung, wie es seit Jahren der
Fall zu sein pflegte, verschiedene Portraits von Personen der höheren
Gesellschaft, von Fr. Krüger's Hand, in der vornehm bequemen, fass-
lichen, sprechenden Weise, die seinen Leistungen überall eigen ist. Begas
hat ein Bildniss des würdigen alten Akademiedirektors Schadow geliefert,
das durch den geistvollen, fein belebten Kopf ebenso wie durch die sorg-

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BerJiner Briefe. 667

fältig berechnete malerische Haltung von bedeutender Wirkung ist. So-
dann befindet sich von Magnus eine Reihe von Bildnissen auf der Aus-
stellung, die die vollkommene Schlichtheit der NaturaulTassung mit
gemessenster, acht künstlerischer Haltung verbinden. Magnus malt fast
nur Portraits, aber ich habe selten eins von seiner Hand gesehen, das
nicht den Namen eines wahreii Kunstwerkes verdiente.; er entwickelt da-
bei in Linien, Formen und Tönen den schönsten'Rhythmus und er er-
reicht, ohne scheinbar auf irgend einen besondern malerischen EflTekt hin-
zustreben, doch stets die klarste malerische Harmonie. Wäre er in den
Gründen noch ein wenig durchsichtiger, wäre das Incarnat auf den Wan-
gen seiner Gestalten und der in der Regel etwas kühle Schattenton des
Fleisches noch inniger verbunden, so würde ich keine Scheu tragen, diese
Bilder den vollendetsten Meisterwerken zur Seite zu stellen. Vorzüglich
gediegen war diesmal das Kniestück einer schönen Dame (der Frau eines
hiesigen Künstlers) mit ihrem Töchterchen, und das Bild eines jungen
Blumenmädchens, dies letztere voll, kräftigen strotzenden Lebens.

Ein Bild der Ausstellung liatte mich im Vorübergehen durch seine
sprechende, ob auch herzzerschneidende Wahrheit und durch seine male-
rische Kraft lebhaft' frappirt. Es stellt eine Bettlerin mit zwei Kindern
dar, von denen das eine ihr schon wie sterbend im Arme liegt, während
sie die'Hand' mit leidenschaftlicher Angst dem Beschauer bettelnd ent-
gegenstreckt. Ich war jedesmal zu sehr erschüttert, als dass ich mich
länger davor aufhalten mochte; ich glaubte, es sei von irgend einem ge-
wiegten belgischen Meister eingesandt worden. Zufällig schlug ich einmal
im Katalog nach und fand nun, dass es von einem Schüler der hiesigen
Akademie, J. Röder, gemalt sei; auch hörte ich, der Künstler sei noch
ein ganz junger Mann. Ich will die Wahl des peinigenden Gegenstandes
nicht gerade als mustergültig preisen; aber es spricht sich in der Ausfüh-
rung eine künstlerische Kraft aus,, die zu den grössten Hoffnungen be-
rechtigt. Blöge der junge Künstler mit Ernst und Treue an seinem Berufe
festhalten und möge ihm auch diejenige äussere Gunst des Geschickes zu
Theil werden, die erforderlich ist, damit er seine grosse Aufgabe unver-
kürzt zu Ende führen könne!

- Lassen Sie uns nunmehr die bedeutenden Stücke figürlicher Malerei,
die uns von unsern Düsseldorfer Freunden zugesandt sind, betrachten.
Voran steht der Direktor der Akademie, W'. v. Schadow, mit einem sehr
grossen Gemälde symbolischen Inhalts. Es stellt den Brunnen des Lebens
dar: eine Tabernakel-Architektur im mittelalterlich-italienischen Style,
oben eine Nische mit einer Relief-Sculptur, Maria mit dem Leichnam
Christi im Schoosse (ohne Zweifel als Symbol der Kirche), darunter der
Brunnen, der zweimal* in Schaalen niederfällt und nach vorn zu in das
Gras iibfliesst. Von beiden Seiten sind Personen genaht, zu schöpfen und
zu trinken. Ein neben dem Bilde befindlicher schriftlicher Anschlag be-
zeichnet die Hauptpersonen auf der rechten Seite als Kaiser Otto der
Grosse, St. Hieronymus und St. Augustinus, die auf der linken als Dante,
Mfchel Angelo, Fieso.le und Wilhelm von Aquitanien, während der Bauer
im Vorgrund, der mit seiner Familie das Wasser unmittelbar von der
Erde schöpft, etwa den Nicolaus von -der Fliie vorstellen soll, wobei zu-
gleich bemerkt wird, dass selbst der Säugling (der nemlich an der Brust
der Mutter trinkt) „schon indirekt von der göttlichen Nahrung erhalte."
Zwischen einer Reihe von Palmen, hinter dem Bau des Brunnens, blicken

Ii

Ii

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lülMWli

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

wir in die Landschaft hinaus. Das Bild ist ofl'enbar mit Liebe erfunden
und durchgeführt, es hat aber keinen Eindruck auf das hiesige Publikum
gemacht; es sei eben kein Gegenstand für die Malerei, so sagt man. Dies
muss ich vorweg ganz entschieden bestreiten; ich halte im Gegentheil den
Gegenstand für so völlig künstlerisch, wie es nur einen geben kann. Es
ist ein wundersamer Mythus. Irgendwo fliesst der Brunnen, dessen Trank
die Menschen von den Gebrechen, mit denen sie Jahre lang behaftet ge-
wesen, befreit. Sie wissen nicht, wo er fliesst, aber es ist eine Stimme
in ihrem Innern, die sie auf den Weg treibt, Hohe und Geringe, Herrscher
und Bettler, Männer der That und Männer des Gedankens, jedes Geschlecht,
jedes Alter. Und nach langer mühevoller Pilgerschaft erblicken sie das
segenvolle Wasser, und sie eilen darauf zu und schöpfen und trinken und
reichen den Ihrigen dar, und wer sich gesättigt, fühlt alsbald die wun-
dervolle Heilung, die ihm zu Theil geworden. Warum sollte das nicht
darzustellen sein, nicht in der Darstellung die schönste Wirkung hervor-
bringen? aber es musste eben dargestellt werden, wahr und lebendig, wie
es der Mythus sagt, nicht als zufälliges Symbol mit hin- und hersprin-
gendem Gedanken, der stets doch etwas Anderes will, als was die Dar-
stellung uns vor Augen bringt. Wir mussten es fühlen, wie es-diese
Personen ein Leben hindurch getrieben hat, bis sie die Quelle des Heils
gefunden; wir mussten statt des conventiOnellen sakramentlichen Anstan-
des, den wir in solcher Situation nimmer zu begreifen vermögen, beredte
sinnliche Begeisterung vor uns sehen; wir mussten nicht Einen und noch
Einen und wieder Einen in dieser und jener Geberde als Repräsentanten
des so und so modificirten (und am Ende doch nur ziemlich willkürlich
modificirten) Gedankens zusammengestellt erblicken, sondern eben ein
Ganzes, ein künstlerisch bewegtes Ganzes. Es sind, wie der Name^v. Scha-
dow's nicht anders erwarten lässt, ganz gute Einzelheiten in dem Bilde,
aber sie kommen nicht zur Geltung, eben weil es an der künstlerischen
Gesammtvvirkung, an der wahren Intuition von Seiten des Künstlers fehlt;
ja, ich bin sogar überzeugt, dass eine gewisse Trockenheit in Ton und
Vortrag einer ungleich belebteren Behandlung gewichen wäre, hätte der
Künstler auf dem Grunde solcher unmittelbaren gegenständlichen Anschau-
ung gearbeitet. Das Bild ist wieder ein Beweis, und leider wieder ein
negativer, dass in der Kunst nur Realität, nur Gegenständlichkeit, nur
wirkliche Wahrheit zum Heile führen kann.

Von Th. Hildebrandt ist ein Gemälde ausgestellt, das sich auf den
Shakespeare'schen Othello bezieht. Es ist ein Bild in länglichem Format,
die Gestalten bis zum Knie sichtbar. Brabantio, der venetianische Sena-
tor, sitzt mit seiner Tochter Desdemona auf einem Divan; ihnen gegen-
über Othello,'der kriegerische Mohr, der mit lebhafter Geberde erzählt
und dem sie zuhören. Ein Knabe mit Gläsern und Erfrischungen steht
hinter ihnen und horcht mit offnem Munde. Sie befinden sich in einer
olFnen Halle, die hinterwärts durch eine Gardine halb geschlossen ist, so
dass ein leichtes Helldunkel sich um die Gestalten breitet. Hildebrandt
hat augenscheinlich das Aufgehen der Liebe zwischen Desdemona und
Oth'ello darstellen wollen und scheint dazu besonders durch die Schilde-
rung, die der letztere in dem Shakespeare'schen Stücke hievon vor dem
Herzoge ablegt, veranlasst worden zu sein. Othello erzählt, wie Brabantio
ihn oft eingeladen und sich über all die merkwürdigen Abenteuer seines
Lebens habe berichten lassen ;

068

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Berliner Briefe. 6C9

Das zu hören,
War Desdomona eifrig stets geneigt:

Oft aber rief ein Hausgeschäft sie ab; ;

Und immer, wenn sie eiligst dies vollbracht, •

Gleich kam sie wieder, und mit dürsfgom Ohr • j

Verschlang sie meine Rede. Dies bemerkend,
Ersah ich einst die günst'ge Stand' und gab

liir Anlass, dass sie mich recht herzlich bat, ' I

Die ganze Pilgerschaft ihr zu erzählen, |

Von der sie stückweis Einzelnes gehört,

Doch nicht mit rechter Folge. Ith begann; ' ■■

Und oftmals hatt' ich Thränen ihr entlockt, ' f

Wenn ich ein leidvoll Abenteu'r berichtet • ' ""

Aus meiner Jugend. Als ich nun geendigt,

Gab sie zum Lohn mir eine Welt von Seufzern.... (

Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand; <

Ich liebte sie um ihres Mitleids willen etc.

Othello, wie bemerkt, erscheint in lebhafter Bewegung, doch spricht
er nicht besonders an, wenigstens hat seine Geberde etwas von theatrali-
scher Leidenschaft, die gerade hier nicht hergehört. Brabantio ist ein
 j
feiner, aristokratisch-vornehmer Kopf. Bei weitem das Wesentlichste im t
Bilde ist der Kopf der Desdemona. Zur vollen vSchÖnheit entfaltet, zeigt
er die wechselnden Gefühle, die ihr Inneres durchwogen; das Blut ist ihr
im Schauer der Theilnahme zum Herzen zurückgetreten, ihr Athem scheint
zu stocken, aber das Auge, in dem eine Thräne vordringen möchte, ist
mit innigster Theilnahme auf den Erzähler geheftet. Es ist der Augen-
blick, wo aus dem Kampf der Gefühle das Bewusstsein der Liebe herVor-
springen wird. Hildebrandt hat mit diesem Kopfe in der That ein psy- j
chologisches Meisterwerk geliefert, eins der ergreifendsten Beispiele von
dem Ausdruck tiefer innerer Seelenzustände, daziu die moderne Kunst sich
überhaupt nur emporgeschwungen. Aber sein Bild zeigt zugleich die ge- i
fahrvolle Klippe, welche der Kunst drohen muss, sobald alles Gewicht i,
absichtlich nur auf die eine Seite gelegt wird. Er hat sein künstlerisches ;
Interesse in so überwiegendem Maasse der Lösung dieses, .ob an sich j
auch höchst reizvollen Räthsels zugewandt, dass sein Auge für die wei-
teren. Bedingnisse seiner Aufgabe abgestumpft sein musste. Das Bild ist
(bis auf die Stellung des Mohren) vortrefflich und bequem componirt, der ,
Charakter des Stofflichen ist in den besonderen Motiven gut wiederge- |
geben, das Helldunkel ist mit Zartheit und feinem Verständniss durch- i
-geführt, und doch fehlt dem Ganzen überall volles markiges Leben, doch !
sind es eigentlich nur mehr Symbole von Gestalten als die Gestalten selbst. r
Es-hat auch hier die Idee des Bildes, obschon sie nicht mehr in zufälliger
und willliürlicher Symbolik besteht, noch nicht den dauerbaren Körper
gewonnen, der uns auf die. Dauer festzuhalten vermag. Das Bild scheint ].
mir für die Vorzüge und für die Mängel der Düsseldorfer Schule — we- I
nigstens in denjenigen Beziehungen, die derselben eine so charakteristische
Eigenthümlichkeit gegeben hatten — ein vorzüglich bezeichnendes Beispiel
zu sein. Mir ist, als sei es z^-gleich ein Scheidegruss der alten Richtung .
dieser Schule, und" so will ich, in dankbarer Erinnerung an so_ viel Schü- i

n

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

aes, wenn auch niclit für alle Zeit Dauerndes, was aus dieser Richtung
hervorgegangen war, dem Bilde aus vollem Herzen mein Fahrwohl zurufen.

Sonst ist nichts vorzüglich Namhaftes von Düsseldorfer Historienmalerei
eingegangen. Lorenz Glasen hatr ein Bild ausgestellt — „die Bischöfe
von Mainz und Köln dringen bei der Krönung Konrads II. auf Eheschei-
dung des Letztern von seiner Gemahlin Gisela" — das den allgemeinen
Schulcharakter in ansprechend milder Weise wiederholt, ohne sich doch
durch sonderliche Originalität auszuzeichnen. Das Bild giebt wieder zu
einigen Bemerkungen über jenes Allgemeine der Schule Anlass. Die Ge-
stalten tragen ein Gepräge von Anstand, von Gesittigung, das wohl lie-
benswürdig erscheint; aber es fehlt ihnen eben jenes vollere Lebensmark,
das allein zum entschiedenen historischen Handeln befähigen kann; käme
ein Sturm, wie der der heutigen Zeit, über sie, sie wären gar bald von
der Bühne verschwunden. Dann ist die Wahl so künstlich gesuchter Ge-
genstände, wie eben Iner, mehr als bedenklich. Glasen hat die Aufgabe
gewiss mit sinnigem Verständniss behandelt; ohne den Katalog würden
wir aber doch schwerlicli wissen, was die Personen von einander wollen.
— J. Fay hat Romeo und Julie gemalt, mit diesem grossen Bilde aber
nicht den Erwartungen genügt, die an sein früheres Auftreten, soweit da-
von wenigstens die Kunde bis zu uns gelangt war, sich knüpfen durften.
Romeo und Julie haben in seinem Bilde den Schmelz der Jugend bereits
eingebüsst: man sieht nicht wohl ein, wie so gesetzte Personen ihre An-
gelegenheit nicht in einer besonneneren Weise durchzuführen im Stande
Avaren. Dass trotzdem Fay's schönes Talent noch das alte ist, bezeugt ein
kleines Bild von ihm, welches eine italienische Fontainengrotte und Mäd-
chen, die sich zum Bade anschicken, darstellt.

Gar änmuthig ist ein Elfenbild von Frau M. Wiegmann, im Cha-
rakter der früheren Steinbrück'schen Bilder ähnlichen Inhalts, und wenn
demnach auch nicht durch persönliche Originalität, so doch durch lieb-
liche Wiederaufnahme zarter Motive und sorgfältige Durchbildung aus-
gezeichnet, Freilich ist dabei das Naturdämonische des Elfencharakters
nicht zum vollen Bewusstsein und mithin auch nicht zur vollen Erschei-
nung gekommen. •

Ich reihe hier ein Bild ein , welches zwar nicht der Düsseldorfer, Schule
angehört, doch aber mittelbar mit derselben in Verbindung steht. Es; ist
von G. Metz aus Brandenburg gemalt, der. sich früher und schon mit
bestem Erfolge als Bildhauer ausgebildet hatte, hernach Maler vfurde und
zu diesem Behufe zu Bendemann nach Dresden ging; gegenwärtig hält er
sich, wie der Katalog besagt, in Rom auf. Das Bild hat bedeutende Di-
mensionen; der Gegenstand ist der Tod Raheis, auf dem Zuge Jakobs
von Bethel nach Ephrat, nachdem sie dem Gatten den letzten Sohn, Ben-
jamin, geboren hatte. Die ziemlich figurenreiche Composition ist klar und
verständlich geordnet. Wir sehen die eben Verblichene auf einen Teppich
hingestreckt; eine der Frauen stützt ihr das Haupt; Jakob, der im tiefsten
Schmerz ihre Hand ergriffen hat, kniet vor ihr; Weiber und Mädchen
stehen umher, theils beschäftigt, theil.s in stillem Schmerz; eine, hält den
Nengebornen in den Armen, eine andere hat den kleinen Joseph, den
älteren Bruder, an der Hand. Hinterwärts rastet der.reisige Zug des Pa-
triarchen am Wege, der rechts tiefer in die Landschaft hinaus führt. Das
Bild hat sehr bedeutende, meisterliche Vorzüge'; ich "glaube es als ein
Hauptbeispiel der Richtung, die es vertritt, betrachten zu dürfen. Es ist

PI

j

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■ Berliner Briefe.

voll des tiefsten, innigsten Gefühles, voll zarter, liebenswüdigster An-
inuth. Es giebt nichts Rührenderes als diese schöne Leiche, nichts wärmer
Gefühltes als diesen Ausdruck innersten Seelenschmerzes in dem Gesichte
des Gatten. Dabei ist alle Form aufs Feinste empfunden und durchgebil-
det und yon dem edelsten melodischen Rhythmus in Linien und zart ab-
gestuften Farbentönen erfüllt. Man erkennt hierin jene Richtung maleri-
scher BehandlungsM'eise, die Metz von Bendemann überkommen hat (und
dies ist es, worin ich jene mittelbare Verbindung mit den Eigenthümlich-
keiten der Düsseldorfer Schule finde); aber der Künstler bewegt sich den-
noch in vollkommener Selbständigkeit, vollkommen frei nach seinen
individuellen künstlerischen Absichten, wobei zugleich, wie mich dünkt,
der ehemalige Bildhauer in seiner feineren Stylistik sich geltend macht.
Und doch kann ich mich nicht enthalten, auch dieser so gediegenen Ar-
beit gegenüber meine Bedenken auszusprechen. Metz steht mit der zarten
Melodik in Formen und Tönen, die er hier darlegt, an einem Punkte, den
er ohne Gefahr nicht überschreiten darf; ja, ich glaube, er .ist für die
wahrhafte Erfüllung seiner Aufgabe schon zu weit gegangen. Das Ge-
schlecht der Menschen, das er uns hier vorführt, entspricht niclit ganz den
Zuständen, in denen es sich doch bewegen soll. Ich will von den zum
Theil sehr derben Zügen, die uns der altbiblische Bericht von jenem Pa-
triarchenthum giebt und die auch in, der Geschichte des Jakob keineswegs
fehlen, ganz absehen; ich will nur auf diejenigen Beziehungen hindeuten,
die dem Bilde an sich zu Grunde liegen. Dies Alles, ohne Ausnahme;
sind nicht Personen, die sich noch in der schlichtesten natürlichen Exi-
stenz bewegen, die es gewohnt sind, die weiten Strecken der Erde in no-
madischen Zügen zu durchschweifen. Der Sturm der Wüste hätte auch
sie längst hingeweht. ' .

Ich komme nunmehr zu den Düsseldorfern Genremalern, bei denen,
im Gegensatz gegen die dortigen Historienmaler, im Allgemeinen eine
grössere reale Kraft vorherrscht. Voran steht, wie billig, der geniale Hu-
morist A. Schrödter. Der Meister hat diesmal ein grosses dekoratives
Werk eingesandt, eine Friesmalerei auf einer ansehnlichen Folge vergol-
deter Zinkplatten, Bauerntanz und Gelage darstellend. Ein ornaraentisti-
sches Rankenwerk zieht sich über-die Platten hin, in welches, der Auf-
gabe gemäss, die mannigfachsten Gruppen und Personen verflochten sind,
in Zuständen, Begegnissen und Beziehungen, wie sie dem Künstler eben
seine stets sprudelnde Laune eingab. Wir geben uns der letzteren gern
ohne Rückhalt hin, doch können bei einer Arbeit, die nur auf leichten
raschen Vortrag und derbe Gesam_mtwirkung berechnet war, feinere, mehr
fesselnde künstlerische Elemente natürlich nicht zur Sprache kommen. —
Dann ist von Jordan eine AnzahT Bilder ausgestellt, die uns in seiner
gewohnten tüchtigen Weise Scenen des SchilVerlebens an'der Nordseeküstc
bringen. Der rüstige Künstler, dem nichts ferner liegt als moderne Sen-
timentalität, wirkt stets erfreulich. Besonders anziehend wären mir dies-
mal ein paar kleinere Bilder. Das eine von diesen, „stumme Liebe," stellt
ein junges Paar vor, das in der Küche oder beim. Kamin einander gegen^
über sitzt und vor lauter nachdrücklicher Verlegenheit das Wort zur ge-
gegenseitigen Erklärung gar nicht finden kann. Das anderf!, „ Vaterfreuden,"
führt uns in die Wochenstube gines Schitferhauses. Bei beiden Bildern
ist, was ich ihnen nicht zum kleinsten Verdienst anrechne, das gemüthlich
Beschränkte der Wohnungen sammt all ihrem Zubehör vortreffllich durch-

071

mm

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69() Berichte, Kritiken, Erörteniugeii.

geführt und in gediegener malerischer Haltung zu einer acht künstlerischen
AVirkuüg gesteigert. — Ebers, in Breslau wohneud, aber in Düsseldorf
gebildet, giebt uns ebenfalls Bilder des Seelebens, die durch ihre gehal-
tene Energie ihren Eindruck nicht verfehlen. Ein grösseres Bild stellt
eine Erneute auf einer Brigg dar. Es ist eine Darstellung voll rüstigen,
jI sprechenden Lebens, den trefflichsten Kapiteln in den Erzählungen eines

Cooper vergleichbar. Fehlt es dem Bilde in Etwas an künstlerischer To-
talität, so entschädigt es uns dafür doch durch die anschauliche Bestimmt-
heit, mit der der Gegenstand vorgetragen ist, und durch die glückliche
"Wahl des Momentes, der, als Gipfelpunkt des bedrohlichen Ereignisses,
zugleich das Vorher und Nachher klar überschauen lässt. Zwei andere
Bilder, „hohe See" und „stille See," sind Gegenstücke. In dem einen
! sehen wir den alten Schiffer mit seinem Sohn in der Barke, die Sturzwellen

mit sichrer Kraft durchschneidend, in dem andern die Schifferin mit den
spielenden Kindern am Ufer.

Auch andere, bisher noch minder bekannte Talente, wie z, B. J. G.
' Meyer und Fr. Richter, haben Ansprechendes im einfachen Genre ge-

liefert. Eins von diesen Talenten aber erhebt sich in dem einen seiner
Bilder plötzlich wiederum zu einer ungewöhnlichen, glänzenden Hölie.
i Dies ist A. Tidemand, ein Norweger von Geburt. Das Bild, von dem

t ich sprechen will, heisst im Katalog: „die Zangianer, norwegische Sek-

I' tirer." Es hat ziemlich ansehnliche Dimensionen. Wir sehen das Innere

t eines norwegischen Blockhauses vor uns,,das statt Fensters nur eine Oeff-

I nung im Dache hat, durch welche zugleich der Rauch des Heerdes abzieht,

i Eine Anzahl von Landleuten ist versammelt, Männer verschiedenen Alters,

! Frauen und Kinder, sitzend und stehend; in ihrer Mitte steht einer auf

j.- einem Stuhle, ein Buch in der Hand, der, wie es scheint, das Amt des

Predigers übernommen hat: seitwärts liegt ein Kranker im Bett, Andere
'f treten im Hintergrunde ein. Wir fühlen uns hier zunächst in durchaus

abgeschlossene volksthümliche Verhältnisse versetzt. Die dargestellte Lo-
f kalität, die innere Einrichtung und Ausstattung des Raumes mit ihrem

naiven Comfort spricht dies entschieden aus, noch mehr die Tracht, die
Körperbildung, die Physiognomie dieser Personen. Wir sehen es ihnen
an, dass sie ihr Leben im Kampf mit einer eisernen Natur zubringen und
sich selbst dadurch gestählt haben. Es sind Gestalten, wie die des grossen
i nordischen Meisters, der unsrer Erinnerung unvergesslich vorschweben

T -wird,—ich meine Thorwaldsen. Hier aber vereint sie ein tiefes geistiges

Bedürfniss; sie haben sich in gemeinsamer ernster Sammlung die Geheim-
nisse des Daseins, soweit die Tragkraft ihrer Gedanken reicht, klar zu
machen. Der Ernst ist all diesen Gesichtern aufgedrückt; seine schönste
Läuterung aber findet er in dem Gesichte des jungen bäuerlichen Mannes,
der den Stuhl bestiegen hat. Ein Anflug von Schwärmerei giebt diesem
Kopfe das Gepräge einer höheren Erweckung; wir glauben an den Beruf,
der ihm hier unter den Genossen zu Thell geworden. Die Composition
des Bildes ordnet sich schlicht, in verständlichster Weise, Für die male-
rische Gesammthaltung -wirkt das von oben voll hereinfallende Licht, das
sich zunächst dem emporziehenden Rauche mittheilt und durch ihn eine
eigene silberne Färbung annimmt, in ungemein glücklicher Weise. Die
Köpfe erscheinen in dieser Beleuchtung doppelt prägnant und ausdrucks-
voll, das Ganze gewinnt dadurch ungesucht die entschiedenste Wirkung.
Nur der Tiefe des Bildes fehlt es noch etwas an Luft; die hier, im Hell-

et

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Bfiliner Briefe. (573

dunkel, befindlichen Gestalten erscheinen noch etwas flach. Der Ivtiustler,
dessen Name uns seither unbekannt war, ist mit diesem Bilde, das zu den
Glanzpunkten unsrer Ausstellung gehört und sich eines niclit ermüdenden
Beifalls erfreut, i)lötzlich in die Reihe der Meister unsrer Zeit eingetre-
ten: — möge er die Kraft besitzen, diese Stelle zu beliaupten und seine
Meisterschaft immer fester und sicherer zu gründen! Denn nach so vielen
schmerzlichen Erscheinungen schnell verwelkten Ruhmes mag auch auf
dies schöne Bild noch keine unbedingt gesicherte Zukunft gegründet wer-
den. Auch erweisen sich ein Paar andre kleinere Genrebilder von der
Hand des jungen Norwegers zwar als erfreuliche, aber doch bei vereitern
nicht so bedeutende Leistungen. Möge er sich nach jenem glänzenden
Wurfe nicht zu schnell sicher dünken!

Noch von ein Paar andern Genremalern Düsseldorfs habe ich zu spre-
chen. Der eine ist Haseuclever, der uns wieder einige von seinen
absonderlichen Charakterbildern gesandt hat. Das bedeutendere von die-
sen stellt das Innere eines Weinkellers dar. Eine reiche Gesellschaft von
älteren und jüngeren Männern, sehr vi^ürdige Herren, ehrbare Geschäfts-
männer und lockere Bonvivants durcheinander, hat zwischen den Stück-
fässern Platz genommen und ist, ein Jeder auf seine Manier», beschäftigt,
irgend ein besonderes Gewächs zu proben. Das Licht des Küfners erhellt
diese trauliche Runde, während einerseits die Treppe herab, auf der Einer
mit sehr unsichern Schritten emporwankt, andrerseits durch das Keller-
fenster, unter dem ein Paar, unbekümmert um das ernste, Studium der
üebrigen, Brüderschaft trinken, ein Schimmer des. Tageslichtes einfällt.
Das Bild hat durchweg eine frappante Lebendigkeit und zugleich, bei jenen
verschiedenartigen Lichteffekteneine interessante und vortrefflicli durch-
geführte malerische Haltung. Wir sehen dem Geschäft der Versammelten
mit stiller Freude zu, aber — wir halten es bei allen Vorzügen des Bil-
des doch nicht lange aus. All dies Gesichterschneiden, rechts und links
und vorn und hinten, will gar nicht aufhören; wir fühlen uns unheim-
lich; wir meinen zuletzt, wir befänden uns gar in einem Irrenhause. Es
ist ein eigen Ding mit dem Humor in der Kunst; ich glaube, er bedarf
einer sehr gehaltvollen Unterlage. — Auf eine andre Weise unheimlich
wirkt auf mich C. Hübner mit seinen Tendenzbildern. Diesmal haben
wir von ihm ein grosses Gemälde, „die Auspfändung." Es ist das Innere
des Hauses einer armen Eamilie, deren Phy.siognomie es aufs deutlichste
erkennen lässt, dass sie ohne Verschulden in die bitterste Dürftigkeit ver-
sunken" ist. Schergen der Gerechtigkeit wühlen die Winkel des Hauses
durch, den Armen die letzten Habseligkeiten abzupfänden; ihr Chef ist
eiu meisterhaftes Musterbild eiskalten mephistophelisclien Hohnes. Das
Bild ist durchweg gediegen und mit schlagender Lebendigkeit gemalt;
aber gerade darum ist es doppelt entsetzlich und es kostet mich starke
Ueberwindung, hier nicht schneller darüber hinzugehen, als ich es thue.
ist das, trotz dieses meisterlichen Pinsels, noch Kunst? kann ein Werk,
das die jammervollste Zerrissenheit menschlichen Daseins mit geflissent-
licher Vermeidung alles irgendwie tragischen Coufliktes zum Gegenstände
hat, noch den Anspruch machen, uns zu kräftigen, zu erbauen,-uns über
das Gemeine zu erheben? Das war freilich auch wohl nicht die Absicht
des Künstlers; er wollte uns vielleicht unmittelbar die geheimen Abgründe
des Elends darlegen und zur Abhülfe' auffordern. Dazu ab.er genügt ein
Kiigler, Kleine SchrifUn. III. 43

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69() Berichte, Kritiken, Erörteniugeii.

oinfachcs, aus dem Herzen gesprochenes Wort, dazu gehen wir in die
ITütten der Armen, dazu verbinden wir uns in Vereinen, die kleinen
Mittel des Einzelnen zur grösseren Gesammtwirkung zusammenzutragen:
dazu brauchen wir keine Bilder, und thöricht wäre es, unser Geld, das
für die Armen bestimmt ist, für solche Darstellungen hinzuwerfen. Wir
sind hier übrigens bei dem aussersten Extrem des Realismus in der Kunst
angelangt, und wir finden, dass er in solcher Anwendung wieder auf dem
schönsten Wege ist, ausserkünstlerischen Zwecken ebenso gehorsam zu
dienen, wie es jene
Conventionelle Symbolik in ihrer Weise thut. — Ein
nicht geringes,, obgleich minder entwickeltes Talent unter den Berlinern,
das ich im Vorigen anzuführen vergessen, L. Bendix, liebt auch diese
Sorte von Tendenzmalerei und hat zu der diesjährigen Ausstellung eben-
falls eine Auspfändung geliefert.

Hieran reiht sich ein Bild von G. Flüggen in München, das jedoch
den tendenziösen Charakter zu einer höheren, poetisch-dramatischen Ent-
wickelung zu steigern sucht. Es ist die Darstellung der Jesuiten als
Erbschleicher, die Ihnen aus einem ausführlichen Berichte des Kunstblat-
tes ') schon bekannt sein wird. Dieser Bericht macht eine nähere Schil-
derung meinerseits überflüssig. Doch bin ich leider genöthigt, die am
Schlüsse desselben enthaltene Prophezeihung, dass das Bild auf der hie-
sigen Ausstellung zuverlässig eine grosse Bewegung verursachen werde,
als nicht eingetroffen zu bezeichnen. Man hat hier wohl das Geistreiche der
Composition anerkannt, wäre indess durch eine andre Durchführung mehr
befriedigt gewesen. Schon das wollte nicht ganz gefallen, dass, während
Eugen Sue in seinem ewigen Juden doch nur einen Pater Rodin ge-
zeichnet und neben demselben zugleich sehr abweichende Ideale jesuiti-
scher Meisterschaft aufgestellt hat, hier nebeneinander und nur durch
geringe Modificationen verschieden, drei Rodins erscheinen. Dann ver-
misste man die eigentliche malerische Durchbildung, die man allenfalls
in den Nebendingen gelten liess, während man in den Hauptsachen, in
• den Personen und zumal in der Carnation, mehr das trockene Farbenma-
terial als lebende Erscheinungen in Luft und Licht vor sich sah.

Ich erwähne dabei zugleich noch ein Paar andrer Bilder, die aus
München zu uns gekommen sind und die ich nicht füglich übergehen
darf: ein sauber gemaltes Bild von Lotze, ein Tyroler H^irtenmädchen
mit ihrer Heerde; ein Bild von A. Adam, Pferde und getödtetes Wild
vor einem Jagdschlosse, das, wie der Name des Künstlers nicht anders
erwarten liess, in den Thieren vortrefflich, aber von etwas nüchterner
Gesammtwirkung ist; und ein Paar Bilder aus dem italienischen Volks-
leben von J. A. Klein, der uns indess in seinen bekannten Radirungen
ungleich lieber ist, als in seinen, alles malerischen Tones entbehrenden
Gemälden.

frnmm

Schliesslich habe ich Ihnen hier, für diese Uebersicht der deutschen
Leistungen in figürlicher Darstellung, noch einige Gemälde zn nennen,
die uns aus dem Auslande, aber ebenfalls von deutschen Künstlern, zuge-
sandt sind. Dahin gehören zunächst zwei merkwürdige Gemälde von in
Rom lebenden Künstlerinnen. Das eine, „eine unbekleidete weibliche
Figur in Weinreben", wie der Katalog sagt, rührt von Frau Steinhäu-
ser (ich glaube, der Frau des Bildhauers) her. Der leicht dekorirte

1) 1848, No. 17.

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Berliner Bric.fii. (575

Rahmen giebt eine nähere Andeutung über das Wesen dieser Gestalt, in-
dem wir oberwärts und unterwärts die Inschriften lesen:

SonnenstrahlengetauftH,

Rebengeländerentsprosseno.

Es ist ohne Zweifel der Genius des Rebenstockes, der sich hier, man sieht
nicht recht wie, aus den Aesten und Blättern erhebt. Es ist ein weib-
liches Wesen von zartem Schmelz in der Carnation, das Haupt mit Trau-
ben gekrönt; sie neigt das Haupt auf die Hände, die sie, wie in sic^li
zurückgezogen, zusammengelegt hat, und blickt in phantastischem Reize
zum Beschauer heraus. Es ist ein unverkennbares poetisches Element
darin, das zugleich seinen künstlerischen Ausdruck gefunden hat, und

doch---Wozu indess diese fortgesetzten Bedenklichkeiten und Grä-

meleien! Würde uns eine ganze Gallerie solcher „fleurs anim(5es" in
Lebensgrösse geboten, dann möchte man allenfalls ein Recht haben, mit
dem Kopfe zu schütteln. Freuen wir uns bei dem einen Bilde immerhin
des schönen poetischen Reizes. — Das andre Bild, „Campagnuola mit
ihrem Kinde", ist von Elisa Baumann-Jerichow eingesandt. Der
Name dieser Künstlerin ist uns von früheren Leistungen her im guten
Gedächtniss; wir hatten damals die männliche Kühnheit und Derbheit der
Hand fast angestaunt: jetzt sehen wir dies Streben zur schönsten, sicher-
sten Meisterschaft ausgebildet. Es ist eine sehr einfache Composition.
Auf einem dürftigen Strohlager liegt ein nacktes Kind, und die Mutter,
ein Weib aus der Umgegend Roms, sitzt davor und neigt sich zu dem
Kinde, es auf die Arme zu nehmen. Die Verhältnisse" sind die der Lebens-
grösse. Aber welch ein tiefer Gehalt ist in dieser Aufgabe zur Erschei-
nung gekommen, und mit wie gediegener Kraft ist dies geschehen!
Der Knabe, der sich von dem mütterlichen Blicke getrolTen fühlt, jauchzt
ihr, ob auch noch unfähig zu jeder selbständigen Bewegung, in heller Lust
entgegen, während sie, mit inniger stiller Liebe auf diesem Ausdrucke
jubelnden Lebens weilt. Es ist ein Weib von hoher Schönheit der Züge,
die auch das mühsame Ringen um die kleinen Lebensbedürfnisse, der
Einfluss von Sonne und Wetter, die die Haut tief gebräunt haben, nicht
zu verwischen vermochte. Das stille Wonnegefühl der mütterlichen
Pflicht, trotz aller Noth und Sorge, der Wechselaustausch der'Liebe zwi-
schen Mutter und Kind, ist in diesem Bilde in überaus anziehender Weise
zur Darstellung gebracht. Dabei ist Alles in freier, breiter, pastoser
Weise, aufs Sicherste und Greifbarste, belebt und zugleich zu einer
so energischen und tiefen malerischen Gesammtwirkung verschmolzen,
dass wir das Bild nur einem Spagnoletto, einem Murillo' zur Seite
stellen möchten. Es giebt beiläufig bemerkt, in der Behandlung kaum
etwas Verschiedneres als dies Bild und die kleinen Cabinetstflclie von
Meyerheim, und doch stimmt es mit ihnen in dem eigentlichen Gehalte
und in der Wirkung, die sie hervorbrihgen, wundersam überein.

Aus Paris hat unser Landsmann Bouterwpckuns ein Bild mittlerer
Grösse zugeschickt, die „Taufe des Kämmerers der Mohrenkönigin." Das
Bild zeigt eine Hinneigung zu dem Style von Ingres, vor dem die Fran-
zosen, wie Sie wissen, wegen seiner Stylstrenge eine grosse Ehrfurcht
haben, ohne sich doch eben/sonderlich durch, sein Beispiel von allen
möglichen Styllosigkeiten abhalten zu lassen. Es ist aber eben französi-

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G7(t Boriclite, Kritiken, Erörtorvuigen.

sdier Styl, den wir bei Ingres finden, d. h. ein gewisses kühl rationalistisches
Princip, von dem man wohl sagen kann, dass es schon bei Poussin sehr
lebhaft znr Geltung gekommen war. Diese Kühlheit sehen wir denn auch
in der Bouterweck'schen Arbeit vor uns, zumal in der Hauptgruppe, welche
uns desshalb trotz der sorgfältigen Durchbildung nicht völlig anmuthen
will, während sie in den Nebenfiguren, dem Gefolge des Kämmerers, zu
einer eigenthümlichen Frische und Helligkeit des Charakters (ich meine
besonders: des sittlichen Charakters, in dem wir selbst eine Annäherung
an griechische Naivetät und Bestimmtheit finden,) sich steigert. — Wesent-
lich verschieden hievon sind zwei Bilder von Marters te ig aus Weimar,
der, früher in Düsseldorf gebildet, seine späteren Studien, soviel ich
weiss, unter Delaroche in Paris gemacht und sich dort bis jetzt aufgehal-
ten hat. Martersteig ist aber nicht bei der Richtung Delaroche's stehen
geblieben und überhaupt nicht als ein irgend einseitiger Anhänger der
Franzosen zu betrachten; er hat sich vielmehr — wenigstens sagen das
seine neusten Bilder, die sich auf der Ausstellung befinden — die tüch-
tigen Coloristen unter den Franzosen den Weg zu den Venetianern weisen
lassen und sucht von dem Grunde aus , auf welchem die letzteren stehen,
(las Leben zu erfassen. Es sind zwei Bilder von ziemlich bedeutendem
[i länglichem Format, beide sehr figurenreich. Das eine (mit dem Datum

I 1847) hat den Reichstag zu Worms und zwar die Rede Luthers vor dem

I Kaiser und den versammelten Reichsfürsten, das andre (1848 bezeichnet)

fi das Concil zu Constanz, und zwar den Moment, wo der Geleilbrief, den

; Huss erhalten hatte, von der empörten Priesterschaft zerrissen wird, zum

i Gegenstande. Beides sind Darstellungen von Versammlungen bedeutender

Persönlichkeiten, die erste ruhiger, mit sicherm Einhalten des Ceremoniels
I und der Etikette, die zweite unruhiger und leidenschaftlicher bewegt.

I Bei beiden Bildern kam es darauf an,v.theils die einzelnen Persönlichkei-

; ten scharf und charakteristisch zu bezeichnen, theils ihre Vereinigung

j durch malerische Totalwirkung, je nach den Gesetzen beider Gompositio-

il nen (der ruhigen und der bewegten Versammlung) auch im künstlerischen

i' Sinne hervortreten zu lassen. Der Künstler hat das Wesentliche dieser

Erfordernisse im Allgemeinen vortrefflich erreicht. Ueberall ist das Indi-
viduelle bis in seine einzelnen Besonderheiten empfunden und auf markige
Weise ausgeprägt, überall erscheint es zugleich als Theil eines grösseren
i Ganzen, je nachdem dasselbe einerseits in fester Gebundenheit, andrerseits

;> in der Zerstreuung in einer Reihe von Gruppen seine Geltung hat. Die

ganze malerische Behandlung bewegt sich, wie schon angedeutet, in der-
^ jeuigen Richtung, welche in der Blüthezeit der venetianischen Schule ihren

•pt Ausdruck gefunden hat; es sind dieselben vollen, tiefen, aushaltenden

Töne, derselbe Schimmer eines lichten Helldunkels, dasselbe stylistische
Bewusstsein, das die Freiheit des Individuellen in dem Rhythmus des'
4 Ganzen so glücklich zu wahren weiss und daher das sicherste Fundament

' zu einer eigentlichen Geschiclitsmalcrei bildet. Ich musste nur bedauern,

j . dass der Luther auf dem einen Bilde körperlich nicht sicher genug und

i geistig nicht bedeutend genug erscheint, und dass das Streben nach prä-

. gnanter Individualisirung auf dem Bilde des Huss zu einer Anzahl ver-

wunderlicherPhysiognomieen geführt hat, die ein wenig nach künstlerischem
Eigenwillen schmecken; hier mag eine wirkliche Klippe für den Künstler
liegen; wenigstens entsinne ich mich eines grossen Bildes-aus der Ge-
schichte des Herzogs Bernhard von Weimar, das er vor mehreien .Jahren

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Berliiiw Briefe. 677' J

ausgestellt hatte und auf dem in ähnlicher Richtung und bei noch mangel-
liafter Kraft, ein manieristisch barockes Wesen zu Tage gekommen war.
Indess wird Martersteig dergleichen bei irgend nachhaltigem Willen, zu
dem er nach dem Zeugnisä seiner neueren und neusten Werke alle Befähi-
gung hat, leicht vermeiden können. Möge ihm die Gegenwart nur mit
grossen Aufgaben zur Darstellung vaterländischer Geschichte entgegen-
kommen! Wenn Einer, so wird er hierin das, was die Zeit verlangt, in
meisterlicher Weise durchzufüliren wissen. ' '

Wir wenden uns nunmehr zu den Richtungen und den hervorstechend-
sten Leistungen deutscher Landschaftsmalerei, soweit uns die diesmalige
Ausstellung daVon eine Anschauung gewährt. Wir. haben es hier wieder
mit den beiden Hauptpunkten Berlin und Düsseldorf zu thun, denen sich
das Uebrige, was Aufmerksamkeit verdient, ungesucht anreiht. Die Schulen
beider Orte entsprechen zugleich den beiden Hauptrichtungen der land-
schaftlichen Kunst, die man wohl als die classische und die romantische
bezeichnet und von denen die erstere, bei welcher die Form und die Farbe
die Hauptsache ist, unmittelbar, die zweite, bei welcher es im Wesentlichen
auf Ton und Stimmung ankommt, mittelbar, durch das Heranziehen dich-
terischer Elemente, auf das Gefühl wirkt. Ich will hiemit aber nur ge-
sagt haben, dass die Hauptvertreter der einen und der andern Richtung
an dem einen und dem andern Orte zu Hause sind oder dort ihre Bildung
empfangen haben, während natürlich der heutige-Wechselaustausch der
künstlerischen Richtung bei der individuellen Freiheit des Schaflens man-
cherlei Ausnahmen zur Folge haben musste.

In Berlin also, wie ich die Sache auffasse, herrscht die classische
Richtung der Landschaft vor. Zur Bezeichnung derselben mögen unter
den Bildern der Ausstellung zunächst ein Paar italienische Landschaften
von E. Agricola, einem in Rom lebenden Berliner, genannt werden, die
sich, ohne besonders hervorragende Eigenthümlichkeit, der Art und Weise,
wie besonders Gate! aus Berlin diese Richtung aus- und den jüngeren
Künstlern vorgebildet hatte, anschliessen. — Hauptvertreter derselben in
Berlin war bisher W. Schirmer. Der Katalog führt auch diesmal ver-
schiedene Bilder italienischen Lokals von ihm auf; doch habe ich davon
nur eins aufgefunden, eine Ansicht der Fontana di Trevi zu Rom, die
einen etwas äusserlich conventioneilen Eindruck macht. — Schirmer's Stelle
wird für die gegenwärtige Ausstellung durch seinen ehemaligen Schüler
Behrendsen, der als Lehrer an die neuerrichtete Köüigsberger Akademie
gegangen ist, eingenommen. Ein kleineres Bild von Behrendsen, eine
Partie am Hallstädter See, zeichnet sich durch eigfinthümlich feine, vor-
nehme Behandlung aus. Ein grösseres Bild, „Gegend bei Conegliano am
südlichen Abhänge der venetianischen Alpen" , eröffnet uns einen Blick
über ein grossartig bewegtes Terrain, bis zum Busen des Meeres und
fernen Gebirgszügen, Alles übergössen und durchleuchtet von dem Glanz
der Frühsonne, und von wundersamem Farbenschimmer in' den Gründen
erfüllt. Es ist ein Bild höchster landschaftlicher Pracht, die mit sicherer
Herrschaft über die Darstellungsmittel uns vorgelegt wird. Doch dünkt es
mich, dass der Künstler in dem Zusammenstellen brillanter und effekt-
voller Gegensätze schon um einen Schritt zu weit gegangen ist; ich meine,
ein mehr abgewogenes Maass ^ierin würde der harmonischen Gesammt-
wirkuag nur förderlich gewesen sein. J-cdenfalls steht er hier schon an
der äussersten Grenze der eingeschlagenen Richtung. Uebrigens aber mag

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' 678 Berichlü, Kritiken, Erörterijugeri.

die etwas disharmonische Wirkung auch durch einen äusserlichen Umstand
verstärkt worden sein, nemlich durch den glänzenden Goldrahmen, der
nicht dazu dient, den Farbenglanz des Bildes abzuscliliessen und dadurch
zu sänftigen. Ich finde, dass überhaupt heutiges Tages mit Goldrahmen
viel überflüssiger Gebrauch, auch viel Missbrauch getrieben wird. Möch-
ten es doch endlich die Künstler einsehen, dass nur gewisse Farben-
stimmungen durch diese Goldumfassung wesentlich gehoben werden, dass
andre sich dagegen völlig neutral verhalten, wieder andre aber dadurch,
wie durch irgend eine giftige Säure, geradehin zersetzt werden! Ein
schwärzlich-brauner, angemessen gebildeter Rahmen würde das Bild von
Behrendsen unendlich heben.

Bei Biermann hat die classische'Richtung insgemein ein mehr de-
korationsmässiges Gepräge. Eine winterliche Ansicht der Maximuskapelle
in Salzburg, die er uns diesmal vorgeführt, will nicht sonderlich befrie-
digen; das Bild hat fast den Anschein eines nur angetuschten Kartons. —
Graeb weiss das Element der Dekoration zur glänzenden dioramenartigen
Pracht zu steigern. Eine grosse Ansicht von Palermo, die er ausgestellt,
giebt einen Ueberblick über die Stadt, die zur Hälfte in glühender Abend-
sonne liegt, während die vordere Hälfte schon mit nächtlichem Schatten
bedeckt ist. Die Schattenlinie geht horizontal durch das Bild; wir mei-
nen , wenn wir länger darauf hinblicken, sie sich leise mehr und mehr
erheben zu sehen. Vielleicht lag ein solcher Eflekt, den die wirklichen
Dioramen freilich wohlfeiler und schlagender zu erreichen wissen, in der
Absicht des Künstlers. Trotzdem aber ist das Bild mit Meisterschaft und
besonders in den Fernen mit feinem Gefühl gemalt. — Andre versuchen
Aehnliches, aber mit schwächeren Kräften.

Eichhorn malt in der Regel griechische Gegenden und hat uns deren
auch diesmal vorgeführt. Er liebt kühle, um nicht zu sagen: kalte Töne,
>|.. hat aber Sinn für das plastische Gefüge einer grossartigen Terrainbildung

[ und weiss uns die mächtigen Formen der griechischen Natur gelegentlich

. 1; in ansprechenden, ernst gehaltenen Bildern vorzuführen. Ausser den Ge-

mälden solcher Art hat er auch ein Paar römische Stadtprospekte, An-
sichten von S. Maria maggiore und des Pantheons, ausgestellt, die in dem
fast strengen Ernste des Vortrages ebenfalls nicht ohne Wirkung sind. —
Gurlitt (den wir seit einiger Zeit den Unsern zuzählen) hat diesmal ein
landschaftliches Bild von bedeutender Dimension gebracht, eine Ansicht
des Comersfees, bei Fiume-di-late. Man blickt von einem dunkeln, fel-
sigen Vorgrunde, und zur Seite einer Eichenwaldung hin, auf den See
hinab, der, sowie die ihn umgebenden Gebirgszüge, in heller Sonnenbe-
fi leuchtung daliegt. Gurlitt's plastisch-landschaftliches Talent bewährt sich

auch hier in seiner Meistergchaft, zugleich ist die Lichtwirkung mit grosser
Schönheit und Energie durchgeführt. Ueberhaupt müssen wir das Ganze
als eine grossartig bedeutende Conception anerkennen. Der Vorgrund
aber hat, solcher Wirkung gegenüber, nicht Interesse genug (ich mein.e in
der Art und Weise der Behandlung), auch dünkt mich hier die Perspek-
tive, das Hineinrücken der Felspartieen in das Bild, nicht hinlänglich klar.
— Max Schmidt hat eine Reihe theils italienischer, theils kleinasiati-
scher Landschaften ausgestellt. Dies ist ein heiteres, glückliches Talent.
Ohne im Allgemeinen auf bedeutende Compositionen auszugehen, sich
vielmehr oft mit sehr bescheidenen Motiven begnügend, wei^s er ihnen
doch dasjenige Behagen aufzudrücken, welches wir an diesem oder jenem

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Berliiiw Briefe. 679' J

zufälligen Rastorte in südlichen Gegenden mitempfunden haben. M. Schmidt
hat etwas von Biermann's dekoratiousärtiger Weise, er hält sich in der
Regel nicht mit' sonderlich feiner Durchbildung auf, er strebt noch we-
niger nach besonders auffälligen Effekten, aber die offne Naivetät seiner
Darstellungen spricht stets an. —■ Noch giebt es allerlei Bilder italieni-
scher, somit classischer Richtung, zum Theil von ansehnlichen Mäassen,
die ich aber glaube übergehen zu dürfen. '

E. Pape führt uns aus der italienischen in die nordisclie Natur hin-
über. Ein Bild von ihm, eine Partie aus dem botanischen Garten in Pa-
lermo, möchte etwa mit denen von M. Schmidt zu vergleichen sein, ist
aber feiner durchgeführt und fordert schon etwas bestimmter zur Schau
auf. Die Darstellung eines schweizerischen Wasserfalls (wie er deren
schon auf der vorigen Ausstellung halte) giebt nicht minder ein, mit mei-
sterlicher Präcisi.on auf die Schau berechnetes Bild, was,, wie Sie sich aus
unsrer jungen Zeit erinnern werden, bei den vormals vielgemalten Was-
serfällen in der Regel die künstlerische Absicht zu sein pflegt. Eine An-
sicht des Grindelwald-Gletschers, ebenfalls von Pape, enthält die ebenso
meisterlich und überzeugend vorgetragene und zugleich künstlerisch zusam-
mengehaltene Darstellung der merkwürdigsten Naturbildung. Ich entsinne
mich nicht, je einen Gletscher mit solcher innerlichen Wahrheit gemalt
gesehen zuhaben. — Triebe! hat einige süddeutsche Ansichten geliefert,
die in der etwas vornehmen Behandlungsart auch noch die Verwandtschaft
mit jener classischen Richtung bezeugen. Andre seiner Bilder aber, und
namentlich eine vortreffliche grosse Eichenlandschaft, führen schon ganz, in
den Charakter und das Wesen der Heimat ein, bei der die classischen
Elemente dem Eindrucke der Stimmung zumeist weichcn müssen. — Hein-
rich Krüger (in Salzwedel) ist in seinen Landschaften völlig norddeutsch,
aber doch möchte ich sagen, dass, auch in diesen, im Allgemeinen treff-
lichen Bildern, und besonders in ihrer Farbenwirkung, ein Element von
Schaustellung sich , geltend macht, welche die heimisclie Gefühlsweise wie-
der nicht ganz zur vollen Geltung kommen lässt, — Hilgers, aus Düssel-
dorf nach Berlin übergesiedelt, hat feine romantische Landschaftstöne
von dort mitgebracht, trägt sie indess in einer Weise vor, dass das alte
Band doch schon in etwas gelöst erscheint. In seinen Bildern geht übri-
gens ein eigenthümlich liebenswürdiger Charakter hindurch. Das bedeu-
tendste und von aller künstlerischen Absichtlichkeit freiste ist diesmal
ein grösseres Bild von ihm, eine Ansicht des Ilsethals im Regenwetter.

Einige unsrer Landschaftsmaler haben sich vorzugsweise und mit Ge-
schick der Darstellung der tropischen Natur zugewandt. Ed. Hilde-
brandt steht unter diesen voran. Ein von ihm gemaltes brasilianisches
Bild, „A Gloria (Rio de Janeiro)", wo man A'on einer Höhe mit Palmen
auf Stadt und Küsten, Meer und Inseln hinabblickt,'ist eine höchst mei-
sterhafte Darstellung der reichen, von der Glanzsonne des Südens über-
strahlten Gegend. Die Glanztöne des Bildes sind zuglieich in gediegenster
Harmonie zusammengehalten. E. Hildebr.^ndt verschmäht aber auch das
direkt Entgegengesetzte nicht. Ein nordischer Schnecwald mit armen
Holzsammlern, den er ebenfalls ausgestellt, hat die Verdienste einer nicht
minder sichern Palette; der Künstler ist aber doch nicht mit demselben
lebendigen Gefühle,, wie bei jenem Bilde, "bei der Arbeit gewesen. —
Bellermann bringt uns, wi(/schon früher, interessante Tagebüchblätter
aus seinen südamerikanischen Reisen. Es sind Bilder, die in eigentlich

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080 Berichte, Kritiken, Erörternugeii.

kilnstlerischer Beziehung nicht eben ausserordentliche Vorzüge besitzen,
die wir aber ebenso gern betrachten, wie wir guten Reisescliilderungen aus
jenen Gegenden mit Vergnügen folgen. — Andre, auch ausserhalb Berlins,
haben es diesmal besonders auf Aegypten abgesehen. Es ist aber nicht
nöthig von diesen Leistungen im Einzelnen zu,sprechen.

Unter den hiesigen Seestücken begnüge ich mich die von Brendel
und E. Schmidt hervorzuheben. — Unter den Architekturmalern nenne
ich Gärtner in seiner so bescheidenen, wie sorgfältigen, ob auch nüch-
ternen Weise (Rathhaus zu Breslau), P. Gropius mit mehr dekorations-
mässig aufgefassten italienischen Architekturen, H.asenpflug (in Halber-
stadt) mit einem zierlich winterlichen Kreuzgangsbilde in seiner beliebten
und liebenswürdigen Art, und Gemmel (in Königsberg) mit Architek-
turen eigner Composition, bei denen eine höliere malerische Wirkung mit
Glück angestrebt ist und auch wohl erreicht -wäre, fände sich der Künstler
nicht durch ein gewisses wolliges Wesen im Vortrage in etwas behindert.

Unter den Landschaftsmalern von Düsseldorf steht Lessing (der dies-
mal nichts von Arbeiten im Fache der Historienmalerei eingesandt hat)
voran. Wir haben von ihm auf der Ausstellung eine ungemein schöne,
meisterlich bedeutende Landschaft. Es ist ein ernster Herbstabend; der
Himmel ist kühl, die Sonne schon hinter eine, in fester Form lagernde
Wolkenschicht hinabgesunken. Wir sehen ein stilles Thal mit Hügelrei-
hen auf den Seiten empor; ein Bach fliesst mitten hindurch; einzelne
Eichen stehen zu den Seiten, von den letzten abendlichen Lichtern ange-
glänzt. Es ist ein Ernst, eine Stille in dem Bilde, die unser Gemüth un-
willkürlich nach sich zieht. Wie mit schwermüthigen Dichterworten, die
doch aus dem Grunde in sich"beruhigter Weisheit emportauchen, spricht
das Bild zu uns. Aber wenn-ich dasselbe als dichterisch bezeichne, so
soll damit doch keineswegs gesagt sein, dass es zugleich (wie oft sonst genug
das Dichterische in der Kunst) einen Mangel an künstlerischer Kraft in
sich schliesse; vielmehr steht Alles in fester Realität vor uns, in einer
Energie der Farbe und des Tons, die schon sinnlich die entschiedenste
Wirkung ausübt. Das Bild ist diesmal das Meisterwerk unter denen, wel-
che vorzugsweise dem Gebiete der Stimmung, der romantischen Richtung
(falls ich dies gegenwärtig etwas verpönte Wort noch einmal gebrauchen
darf) angehören. '

Zwei in sich ziemlich verschiedene Bilder schliessen sich zunächst an.
Das eine ist eine Abendlandschaft von W. Klein, ein Hügelterrain, über
welches man hinabblickt, im Mittelgrunde ein Schloss auf der Höhe; die
Luft von heftigem Regen durchsaust, welcher von der siukeriden Sonne, die
ein Gewölk gegenüber verdeckt, wie mit goldigem Schimmer erfüllt wird;
im Vorgrund ein einsamer Reiter, der gegen Wind und Regen ankämpft.
Auch dies Bild, bei schönem Gesammtvortrage, ist acht poetisch; es ge-
mahnt uns wie das Terrain irgend einer anziehenden Erzählung, etwa
einer von Eichendorffs reizenden Novellen. — Das zweite Bild, ist von
A. Weber, eine Landschaft nach dem Regen, buschige Eichen im Vor-
grund, rechts, neben niedrigen Hügeln hin, ein Weg nach einem schlich-
ten Dörfchen. Das Bild übt durch die kühle Frische, die darin weht, und
durch die ungemein harmonische Gesammtwirkung. einen sehr wohlthuen-
deu Eindruck aus. Ich möchte es in gewisser Beziehung einem Hobbema
vergleichen. — Andre der zur Ausstellung gekommenen Landschaftsbilder
haben, ohne tiefere poetische Absicht, die einfachen Formen der heimi-

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Berliner Brit-fe. , ' 681

sehen Natur zum Motiv der Darstellung genommen, die dann ebenso von
selbst zu dem Vorherrschen der Stimmung führent wie die Formen der
südlichen Natur zur classischen Behandlungweise. Dahin gehören Schul-
ten, Portmann, Fr. und W. Hülser, de Leuw ü. A. m'., während
bei Heunert sich gleichzeitig ein etwas abweichendes, fein conventionel-
les Element in der Behandlung geltend macht, Scheuren sein schönes
Talent etwas manieristische Wege gehen lässt, ähnlich auch Scheins,
und Hengsbach sich schon den grossartigeren Formen der Alpennatur
zuwendet. — Adloff, Mevius, Pulian haben Hafensprospekte und
andre Architekturansichten, ebenfalls wiederum in schlichter nordischer
"Vortragsweise, geliefert.

Die Düsseldorfer Landschaftsmalerei steht in alledem dej, alten hol-
ländischen Landschaftsschule parallel. Und wie die letztere ihre merk-
würdige, zu sehr eigenthümlichen Resultaten führende Abzweigung zu
den Formen der norwegischen Natur hat, so ist es, wenigstens für dies-
mal, auch bei jener der Fall. So hat uns zunächst A. Leu eine interes-
sante norwegische Landschaft geliefert, den Einblick in irgend einen der
Fiords, der von mächtigen FelshÖhen umkränzt wird. Es ist ein kaltes
Wetter, noch vor der Mitte des Jahres, Sommer und Winter liegen noch
im Streit, unten ist es grüri, aber die Berge sind, ziemlich tief hinab,
noch mit frischgefallenem Schnee bedeckt.- Das Bild zeigt eine sehr feine
Plastik in der Durchbildung des gebirgigen Terrains, kühlglänzende Far-
ben an Höhen und Lüften und in dem umschlossenen Wasser, überhaupt
eine feine Berechnung in der Farbenwirkung, die allerdings wohl (wie
bei jenem Bilde von Behrendsen) um einen Schritt zu weit geht, die aber
gewiss auch hier viel weniger auffällig sein würde, brächte nicht der
Goldrahmen wieder die störendste Disharmonie hinein. Es ist natürlich
ein Bild, das wesentlich der classischen Richtung zugezählt werden muss.
— Dieselbe landschaftliche Ansicht, wie es scheint, enthält ein Bild von
G. Saal, in dem wir aber den entgegengesetzten Farbeneffekt, eine Be-
leuchtung durch die untergehende Gluthsonne, die die Felsen und Berge
roth färbt, finden. Das Bild hat nicht die feineren Vorzüge des von Leu,
ist aber doch nicht ohne eigenthümliches Interesse. Weniger bedeutend
in künstlerischer Beziehung ist ein Schnee- und Eisbild, eine Ansicht des
Snehättans, des höchsten Berges in Norwegen. — Bei weitem aber das
gediegenste Bild dieser Art, wiederum eine der Zierden der Ausstellung,
ist ein Gemälde von H. Gudie, einem" gebornen Norweger, der in Düssel-
dorf lebt. Es ist ein norwegisches Hochgebirge; eine öde Klippe in der
Mitte, in deren Mitte sich ein kleiner See gebildet hat, links jäh ab-
schiessend, rechts in Felsblöcken, gegen die sich braune Haide hinzieht,
fortgesetzt. Ein Rudel von Rennthieren erscheint am Rande der Klippe.
In der Ferne lagert eine lange Kette von Schneebergen, Gegen die hello
durchsichtige Luft ziehen von der rechten Seite Regenwolken heran, zwi-
schen denen die Strahlen der Sonne vorbrechen. Es ist ein Bild der
hohen Einsamkeit der Natur, die auf den Klippenhöhen der Berge wie
am Strande der See zu uns spricht: aber es ist kühl und hell und frisch
dort oben, und wie wir das Bild länger betrachten, wird auch uns weit
und kühn zu Muthe. Es ist . eine meisterliche Kraft der Darstellung in
dem Bilde, eine feste besonneii'e Harmonie in diesen Tönen; es steht uns
als ein schlichtes, anspruchloses Werk gegenüber, und wenn wir uns ein-
mal seiner Stimme hingegeben haben, zieht es uns an sieh, wie der Hauch

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682 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

der Berge des Hochlandes selbst, und bei jedem Besuch .der Ausstellung
ist es uns mehr werth geworden. ,

Noch sind unter den Düsseldorfer Landschaftsbildern zwei grosse Ge-
mälde des dortigen J. W. Schirmer anzuführen. Schirmer's Verhältnis»
zu der Düsseldorfer Schule ist meines Erachtens ein sehr merkwürdiges
und eigenthümliches Phänomen und giebt recht deutlich zu erkennen, wie
dasjenige, was in den allgemeinen Stimmungen und Bedürfnissen der Zeit
liegt, zum Durchbruch und zur Entfaltung kommen muss und auch durch
die einflussreichste Persönlichkeit nicht zurückgehalten wird. Schirmer
ist der Lehrer der Landschaftsmalerei an der Düsseldorfer Akademie und
hat demnach den sämmtlichen jungen Kräften der Schule, die sich diesem
Fache widmen, die Bahnen zu weisen, auf denen sie sich bewegen sollen:
aber sie folgen, wenigstens der bei weitem überwiegenden Mehrzahl nach,
nicht derjenigen Richtung, die sich, wenigstens schon seit längeren Jah-
ren, in seinen Bildern ausspricht, sondern vielmehr derjenigen, als deren
Haupt wir Lessing bezeichnen müssen, obgleich Lessing nichts mit der
Akademie zu thun hat und überhaupt nicht Lehrer ist. Schirmer hat sich
mit vollster Entschiedenheit der classischen Richtung der Landschaftsma-
lerei hingegeben, ja seine Bilder sind es, die vor allen auf der gegenwär-
tigen Ausstellung diese Bezeichnung in Anspruch nehmen. Es sind fein
componirte Landschaften im Charakter der italienischen Natur, die eine,
breitere, mit einem Wasser in der Mitte, das seitwärts von niedrigem
Felsufer und einer Gruppe von Korkeichen, durch welche die- Sonnen-
strahlen hindurchbrechen, beschattet wird, rechts mit dem Blick ins F^reie,
— die andre, von höherem Format, mit einem Wassersturz zwischen Felsen
und Bäumen und Büschen, die zu beiden Seiten in strotzender südlicher
Kraft aufstreben. Beide Bilder folgen ganz dem Style der altitalienischen
Landschaftsschule, die man wegen ihres Ernstes wohl als die historische
bezeichnet hat: besonders das zweite Bild darf in seinem strengen, mar-
kigen Ernst wohl einem Poussin verglichen werden. Doch ist dabei von
Nachahmung keine Rede; vielmehr bezeugen beide Bilder durchweg die
selbständige meisterliche Schöpferkraft. — Andreas Achenbach würde hier
vielleicht noch anzuschliessen sein; doch sind die von ihm im Katalog
angekündigten Bilder auf der Ausstellung nicht erschienen. Dagegen ist
ein Bild von Oswald Achenbach (ich glaube, einem Bruder des eben
genannten berühmteren) zur Ausstellung gekommen, das ebenfalls ein er-
freuliches Beispiel dieser classischen Richtung ist. Es ist eine Landschaft
aus den „Brinanze" in Oberitalien, die sich sowohl durch grosse Linien-
führung und tüchtiges Machwerk, wie besonders durch den ischönen wei-
chen Duft im Mittelgrund und in der Ferne auszeichnet. ;

Als Repräsentanten der Stillleben- und der Arabeskenmalerei erlaube
ich mir, Dinen einige Damenarbeiten vorzuführen. Ein Blumen- und
Fruchtstück, wo den Blumen und Früchten noch ein Pulverhorn und eine
geschossene Ente zugesellt sind, und unterwärts eine kleine Reliefdarstjel-
iung angebracht ist, rührt von Frl. Louise Schott in Düsseldorf her.
Das Bild ist so fein und lebenvoll in seinen Einzelheiten wie in gedie-
gener Gesammthatmonie durchgeführt und macht es vergessen, dass von
dem Hauptmoister dieses Faches, Preyer in Düsseldorf, diesmal trotz des
Katalogs kein Gemälde erschienen war; wenigstens vermochten meine spü-
renden Augen nichts weiter von ihm zu entdecken, als sein eignes spre-
chendes Portrait, von Hasenclever in ganzer (bekanntlich höchstens 2 Fuss

: !■■

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Berliiiw Briefe. 683' J

/

hoher) Figur gemalt. — Ein Blatt von Frl. Emmeline Oumblot in ]

Dresden enthält eine Gruppe von ■Früchten, in Aquardl auf farbigem |

Papier gemalt. Die Farbe des'Papiers macht den Grund des Bildes aus, f

welches somit Von vornherein der vollen malerischen Selbständigkeit ent-
sagt und mehr nur als Naturstudie gelten will. Aber es ist wenigstens
 .1
eine so unbedingte, so bis in die letzten Punkte durchgeführte Natur- - I
Wahrheit darin, dass ich mich kaum entsinne, je etwas Aehnliches der ,
Art gesehen zu haben. — Fünfzehn grosse Arabeskenblätter endlich, in"
Aquarell auf weissem Karton gemalt, bezeichnet der Katalog in Compo- ■
sition und Ausführung als gemeinschaftliche Arbeit von Frl. Louise 5
Kugler und Frl. Albertine v. Hochstetter. Es sind ßandverzie- |
rungen zu dem Gedicht „Morgenländischer Mythus" von Emanuel Geibel.
Das Gedicht ist auf die fünfzehn Blätter vertheilt und in seinen einzelnen
Abschnitten mit den Randverzierungen umgeben, die aus ornamentisti-
schem Blumen- und Rankenwerk und aus figürlichen Darstellungen be- 1
stehen; die letzteren sind theils in das Ornamentwerk verflochten, theils
bilden sie selbständige Darstellungen mit landschaftlichem Grunde. Es ist
wohl noch etwas Dilettantisches in diesen Arbeiten: doch sind sie mit {
lebendig poetischem Sinne aufgefasst und zugleich mit einem eigenthüm^ {
lieh feinen Stylgefühle in Formen und Farben durchgeführt. |

Von dem Fache der Glasmalerei und dem Zustande, in welchem ' /

sich dasselbe bei uns befindet, giebt die Ausstellung nur ein Paar verein- \

zelte Proben, die aber für das Ganze doch charakteristisch genug sind. )

Ausser einigen nichtssagenden Stücken kommen hiebei zunächst zwei für
den Magdeburger Dom bestimmte" figürliche Gemälde, eine bischöfliche
und eine kaiserliche Gestalt etwa in Lebensgrösse enthaltend, in Betracht.
Einer Beischrift zufolge sind sie, nach Cartons von Teschner, das eine
von "W. Martin, das andre von F. U I ri ch gemalt, während Farben und
Brand von Zebger (dem technischen Vorsteher der hiesigen Glasmalerei-
anstalt) herrühien. Die Zeichnung bewegt sich in den Conventionellen
Formen, die den Styl ersetzen sollen und die man herkömmlichermaassen [

als Erforderni«s der Kirchenmalerei betrachtet; die Malerei besteht aus
dem Zusammenstellen glänzend bunter Farben und in der Carnation aus
höchst allgemein gehaltener, dürftig glatter Colorirung. Die Arbeiten, die i

höchstens in das Fach des Kunsthandwerkes einzureihen wären, bestätir
gen, was ich Ihnen am Schluss meines ersten Briefes über den Betrieb
unsrer hiesigen Glasmalerei gesagt habe. — Und doch zeigt ein ChriStus-
kopf, den v. Kl oeber gemalt und Lüdersdorf gebrannt hat, was aucli
in diesem Fache zu leisten wäre, wenn die Arbeit eigentlich künstlerischen
Händen übertragen würde. Es ist eine Fülle, ein Mark, eine Tiefe, mit
einem Wort: eine wahrhaft malerische Behandlung in diesem Bilde- wie
ich dergleichen bis jetzt an Glasmalereien nur selten gesehen habe.

Hiemit habe icli Ihnen dargelegt, was mir unter den deutschen Male-
reien unsrer diesmaligen Ausstellung als besonders beachtenswerth erschie-
nen ist und was sich mir bei Gelegenheit des Einzelnen an besonderen*
Betrachtungen ergeben hat. Ich habe nun noch von unsern Gästen, den
Werken französischer und niederländischer Maler, zu sprechen. Da es
mir aber diesmal vornehmlich daran liegt, mich mit Ihnen über das Hei-
mische zu verständigen, so werben Sie mir hofl"eutlich nicht zürnen, wenn
ich über jene etwas schneller hinweggehe^

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1, -■ .

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684 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Doch muss ich zunächst, unter den französischen Arbeiten, bei einem
grösseren Bilde von Horace Vernet einige Augenblicke verweilen. Es
• 4 stellt eine Judith dar, wesentlich verschieden von jenem Bilde der Heldin

des alten Testaments, das Vernet vor Jahren gemalt hat und das Jlinen,
wenn nicht im Original, so doch aus dem Kupferstich bekannt sein wird.
Erschien in letzterem die Vorbereitung zur That, so sehen wir auf dem
neueren Bilde die Judilh (wie sie auch schon in dem berühmten Gemälde
von Cr. Allori dargestellt war) nach vollbrachter That.^ Sie schreitet eben
aus dem Zelte in die Nacht hinaus und lässt mit der Linken das Haupt
des erschlagenen Heerführers in den Sack der Dienerin fallen, während
das Schwert ihrer Rechten entgleitet. Das Bild wirkt mit ausserordent-
licher Gewalt, was, wie ich glaube, im Wesentlichen durch die meister-
hafte, völlig individualisirende Charakteristik hervorgebracht wird. Die
ganze Erscheinung des Weibes vergegenwärtigt uns die nationellen und
die Culturverhältnisse, aus denen eine solche That, und unter solchen
Umständen, liervorging. Wir sehen es an dieser Tracht, an diesen Schmuck-
geräthen, dass wir uns auf altorientalischem Boden befinden; wir erkennen
in dieser Gesichtsbildung ebenso den eigenthümlichen Typus des alten
L Orients. Aber diese Züge haben in ihrer grossartigen Schönheit zugleich

^ den Ausdruck der gewaltigen Energie, die zu der That befähigte, und

zugleich sehen wir, wie in ihnen nunmehr, da die letztere vollbracht ist,
Siegesstolz und Blässe des Entschlusses auf eine dämonische Weise sich
f ' mischen; wir verstehen das mächtige gottbegeisterte Schweigen, in dem

C 1 sie ihren Weg Mandelt und weiter wandeln wird, bis sie die Thore von

: Bethulien erreicht hat. Gemalt ist das Bild in seinen Einzelheiten mit

grosser Meisterschaft, wie wir es nicht anders erwarten konnten. Alles
'' Stofüiche, besonders das durchschimmernde Gewand der Judith ist ebenso

'T I trefflich behandelt, wie das Nackte, namentlicli der nach vorn ausgestreckte

rechte Arm der Heldin. Und doch ist bei alledem der Eindruck nicht
recht befriedigend. Ich will dies weniger aus der geringeren Schüchtern-
heit der Franzosen gegen das Grässliche herleiten, das unsrer Phantasie
in diesem Bilde zur Linken, beim Einblick in das Zelt, durch den grossen
Blutfleck auf dem Lager und das Stück der herabhängenden Beine des
Holofernes vergegenwärtigt wird. Es fehlt aber zugleich in etwas an ma-
lerischer Gesammthaltung, indem die Wirkung des Helldunkels, auch in
der Carnatiou, durch hindurchrieselnde schwärzliche Töne beeinträchtigt
wird (ein Uebelstand, der mir schon früher an einzelnen Bildern Vernet's,
obgleich nicht au seinen grossen algierischen Gemälden in Versailles, be-
merklich geworden ist), und es fehlt sogar auch an hinreichender plasti-
scher Haltung. Suchen wir die Gründe für dieses Letztere, so wird es
uns schliesslich klar, dass die Gestalt der Judith nicht den rechten orga-
nischen Zusammenhang hat, ja, dass die verschiedenen Theile ihres Kör-
' pers einander nicht folgerichtig entsprechen. So sehen wir denn selbst

noch bei einem Vernet die Idee des Bildes einseitig überwiegen und die
i Wirkung desselben beeinträchtigt, womit die Darstellung trotz aller mei-

I sterlichen Praktik dennoch nicht zur vollkommenen Wahrheit ge-

diehen ist.

r Leichter machen es sich freilich manche andre Franzosen mit der Idee,

So R. Fleury, von dem unsre Ausstellung ein Bild mit einem mittelalter-
liehen Jüden-Massacre enthält. Was in diesem Bilde eigentlich vorgeht,
Grund und Ursach dieser entsetzlichen-Noth und Verwirrung, wird uns

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Berliner Briefe. G85

nicht recht klar, Wohl aber sehen wir darin einen Virtuosen vor uns, der
seine Gestalten energisch auf die Beine zu stellen versteht und eine vor-
treffliche Palette führt." Ein andres, kleineres Bild von' Fleury-,-Tasso im
Irrenhause, ist ansprechender in der Idee und in meisterhaft schöner ma- .

lerischer Wirkung durchgeführt. Von Lepoittevin und Biard haben '

wir vortreffliche, durch die Feinheit des malerischen Tones ausgezeich-
nete Genrebilder, während ein Paar andre, von Ch. Bennert (aus Köln)
und E. Beranger, minder bedeutend sind.

Unter den belgischen. Bildern nenne ich zünächst eins von Wap-^
pers. Es ist die derb gemalte Halbfigur eines gefesselten Mannes mit'
hoher Stirn, der mit düsterem Racheblicke den Beschauer flxirt. Der
Katalog sagt uns, dass dieser Mann Christoph Columbus heisst. — Von
de Keyser, der sich früher, z. B. in seiner grossen Schlacht von Wor-
ringen zu Brüssel, als leidenschaftlicher, etwas manieristischer Naturalist
bethätigt hatte, sahen wir schon vor nicht langer Zeit ein höchst elegan-
tes, fein gelecktes Boudoirbild, Rubens' Atelier vorstellend. Jetzt haben
wir von ihm ein ähnliches Bild auf der Ausstellung: einen Besuch, den
Maximilian, der deutsche Kaisersohn, und seiue junge Gemahlin Maria
von Burgund nebst Gefolge bei dem kranken Meister Hemling (alias Mem-
ling) im Johannishospital zu Brügge abstatten. Das Bildest ebenso fein
und glatt und sauber und berechnet und wunderwürdig in Allem, was
spitzer Pinsel und künstlerischer Calcul hervorbringen können; schade
nur, dass Geist und Leben ebenso fehlen! Mich hat es am meisten ver-*
drossen, dass dieser milchbärtige, langröckige Gesell mit seiner äusserst
herablässenden Handbewegung unsern -ehrlichen deutschen Max, unsern ij

„letzten Ritter", vorstellen soll." — Auch mit Feinheit und Glätte durch- ®

geführt, aber zugleich viel mehr Geist und Naivetät bezeugend, erscheint
ein Bild 'von L. Sommers in Antwerpen; es ist eine alterthflmliche
Musikaufführung in einem Chore junger Mädchen. Der Katalog verfehlt
nicht, uns den alten Musikdirector als den berühmten Meister Adrian '

Villaert von Brügge zu bezeichnen. — Andre Belgier finden es am be-
quemsten, sich diesen oder jenen alten Niederländer ohne Weiteres zum
Muster zu nehmen, wie Bouvy, der uns einen hübscheu Palamedes, und ii

Venneman, der uns einen Ostade geschickt hat. Ruytien und Car- f«

pentero bewegen sich in ihren hierher gesandten Gentescenen ebenfalls ^

ganz in der Richtung ihrer Altvordernwährend wir in einer schlichten
häuslichen Scene von de Bruycker doch ein wirklich naives Eingehen
auf die Motive der Gegenwart, zugleich mit schönem malerischem Sinne,
und..in einem Bilde von v. Hagn in Antwerpen (wohl einem Deutschen),
das einen lauschenden Spion darstellt, ein nicht minder frisches und kräf-
tiges Talent ;erkennen. — J.. Jacobs in Antwerpen hat ein energisch
gemaltes landschaftliches Bild, eine Ansicht der Ruinen von Karnak in '

Aegypten gebracht, dessen Wirkung leider nur wieder durch den Gold-
rahmen, der hier sogar in flachen ägyptischen Formen gebildet ist, beein-
trächtigt, wird. Von F. Vanseverdonck in Brüssel hat,die Ausstellung
ein Paar mit feiner Eleganz behandelte Landschaften mit Thieren, dejr ;

Richtung seines Landsmannes Verboeckhoven entsprechend.

Endlich sind noch einige unbedeutende holländische Landschaften zu )

nennen. Ein Paar von B. van/'Straaten, der mit mässigem Talent den j

älteren Holländera.nachz.ugehen scheint, und ein Paar von W. de Klerck, ?

der im Style jener eleganten Malereien, welche wir in unsrer Jugend auf i

.4

-1

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086 DericlitP, Kritiken, Erörternng(*ii.

den blechernen Präsentirtellorn zu bewundern allen Grund hatten, arbei-
tet. Melirere Marinen von Schotel zeichneu sich, wie stets seine Bilder,
durch grosse Wahrheit und Treue und prosaische Auffassung aus.

An die Malerei schliesse ich die vervielfältigenden Künste des Kupfer-
stiches, der Lithographie und des Holzschnittes an. Für Hebung und
Entfaltung des Kupferstiches von Seiten der Regierung, wie wohl in an-
dern Ländern, ist seither bei uns kaum etwas geschehen. Wir dürfen
uns daher nicht wundern, wenn wir im Fache des eigentlichen höheren
Stiches, in Linienmanier, nur Weniges und darunter wenig Bedeutendes
finden. Das schönste der ausgestellten Blätter dieser Art ist ein weibliches
Brustbild, von Mandel gestochen, das, bei leichter Ausführung, in der
ausserordentlichen Reinheit und Zartheit der Taillen sich dem Besten
seines Faches anreiht. Andre gute Linienstiche bemerkte ich von A.
Hoff mann und von Trossin. Ein grosses landschaftliches Blatt, „die
Blüthe Griechenlands," nach einer Schinkel'schen Composition von W.
Witthöft gestochen, ist jedenfalls eine sehr achtbare Arbeit in ihrer
Art, wenn auch ein wenig trocken. — Mehr Beifall scheint jetzt die durch
Liideritz wieder eingeführte geschabte Manier zu finden, die gewisser-
raaassen zwischen dem strengeren Kupferstich und der Lithographie (auch
im Preise) in der Mitte steht. Ph. H. Eichen s, H. Sagert u. A. m.
haben Gutes der Art geliefert. — Die Lithographie steht bei uns in er-
freulicher Blüthe, und auch der Ausstellung fehlt es nicht an Beispielen.
Den schon bekannteren Namen von Jentzen, C. Wildt, C. Fischer,
reiht sich hier u. A. Feckert mit ebenfalls trefflichen Leistungen an. —
Unser Holzschnitt hat sich seit einigen Jahren zu einer glänzenden Ent-
wickelung aufgeschwungen; unsre heueren Meister wissen sich in dieser
Technik mit einer Leichtigkeit, Freiheit und Grazie zu bewegen, dass
ihre Arbeiten , ohne doch das Eigenthümliche des Schnittes aufzugeben,
fast der Radirung zur Seite stehen. Unzelmann mit seinen Schülern,
darunter Albert und Otto Vogel, haben die trefflichsten Sachen der
Art ausgestellt, die zumeist für die Prachtausgabe der Werke Friedrichs
des Grossen bestimmt und nach A. Menzel's geistreichen (gelegentlich
etwas barocken) Zeichnungen gefertigt sind. — Noch habe ich einiger
grossen Originalradirungen, Ansichten von Lokalitäten Danzigs, zu ge-
denken, die J. C. Schultz in Danzig gearbeitet hat. Es scheint, dass
Schultz in diesen Blättern (wie Klein in München in den seinigen) un-
gleich Erfreulicheres leistet, als in seinen Gemälden, deren höhere Wir-
kung durch Härte und Kälte der Farben stets beeinträchtigt bleibt.

Die eigentliche Blüthe der hiesigen Kunst gehört unbedenklich dem
Fache der Bildhauerei an; in ihren Schöpfungen sehen wir die feinste
organische Durchbildung, die Entfaltung des edelsten, überall von der
natürlichen Grundlage getragenen Slyles.,^ Auf der gegenwärtigen Aus-
stellung ist dies Fach aber nur sehr ungenügend vertreten; die vorzüg-
lichsten Meister sind, wie ich Ihnen schon in meinem ersten Briefe schrieb,
augenblicklich, mit umfassenden monumentalen Arbeiten beschäftigt, so
dass sie theils nur minder Bedeutendes zur Ausstellung geben konnten,
theils ganz fehlen. So sehen wir zunächst von Rauch diesmal" nur
Weniges, in diesem Wenigen aber freilich wieder die Belege seiner höchst
gediegenen Meisterschaft. Die MarmorBüste eines älteren Mannes ist, bei
vortrefflicher Gesammthaltung, in merkwürdigster Naturlebendigkeit durch-
geführt. Aehnliches Verdienst hat eine zweite Büste in Gyps, die die

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Berliiiw Briefe. 687' J

Züge unsres verehrten Gartenkünstlers Lennd trägt. Dann hat Rauch das
Modell eines lebensgrossen, bittenden Mädchens im Kindesalter ausgestellt,
das nackt, dem Katalog zufolge nur als Studium behandelt ist, dabei aber
wieder die durch und durch gefühlte Nalurlebendigkeit mit edelster, rein-
ster Haltung in einer Weise verschmilzt, welch'e der Arbeit gleichwohl das
Gepräge dp abgeschlossenen Kunstwerkes giebt. Zu den" Studien für
Junge Künstler dürfte freilich nicht leicht ein besseres Modell zu finden
sein, — F. Tieck hat uns, ausser einer Büste, das halblebensgrosse Mo-
dell der Statue einer sitzenden Muse, eine Arbeit im wohl entwickelten,
mehr dekorativen Style, gebracht, — Wichmann, ausser einigen Büsten,
die Überlebensgrosse Statue Winckelmann's, im Kostüm seiner Zeit. Die
Arbeit ist mit aller erforderlichen meisterlichen Praktik durchgeführt,
will auf mich aber-nicht recht erfreulich wirken. Der Kopf wird ähnlich
sein; es fehlt mir in Stellung und Haltung Jedoch der begeisterungsvolle
Ernst, den wir bei der Erscheinung des grossen Propheten der Schönheit,
auch wenn er nicht auf griechische Weise idealisirt ist, nothwendig for-
dern müssen. Es kommt hinzu, dass der Künstler ihm, wohl um die
Erscheinung voller zu machen, einen Mantel gegeben, es aber doch nicht
gewagt hat, ihn den Mantel fest und sicher tragen zu lassen, Aeusser-
lichen Stylprincipien zu Liebe sinkt der Mantel (was freilich gar man-
chem Bildhauer heutiges Tages ganz unbedenklich scheint) zur Hälfte
herab und wir haben nun fortwährend die Sorge, dass der Mann im näch-
sten Augenblick, um den Mantel zu retten, seine monumentale Stellung
verlassen muss, so wohl diese überlegt sein mag. Wichmann's Talent
scheint mir nach einer andern Richtung als der der historisch-monumenT
talen Sculptur hin zu liegen.

Andres, wie eine grosse Marmorgruppe, Amor und Psyche, von
Berges, wie ein Amor in Marmor von E. Hopfgarten, wie ein Gyps-
modell des eisengepanzerten Kurfürsten Friedrich H, von Brandenburg,
etwa im Schwanthaler'sehen Style, von W. Stürmer, und wie eine An-
zahl von Schülerarbeiten hat auf nähere'Betrachtung nur mässigen Anspruch.
Das lebensgrosse Modell eines Jünglings, der,in ziemlich lebhafter Bewe-
gung eine Gans trägt, von Piehl, ist wohl gearbeitet, Avenn man auch
die dargestellte Situation nicht recht versteht, ebenso der Marmorkopf
eines Knaben, von A. Fischer. Eigenthümliches Interesse gewähren
ein Paar Arbeiten von B. Afiiiger, eine Statuette der Maria mit dem Kinde,
und ein kleines Bronzerelief mit der Darstellung .der Auferweckung des La-
zarus, das für einen Grabstein des Johanniskirchhofes zu Nürnberg bestimmt
ist. Afinger hat in diesen Arbeiten mit feinem Sinn, wenn auch nicht
eben mit reiner Naivetät, die mittelalterliche Behandlungsweise, beson-
ders wie sie bei Peter Vischer erscheint, nachgeahmt. — Vorzügliche
Bedeutung hat eine Anzahl von Thiersculpturen von Wilh. Wolff, ilie-
theils für den Bronzeguss bestimmt, theils schon als Bronzen ausgestellt
sind» Bereits auf der vorigen Ausstellung hatte diijser Künstler mit ähn-
lichen Arbeiten allgemeine Bewunderung hervorgerufen; auch diesmal
zeigt er sich der ganzen Organisation des thierischen Lebens und aller
leidenschaftlichen Erregung desselben, in Hunden, Panthern, Löwen, Ebern,
Schlangen, mit Meisterschaft mächtig.'» Ein Rehbock und ein Elennhir'sch
voü Bürde, ein Neufoundländer Hund, in Lebeiisgrösse von Möller
haben ebenfalls, wenigstens als gründliche Portraitarbeiten, ihren Werth.—
Einige, mit freier, bildnerischer Zierde versehene Decorationsarbeiten der

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G88 Berichte, Kritiken, Erörteruugeu.

•i 5

hiesigen Königl. Eiscngiesserei haben nicht ganz so angesprochen, wie
frühere Arbeiten dieser Anstalt. Mau vermisste in etwas den edleren
Styl in der Gesamintanordnung und die mehr classische Durchbildung
in den Sculpturen, die ihre grösseren Leistungen sonst auszuzeichnen
pflegte. ' , ^ ...

Von uuserm Landsmann Emil Wolff in Rom hat die Ausstellung
eine mit feinem Geschmack durchgearbeitete Marmorbüste unsres Akade-
rniedirektors, G. Schadovv. — Ausserdem sind aus Rom zwei grössere
Marmorsculpturen von Steinhäuser eingesandt. Die eine ist die Statue
eines nackten Jünglings, im Charakter eines Apollino, der die Geige spielt
und über dessen Rücken die Chlamys niederhängt. Die Einführung der
modernen Geige in die Zustände' griechischer Nacktheit macht sich ein
wenig seltsam (seltsamer als auf Raphaels Parnass); abgesehen aber davon
zeichriet sich die Arbeit durch einen sehr zarten, fast musikalischen Fluss
der Formen aus. Es ist jedenfalls eins der schönsten Stücke der Aus-
stellung. Noch ungleich bedeutender indess ist Steinhäuser's zweite Ar-
beit, eine Gruppe lebensgrosser Gestalten, Hero und Leander. Hero, nur
halb mit einem Gewände bedeckt, sitzt am Ufer, aus dessen Wellen der
Geliebte so eben emporgetaucht ist; er liegt ihr zur Seite, sie umschlin-
gend, sich halb an ihr emporrichtend. Sie hat sein Haupt gefasst und
blickt ihm in das schöne, halb erschöpfte und doch liebeselige Antlitz.
Die Composition der Gruppe, bei dem wechselseitigen Umschlingen der
Gestalten, war gewiss keine ganz leichte Aufgabe; auch scheint es mir,
I dass hier und dort der Rhythmus der Linien noch harmonischer lauten

|i. könnte. Gleichwohl aber ist das Wesentliche der Aufgabe so glücklich

II gelöst, ist der Ausdruck des Gefühles nach den verschiedenen Bedingnissen

! der Situation so lebendig gegeben und durch die Gestalten selbst durcli-

.. geführt, Ist in diesen eine so feine Beobachtung edel schöner jugendlicher

Formen entwickelt, dass wir der Arbeit unbedingt einen sehr bedeuten-
den Rang unter den Leistungen der Gegenwart zuerkennen müssen, wie
'' wir überhaupt Steinhäuser zu den schönsten Talenten seines Faches zählen.

; Zur Sculptur gehört noch, als ein interessantes und in seiner monu-

4 mentalen Bedeutung eigenthümlich wichtiges Nebenfach, die Kunst der

MedaiUenarbeit. Es fehlt der Ausstellung nicht an mancherlei Beispielen,
I die den gegenwärtigen Zustand desselben in Berlin dokumentiren. Die

•,j Summe dieser Dokumente giebt aber ein betrübtes Resultat: es ist keine

wahrhafte Kunstarbeit darunter, vielmehr, wenigstens in bei weitem über-
wiegendem Maasse, nur eine mehr oder weniger entwickelte, gelegentlich
auch nur sehr leere handwerkliche Thätigkeit vorherrschend. Von -einer
Medaille zwar hätte ich dies, nach dem Namen und den früheren Lei-
stungen des Medailleurs und nach den vorangegangenen öil'entlichen Lob-
- preisungen der Medaille, nicht. erwartet. Dies ist die auf Alexander
'' V, Humboldt geprägte, von K. Fischer gearbeitete grosse sogenannte

„Kosmos-Medaille." Die Vorderseite enthält das Profilbild des Gefeierten,
I von Fischer nach dem Leben modellirt, allerdings ähnlich und nicht ohne

i Lebendigkeit, aber sowohl überhaupt ohne höheren plastischen als ohne

den speziellen Medaillenstyl, den Fischer in den Arbeiten früherer Jahre
fj- so meisterlich zu erreichen gewusst hat. Auf der Rückseite ist eine reiche

und sehr complicirte Darstellung, und zwar nach Comelius'Composition,
enthalten. Zu äusserst ein breiter Rand mit den sämmtlichen Gestalten
des Thierkreises. Tnuerhalb desselben 'ein starker Kranz von allerhand

.... 1

i'

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Berliiiw Briefe. 689' J

Blumen und Früchten. Innerhalb des Kranzes ein geflügelter Genius,
sitzend, ein nach oben gerichtetes Fernrohr, um welches ein nach uqten
hinab fallendes Senkblei gewickelt ist, in der Linken, während er mit der
Rechten eine ephesische Diana entschleiert; zwischen der Diana und dem
Genius sitzt eine Sphinx, die zu ihm emporschaut. Die Gruppe sitzt über
einem Abschnitt, der dürch Wellenverzierung und Delphine als,das Meer
bezeichnet wird und in deti jenes Senkblei hineinreicht. Ueber dem Ge-
nius steht mit griechischen Buchstaben der Titel von Uumboldt's berühm-
tem neustem Werke: Kosmos. Dass die Rückseite keinen plastischen Ein-
druck macht, ist allerdings nicht Schuld des Medailleurs; im Gegentheil
hat er im Einzelnen das Mögliche gethan und namentlich die Gestalt'des
Genius anmuthig durchgebildete .Durch seine Mühe war aber überhaupt
einer Composition, die in eine solche Masse, von zerstreuenden Einzel-
heiten und Einzelgedanken zerfällt, nicht aufzuhelfen, weder um für die
Form, noch um für den Gedanken irgend eine Art der Antike verwandter
Simplicität zu erreichen '). -

Ich habe schliesslich noch über die architektonischen Entwürfe zu
berichten, welche die Ausstellung, ob auch in sehr beschränkter Zahlj
enthält. Zumeist haben mir unter diesen die von F. Hitzig zugesagt. Sie
haben durch das klar abgewogene Maass. det, Verhältnisse, durch eine
künstlerische Ausgestaltung des Einzelnen, welche sich ungesucht aus der
Gesammtanlage ergiebt, und durch den geschmackvoll reinen Styl, der
auf der Grundlage der Schinkel'schen Schule beruht, etwas sehr Anspre-
chendes. Mehrere dieser Entwürfe enthalten .die Zeichnungen hier ausge-
führter Gebäude; ich habe mich gefreut, aus ihnen den Baumeister eines
Theiles der vorzüglichst geschmackvollen Privatwohnungen, die sich west-
wärts vor nnsern Thoren befinden, kennen zu lernen. «Ein Paar andre
Entwürfe sind, nach Angabe des Katalogs, ausserhalb ausgeführt worden.
Der eine enthält die D'irstellung einer Begräbnisskapelle in ruhig ernsten
rundbogigen Formen, ohne die Sonderbarkeiten, zu denen die Verehrer
des romanischen oder byzantinischen Styles sich so oft veranlasst sehen;
der andre ein zierliches Schweizffhäuschen, bei dessen Dekorationen das

') Ein Freund stellt mir nachträglich noch eine gedruckte Erklärung der
Medaille zu.* Hieraus ergiebt sich, dass die lunfzehn Pflanzen des Kranzes (de-
ren botanische Namen genau angegeben sind) sämmtlich auf Huinboldt's Reisen
Bezug haben und dass die Fische im Abschnitt unter der Gruppe zugleich auf
die Erforschung der elektrischen Erscheinungen "in der Thierwelt hindeuten sol-
len, Es ist gut^ _dass wir dies gedruckt haben , sonst möchten wir aus 'näher
liegenden Gründen noch Andres aus »den P'ischen herauszudeuten geneigt sein.
Sie könnten z. B., wie schon Peter Vischer einen Fisch als KUnstlerzeioheii
führte, -den Namen des Medailleurs vertreten; oder sie könnten auch, da der.
Fisch bekanntlich eins der wichtigsten altchristlichen Symbole ist, dazu dienen,
das Geheimniss des. Christenthums als den Mittelpunkt der Dinge der Welt zu
bezeichnen, — Ich muss dabei doch noch einer andern grossen Medaille der
Ausstellung gedenken' Diese ist auf den Geh. Rath. Beuth geprägt und von
Lorenz gearbeitet. Hier sieht man auf der Rückseite eine Anzahl Maschinen
dargestellt und davor einen grossen Victorienartigen Genius, der beschäftigt ist,
Würfel auszusäen. Eine Erläuterung dieser eigenthümlichen Vorstellung wird
unS nicht gegeben, und auch ich habe raoinen Scharfsinn, der sich bei den
Fischen der Kosmos-Medaille docjr einigermaassen zu bewähren vermochte, zur
Lösung des Räthsels vergebens angestrengt.

Kugler, Kleine Schriflen. III. * 44

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

moderne Element sich wiederum in völlig ungesuchter Weis^ bethätigt
hat, — Andre Entwürfe zu ausgeführten Bauten rühren von Knoblauch
her. Unter diesen sind besonders die Zeichnungen zu verschiedenen
Schlössern anzuführen, die in einer Art normannischen Styles, aber zu-
gleich in einer etwas trocken-dekorativen Weise durchgebildet sind. Dann
ist von Knoblauch der Entwurf zu einer protestantischen Kirche (in Rissen
und mit einer kolorirten Perspektive des Innern) vorhanden. Es ist ein
länglich rechteckiges Gebäude, bedeckt mit einem flachen Spiegelgewölbe,
von dem sich eine starkgebogene Voute zu den Seitenwänden hinüber-
schwingt. Die Fenster und die tiefen Fensternischen sind schlank spitz-
bogig; die spitzbogige Gewölbkappe der Nischen greift in die Voute
hinein, was sich nicht sehr stylmässig ausnimmt. Das Ganze hat eben
auch nur einen sauber dekorativen Charakter.

Eine Anzahl architektonischer Entwürfe rührt von Gemmel in Kö-
nigsberg her, den wir schon als tüchtigen Architekturmaler kennen gelernt
haben. Es sind fast durchgängig Entwürfe und Risse zu Umbauten oder zu
Neubauten für Königsberg, auf besondre vorhandene Gebäude oder doch
auf, zum Theil (wie es scheint) eigenthümliche Lokalbedingungen bezüg-
lich. Sie haben mehr oder weniger etwas Grandioses in der llauptcom-
position und zeigen, vornehmlich wo die Formenbehandlung sich der der
mittelalterlichen Style annähert, einen geschmackvoll dekorativen Sinn,
während sie sich allerdings in den gewöhnlichen, italienisch-modernen
Formen nicht mit gleichem Glücke bewegen. Doch zeigt der Entwurf zum
Umbau eines Portales vom Königsberger Schlosse eine schöne Behandlung
der Formen des Renaissancestyles. Der Entwurf zu Bauerhäusern, wie-
derum nach Maassgabe der Bedürfnisse des preussischen Landes und des
zu Gebote stehenden Materials, wendet für diese Zwecke mit Glück die
bei den schweizerischen und den Tyroler Häusern befolgten Grundsätze
an. — Die Entwürfe Gemmel's zu einem Ständehause in Pesth, die im
Kataloge mit verzeichnet sind, habe ich auf der Ausstellung nicht wahr-
genommen.

Den Beschluss mache ich mit den Entwürfen zu einer grossen Kirche
von Martius, die sich als Nachläufer der verschiedenartigen Reichs-
dombau-Entwürfe, welche uns die letzten Jahre von verschiedenen Seiten
her gebracht hatten, kund geben. Es ist ein quadratisches Gebäude, in
der Mitte vier mächtige Pfeiler mit Rundbögen, über denen sich eine
Kuppel erhebt. Vier Treppenthürme stehen auf d«n Ecken des Gebäudes,
vorn tritt ein Portikus vor, hinterwärts die Abside des Altars', zu den
Seiten lehnen sich achteckige Kapellen au. Die Bauformen sind vorherr-
schend die des Rundbogens, Durchbildung und Behandlung der Formen
zeigen ein Gemisch von gothischem Wesen und dem der Renaissance. Der
grosse Kuppelthurm in der Mitte und die vier Eckthürme sind mit durch-
brochenen (und, wie es scheint, aus Eisen construirten) Helmen in spitz-
bogiger Form bedeckt. Es lässt sich nicht läugnen, dass das Alles einen
ziemlich Rococo-artigen Eindruck macht. Die eine Eckkapelle bildet das
Baptisterium, die andre, in zwei heizbare Geschosse zerfallend, ist unten
zum Confirmandenunterricht, oben zur Abhaltung von Synodal- und Pres-
byterialversammlungen bestimmt. — Der Verfertiger ist mit seiner Arbeit
post festum gekommen. Der Strom der Zeit wird diese papierneu Ent-
würfe, wie so manche andre, an denen die Welt in diesem Augenblick
arbeitet, mit sich hinabführen.

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Berliner Briefe. G91

Ich habe in meinem Schveibeifcr über den. Schluss.der Kunstausstel-
lung hinausgeschrieben. 'Schon vorgestern, am Sonntag Nachmittag, haben
ihre Pforten sich geschlossen; ein prächtiges Gewitter, das über Berlin
hinzog und die schwüle Sommerluft in unsern Gassen ein wenig milderte,
anderwärts aber mit seinen Hagelkugeln die Saaten zerfetzte und Thiere
erschlug, spielte ihr das Finale. Die Vertreter unsrer dermaligen Kunst,
die in den Räumen der Akademie versammelt waren, zerstreuen sich nun
nach den vier Winden und gehen an'die Orte ihrer eigentlichen Lebens-
bestimmung über oder kehren in die einsamen Werkstätten ihrer Ur-
heber zurück.

Es war das letzte Kunstpärlanient alten Styles, das wir gehabt haben.
Jedermann fühlt, dass vieles anders werden muss, wie im Leben,'so in
der Kunst. Innerlich meint Jeder seiner Sache sicher zu sein: so fängt
man es denn billiger-Weise mit deii äusseren Formen und Gesetzen an.
Hier und dort tagen die Künstler über ihre Bedürfnisse und über die ihrer
Kunst, über das, was derselben behufs tieferer Einwirkung auf das Volk
Noth thut und über die Stellung, die sie für das Bereich und den Stand
ihrer Thätigkeit im öffentlichen'Leben in Anspruch nehmen wollen. Hier
und dort werden Petitionen in diesem Sinne an die eigenen Landesregie-
rungen und an die allgemeine deutsche Nationalversammlung in Frankfurt
beratheu, beschlossen, vorgelegt.

Mich aber will es bedünken, als ob es noch ein wenig früh am Tage
sei. Ich glaube, die Sonne steckt noch hinter den Bergen, und was ihr
dafür haltet, möchte noch erst irgend ein dunstiges Sclieinbild sein. Die
Zeit und das Vaterland wollen sich erneuen;' aber ihr wisst es, der alte
Wundervogel des Orients bedarf, ehe er sich verjüngt, einer Läuterung in
Flammen. Grosse Geschicke schreiten zunächst heran, bitter ernste, den
Boden, auf dem wir augenblicklich noch stehen, bis in seine Grundvesteii
erscliütternde. Da wird manch ein Kartenhaus, das ihr jetzt mit alter
deutscher Gemüthlichkeit aufbaut^ zusammenbrechen, und manchem schö-
nen Talente wird, ehe es zur neuen künstlerischen That kommt, Kraft
und Hoffnung entschwunden sein.

Einst aber wird der Tag eine's neuen Vate'rlandes, eines neuen Volks-
thiims erscheinen. Dann wird man 'auch einer neuen Kunst bedürfen^ und
die Formen ihrer Bethätigungj, ihrer Stellung im Leben _werden sich von
selber machen. Dann wird man "sich umschauen nach den Kräften* der
alten Zeit, welche die Stürme überdauert~haben, nach_ den neuen Kräften,
welche die Zeit gereift hat. • ,

Und ob es mir beschieden sein wird, die Feder dann wieder aufzu-
nehmen und die neue Epoche der vaterländischen Kunst zu begrüssen ?

Berlin, den 20! Juni'1848. ') '

') „Sed quaedam secus quam dieta siut cadere." , - ,

" Tacitus. -

m

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(.iy2 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

R a n d z e i c h n II 11 g.

(Kunstblatt 1848, No. 48.)

! i

Y'i

Dem deutschen Volke, seinen Fürsten und Regierungen,

dassi wer geknechtet, werde frei,
im alten Recht das neue sei.

Otto Speckter gez. und lith. Mai 1848. Gedruckt von Speckter &

Comp. Hamburg. Fol.

Das Blatt, das die vorstehende -Unterschrift führt, enthält ein kräfti-
ges Gedicht, welches das neue Recht im alten, die neue Freiheit und
Einigkeit Deutschlands in der alten singt und kündet. Das Gedicht be-
findet sich auf einer Fahne, die von einem Eichbaum niederhängt; die
Zweige des letzteren umschliessen einzelne Bilder, in denen die Tüchtig-
keit des acht deutscheu Wesens, wie es der Zeichner eben aufgefasst hat,
in den verschiedenen Momenten seiner ötfentlichen Bethätigung dargestellt
und der wüsten Völkerbeglückung ä la fran§aise (auch nach der Auffas-
sung des Zeichners) gegenübergestellt ist. Es sind eine Menge kleiner
Einzelbezüge neben den Hauptsachen wahrzunehmen; auch flattern aller-
lei Fähnlein und Bänder mit erklärenden Inschriften hinein. Das Haupt-
bild, oberwärts, stellt eine deutsche Kaiserwahl dar, der Kaiser mit modern
individuellen Zügen, die Darstellung im Uebrigen im mittelalterlichen
Kostüm, wie wir dasselbe aus Bildern romantischer Schulen oder von der
Bühne her kennen. Für die künstlerische Behandlung genügt es, den Na-
men des Zeichners zu nennen; er bürgt dafür, dass wir es hier nicht mit
einer Speculation auf die Leidenschaften des Augenblicks, sondern mit
einer Kunstarbeit zu thun haben.

Freilich aber ist das ganze Blatt doch eben ein Tendenzblatt und
daher die Frage, wie es sich zu den Tendenzen der Gegenwart verhalte,
nicht wohl zu umgehen. Es ist viel darin enthalten und es Hesse sich
viel darüber sagen. Es könnte z. B. iu Frage kommen, ob die Gegen-
sätze der Zeit sich so einfach auseinanderlegen, wie es hier, dargestellt
ist, und,ob Einem die Wahl so leicht gemacht wird, wie hier durch die
Bilder von Volksglück und Zerrüttung. Es könnte auch zweifelhaft er-
scheinen, ob die heutige Zeit sich wirklich frei und ungezwungen in den
mittelalterlichen Kostümen bewegen und ob sie in dieser Bewegung die
wohl stylisirten Falten ihrer weiten Gewandung bewahren möchte. Ich
benutze indess sehr gern das Recht des Kunstblattes, über dergleichen
Dinge keinen Aufschluss zu geben und dies lieber den publicistischen
Colleginnen zu überlassen. Dem wackern Künstler aber wollen wir, trotz
unsrer stillen Bedenken und ohne ihm unser wehmüthiges Lächeln allzu
deutlich zu offenbaren, doch herzlich die Hand drücken.

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L'andscliaftliche ßadirungeu. 693

Auswahl laudscbiiftlicli er Radirungen von C. W. Kolbe. Erstes
und zweites Heft, Berlin, 1848. Verlag von Dietrich Heimer. Quer-Fol.

(lüinstblatt 4848, No. 56.) , ..

_ Der Dainpfwagen führt ulis heutiges Tages im Fluge durch das
Dessauer Ländchen hindurch, und sein Ungestüm lässt uns kaum Zeit, auf
die anmuthigen Waldpartieen, die wir.durchschneiden oder die sich unfern
von der Eisenbahn hinziehen,.auch nur einen flüchtigen Blick zu werfen.
Die Umgegend von Dessau hat aber ihre grossen und eigenthümlichen'
Reize. Die lange Regierung des früheren Fürsten, nachmaligen Herzogs
Leopold Friedrich Franz, in der zweiten Hälfte des vorigen und in den
ersten Decenuien dieses Jahrhunderts, die dem Lande so viele Wohlthaten
gab und sicherte, hat auch seiner äusseten Gestalt das anmuthigste Ge-
präge aufgedrückt. Der Fürst war bemüht,, seiner poetischen Lebensan-
schauung eine auf das Volk wirkende, feste, dauerbare Gestalt zu geben.
Vieles davon, was mit' den sentimental-poetischen Neigungen der Zeit
unmittelbar zusammenhing— seine Tempel, Nymphäen, künstlichen Fels-
grotten, Denkmäler, Einsiedeleien u. dergl,, in den Parks von Wörlitz
und Dessau — will uns heute zwar nicht mehr sonderlich anmuthen; aber
glücklicherweise hat er sich hierauf keineswegs beschränkt. Der frische
Laubwuchs der grossen Gartenanlagen, mit feinem Sinne künstlerisch an-
geordnet, bringt noch heute die edels'ten und wohlgefälligsten Bilder
hervor, in deren Einschluss selbst jene Aeusserungen eines künstlich
spielenden Geschmackes nicht ganz unberechtigt erscheinen. Und, was
mir noch ungleich bemerkenswerther erscheint, mit demselben_Sinne ist
grossentheils auch die freie Landschaft behandelt. Die OeTtonomie, zumal
im fruchtbaren Lande, ist mit ihren scharf und geradlinig abschliessenden
Gränzen nur zu häufig die Feindin der edleten Form. Hier sehen wir
auch die Gesetze der letzteren gern festgehalten. Besonders bei den
üebergängen der Eichenwälder 'in die freien Wiesenflächen ist dies der
Fall; die Conture der Wälder sind bewegt und nicht selten springen
einzelne Bäume oder Gruppen oder Baumreihen in die Wiese hinein, dem
Auge das volle Bild des landschaftlichen Wechsels gewährend. ,Es ist
etwas von der Disposition Claude Lorrain'scher Landschaften darin; und
ich glaube auch, daSs die Anlagen in mehr- als einem Falle nach den
Compositionsprinzipien des grossen Landschafters gemacht sind; es ist
möglich, dass dergleichen zu Anfang sich mehr oder weniger steif aus-
genommen hat; jetzt, nachdem so viele Jahrzehnte darüber hingegangen
sind,, erscheint Alles der Art in die freie, selbständige Oekonomie der
Natur und des Bedürfnisses aufgelöst. . '

Ein so schön gestaltetes Naturlebeh, wenn die Gegend an sich auch
flach und durch irgend bedeutendere Formationen des Terrains nicht be-
günstigt war, musste dem nachbildienden Künstler unbedenklich den man-
nigfachsten Stofl' und die schätzbarsten Motive geben. C. W. Kolbe, ein
Berliner von Geburt (er starb 1835, über 70 Jahre alt), ist es, der hier
das Feld für seine künstleris^ie Thätigkeit gefunden hat. Gemalt hat er,
soviel ich weiss, nicht; aber in einer höchst bedeutenden Anzahl von
Rudirungen, zumeist in sehr grossem Format, hat er seinen künstlerischen

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094 Berichte, Kritiken, Erorteningeii.

Bedürfnissen, jener Natur gegenüber, Genüge zu leisten gewusst. Der
volle kräftige Bauinwuchs, wie er sich dort zeigt, oft in einer Anordnung,
die jenen geschmackvollen ÜebergäügCn vom Wald zur Wiese entspricht,
bildet den Hauptinhalt fast aller seiner Blätter; am liebsten stellt er die
Eichen dar, die im Dessauischen so vortrefflich gedeihen; nur in unter-
geordnetem Maasse, je nach dem Erforderniss der Composition, und be-
sonders wenn etwa Bauerhütten den Mittelpunkt ausmachen und' es somit
auf das nähere Einleben des Menschen in die Natur ankömmt, reihen sich
ihnen Weiden, Erlen, Buchen u. dergl. au. Ueberall sehen wir eine freie
Naturauffassung und einen energisch unbefangenen "Vortrag in diesen Ar-
beiten, die ihnen zugleich die Eigenschaft schätzbarer Belegstücke für den
allgemeinen Aufschwung der vaterländischen Kunst zu jener Zeit geben
und sie den Blättern eines Ferdinand Kobell und Anderer anreihen.
Macht sich hie und da in Composition, Ausführung oder Behandlung jene
mehr auf sentimentaler Grundlage beruhende (und daher etwas conven-
tioneile) Naturautfassung geltend, so darf dies.nicht befremden; doch ist
es in der That nur in sehr^wenig auffälliger Weise der Fall. Einzelne
Blätter sind als reiche Kräuterstudien ausgezeichnet und bekunden auch
in dieser Weise das nai.ve Eingehen auf das Vorbild der Natur. Es ist
indess kaum nöthig, alles dies hier näher zu berühren, da die Blätter den
Liebhabern ohne Zweifel wohlbekannt sind,

Das in der Ueberschrift genannte Unternehmen scheint dazu bestimmt,
dem Publikum eine grössere Folge von Kolbe's Kadirungen in neuen Ab-
drücken vorzuführen. Gewiss ist dasselbe sehr anerkennungswerth, und
wird das mehrfache Interesse, das diese Blätter —^ im selbständig künst-
lerischen Belang, für das Studium und als Dokument der Geschmacksrich-
tung ihrer Entstehungszeit - gewähren, ihnen ohne Zweifel die Gunst
jf auch der Gegenwart sichern. Ueber den Inhalt des Einzelnen lässt sich

'v wenig sagen: es sind eben die einfachsten landschaftlichen Motive, in der

vorhin geschilderten Art, die aber, wie die Natur stets neu ist, so auch
in ihrer Darstellung einen stäts neuen künstlerischen Eindruck hervor-
bringen. Eins der Blätter ist ein prachtvolles Kräuterstudium, doch mit
seltsam sentimentaler Beigabe; die Pflanzen und Stauden wölben sich
nämlich über einem Sarkophage mit dem bekannten „Et in Arcädia ego,"
I ' und davor stehen ein paa^r Arkadier in sinnlich nüchtern akademischer

k Stellung, deren kleine Körperdimension den Kräutern die Kolossalität

i " einer tropischen Vegetation gibt. Doch nimmt der scurrile Einfall dem

Blatte von seinem sonstigen Werthe nichts. Einige Blätter sind leider von
1" Platten genommen, die wohl schori ziemlich angegriffen sind; sie gewäh-

|f ren im Abdruck (wenigstens nach den mir vorliegenden Exemplaren zu

tirtheilen) nicht mehr ein recht markiges Bild, Jedes Heft hat acht Blät-
ter; ausserdem sind auf den Umschlägen, als Vignetten zum Titel, kleine
Platten von besonders geistreicher Behandlung mit abgedruckt.

■Uli ' --------' II II llfM

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Der fünfte Deconiber MDCCCXLVIII. 695

Dcv fünfte Decenibe-r MDCCCXLVIII. Herausg. von'Friedrich
Unzelmann. Berlin. Verlan der Decker'schenGeh. Ober-Hofbuchdruckerei.
. ; ^ 1849. Fol.

(Kunstbla'tt 1849, No. 19.)

Unter diesem. Titel und in besonderem Umschlage ist so eben ein
Holzschnittdruck erschienen, der dem Gedächtniss der preu§sischen Ver-
fassung vom 5. December 1848 gewidmet ist. Die Gestalt einer Borussia
tritt zur Seite eines Vorhanges hervor, mit erhobener Rechten die Urkunde
und ein Schv^^ert emporhaltend, mit der Linken den Vorhang von einem
Medaillon mit dem Bilde des Königs weghebend. Die Composition des
Bildes ist von Bürger, der Holzschnitt von F. Unzelmann. Ein vor-
geheftetes Gedicht, von dem letz.teren, spricht sich patriotisch über den
Gewinn der Verfassung aus. — Im Interesse des Kunstblattes ist besoii-
ders die hier da'rgelegte Technik des Holzschnittes, der an sich etwa
7V2-Zoll Höhe bei S^/g Zoll Breite hat, zu besprechen. Unzelmann hat
alle Kräfte und Mittel seines Kunstfaches .aufgeboten, um die That des
5. December durch ein gediegenes Meisterwerk zu feiern. Es ist eine
Feinheit und Leichtigkeit in den Strichlagen des Blattes, die schwerlich
durch andre Leistungen überboten wird. Zugleich ist, dqrch Anwendung
von drei Platten, ein höherer malerischer Effect erreicht. -Eine helle Platte
mit ausgestochenen Lichtern, zum Theil von .sehr glänzender Wirkung,
gibt den allgemeinen Ton des Blattes. Eine Platte von mittlerem und eine
von dunklerem Ton geben sodann, bei vortrefflicher Disposition der Töne,
die Modellirung und die weitere malerische Haltung, beide in eigenthüm-
lichen Linien und Schraffirungen^ die erste für einzelne -Partien auch den
aligemeinen tieferen Grundton. Wir können solche Leistungen der vater-
ländischen Kunsttechnik nur mit gerechtem Stolz begrüssen und haben nur
zu wünschen, dass sie immer durch Aufgaben von würdiger künstlerischer
Bedeutung getragen werden möge.

Die Heirathsvermittelung. Gemalt von Karl Hübrier. Gestochen

von Fr. Oldermann. Der schlesische Kunstverein seinen Mitgliedern, 1848.

*

■wpwill»

^ ' . (Kunstblatt' 1849, No. 22.)

■lütM'aü

Ein grosses Blatt von 17V2 Zoll Höhe und 22 Zoll Breite. Eine Com-
position des Meisters, der durch seine grossen tendenziösen Bilder einen
sehr bekannten Namen erworben hat, diesmal scheinbar eine .einfache
Genrescene. Es ist das Innere eines Försterhauses. Der alte bärtige Förster
sitzt vferdriesslich am Tisch, gegen das Fenster; der junge Schulmeister
liat um seine Tochter angehalten; er möchte gern Nein sagen und ballt
die Faust vor sich hin, aber die Mütter, die den künftigen Schwiegersohn
an der Hand hält, wird die Sache mit ihrem klugen Zureden schon ins

-ocr page 697-

69() Berichte, Kritiken, Erörteniugeii.

rechte Gleis briugeu; die Tochter lauscht besorglich im Hintergründe. Die
Gestalten stehen etwas vereinzelt neben einander, doch sind sie voll aus-
geprägten Characters, der unser Interesse lebhaft fesselt. Wir kennen diese
Naturen, es sind Verwandte von denen, die uns aus Berthold Auerbach's
Dorfgeschichten in der Erinnerung leben; und wie in Auerbach's Geschich-
ten, so gewinnt ihr Beisammensein auch hier Bezüge, die wieder über
die schlichte Situation des Genrebildes hinausgehen. Der alte Förster ist
der Repräsentant derber selbständiger Volksnatur. Der Eidam ist ihm
nicht recht, weil er Kniehosen und schwarze Strümpfe und Schnallen-
schuhe und keine Büchse trägt. Aber die Sache wird sich finden, sie
werden doch zusammen ihre Wege gehen. Der Bursch steht trotz seines
pastoralmässigen Unterkostüms sehr fest auf seinen Beinen; sein Gesicht,
augenblicklich zweifelhaft, trägt im üebrigen ein sehr entschiedenes Ge-
präge, das sich, einmal aufgeregt, zu starrer Leidenschaft entwickeln dürfte.
Er wird ein starker Fürsprecher für die Angelegenheiten der Landgemeinde
werden. Aber, wie in dem Kopfe des Alten keine sonderliclie geistige
Tiefe, so ist auch in seinem etwas Befangenes, Beschränktes. Er wird
in den Kämpfen der Zukunft nicht siegen, und das Stück wird muthmaass-
lich, gerade wie es Auerbach liebt, mit einer Auswanderung nach Amerika
schliessen. — Sollte ich hiemit etwas zu weit interpretirt haben, so
spricht es doch immer für den geistigen Gehalt eines Kunstwerkes, wenn
man sich zu solchen Erklärungen angereizt findet, Schade nur, dass das
Mädchen dem Beschauer nicht auch ein namhaftes Interesse einflösst! man
vermuthet ein lebhafteres Band von dem jungen Schulmeister zu dem alten
Förster hin, als rückwärts zu dessen Tochter. — Der Stich, wie es scheint,
ist in Aquatinta ausgeführt, im Einzelnen der geschabten Manier sehr
ähnlich. Er ist mit. Sorgfalt und mit lebendigem Eingehen in das Charak-
teristische durchgearbeitet. Dass die Lichter hie und da etwas flüchtig
Springendes haben, übersieht mau gern; in der Totalwirkung wäre etwas
mehr Luft zu wünschen. Jedenfalls wird das Blatt den Freunden solcher
Darstellungen eine willkommene Gabe sein.

Das Denkmal König Friedrich Wilhelms III. im Thiergarten zu

Berlin.

(Geschichte seiner Entstehung und Ausführung, io den Grundstein eingelegt.)

Am 7. Juni 1840, kurz vor Vollendung seines. siebzigsten Lebens-
jahres, war König Friedrich Wilhelm lü. gestorben. Nachdem er mit
seinem Volke das Joch der Fremdherrschaft siegreich abgeworfen, hatte
er ein Vierteljahrhuudert in ungestörtem Frieden geherrscht iund vielfäl-
tige Wohlthaten über seinen Staat und über sein Volk ausgebreitet. Seine
Residenzstadt Berlin hatte sich deren vorzugsweise zu erfreuen gehabt.
Daher sprach.sich in ihr unverholen, duxch alle Stufen der Gesellschaft,
die tiefste Trauer über seineu Hintritt aus; daher ward in ihr sofort der
Wunsch rege, dem hohen Verewigten, als bleibendes Zeichen treuer Liebe

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Deukiiia] König Friedrieb Wilhelms JH. im Thiergarten zu Berlin. 697

und Verehrung, ein Denkmal zu errichten. Ein Verein von patriotisch-
gesinnten Männern trat zusammen,- um diesen Gedanken ins. Leben zu
führen. Ein aus seiner Mitte gewählter Ausschuss übernahm die, zu die-
sem Zwecke erforderlichen Geschäfte.- Jeder unter den Bewohnern Berlins
ward zur Theilnahme aufgefordert; jede Beisteuer wurde dankbar ent-
gegengenommen.

Eins der letzten Geschenke, welche Berlin der Huld des hingeschie-
denen Königs verdankt, war die üinschaffung des Thiergartens in ejnen
weiten, reizvollen Park, 'der die Bewohner der Stadt von den Mühen der
Tagesarbeit und dem Staube der Strassen fort-und fort in seine grünen
Schatten hinauslockt, ihnen Erheiterung, Erfrischung, Kräftigung gewäh-
rend. Der Thiergarten ward zur Stätte 'des Denkmales ausersehen; auf
seine Neugestaltung sollte dasselbe zunächst Bezug haben; ihm sollte es,
wie es den bleibenden Dank für die königliche Gnade aussprach, selber
zur bleibenden Zierde gereichen. Der Bildhauer Friedrich Drake, zur
Ausführung der künstlerischen Arbeit-ausersehen, fertigte den Entwurf des
Denkmales. Der Nachfolger des verewigten Monarchen, König Friedrich
Wilhelm IV.,' gab dem Plane, in warmer Anerkennung des zu Grunde
liegenden Gedankens , seine hohe Zustimmung. ,

Eine kleine InSel des Thiergartens ;ist dem Gedächtniss der hochseli-
gen Königin Lou.ise gewidmet. Alljährlich, wenn der Schnee schmilzt,
bedeckt sie sich in Fülle mit den ersten Blumen des Frühlings^ Auf ihr
steht öin kleines Marmordenkmal, welches, ohne weitere bildliche Darstel-
lung , die daran enthaltene Inschrift nur mit einer einfach künstlerischen
Schmuckform umgiebt. Das Denkmal für König Friedrieb Wilhelm III.
war ähnlich entworfen, aber umfassender, reicher, mit belebteren künstle-
rischen Zierden ausgestattet. Man haite geglaubt, sich in solcher Art auf
ein sinnbildliches Schmuckwerk beschränken zu müssen, da es den Be-
wohnern der einzelnen Stadt, Berlins, nicht zukam, ein Denkmal aufzu-
führen, welches die eigentliche geschichtliche und königliche Bedeutung
des Verewigten sein grosses Wirken für den gesammten Staat zum Aus-
drucke brächte. Doch aber wurde der Wunsch mehr und mehr laut, dass
das Denkmal nicht ausschliesslich in seiner sinnbildlichen Form erschei-
nen, dass es auch ein Bild der körperlichen Erscheinung, des thcüren Da-
hingeschiedenen enthalten möge. Der Wunsch war völlig gerechtfertigt.
Auch liess er,sich in einer Weise zur Ausführung bringen, die, ohne den
ursprünglichen Gedanken zu verläugnen, denselben nur noch inniger und
ausdrucksvoller wiedergab. Der Künstler lieferte, nach mancher Umge-
staltung des früheren, einen Entwurf, in welchem dag Sinnbildliche auf
das Piedestal beschränkt ward ; die Cylinderfläche desselben wurde mit
einer reichen Folge bewegter halberhabener Bilder bedeckt, welche ein
lieiteres, glückliches Leben im Genüsse der freien Natur entfalteten, wäh-
rend sich über dem Piedestal das Standbild des Königs erhob, in aller
Haltung innerer königlicher Würde, aber nicht mit der äusseren Pracht
der Herrscher - Majestät, schlicht und inniges Vertrauen erweckend, ein
Vater der Seinen. Nach diesem Entwürfe schritt der Künstler zur Aus-
führung. " *

Der erwünschten möglichst raschen Vollendung des Denkmales stellten
«ich aber auch von da ab miünche unvorhergesehene Hemmnisse, theils
technischer Art, theils in Betreff der Beschaffung der dazu erforderlichen
Geldmittel, entgegen. Es dauerte geraume Zeit, ehe aus den Brüchen

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

von Carrara Marmorblöcke von der Grösse und Güte, wie sie zu diesem
Zwecke nöthig waren, gewonnen und hiehergeschafft werden konnten. In
den ersten Jahren des Unternehmens ward der Wohlthätigkeitssinn Berlins
zur Aufhülfe der von einem verderblichen Brande heimgesuchten Stadt
Hamburg aufs Höchste in Anspruch genommen, so dass die entbehrlichen
Mittel der Bewohner Berlins sich vorzugsweise dorthin wandten. Schwere,
drückende Nothjahre für den preussischen Staat selbst folgten; dann eine
Zeit, in welcher das innere Leben des Staates einem völligen Umstürze
Preis gegeben und die Noth des Augenblickes die Pflichten der Dankbar-
keit gegen eine grosse Vergangenheit fast vergessen zu machen schien.
Aber alle diese Zeit hindurch arbeitete der Künstler, ob auch kaum eines
persönlichen Lohnes gewärtig, mit unerraüdeter Beharrlichkeit, mit unver-
i'ingerter Begeisterung an seinem "Werke fort. Er legte den Meissel nicht
eher zur Seite, als bis das Beste geleistet war, was er vermochte, und
bis — wie wir glauben — die Summe der künstlerischen Kraft unsrer Zeit
in dieser Arbeit ihren Ausdruck gefunden hatte.

Das Werk ist,vollendet und die schweren Wetterwolken, die über
unserm Vaterlande hingen, sind zerrissen. Ein neuer Tag der Geschichte
Preussens ist angebrochen, und mitMuth, Hoffnung und Vertrauen blicken
wir dem, was er uns bringen wird, entgegen. Darum ist es jetzt an der
Zeit, das Denkmal aufzustellen. Es soll nunmehr aus der Werkstätte des
Künstlers hinaustreten, es soll dem Leben der Gegenwart und der Nach-
welt angehören und dazu beitragen, dass beide sich ihrer Verbindung mit
der grossen Vergangenheit bewusst bleiben. Am heutigen Tage, dem
Geburtstage des verewigten Königes, wird der Grundstein des Denkmales
gelegt. Der Platz ist unfern der Louisen-Insel, nach deren Denkmal das
Standbild des Königes hinüberblicken wird. Die Aufstellung selbst wird,
wie wir hoffeh, in kürzester Frist nachfolgen.

Möge das Denkmal lange Jahrhunderte hindurch ungestört und un-
entweiht an seiner Stelle stehen! Und möge es, wie es'aus der Liebe
zwischen Volk und König hervorgegangen ist, die Liebe zwischen Volk
und König stets lebendig erhalten !

Berlin, am 3. August 1849.

Meisterwerke deiitscher Holzschneidekunst. Erstes Heft, ent-
haltend 4 Blätter mit 5 Bildern, In Holz ausgefülirt von E. Graeff in
Frankfurt. Leipzig 1849, Georg Wigande Verlag. Fol. 1 Thlr.

(Deutsches Kunstblatt 1850, No. 5.)

J

Unter diesem Titel kündigt sich ein neues Unternehmen an, das für
die Tüchtigkeit und Solidität, mit welcher der Holzschnitt heutiges Tages
bei uns behandelt wird, neue Belege giebt. Die Zeichnungen rühren von
Zeitgenossen her, und es scheint somit beabsichtigt zu sein, auch in Be-
zug auf Inhalt und Composition Belege für die heutige Kunstrichtung vor-
zuführen. Ich kann mich indess, um dies vorweg auszusprechen, mit der

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Meisterwerke deutscher Holzschueidekimst. 699

Wahl der Corapositiouen des vorliegenden Heftes nicht überall einver-
standen erklären. Das «rste Blatt enthält zwei kleine Darstellungen nach
Steinle, Knaben in allegorisch gemeinten Vorgängen, mit erläuterntlen
Spruchbändern: — ein Knabe auf einem Apfelbaum mit brechendem Aste,
mit der Inschrift „Ex male malum" (doppelsinnig: von dem Apfelbaum,
oder: vom Uebel das Uebel), — und ein Knabe, 'der eine Geige mit
gesprungenen Saiten zürnend zu zertreten im Begriff scheint, mit der
Inschrift „Nulla fides" (ebenfalls doppelsinnig: keine Saite, oder: kein
Glaube). Man wird mir vermuthlich zugestehen, dass diese lateinischen
AVortspiele ziemlich frostig sind; wenigstens hat nur das erste einen etwas
tieferen Inhalt ~ auf den unheilvollen Apfel des Paradieses bezüglicli, —
während ein solcher bei dem zweiten ganz fehlt. Denn wenn die Geige
auch etwa die Weltlust bedeuten soll, so bleibt es. doch unklar, warum
ihre Saiten gesprungen sind und warum der Knabe so thöricht ist, das
unschuldige Instrument zu zertreten, statt es mit neuen Saiten zu be-
ziehen. Die Darstellung des ersten Bildchens ist daher, bei dem verständ-
lichen Vorgange desselben, auch naiver, die des zweiten aber ziemlich
gesucht und pretiös herausgekommen. — Das zweite und das dritte Blatt,
beide ebenfalls von Steinle, bilden Gegenstücke. Das zweite enthält eine
Eva, die, mit Fellen bekleidet und einen Spinnrocken in der Hand haltend,
unter einem Baume sitzt, während-ein'Knabe ihr von einem niedrigen
Aste einen Apfel herabreicht und Adam im Hintergrunde mit Feldarbeit
beschäftigt erscheint. Eva hat starke mächtige Formen, wie sie der ür-
mutter eines Geschlechtes zukommen: auch die Linien der "Gestalt und
ihrer Bewegung sind in zugleich schönen und derben Zügen geführt. Der
Knabe ist schlank und leicht. Nur bei Adam wäre, zumal im.Verhältniss
zu dieser Eva, etwas grössere Energie zu wünschen gewesen; auch ist
sein geschäftliches Thun nicht sonderlich verständlich. Das dritte Blatt ist.
eine sitzende Madonna mit dem Kinde in einer Glorie, — also die andre
Eva, wie sie die spielende Symbolik des Mittelalters, indem sie zugleich
den „Ave"-Gruss rückwärts liest, bezeichnet, durch die gesühnt wurde,
was jene verbrochen hatte. Die weite Gewandung der Madonna bewegt
sich in einem so majestätischen wie harmonischen Linienflusse; aber die
Geberde ihres Kopfes und der Ausdruck ihrer Züge verrathen — zumal
im Gegensatz gegen die Eva des vorigen Blattes — eine gewisse pietisti-
sche Befangenheit, und das Christkind in seinem langärmligen Röckchen,
das sie halb in ihren Mantel eingehüllt hat und das mit seinen beiden
Händchen das Kinn der Mutter fasst; ist nicht der Knabe, den weiland
Christophorus wie die Last der Welt "auf seinen Schultern fühlte. Diese
Bemerkung ist nicht kleinlich und nicht eigenwillig gesucht: — mit dem
Heiligen soll mau einmal nicht spielen, und wenn es auch in noch so
frommer Sentimentalität geschähe. — Der vierte Holzschnitt, in bedeutend
grossem MaassStabe, enthält eine Genrescene nach Ph- Veit: das Gerüst
eines Actsaales, auf dem das Modell sitzt, ein Knabe in der bekannten
Stellung des Dornausziehers; zur Seite, im Winkel stehend, ein aufge-
richtetes Skelett, das auf den Knaben niederzubücken scheint. Neben
dem Skelett finden sich allerlei lateinische Inschriften, auf die Vergäng-
lichkeit des Irdischen bezüglich. Die Darstellung hat also wiederum sym-
bolischen Inhalt. Einem solclj^n wäre aber ohne Zweifel mehr Genüge
geschehen, wenn statt der sinnlich dürftigen Knabengestalt ein mächtig
gebildeter männlicher oder ein üppiger weiblicher Körper den Gegensalz

r

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(i5S Beric.lite, Kritiken, Krörterinigen.

zu dem Skelett bildete. So mutliet das Blatt weder den luit Symbolen
spielenden Gedanken völlig an, noch auch den naiven künstlerischen Sinn,
da zur Befriedigung des letzteren jedenfalls die'Andeutung einer stärkeren
malerischen "Wirkung nöthig gewesen wäre, als liier erstrebt ist. Das
Blatt ist eben etwas leer,
j Die technische Behandlung der vier Blätter ist, wie schon angedeutet,

nur erfreulich. Sie tragen durchweg den Charakter derber, skizzirender
I Federzeichnung, die bei Steinle, zumal in den beiden grösseren Blättern,

f neben aller Freiheit des Striches ein schönes stylistisches Gefühl erkennen

I lässt, bei Ph. Veit leichter und rascher hingeworfen erscheint. Der Holz-

I Schneider hat augenscheinlich das in den Originalzeichnungen Gegebene

mit lebendigstem Eingehen auf deren Intentionen nachzubilden gewusst,
i Die klare Haltung der beiden grösseren Blätter nach Steinle wirkt beson-

ders erfreulich. In dem Blatte nach Veit ist ein stellenweises Ueberzie-
I hen mit einer hellgelblichen und einer etwas dunkleren Tusche (durch

I zwei Tonplatten, die erste mit ausgesparten Lichtern), sehr glücklich und

I ungezwungen nachgebildet. Die Andeutung einer eigentlich malerischen

: Wirkung wird -aber auch dadurch nicht erreicht; es ist nur ein äusseres

? Mitfei zu einer solchen.

Jedenfalls indess führt uns das Unternehmen eine rüstige Praxis vor,
und wenn dasselbe, wie doch wohl zu hoflen, auf die Composition und
Handhabung noch anderer und möglichst verschiedenartiger Künstler unsrer
Zeit weiter hinausgeht, so wird es sich gewiss einer lebhaften und nach-
haltigen Theilnahme zu erfreuen haben. ,

Bildnisse berühmter Deutschen. Erste Lieferung mit 3 Blättern in
kl. Fol. Leipzig, Verlag von Breitkopf und Härtel. 1850. ')

(D. Kunstblatt 1850, No. 14.)

Der über dies Unternehmen ausgegebene Prospectus bezeichnet das-
selbe als eine Sammlung von Bildnissen der grossen Männer, welche seil
dem Aufschwung des deutschen Geistes im vorigen Jahrhundert die Vor-
bilder der Nation gewesen sind, auf ihre Bildung bestimmend eingewirkt,
ihr vornämlich in Kunst und Wissenschaft vorangeleuchtet haben, die
Bildnisse der Männer, welche als die geistigen Häupter des Volkes aner-
kannt sind, F"ür jedes Bildniss soll das beste erreichbare Original benutzt
und dasselbe von ächter Künstlerhand durch den Grabstichel wiedergegeben
werden. Der Umfang des Ganzen ist auf 9 bis 10 Lieferungen berechnet.
Gewiss können wir das Unternehmen, wenn es ausführt, was es verspricht,
nur mit herzlicher Freude begrüssen.

Das erste Blatt der ersten Lieferung ist ein Bildniss L es sing's, nach
einem Gemälde Graff's von L. Sichling gestochen (von dem auch die

') Die Lieferung zu IV2 Thlr. oder 2 ü. 40 kr. Rbl., bei Abdrücken vor
der Schrift und auf grösserem Format das Doppelte.

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Bildnisse berjihmter Deutsciien.

beiden folgenden Blätter herrühren), ein in jeder Beziehung meisterliches
und erfreuliche's Blatt." Lessing's Erscheinung ist hier ohne Zweifel in der
glücklichsten Epoche seines bewegten Lebens festgehalten worden: die
sprechende geistvolle Lebendigkeit dieses edlen Kopfes verräth Graff's
ganze Meisterhand. Der Stich ist in schönster Gediegenheit durchgeführt,
voll Saft und Kraft, Festigkeit und Schmelz und 'mit der Nadel.dem
Wechsel der Farbentöne glücklich nachgehend, — Das zweite Blatt ist
Göthe, nach einem Porzellangemälde von Sebbers. Das Bild ist vom
Jahre 1826, Göthe also 77jährig dargestellt. Das ist schon eine "bedenk-
liche Wahl, da wir in dem Dichter des zweiten Theiles des Faust — trotz
aller gründlichen Achtung auch vor diesem Werk — doch nicht mehr den
glorreichen Titanen unsrer Literatur finden. Sebbers aber hat (nach dem
vorliegenden Blatt zu urtheilen) in diesem Bilde auch nicht'einmal den
Dichter des zweiten Faust, sondern, bei aller materiellen Aehnlichkeit der
Züge, nur einen müden alten Mann gemalt. Wir mussten in der Sammlung
statt dessen den Dichter des ersten Faust, der Iphigenie u. s. w. finden.
Ueberdies mag das Original von Sebbers etwas trocken in der Behandlung
sein; virenigstens kommt der Stich, bei allem' sorglichen Fleiss, auch darüber
nicht hinaus. — Das dritte Blatt ist Winckelmann, nach einem in Wei-
mar befindlichen Gemälde von Maron. Auch dies will den Beschauer
nicht recht anmuthen. Abgesehen davon, dass die Stellung der Augen
(vielleicht im Verhältniss zum Knochenbau) schwerlich richtig seiti dürfte,
so ist etwas Flaues, Insipides darin; wir können uns den grossen Pro-
pheten der Schönheit nicht so unmännlich vorstellen. Der, ebenfalls sorg-
liche Stich scheint auch hier mit der Unbehaglichkeit des Originals im
Kampfe gelegen zu haben.

Es thut mir leid, bei einem, offenbar so mit Liebe unternommenen
und im ersten Blatte so ungemein schön documentirten Unternehmen diese
Ausstellungen machen zu müssen. Es mag sehr schwer sein, überall die
entsprechenden Originale aufzutreiben, aber doch wird darauf zunächst der
Werth des Ganzen beruhen. Bei dem rüstigen Betriebe des Werkes dürfen
wir indess für die Folge ein möglichstes Vermeiden solcher üebelstände
gewiss erwarten.

Die Albanerin. Der Albrecht-Dürer-Verein seinen Mitgliedern für das
Jahr 1849. N. de Keyser p. Fr. Wagner sc.

(D. Kunstblatt 1850, No. 19.)

Nicaise de Keyser ist Virtuos par excellence. Er weiss, worauf die
Wirkung des Virtuosen beruht, und er hat alles Vermögen, diese Wirkung
zu erreichen. Er hat sich, seitdem er sein früh'eres Streben nach gewalt-
samer Kühnheit (wie in dem grossen Bilde der Schlacht von Worringen)
bei Seite gelegt, der Elemente der Grazie bemächtigt und erscheint in der
Feinheit der Linienführung, in,dem weichen Schmelz der Farbe, in den
kosenden Spielen des Halbdunkels so vollendet, dass es nichts Liebens-
würdigeres geben kann. Sein Ruhm steht auf festen Säulen, so weit nur

V *

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702 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

dem Virtuosentlium gehuldigt wird, und ich weiss niclit, wo dies in lieu-
tiger Zeit nicht der Fall wäre. Was kümmert ihn die kleine versprengte
Schaar derer, die in ihrer Unersättlichkeit noch mehr verlangt, z. B. Dar-
\ Stellung des Lebens in einfach natürlicher Naivetät! Was hat eine solche

Forderung mit der Machtvollkommenheit des Virtuosen zu schaffen!

Das Bild der Albanerin, das der Dürer-Verein hat stechen lassen, ist
auch ein Glanzstück künstlerischer Virtuosität. Die Dame, in ganzer Figur,
I sitzt zur Seite eines Brunnens, der mit römischer Sculptur geschmückt ist.

I ' Dichtes Gebüsch umschattet den Brunnen; abendliches Licht fällt herein

I und streift die reizvolle Gestalt. Sie hat aus dem Grase, seitwärts, einige

I Sternblumen gepflückt; mit dem rechten Arm auf die steinerne Brüstung

gestützt, entblättert sie eine von den Blumen, indem sie dazu das bekannte:
I „Er liebt mich, liebt mich nicht" etc. zu sprechen scheint. Hemd und

f Achselband sind von der linken Schulter niedergefallen. Wir wissen zwar

I nicht, wie dies gekommen, da die Haltung und Bewegung von aller Nach-

J lässigkeit eines unbewussten Selbstvergesse.ns frei ist; aber wir haben dabei

I' den Vortheil, mehr von diesen interessanten, junonisch schwellenden For-

men zu sehen, als uns ohne dies vergönnt gewesen wäre. Das feine Ge-
sieht, dessen hochgewölbte Augen auf das Spiel mit der Blume gerichtet
I sind, die ganze Gestalt hat einen ebenso wohl erwogenen malerischen Reiz

I wie das gewählte Kostüm, das man sich immer aufs Neue gern vorführen

I lässt und das selbst in der hervorstehenden Haarnadel, welche die Form

I eines kleinen Brillantdegens hat, den Augen des Beschauers verstohlen

f zuwinkt. Es ist von A bis Z ein ungemein glücklich berechnetes leben-

jj des Bild, und wir lassen unser Auge um so ungestörter darüber hin-

schweifen, als wir sehen, dass die Dame ohne Beschwerde in ihrer Stellung
• ' verharrt, dass sie gern sitzt und den Vorhang gar nicht herbeisehnt, der

j,, das Bild unsern Blicken wieder entziehen wird. Nur das könnte uns be-

■ I unruhigen, dass der grosse Krug, den der Künstler als ein der Dame

' I zugehöriges Requisit unter den Quell des Brunnens gesetzt hat, schon bis

5 ' zum Ueberlaufen voll ist. Und nur das Eine möchte ich wissen: — was

) nemlich unser alter ehrenwerther Meister, was Albrecht Dürer sagen

würde, wenn er seinen Namen mit unter das Blatt geschrieben sähe!
Ii Doch wir haben es ja nicht mit dem Bilde, sondern mit dem Kupfer-

^ stich zu thun. Das Bild war da und seine Existenz unbestreitbar; der

|. Kupferstecher hatte die Aufgabe, es, wie es da war, mit der Nadel zu

I reproduciren. Mich dünkt, er hat seine Aufgabe mit voller Meisterschaft

I gelöst. Wir fragen hier nicht nach der Sache, nicht nach der künstleri-

schen Absicht des ursprünglichen Meisters, sondern danach, wie der
Kupferstecher die Behandlungsweise des letzteren in seine Technik über-
setzt hat. Er hat sich der Grazie, dem malerischen Reiz des Urbildes mit
grossem Glück angeschlossen und besonders in der Figur sowohl das ver-
schieden Stoffliche der Gewandung, als die zarten Töne und Farbenspiele
des Fleisches aufs Beste wiedergegeben. Es ist das ächte alte Gesetz des
Kupferstiches, dem er hiebei durchaus gefolgt ist, ohne alles Streben nach
dieser oder jener Art von Glanzeffect, was wir im fremdländischen Kupfer-
stich nicht allzu selten wahrnehmen und wozu gerade bei diesem Sujet
Gelegenheit gegeben sein mochte. Vielleicht ist der Kupferstecher hiebei
noch um einen Grad unter dem Erlaubten zurückgeblieben; wenigstens
könnte die Umgebung und namentlich der landschaftliche Hintergrund

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wohl etwas saftiger bebandelt sein. Aber ein Grad zu wenig ist besser
als zwölf Grade zu viel. Jedetifalls ist es ein Blatt, das — in seiner
Technik nemlich — dem Vaterlande Ehre bringt.

Eine Reliquie von Erwin Speckter.

(D. Kunstblatt 1850, No. 24.)

Uns liegt ein kleiner Kupferstich nach einer Jugendarbeit dieses allen
Freunden deutscher Kunst allzufrüh gesciüedenen Ktinstlers vor. Der
Stich hat etwas über 3V2 Zoll Höhe und gegen 5 Zoll Breite und stellt die
drei Marien am Grabe Christi dar. Es ist das Innere der Grabeshöhle;
der Engel sitzt auf dem Rande des offenen Grabes, mit der einen Hand in
dasselbe, mit der andern nach oben deutend; Maria Magdalena ist näher
herangetreten und schaut in das Grab; die Ibeiden andern Frauen stehen
am Eingang der Höhle. Composition, Auffassung und Durchführung lassen
ganz jene alterthümlich stylmässige Richtung erkennen, die in Overbeck
ihren Hauptvertreter findet. Das Original ist, in der Grösse des Stiches,
sorgfältigst in Wasserfarbe ausgeführt; der Stich, von F. Schröder her-
rührend, zeichnet sich durch eine zarte, sinnig eingehende Behandlung
aus, der Weise der kleinen Kupferstiche von ähnlicher Dimension nahe
verwandt, welche von dem „Verein zur Verbreitung religiöser Bilder in
Düsseldorf" ausgehen.

Das Blatt gehört einer Richtung an, die wir als antiquirt betrachten,
die wir mit Entschiedenheit von uns weisen müssen, wenn sie sich uns
als eine dauernd gültige aufdrängen will. Ihre conventioneilen Formen
sind nicht geeignet, den Vollgehalt des Lebens, auf den gerade unser heu-
tiges künstlerisches, wie sittliches Leben uns hinführt, zur Erscheinung
zu bringen. Auch E. Speckter hatte dies später, bei der Erstarkung seines
künstlerischen Willens, bei der Erweiterung seines künstlerischen Gesichts-
kreises, sehr wohl erkannt. Wohl aber hatte diese Richtung zu ihrer Zeit,
als Durchgangs- und Entwickelungs-Moment, ihre Nothwendigkeit, ihr
Recht für sich. Sie war der bestimmte Ausdruck eines eben erwachenden,
tiefsinnig jugendlichen Gemüthes, — einer zarten religiösen Sentimentalität,
die dem jugendlichen Auge oft eine so eigenthümliche Schönheit giebt.
Und wo künstlerische Werke aus solcher ächten Jugendlichkeit geboren
sind und ihren Stempel tragen, da allerdings werden wir mit herzlicher
Theilnahme immer auch bei ihnen gern verweilen. Da sind ihre conven-
tioneilen Formen nur das äussere Gewand liebenswürdiger Subjectivität;
da ist es die Wahrheit der letzteren, die uns fesselt und den Anspruch
auf den thatsächlichen Ernst dessen, was vorgeführt werden sollte, fern hält.
So in den Repräsentanten ganzer jugendlicher Epochen, wie in Fiesole
oder den Meistern der altkölnischen Malerschule, — so in den Jugend-
arbeiten einzelner grosser Künstle^, die sich zur Vollendung emporgerungen,
z. B. Raphaels. Und eben dies acht Jugendliche, fast Kindliche in dem
nach E. Speckter gestochenen Blättchen, die keusche, zarte Sentimentalität,

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Berichte, Kritiken, Erörterungen.

704

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die sich hier nur als junge Blüthe giebt und die künftige Frucht ahnen
lässt, schafft demselben den eigenthümlichen Reiz und macht es zu einem
ächten Repräsentanten eines Strebens, das zu seiner Zeit die Geister der
edelsten Jünger der Kunst erfüllte und das wir heutiges Tages nur —
aber freilich mit allem Ernst — zu bekämpfen haben, wenn es in
greisenhafter Erstarrung dem stets neu quellenden Leben seinen Raum
nimmt.

In der Herausgabe von E. Speckter's Briefen aus Italien (die jedem
Künstler und Kunstfreunde bekannt sein werden), und zwar am Schlüsse
der Einleitung, ist bemerkt, dass es die Absicht gewesen sei, seinen künst-
lerischen Nachlass herauszugeben, dass man dies aber aus mehreren Grün-
den habe unterlassen müssen. Die VerölTentlichung des eben besprochenen
Blättchens lässt uns dies aufs Neue schmerzlich bedauern. Es gehört mit
zum Erfreulichsten, die Gesammt-Wirksamkeit eines Künstlers in einer
Nachbildung seiner Werke, wenn auch leicht, doch nur mit künstlerischem
Verständniss gearbeitet, überschauen zu können und ihr Bild in solcher
Weise der Nachwelt erhalten zu wissen, und doppelt wichtig ist dies,
wenn der Künstler, wie E. Speckter, dem Kreise seiner Thätigkeit zu früh
entrissen wurde. Möchten seine Freunde doch noch die Gelegenheit finden,
das, was schon beschlossen war, in irgend einer passlichen Weise zur
Ausführung zu bringen!

Eine neue Medaille von Karl Fischer in Berlin.

(D. Kunstblatt 1850, No. 44.)

Von Karl Fischer ist kürzlich eine neue Medaille geschnitten wor-
den, die uns einmal wieder den erfreulichen Beweis giebt, dass unsre
Medaillenarbeit noch immer nicht ganz vergessen hat, dass sie ein Fach
der Kunst bildet. Eis ist die kleinere der beiden Medaillen, welche von
höchster Instanz zur Anerkennung für ausgezeichnete gewerbliche Lei-
stungen verliehen werden sollen. Sie hat etwas über IV2 Zoll im Durch-
messer. Auf dem Avers sehen wir, von einem zierlich leichten Blätter-
kranze umfasst, das Profilbild des Königs. Das letztere ist offenbar (ebenso
wie das Bild des Königs auf der Medaille, die F'ischer unlängst auf die
silberne Hochzeit unsres Herrscherpaares gearbeitet hatte), obgleich die
Beischrift fehlt, von Fischer selbst nach dem Leben modellirt. Fischer
hat überall eine charakteristisch eigenthümliche Auffassung des Kopfes des
Königes; er scheint nicht sowohl darauf auszugehen, das Besonderste der
Individualität, als vielmehr die allgemeineren Grundzüge der Form wie-
derzugeben. Diese Bildnisse sind daher nicht von sogenannt frappanter
Aehnlichkeit, wohl aber von einer gewissen Classicität des Styles, die,
was mir zumeist beachtenswerth erscheint, den Geschlechtstypus unsres
Herrscherhauses, die Grundbildung des Hohenzollernkopfes, hervorhebt.
Dies ist ein Lob, das den etwanigen Tadel keinesweges unterdrücken soll 5
denn das ausschliesslich Individuelle könnte und sollte auch bei dieser

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Eine neue Medaille von Karl Fischer in Berlin. 70ö

stylistischen Auffassung, doch violleicht uoch mehr beachtet sein. Sehen
wir aber hievou ab, so finden \yir in der Behandlung des Kopfes überall,
neben jener maassvoll gehaltenen Anlage, eine weiche, lebenvoll flClssige
Behandlung, die der Arbeit zugleich einen grossen Reiz giebt. Auch das
Haar ist leicht, frei und in durchaus edler Weise behandelt. — Der Re-
vers ist, wie ich höre (denn auch hier fehlt die Beischrift), nach einer
Composition von P. von Cornelius gearbeitet. Ich habe mich mit den
Entwürfen, die Cornelius neuerlich zu unsern Medaillen geliefert hat, nicht
überall einverstanden erklären können; die Bewegung seiner Gestalten ist
darin gelegentlich etwas zu sehr auf herkömmliche Schaustellung berech-
net, die Composition ab und zu eine der plastischen Ausführung nicht
günstige, der Gedanke nicht immer schlicht und ooncentrirt genug. Für
diese neuste Fischer'sche Medaille aber hat er einen höchst glücklichen
Entwurf geliefert, der ebenso, wie er im Gedanken eine einfache epigram-
matische Grösse hat, den gegebenen Raum in schönster Weise füllt und
der plastischen Behandlung (ohne zugleich an das entgegengesetzte Extrem
einer einseitig plastischen Schule irgend anzustreifen) völlig entspricht.
Es ist ein auffliegender Adler, auf dem eine Aveibliche gekrönte Gestalt
sitzt, die in der Linken ein Scepter trägt und mit der Rechten einen
Kranz emporhebt, — also eine Borussia, oder vielleicht noch richtiger:
die Majestas Preussens, welche einen Sieger zu krönen im Begriff ist. Es
dürfte schwer sein , eine schönere Composition für ähnliche Zwecke nach-
zuweisen; es dürfte aber auch einer solchen Composition nur selten eine
Ausführung von ähnlicher Gediegenheit entsprochen haben. Dahin gehört
fürs Erste die Zartheit des Reliefs im Allgemeinen. Bei unseren neueren
Medaillen (die meisten Fischer'schen ausgenommen) ist ein dickes, schwer-
fälliges Relief vorherrschend geworden, welches das Auge des Betrachters in
unerquicklichster Weise berührt, — ein Uebelstaud, oder eine künstleri-
sche Trägheit, die doppelt auffällig ist, da gefade die Technik der Me-
daillenarbeit die, auch von früheren grossen Meistern sehr wohl benutzten
Mittel bietet, in der leichten Schwingung des Reliefs das Anmuthvollste
zu leisten. In der vorliegenden Medaille ist diesem Bedingniss wiederum
aufs Vollständigste entsprochen. Die weibliche Gestalt ist zur Hälfte
nackt. Um ihren Unterkörper liegt ein stärkeres Gewand , während der
Oberkörper grössten Theils entblösst ist und, bei dem leisesten Relief, die
zarteste Entwickelung grossartig edler Formen zeigt. Sie trägt zugleich
eine Art Chlaniys von leiclitem Stoffe, die über der rechten Schulter zu-
sammengeheftet ist, über einen Theil des Körpers weggeht- und flatternd
in der Luft schwebt. Dies Gewandstück, wo es die Körperformen durch-
schimmern lässt und wo es frei spielt, ist an sich ein kleines Meisterstück
zartester Behandlung, die sich, obwohl durchaus auf der Grundlage des
plastischen Elements, zu einer Freiheit entwickelt, welche d^r malerischen
Wirkung nahe steht. Während wir statt der letzteren an ähnlichen Stellen
unsrer modernen Medaillen gelegentlich eine Art wüsten Bindfadengeriem-
sels sehen, steht Fischer hier — ich wage das Wort: — einem Hedlinger
zur Seite. Dass durchweg die ganze Darstellung des Reverses mit dem
lebendigsten Naturgefühl durchgeführt ist, bedarf nach dem Vorstehenden
keines weiteren Nachweises. — Ich kann nach Betrachtung der Medaille nur
die unverholene Freude darüber aussprechen, dass Fischer, der schon im
Jahre 1833, in seiner Medaille ^luf den Ober-Landes-Gerichts-Präsidenten

Kugler, Kleine Schriften. UI. 45

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I!

TOC, Berichte, Kritiken, Erörterungen.

Oelrichs, ein, vielleicht nicht genügend bekannt gewordenes Meisterwerk
ersten Ranges geliefert hatte, — ein Portraitblld, welches nur mit den
deutschen Portraitniedaillen aus den zwanziger und dreissiger Jahren des
scclizehnteu Jahrhunderts, dem Besten, was Deutschland in der damaligen
ßiüthezeit seiner Kunst in dieser Richtung zu liefern vermochte, vergli-
chen werden kann, — auch in seiner neusten Arbeit noch das Zeugniss
seines vollen künstlerischen Vermögens abgelegt hat '■)

Christian Rauch.

^ i

0

(Für Weigel's „Zeitgenossen" im Frühjahr 1851 geschrieben.)

; i

I

1 •

Christian Rauch, der grosse Meister unter den Bildhauern der
Gegenwart, wurde am 2. Januar 1777 zu Arolsen geboren. Sein erster Lehrer
war der Hofbildhauer Valentin zu Arolsen; später arbeitete er bei Chr.
Ruh! in Kassel. In seinem zwanzigsten Jahre kam er nach Berlin, wo
sich ihm znr gründlicheren Ausbildung in seinem Kunstfache willkommene
Gelegenheit ergab. Im siebenundzwanzigsten Jahre ging er nach Italien;
in Rom blieb er längere Zeit. Nach dem Tode der Königin Louise von
Preussen erhielt er, im J. 1811, vom Könige den Auftrag zur Ausführung
ihres Grabdenkmales. Das Werk steht im Mausoleum zu Charlottenburg,
ein Heiligthum des preussischen Volkes. Rauch hatte dasselbe mit aller
Hingebung seines künstlerischen Vermögens gearbeitet, doch seinem Willen
noch nicht genügt; er arbeitete es noch einmal, dem Marmor das flüssigste
Leben, dem Leben den Hauch des verklärten Geistes aufprägend. Nach
der Befreiung des Vaterlandes von der Fremdherrschaft wurden ihm die
Aufträge zu Denkmälern, welclie diese grosse Zeit zu feiern bestimmt
waren. Er schuf die Marmordenkmäler Scharnhorsts und Bülow's zu
Berlin, die ehernen Denkmäler Blücher's, zu Berlin und zu Breslau. An
dem Grabdenkmale Scharnhorsts, an dem grossen, in Eisen gegossenen
Siegesdenkmale, welches sich auf dem Kreuzberge bei Berlin erhebt, hatte
er wesentlichen Antheil. Das Grabdenkmal des Königes Friedrich Wil-
helm HL, welches neben dem der Königin im Charlottenburger Mausoleum
aufgestellt ward, kann als Beschluss dieser hehren Folge bezeibhnet werden.
Andre Werke, — die Denkmäler mit den ehernen Standbildern des Kö-
niges Maximilian zu München, Franck's zu Halle, Dürer's zu Nürnberg,

Die grössere der für gewerbliche Leistungen zu ertheilenden Medaillen
ist von C. Pfeuffer gearbeitet. Ich finde in derselben kein künstlerisches
Vermögen, im höheren Sinne des Wortes, und fühle mich daher nicht veranlasst,
sie in diesem, der Kunst gewidmeten Blatte naher zu besprechen. Ich bemerke
nur, dass in dem Profllbilde des Königs, welches auf dem Averse im Einschluss
andrer Darstellungen enthalten ist, jenes ausschliesslich Individuelle vielleicht
charakteristischer hervortritt und dass die von Cornelius für den Revers gelie-
ferte Composition, auch abgesehen von der Ausführung und Behandlung, wie-
derum eine minder günstige ist.

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Christian Rauch. 707

der beiden Polenkijnige Mieczislaw und Boleslaw Chrobri zu Posen, das
Grabdenkmal der Königin von Hannover in Marmor, die Marmorgestalten
der sechs Viktorien für die Walhalla bei ßegensburg, reihten sich den
ebengenannten an. Einzelarbeiten verschiedenster Art, namentlich eine
überaus grosse Anzahl von Portraitbüstea, entstanden neben den grösseren
Werken. Gegenwärtig sehen wir, in Berlin, der Aufstellung des mäch-
tigen ehernen Denkmales Friedrich's des Grossen, das in der Figurenfülle
seiner Träger zugleich das Denkmal der Zeit des grossen Königes ist, ent-
gegen. Rauch hat dasselbe im Verlauf der letzten zehn Jahre, mit unver-
sieglicher Jünglingsfrische, gearbeitet.

Das Geheimniss von Rauchs künstlerischer Grösse ist einfach und
liegt offen vor unserm Auge. Er hat den künstlerischen Blick für die
Natur und ihre Gesetze; er hat die Demufh, die Treue, die nimmer en-
dende Hingebung, sein Ich vor dem Bilde der Natur zu vergessen, ihren
Geboten, wie sie in der einzelneu Erscheinung sich geltend machen, zu
lauschen, diese in ihrer vollen und höchsten Wesenheit zur dauernden
Darstellung zu bringen. Er hebt mit dem Gegebenen, dem Seienden an
und steht, dasselbe mit aller Kraft seines Geistes und Willens durchdrin-
gend, auf demjenigen festen Grunde, auf dem allein die höchste Kunst-
vollendung erwächst und zu aller Zeit erwachsen ist. Er ist, von solchem
Grunde aus, unablässig zu immer mehr geläuterter Vollendung emporge-
stiegen, gleich als ob jedes Jahr seines Lebens seiner Hand nur neue
Frische, neue Kraft gebracht hätte.

Rauch hatte für solche Richtung des künstlerischen Sinnes bei seinem
Eintritt in Berlin den entsprechenden Boden gefunden. In Berlin hatte
sich in der späteren Zeit des vorigen Jahrhunderts eine gewisse realisti-
sche Kunstweise ausgebildet, die einer der damals gewichtigsten Vertreter
Idealistischen Slrebens, Goethe, fast streng zu rügen sich gedrungen fand.
Die Standbilder von Seidlitz, Keith, Zieten und dem Fürsten von Dessau,
durch den Flamänder J. P. A. Tassaert und durch Gottfried Scha-
dow gefertigt, entstanden als die kräftigsten Zeugnisse dieser Kunstweise,
die eben doch den Vorzug gesunder, fortwirkender Kraft hat. Rauch
setzte in seinen Werken fort, was er in jenen begonnen sah; er schloss
sich ebenso treu, noch treuer als die genannten Meister, der körperlichen
Erscheinung der zu Feiernden an; aber er hat die Darstellung zugleich
auf eine wesentlich höhere Stufe geführt. Er weiss die feinsten Eigen-
thümlichkeiten des individuellen Charakters künstlerisch wiederzugeben,
die bis ins Einzelste belebte körperliche Hülle zum Ausdruck des leben-
digen Geistes zu machen. Er weiss das gesammte Dasein in jenem erhöh-
ten Momente festzuhalten, in weichem dasselbe von Maass und Harmonie
durchdrungen erscheint. Er zeigt dieselbe klare und starke Meisterschaft
in der Büste, die dem Privatleben, wie in dem Standbilde, welches dem
öffentlichen Leben gewidmet ist. Er ist vor Allem der Meister der ge-
schichtlichen Denkmale.

Aber wer mit Ernst und Treue den Gesetzen des Lebens lauscht,
dem bleibt auch die reine, unabhängige Schönheit nimmer fremd. Aus
dem sichern Grunde des Lebens erwächst als ein wesenhaft Wahres das
Ideal, das ohne solchen Grund nur ein Traum ist. Rauch hatte schon an
dem Denkmal der Königin Louise gezeigt, wie mächtig er auch auf'diesem
Gebiete war. Die andern histc/rischen Standbilder, die dann seine Thä-
tigkeit vorzugsweise in Anspruch nahmen, schienen dieser Richtung minder

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Berichte, Kritikeu, JIrörteruiigen.

gttustig zu sein; dennoch fand er auch an ihnen, vornehmlich an dem
Schmuck ihrer Piedestale; volle Gelegenheit, freie Schönheit in poesio-
voller Gestaltung zur Erscheinung zu bringen. Die Reliefbilder an dem
Piedestal von Scharnhorsts Denkmal, fast noch mehr die an dem Denk-
mal Bülow's, mit ihren kühnen Viktoriengestalten, gehören namentlich hie-
lier. Auch in manchem Einzelwerk, z. B. in seiner Danaidenstatue, wusste
er solchem Drange in reizvollster Weise zu genügen. Zur erhabensten
Schönheit gestaltet, überall in eigenthümlichster Weise belebt und überall
von läuternder Harmonie umspielt, wie unter Griechenlands sonnigem
Himmel geboren, erscheinen jene sechs kolossalen Marmorbildcr der Sie-
gesgöttinnen, welche das Innere der Walhalla schmücken.

Wer endlich selbst mit Ernst und Treue strebt und schafft, pflanzt
solches Streben auch auf Andre über. Rauch hat zahlreiche Schüler ge-
bildet und seinen Sinn auch bei ihnen fest gemacht; Manche sind unter
diesen, auf welche die Gegenwart ebenfalls schon mit gerechtem Stolze schaut.
Rauch wird in seinen Werken fortleben und, wenn die eigene kräftige
Meisterhand dereinst den Meissel von sich legen muss, noch in seinen
Schülern fortschaffen.

Von der Erfindung neuer Baustyle.

Bei Gelegenheit eines Concuirenz-Ausschreibens der Kunst-Akademie

zu München.

(D. Kunstblatt 1851, No. 14.)

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Drei Punkte stellen sich, nach unserer Ansicht, als die Ausgangspunkte
für die künstlerische Fortbildung der Architektur dar. Hire gegenwärtige
Bedeutung in Betracht zu nehmen, ist gewiss nicht ohne Interesse. Diese
Punkte sind:

die heilige Tradition;

das Material und die technische Construction;
das ästhetische Vermächtniss.

Die heilige Tradition, mehr oder weniger symbolischen Inhalts, ist
für frühere, naive Kunstepochen von wesentlichster Bedeutung gewesen.
Auch in neuerer Zeit hat man an dieselbe wieder anzuknüpfen versucht.
Man hat die altchristliche Basilika, als die primitive Grundlage der christ-
lichen Architektur, man hat die höchste Entfaltung der letztern in der
Epoche des sogenannt gothischen Baustyles (und zwar in dessen französi-
scher primitiver Ausbildung der Zeit um das Jahr 1200) als die festen
Grundpfeiler für .die künstlerische Bethätigung unsrer Tage hingestellt.
Es bedarf indess des Nachweises darüber nicht, dass die neueren Jahr-
hunderte einen grossen Bruch mit der Tradition herbeigeführt haben, und
es steht in Frage, wie weit jenes erneute Anknüpfen sich als lebensfähig
erweisen wird. Jedenfalls ist dies Verhältniss ein wesentlich verschie-
denes von dem der alten Zeiten (der christlichen wie der vorchristlichen).

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Von der Erfindung neuer Baustyle.

in denen die Tradition ungebrochen gültig war; ihre Bedeutung liegt dem
Bewusstsein des Volkes nicht mehr vor und müsste daher ebenso erst
zurückerobert werden, wie für neue heilige Zwecke (z. B. für die mannig-
fach versuchte Gestaltung der protestantischen Kirche) die traditionell
gültige Grundform noch erst festzustellen wäre. "Wir sind, selbst heute,
nicht gewillt, die Tradition zu verläugnen-, aber sie kann, wie die Dinge
stehen, höchstens nur einen vereinzelten, bedingten Einfluss auf die mög-
liche Fortbildung der architektonischen Kunst haben.

Der Einfluss des Materials und der technischen Construction auf die
künstlerische Gestaltung der Architektur ist auch nur ein bedingter, aber
er muss sich, in dieser seiner Bedingtheit, zu allen Zeiten und unter allen
Umständen auf gleiche "Weise geltend machen. In dem Material und in
der Weise seiner Verwendung liegt die Realisirung des künstlerischen
Gedankens, in seinem Gesetz die Vernunft des architektonischen Werkes
eingeschlossen. Es giebt zwar Kunststücke, die auch das Constructions-
widrige möglich machen; aber der natürliche Sinn fühlt sich unwillkür-
lich von ihnen zurückgestossen. Der künstlerische Gedanke kann mit
diesem Bedingniss seiner Erscheinung überall nur Hand in Hand gehen;
ja, er ist eigentlich nur ein idealer, ein freier Ausdruck dessen, was in
dem Naturgesetz noch geistig gebunden erscheint. Das letztere ist daher
geeignet, ihm die wesentlichste Anregung zu geben, der materielle Aus-
gangspunkt daher der entschiedensten Berücksichtigung werth. In diesem
Betracht aber liegt in unsrer Zeit, in den mannigfachen Nützlichkeits-
bauten, die stets neue und neue materielle Combinationen hervorgerufen
haben, wahrhaft Staunenswerthes vor. Das Eisengerippe des ungeheuren
Industrie-Ausstellungs-Gebäudes in London steht wie ein Naturwunder
vor unsern Augon, und es geht wie eine mächtige Ahnung künftiger künst-
lerischer Erscheinungen durch unsre Brust, wenn wir die starren Formen,
die hier der trockne, aber freilich riesige Calcül verbunden hat, geistig
belebt, das heisst: wenn wir die Naturkraft, die in ihnen waltet, in ihrer
Erscheinung ebenso lebendig dargestellt und gegliedert denken, wie der
Steinbalkenbau in der griechischen, der Kreuzgewölbebau in der germani-
schen Architektur (in beiden freilich den sonstigen Zeitbedingnissen ent-
sprechend) künstlerische Belebung gefunden hat.

Es kommt schliesslich eben auf den künstlerischen Geist an, der die
Gabe dos Himmels ist. Aber Gott sendet den Künstler nicht wie einen
gewappneten Erzengel auf die Erde; es ist nur der Keim, den er in die
Brust des Menschen gelegt hat und der genährt und gepflegt, mit Weisheit
auferzogen und mit sinnvollem Verständniss ausgebildet sein will. Diese
Ausbildung empfängt er, zumal was die ideale Kunst der Architektur
anbetrifft, durch die Anschauung und künstlerische Durchforschung der
Werke, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte entstanden sind. Dies
ist jenes ästhetische Vermächtniss, dessen Besitzergreifung erst ihn in
Wahrheit befähigt, sich auf die Höhe seiner Zeit zu stellen. Er hat die
Stylgesetze der verschiedenen Epochen der Kunst sich klar zu machen,
um zu lernen, wie die materielle Aufgabe aus ihrer dumpfen Starrheit
zu lösen, geistig zu beleben und in dieser Belebung zu gliedern, wie dem
geistigen Bedürfen der Zeit durch solche Belebung des materiellen Pro-
blems der volle wahrhafte Ausdruck zu geben ist, — um die künstlerische
Formensprache zu lernen, aber nicht als ein zufälliges Conglomerat zu-
fälliger Regeln, sondern als ein von geistigem Athem Durchdrungenes und

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1562 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

daher, je nach der Aufgabe, sich immer und immer wieder neu Erzeu-
gendes. Das ist der Sinn der ästhetischeti oder luinstgeschichtlichen
Schule des Architekten, die ihn nicht dahin führen soll, Dagewesenes in
seiner mehr oder weniger bedingten und zugleich mehr oder weniger
ausschliesslichen Gültigkeit noch einmal zu maclien oder dasselbe so oder
so durclieinander zu mengen, — die ihm vielmehr überhaupt das Ver-
ständniss der architektonisch künstlerischen Form geben und ihn befähi-
gen soll, Herr dieser Form zu werden. Zu solcher Schule und zu solchem
Studium gehört freilich mehr, als in der Regel vorausgesetzt wird.

Es wird hienach — da wir das Gewicht des ersten der drei von uns
aufgestellten Ausgangspunkte selbst erheblich in Frage stellen mussten, —
einfach auf diejenigen Bedingungen ankommeu, die eben von selbst jedem
Auge entgegentreten: auf ein gründliches technisches Wissen und auf eine
gründliche ästhetische Durchbildung, und zwar auf eine solche, die eine
wirklich absolvirte Schule hinter sich hat. Beides werden die betrelfenden
Unterrichtsanstalten gewähren und damit ihre Aufgabe als erfüllt be-
trachten können. Dann wird es sich, nicht minder einfach, darum han-
deln, dass die Architekten mit unbefangener Naivetät und ohne etwa ein
Wettjagen nach dem Unerhörten anzustellen, die jedesmalige Aufgabe
ihren besonderen Bedingnissen gemäss durchzubilden suchen; das Ange-
messene und auch dem Geiste der Zeit nicht Widersprechende wird dann
von selbst entstehen. Fügt es aber die Gunst des Himmels, — was frei-
lich kein Coucnrrenz-Ausschreiben und keine höchste Erden - Instanz
schaffen kann, dass auch ein Genie unter ihnen ist, so wird dieses
alsdann, aus eigner noch höherer Machtvollkommenheit, die von der Zeit
gegebenen Bedingnisse in derjenigen künstlerisch lebenvollen Form zu
gestalten wissen, welche dem ersehnten Neuen sein Dasein giebt, Miileben-
den und Nachfolgern zur iMarke, danach sie ihr Steuer zu richten haben.

Sciilpturen von Stemhäuser in Bremen.

Ileisenotiz.

Das dem berühmten Astronomen und Arzte ülbers, dem Entdecker
der Pallas und Vesta, gewidmete Marmordenkmal auf der Wall-Promenade.
Die Statue des Gefeierten im gewöhnlichen Oberrock, offnen Hemdkragen,
hohen Stiefeln und einem klassisch ideal drappirten Mantel, — was mei-
nes Erachtens einen Widerspruch des in der Figur repräsentirten Cultur-
momentes in sich schliesst. Die Durchführung mit feinem künstlerischem
Sinne; geschmackvolle Gewandbehandlung, welche die römisch-classische
Durchbildung auf den Grundelementen der Rauch'sehen Schule erkennen
lässt. Die Haltung einfacl» tüchtig. Die rechte Hand, frei über der Ge-
wandung niederhängend, mit einer Schriftrolle; die linke unter dem Man-
tel in die Hüfte gestützt, wodurch sich, zumal schräg von dieser Seite
gesehen, ein schönes Linienspiel entwickelt. Das Gesammtgefühl für die
Körperlichkeit vortrefflich, — ein etwas gedrungenes Verhältniss, das

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Sculpturen vou Steinhäuser in Bremen. 711

aber harmonisch in sich durchgeführt ist und namentlich auch dem Charalüer
des Kopfes entspricht. Dieser, sehr individuell und anziehend durchge-
bildet, in einfach schöner Haltung emporschauend.

Piedestal mit Reliefs. Vorn: Olbers am Telescop sitzend, dem ein
Genius die Richtung giebt. Der schöne künstlerische Gedanke in ein-
facher Composition durchgeführt. In dem Genius eine gewisse moderne
römische Manier, — Neigung zu einer gewissen körperlichen Trockenheit
und etwas starker Kopfbildung (was mich u. A. an Rudolph Schadow er-
innerte). —■ An der linken Seite Vesta, an der rechten Pallas, beide in
ihrer antik mythologischen Personiflcation, am Thierkreis vorüber schwe-
bend, in den flatternden Gewändern mit guten Motiven; doch auch hier,
besonders in der Figur der Vesta, mit Andeutungen derselben Manier. —
An der Rückseite: Olbers als Arzt am Bette eines Kranken. Die Figur
des Olbers hier Avieder vortrelTlich; aber der Kranke, der sich aufzurichten
im Begriff ist, — zugleich in ideal nackter Erscheinung, während auf dem
Tischchen vor dem Lager moderne Arzneifläschchen stehen, — in wirklich
beschränkter Körperbildung und mangelhafter Haltung. —

Auf dem Kirchhofe das Denkmal einer jungen Frau, ebenfalls in
Marmor. Eine einfach gothisch gehaltene Stele mit flacher spitzbogiger
Nische. In dieser die Reliefgruppe eines Engels, der eine verhüllte weib-
liche Gestalt empfängt, welche sich ihm, Trost und Rettung suchend, in
den Schooss neigt. Würdig und edel im Ganzen; die weibliche Gestalt
besonders schön.

Eine Anzahl von Marmor-Arbeiten in der Kunsthalle. Die schönen
Statuen der gebundenen Psyche und des Geigenspielers, die uns s^chon
von früher wohl bekannt waren, eine lebenvolle Büste Rückerts u. s. w.
Besonders anziehend zwei Reliefs, sinnig im Gedanken, von sehr ge-
schmackvoll dekorativer Gestaltung desselben (im höheren Sinne des
Dekorativen) und von reizvoll feiner und lebendiger Durchbildung. Das
eine, oben flachrund, stellt Armin und Thusnelda vor, beide zu Pferde
wie im Wettlauf hinbrausend, Armin, mit dem über den Kopf gezogenen
Ochsenfell, voranjagend, fasst Thusnelda's Pferd in die Mähne und drückt
dessen Kopf nieder. — Das andre Relief, kreisrund, enthält das Bild der
Psyche, welche den, mit beiden Händchen aufwärts langenden Eros vor sich
emporhebt. Dabei die Inschrift:
EPSli: YMAS ÄISSETAI. Umher der
Thierkreis.

De la Fo7idation~ Goethe ä Weimar par Fr anz Lis zt. Leipzig,

1851. (1Ö2 S. in 8.)

(D. Kunstblatt 1851, No. 28.)

^mSLJ.

Ein von Berlin im J. 1849, bei der hundertjährigen Jubelfeier von
Goethes Geburtstag, ausgegangener Aufruf hat die Gründung einer G oeth c-
Stiftung in Anregung gebracht, „die in seinem Geiste deutsches Kunst-
leben und den Einfluss dessellj^n auf die Versittlichung des Volkes stärke
und mehre." Es sind verschiedene Vorschläge gemacht worden, worin

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1564 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

712

eine solche Stiftung bestehen könne nnd wie dieselbe auszuführen sei.
Der berühmte Klavier-Virtuose, von dem die oben genannte Schrift her-
rüiin und der gegenwärtig in Weimar ansässig ist, hat den Gedanken mit
Begeisterung für die Manen Goethe's aufgenommen und die "Vorschläge zu
einer scharf bestimmten Form auszuprägen versucht. Bei der näheren
Aufmerksamkeit, welche seine Schrift bereits gefunden zu haben scheint,
wird es nicht überflüssig sein, das Resultat derselben in seinen wesent-
lichen Punkten und in übersichtlicher Ordnung darzulegen und einiger
Prüfung zu unterziehen.

Die Goethe-Stiftung soll hienach ihren Sitz zu Weimar haben und
in jährlichem Wechsel, am Geburtstage Goethe's, dem 28. August, ölfentlichc
Concu rren zen veranlassen und einrichten:
in der Literatur,
der Malerei,
der Sculptur,
der Musik.

Jedesmal soll Ein Werk den Preis erhalten, der, je nacli der Beschaffen-
heit des Werkes, aus 500, 1000, 2000 oder 3000 Thalern bestehen soll.
Es ist in Aussicht genommen, dass jedes Preis-Werk Eigenthum der Goethe-
Stiftung werde und bleibe, auch jedes derartige literarische und musika-
lische Manuscript, für dessen Herausgabe zu ihrem Yortheil die Stiftung
zu sorgen hat. Bei Sculpturarbeiten wird nur die Einsendung von Gyps-
modellen oder Zeichnungen vorausgesetzt, und soll dem Autor einer prä-
miirteu Arbeit der Art freigestellt bleiben, dieselbe später für seine
Zwecke auszuführen. Für den Fall, dass diejenige der genannten Preis-
Summen, welche dem zu prämiirenden Werke zuerkannt worden, dem
Autor nicht genügt, sind besondre Bestimmungen vorgeschlagen.

Es wird die Hoffnung ausgesprochen, dass im Laufe der Zeit beson-
dre Stiftungen zur Ertheilung von Nebenpreisen für sogenannt unter-
geordnete Fächer, — z. B. in der Architektur, — ins Leben treten
werden. Ebenso, dass es möglich zu machen sein werde, Medaillen, so-
wolil an die Haupt-Prämiaten, als zum Zwecke der Accessits, zu vertheilen.

Die Angelegenheiten der Goetlie-Stiftung sollen durch ein Directions-
Goniite, unter dem Vorsitz des Erbgrosslierzogs von Sachsen-Weimar,
vertreten werden. Dasselbe soll aus 25 Mitgliedern, von denen fünf in
Weimar ansässig sind, bestehen. Es versammelt sich jährlich zur Zeit
von Goethe's Geburtstage. Fünf Auswärtige werden hiezu jedesmal aus-
drücklich, gegen eine Reise-Entschädigung von 100 Thalern und die Ge-
währung kostenfreien Aufenthalts in Weimar, eingeladen.

Das Comite hat jedesmal den Preis in der ausgeschriebenen Concurrenz
zuzuerkennen. Zu diesem Behufe gesellt dasselbe sich eine Jury von drei
Technikern des betreffenden Faches zu, welche unter denselben Bedingungen,
wie jene fünf Mitglieder, nach Weimar eingeladen werden. Diese drei
Techniker erstatten dem Comitd vor der Entsclieidung ihr Gutachten.
Literarische und musikalische Concurrenz-Arbeiten sind zu diesem Behuf
schon acht Wochen vorher, d. h. bis zum 15. Juni, einzusenden. Vor der
Entscheidung nehmen die Comit^-Mitglieder von den eingegangenen Ar-
beiten Kenntniss. Die Entscheidung erfolgt nach Stimmenmehrheit, wobei
die drei Mitglieder der Jury, und zwar jeder mit dreifacher Stimme, mit-
stimmen.

Ausserdem hat das Comite das Programm für die nächstjährige Con-

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De la Füudatiou-Goetlie ä Weimar par Friinz Liszt. 713

ourreiiz; festzustellen und darin namentlich auch in demjenigen Kunstfache,
welches der Turnus trifft, die Untergattung, in der concurrirt werden soll,
zu bestimmen, im Fall man sich nicht etwa veranlasst sieht, eine specielle
Aufgabe zu stellen.

Mit jeder musikalischen Concurrenz soll ein grosses Musikfest verbun-
den werden. Der Director, dem die Leitung desselben übertragen wird, soll
100 Thaler erhalten. In Betreff der auswärtigen Executanten ist die Hoff-
nung ausgesprochen, dass die Bewohner Weimar's für ihre Beherbergung
bereitwillig Sorge tragen würden.

Die Stiftung verlangt ,als Minimum ein Kapital von 60,000 Thalern,
als Maximum ein solches von 100,000 Thalern. Dasselbe soll durch eine
allgemeine Subscription beschafft werden. Die jährliclie Ausgabe wird
mindestens 3000 Thaler, d. h. die Zinsen von 60,000 Thalern betragen.
Hiebei ist ein zu ertheilender Preis von 1000 Thalern in Anrechnung ge-
bracht. Es wird bemerkt, dass, im Fall Preise zu 2000 oder 3000 Thalern
zu ertheilen wären, bevor man auf die Kapitalsumme von 100,000 Thalern
gekommen, S. k. H. der Grossherzog von Sachsen-Weimar geneigt sei,
das Fehlende zu diesem Zwecke zuzuschiessen. —

Diese Vorschläge, so schön die Absicht im Wesentlichen ist, erwecken
doch in einigen Punkten Bedenken. Befremdlich ist es von vornherein,
dass die Architektur von den eigentlichen Concurrenzen ausgeschlossen
sein soll, während der Verfasser (S. 143) doch in der Literatur nicht etwa
nur die höchsten Gattungen der Poesie, sondern jede namhafte literarische
Thätigkeit, mit Ausnahme der streng wissenschaftlichen, berücksichtigt
wissen will. Aus den beiläufigen Aeusserungen über die Architektur
(S. 153) geht freilich hervor, wie wenig er sein Augenmerk auf das Künst-
lerische derselben zu richten geneigt war Es bedarf, wie es scheint,
des ästhetischen Nachweises nicht, dass die Architektur, der ganzen
Tendenz dieser Goethe-Stiftung gemäss, unbedingt mit in den Kreis der
concurrirenden Künste gehört, dass somit eine Reihe von fünf Haupt-
fächern aufzustellen und ein fünfjähriger Turnus festzusetzen sein würde.
Dann treten bei der Annahme, dass die prämiirten Werke (mit Ausnahme
derer der Sculptur) in das unbedingte Eigenthum der Stiftung Übergehen
sollen, einige Bedenken entgegen. Schon bei den Werken der Malerei ist
wenigstens in Frage zu stellen, ob auch das Recht der ausschliesslichen
Vervielfältigung darin mit eingeschlossen sein soll, was unter Umständen
von nicht unwesentlicher Bedeutung sein kann; dies wäre indess durch
eine näher regelnde Bestimmung zu erledigen. Vorzugsweise aber würden
die entsprechenden Verhältnisse der Literatur (unter Umständen auch der
Musik) in Betracht kommen müssen. Das prämiirte Manuscript soll ganz
in das Eigenthum der Stiftung übergehen und diese soll sich die aus-
schliessliche Herausgabe (im Fall sie sie nicht für eine erste Auflage einem
Buchhändler überträgt) vorbehalten. Dadurch kann aber der Autor, selbst

Er vergisst dabei zugleich völlig, mit wie tiefem Sinne Goethe — mit
dessen eigenthümlichen Richtungen er doch die Elemente der Stiftung in mög-
lichst nahe Beziehung zu bringen sucht — schon seit seinen Jüngliugsjahren
die künstlerischen Leistungen der Architektur aufzufassen bemüht war, während
er (der Verf., S. 101) gleichwohl die, in der That nur ziemlich unbedeutenden
Versuche Gnethe's, sich auch in/das ihm fremde Element der Musik einzubür-
gern , aufs Höchste anschlägt.

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714 Berichte, Kritiken, Erörterungen.

bei scheinbar glänzendem Preise, in ein ungünstiges Verbälfniss versetzt
werden. Der Autor verkauft gegenwärtig, nach Fesstellung des geistigen
Eigenthumsrechts, häufig keinesweges sein Manuscript ohne "Weiteres an
den Verleger, sondern giebt demselben nur das Recht, Vervielfältigungen
seines Manuscriptes durch den Druck in einer oder mehr Auflagen zu
einer bestimmten Anzahl von lixemplaren abzusetzen. Er kann dadurch,
wenn seine Arbeit Erfolge hat, die letztere auf lange Dauer zu einem
zinsentragenden Kapitale machen, ungleich vortheilhafter, als wenn er sie
um eine beliebige, ein für allemal zu zahlende Summe absetzt. Die Bil-
ligkeit dürfte also auch Bestimmungen zu Gunsten des prämiirten Autors,
welche einem solchen Verhältniss entsprächen, verlangen. Ohne Zweifel
aber gehört, im entschiedenen Interesse des Autors, der ein Lieblings-
I schriftsteiler der Nation sein oder werden kann, sowie nicht minder im

i Interesse des Publikums die Bestimmung hieher, dass es ihm, falls er

eine Sammlung seiner Werke veranstaltet, unbenommen sein muss, auch
I das prämiirte Werk in dieselbe aufzunehmen.

1 Ferner würde die Entscheidung über den zu ertheilenden Preis bei

® den gemachten Vorschlägen theilweise den erheblichsten äusseren Schwie-

I rigkeiten begegnen.

' Bei der Sculptur und Malerei würde dies weniger der Fall sein-, bei

I der Eigenthümlichkeit ihrer Leistungen, die sich überschaubar dem Auge

I gegenüberstellen, würde sich nach dem angedeuteten Verfahren, wenn in

der Kürze der Zeit auch vielleicht nicht ganz leicht, der entsprechende
' Beschluss fassen lassen.

Bei der Architektur, nachdem dieselbe mit aufgenommen, würden sich
Ii schon eigenthümliche Schwierigkeiten geltend machen. Es würden zum

- Behufe der Concurrenz insgemein architektonische Risse (nur im seltensten

^ Fall Modelle) eingesandt werden; es würde unter den Rissen, zur Fest-

I Stellung eines begründeten Urtheils mehr auf die geometrischen Zeich-

! nungen, des Ganzen und der Einzelheiten, und auf das Wechselverhältniss

beider, ankommen, als etwa auf malerisch ausgeführte Perspektiven: — es
gehört aber gerade zur Beurtheilung jener ein schon ziemlich scharfgebil-
detes Verständniss. Das Comitö würde also leicht in die Lage kommen,
^ sich dem Urtheil seiner drei Techniker ohne Weiteres zu fügen.

I Noch ganz anders aber verhielte es sich bei der Literatur und bei der

Musik. Es ist freilich schon in den Vorschlägen berücksichtigt worden,
i . dass zu deren Beurtheilung, da zunächst jedes Werk für sich durchgelesen

i sein will, ein grösserer Zeitaufwand nöthig sein würde. Daher jener, um

s acht Wochen frühere Termin der Einsendung für diese Fächer. Aber die

Zahl des Eingehenden kann unter Umständen, zumal bei der Literatur, so
> bedeutend werden, dass für die drei Personen der Jury auch diese Zeit

zu kurz sein möchte, abgesehen davon, dass sie schwerlich überhaupt so
f viel freie Zeit für ein unter Umständen so zeitraubendes Geschäft haben

würden, dass es voraussiclitlich kaum ausführbar sein würde, sie so zeitig
und für so lange Dauer nach Weimar zu berufen und dass es noch viel
» schwieriger sein würde, alle die eingesandten Manuscripte zwischen ihnen,

eines nach dem andern von Ort zu Ort, cirouliren zu lassen. Und doch
wäre dies Alles noch die geringere Schwierigkeit. Wie sollte es möglich
sein, eine irgend grössere Anzahl von literarischen oder musikalischen
Werken — und die ersteren können unter Umständen ein halbes Tausend
und mehr ausmachen — in kürzester Frist zur Kenntniss der Comitö-

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Lindumaiin-Froramers Skizzen aus Rom u. der Umgebuug. 715

mp

Mitglieder zu bringen und deren Gefühls-Organe, die unter Umständen
schon, wenn dies hintereinander geschähe, nach dem Anhören des dritten
Stückes abgestumpft sein möchten, lebendig zu erhalten ?

Die Sache ist in solcher Art eben unausführbar. Es wird überhaupt
ins Auge zu fassen sein, dass bei den verschiedenen Kunstfächern wesent-
lich verschiedene Verhältnisse obwalten und dass hienach bei einer Auf-
stellung der Concurrenzen verschiedene Bedingungen und ein verschiedener
Modus der Prämiirung geboten sind. Ja, es dürfte in Frage kommen, ob
die Anordnung von Concurrenzen für alle Fälle den für die Goethe-Stiftung
angenommenen tieferen Grundsätzen entsprechend sein würde. Vieles geht
im Bereiche des geistigen Schaffens vor sich , was durch eine derartige
Concurrenz nicht zu erreichen sein möchte; vielerlei Umstände, äussere
und innere, können eintreten, die den Schaffenden, und oft den besten,
von der Theilnahme an solcher Concurrenz abwendig machen. Es scheint
unter Umständen noch umfassender zu den in Aussicht genommenen Er-
folgen zu führen, wenn jene höchste Anerkennung nicht bloss dem besten
der in eine Preisbewerbung eingetretenen Werke, wenn sie überhaupt dem
Besten, was in einem bestimmten Fache und innerhalb eines bestimmten
Zeitraumes im Vaterlande hervorgetreten ist, zu Theil würde. Dies kann
einerseits für die monumentalen Werke der Architektur und der bildenden
Kunst, andrerseits für die Musik und die Poesie gelten und dürfte na-
mentlich Gelegenheit geben, über die angeregten Schwierigkeiten bei der
Prämiirung der Werke der letzteren Gattungen hinwegzukommen.

Die Vorschläge des .Hrn. Liszt dürften hienach, je nach dem zu er-
greifenden Standpunkte, manche mehr oder weniger wesentliche Modifica-
tionen erfordern und dadurch freilich auf ein zum Theil andres Resultat,
— als auf das einer in Weimar, für die Zwecke der Goethe - Stiftung, zu
gründenden Sammlung künstlerischer Erzeugnisse, — hinauskommen. Es
dürften aber überhaupt, falls eine derartige Stiftung unter der Aegide eines
Namens wie Goethe ins Lebens treten soll, die freisinnigsten Principien
maassgebend sein.

Lindemann-Frommel's Skizzen aus Rom und der Umgebung.
Rom und Karlsruhe bei Lindemann-Fromme!, etc. Fol.

(D. Kunstblatt 1851, No. 37.)

Ein Unternehmen landschaftlicher und architekturbildlicher Publika-
tion, das in der ersten Lieferung vor uns liegt und, wie in Betreff des
Dargestellten, so nicht minder in der Art und Weise der Darstellung und
der dazu verwandten Mittel unser lebhaftes Interesse in Anspruch nimmt.
Es verspricht ein reiches Album zu werden, den Freunden des classischen
Bodens zur werthvollen Erinnerung oder zur lebendigen Vergegenwär- #

tigung dessen, was ihnen zu schauen noch nicht vergönnt war, — Künst-
lern und Dilettanten zugleich eine Mustersammlung für geistvoll leichte
Auffassung und Behandlung ^i^on Gegenständen solcher Art, Ein, der
ersten Lieferung eingelegtes Blättchen giebt über den zu erwartenden In-

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716 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

mm

halt eine nähere Andeutung. Hienach soll das Werk in sechs Theile zer-
fallen und sollen die letzteren enthalten: 1) Zeichnungen aus Alt-Rom,
2) aus Neu-Rom, 3) aus den Gärten und Villen, 4) aus der Campagna,
5) aus dem Albaner-Gebirge und 6) aus dem Sabiner-Gebirge. Wie stark
jeder Theil werden wird, ist nicht gesagt; ausgegeben wird das Werk in
Lieferungen zu sechs Blättern. Die erste Lieferung enthält ein Blatt aus
jeder Abtheilung, nemlich: 1) einen Blick von den Kaiserpalästen des
Palatin auf die Stadt der alten Ruinen, namentlich auf die Thermen des
Caracalla und den Monte Cavo in der Ferne; 2) eine Ansicht Roms vom
Monte Mario aus; 3) ein Bild des Klostergartens von S.S. Giovanni e
Paolo; 4) einen Blick in die Wildniss der pontinischen Sümpfe, mit dem
Cap Circello in der Ferne; 5) eine Ansicht Frascati's von der Villa Aldo-
brandini aus; 6) ein Gebirgsbild aus der Gegend von Subiaco.

Das Werk ist die Ausbeute eines mehrjährigen italienischen Aufent-
halts, der Hrn. Lindemann-Froramel (einem Neffen des bekannten Galerie-
direktors Frommel in Karlsruhe und Schüler Rottmann's) von 1844 bis
1849 vergönnt war. Die Blätter sind durchweg von seiner eignen Hand
gefertigt, somit Originalarbeiten, ob auch durch den Druck vervielfältigt.
Es sind, wie es der Titel besagt, Skizzen, aber Skizzen, die, mit vollem
Verständniss entworfen und in ihrer Weise mehr oder weniger durchgeführt,
überall die glücklichste Gesammthaltung erreichen und die entschiedenste
künstlerische Wirkung hervorbringen. Es sind lithographische Kreide-
zeichnungen, verbunden mit zumeist mehreren Ton - und Farbenplatten,
in der Zeichnung, sei es in den leichteren Schwingungen der Ferne, sei
es in den markigen Strichen der Vorgründe, voll einfach bestimmter Cha-
rakteristik, in den Ueberdruckyjlatten einen eigenthümlichen malerischen
Reiz hinzufügend. Eine einfache Tonplatte, mit ausgesparten Lichtern,
hat nur das erste Blatt, Die übrigen Blätter haben mehrere, und zwar
farbige üeberdruckplatten, in denen, zumeist mit Hinweglassung oder nur
ganz gelegentlicher Andeutung der Lokalfarben, die verschiedenartig war-
men Töne des sonnigen Lichtes gegen die kühlen der Luft und des Luft-
reflexes in einen so einfachen wie wirkungsreichen Gegensatz gestellt sind.
Die künstlerische Beschränkung, die sich hierin zeigt, und die gleichzei-
tige feine Berechnung bei der Wahl der hiezu nöthigen Töne, bei ihrer
Abstufung und gelegentlichen Vermischung sind es besonders, was diesen
Blättern die grössere bildartige Haltung giebt und zu ihrer Charakteristik,
wenigstens in Betreff der für die einzelnen Darstellungen gewählten Mo-
mente, so wesentlich beiträgt. Die Glut des Sonnenuntergangs auf der
vom Monte Mario aus aufgenommenen Ansicht Roms steht zu der klaren
nachmittäglichen Helle auf den Bildern des Gartens von S.S. Giovanni e
Paolo und der Ansicht von Frascati in ebenso entschiedenem Contrast, wie
zu der trocknen Gebirgsluft des Bildes von Subiaco und zu dem düster
trüben und schweren Scirocco-Athem, der das Bild der pontinischen
Sümpfe — überhaupt eine landschaftliche Darstellung von imponirender
Grossartigkeit — erfüllt.

Das Werk wird, wie in Betreff des Inhaltes, so in Betreff der Dar-
stellungsweisen, seine Freunde fiuden, die den weiteren Fortsetzungen mit
Verlangen entgegensehen dürften.

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Das Wesen der Malerei. 717

Das Wesen der Malerei, begründet und erläutert durch die in den
Kunstwerken der bedeutendsten Meister enthaltenen Principien. Ein Leit-
faden für denkende Künstler und gebildete Kunstfreunde von M. ünger.
Leipzig, 1851. (XX und 554 S. in 8.)

(D. Kunstblatt 1851 , No. 44.)

Es ist ein unverkennbares Streben unsrer Zeit, aus der dilettantisti- s

sehen Aulfassung der künstlerischen Dinge hinauszukommen und dieselben ^

gründlich und sicher au ihren Wurzeln — ihrem Inhalte, wie ihrem Ur-
sprünge nach ~ aufzufassen. Wir haben dafür in den letzten Jahren
mehr als einen schätzbaren Beleg erhalten. Das in der Ueberschrift ge-
nannte Buch ist ein neuer Beleg; es wird für die Auflassung der Dinge |
im Bereiche der Malerei eine entscheidende Einwirkung ausüben, wenn
j.
es auch zu solcher Einwirkung noch mancher vermittelnden Kanäle be- J
dürfen wird,— wenn auch der Verfasser den Ruhm, der ihm gebührt, viel-
leicht mit späteren Nacharbeitern wird theilen müssen.

Das Buch bietet sich, was voraus bemerkt werden muss, dem Leser
in einer nicht gar ansprechenden Form dar; es gehört Ausdauer und
Ueberwindung dazu, bei der Leetüre desselben zu beharren. Dem Style
fehlt es fast zu selir an künstlerischem Vermögen. Die Sprache ist in
ungewöhnlicher Weise mit Fremdwörtern beladen; die Sätze sind schwer,
oft verwickelt und selbst verworren gebaut. Der Ausdruck bewegt sich
fast unausgesetzt in Abstractionen, die nicht selten bis zum Uebermaasse
gehäuft sind. Der Verfasser ist mit seinen geistigen Organen auf einem
Gebiet zu Hause, dem die Sprache noch nicht überall als schulgerechte
Vermittelung gegenüberstehen mochte; seine Sprache ist ein Eingen mit
dem Gedanken und das, was von solchem Ringen als Gewöhnung zurück-
geblieben. Wer ihm nicht mit angespannter Aufmerksamkeit folgt, ver-
liert den Faden leicht, verliert ihn auch ab und zu wohl bei aller Auf-
merksamkeit. Manche Stellen scheinen einen nicht ganz nothwendigen
Aufwand an Worten zu enthalten; das Verständniss mancher andern ist
man geneigt, von künftiger erneuter Leetüre zu erwarten '). Doch aber
lebt man sich allmählig in diese eigenthümliche Ausdrucksweise hinein ;
mehr und mehr reizt das Einzelne, halb Räthselhafte, zum ernstlicheren
Nachsinnen; gelegentliche Aussprüche einer fast gnomi^chen Weisheit
geben eine tiefere Anregung, und man fühlt sich überrascht und wie von
einer Begeisterung mitfortgezogen, wenn dem Verfasser bei den Erschei-
nungen der Kunst, die ihm die theuersten sind, doch endlich das Herz
überströmt und sein Wort sich aus dem Tappen und Suchen zur blühenden
Gestalt aufschwingt.

Der Verfasser hat sich mit vollster Entschiedenheit dem ausschliesslich
Künstlerischen, oder vielmehr — nach der engeren Aufgabe seines Buches

Das oben Gesagte gilt ganz besonders auch von dem einleitenden Kapi-
tel, in welchem der Verfasser seine kunstphilosophiscben Grundsätze darlegt.
Ich habe es hier nicht für erforderlich gehalten, auf den Inhalt dieses Kapitels
näher einzugehen, glaube dies vHslmehr den Aesthetikern von Fach überlassen
zu dürfen, falls sie dazu geneigt sein sollten.

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Beriolite, Kritiken, Erörterungen.

718

— dem ausschliesslich Malerischen zugewandt. Er wendet sicli ebenso
mit vollster Entschiedenheit von Demjenigen ab, was als ein mehr oder
weniger Beiläufiges mit der Kunst in Verbindung steht oder sonst als ein
mit ihr Verbundenes vorausgesetzt wird. Er will in der Kunst der Ma-
lerei wirklich nur diese erkennen, nur ihre Gesetze nachweisen, nur die
aus ihrem eigenthümlichsten Wesen hervorgegangene Leistung als eine le-
bensfähige und lebenzeugende betrachtet wissen. Dieser Standpunkt ist
in der neueren und in aller Kunstliteratur nocii nirgend auf gleich be-
stimmte Weise ausgesprochen und behauptet worden, und hierin eben sehe
ich jene einflussreiche Bedeutung des Buches. Denn wenn ich mit dem
Verfasser darin auch nicht übereinstimmen kann, dass dieser Standpunkt
der einzig gültige sei, so ist er doch, eben weil aus dem eigensten Kern
der Sache hervorgegangen, auch nach meiner Aufl'assung der zunächst
wesentliche. Und wenn die Einsichtigen unter den Kunstfreunden unsrer
Tage solcher Richtung unbedenklich, ob auch mit einem oder dem andern
Vorbehalt, ihre Anerkennung zollen werden, so ist sie eben noch durchaus
nicht in das allgemeine Bewusstsein übergegangen.

Die Kunst soll die Idee des Göttlichen in der ErscJieinung zum Aus-
druck bringen ; die bildende Kunst hat dies in der Darstellung der sicht-
baren Natur zur Aufgabe; der Malerei sind dazu ihre besonderen Arten
und Mittel der Darstellung gegeben. Es handelt sicli um das Verständniss
der Natur einerseits, andrerseits um Dasjenige, worin ihre künstlerische
Fassung beruht und was wir unter dem Worte des künstlerischen Styles
zu begreifen pflegen. Die Erkenntniss des maJeris-chen Styles, die
Darlegung seiner Elemente, die Entwickelung seines Wesens bei den man-
nigfaltigsten Modificationen je nach Zeit und Gattung der Kunst und nach
den künstlerischen Individualitäten bildet den Inhalt des Buches. Auf sehr
bedachte Weise, dem Verständniss sichere Stützpunkte darbietend, schei-
det und erörtert der Verfasser die Grundelemente, auf denen das Wesen
des malerischen Styles und somit der malerischen Kunst (im eigentlichen
und engeren Sinne) beruht; ebenso einsichtig geht er die Entwickelungs-
stadien dieses Styles in den verschiedenen Schulen und Fächern der
Kunst durch; über die einzelnen Meister, die sich darin ausgezeichnet,
werden die schätzbarsten Abhandlungen beigebracht, die dem kunstver-
ständigen Leser, welcher sich der Leitung des Verfassers hingiebt, aus
dem Born einer reichhaltigen technischen Beobachtung und sorglichster
Combination mannigfache Aufschlüsse zu geben im Stande sind. Wie
hieraus im Allgemeinen einleuchten wird, dass das malerische Verdienst
der grossen älteren Meister nicht in diesen oder jenen technischen Geheim-
nissen, sondern eben in der mit reiner Natureinsicht verbundenen styl-
vollen Behandlung beruht, so ergeben sich die belehrendsten Blicke in
das Wesen der naiv malerischen Aufl'assungs- und Vortragsweise der vor-
raphaelischen Meister, in die geläuterte Fülle der venetianischen Kunst,
in die reich gegliederten Kategorieen der niederländischen Schulen. Und
wie, der Natur der Sache nach, das ausschliesslich Malerische vor Allem
für die landschaftliche Darstellung bedingend und bestimmend ist,
so tragen vorzugsweise diejenigen Abschnitte des Buches, welche die
Blüthe dieses Kunstfaches im siebzehnten Jahrhundert behandeln, das
Gepräge einer meisterlichen Entwickelung und ist aus ihnen vielleicht die
zumeist gediegene Belehrung zu schöpfen.

Die künstlerische Fassung, der Styl, ist es, wodurch das Kunstw(!rk

r-

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Das Wesen der Malerei. 719

als solches seine specifische Bedeutung erhält. Den Einzelgegenstand der
Darstellung bezeichnet der Verfasser im künstlerischen Belang als gleich-
gültig; er ist ihm nur die äusserliche Handhabe, an welcher der Künstler
seine Einsicht in das Weben des Naturgeistes zum Ausdruck , zur Er-
scheinung bringen soll. Das ist einerseits völlig richtig und kann, so
lange man sich bewusst bleibt, dass es sich um eine Seite der Sache
handelt, nicht leicht entschieden genug gefasst werden; andrerseits aber
können und müssen sich hieraus doch sehr bedenkliche Consequenzen
ergeben. Der Gegenstand an sich hat eine Fülle von Daseinsbedingungen,
denen eben auch ihr Recht geschehen muss; verliert man deren Gewicht
aus dem Auge, wendet man sich vorzugsweise den Bedingnissen des Sty-
les, der Behandlung, des Vortrages zu, so läuft man allzuleicht Gefahr,
der Virtuosität eine selbständige Geltung zuzugestehen. Der Verfasser
ist dagegen möglichst auf der Hut; wenigstens räumt er es in keiner Weise
ein, dass seine Lehre eine solche Gefahr in sich schliessen könne, und
doch ist dies — wenigätens nach meiner Ansicht der künstlerischen Dinge —
der Fall. Teniers z. B. ist dem Verfasser eine unbedingte künstlerische
Grösse, während ich in den Gestalten seiner Bilder mehr als einmal, statt
eine selbständig berechtigte Existenz (ob auch nur nach dem Begriff der
Gattung) in ihnen zu finden, in der Tiiat nur willkürliche Träger für die
Kundgebungen künstlerischer Virtuosität zu sehen vermochte.

Die Divergenz der Ansichten ist hierin indess noch so gar erheblich
nicht; man geht noch gemeinschaftlichen Weg und hält sich im einzelnen
Fall nur mehr rechts oder mehr links. Aber es sind bei den künstleri-
schen Angelegenheiten noch andre Dinge zu berühren, bei denen sich die
Divergenz als eine sehr starke ergiebt, und ich vermuthe,'dass der Weg,
den ich gehen muss, noch von vielen Andern, — und nicht bloss von
seichten Kunstliebhabern und mangelhaft organisirten Künstlern, einge-
schlagen werden wird.

Die bildende Kunst ist eben Kunst, und die Malerei ist Malerei. Das
klingt höchlichst trivial, und doch ist dieser einfachste Grundsatz noch
so wenig als ein allgemeingültiger angenommen, doch weiss man noch
so wenig zu scheiden, was dem einen und was dem andern ästhetischen
Schaffen zukommt, doch ist es eben das Verdienst des in Rede stehenden
Buches, das Wesen des specifisch Malerischen thunlichst festgestellt zu
haben. Aber so sehr man einerseits und vorerst die Weisen des künstle-
rischen Schaffens auseinanderhalten muss, um den festen Ausgangspunkt
einer jeden Weise zu erkennen und sicher zu hüten, ebensosehr muss man
die Punkte ins Auge fassen, wo dennoch eine Weise in die andre über-
springt, eine aus der andern nährende Quellen in sich aufnimmt. Die
Malerei ist Malerei, — aber sie ist noch mehr. Sie hat die Natur und
das allgemeine Weben des Geistes in der Natur darzustellen; aber sie
führt zugleich und gerade in ihren erhabensten Werken Naturwesen —
Menschen — vor, denen nicht bloss der Ausdruck allgemeiner Naturkräfte
einwohnt, deren Geist ein individuell freier ist, in deren ganzem Sein die
moralischen Mächte zur Erscheinung kommen. Dies bedingt in der
künstlerischen Vorführung ein dichterisches Element, und wo die
Malerei Individuen in moralischen Conflicten vorführt, — wo sie zur
Historienmalerei wird, — da geht sie, mehr oder weniger, über das spe-
cifisch Malerische hinaus, da h^it sie ihre poetische Seite, die ebenfalls
erkannt sein will und der ebenfalls genügt werden muss.

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720 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

....... W

Dies läugnet der Verfasser freilich, oder wo er das Vorliandensein
dieser Beziehungen nicht zu läugnen vermag, bekämpft er es als eine Ent-
artung des künstlerisclien Princips. Es wird gentigen und dem Leser den
Sachverhalt sofort klar machen, wenn ich nur zwei Beispiele, ein leichtes
lind ein gewichtiges, aus seinem Buche anführe. Man liat bekanntlich
(und dies ist besonders Schnaase's Verdienst), die hübschen novellistischen
Züge in Terburg's Genrebildern nachgewiesen: — der Verfasser sagt,
es sei nichts der Art vorhanden, und freilich lässt sich darüber schwer
streiten, da Terburg schon zu lange todt ist, um den Streit entscheiden zu
können. Das Element geistiger Combination in den Bildern aus Raphael's
grosser, vollentwickelter Zeit war aber in keiner Weise in Frage zu
stellen; der Verfasser läugnet dessen Vorhandensein nicht, findet darin
jedoch — er spricht namentlich von Raphael's Transfiguration! — nur
„eigne üeberschätzung" des „spitzfindelnden Verstandes", nur Dienst „im
Solde einer ausschliesslichen Menge", nur Entartung im Verhältriiss zu der
reineren Scliönheit Perugino's und der, welche Raphael selbst in der ju-
gendlichen Nachfolge dieses Meisters bewalirt hatte. Das Beispiel überhebt
mich weiterer Kritik. Dem Verfasser ist eine ganze grosse Seite der Kunst
eben verschlossen oder er will sie nicht sehen. Es wird daher auch nicht
weiter befremden, wenn er überhaupt über Raphael, Miclielangelo, Leo-
nardo kurz und frostig wegeilt, während er von Rubens und von Rem-
brandt fast nicht scheiden kann und das, was als Tadel bei diesen Meistern
zu erinnern sein möchte, doch wieder nur in der Gestalt eines neuen und
eigenthümlichen Lobes vorbringt.

Vielfach auch wirft der Verfasser kritische Blicke auf die Leistungen
der gegenwärtigen Malerei. Er spricht sich anerkennend aus in den we-
nigen einzelnen Fällen, wo er Anklängen an die Richtungen der alten
Meister des malerischen Styles begegnet; er verwirft nach diesem Maass-
stabe ungleich häufiger, mehr oder weniger streng, das, was unsre Zeit
hervorgebracht hat. Wieweit er Recht hat, wieweit vielleicht Unrecht,
ist schwer zu sagen. Wir leben, wie es schgint, in der Zeit einer bunten
geistigen Gährung, die ohne Zweifel auch in dem künstlerischen Scliaflen
ihr Spiegelbild hat; da kann es an tausendfältigen, oft gewiss sehr unreifen
Versuchen, nach diesem, nach jenem Ziele hin, auch wohl au giftig auf-
steigenden Dünsten niciit fehlen. Es gehört viel dazu, aus der Gegenwart
heraus unbefangen über die Gegenwart zu urtheilen. Der Geist des Be-
schauers muss sich aus dem bunten Gewirre erheben, dass es sich in
Gruppen unter ihm lagere: er muss divinatorisch in die Zukunft blicken,
das Ziel vorauszuahnen, zu welchem hin das junge Leben des heutigen
Tages und sein junges Schaffen sich entwickeln wird, — falls ihm zu
seiner Entwiokelung überhaupt Luft und Thau und Sonne beschieden
sind. Er muss die Reclitfertigung des heutigen Strebens in diesem Ziele
suchen und darauf hin das Urtheil über die einzelne Leistung begründen.
Was das Erzeugniss einer vergangenen Zeit ist, beruht auf seinen Fac-
toren; die heutigen Leistungen sind nicht einseitig nach den vergangenen
abzumessen.

Wohl aber haben die Leistungen vergangener grosser Kunstepochen
für das Studium von Seiten der heutigen Künstler dennoch die liöchste
Bedeutung. Das Ziel liegt in ihnen klar da, und es lässt sich erforschen
und erkennen, welche Mittel angewandt, welche Kräfte in Anspannung ge-
setzt wurden, dasselbe zu erreichen. Hierin liegen für das nachgeborne

u

im iirlfiBteri'-iriii

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Goetlii^ und Schiller und ihr gemeinsames Denkmal

Geschlecht woseutliche Schätze vor, und es ist unser Vortheil nicht nur,
es ist unsre Pflicht, dies Erbe anzutreten. Es ist mit ein Stück des Bo-
dens, aus dera heraus unsre eigenthümliche Lebensaufgabe erwachsen soll.
Wir sollen die alten Meister der Malerkunst nicht nachahmen, nicht einmal
in ihrem Sinne malen; aber wir sollen sie studiren, gründlichst studiren,
um an ihnen zum eigenen Thun zu erstarken. Dahin aber gehört, wie
manches Andre und mehr wie Manches, das ganze Gebiet des malerischen
Styles, das in seiner Wesenheit neuerlich uoch erst wenig erkannt und
dessen Verständniss durch das in Rede stehende Buch in so schätzbarer
Weise erschlossen ist. Und darum wird und muss das letztere, trotz seiuer
Vortragweise und seiner einseitigen Tendenz, in dem, was seinen eigent-
lichen Inhalt ausmacht, belehrend ;und fruchtbringend auf die werkthätige
Kunst, wie auf die kunstgeschichtliche Auffassung einwirken. Denn eine
Wahrheit, ob auch eingehüllt in ein beschwerliches Gewapd und (Iber das
Ziel hinausgeführt, wo sie aufhört volle Wahrheit zu sein, ist doch'nim-
mer umsonst ausgesprochen.

721

Goethe und Schiller und ihr gemeinsames Denkmal.

(D. Kunstblatt 1851, No, 47.)

Wenn -wir der grossen Männer im iBereiche des geistigen Schaffens
gedenken, die den deutschen Namen schön und licht gemacht haben, wenn
wir vor Allen zu Goethe und zu Schiller mit liebevoller Verehrung
aufblicken, so ist es insbesondre ein Punkt, eine günstigste Fügung des
Geschickes, die immer und inimer wieder unser freudiges Nachsinnen in
Anspruch nimmt. Es ist die herzliche Freundschaft, das innige Zusam-
menwirken jener beiden Grössten, daraus die tiefgreifendsten Erfolge
hervorgegangen sind. Naturen von fast entgegengesetzter Beschaffenheit,
zu Anfange fast feindlich einander gegenüberstehend, trafen sie sich, als
jeder von ihnen fähig war, die grosse Aufgabe des andern zu begreifen,
jeder bereit, dem andern zuzutragen, was das Leben des Geistes ihm bis
dahin an eigenthümlicher Erfahrung gegeben. Schnell schloss sich zwi-
schen ihnen ein Band, wie es bis dahin nicht gekannt war. Gemeinsam
gingen sie mit unverdrossener Sorge den Gesetzen des Schaffens nach ;
gemeinsam, einer durchaus für den andern einstehend, traten sie in den
siegreichen Kampf gegen die Uebermacht des Schnöden und Schlechten;
gemeinsam trugen sie einander bei Hervorbringung des Schönsten und
Edelsten, dessen unsre Nation sich jetzt mit Stolz rühmen darf. Der
deutschen Poesie würde der Gipfel fehlen, hätten Goethe und Schiller
einander nicht gefunden.

Es ist das Amt der Nachgebornen, den grossen Vorfahren Denkmäler
zu widmen: unsre Zeit hat sich in solcher Sorge vielfach bethätigt. Aber
noch ist das eine Denkmal, welches dem schönsten, dera glücklichsten
und beglückendsten Momente (^er geistigen Entwickelung unsres Volkes

46

Kugler, Kleine Schrifleo. III,

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722 HerichtP, Kritiken, Erörterungoii.

gewidmet werden muss, das eine Deckmal, welches die beiden Grössten
im Verhältniss ihres gemeinsamen Wirkens umfasste, nicht errichtet wor-
den. Rauch hat zu einem solchen Denkmal eine Skizze gearbeitet. Die
Bedeutung, einerseits der Aufgabe, andrerseits der Meisterhand, von wel-
cher die Skizze geliefert ist, wird ein ausführlicheres Eingehen darauf in
diesen Blättern angemessen erscheinen lassen.

Die Skizze führt uns die Gestalten beider Männer, zur Gruppe ver-
einigt, gegenüber. Sie sind in antiker Gewandung dargestellt. Antikes
Kostüm bei Gestalten des modernen Lebens ist ein Umstand, den aller-
dings noch vor fünfzig Jahren ein Jeder als völlig in der Ordnung be-
zeichnet haben würde, der aber, wie es sciieint, bei der heutigen Ge-
schmacksrichtung vorerst doch eine nähere Erörterung und Verständigung
nöthig macht.

Wir sehen in unsern Tagen die Monumental - Statuen grosser Männer
vorzugsweise im Kostüm ihrer Zeit gearbeitet, in der ganzen Ausrüstung
derjenigen äussern Erscheinung, die den Gefeierten im Leben eigenthüm-
lich war; namentlich hat Rauch selbst durch die glückliche Weise, wie er
die hieran sich knüpfenden Bedingungen mit den künstlerischen Anforde-
rungen zu vereinigen wusste, einen wesentlichen Theil seines Ruhmes
erworben. Gewiss hat diese Art der monumentalen Darstellung ihr volles
Recht. Wie das, was der einzelne, auch der grösste Maun gethan, durch
die Verhältnisse seiner Zeit bedingt war, so musste er selbst sich noth-
wendig in den Formen seiner Zeit bewegen, kann also seine äussere
Eigenthümlichkeit zur genügend charaktervollen Erscheinung nur dann
gebracht werden, wenn dies innerhalb der Formen seiner Zeit und, wenn
möglich, in der Ausprägung, die er persönlich diesen Formen gegeben
hatte, geschieht. — Freilich hat diese Aufgabe schon einige äussere
Schwierigkeiten. Die Formen des Zeitkostüms scheinen in ihrer Eigen-
willigkeit oft derjenigen volleren künstlerischen Würde zu widerstreben,
die bei einem, für die Dauer von Geschlechtern und Jahrhunderten be-
stimmten Denkmale doch nicht minder eingehalten werden soll. Man
tliut, solcher Schwierigkeit zu begegnen, dem gegebenen Kostüm hinzu,
was die grössere Würde besser zu vermitteln scheint; man hüllt die Ge-
stalt oder einen Theil derselben in den freieren Faltenfluss irgend eines
Mantelstückes; aber man beeinträchtigt damit nur allzuoft dasjenige, worin
die sprechendste Wirkung des gegebenen Kostüms zu beruhen pflegt, —
seine frische gesunde Naivetät; man schafft nur allzuoft, wenigstens da,
wo die Anwendung des faltigen Gewandstückes nicht durch ein ganz un-
bedingt natürliches und verständliches Motiv gegeben war, ein unerquick-
liches Zwitterwesen. Indess weiss die wahrhafte Meisterschaft um der-
gleichen Nothbehelfe hinwegzukommen; Rietschel's Lessing ist ein Beispiel,
wie monumentale Würde auch bei völliger Hingabe an die Erfordernisse
des Zeitkostüms zu erreichen ist. — Ungleich grössere Berücksichtigung
erfordert ein andrer Umstand.

Die Statue, welche den gefeierten Mann in ganzer Figur darstellt,
giebt uns das Bild seiner körperlichen Erscheinung. Diese seine körper-
liche Erscheinung war die Hülle seines Geistes und das Weben seines
Geistes ihr allerdings ebenso aufgeprägt, wie z. B. der Modeschnitt seines
Kleides durch sein körperliches Gebahren das eigenthümliche Gepräge
empfangen hatte. Aber die körperliche Hülle spiegelt doch keinesweges
nur allfein dies sein geistiges Thun wider; sie ist vielmehr zunächst und

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Goetlie und Schiller und ihr gemeinsames Denkmal. 723

im Allgemeinen das Symbol seines körperlichen Thuns, während sein
geistiges Wirken vorzugsweise nur in Kopf und Antlitz deinen Ausdruck
findet. Bei dem Mann der in das äussere Leben hinausgreif'enden That,
bei dem Helden insbesondre, wird es wesentlich auf das Bild seiner kör-
perlichen Gesammterscheinung ankommen; hiebei wird nichts von dem zu
vernachlässigen sein, was — ebenMm Kostüm und allem dazu Gehörigen —
die äusseren Zeitelemente und die äussere Stellung des Mannes in seiner
Zeit bezeichnet,
Avas überhaupt durch sein körperliches Gebahren bedingt,
die Weise seines Eingreifens in das Leben zu charakterisiren geeignet ist.
Anders bei dem Manne der geistigen That. Bei diesem kommt es, wie
eben angedeutet, zunächst und vorzugsweise auf den Kopf, auf die Weise
an, wie sich in dessen Formen und Lineamenten die Einwirkungen seiner
geistigen Thätigkeit ergeben hatten. Für den Mann der geistigen That
wird schon die Büste eine vorzüglich charakteristische monumentale Be-
deutung haben. Soll aber nicht diese gegeben werden, erfordern grössere
monumentale Zwecke eine Darstellung in ganzer Gestalt, so würde bei
solcher naturgemäss zunächst jenes körperliche Gewicht überwiegen und
das geistige Element Gefahr laufen, gegen das des äusseren Thuns wesent-
lich zurückzutreten, welches letztere doch bei dem Manne der geistigen
That in doppelt untergeordnetem Yerhältniss zu stehen pflegt. Das Zeit-
kostüm und die Ausprägung desselben nach der besondern Persönlichkeit
würden hier in aller Breite das Spiegelbild eben dieses Untergeordneten
geben, während das Eingehen hiei-auf doch ganz ausserhalb der eigent-
lichen ^Zwecke eines derartigen Denkmales liegt. Es handelt sich" hier um
Denkmäler idealen Wirkens: — es wird daher eine ideale Behand-
lung, wie eine solche in der Machtvollkommenheit aller Kunst beruht,
hier durchaus am Orte sein.

Als angemessenste ideale Darstellung einer charakteristischen Persön-
lichkeit, im Gegensatz gegen die zufälligen Besonderheiten dieses oder
jenes Zeitkostüms, könnte zunächst diejenige erscheinen, welche der hohen
Schönheit des körperlichen Organismus ihr volles Recht giebt, — freie,
stolze Nacktheit. Sehen wir von den Banden der Sitte unsres Zeitalters
ab, welche uns dergleichen bei einem Bildnisswerke freilich überhaupt
nicht verslatten würde, so können wir uns doch sehr wohl vorstellen, dass
ein derartiges Werk zur hohen künstlerischen Wirkung durchzubilden
wäre, wenn auch unter der Voraussetzung, dass der gegebene Portraitkopf
nicht minder demjenigen Grade einer freieren Behandlung unterläge, der
seinen körperlichen Ausdruck mit dem körperlichen Selbstgefühl der nack-
ten Gesammterscheinung in Einklang zu setzen erforderlich wäre. Aber,
wie weit auch eine solche Darstellung unter Umständen zulässig sein mag,
für die Gedächtnissstatue des Mannes der geistigen That würde sie wie-
derum sehr wenig geeignet sein. Die untergeordneten Beziehungen, die
das Zeitkostüm hier festgehalten hätte, wären bei nackter Darstellung zwar
beseitigt, aber das entscheidende Hervorheben des geistigen Elementes
doch noch nicht gewonnen; das Körperhafte, — Alles dasjenige, was zu
den Functionen des körperlichen Daseins gehört, würde dabei noch immer
in überwiegendem Maasse vorherrschen oder sich als ein solches dem Auge
des Beschauers aufdrängen.

Es kommt allerdings darauf an, die freie, durch keine Zufälligkeiten
beengte Schönheit des körperlioiien Orgaiiismus festzuhalten, aber nur als
Grundlage, als Reminiscenz, und in einer Weise umkleidet, die seine

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724 15()riclite, Kritiken, Erörterungen.

vorwiegeudc Wirkung zu neutralisiren, die an die Stelle der individuell-
sten Formpnbewegung Linien und Massen von mehr allgemeiner, fast
möchte ich sagen: mehr architektonischer Bedeutung zu setzen vermag,
die somit die körperliche Gesammterscheinung zu demjenigen umwandelt,
was sie für den in Rede stehenden Zwecli in der That sein soll: — zum
Unterbau und Träger des Kopfes, welcher die geistigen Organe zur An-
schauung bringt. F^s kommt darauf an, den Körper, diesem Princip ge-
mäss, in ein ideales Gewand zu kleiden. Dies aber ist das antike und
insbesondre (da das römische Kostüm im Einzelnen doch in modische "Ver-
hältnisse übergeht) das griechische Gfwand. Das letztere war freilich ein
solches, welches für ein bestimmtes Volk und für eine bestimmte Zelt seine
Gemeingültigkeit hatte und insofern ein Zeitkostüm war; aber es theilt
kelnesweges die Exclusivität aller übrigen Zeitkostüme. Es war ein un-
mittelbares und entschieden bewusstes Product des künstlerischen Geistes
der Griechen, die mehr und mehr die conventioneilen Elemente alter-
thümlich barbarisirender Kleidung von sich thaten und nicht rasteten, bis
sie auch hierin das einfachst Naive gewonnen hatten. Das griechische
Gewand ist, ungleich mehr, als bei irgend einem der Völker primitiver
Culturstufe, die völlig naturgemässe, all und jeder Künstlichkeit entfrem-
dete, aber darum zugleich völlig künstlerische Umkleidung des Körpers:
ein einfaches Gewaüdstück, der Chiton, zur engeren, — ein ebenso ein-
faches, das Himation, zur freieren Bedeckung. Das griechische Gewand,
natürlich wie kein andres, folgt daher auch durchaus der natürlichen Form
und Bewegung des Körpers ; es spricht sich darin, der stofflichen Bedin-
gung gemäss, eben nur der allgemeiner gehaltene Nachklang dieses Kör-
perlichen aus. Seiner Natürlichkeit gemäss modjficirt es sicli daher nicht
minder nach den Eigenthümlichkeiten eines jeden Individuums, der Art
jedoch, dass diese Eigenthümlichkeiten sich wiederum in das ihnen ent-
sprechend Generelle auflösen. Das griechische Gewand hat daher keines-
weges nur seine Bedeutung für Volk und Zeit der Griechen; es hat eine
absolute künstlerische Geltung. Und wenn wir dasselbe für ideale Dar-
stellungen auch unsrer Zeit wiederum in Anspruch nehmen, so geschieht
dies in der That aus wesentlich verschiedenen , viel mehr innerlichen
Gründen, als die waren, welche in der Rococo-Zeit zu einer eben nur
conventioneilen Nachahmung antiker Kostüm-Elemente führten.

Ich kehre nunmehr zu der Rauch'schen Skizze zurück. Beide Gestalten,
in denen uns die Heroen unsrer Poesie gegenüberstehen, tragen den Chiton
und das Himation (Tunika und Mantel); ausserdem sind nur ihre Füsse
mit Sandalen bekleidet. Doch ist die Art und Weise, wie Beide die
Mäntel umgelegt haben, eine verschiedenartige, die, indem sie die Haupt-
linien der Gruppe vortrefflich ausrundet, zugleich schon in den Grund-
zügen die verschiedene Charakteristik der beiden Persönlichkeiten giebt.
Goethe ist als der ältere Mann, der fest im Leben stehende, der vielseitig
praktisch thätige gefasst; er hat den Mantel, wie im augenblicklichen
Entschluss und ohne weiteren Vorbedacht, leicht und frei umgeworfen,
so dass derselbe über seinen beiden Schultern und in der Hauptmasse
über der rechten Schulter und dem rechten Arme hängt. Schiller da-
gegen, der zu seiner Linken steht, als der jüngere in das Leben eintre-
tend, als der Mann, der den hohen Styl in der Poesie mit Entschieden-
heit festhielt, hat im Tragen seines Mantels mehr Repräsentation, indem
er ihn nach classischer Sitte einerseits unter dem rechten Arm durchge-

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Goethe und Schiller und ihr gemeinsames Deukmal. 725

schlagen und über den linken Unterarm hängend fragt, andrerseits die
Hauptlinien von der linken Schulter nach vorn niederhäugen lässt. Bei-
des entspricht der körperlichen Grundgeberde ^der beiden Männer: Goethe
steht vollkommen fest und sicher, fast wie ein wenig hinten übergelehnt,
da, während Schiller einen leise ekstatischen Zug in seiner Bewegung,
etwas schwärmerisch vorwärts Strebendes verräth. Auf solcher Grundlage
des Verschiedenen entwickelt-sich ungemein glücklich das gegenseitige
Verhältniss. Beide stehen, wie angedeutet, nebeneinander, dem Beschauer
entgegengewandt. Ks ist, als ob Goethe den jüngeren Freund dem deut-
schen Volke entgegeuführe. Mit. dem Oberkörper ein wenig zu ihm ge-
wandt, erhebt er die linke Hand hinter der rechten Schulter des Freun-
des, fast als leite er ihn, während seine Rechte, wie^zu ähnlichem Zweck,
das Gelenk an dessen rechter Hand berührt; Schiller hat dabei fast etwas
Hingegebenes an ihn, aber doch ohne allen Hauch von Weichlichkeit,
ohne sich selbst unmittelbar ihm entgegen zu neigen; vielmehr ist seine
freie, begeistert sprechende, aufwärts gewandte Geberde die des Dichters,
der doch nur der Leitung des eignen Genius folgt. Es ist iii diesem
Goethe etwas von der Majestät eines Vaters, der, die Schönheit des Sohnes
völlig "empfmdend, diesen der Welt hingiebt, — in diesem Schiller die
ganze schöne Begeisterung der ihrer Aufgabe bewussten Jugend, die, sol-
cher Hut gewiss, ihr Werk mit doppelt freirdiger Kraft beginnt. Die
Hand, welche Goethe hinter der Schulter des Freundes erhelat, hält einen
vollen Lorbeerkranz; man weiss nicht bestimmt, "oli es seine Absicht war,
das Haupt des Freundes damit zu schmücken, und ob es vielleicht nur
die Theilnahme unmittelbar an dem Schaffen des'-Freundes war, was ihn
unbewusst zögern Hess; aber man sieht nun den in seiner'Linken halb-
erhobenen Kranz rasten zwischen beiden Dichterhäuptern, denen beiden
er gebührt. . '

Soviel niir bekannt, ist über die Ausführung dieser Skizze'noch nichts
bestimmt; Ich würde es für ein National-Unteruehmen,'— schön, wie nur
eins und schöner als viele, ~ halten, wenn der Meisterhand, die diesen
Entwurf geschaffen, bald die Gelegenheit zur Ausführung bereitet würde.
Alle, die den deutschen Namen tragen, drinnen im Vaterlande und draussen
in andern Ländern und Welttheilen, sollten dazu beitragen, und ich glaube»,
dass die Begeisterung für Goethe und Schiller noch frisch genug ist, um
auf reichliches Zusammenströmen der erforderlichen Mittel rechnen zu
können. Gewöhnlich lässt man Denkmäler der Art. in Erz giessen; meines
Bedüiikens aber handelte es sich hier um ein Werk, wo das Material des
Marmors, in seinem idealeren Hauche, in seiner Fähigkeit zur höchstge-
steigerten Vollendung, noch ungleich mehr an seinem -Platze wäre. Die
grössere Kostbarkeit des Marmors und der Marmorarbeit dürfte hiegegen
eben auch kein Hinderniss sein; ich .würde auch in diesem Beziige auf
die Verehrung gegen Goethe und Schiller, die füglich so weit gehen wird,
als Deutsche wohnen, rechnen.

lieber den Ort der Aufstellung .eines solchen Denkmales endlich könnte
meines Erachtens kein Zweifel sein.,. Weimar hat den unvergänglichen
Ruhm, dass dort die Pflege der deutschen Dichtkunst die gesegnetste Stätte
fand, dort die Grössten lebten und schufen, dort Goethe und Schiller zum
gemeinsamen Wirken sich vereinten. In Weimar muss dies schöne Dop-
pelstandbild errichtet
merden, ynd der Platz dazu und die würdige bau-
liche Ausstattung dieses Nationalheiligthumes — denn als ein solches

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Berichte, Kritiken, EröiteruDgeii.

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müsste das Denkmal von vorulierein gefasst und behandelt werden —
würde sich dort auch oline Zweifel finden. Weimars Beruf aber dürfte es
darum zugleich sein, mit den, zur Ausführung eines solchen National-
Unternehmens erforderlichen Schritten voranzugehen: — möchten diese
Zeilen dazu eine Anregung geben!

Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen von Adolph
Menzel. Heft 1. (6 Blätter.) Berlin, 1851.

(D. Kunstblatt 18.')2, No. 10.)

i

Arbeiten in geschabter Manier auf Stein, wie wir bisher nur eine
geschabte Manier auf der Metallplatte hatten. Der Stein in friedlicher
Ruhe schwarz angestrichen und dann die schwarze Hülle dreist hinweg-
geschabt, mehr oder weniger stark, ohne Weiteres auf den malerischen
Effekt hin, den, sammt der Darstellung, welche also in Elfekt gesetzt wer-
den soll, der schabende Meister scharf und deutlich vor seiner Phantasie
hat. Denn darauf, und ganz besonders auf die Meisterhand, kommt es
bei dieser Manier an; Vorbereitungen und leises, allmähliges, anfühlendes
Ausarbeiten, Abändern, nachträgliches in Haltung Bringen und dergl. mehr
gelten hier nicht; wer seiner Sache und seiner Hand schon von vorn
herein nicht ganz und gar sicher ist, muss hier eben die letztere davon
lassen. Schliesslich dann etwa noch eine Tonplatte mit entsprechend aus-
gesparten Lichtern besorgt und über die Abdrücke des Schabwerkes über-
gedruckt, und die Arbeit ist fertig.

Also eine Manier, die dem Nicht-Meister nichts nützt, die aber dem
Meister, besonders dem, dessen Richtung auf das speziell Malerische geht,
recht viel nützen kann. Spielend — immer vorausgesetzt, dass es ein
Meister ist, der spielt, was denn freilich unser einen ein ziemlich ernst-
haftes Spiel bedünkt, — kann er hier seine künstlerischen Gedanken hin-
werfen ; und ist er in dem Fall, an der Fülle solcher Gedanken zu labori-
ren, so findet sich in dieser Manier für die letzteren der beste Ableiter,
und andre Leute können sich deren dann auch erfreuen. Für Adolph
MenzeVs stets sichere Hand scheint die Manier wie geschaffen; vielleicht
auch ist sie unter seiner Hand erst zu einem so trefflichen Material um-
geschaffen, wie sie in diesen Blättern erscheint. Möge er es nicht bei
diesem einen Probeheft bewenden lassen!

Ein Probeheft scheint es allerdings zu sein, d. h. ein solches, wo der
Künstler nach den verschiedensten Richtungen hin, zu denen die Manier
geeignet sein mochte, seine Versuche anstellte. Möge das mit drei-Wor-
ten die Angabe des Inhalts näher darthun. Zunächst, auf dem Umschlag,
unter den Hauptworten, deren Buchstaben fabelhaft aus allem Inhalt des
Pinsel- und Schabeapparates zusammengesetzt sind, eine schon etwas wild
malerische Vignette: Pinsel und Schabeisen selber, verwunderlich anthro-
pomorphisirt, die auf der Platte des Steins eine Art Walzer oder Galopp
tanzen. Dann die eigentlichen Blätter: — 1. das Innere einer Wendel-
treppe, spärlich von einer Lampe unter einem Muttergottesbilde beleuchtet,

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Nene Muster für Schuur-Stickerni. 727

wo ein Kavalier die Stufen emporkommt und besorgt innehält, weil er
vermuthlich das Knacken beiin Aufziehen des Gewehrs gehört hat, mit
welchem ihn ein andrer, der sich auf den höheren Stufen im Dunkel
birgt, empfangen will; Kostüm und Art des siebzehnten Jahrhunderts,
Alles durch ein etwas wildes/Hineinfegen des Schabemessers in die
schwarze Farbe zur Anschauung gebracht.'— 2. Raubrittergesindel, die
sich des Wagens und der Habe armer Handelsleute und dieser selbst be-
mächtigt haben und unter peitschend niederstürzendem Märzregen, an
noch unbelaubten Eichen vorüber, zu der durch den Regeaschleier nur
unbestimmt sichtbaren Burg emporeilen; eine kleine Meisterarbeit von
cullurhistorischer und landschaftlicher Charakteristik. — 3. Das Innere
des Bärenzwingers, wie derselbe im zoologischen Garten bei Berlin Jung
und Alt Ergötzen bereitet, hier, zumal bei den Wasser-lropfenden und
sprützenden Bestien, ebenso mit derber Laune wiedergegeben. — 4. Ein
Bild zarter Rococo-Sentimentalität: eine junge Dame, am Kamin lesend,
voll der Finessen und voll der eleganten Gesammthaltung, welche solcher
Darstellung ziemt, überall, auch in dem weichen Gesammtton, den ge-
schabten Blättern ähnlicher Richtung aus dem vorigen Jahrhundert ver-
wandt. — 5. Ebenfalls Rococo: Reifenspiel.eleganter Damen und Herren
auf der Terrasse eines Schlosses, yoll feiner, individuell durchgefühlter
Einzelheiten und zugleich

von starker gehaltener Totalwirkung, besonders
im landschaftlichen Bezüge. — 6, Ein männliches Brustbild, in welchem
wir Moliere erkennen. Er ist zu schreiben im Begriff -und schaut, die
Rechte mit der Feder aufgestützt, nachsinnend zum Beschauer heraus, —
ein Portrait, das uns nicht bloss die zufällige Physiognomie eines geistig
bedeutenden Menschen, sondern diesen selbst im charakteristischen Mo-
mente geistiger Thätigkeit giebt; dies Blatt besonders ein Zeugnis,s, wie
diese Schabmanier auch zur vollen künstlerischen Durchbildung,' allem
leichten Skizzeneffekte fern, vortrefflich geeignet ist, .

Das uns vorliegende Heft hat noch keine -Angabe des Verlegers.
Adolph Menzel aber ist schon der Manu, dessen Qpmpositionen man zu
sammeln bemüht ist, und die neue Manier hat eben-auch ihr eigen-
thümliches Interesse, für Sammler wie für andre Lqute.

Neue Muster für Schnur-Stickerei, erfunden von A. Schroedte r.
Carl Jügels Verlag in Frankfurt a. M. (Klein Quer-Fol.)

I

(D. Kunstblatt 1852, No. 10, Anzeiger.)

Wenn der Name Adolph Schroedter genannt wird, so wissen die
Leser des Kunstblattes,., dass es sich um den Meister handelt, in dessen
Bildern urid Radirungen, wie nimmer zuvor, der classische Humor in
allen Farben spielt, vom nachdenklichsten Ernste bis zur kühnsten über^
sprudelnden Lust. Sie wissen auch, dass dieser Schrödter'sche Humor
(denn nur nach ihm kann er eenannt werden) in derselben classischen
Weise das Ornament- und Araueskenwerk durchweht, mit welchem seine

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1580 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

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Kadiruugeii oft ausgestattet sind, dass er, auch schvvermüthig ernst, auch
iu kecker Verwegenheit, auch übermüthig jauchzend, die Seele ist, die
in diesen wundersamen Linien-, Ranken- und Blattwindungen^athmet, die
in ihnen — ohne etwa'träuraerisch zu verklingen — eine feste, geregelte,
gegliederte Gestalt gewonnen liat.

Schrödter ist bisher iu solcher Weise, wie meisterhaft immerhin, doch
nur beiläufig als Ornanientist aufgetreten. Mit seinen obengenannten
„Mustern für Schnur-Stickerei" tritt er in die Reihe der selbständigen,
praktischen, für besondre Lebenszwecke thätigen Ornamentmeister. Schnur-
Stickerei ist schon ein Lebenszweck, wenn auch gerade nicht anzunehmen
ist, dass sie zur Ausfüllung eines ganzen Lebens werde angewandt wer-
den; sie ist ein treffliches Mittel,- unsern Kleidungsstücken, deren wir
doch einmal zum Leben "nicht entbehren können, eine kräftig wirksame
künstlerische Ausstattung zu geben, und verlohnt sich drUm schon der
Mühe der Erfindung von Seiten des Meisters und der Nachbildung von
Seiten der stickenden Hand. Schrödter ist mit seinem ganzen Ernste und
mit seinem ganzen Humor an die Sache gegangen; mit Ernst, indem er
jeden Einzelzweck, mochte es einem Schuh oder einer Tasche oder einer
Manschette oder einem Besätze gelten, scharf und streng in seineu Erfor-
dernissen beobachtete; mit Humor, indem er die Linien der Schnüre spie-
len und tanzen Hess, wie es ihm die gute Stunde eingab; und abermals
mit Ernst, indem er diese Linien, wie bunt ihr Spiel auch werden mochte,
doch stets im klarsten, gehaltensten künstlerischen Rliythmus zu binden
wusste. So bewegen sich diese Schnüre, dunkle auf hellem und helle
auf dunklem Grunde in den mannigfaltigsten Formen und Verschlingun-
gen, hier in strenger, feierlich gemessener Bewegung, dort im bunt flackern-
den Sprunge, der aber, stets zum Ganzen zurückkehrend, in diesem Gan-
zen stets seine künstlerische Beruhigung findet. Am interess^antesten sind
die mehrfarbigen Muster, wo Schnüre von schwarzer, rother^und weisser
Farbe, auch von Gold, auf verschieden getönten lichtgrauen Gründen,
oder Roth und Gold, auch scharfes Blau, auf scliwarzem Grunde erschei-
nen. Sehr sinnreich sind hiebei die mächtigsten Farben, Schwarz oder
Gold, zu den gehaltensten Grundformen des Ornamentes genommen, wäh-
rend die übrigen, je nach ihrem Charakter, bunter um sie umherspielen.
Es ist etwas Musikalisches in dieser Wirkung; sie gemahnt au die
kunstreiche Verschlingung der Töne in wohlgearbeiteten Trio's oder
Quartetten.

Das Heft hat sechs Blätter, denen sich die ebenso wohlausgestattete
Vorderseite des Umschlages als siebentes anreiht. Sie sind in lithogra-
phischem Farbendruck vortrefl'lich ausgeführt. Ein gütiges Geschick wolle
sie, unsern Augen zum Heil, möglichst vielen Stickerinnen in die Hände
führen und dem Meister, dem es nichts verschlagen dürfte, wenn er sol-
cher Arbeit ab und zu noch eine Mussestunde widmet, die Lust dazu rege
erhalten! —

Ich muss hiebei noch jener Stickmuster gedenken, die vor etwa
zwanzig Jahren ein andrer Meister der Kunst, C. Bötticher, der Archi-
tekt, (der Verfasser der Tektonik der Hellenen) gefertigt hat und die in
der damaligen Stickwaarenhandlung von Nicolai und Gillet zu Berlin,
meist unter dem Titel des „arabischen Styles" (weil sie das dabei erfor-
derliche Mosaikprincip beobachteten) erschienen sind. Im allgemeinen
künstlerischen Interesse wie in dem der Kunst-Technik ist auf das Leb-

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Die Armee Friedriclis des Grpssea.in. ihrer UniformiruDg. 729

hafteste zu -wünschen, dass von diesen nicht minder meisterhaften Arbei-
ten Bötticher's eine, vollständige Sammhing, die vielleicht noch zu
beschaffen ist, veranstaltet werde. Möchten diese Zeilen dazu eine An-
regung geben! . "

Die Armee Friedrich's des Grossen in ihrer Uniforüiirung gezeich-
net und erläutert von Adolph Menzel. Erster Band. Die Cavallerie,
Berlin 1851. Fol. Druck und Colorit des lith. Inst, von L. Sachse & Co.
Zu beziehen durch den Verfasser und den Drucker.

(D. Kunstblatt 185?, No. 11.) ^

Es ist bekannt, dass Adolph Menzel, seit er es unternahm, eine volks-
thümlich geschriebene Geschichte Friedrich's des Grossen mit Zeichnungen
zu begleiten, in der Darstellung dieses Königes, seines Lebens und seinier
Thaten eine Hauptaiifgabe seines künstlerischen Berufes gefunden hat. Mit
unermüdlicher Sorgfalt hat er seine Studien auf diesen Zweck gerichtet
und den vollkommen zureichenden'Apparat zur Erfüllung solcher Aufgabe
zu gewinnen gestrebt.- Von dem Heldenkönige ist aber das Heer, mit
■welchem er seine Schlachten focht, unzertrennlich; so musste die Sorge
des Künstlers.ganz besonders auch da_hin gewandt sein, von allen Eigen-
thümlichkeiten dieses Heeres, je nach den Graden nnd den Gattungen
desselben und nach den verschiedenen Perioden der Regierung des Kö-
niges, eine möglichst bestimmte Anschauung zu gewinnen. Ein fertiges
Material lag dazu durchaus nicht vor. Vielmehr musste,, was sich an
Waffen, Montirungen und sonstigen Effekten in alten Magazinen noch
mehr oder weniger erhalten hatte, hervorgesucht, der Gebrauch auf dem
lebenden Körper genau ermittelt, auch das Trümmerhafte und schon Ver-
rottete überall sorglich beachtet werden. Einzelnes in andern Sammlun-
gen, Bildnisse der Zeit, kleine Wachsmodelle und Handzeichnungen, da-
mals zur Anschauung einzelner Truppengattungen oder ihrer besondern
Abzeichen gefertigt, u. dergl. m., wurde, soviel»-es immer ging, dazu ge-
nommen, tim jeden Punkt, über den nur eine Belehrung zu gewinnen war,
festzustellen und klar zu machen. Die Fülle der Studien, die^Menzel in
solcher Beschäftigung mit eigner Hand fertigte, gab endlich zu dem in
der Ueberschrift genannten Prach'twerke Anlass , in welchem er die Re-
sultate seiner Mühen nicht bloss den Kunstgenossen zur freien Benutzung
darbietet, sondern zugleich auch ein Werk liefert, das für die Spezialge-
schichte des grossen Königes und seiner Zeit den eigenthümlichsten, völlig
urkundlichen Werth hat.

Der vorliegende erste Theil, das Resultat neunjähriger Arbeit, enthält
141 colorirte Blätter, nebst dem dazu gehörigen kurz erläuternden Texte.
Es sind militärische Kostümflguren (die einzelne Figur etwa 8V2 Zollhoch)
und Darstellungen verschiedenartigen militärischen Geräthes, Alles, soweit
es die V^orlagen nur gestatteten, mit derjenigerl Genauigkeit gegeben, die
den Gegenstand vollständig erschöpft. Wie der Titel angiebt, behandelt
dieser Theil der Cavallerie; zwei andre Theile sollen die übrigen Truppen-
gattungen enthalten. Die verschiedenen Regimenter der Kürassiere, der
Dragoner und der Husaren nebst den , den letzteren zugesellten Bosniaken

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Berichte, Kritiken, Erörtorurigeu.

treten uns in systematischer Folge entgegen, überall mit der genauen An-
gabe der kleinsten Verschiedenheiten, welche bei diesem und jenem Re-
giment, bei Officieren und Gemeinen, bei Trompetern und Trommlern, in
der Galla- und in der Dienstkleidung zu bemerken waren. Vollständig
konnte diese Folge aber nur in Bezug auf die Uniformirung, welche in
der späteren Regiorungszeit des Königes angeordnet war, durchgeführt werden ;
für die frühereu Epochen derselben war es nur möglich, charakteristische
Beispiele zu geben. Einzelne schätzbare Reste, wie Zieten's phantastische
Tigerdecke und seine Bärenmütze mit dem Adlerflüge], sind an gehöriger
Stelle eingereiht; merkwürdige Bildnisse, genau nach den Originalen wie-
dergegeben, wie die Jugendportraits von Seydlitz und von Blücher," dienen
eben so zur Ausfüllung besonderer Lücken, wie sie, bei der Bedeutung
solcher Namen, zugleich das vollste selbständige Interesse gewähren.

Alles ist von Menzel eigenhändig mit der Feder auf Stein gezeichnet
und nach seinen Vorbildern und unter seinen Augen colorirt worden.
Die Stellung der einzelnen Figitren ist überall so gewählt, dass die Ein-
richtung der Uniform vollständig ersichtlich wird; wo es nöthig war, sind
aus diesem Grunde den von vorn gesehenen Figuren auch Rückenfiguren
gegenübergestellt. So weit es die Eigenthümlichkeiten der Uniform, je
nach den Truppengattungen gestatteten, sind, wie es scheint, dieselben
Steinzeichnungen benutzt und die Abweichungen, für den einen und den
andern Fall, durch Veränderung der Zeichnung eingetragen worden. So
kehrt also, je nach den dargestellten Charakteren, dieselbe Stellung mehr-
fach wieder; aber der instruktive Zweck des Werkes tritt dadurch nur
um so deutlicher ins Auge.

Es ist ein instructives Werk, ein Kostümwerk, aber ein von einem
Künstler gefertigtes und somit auch ganz entschieden, seiner Behandlung
wie seinem Zwecke nach, ein i(ünstl er isches Werk. Menzel hat nicht
bloss die Uniformen gezeichnet, welche die Armee Friedrichs des Grossen
trug, sondern zugleich, in diesen Uniformen, Männer
jener unvergesslichen
Armee. Wir sehen diese Wackern vor uns, die bei Leuthen vor dem so
viel gewaltigeren Feinde nicht bebten und nach der unheilvollen Nacht
vor Hochkirch nicht zagten, die unermüdet von einer Grenze des Landes
zur andern dem stets neuen Dränger entgegenzogen, deren Ernst eisern
und deren gute Laune unverwüstlich war, auf deren Schultern, wie ihr
König sagte, der preussische Staat sicher ruhte. Wir sehen der Festig-
keit des Eisenreiters, dem Adel des Garde-du-Corps den stürmenden
Trotz des Husaren gegenübergestellt, der gemessenen Haltung des Officiers
die derbe des Geraeinen, die Keckheit des Trompeters, das eigenthümliche
Wesen des kleinen Trommelschlägers. Wir haben in jeder dieser Figuren
ein abgeschlossenes Lebensbild vor uns und könnten zu mancher von
ihnen wohl eine kleine soldatische Ballade schreiben.

Art lässt eben nicht von Art. Einer, der wirklich ein Künstler ist,
muss schon ein Künstler bleiben, auch wenn er ein kritisches Kostümwerk
liefert, und hat er sich, wie Adolph Menzel, so ganz in diese Welt einge-
lebt, so muss auch das scheinbar Trockene unter seiner Hand wieder von
charakteristisch individuellstem Leben erfüllt werden. Es möchte aber
nicht viele Kostümwerke geben, von denen man Dasselbe sagen kann.')

Zu bemerken ist, dass die Auflage des besprochenen Werkes, aus in der
Sache liegende» Gründen, nur sehr kleiti ist.

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liindemanD-Frominfel's Skizzen aus Rom und der Umgebung. 731

Lindemann-Frommel's Skizzen aus Rom und der Umgebung,
Rom und Karlsruhe etc. Heft II, Fol,

(D. Kunstblatt 1852, No. 13.) •

Das zweite Heft dieses schonen Werkes entspricht den Vorzügen,
welche bereits bei Besprechung des ersten rühmlichst anerkannt werden
mussten. Es sind, wie dort, geistvoll leichte Kreidezeichnungen, verbun-
den mit Ton- oder Farbendruckplatten, in welchen die warmen Töne des
Lichtes, besonders im Vorgrunde, den kühleren der Luft und Luftwir-
kung glücklich entgegengesetzt, aüch gelegentlich Andeutungen der Lokal-
farben gegeben sind , so dass zuweilen mit einfachsten Mitteln eine sehr
lebendig malerische Wirkung erreicht wird. Aus „Alt-Rom" empfangen
wir diesmal einen, vermuthlich von der unteren Spitze der Insel S. Bar-
tolommeo aufgenommenen Blick auf das jenseitige Tiberufer, über welches
sich vorn der heitere Säulenkreis des Vestatempels, weiter zurück der
barocke Fa^adenbau \'on S. Maria in Cosmedin erhebt, während hinter-
wärts die edle altrömische Architektur des Ponte rotto in das Bild hin-
einspringt, — das Ganze ebenso lebendig, wie in klarer ruhiger Haltung
wiedergegeben. — Aus „Neu-Rom" wird uns eine malerische Winkelgasse
am Kapitol vorgeführt, durch die mau auf das Stück des tarpejischen
Felsens, welches aus dem modernen Häusermeer noch zu Tage steht, und
drüber auf den Pallast Caflarelli, wo der preussische Gesandte wohnt lind,
wo früher das römische Nationalheillgthum, der Tempel des kapitolini-
schen Jupiter,, stand, hinausblickt, — ein Blatt, dessen Interesse durch
eine etwas kräftigere und vollere Haltung vielleicht nicht unwesentlich zu
erhöhen gewesen wäre. — Aus den „Gärten und Villen" haben wir einen
Punkt auf dem Palatin vor uns, die hintere Terrasse der Villa Spada mit
dem Blick auf die Tiberufer, wo uns noch einmal der Vestatempel, aus
der Ferne begrüsst, auf die Brücken und St, Peters stolze Kuppel. Dies
Blatt, wesentlich als ein landschaftliches gefasst und mit entschiednerer-
Andeutung der Lokalfarbe, ist von glücklichster^ sehr klarer und ruhiger
Wirkung. — Aus dem „Sabinergebirg" sehen, wir Tivoli mit seinen schäu-
menden Cascaden, von der Villa"'des Horaz aus"aufgenommen, vor uns,
ein in einfachen, doch wohl abgestuften Tönen energisch durchgeführtes
Bild, — Aus dem „Albaner-Gebirge" ein Bild des Sees von Nemi, mit
der Stadt auf der Höhe, noch einfacher'und ernster gehalten, im Vor-
und Mittelgrunde sehr glücklich angelegt, in den Hintergründen^ leider
unruhig und diese letztere Wirkung in dem vorliegenden Exemplar durch
ungenauen Druck noch etwas verstärkt. — Aus der „Campagna" empfan-
gen wir endlich einen Blick über das schon im tiefen abendlichen Schat-
ten liegende Thal der Egeria und das Albaner Gebirge in der Ferne,
eine Darstellung von ebenfalls sehr poesievoller Conception, der aber
nicht minder in der Haltung eine etwas grössere Fülle zu wünschen wäre,
wie auch hier die Wirkung des vorliegenden Exemplares durch kleine
üngenauigkeiten im Druck ein wenig gestört wird. , " '

1) D. Kunstblatt 1851,.Nr, 37,

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Berichte, Kritiken, Erörterungen,

Die Episteln und Evangelien mit Summarien, Gebeten un"d
Sprüchen auf alle Sonn- und Fest-Tage durchs ganze Jahr,
nebst einem Anhange und 84 Holzschnitten. Herausgegeben vom Evan-
gelischen Bücher-Verein. Berlin 1852.

(D. Kunstblatt 1852, No. 33.)

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Ein Buch, das für die Zwecke christlicher Erbauung, nach dem, von
der Kirche vorgeschriebenen Jahresgange, bestimmt ist und zunächst
durch schöne und edle Ausstattung sich ebenso empfiehlt, wie es sich
durch wohlfeilsten Preis eine möglichst grosse Verbreitung angebahnt hat.

Wir haben es hier mit der künstlerischen Ausstattung des Buches
zu thun. Die zahlreichen Holzschnitte, welche dasselbe schmücken, geben
Darstellungen der Geschichte Jesu, der Parabeln und symbolischen Be-
züge des neuen Testaments und, als Versinnbildlichungen der im An-
hange u. a. beigefügten zehn Gebote, einige Darstellungen aus dem alten
Testamente, Die Compositionen der Holzschnitte zerfallen in drei, der
Masse nach ziemlich gleiche Classen. Ein Drittel ist nach Vorbildern
von Dürer gearbeitet und seinen Cyklen des Lebens der Maria und der
Passion Christi entnommen, hat also vorzugsweise die Jugend- und die
Leidensgeschichte des Erlösers zum Inhalt. Ein zweites Drittel ist den
Blättern der kleinen Meister, besonders des Georg Pens, auch in weni-
gen Ausnahmen den Compositionen ausserdeutscher Künstler des 16. Jahr-
hunderts nachgebildet. Das letzte Drittel endlich lässt die Compositions-
weise moderner Künstlerhände erkennen. Es war ohne Zweifel die Ab-
sicht, so viel als thuiilich die Darstellungen der gediegenen alten deut-
schen Meister beizubehalten und nurj wo das vorliegende Material nicht
ausreichte, eine anderw^eitige Aushülfe zu treffen.. Die Blätter der alten
Meister sind vortrefflich wiedergegeben, wesentlich begünstigt freilich
durch den Umstand, dass fast durchweg in ihnen zugleich schon eine
völlig stylgemässe Behandlung des Holzschnittes vorlag. Die übrigen rei-
hen sich ihnen in entsprechender Behandlung an.

Die ganze Illustration macht demnach einen so vvürdigen wie wohl-
gefälligen Eindruck, vorherrschend in der sicheren Classicität der ange-
deuteten älteren Richtung. Zu wünschen wäre dabei, dass man, zumal
bei dem durchgelienden Weglassen der Künstlerzeichen auf den einzelnen
Darstellungen, die Namen der Meister und die Angabe der Werke, aus
welchen die Darstellungen im besondern Fall entnommen, etwa auf einem
besondern Blatte hinzugefügt hätte., Den erbaulichen Zweck des Buches
würde dies so wenig gestört haben, wie die Angabe der Dichter und selbst
gelegentlich ihrer Lebensumstände in den kirchlichen Gesangbüchern. Es
würde um so zweckmässiger gewesen sein, als für den sinnigen Beschauer
dieser Bilder doch, wenn auch im massigsten Grade, ein Zurückgehen
auf die historischen Verhältnisse ihres Ursprunges nöthig sein möchte.
Für den eigentlichen Kunstfreund, auf dessen Theilnahme bei Beschaffung
des Buches^doch auch wohl gerechnet ist und der auch bei dem Zwecke
unbefangener Erbauung seine persönliche Eigenschaft nicht wird verläug-

') Preis ungeb. 15 Sgr., geb. n'/a Sgr., Halbfranzband 22V2 Sgr.

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Die Episteln und Evangelien mit Summarien etc.

iien können, wäre ein solches Verzeichniss geradehin ein Bedürfniss ge-
wesenj da nicht zu erwarten ist, dass ihm die Autorschaft jedes einzelnen
Stückes ohne Weiteres gegenwärtig sei.

Das Zurückgehen auf Dürer bei der Auswahl der Composltionen er-
scheint in gewissen und allerdings sehr wesentlichen Beziehungen vcillig
sachgeinäss. Abgesehen, davon, dass seine, in ihren Grundfügen so ruhige
Stylistik dem äusseren Zwecke der Illustration auf das Vortheilhafteste'
entgegen kam, so erkennt mau in ihm geradehin den Zeit- und Geist-r
verwandten der grossen kirchlichen Reformatoren; es ist in. seinen Dar-
stellungen dieselbe Festigkeit des Sinnes, dieselbe Unbefangenheit der
Ueberzeugung, dieselbe sichre Einfalt des Gefühles, wie z. B. in den
kirchlichen Liedern, deren sich die evangelische Kirche aus der Zeit ihres
ersten starken Aufschwunges erfreut. Bei den Arbeiten von Dürers Nach-
folgern ist das Alles zwar minder stark und fest, es geht schon eine mehr
sinnliche Auffassung hindurch; doch bewegen sie sich noch in derselben
Grundrichtung und durften sich somit auch seinen Darstellungen ohne
sehr erhebliches Bedenken anschliessen. Die moderne Zeit liegt von jener
Epoche durch einen bedeutenden Zwischenraum getrennt. Die hier ge-
gebenen modernen Darstellungen haben eine andre Grundlage des Gefüh-
les; doch tritt das Bestreben, sich den^ alten Meistern thunlichst anzu-
schliessen, mehr oder weniger ersichtlich hervor. Am Meisten ist dies-bei
den, von einer bestimmten Hand herrührenden Compositionen zu den
zehn Geboten der Fall; in diesen Blättern ist etwas von jener Naivetät
F., Richters, die sich durch einen so gediegen volksthüralichen Charakter
auszeichnet. Die übrigen modernen Darstellungen rühren voraussetzlich
insgesammt von einer zweiten Hand her. Hier sehen wir eine sehr leb-
hafte, ohne Zweifel noch jugendliche Begabung, die sich ziemlich ent-
schieden in der Nachfolge von Cornelius (und zwar vop dessen Composi-
tionen zum Berliner Campo Santo) bewegt. Die Blätter verrathen
Phantasie und Geist; aber es fehlt ihnen zum Theil noch jene ruhige
Naivetät, welche, wenigstens in unsern Tagen, erst der Gewinn eines sehr
ernstlichen Ringens zu sein pflegt; im Gegensatz gegen Dürer macht sich
dieser Mängel hier doppelt bemerklich. Der junge Künstler hat'gefegent-
lich zu viel Einzelbezüge, zu viel Einzelgeberden gegeben, geräth dadurch
gelegentlich selbst ins" Manieristische. (Möge er zeitig diese bedrohlichste
Klippe erkennen!) Wie schön aber bei alledem dies Talent ist, zeigen,
Beispiels halber, die geistvolle Darstellung des verklärten Erlösers, der
die falschen Propheten von sich weist (S. 199) und das Bild der klugen
und thörichten Jungfrauen (S. 277), wenn auch bei letzterem die moderne
Un-Naivetät wiederholt ist, die an die Stelle des Bräutigams der zehn
Mädchen den strahlenden Erlöser stellt, somit das patriarchalische Bild
ältest orientalischer Sitte, wälches hier doch nur der Gegenstand einer
in sich begreiflichen künstlerischen Darstellung sein kann, zu Nichte macht.

Ich komme noch einmal auf den Kern der Hlustrationen, auf die
Dürer'schen Blätter; zurück. Ich verglich sie' mit den kirchlichen Liedern
der Reformationsepoche: — es macht,sich indess zugleich ein sehr erheb-
licher Unterschied zwischen beiden geltend. Die Lieder haben eV vor-
zugsweise mit inneren, die Bilder, mit äusseren Anschauungen zu thun.
Beide sind aus ihrer Zeit geboren; aber die Lieder sind weniger an ihre
Zeit gebunden, als die Bilder./ Die Lieder werden sich daher ungleich
leichter auf eine andre Zeit übertragen lassen, als jene, und der tausend-

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Bericlite, Kritiken, Erörterungen.

und aber tausendfältige Gebrauch bestätigt es zur Genilge. Wie selten
sind in den Liedern (wenn wir von schlechten Auswüchsen 'absehen) An-
schauungen, die unsrer Zeit nicht mehr ganz entsprechen dürften, wie
z. B. jenes, ohnehin schon etwas spätere Paul Gerhard'schc Wort:

„Herr, icli bin nichts, du aber bist

Der Manu, der Alles liat und ist."

Und wie sind im Gegentheil jene Bilder ganz in die ausschliessende An-
schauungsweise der Zeit ihrer Entstehung getaucht! Durchweg ist in ihnen
das naivste Hereinziehen der Darstellung in die damalige Gegenwart vor-
herrschend, theils in dem Kostüm der Nebenpersonen und in Allem, was
der Umgebung des Lebens angehört, theils und mehr als in diesem Neben-
sächlichen: in einer Weise realer Gestaltung, die durchweg das körper-
liche Gebahren eben jener Zeit zur Schau trägt. So sehr wir diese Weise
der Darstellung anerkennen, so grosse Schönheiten wir durch sie veran-
lasst finden, so tritt sie uns doch als eine zeitlich beschränkte, uns fremd-
artige entgegen; und wir können den erbaulichen Gewinn, den die Blätter
uns darbieten, doch erst aus zweiter Hand, nachdem wir uns in jene,
unserer Zeit schon entlegene Anschauungsweise versetzt haben, entgegen-
nehmen. So gewinnt überliaupt die Illustration des Buches, bei aller
Gediegenheit, einen romantisch alterthümlichen Charakter, wie die neu
aufgelegten Volksbücher und Andres, das uns die schönen Yermächtnisse
des freilich doch vergangenen Mittelalters erneut.

Indess muss zugestanden werden, dass die Illustration überhaupt wohl
kaum in andrer Weise zu beschaffen war. Die Meisterwerke der schon
freier entwickelten Italiener konnten jedenfalls wohl nur eine kleine Aus-
beute zur Verbildlichung der Geschichte und der Parabeln des neuen
Testaments gewähren, und ihre Uebertragung in die Stylistik des Holz-
schnittes musste vielfache Schwierigkeiten hervorrufen, wie denn auch das
eine, hier enthaltene Blatt nach Raphael, die Verklärung Christi (der obere
Theil seines grossen Bildes), nicht eben zum Besten wirkt. Das Ganze
von einem namhaften Meister der Gegenwart beschaffen zu lassen, mochte
anderweitige erhebliche Bedenken haben, schon der voraussetzlich bedeu-
tenden Kosten halber, die den wohlfeilen Preis des Buches wieder unmög-
lich machen konnten. Auch durfte die durchgeführte moderne Darstellung
einer allgemeinen Billigung schwerlich im Voraus gewiss sein, und um so
weniger, als das, wonach in solcher Beziehung das tiefere moderiie Be-
wusstsein verlangt, — eine auf gründlicher archäologischer Kenntniss be-
ruhende, vollkommen historische Objectivirung der Darstellungen an Stelle
der vorherrschenden Subjectivität der früheren künstlerischen Epochen, —
eben noch gar nicht vorliegt. Und in diesem Fall würde, wie es scheint,
der berufene Künstler — als Reformator auf seinem Gebiete — eben auch
völlig selbständig hereintreten müssen.

Wir können also schliesslich nur sagen, dass Dasjenige, was die im
Titel des Werkes genannte Gesellschaft für den Zweck der Illustration
nach Lage der Umstände thun konnte, redlich geleistet ist, und wir haben
demnach Absicht und Leistung nur mit offnem Danke anzuerkennen.

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Uie Ruhe auf der Flucht Dach Aegypten. 735

Die Ruhe auf der Flucht nach Aegypten. Joseph Heinemann
inv., V. Schertie lithogr. ' "Verlag und Eigenthum von V. Schertie in

Frankfurt a. M. j .

t' . . .
(D. Kunstblatt 1853, No. 2.) > ' ' . ..

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Eine weibliche Gestalt, zart und edel, langgewandet, barfüssig, das Haar
mit einem Schleier bedeckt, liegt schlafend, gegen ein Felsstück gelehnt,
das Haupt ein wenig zurückgewandt. In den Armen, mit ineinainder ge-
falteten Händen, hält sie ein schlafendes Kindchen, dessen Unterkörper in
ein Zeugstück gewickelt ist. Ihr zur Seite, auf den linken Arm sich auf-
stützend, sitzt eine gleichfalls langgewandete Flügelgestalt, die liebevoll
auf die schlafende Frau blickt und mit der,Rechten einen Palmzweig über
ihrem Gesichte liält, sie damit gegen die Sonne beschattend. Hinter dem
Felsstück, an dessen Seite einiges Reisegeräth liegt und wo es nach einem
Gewässer hinabgeht, ist ein bärtiger Mann beschäftigt, einen Esel zur
Tränke zu führen. In der Ferne eine Felshügel-Landschaft im Charakter
des nicht zu tiefen europäischen Südens, In den Ecken des VorgrundBs
Distelstauden, die eine neben dem nackten Fusse der schlafenden Frau.

Wir haben es nicht nöthig, auf die im leisesten Töne gedruckte Un-
terschrift dieses Blattes zu blicken, um sofort den Inhalt der Darstellung
zu erkennen. Es sind die Gestalten der heiligen Tradition, wie sie from-
mer Sinn früherer und neuerer Kunst ausgeprägt hat; es ist ein Moment
der Ruhe auf jener Flucht, die sie zur Rettung des von blutigen Schergen
verfolgten Kindchens unternahmen. Wir kennen diese Gestalten aus vie-
len sinnigen Kunstschöpfungen ; der Zeichner des vorliegenden Blattes hat.
sie mit Liebe wiedergegeben, hat zugleich einen Moment gefunden, dessen
glückliche Originalität -- innerhalb der vorgezeichneten Richtung — uns
anzieht und dessen schön durchgehaltene Stimmung unser« Gemüth rührt.
Wollten wir freilich einmal die künstlerische Tradition vergessen oder,
umgekehrt, nach ihrer Berechtigung zur fortwirkenden. Wiederkehr fragen;
wollten wir uns deii ganzen Charakter jener Zeit, wie wir ihn heute zur
Genüge kennen, die Zustände einer flüchtenden Familie jener Zeit im
Sande der arabischen Wüste oder an den Ufern des Nils vergegenwär-
tigen; wollten wir — streng festhaltend an den einfachen Bibelworten oder
dasjenige mitberücksichtigend, was ältester Kirchenglau6e hinzugefügt, —
das geistige neben dem ausschliesslich gemüthlichen Leben dieser Fa-
milie mit in Erwägung nehmen, deren heiliges Kindlein eine Welt retten
sollte und dessen allmächtiges Wort, nach der Sage, schon auf dieser
Flucht die Dattelpalmen beugte, dass sie ihre Früchte den Wandernden
hergaben, die Quellen aus den Felsen springen.hiess, die Dürstenden zu
tränken, die Sykomore öffnete, dass sie sich In der Höhlung des Baumes
vor den Verfolgern sicher bergen mochten, — dann würden wir freilich ein
andres, fester auf festerem Boden stehendes, zur erhabensten That, wie
zum erhabensten Dulden befähigtes Geschlecht vor uns sehen müssen.

Solche Anforderung indess, — der zum Theil zwar schon, und zum
Theil schon in machtvollster Weise, die Kunst des Cinquecento genügt
hat, — gehört ihrem ganzen Umfange nach erst der Kunst der Zukunft an.
Auf das vorliegende Blatt, wie dasselbe sich einmal giebt, findet sie noch

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1588 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

78fi

keine Anwendung. Dies hält sich in jener, allerdings beschränkten ge-
müthlichen Stimmung, aber es giebt dieselbe völlig rein, anspruchslos und
in einem klaren Wohllaut der Linien und Formen. Es ist, eben seiner
schönen Naivetät halber, eins der gültigsten Beispiele der Richtung, welche
es vertritt; und es wäre bei der Reinheit des Gefühles, welche dasselbe
erfüllt, höchst überflüssig, au Kleinigkeiten zu mäkeln, wie z. B. ,an dem
rechten Oberarm des Engels, der sich nicht ganz zur erforderlichen Länge
entwickeln will. Dergleichen sieht man kaum, wenn das Gemüth durch
die Gesammtwirkung auf so wohlthuende Weise berührt wird.

Das Blatt hat, in entschiedenem Wechselbezuge zu dem, was man
seine Seele nennen könnte, den Charaliter einer einfachen Zeichnung, bei
der der Gewinn einer tieferen und kräftigeren malerischen Wirkung ausser-
halb der Absichten des Künstlers lag. Die Composition giebt sich in ein-
fach klaren Linien, mit ebenso einfacher, aber fein durchgefühlter Schat-
tenangabe. Der Arbeit des Lithographen, der dies Alles uns in so idarer,
wie schlichter und zugleich bestimmter Weise vorgeführt hat, gebührt
entschiedene Anerkennung.

Lindemann-Frommel's Skizzen aus Rom und der Umgebung.

Heft III—V. Fol.

(D. Kunstblatt 1853, No. 39.)

Das deutsche Kunstblatt hat über die ersten Hefte des römischen
Albums, das mit einfachen lithographischen Mitteln die glücklichsten
landschaftlichen Wirkungen hervorzubringen weiss, Günstiges berichtet;
die drei neueren Hefte haben uns nicht minder werthe Erinnerungen, und
diese in nicht minder gelungener Ausführung gebracht. Wir deuten, was
das Allgemeine des Unternehmens betrilft, auf das früher Gesagte zurück;
hinzuzufügen ist, dass die jedesmal gewählte besondre Weise der Behand-
lung stets im glücklichsten Einklänge mit dem eigenthümlichen Charakter
der darzustellenden landschaftlichen Scene steht.' Für das Einzelne heben
wir aus der Fülle des neuerlich Gegebenen einige besonders charakteri-
stische Beispiele hervor^ Das Blatt der Aussicht vom Monte Pincio ge-
hört zu den wirksamsten derer, die durch verschiedenfarbige Platten aus-
geführt sind; die halb von Wolken verdeckte Glut der abendlichen Sonne
und die tief in den Vorgrund hereinschweiferidea Schatten geben diesem
Bilde einen eigenthümlich phantastischen Reiz. In ruhiger Klarheit wirkt
dagegen die, ebenfalls in farbigem Druck ausgeführte Ansicht der Engels-
brücke, mit der Engelsburg zur Seite und St. Peter im Hintergrunde. So
sind ferner in ruhigem Ton und Stimmung, bei schon sehr gemässigter
Farbenanwendung, die Ansichten des Monte Aventino, der Aqua Claudia,
des Castel Gandolfo ausgezeichnet; während der Hof von St. Märia degli
Angeli zu Rom, mit den Cypressen Michelangelo's, den energischen Effekt
eines Mondscheinbildes glücklich erreicht.« Andre sind völlig einfache
Kreidezeichnungen, nur mit einem Tondruck und einzelnen ausgesparten

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737

Berniers Moments da^comte. d'Egmont.

Lichtern versehen; in diesen macht sich jener strengere Ernst der römisch
lanäschaftlichen Erscheinungen besonders ^entschieden ' geltend. Die An-
sicht des Colosseums,. über einen Gartenvorgrund hinaus; die wie eine
Composition Poussins sich hrnbreitende.j.Gegend bei Olevano; der duftige
Schimmer an'den Ufern des Nerai-Sees; das g'ewiUerliche Düster über der
Nepturisgrotte bei Tivoli,^ — diese und lÄanche andre Blätter sind schätz-
bare "Beispiele der "Art". ' r"'" /

Derniers Moments'du Comte'd'Egmon t. Peint par Louis Gal-
lait, " Tirö de ia Galerie du Mr. Wagner k Berlin. Grav(5 par Achille
, Martinet. •'Düsseldorf, Julius Buddeus', Editeur etc.

• ' • . , ■ - V (D. Kunstblatt 1853, No. -43.)

"Wir glauben voraussetzen zu dürfen, dass das Gemälde des belgischen
Meisters, welches' dieser Kupferstich vergegenwärtigt und welches eine
Zierde der Wagener'schen Sammlung zu Berlin"ausmacht, unsern'Lesern
entweder aus ^eigner Anschauung oder durch Berichte., die früher'über
dasselbe erschienen, b[ek.annt sein wird. Es gehört zu jenen tragischen
Scenen; der flandrischen Geschichte, in deren-Darstellung Gallait seine
Grösse sucht. Es ist Egmonts letzter Morgen, 'Er hat die Nacht in geist-
lichen Uebungen mit Martin Rithov, dem Bischöfe von Ypern, zugebracht;
nun bricht das Tageslichtnn das (Fenster herein; er ist aufgestanden und
blickt durch die Scheiben hinaus- Wobei der Beschauer des Bildes aller-
dings soviel Historie mitbringen mag, um zu wissen, dass das Fenster des
Gemaches, waches Egmont die letzte Herberge gewährt hatte, auf den
grossen Markt von Brüssel hinausging, und dass sich dort über Nacht, —
das letzte Zeugniss des unbeugsamen Willens seiner Henker, — das.
Schaffot erhoben hatte', welches fÜB ihn und für Hoorn bestimmt war.

Diejenigen, die lediglich hur von einem plastischen Aufbau der küni^t-
lerischen Composition wissen wollen, werden von der Anordnung dieses
Werkes nicht sehr befriedigt sein. Zur Linken steht Egmont, eine einfache
Knieflgur, die'rechte Hand leicht auf den Fenstersims aufgestützt,^ in der
andern ein» kleines Gebetbuch; zur Rechten sitzt der Bischof, der ein
grösseres Buch auf dem Schoose hat "und jenen mit sorglich6r Geberde
von der Betrachtung dessen,'was .draussen'ist und was seine Gedanken
von der Versöhnung' mit dem Schöpfer leicht wiederum ablenken könnte,
zurückzuführen sucht. Ein sonderlich kunstreiches Studium der ümriss-
linien ist somit' in dem Bilde nicht vorherrsphend, vielmehr, das einfachste
rulligste Nebeneinander, wie es sich, ejben .im Leben selbst gefügt haben
mochte. Eine charakteristische künstlerische Wirkung hat Gallait hier mit
Entschiedenheit in den speziell-malerischen Mitteingesucht. Am rech-
ten Rande des Bildes ist ein Betstuhl (der Brief, den Egmont in j^net
Nacht an König Philipp geschr^i^ben, liegt darauf, und über demselben
ragt ein Crucifix empor, welch^ die Kerze .deckt, die ihnen die nächt-
Kugler, Kleiae Schriften. III. ' "' 47

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I .IIHU.UI

Berichte, Kritiken, Erörterungen.

liehen Stunden hindurch geleuchtet hat. So ist es das Kerzenlicht von
der einen, das Tageslicht von der andern Seite und das Durcheinander-
weben beider in der Mitte des Bildes, was dem letzteren den künstleri-
schen Reiz und zugleich die eigenthümliche Stimmung giebt, auf deren
Grunde der individuelle Ausdruck dieser beiden Gestalten und ihrer Ge-
sichter, und vornehmlich der des edlen Verurtheilten, sich herausbildet.

Für die Nachbildung im Stich aber musste dies die erdenkbarst
schwere Aufgabe gewähren. Es^ kam nicht auf ein einfaches Yerhältniss
von Licht und Schatten und ihrer Uebergänge und jener lichten Schatten-
betonung, welche wir Helldunkel nennen, an;.Alles ist hier doppelt, von
den beiden entgegengesetzten Seiten des Bildes verschieden gegeneinander-
wirkend, zu einem lebhaften Wechselspiel der Töne und Lichthauche sich
durcheinander schlingend. In der Malerei waren die Mittel zu solcher
Kunst durch die Nachahmung der verschiedenen Lichtfärbungen gegeben;
in der Zeichnung, im Stich musste es darauf ankommen, ob es möglich
sein werde, bei Abwesenheit aller wirklichen Farbe durch die verschiedene
Weise der Behandlung dennoch einen Eindruck zu erzielen, welcher dem
der Färbungen entsprechend, welcher auch jene Wechselwirkungen der
Farbentöne in sich aufzunehmen im, Sifande wäre. Der Stecher des vor-
liegenden Blattes hat hierin unsres Bedünkens das Erreichbare 'erreicht,
und dabei in einer Weise, der wir, da sie völlig ungesucht und unge-
künstelt ist, ganz besonders unsern Beifall schenken müssen. Sein linearer
Vortrag ist im Wesentlichen überall gleich und zunächst nur je nach den
stofflichen Unterschieden der dargestellten Gegenstände im Einzelnen ver-
schieden, Dabei aber hat^ er mit glücklichem Scharfblick die verschiedene
Intensität des verschiedengefärbten Lichtes,'die grösseren oder geringeren
Gegensätze zwischen Hell und Dunkel, welche hiebei stattfinden, die grös-
sere oder geringere Weichheit der Uebergänge, welche dadurch veranlasst
wird, ins Auge gefasst und hiernach das Gesetz seiner Taillen, für die eine
und die andere Weise der Beleuchtung und für das Durcheinanderspielen
beider, geregelt. So ist in der That ein guter Theil jener — wenn der
Ausdruck erlaubt ist: musikalischen Lichtwirkungen des Gemäldes auf
den Stich übergegangen. ^

Hiemit und mit der energisch vollen Gesammthaltung, in welcher das
Blatt gearbeitet, ist denn auch jene Poesie der Stimmung wiedergegeben,
die bei der Betrachtung des Gemäldes, noch ehe wir den Inhalt desselben
enträthselt haben, unser Gemüth ahnungsvoll erfüllt. Von dieser Gesammt-
haltung' und Stimmung umschlossen, ist endlich alles einzelne Gegenständ-
liche in entschiedener Charakteristik durchgebildet, sowohl die Stoffe der
Gewandung, als ganz besonders das Physiognomische in Händen und
Köpfen'). Egmont, von dem schärferen ,Tagesscheine beleuchtet, tritt
als die Hauptfigur dem Auge am Wirksamsten entgegen, und der geistige
Ausdruck, das Zucken des tiefen Seelenschmerzes unter der Euhe einer
stillen männlichen Fassung, ist in diesem schönen Kopfe sehr glücklich

1) Kopf und Hände des Bischofs, auf der schwierigsten Stelle des 'Bildes
befindlich, -wo die beiden entgegengesetzten Licht
Wirkungen znm spielenden Hell-
dunkel züsammenfliessen, sind vielleicht (ohne indess weder die Totalwirkung
noch'den Ausdruck zu beeiuträchtigen) ein wenig zu hart behandelt. Die Thrä-
nen auf der Wange des ftischofs sind wirklichen Thränen nicht ganz ähnlich;
sie erscheinen mehr als das, womit die Thränen von den Poeten gern verglichen
werden, — als Perlen, . '

738

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Landschaftliche Badirungen von C. Wagner. 739

wiedergegeben. Auch wer den Inhalt der Darstellung iiicht kennt und
vielleicht der Ansich't ist, dass selbst ein Geschichtsbild ohne historische
Voraussetzung völlig verständlich sein müsse, wird vor dem Stiche; wie
vor dem Bilde, die üeberzeugung gewinnen, dass hiernach einer, in
schmerzvollem Ernste durchwachten Nacht ein tragischer Morgen tagt. -

Wir freuen uns des Blattes, da es jene strenge historische Kunst, der
Gällait sich gewidmet und die er zu so hoher Vollendung gebracht hat,
zunächst an diesem Beispiel weiteren Kreisen zur Anschauung bringt.
Dem rechten Werke aber sind weitere Wirkungen beschieden, und so,
wollen wir hoffen, dass Vuch'dies Blatt seinen Theil künstlerischer Mission
erfülle.— Die Grösse desselben, oder vielmehr die des eigentlichen Sti-
ches, ist c. Zoll -Breite bei IIV4 Zoll Höhe. . "

LandscKaftliche Radirungen von C. Wagner.

^ (D. Kunstblatt. 1854 , No. 6.) '

Dem Unterzeichneten liegt Vine Anzahl von landschaftlichen Radirungen
vor, deren künstlerische Bedeutung es rechtfertigt, wenn ihrer schon jetzt,
obgleich sie noch nicht in die OefFentlichkeit getreten sind, im Deutschen
Kunstblatt g'edacht wird.^^ Es sind 22 Blätter mehr oder weniger grossen
Formates (Fol.),—Radirungen auf'Stahl, von Hrn. C.Wagner, Hofmaler
und Gallerie-lnspe"htor zu Meiningen, gefertigt. Mehrfach sind Jahrzahlen auf
ihnen enthalten;" sie beginnen hienach (mit Ausnahme von einigen Blättern,
die ohne Zweifel noch älter sind,) mit dem Jahre 1839 und reichen bis zum
vorigen Jahre (1833) herab. Der Inhalt ist das Leben der deutschen Wälder
und Berge; tiefe Natureinsamkeit, wo Eichen, Bucheri, Rüstern, Tannen
das Geflecht ihrerv Zweige ineinanderbreiten, — Felslasten oder heimliche
Wasser mit ihren quellenden Uferpflanzen dazwischen; zuweilen ein Aus-
blick in die lichte Ebene und auf die Zeugnisse menschlichen Daseins,
die in letzterer befindlich sind. Einige Blätter zeigen die winterliche
Ruhe der Natur. Ein Theil gehört dem bairischen und dem tirolischeu
Hochgebirge an; in diesen machen sich mächtige Formen der landschaft-
lichen, Natur und kühnere "Conibinationen von solchen geltend. Die Be-
handlung ist frei und .lebenvoll; es spricht sich darin jene reine, unge-
brochene Empfindung für das Weben und Schaffen der Natur und für
ihren harmonischen Zusammenklang, die den Freund der Natur'so wohl-
thuend berührt, aus; es ist jenes rasche, fast unwillkürliche Spiel der
Linien, das uns, wie alle Zeichnung von der Hand der Meister, so nament-
lich auch ihre Radirung so werth macht, Näherer Betrachtung geben die
Blätter einen besonderen Reiz dadurch, dass jedem einzelnen das Gepräge
des persönlichen Momentes aufgedrückt ist: es ist nichts von irgendwel-
cher Chablone in ihnen bemerkbar, es ist Alles, mehr oder weniger, ein
neu Empfundenes', neu Erzeugtes. So enthalten sie in der Folge, in der
sie entstanden sein dürften, zugleich die Spiegelbilder der inneren künst-
lerischen Entwickelung. Ein Paar kleinere Blätter, gewiss die frühsten,

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740 Berichte, Kritiken, PJrörterungeii.

haben noch Etwas von künstlerischer Schule an sich; man hat an ihnen
nichts auszusetzen, aber man meint, diese Nadelführ.ung, diese Darstellungs-
mittel auch wohl schon bei Anderen gesehen zu haben. Sofort aber macht
sich die künstlerische Selbständigkeit geltend, die sich zunächst, in einer
Reihe von Blättern, dem Vorbilde der Natur, das sie zwar in gemessenen
Compositionen erfasst, noch mit liebevoller Innigkeit anschmiegt; in ihnen
ist, in stärkerem oder geringerem Grade, eine Neigung zur Einzelausfüh-
rung, zu einem feinen plastischen Gefüge' der Formen wahrzunehmen.
Dann folgen Darstellungen einer vollen malerischen Total-AufFassung, die,
ebenfalls in verschiedener Abstufung, den Eindruck eines klar erwärmten,
seine Mittel in gediegenem Maasse beherrschenden Gefühles gewähren.

^ Später tritt eine noch entschiednere Energie, selbst Keckheit des Vor-
trages, eine Vorliebe für derbe und breite Nadelführung hervor, die das
allerdings in vollster Lebendigkeit Erschaute mit rascher Sicherheit hin-
geworfen zeigt und in diesem kühnen virtuosischen Spiele, welches gleich-
wohl zu dem inneren "Wesen der Blätter im besten Jlinklange steht,
wiederum ein eigenthümliches Interesse erweckt. Mit der mehr und mehr
malerischen Auffassung steht die Behandlung auch insofern im Einklänge,
als hiebei der Platte selbst ein mehr oder weniger bestimmter Grundton
gegeben ist, aus welchem die Lichtpartieen mit dem Polirstahl, wie es
scheint, weggenommen sind; der Eindruck nähert sich hiedurch zum Theil
entschieden dem einer Tuschzeichnung. — Die ganze Folge der Blätter
reiht sich den landschaftlichen Radirungen, welche die neuere Zeit her-
vorgebracht hat, als ein Produkt von sehr beachtenswerther Eigenthüm-
lichkeit an. Den Freunden dieses Kunstfaches werden sie — und hoffent-
lich wird der Künstler mit ihrer Veröffentlichung nicht länger säumen —
eine willkommene Gabe sein.

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' f 1

FRAGMENTE ZUR THEORIE DER lüNST.

'^(D. Kunstblatt 1852, No. 41, fif.)

' X Zur Behandlung der Bogenform.

Die antike Architektur wird, nach demjenigen künstlerischen System,
welches für'ihre Formenbildung das inaassgebende ist, als Architravbäu,
die mittelalterliche ebenso als Bogenbau charakterisirt. Wie scharf be-
zeichnend diese Unterscheidung ist, beweist die Betrachtung des antiken
Bogens, des mittelalterlichen Architravs.. Der antike Bogen ist ein krumm-
gebogener Architrav, der mittelalterliche^Architrav ein horizontal gedehnter
Bogen. Beides führt mit Entschiedenheit auf das tJeberwiegen des entr
gegengesetzten Elementes. , / ' , -

Beides hat übrigens, wenn auch nur in einer künstlerischen Fiction,
seinen Theil von ästhetischer Gültigkeit. Der krummgebogene Architrav
ist doch mehr als die müssige üebertragung des Princips der einen Form
auf die andre: der ruhig lastende Architrav erscheint hier, durch die
Biegung, in eine starke Spaünung versetzt, die als solche eine erhöht©
Widerstandskraft •(gegen einen darüber befindlichen' Massendruck verwend-
bar) besitzt! Ebenso ist die Gliederung des horizontal gedehnten Bogens
keinö an sich müssige Dekoration: diese Gliederung drückt das Element
der Schwingung aus, ■ dieV hier — einer Erhebung (wie im Bogen)
freilich nicht theilhaft — wenigstens, die von Stütze zu Stütze rasch fort-
eilende Bewegung, in ihren Eink^ehlungeh das'Sichre',, in sich Zusammen-
gezogene dieser Bewegung, zur Erscheinung bringt.

'Die mittelalterliche Bogengliederun'g, und namentlich die in der
Blüthe des gothischen Styles ausgebildete Forniation, bezeichnet das, Ge-
setz der aufsteigenden Schwingung. Sie ist völlig videell und steht —
noch ungleich mehr als jener, nur die Spannung ^bezeichnende krummgC-
bogene Architrav der antiken Architektur — im -entschiedenen Wider-
spruch gegen die materielle Coöstruction, die sie geradehin verschwinden

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742 Fragmente zur Theorie der Kunst,

macht, Dies ist die der Zusammenreihung von Keilsteineü, welche, gleich-
zeitig nach dem Centrum des Bogens ßtrebend, sich gegenseitig in fester
Schwebe halten. ^

Der mittelalterlich gegliederte Bogen wirkt in lebendigem Spiele der
Masse entgegen, die sich darüber erhebt, (wobei indess zu bemerkenV dass
diese Masse im gothischen Baüstyl — bei dem leichtest geschwungenen
Bogen — durch ihren anderweitig durchgeführten Organismus schon an
sich als eine sehr wenig lastende erscheint, dass mithin in der" Bogen-
glieder ung das Princip des "Widerstrebens hier nur in massiger Weise auf
Berücksichtigung Anspruch macht.) Im Keilsteinbogen, — d.h. in derjenigen
Behandlung des Bogenswelche diese seine materielle Construction zu-
gleich zur wirksamen Erscheinung bringt, — wird dagegen durchaus das
Gewicht der Masse vergegeüwärtigt, die, nach einem Punkte abwärts
zusammendrängend, in sich selbst ihren entschiedenen Widerstand findet.
Der Keilsteinbogen ist also der bestimmteste Gegensatz des gothisch ge-
gliederten Bogens.

Seine Ausbildung hat der.Keilsteinbogen zunächst da, wo die De-
taillirung der architektonischen Form sich unmittelbar an die materielle
Construction anschliesst. So z. B. in dem moderneu Bogsagenbau. So in
jenen frühmittelalterlichen Bauwerken (dergleichen u. A. in der Rhein-
gegend vorkommen), wo man gern ein verschiedenfarbiges Material an-
wendet; der Wechsel rother und weisser Farbe in den Keilsteinen lässt
hier das Princip der Construction und ihrer ästhetischen Wirkung dem
Auge mit Entschiedenheit entgegentreten, wenn dasselbe. in diesen blos
farbigen Unterschieden auch noch kein organisch formales Leben gewon-
nen hat. Die maurische Architektur (die auch diese Verschiedenfarbigkeit
der Keilsteine hat) scheint einen Ansätz zur
höheren Durchbildung des
Princips genommen zu haben. Dahin deuten zunächst schon, wie an den
Pforten der Moschee vot^ Cordova, die reichen Ornamentmuster, welche auf
die einzelnen Kellsteine gelegt sind. Dadurch dürften auch jene mauri-
schen Zackenbögen, — von ihrer energischen E'ormation in altmaurischen
Bauten bis zur spielenden Dekoration feiner Rillen in den spätesten Bau-
ten dieses Styles, wie in der Alhainbra, — die dem Auge eine Zerlegung
des Bogens in seine einzelnen Theile gegenüberführen, zu motiviren sein.
Es scheint indess, dass die Form des Keilsteinbogens noch nicht die-
jenige ästhetische Durchbildung, deren sie fähig ist, erreicht hat^).

Ueberau ist der Bogen , je nach dem Zwecke seiner Verwendung, je
nach dem Verhältniss zur Gesammtmasse des Baues und dem Charakter
derselben, besonders aber nach dem Verhältnisse der Last,'welche er zu
tragen hat, sehr verschiedenartig durchzubilden.'

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Ueber das Relief. 743

I

Bei Häuserfa^aden der jüngsten Zeit, wo die Fenster in einer Reihe
von Stockwerken übereinander angeordnet sind, habe ich einen eigen-
thümlichen, gewiss prineipiellen Unterschied wahrgenommen.- Es machen
sich, in Rücksicht auf die bei den Fenstern angewandte Bogenform, be-
sonders zwei Gattungen von Fä§aden bem^klich. Die eine ist mit ge-
wölbten Fenstern in der unffersten Reihe, im Parterre, die andre mit eben
solchen im obersten Stockwerk versehen,'während bei beiden die Fenster
der übrigen Reihen flachgedeckt'sind. Ich glaube nicht zu irren, -wenn
ich die Architekten der ersten Gattung als Rationalisten, die der zweiten
als Idealisten bezeichne. Jene haben bei der. Anwendung des Bogens
ohne Zweifel seine materielle Constrüction im Sinne, die (im Verhältniss
zu den flachgedeckten Fenstern) die grössere Widerstandsfähigkeit gegen
die darüber befindliche Last besitzt. Diese scheinen beim Bogen Vorzugs- ^

weise das Element des leichten Emporschwingens zu,, berücksichtigen,
welches haturgemäss da, wo es durch die geringste Last gehemmt wird,
seine schicklichste-^Stelle findet. Beide.haben Recht; aber um ihr Recht
geltend zu machen, mussten sie auf die sehr verschiedenartige Behandlung
des Bogens,^ je nach diesen verschiedenen Arten seiner Verwendung und
der dadurch bedingten Principien, Rücksicht'nehmen. Ich habe indess
nicht bemerkt, dass dies der Fall gewesen, und ich muss desshalb an-
nehmen, dass die Architekten, von welchen jene Häuserfa^aden entworfen
wurden, zum klaven Bewusstsein ihrer künstlerischen Absicht nicht ge-
kommen sind. " Vorherrschend zeigt sich der antike krummgebogene
Architrav,' der (so weit er überhaupt etwas ausdrückt) nur das Gesetz der
Spannung zur Erscheinung bringt und also namentlich da, wo die geringste
Last .über ihm liegt, wo in der Bogenänwendung ein leichtes Empor-
schwingen ausgedrückt werden soll, — am Obergeschoss — seine mindest
passliche Stellung findet. 'Umgekehrt habe ich bei Bögen des Parterre-
geschosses, unvermittelt mit der sonst durchgeführten künstlerischen Be-
handlung der Fagade, gelegentlich wohl die Andeutung einer leichteren
Gliederung, gefunden, die hier eben so wenig angemessen erscheint.
Es sind vornehmlich neuere Bauten- Berlins, auf die sich Vorstehen-
des bezieht. ' ' , ,

II. Ü e b e r d a s R e 1 i e. f. '

■ - ' - " * ■

„Ueber das Basrelief und den Unterschied der plastischen und male-
rischen Compositioii" — ist der Titel einer im'Jahre 1815 herausgegebenen
Schrift von E. H. Toelken, die in völlig meisterhafter Weise eötwickelt,
was über das Wesen des Reliefs vom classischen Standpunkte aus, d. h.
nach dem griechischen Kunstgesetz, zu sagen sein dürfte. Es scheint, dass
die'Schrift in diesem Betracht einzig nur jenes weiteren Ueberblickes über
das Material der alten Kunst entbehrt,, dessen wir uns gegenwärtig, in
Folge so viel neuer Entdeckungen und Forschuiigen, erfreuen. Aber das
Wesen des Reliefs ist durch die Auffassung, welche demselben in der
antiken Kunst vorherrschend zu Theil' geworden, nicht erschöpft.

Das atitlke Relief steht i^ gewissem Betracht der Malerei parallel,
d. h. derjenigen Weise primitiv malerischer Darstellung) in welcher die

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744 Fragmente zur Theorie der Kunst,

Handlung wie auf einer Linie vor sich geht, keine Tiefe hat und durch
einen ideellen oder conventioneilen Grund abgeschlossen wird. ^ Es ist
eine derartige malerische Darstellung mit plastischen Mitteln. Die Be-
handlung ist naturgemäss verschieden je nach der schwächeren oder stär-
keren Erhebung des Reliefs;- das entschieden flache Relief ist vorzugs-
weise nach den Gesetzen der Umriss-Co'mposition angeordnet, während
bei dem mehr und mehr starken Hervortreten desselben aus dem Grunde
die Gesetze der Modellirung und Schattenwirkung in stets ausgedehnterer
Weise zur Anwendung kommen. (Das Gesetz der ausschliesslich maleri-
schen Perspektive bleibt ebenso naturgemäss ausgeschlossen.)

Diese Eigenthümlichkeit des antiken Reliefs wird durch die vorherr-
schende Weise seiner Verwendung, — durch sein Verhältniss zur Archi-
tektur, bedingt. Es>erscheint bei der Architektur an denjenigen Stellen,
welche nicht zur architektonischen Masse oder zum architektonischen Ge-
rüste gehören, sondern den Charakter von Füllungen haben. Es wird
namentlich an den Friesen und an den Giebeln angewandt; wobei zu be-
merken, dass auch die Statuenreihen in den Giebeln griechischer Tem-
pel in Betreff der Composition ganz nach den gleichzeitigen Reliefgesetzen
behandelt sind. Die Friese (im dorischen Friese die Metopen desselben)
und die Giebelfelder sollen weder die Schwere der achitektonischen
Masse zur .Erscheinung kommen lassen, noch eine architektonische Func-
tion ausdrücken; an der Stelle beider soll in ihnen, wenn nicht etwa
eine spielende Dekoration beliebt wird, ein freies, 'individuell bewegtes
Leben sich geltend machen. Der Grund des Reliefs gehört hier — für
den beabsichtigten künstlerischen Eindruck — weder zur Architektur
noch zu den Gestalten des Reliefs. Er-ist ein leer Neutrales, und wir
finden ihn daher, so weit nur unsre Kenntniss von der Anwendung von
Farbe bei der griechischen 'Architektur reicht, stets durch einen eigen-
thümlichen farbigen Anstrich sowohl von den umgebenden Architektur-
theilen als von den figürlichen Gestalten unterschieden.

Das antike Relief hat somit im'Allgemeinen kein innerliches Verhält-
niss zu dem Grunde, auf welchem es ruht. Das in ihm sich geltend
machende malerische- Element sieht von der Eigenschaft des körperlich
Festen in diesem Grunde ab und sucht dieselbe zu beseitigen. Das Figür-
liche und der Grund sind hier wesentlich von einander geschieden.

Eine Behandlung der Art wird überall nöthig sein,, wo architekto-
nische Füllungen, wie z. B. die Lünetten der Portale an mittelalterlichen
Gebäuden, mit plastischer Darstellung versehen werden sollen, wo es sich
überhaupt darum haiidelt, durch solchen Schmuck die Schwere der archi-
tektonischen Masse verschwinden zii machen.

Das entgegengesetzte Verhältniss tritt ein, wo die Masse als solche
wirksam erscheinen und dennoch eine bildlich plastische Ausstattung er-
halten soll. Gleichwohl kann dieselbe Behandlung des Reliefs auch hier
stattfinden und es ist dies in der griechischen Kunst, w;ie an den'Altären
und heiligen Brunnen, und noch mehr an den spätrömischen Sarkophagen,
oft genug der Fall. Es macht sich hier indess eine noch ungleich stär-
kere künstlerische Fiction geltend, als bei den Reliefs der architektoiii-
schen Füllungen, indem' die Masse in ihrer ganzen Starrheit und Gewich-
tigkeit als gegenwärtig empfunden werden und doch zu den lebendigen
Gebilden jenes neutrale Verhältnfss, welches den scheinbaren Raum zu

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• Ueber das Relief. •. 745

freier Bewegung gewährt, haben soll. Das Relief erscheint hier, sobald
das, Auge .des Beschauers durch jenen Eindruck der Masse in Anspruch
genommen wird, als ein auf die letztere aufgelegter und, durch sie gebun-
dener Zierrat. ' " . ' * -

Fast durchweg hat das antike Relief, im Verhälthiss zu seinem "Grunde,
diesen Charakter des Aufgelegten. Wie beim Flachrelief, so pflegt dies
heim stärksten Hautrelief der Fall zu sein, "selbst da, wo — wie bei man-
chen der späten Sarkophagsculpturen — die Gestalten sich fast ganz vom
Grunde lösen. Der Grund ist in dieser Behandlung für das Relief nur
der äusserlich materielle Halt. Zwischen dem Hautrelief und den Statuen-
reihen, 1 welche die dorischen Giebelfelder füllen', ist dann auch kein
wesentlicher Unterschied;'was bei jenem noch theilweise materiell an dem
Grunde haftet, ist bei diesen nur eben ganz abgelöst, und der Grund
wirkt wie dort, und wie beim Flachrelief,- nur als das den"Blick Ab-
schliessende. - '

Indess finden sich schon in der römischen Kunst Andeutungen von
der Möglichkeit — und zwar/ der ästhetisch sehr wohlbegründeten Mög-
lichkeit einer andern Auffassung und Behandlung, des Reliefs. Das Ver-
hältniss zur Architelitür giebt auch hier den nächsten Fingerzeig. Die
römische Architektur hat ursprünglich ein von der griechischen wesentlich
abweichendes Formenprincip. Ihr ist das Streben nach vollerer Massen-
wirkuiig eigen und sie verräth, dem entsprechend, in ihren Gliederungen
ein quellendes Leben, welches gegen die Straifheit in der Bildung der
Gliederungen der griechischen Architektur sehr entschieden absticht. Nur
ist jenes Grundeleinent der römischen Architektur nicht zur selbständigen
Durchbildung gekommen, nur ist es durch die Aufnahme des griechischen
Systems allzusehr verdunkelt, ist das ursprünglich'freie Lebensgefühl der
römischen Gliederungen durch die nüchtern schulmässige mathematische
Construction ihres Profils abgetödtet worden. Ein 'ähnlich quellendes
Lebenselement nun lässt sich auch nicht ganz selten in der römischen Re-
liefsculptur 'wahrnehmen, vorzugsweise da, wo dieselbe sich in ornamen-
tistischer Composition , z, B. in Laubgewinden, welche mit halben oder
ganzen' menschlichen Gestalten und mit .Thierbildungen verbunden und
durchflochten sind, bewegt. Iii solchen Darstellungen'vielleicht desshalb
am Meisten, Weil diese in unmittelbarem Bezüge zur Architektur stehen,
während in der selbständig figürlichen Sculptur — etwa abgesehen vom
Bildniss — das griechische Muster noch ungleich mehr bedingend war.
In Sculpturen der ebengenannten Art macht das Relief zumeist d«n völlig
entgegengesetzten Ehidruck des Aufgelegten. Es quillt wie mit selbstän-
digem Vermögen aus dem Grunde hervor, sich je nach den Bedingnissen
der Composition hier noch erst leise lösend, dort dem Grunde sich noch
weich anschmiegend, dort in entschiedener Kraft und Fülle sich hervor-
hebend. Es ist, als sei in dem Grunde selbst die Lebenskraft vorhanden,
die diese Erscheinungen hinaustreten macht. Es muss hier ein-entschie-
denes Wechselverhältniss zwischen Grund und Relief anerkannt werden;
das indifferente Verhältniss zwischen beiden, wie in der griechischen
Kunst, ist hier verschwunden. ' .

Was in der römischen Kunst in solchen Anfängen vörliegt, ist in der
modernen Kunst häufiger, mannigfaltiger und umfassender zur Anwendung
gekommen, bis es' in der neiyeren Zeit durch, die Wiederaufnahme grie-
chischer Sculpturstudien einstweilen beseitigt wurde, Nur ist in der
mo-

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dernen Kunst jene Behandlungsweise des Reliefs durch ein andres Element,
welches keineswegs eine ähnliche ästhetische Gültigkeit hat, vielfach
getrübt und^ beeinträchtigt worden. Dies ist die Aufnahme des aus-
schliesslich Malerischen in das Relief, die Nachbildung der perspek-
tivischen Wirkungen, welche die Ferne mit in den Bereich der bildlichen
Darstellung zieht. "Es bedarf hier des erneuten Nachweises nicht, wie
und aus welchen Gründen ein solches, Element in der modernen Sculptur
Eingang fand, noch warum dasselbe künstlerisch unzulässig ist. Eine schein-
bare Verwandtschaft zwischen beiden Elementen, dem des aus dem Grunde
hervorquellenden Reliefs und dem der Andeutung malerischer Perspektive
im Relief, mag zu solcher Verbindung des innerlich doch sehr Verschie-
denartigen beigetragen haben. Das quellende Relief — um diese Bezeich-
nung beizubehalten — ist nicht unbedingt auf ein überall gleichmässiges
Hervorfreten angewiesen; seine verschiedenen Theile werden, je nach
ihrer Energie oder Bedeutung, verschiedenartig vorspringen können, und
nur das allgemeine rhythmische Gesetz, welches die Dissonanzen verbannt
oder auflöst, wird diese Weise des Hervortretens regeln-, das Relief ist
hierin einer mannigfaltigeren Lebensäusserung fähig, und es ist somit bei
alledem auch die perspektivische Verschiebung und Verkürzung des dar-
gestellten Einzelgegenstandes oder von Theilen desselben (dergleichen
schon in dem mehr erhabenen, nach griechischem Princip behandelten
Relief nicht überall umgangen werden kann) sehr wohl zulässig. Mit
dieser verschiedenen Höhe des quellenden Reliefs, mit dieser gdegentlich
vorkommenden perspektivischen Behandlung des Einzelgegenstandes stehen
nun allerdings die Bedingnisse'der Nachbildung malerischer Perspektive
im Relief äusserlich parallel, während gleichwohl auch hier eine gegen-
seitige Beziehung nicht anzuerkennen ist. ^

Noch ein besondrer Umstand ist hiebei zu berühren. Es/liegt in der
Weise jener Reliefbehandlung, welche auf eine Aneignung der malerischen
Perspektive hinausgeht, dass bei der-parstellung von räumlich getrennten
Vorgängen verschiedene Grundlinien für die vorgeführten Gestalten an-
genommen, dass die ferneren (und kleiner gehaltenen) Gruppen im Flach-
relief, die näheren im Hautrelief ausgeführt werden. Es ist eine, solche
verschiedenartige Reliefhöhe, zur Unterscheidung der Figurengruppen, auch
wohl bei andern künstlerischen Arbeiten zur Anwendung gekommen, die
im Uebrigen wesentlich nach dem strengeren griechischen Gesetze,, von
dem speziell Malerischen ganz absehend, behandelt sind (und in diesem
letzteren Falle allerdings von noch mehr zweifelhaftem und das künstle-
rische Gefühl störendem Eindrucke, weil das Äuge, — ohne überhaupt
weiter von jenen, ob auch conventionell perspektivischen Elementen in
Anspruch genommen zu sein, — durch den unvermittelten Gegensatz von
stark runden und flach auf die Fläche gehefteten Gestalten doppelt ver-
wirrt wird). Die,gelegentlich verschiedenartige Höhe der Einzeitheile des
aus dem Grunde hervorquellenden Reliefs, die, wie angedeutet, in dem
inneren Lebenselemente desselben beruht, hat mit diesen äusserlichen
Conventionen nichts gemein. - .

Das quellende Relief hat einen gewissen Antheil an malerischer Wir-
kung, aber an sich keinesweges mehr, als überall — bei dem so häufigen
Wechselverhältniss zwischen verschiedenartigen Künsten —die eine Kunst ^
von der andern ohne Gefährdung ihrer charakteristischen Eigenthümlich-
keit und Selbständigkeit aufzunehmen befähigt und je nach Umständen

m

ii>

746

h

Fragmente zur Theorie der Kunst.

-ocr page 748-

Ueber das Relief. -

berufen ist. Auch ist dieser malerische Reiz für das Wesen dieses Reliefs
fast ein Zufälliges; in näherem Yerhältnisse steht dasselbe wiederum zu
dem architektonischen Element. Wie das griechische Relief vorzugsweise
der architektonischen Füllung, so gehört dieses der architektonisj;hen
Masse an.^ Aber die Masse selbst wird hier, als von jener treibenden Le-
benskraft erfüllt gedacht, welche in den Gebilden des hinausquellenden
Reliefs zur Bethätigung und Gestaltung gelangt. Das griechisch behan-
delte Relief hat also,-als Dekoration der.architektonischen Masse, ebenso
nur den Anschein des Zufälligen und Willkürlichenj wie es diese Gattung
des modernen Reliefs als Dekoration der architektonischen Füllung haben
würde. •

So lange nun die architektonische Masse an sich mathematisch starr
bleibt, so lange sie kein gegliedertes oder bewegtes Leben gewinnt, liegt
in ihrer Dekoration mit derartigen Reliefs wiederum allerdings' noch etwas
Zufälliges, Disharmonisches. Nur für den Gedanken, für den trocknen
Begriff^,.nicht aber in ihrer wirklich künstlerischen Existenz, hat sie jene
Fülle von Lebenskraft, welche in dem, vereinzelten Reliefbilde hervor-
springt. Eine höhere Einheit, eine höhere Stufe der künstlerischen Ent-
wickelung stellt sich dar, wenn die Masse unmittelbar sich belebt und
das Bild nur eben als das höhere Product solcher Belebung-erscheint.
Dies kann wiederum in verschiedenen Stufen der Entwickelung vor sich
gehen.- Auch die architektonischie Belebung der Masse'kann noch erst eine
partielle sein, durch Medaillons, durch Wandstreifen, welche den eigent-
lichen Grund der Reliefbildungen ausmachen und das in ihnen pulsirende
Lehen in einem architektonisch gegliederten Bande ausklingen lassen und
durch dasselbe abschliessen. Dann kann die Masse selbst sich architek-
tonisch gliedern, durch ein Pilastersystem u. dgl., und gerade diese Glie-
derungen werden unter Umständen— wie uns manch ein schätzbares Werk
des siebzehnten Jahrhunderts bezeugt — vortrefflich geeignet sein. Ge-
stalten des höher organisirten Lebens mit freier Kraft aus sich hervor-
treten zu lassen. Oder auch die Gesammtmasse kann eine lebendig ge-
schwungene, ob auch rhythniisch beschlossene Form gewinnen, überall
— stärker oder schwächer — die «ihr einwohnende Lebenskraft ankündi-
gend und somit völlig geeignet, die letztere im Bildwerk hervorsprudeln
zu lassen. ^ " '

Dies wäre der Gipfelpunkt der künstlerischen Entwickelung, um
welche es sich hier handelt. Freilich aber liegt hiei- zugleich — und es
bedarf wohl kaum des näheren Nachweises — die Gefahr der höchsten
künstlerischen Ausartung unmittelbar zur Hand. Der Ausdruck der selb-
ständigen Lebenskraft j der hier von der architektoni«chen Gesammtmasse
gefordert ist — somit ihre bewegte Formation — steht im bedenklichsten
Widerspruch zu der Ruhe und Stetigkeit, die sonst bei dem architektoni-
schen Werke als unerlässlich erscheint.' Wir sind, um..es mit einem
Worte zu bezeichnen, durch.Jene Betrachtungen schliesslich in die Mitte
des entschiedenen Rococo geführt worden. • Indess dürfte es günstiger
sein, dem verrufenen Feinde geradaus in^ Gesicht zu sehen, als ihm mit
Verachtung oder aus Furcht vor Influenzen den Rücken zu wenden.

Man wird, sich'vielleicht verständigen können. Von eigentlichien bau-
lichen Anlagen wird bei der Forderung einer bewegten Formation-der
architektonischen Gesammtmasse überhaupt abgesehen werden müssen.
Aller sonst nahe liegenden Gründe dagegen zu geschweigen, so würde

747

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748 Fragmente zur Theorie der Kunst,

dies schon hier, wo es sich nur um das ästhetische Verhältniss zur plasti-
schen Ausstattung handelt, ein phantastisches Missverhältniss zwischen
Mittel und Zweck zur Folge haben. Eine Wiederbelebung Borromini's
(die von andern Leuten vielleicht nicht ganz ohne Eifer erstrebt wird) ist
hier also nicht zu befürchten. Es kann sich füglich nur um die Gestal-
tung architektonisch dekorativer Massen, die zur Aufnahme von Relief-
schmuck geeignet sind — wie jener Altäre und Tempelbrunnen des grie-
chischen Alterthums — handeln. Es mag als hieher gehörig etwa die
architektonische Basis, die zur Aufnahme eines grossartigen Blumen-
schmuckes, eines reichen, selbständig sich erhebenden Sculpturwerkes
bestimmt ist, genannt werden, ^ei solchen Werken hat freilich die
Rococozeit ihrer bizarren Laune auch oft genug den Zügel schiessen lassen.
Aber selbst bei barocken Arbeiten jener Epoche, auf die hier Bezug zu
nehmen ist, müssen "wir gar nicht selten, sofern wir überhaupt nur im
Stande sind, sie mit vorurtheilslosem Blicke zu betrachten, den rhythmi-
schen Schwung des Ganzen, die Wpise, in welcher die Reliefausstattung
harmonisch m i t diesem Ganzen und seiner Lebendigkeit ausgeführt ist,
das nicht minder leichte und lebendige Heraustreten der Reliefs aus dem
Ganzen bewundern. Und wohl finden wir in der Rococozeit auch Ein-
zelnes, das das volle Gepräge maassvoller Haltung hat.

Doch sind wir hier, ohne eigentliche Noth,. sofort dem Extrem,gegen-
übergetreten , — vielleicht nur, um zu erkennen , dass auch das Extrem
mancherlei güHige Belehrung zu geben vermag. Es handelt sich hier in
keiner Weise um das Abenteuerliche, das Launenhafte, das oft nur allzu
Flaue, welches dem Rococo in andrer Beziehung sein Gepräge aufgedrückt
hat. Auch die zunächst vorangehenden Zeiten, wenn wir davon ausschei-
den, was der antikisirenden Schultradition, was jener falschen Theorie
einer auf die Plastik übertragenen malerischen Perspektive angehört, wer-
den uns — und im Einzelnen in edelster und maassgebendster Weise —
über jene Behandlung des Reliefs, die eine selbständig quellende Kraft
zur Erscheinung bringt und mit einer belebten architektonischen Masse in
Wechselbeziehung steht, mancherlei belehrenden Aufschluss zu geben im
Stande sein.

Noch mag es verstattet sein, eine Schlussbemerkung anzuknüpfen.
Wenn es im antiken Relief, wenigstens soweit dasselbe bei architektoni-
schen Füllungen angewandt wird, darauf ankommt, den Grund (als ein
Massenhaftes) vergessen zu machen, so wird es bei dem modernen, dem
quellenden Relief stets von wesentlicher Bedeutung sein, das Gefühl des
Grundes, d. h. der Masse, aus welcher das Relief sich erhebt, für das
Auge wirksam zu erhalten. Beides gehört hier eben, sich gegenseitig be-
dingend, zu einander. Es wird daher eine mit Reliefbildungen versehene
architektonische Masse nie in dem Grade durch dieselben zu verdecken
sein, dass ihre Eigenschaft als Masse dem Auge verschwindet. Es wird
vielmehr das charakteristisch Massenhafte stets 'festzuhalten sein, wozu
sich, je nach der besondern künstlerischen Aufgabe, durch ein Ueberwie-
genlassen des Körpers der Masse, durch architektonisch gegliederte Vor-
sprünge, welche sich aus der Masse entwickeln, überhaupt durch die
architektonische Gesammtfassung derselben, die auch bei ganz oder^theil-
"weis bewegter• Formation sehr wohl ausführbar ist, die mannigfaltigste
Gelegenheit darbieten dürfte. " • , ' >

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lieber das Malerische in der Architektur, 749

• - ...
III. lieber das Malerische in der Architektur;

Das Malerische beruht vor Allem darin, wie Luft- und Lichtwir- f

kungen au einem Gegenstande zur Erscheinung kommen. Die Werke der ?

Architektur, in dem "Wechsel der Massen, der massenhaft starren und he- |

wegt gegliederten/Iheile; des räumlichen Vorspruhges und der räumlichen |

Tiefe, werden zur Ehtwickelung malerischer Momente vielfache Gelegen- :1

heit bieten. Aber ihr Verhalten in malerischer Beziehung — abgesehen j

natürlich von den Spielen des Zufalls bei dem zufällig Zusammerig^bau-
ten — wird bei den verschiedenen architektonischen Systemen sehr ver- ; J

schiedenartig sein. ^ , j

Gewöhnlich gilt das gothische Bausystem als das vorzüglichst male- ; '

rische, und in der That hat sow^ohl das Ganze 'des Bauwerks in dieser ,

Beziehung oft eine bedeutende Wirkung, als sich dabei nicht minder, ge-
legentlich wenigstens, sehr frappante Einzelmomente bemerklich machen.
Gleichwohl lässt sich behaupten, dass das Malerische auch hier nicht zur i»

charakteristisch entscheidenden Erscheinung kommt. Das gothische System^ r

ist zu ausschliesslich, zu sehr bis in den letzten Calcül, auf eine organische _ M

Gliederung aller Einzeitheile des Gebäudes berechnet, als dass die für
das Malerische nothwendigen Gegensätze hier ihre Stelle fänden. Dies
wenigstens bei der vollkommenen Durchbildung des Systems, während
bei den Gebäuden, die einer minder, vollkommenem Richtung angehören,
eine gewisse Starrheit und Kälte der Formenbildung vorrherrscht, welche 1

der Entfaltung malerischen Reizes wiederum in andrer Weise hemmend
entgegensteht.

Die höchstentwickelte organische, Durchbildung in der gothischen
Architektur hat, für das Auge des Beschauers, eine Eutwickelung derLi-
nearperspective zur Folge, wie solche uns in. ähnlicher Reichhaltigkeit bei
keinem andern architektonischen Systeme entgegentritt. Auf diesen vi-
brirenden Linien nun, — wie auf den Saiten -eines musikalischen Instru-
mentes, — laufen allerdings mannigfache Spiele von Licht und Luft hin, -
dem Auge feigenthümliche Elemente malerischer Wirkuüg entfaltend. Aber
das Auge verliert' sich in diesem fort und fort zitternden Spiele; das ma-
lerische Element, welches hier vorhanden ist, kommt nicht zur Sammlung,
zur Haltung."'Das gothische Bauwerk soll eben vor Allem als ein durch
und durch organisch gegliedertes empfunden werden; der betrachtende
Geist soll sich gewissermaassen identificiren mit dem diese Gliederungen ®

durchhauchenden Leben, mit ihnen sicherheben, mit aufstrahlen in den 4

5!

Pfeilern, sich mit schwingen in den Wölbungen, mit hinausranken in den
Thürmchen, mit ausblühen in den Blumen der Gipfel. Das gothische
Architekturwerk begreifen wir vollständig nur, wenn wir uns durchaus in
dasselbe versenken: seine Gegenständlichkeit, — uns gegenüberstehend,
unsrer Schau ein Bild gewährend, ist doch nur von bedingter Schönheit

'm

, An der durchbrochenen gothischen Thurmspitze decken sich die Verzie-
rungen und Durchbrechungen nur für einen' einzigen Standpunkt in harmonischer
Weise, — für'hundert und aber hundert Standpunkte nicht. Das reiche System
der Strebepfeiler und Strebebögen, um den Chor— einer der höchsten Triumphe
organischer Durchbildung 'in der'Whitektur — giebt für keinen Standpunkt
ein reines Bild.

V

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750 Fragmente zur Theorie der Kunst.

Das architektonische System, in welchem das malerische Element zur
vollen und entschiedenen Erscheinung kommt, ist das des sogenannten
Rococo. Der Rococostyl hat von der Behandlung der Architektur im
Sinne der Antike (auf welcher überhaupt der Kreis der modernen Bau-'
weisen fusst) die Massenwirkung beibehalten, die für das Malerische die
zunächst erforderliche Grundlage ist. Er hat indess die strenge, herbe
Festigkeit, die für die Anordnung der architektonischen Masse in der an-
tiken Kunst so wesentlich bezeichnend, dabei aber der Entfaltung male-
rischen Reizes noch minder günstig ist, als das vibrirende Leben des go-
thischen Baustyles, verlassen; er hat die Masse mannigfacher getheilt, ihr
gelegentlich einen weicheren Schwung gegeben, sie in einer Weise deko-
rirt, dass die bedeutsamen Stellen dem Auge in strahlender Lebhaftigkeit
entgegenspringen. Es bildet sich in solcher Art ein Wechselverhältniss
zwischen den verschiedenen Theilen des Gebäudes, welches, je nach dem
Charakter der Beleuchtung, das Auge mit eigenthümlichstem Rhythmus
berührt, welches den vorragenden Lichtstellen, in ihrer oft seht raffinirten
bildnerischen Behandlung, eine, ich möchte sagen: edelsteinartige Wirkung
giebt, diese von dem ruhigeren Schattentone der Tiefen frappant abstechen
lässt und sie doch wieder durch bewegte Uebergänge mit denselben ver-
bunden erliält. Ist die Luft der Art beschaffen, dass ihr Fluidum dem
das Gebäude betrachtenden Auge mit Entschiedenheit sichtbar wird, so
erhöht sie jene Licht - und Schattenspiele'um ein Wesentliches, indem
durch die grössere oder geringere Stärke ihrer Schleier jene Gegensätze
nothwendig einen doppelten Reiz gewinnen, und sie', als selbständige
Trägerin des Lichtes, die Reflexe desselben in die Tiefen hineintragend,
das harmonische Gesammtverhältniss wesentlich erhöht. Es giebt unter
den Werken des Rococostyles Treppenhallen , die mit ihren einfallend
geschlossenen und in die verschiedenen Tiefen hineinspielenden Lichtern,
— es giebt Verbindungen von Pavillons, Gallerieen u. dergl., die im
Schimmer einer verschieden abgestuften Morgenbeleuchtung unbedenklich
zu dem Vollendetsten an malerischer Wirkung gehören, was das ge-
sammte Material der Geschichte der Baukunst aufzuweisen hat. Diese
Verdienste der Gesammt-Gomposition dürften sich nicht selten auch in
der Behandlung der architektonischen Details nachweisen lassen.

Ueberhaupt möchte es für die Ausrundung der ästhistischen Würdi-
gung der Architektur nicht unwichtig sein, diesen Beobachtungen an den
einzelnen Denkmälern näher nachzugehen und dadurch die Gesetze des
Malerischen in der Architektur umfassender und bestimmter darzulegen,
als bisher geschehen zu sein scheint. Es ist vielleicht der, durch so viel
andre und oft so sehr gültige Umstände veranlasste Widerwille gegen den
Rococostyl, was der Durchführung derartiger Beobachtungen bisher hem-
mend im Wege gestanden hat; — die neuste, flach dilettantistische Wie-
deraufnahme von Rococodekorationen hat dafür noch keinen Ersatz geben
können. .

Jedenfalls aber wird das Eine dabei festzuhalten sein: dass, wie zum
vollen Verständniss des gothischen Baustyles ein volles Versenken in den
Lebenspuls seiner Formen nöthig ist, so der Rococostyl, als der aus-
schliesslich malerische, ein entschiedenes Freihalten des betrachtenden
Individuums von seiner Erscheinung, ein unbedingtes Gegenüber er-
fordert. Das ,Gebäude""des Rococostyles wirkt vor Allem als Bild, als ein
mannigfach wechselndes""je nach dem Wechsel des Lichtes und der Luft-

I

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, ^^.. lA.i ijiiJUi lyii^. "ip^ppiiiiipi^^

üeber die Rahmenform. 761

beschafFenheit, alber immer als Bild. Hieria möchte denn auch,.mehr als
in sonst welchen Willkürlichkeiten und Bizarrerieen seiner Formenbilr-
düng iin Einzelnen,' das Zweifelhafte seiner künstlerischen Existenz be-
gründet sein: -r- es ist vielleicht nicht das richtige Verhältniss von Mittel
und Zweck, ist auch wohl geradehin eine Verschiebung des Zweckes.
Gleichwohl wird aber auch hier, selbst durch die Betrachtung des Ex-
trems, die ästhetische Einsicht wesentlich geifördert, werden für neues
Schaifen wesentliche Resultate gewonnen w.erden können. • ..

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IV. Ueber die Rähmenform.

Höchst charakteristisch ist die Ausbildung und Durchbildung eines
bestimmten Details in der Rococo-Architektur, — die der Einrahmung,
Dies hängt, wie es mir scheint, mit dem inneren Wesen des Rococostyles
zusammen. Die architektonische Masse, im grösseren-Ganzen wie in den
Theilen, hait hier etwas qüellend Bewegtes, was jenen lebendigeren
Wechsel der Erscheinung, an dem sich die malerische Wirkung entfaltet,
hervorbringt und gleichzeitig jene innige Verbindung der freien Relief-
sculptur mit der Masse so wesentlich begünstigt. Es ist überall — prin-
cijpiell wenigstens — eine weiche Lebensfälle, der aber doch das stets
bedingende Gesetz der architektonischen Organisirung (wie im gothlachen
Baustyle) fehlt. Es ist daher ein Element nöthig, welches dieser inneren
Beweglichkeit wiederum Grenzen setzt. Als solches möchte ich. die Ein-
rahmungen betrachten, denen wir an Gebäuden dieses Styles überall, wo
es etwas einzuschliessen giebt, an Fa^aden, Wänden, Decken u. s. w. be-
gegnen. In ihrer Bildung stehen sie aber naturgemäss nicht im Wider-
spruch gegen das Princip, das im Uebrigen die Formen des Rococostyles
erfülltj vielmehr ist es eben dasselbe Princip, was der Einrahmung hier
zugleich ihre selbständige ästhetische Bedeutung giebt. Es ist in ihrer
Bildung etwas kreisend ümschwingendes, das den Begriff des Umgrenzens
in lebendig bewegter Gestalt zur Erscheinung kommen lässt. Dies em-
pfinden wir schon in der Profilirung solcher Einrahmungen, welche zu-
meist, durchaus abweichend von der Strenge antiker Gliederprofile, einen
wellenartigen Charakter haben, gesenkt und straffer gehalten nach dem
inneren Rande, erhaben und weicher hinausströmend nach der äusseren
Seite. ^ Doch nicht hierin allein ist djie kreisende Bewegung ausgedrückt.
Im Umschwünge der Ecken, wo" sie natürlich bei Weitem am stärksten ^

gedacht werden"muss, löst sie sich, wendet nach der einen Seite zurück, =

hebt für die fortzusetzende Bewegung mit correspondirendem Schwünge / |

an und bildet der Art ein Spiel von volutenförmigen Schnörkeln, deren
feinen, wahrhaft classischen Schwung wir nicht selten mit Bewunderung
beobachten. Dieser Ausdruck des Rollenden wird dann auch in eigentlich
ornamentistischer Welse noch fortgesetzt, vornehmlich durch Anbringung
jener" muschelförmigen Rundschalen , äeren Bildung dem Volutenwesen
meist so wohl entspricht. Noch andres Ornamentistische .zieht sich wohl
darüber'hin, gelegentlich, wie iiy feinen Blumengehängen, die'einen zier-

-ocr page 753-

752

Fragmente zur Theorie der Kunst,

lieh spielenden Contrast gegen die energische Grundform bilden, von ge-
schmackvoller Eleganz, oft freilich auch ia die verwunderlichsten Bizar-
rerieen ausartend. Was solcher Art an den Eckstellen der Umrahmung
seine ästhetische Bedeutung gewonnen_hat, wiederholt sich dann wohl
auch, mehr oder weniger ausführlich, mitten im Lauf länger gedehnter
Linien. Man könnte sagen, es sei ein Ueberschuss an Lebenskraft, der
hier zur springenden ^Erscheinung komme.

In keinem andern architektonischen Style hat die Einrahmung eine
ähnlich selbständige Ausbildung erhalten. Ueberall sonst ist sie entweder
aus einfachen architektonischen Gliedern zusammengesetzt, deren Bildung
unter wesentlich abweichenden architektonischen Verhältnissen erfolgt war
und die, als traditionell vorhandene, sich auch diesem Zwecke fügen
mussten; oder es sind vollständig kleine Relief-Architekturen, die zum
Geschäft des Einrahmens verwandt werden, wie in solcher Weise sehr
glänzende Gemälde-Rahmen (gelegentlich auch Rahmen von Basreliefs)
u. A. in der toskanischen und der venezianischen Kunst vorkommen. Iis
steht hier aber doch nur ein künstlerisches Scheinbild an der Stelle eines
künstlerischen Organes, welches sich mit Entschiedenheit in sich selbst
aussprechen muss. Es ist bemerkenswerth, dass das letzte selbständig
künstlerische Product der Architektur in ihrer geschichtlichen Bethätigung
— bis auf die etwanigen Resultate der Bestrebungen des neunzehnten
Jahrhunderts, über welche wir in solcher Beziehung noch kein ürtheil
haben, — der Rahmen, das Einschliessende, ist.

Die allgemein übliche Wiederaufnahme der Rococobildung für die
Gemälderahmen hat hienach gewiss einen tieferen Grund, als den der
Mode. Aber es wäre zu wünschen, dass die Rahmen, statt des beliebten
barbarischen Gemengsels von rococoartigen (und oft allerlei andern ba-
rocken) Details, auf das Princip dieser Formenbildung zurückgeführt und
dass sie zugleich, — was durchaus nicht ausserhalb der Grenzen des zu
Erstrebenden liegt, — diesem Princip gemäss in einer classisch gereinigten
Weise durchgebildet würden.

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NACHTRAG.

Ueber den .Dom von Augsburg.

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(Juli, 1854.)

Im ersten Theil dieser Sammlung kleiner Schriften, unter den Reise-
nolizen vom Jahr 1832, hatte ich' (S. 148, ff.) Einiges über den Dom von
Augsburg und vornehmlich über seine merkwürdige hochalterthüniliche
Bronzethür mitgetheijt. Seitdem ist , mit Berücksichtigung dieser Notizen,
eine umfassende Schrift über die letztere erschienen: „Die Bronze-Thüre
des Domes zu Augsburg, ihre Deutung und ihre Geschichte. Eine im
historischen Vereine des Kreises Schwaben und Neuburg gelesene Abhand-
lung von Dr. Franz Joseph v. Allioli, Dompropst. Augsburg, 1853."
(72 Seiten in 4 und 3 lith. Tafeln in Fol.: Grundriss des Domes, Ansicht,
desselben von der Süjdseite und Darstellung der Thür mit ihren Relief^.)
Die Absicht des Verfassers ist sehr schätzbar; seine Ausführung giebt zu
manchen Bedenken Anlass. Eine Reise hat mich,' während die letzten
Bogen meiner Sammlung gedruckt werden",^ aufs Neue durch Augsburg
geführt; ich benutze diese Gelegenheit, meinen früheren Bemerkungen
einiges Nachträgliche hinzuzufügen, auch dabei das Wesentliche der Schrift
des Hrn. v. Allioli einiger Kritik zu unterziehen.

Der Augsburger Dom ist ein Gomglomerat aus verschiedenartigen
Bauepochen. Einheit des künstlerischen Planes, selbst ein bestimmt künst-
lerisches Wechselverhältniss zwischen seinen verschiedenen Theilen feh-
len; einen künstlerischen Gesammteindrück gewährt er so wenig im Aeus-i
seren wiie im Inneren. Um so entschiedener ist , wenn ich es so nennen
darf, seine gemüthliche Wirkung, in dem'Charaliter des historisch Ge-
wordenen und Gewachsenen; dem^Beschauer treten die Generationen, die
im Lauf der Jahrhunderte diesen Bau zusammengeschmiedet, lebendig
und fassbar entgegen. Die Wirkung wird wesentlich auch dadurch unter-
stützt, dass der Dom von der ästhetischen Reinigung und Erneüung nach-
den Schulregeln unsrer Tage glücklich verschont geblieben ist. Er ist
durchaus anständig, und würdig gehalten; aber er hat zugleich die"Aus-,
stattung, z. B. an der Fülle der Altäre mit reichlicher Rococo-Einrahmung,;
bewahrt, die ihm bis auf die 'jüngere Zeit gegeben ist. Er hat" das
Gepräge lebendiger Verbindung niit den Zwecken und Biedürfnissen des

Kugler, Kleine Schriften. HI. .- ^ ' .48

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-ocr page 755-

754 Nachtrag.

Lebens behalten, jenes Anheimelnde, das unser Gemüth doch so viel
inniger berührt als alle regelrechte und kunßtgelehrte Säuberung. Wobei
freilich zu bemerken ist, dass die gesammte Ausstattung an sich etwas
Maassvolles hat und die grossen architektonischen Formen würdig vor-
herrschen lässt.

Herr v. Allioli hat in seiner Schrift u. A. auch die Notizen zur Bau-
geschichte des Domes, nach den älteren Werken und neueren Forschun-
gen, zusammengestellt. Hienach ergiebt sich für die ältesten Theile des
vorhandenen! Gebäudes, welche das frühromanische Gepräge tragen, die
Epoche von 994, dem Jahre des Unterganges eines älteren Domgebäudes,
bis 1065, in welchem Jahre der damalige Neubau geweiht ward. Von
baulichen Unternehmungen der gesammten romanischen Epoche liegt eine
weitere Kunde nicht vot. Zu diesen ältesten Theilen gehören, wie ^bereits
früher bemerkt, die Arkaden und Oberwände des Mittelschiffes; sie sind,
da sie doch nicht unmittelbar aus dem Ende jener Bauführung herrühren
können, als ein Werk der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts zu be-
trachten: in' der ursprünglichen Anlage einfach viereckige Pfeiler mit
ebenso einfachen Halbkreisbögen, Deck- und Fussgesimse nur aus Platte
und schräger Schmiege bestehend. Sehr bemerkenswerth ist das weite
und leichte Verhältniss; das Mittelschiff selbst ist breit; die Pfeiler sind
einigermaassen schlank, die Abstände zwischen ihnen nicht eng, die Bö-
gen somit in einer kräftigeren Wölbung geschwungen. Im Einklänge hie-
mit steht es, dass nicht auf eine gewaltsame Höhenwirkung hingearbeitet
wurde, der Kaum zwischen den Arkaden und den Oberfenstern des Mittel-
schiffes nicht sehr beträchtlich ist. Der Eindruck der alten Pfeilerbasilika
muss ein freier, würdiger, ruhiger gewesen sein, erheblich unterschieden
von jener massigen Wucht, jener riesenhaften Festigkeit, jenem gewal-
tigen Emporstreben, das sich z. B. in der ursprünglichen Anlage der Dome
von Speyer und Mainz geltend macht. (Vergl. Th. H, S. 724, ff.) — Die
Seitenschiffe des Domes sind (wie die des Münsters von Ulm) durch Säu-
lenreihen von spätgothischer Fassung und mit spätgothisehen Gewölben
in je zwei Schiffe getheilt. Hr. v. Allioli hält auch diese Säulen, sowie
die durch sie bewirkte Anlage' der gedoppelten Seitenschiffe für Reste des
elften Jahrhunderts. Wer indess nur die ersten Elemente der Baugeschichte
sich zu eigen gemacht hat, muss'einsehen, dass eine derartige Annahme
in jeder Beziehung unzulässig ist. Auch wenn der Chronist sagt, dass die
gothischen Gewölbe der Kirche „supra vetusta intercolumnra" ausgeführt
seien, wird jeder Einsichtige sofort erkennen, dass hiemit lediglich nur jene
alten Arkaden des Mittelschiffes (nebst den Oberwänden) gemeint sind.

Im vierzehnten Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des fünf-
zehnten wurden sodann umfassende Umbauten und Anbauten im gothischen
Style ausgeführt: der ausgedehnte hohe Ostchor, in den Seitenräumen mit
schlanken gegliederten Pfeilern, auch zum Theil mit Rundpfeilern, im
Einzelnen noch mit früher gothischen Motiven, während das AeUssere des
Ostchores reiche Dekorationen aus der Zeit des spätgothischen Styles ent-
hält; der schlicht gothische Westchor nebst dem, vor diesem
angelegten
Querschiffe; die Ueberwölbung des Mittelschiffes, sammt den schweren
Gurtträgermassen, welche hier den alten Pfeilern vorgelegt wurdem; 'der
leichte Hallenbau jener gedoppelten Seitenschiffe;
der Kreuzgang, u. s. w.
Die nähere geschichtliche Sonderung dieser gothischen Theile w'ürde ein
anhaltenderes Studium erfordern, als mir verstattet war. Für die Lokal-

I

ii

-ocr page 756-

Üeber den Dom von Augsburg. 755

geschichte würde dieselbe von Werth sein"; für allgemeine baugeschicht-
liche Ergebnisse hat sie, etwa mit Ausnahme der zierlich späten Einrich-
tung der Seitenschiffe, eine mindei;, hervorstechende Bedeutung._—

üeber die Zeit der Ausführung der Bronzethür liegt keine urkundliche
Angabe vor. Die Chi-onisten deuten, mii verschiedener Jahresangabe, auf
das elfte Jahrhundert; Hr. v. Allioli sucht es wahrscheinlich zu machen,
dass sie der Zeit der Vollendung des damaligen Baues angehöre, womit
ich gern übereinstimme. Vorzugsweise lässt es sich Hr. v. Allioli ange-
legen sein, den Iniialt der 35 Reliefbilder, welche die Thür enthält^ aus-
zudeuten; er verfährt hiebei nicht ohne Scharfsinn, aber leider nur nach
durchaus subjectivem Ermessen, ohne alle umfassendere Kenntniss'der in
der Kirche des früheren Mittelalters üblichen symbolisirenden Bilder-
sprache , somit ohne Bezugnahme darauf, ohne diejenige Bewährung,
welche den voraussetzlichen Inhalt dieser, zum grossen Theil so wenig
bestimmt charakterisirten Bilder durch die Vergleichung mit anderweitig
festgestellter Symbolik hätte zu Theil werden müssen. Seine Erklärung
bleibt daher bei allen denjenigen Bildern, wo der Inhalt nicht schon auf
der Hand liegt, fraglich. Wenn die Scenen der Genesis ziemlich klar zu
sein scheinen; wenn Hr. v. Allioli in den Scenen des Simson der schon
von mir (auf den Grund altchristlicher Symbolik) gegebenen Weisung
folgt; wenn seine Annahme, dass die Frau, welche den Hühnern Futter
hinstreut, die Kirche vorstelle, sich ganz wohl empfiehlt, ebenso wie die,
dass in den gekrönten Kriegern ein siegreiches Kämpfen vorgekeilt
sei; so erlauben andre, in ihrer wenig bestimmt.ausgeprägten Erscheinung,
auch mannigfach andre Erklärungen, die zum Theil selbst geradehin in
das Gegentheil zu wenden sein möchten. Der Mann mit der Schlange auf
der Schulter (Relief No. 2) braucht z. B, nicht den Sieg über die Sünde
darzustellen: es kann, um überhaupt in dieser Weise der Ausdeutung zu
bleiben, ebensogut die Dienstbarkeit unter der Sünde sein.' Der trau-
benspeisende Bacchant (No. 26 und 30) stellt nicht nothwendig Lüsternheit
und Sünde dar: es kann ebensogut die Aufnahme' christlicher Lehre und
Gnade sein, da Jedermann weiss, dass Wein und Weinlese ältest christ-
liches Symbol ist und selbst das einigermaassen antike Gebahren des
Mannes aus dem clässischen Alterthum (wie so häufig in der byzantini-
schen Kunst)" herübergenommene Tradition' sein kann. U. A. m. Vor
Allem würde es, für eine Erklärung, wie Hr. v. Allioli sie giebtj nöthig
sein, die Richtigkeit des Einzelnen durch strengen Bezug zum Gänzen
und dessen Entwickelung nachzuweisen. Hr. v. A. lässt sich freilich auch'
dies angelegen sein. Nach seiner Auffassung ist der Grundgedanke der
Bilderfolge der: „den Krdslauf des menschlichen Heiles in den allge-
meinsten Grundwahrheiten darzustellen." Der Gedanke ordnet sich .ihm
in fünf Kreise, — aber der Art, dass das Zusammengehörige nirgend'auf-
einander folgt, sondern hier und dort, von rechts und links, von oben
und unten, aus der Fläche der Thür zusammengesucht werden muss. Da-
bei fehlt eben durchaus der räumliche Zusammenharig, durchweichen die
Erklärung des Einzelnen sich hätte rechtfertigen können. Hr. v. A. sieht
in diesem bunten Durcheinandermischen, welches das ganze AVerk gründ-
lichst verwirrt, eine tiefsinnige Ab'sicht, der Charakter-Eigenthümlichkeit
des, christlichen Kirchenbaues durchaus entsprechend. Diejenigen indess,
welche das Wesen des letzterer^ mit Ernst durchforscht, dürften auch in
seiner geheimnissvollsten Mystik nichts Vernunftwidriges gefunden haben.

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756 Nachtrag.

So ist durch diese Arbeit die Ausdeutung der Bilder der Bronzethür
in der That nur sehr wenig gefördert. In Betreif der häufig vorkommen-
den "Wiederholung von Darstellungen ^bemerkt Hr. v. A., dass sie etwa
den Zweck habe, den Inhalt der betreffenden Bilder besonders eindring-
lich zu machen; was eben auch dahingestellt bleiben muss. Der Umstand
dass der eine /Phürflügel breiter als der andre ist, — der eine in jeder
Reihe drei Darstellungen, der andre deren nur zwei enthält, — eine Ein-
richtung, die jedenfalls ihren sehr eigenthümlichen Grund hat, wird gar
nicht in Erwägung gezogen, geschweige denn erklärt. Ich hatte im üebri-
gen die Vermuthung ausgesprochen, dass das Ganze der Thür früher viel-
leicht irgend einmal auseinandergenommen und ohne Beobachtung der
ursprünglich vorhanden gewesenen Folge der Bilder aufs Neue zusammen-
gesetzt sein mochte. Hr. v. A. führt selbst eine Urkunde vom J. 1593
an, der zufolge damals einige Reliefs abhanden gekommen und durch
neue von demselben Gusse (von den nicht mehr vorhandenen Platten??)
ersetzt und dass das Ganze durch neu gefertigte kupferne Bänder neu
verbunden wurde. Dabei konnte, — in einer Epoche, in welcher ein
lebendiges Verständniss des Inhalts schwerlich noch vorhanden war, —
eine willkürliche Umstellung sehr leicht stattgefunden haben: auch ist es
kaum anders möglich, als dass die fehlenden Platten durch Abgüsse von
vorhandenen, also durch Wiederholungen, wie solche vor Augen ste-
hen, ergänzt wurden. Bei diesen thatsächlichen Umständen wird jede
gründliche Ausdeutung der Thür,— auch abgesehen von der Misslichkeit des
willkürlichen Verfahrens, welches Hr. v.A. beobachtet,— doppelt bedenklich.
Ich habe noch ein Paar Einzelbemerkungen hinzuzufügen. In dem
Bilde der Erschaffung der Eva hatte ich die Figur der Gottheit als Jehova
bezeichnet und bemerkt, dass ich von der älteren Beobachtung, nach wel-
cher die Jungfrau Maria dabei „gegenwärtig" erscheine, nichts wahrge-
nommen habe. Aus den Bemerkungen des Hrn. v. A. ersehe ich, dass
dieser voraussetzliche Jehova' selbst, weil er bartlos ist (ebenso wie auf
dem darunter befindlichen Bilde, welches ich als Erschaffung des Adam
auffasste, während es Hr. v. A, als „Belehrung und Stärkung der l^va"
bezeichnet), die Maria darstellen soll, Hr. v, A. erklärt dies, nach der
mystischen Doctrin des Mittelalters, als Incarnation der „göttlichen Weis-
heit" in der Gestalt der Maria. Wäre der Gesammtinhalt der Bilder klar
genug und solcher Auffassung entsprechend, so,würde ich an sich nichts
dagegen haben. Eine bartld'se Darstellung des schaffenden Gottes halte
ich aber keinesweges für etwas Unerhörtes; Christus namentlich wird in
der frühchristlichen Kunst (besonders auf den Sarkophagen) häufiger ohne
Bart als mit solchem dargestellt; dies konnte, bei der Gleichartigkeit der
Personen der heiligen Trinität, sehr füglich auch auf die beiden andern
der letzteren tibertragen werden, konnte somit auch in diesem Fall ge-
schehen sein. — Dann bemerkt Hr. v. A., ich hätte, mit Bezug auf den
Inhalt der Thür, nur von „dekorirender Spielerei" gesprochen," während
dies keinesweges der Fall ist, ich vielmehr sagte: dass, wenn überhaupt
ein Gesammt-Inhalt vorhanden, doch zugleich eine, mehr iiur dekori-'
rend spielende Sinnbildnerei mitgewirkt haben möge, u, s, w. Zum
weiteren Zeugniss meines angeblichen Unverstandes ') legt er mir gleich-

H

5

Dass Hr. v. A, überhaupt nicht weiss, was meinerseits zur^Erlauternng
altchristlicher Symbolik geschrieben ist (dass ich z. B, der erste gewesen bin,

........... ............: .........-..... ................. ..........

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Üeber den Dom von Augsburg. 757

zeitig (S. 5, Anm.) einige "Ausdrücke, von Cordero zur Last, aus den Ab-
schnitten von Cordero's Schrift, die ich , freilich zu ganz andern Zwecken',
übersetzt und, mit sehr offener Angabe ihrer Eigenschaft als üebersetzung,
meinen kleinen Schriften eingereiht hatte; auch S. 4l führt er mit völ-
ligster Unbefangenheit eine Stelle Cordero's als von mir geschrieben an.
Ferner sieht Hr. v. A. sich ermüssigt, die falsche .Abbildung, welche ich
(S. 150 in Tbl. I. der kleinen Schriften) von der angeblich auf dem Relief
No. 22 enthaltenen weiblichen Gestalt gegeben haben soll, zu tadeln,
während ich gar nicht jene, sondern' die auf No. 25 enthaltene Gestalt
gezeichnet hatte, was sich ihm bei einer nur einigermaassen sorglichen
Vergleichung sofort hätte ergeben müssen Hr. v. A. hat wohl. nicht
hinreichend erwogen, dass dies Fälschungen sind, wenig geeignet, ihrem
Urheber Ehre zu bringen, mag die Veranlassung auch nur in einem leicht-
sinnigen Verfahren beruhen und mögen ihm immerhin Unberufene oder
Böswillige diese Dinge ohne Weiteres nachschreiben.

^ Ueber die Arbeit der^ Reliefs der Thür, über ihre sehr urthümlich
derbe Beschaffenheit, die gleichwohl etwas ansprechend Naives hat, wüsste
ich nur das früher von mir Gesagte zu wiederholen. Auch Hr. v. A. weiss
in diesem Betracht nichts Weiteres, als meine Worte anzuführen, sieht
sich dabei aber doch veranlasst, das, was ich über den an diesen Wer-
ken nur in höchst geringem Maasse hervortretenden Byzantinismus gesagt
habe, mit einigen Fragezeichen zu begleiten. Auch dies würde er bei
einiger Erwägung dessen, was ihm ziemte, unterlassen haben. Und wenn
er selbst, wie er es dargethan, so gar keine Kenntniss von diesen Dingen
und kein Auge dafür besass und Niemand in seiner Nähe war, 'der ihm
den einfachen Aufschluss hätte gewähren könne.n, so würde z. B. ich
selbst dies Letztere auf eine briefliche Anfrage sehr gern gethan haben. —
Die in dem Dome sonst vorhandenen Bildwerke scheinen, einer nähe-
ren Betrachtung ebenfalls nicht unwerth zu sein. Namentlich die grosse
Anzahl der Grabmonumente dürfte interessante Belege für die Geschichte
der aügsburgischen Bildhauerei enthalten. Von vorzüglich Bedeutendem
ist mir bei meiner flüchtigen Schau allerdings nur wenig entgegengetreten.
Ich gebe hier hur die Notiz über zwei im Kreuzgange befindlichen Epi-
taphien. Eins, vom J. 1442, enthält in starkem Relief die Darstellung der
Jungfrau Maria mit dem Kinde, welcher durch die h. Barbara der Ver-
storbene und dessen Gemahlin vorgeführt werden. Die künstlerische Be-
deutung ist hier nicht sehr hervorstechend; das Bemerkenswerth^e besteht
darin, dass noch ein weich germanischer Styl vorherrscht und sich erst
geringe Motive des Ueberganges zur folgenden Entwickelung vorfinden.
Ein andres Relief ist das Epitaphium eines „Martin von Waldegk", gest.
1524. Der Verstorbene, gepanzert,, ist nebst seiner Frau und den Fami-
lienwappen dargestellt, beeide knieend, ein» vortreffliches, Beispiel augs-
burgisch feiner und edler Lebensdurchbildung; darüber, als besondre

der die Bildersprache in den Darstellungen der altchristlichen Sarkophage ent-
ziffert hat), will ich, bei seiner mangelnden Kenntniss der bezüglichen Literatur,
völlig unberührt lassen.

Dass überhaupt die von mir gezeichneten und radirten Abbildungen die
stylistische Eigenthümlichkeit jener Reliefs getreu wiedergeben, während dies
auf der betreffenden Bildtafel bei Hrn. v. A. wiederum keineswegs der Fall ist,
wird natürlich ebenfalls auch nicht entfernt angedeutet.

1 ■. t/ t ■. ''■ ,

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758 Nachtrag.

Darstellung, Christas am Oelberge, der freier stylistischen Auflassung Hol-
bein's entsprechend, aber minder anziehend als jene Bildnissgestalten.

Eigenthüraliches Interesse für die Momente kunstgeschichtlicher Ent-
wickelung gewähren die im Dome vorhandenen Glasmalereien, Die in
den Oberfenstern des Mittelschiffes erhaltenen gehören zu den ältesten,
"welche Deutschland besitzt. Es sind ihrer fünf, in den Fenstern der
Südseite, — einzelne Heiligengestalten, in einem schweren, starren, hand-
werklich byzantinischen Style und ohne eigentliches Kunstverdienst, aus
dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts, etwa derDarstellungsweise im
Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg entsprechend. — Eine grosse
Darstellung füllt das südliche Fenster des QuerschilFes (auf der Westseite
des Domes) aus. Es ist frühgermanischer Styl der Zeit um 1300: ein
gothischer Tabernakelaufbau mit buntgemusterten Teppichgründen und
einzelnen biblischen und Heiligen-Gestalten in strenger trecentistischer
Weise. Das Ganze macht den Eindruck eines spielend bunten Teppich-
werkes, ebenfalls noch ohne tiefere künstlerische Würde. Einzelnes ist
Renovation. —• Der mittlere Theil des Hauptfensters in der mittleren der
östlichen Chorkapellen, hinter dem Hochaltar, ist mit Medaillons von Or-
nament und Engelreigen, Scenen der Passion Christi enthaltend, ver-
sehen. Diese haben den handwerklichen Charakter der ersten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts, mit germanischen Nachklängen. — Ein Fenster
I des nördlichen Seitenschiffes enthält drei Darstellungen: die Krönung

Ii Mariä, die Verkündigung, die Geburt Christi, nebst Engeln u. dergl. Dies

' sind treffliche Arbeiten vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, dem

^t Charakter der augsburgischen Malerei dieser Zeit im Allgemeinen ent-

sprechend. Sie haben allerdings keine plastische Totalwirkung, auch kein
j|; hochentwickeltes Schönheitsgefühl, aber Würde und individuell kräftige

% Durchbildung. In den Farben herrscht, wie auch sonst in den Glasma-

■■'r lereien dieser Epoche, der weisse Ton vor, — Sehr bemerkenswerth end-

lieh ist ein grosses Glasgemälde im oberen Mittelfenster des Ostchores,
rli über dem Hochaltar. Es ist ein Werk neuster Zeit, ohne Zweifel aus der

Schule von München. Die Darstellung ist die Krönung der Maria, mit
Engeln und reichen musivischen Ornamenten in den Rosetten des Fensters,
Ij Ohne einen völlig durchgeführten malerischen Rhythmus zu besitzen,

Ii'* zeichnet sich dies Werk ebensosehr durch seine höchst prachtvolle Wir-

kung, wie durch den Adel der einzelnen Gestalten aus und giebt, gleich
!iiS den sonst bekannten Arbeiten jener Schule, zur Seite der alten Arbeiten

i; ' einen doppelt erfreulichen Beleg für die Durchbildung deriGlasmalerei in

il

unseren Tagen, f

Nochmals antike Polychroniie.

Ende September 1854.

Eine akademische Gelegenheitsschrift, welche ich erst jetzt kennen
lerne, veranlasst mich, auch den im ersten Bande der vorliegenden Samm-
lung enthaltenen Untersuchungen über antike Polychromie noch einen

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Nochmals antike Polycbromie. 759

kleinen Nachtrag hinzuzufügen. Es ist die „Einladung zu der Feier
des fünzigjährigen Doctor-Jubiläums des Herrn D. Eduard
von Schräder etc., d en 20. Juli 1853, vom Rector und acade-
mischen Senat der Königl. Eberhard-Karls-Universität, —
begleitet von einer Abhandlung über die Polychromie der
antiken Sculptur von D'r. Christian Walz, ordentlichem
PrOr
fessor der Philologie und Archäologie. Tübingen" etc.

Der Verfasser (Hr. Walz) erwähnt des Wiederabdruckes meiner Schrift
vom Jahr 1835 (Kl. Sehr. I, S. 265, ff.), scheint aber die Nachträge (^on
S. 327 ab) noch nicht gekannt zu haben. Er wiederholt zum Theil, was
schon in seiner Kritik in den Heidelberger Jahrbüchern vom Jahr 1837
(über die ich I, S. 328 und 344 gesprochen) enthalten war, und bringt
überhaupt nicht eben thatsächlich Neues von Bedeutung; doch ist seine
Schrift neuerlichst nicht nur zur "Verfassung von Feuilletonartikeln, welche
abermals das Banner absoluter Buntheit schwingen, benutzt worden: auch
an sich verlangt sie um so mehr eine Berücksichtigung, je gelehrter die
Gründe sind, auf denen ihr Bekenntniss zu eben demselben Banner be-
ruht. Ich hebe diejenigen Punkte hervor, welche mir besonders bemer-
kenswerth erscheinen. .

Eine ausführliche Untersuchung widmet der Verfasser der Bedeutung
des Wortes dvÖQtces; er weist nach, dass es auf keinen Fall durch „Ge-
mälde" übersetzt werden könne, vielmehr ausschliesslich nur als „Statue"
zu fassen sei, — wonach denn die bekannte platonische Stelle vom Be-
malen der Andrianten bestimmt auf die damalige Sitte des Statuenbema-
lens hindeute. So hatte auch ich (S. 312), andern Gewährsmännern fol-
gend, die Sache bereits gefasst; aus den Nachweisen des Verfassers geht
mir jetzt indess hervor, dass ävÖQias durch „Statue" in zu engem Sinne
übersetzt wird; das Wort bildet den Gegensatz gegen „Gemälde" und ist
somit ohne allen Zweifel als „plastisches Bildwerk" überhaupt zu fassen,
— also namentlich auch als Relief. Der Mitbezug auf das Relief modifi-
cirt aber den Sinn der platonischen Stelle um ein Weniges, zumal wenn
wir dabei an die Verwendung des Reliefs in dem farbenreichen Gebälke
des dorischen Tempels denken.. Was bei einer derartigen Gattung der
Andrianten geschah, braucht« darum überhaupt nicht oder nicht in glei-
chem Maasse bei allen zu geschehen; die Stelle ist also nicht nothwendig
von ganz genereller Bedeutung, auch abgesehen davon, dass Plato zugleich
in keiner Weise sagt, wie weit sich jenes Bemalen ausgedehnt habe, und
für seinen Zweck nur das Anmalen der Augen näher berührt.

Den bestrittenen „Elfenbeinmalern" des Plutarch, den iXiqiavvog ^oo-
YQdqjoi) sichert der Verfasser, und möglicherweise mit gutem Grunde,
ihr Recht; nur ist mit ihnen noch erst ein sehr schwacher Beleg für eine
naturgemässe Bemalung des Nackten an den chryselephantinen Werken
gewonnen. Er schliesst jene schon im Jahr 1837 behauptete Conservirung
des Colorits des olympischen Zeus durch die Phädrynten an, über deren
mehr als bedenklichen Erfolg ich mich I, S. 344 bereits geäussert habe.
Er geht jetzt aber noch ungleich weiter, indem er dies vorausgesetzte
Phädryntengeschäft mit dem jährlich erneuten Menniganstrich des kapi-
tolinischen Jupiter parallel stellt, wenn auch die Bemalung des Elfenbeins
an dem Zeus des Phidias in demselben Verhältniss über diesem Mennig-
anstrich gestanden habe, wie die eine Statue selbst über der andern.
Diese schliessliche Clausel nütitt meines Bedünkens nicht viel: römische

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760 Nachtrag.

Barbarei und höchste hellenische Kunstblüthe sind eben in keiner "Weise
mit einander in Vergleich zu bringen, und wer dies thut, würde dem
Gegner, der den Streit aus dem Sachlichen in das Persönliche überzu-
spielen geneigt wäre, allzu gefährliche "Waffen in die Hand gegeben haben.

Die plutarchischen ßacpslg, die man sonst wohl als Bemaler von Sculp-
turen übersetzt hat, erklärt der Verfasser mit Welcker als die Meister der
Metallmischung für kunstreichen Guss. Die Deutung mag richtig sein;
jedenfalls ist es bekannt, wie hoher Werth im Alterthum auf diese oder
jene Bronzemischung gelegt ward und dass das gediegene Verfahren in
dieser Technik zur Kaiserzeit verloren war. Auch mag immerhin die
sterbende lokaste des Silanion, von Erz mit bleichem {silbergemischtem)
Gesicht, solcher Technik angehört haben; obschon zu bemerken ist, dass
hier eine Aneignung malerischen Effektes ersichtlich wird, der unbedenk-
lich unter überwiegenden malerischen Elementen einer jüngeren Zeit, der
des vierten Jahrhunderts, erstrebt wurde, dass die Wirkung jedenfalls
nur eine äusserliche, conventioneile war (denn um darüber hinauszukom-
men, hätte es einer, hier völlig unmöglichen Durchbildung des malerischen
Tones bedurft), und dass es sich hier überhaupt schwerlich um etwas
Andres als um einen vorübergehenden Versuch handelt. — Bedenklicher
ist es mit dem ehernen reuigen Athamas des Aristonidas, dessen Schaam-
röthe, wie Plinius berichtet, durch eine Eisenbeimischung — also durch
eine Oxydirung dieses beigemischten Eisens — hervorgebracht war. Eine
Erzfigur mit bleichem Gesicht, wie die der lokaste, können wir uns allen-
falls vorstellen; eine erröthende Erzfigur (und gar zum Ausdruck reue-
voller Schaam!) muss einem gesunden künstlerischen Sinne nothwendiger
Weise ziemlich widersinnig erscheinen, die Berechnung auf den Oxydi-
rungsprozess der Metallmischung einigermaassen fabelhaft. Mir ist es
vielmehr glaublich, dass die Bronze des Athamas durch irgend einen un-
vorhergesehenen Zufall jenen röthlichen Ton angenommen hatte und dass
die künstlerische Absicht nachträglich hineininterpretirt wurde; der gute
Plinius ist an Notizen über derartige Kunstkuriositäten nicht ganz arm. —
Der Verfasser geht freilich noch weiter, indem er aufs Neue, in ausführ-
licher Mittheilung, die rednerischen Floskeln eines Kallistratus und Andrer
über erröthendes Erz, über rothwangige Bronzestatuen — sogar die Aeus-
serung des Himerius über die eherne (lemnische) Athene des Phidias,
deren Schönheit sich, statt des Helmes, in solches Wangenroth verhülle,
wörtlich nimmt. Eine mit Naturfarben illusorisch bemalte Statue ist aus-
führbar und ist unter Umständen ausgeführt worden; ein partieller rother
Anhauch, zum Ausdruck flüchtigsten Lebens, über einem Bronzebilde,
welches durch seinen stofflichen Farbenton von vornherein auf alle Illu-
sion verzichtet, gehört, wie eben angedeutet, einfach in das Gebiet des
Sinnlosen. Wer in jenen Aeusserungen, und gar mit Bezug auf Werke
des Phidias,, mehr sieht als Phrase, mit dem ist nicht füglich weiter zu
streiten. Auch habe ich schon (I, S. 315, Anm. 3) auf die Widersprüche
hingedeutet, in welche sich Kallistratus bei derartig spielenden Wendan-'
gen selbst verwickelt.

Beiläufig kommt der Verfasser auch auf jene Stelle des Plinius (36,
4, 10 der Tauchnitz'schen Ausgabe) zu sprechen, in welcher von der Sta-
tue der Hekate im Hinterhause des ephesischen Dianeritempels die Rede
ist und hinzugefügt wird, dass die Besucher durch die Aufseher erinnert
würden, vor der strahlenden Gewalt des Marmors ihre Augen m hüten,

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Nöchmals antike Polychromie. 761

Letzleres kann auf die Statue oder auf das Tempelgebäude bezogen wer-'
den. Der 'Verfasser entscheidet sich (gegen Ulrichs, dem ich I, S. 357,
mit Ueberzeugung gefolgt bin), für die Bezugnahme auf die Statue. Die
Stelle ist wichtig genug, um die Gründe für die eine und für die andre
Auffassung näher zu berücksichtigen. Nach der Erklärung des Verfassers
kann der strahlende Marmorglanz desshalb nur auf die Statue der Hekate
bezogen werden, weil hier überhaupt nur von Statuen die Rede sei.
Letzteres ist freilich richtig; bei einem compilat.orischen Autor wie Plinius
kann meines Erachtens jedoch ein kleines Abspringen von dem augen-
blicklich vorliegenden Hauptgange seines Vortrages (hier also die voraus-
gesetzte Einstreuung einer Notiz über den Tempel, in dem jenes Bild
sich befand), in keiner Weise befremden, und um so weniger, als er erst
unmittelbar vorher, bei Gelegenheit der Arbeiten des Skopas und seiner
Genossen, Ausführliches über den Bau des Mausoleums, für dessen Aus-
stattung diese Künstler thätig waren, eingeschaltet hatte. Im Uebrigen
erklärt der Verfasser den blendenden Glanz des Hekatebildes dadurch,
dass sich die übrigen Marmorstatuen von ihm durch Bemalung öder sonst
ein Mittel, welches den Marmorschimmer beseitigt, unterschieden hätten.
In diesem Falle wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass Plinius sein
„tanta marmoris radiatio est" nicht so schlichthin (mit der Voraussetzung,
dass aller Marmor glänze und dieser nur in erheblich erhöhtem Maasse,)
ausgesprochen, dass er hier ausdrücklich den ungefärbten oder unver-
hüllten Zustand des Marmors hervorgehoben haben würde. Wären seine
Worte aber auch unbedenklich, so bliebe doch das Räthsel ungelöst, wie
eine einzelne Statue — nicht durch irgend ein künstliches optisches Mit-
tel, sondern lediglich durch die natürliche Beschaffenheit ihres Stoffes —
zu so ungeheurem Glänze gelangte, dass sie die Augen des Beschauers
physisch blendete. Ich wüsste hiebei in der That keine andre Aushülfe,
als ein völlig banales Mährchen anzunehmen, welches dann, hier nicht
an der Kunstkenuerschaft, sondern an dem gesunden Verstände des Plinius
zweifeln hiesse. Beziehen wir dagegen jene Worte auf das Tempelge-
bäude, das grösste des Alterthums und das aus allerweissestem Marmor
erbaute, so konnte dessen Betrachtung, zumal im Sonnenliöhte, das Auge
in der That recht gründlich blenden. Ich vermag also nur bei' dieser
Auffassung, — welche mir zugleich aber ein wichtiges Zeugniss für das
Weiss in der Hauptmasse des Tempelbaues (und zunächst allerdings des
ionischen Marmorbaues) ist, zu bleiben.

Im Uebrigen beruft sich der Verfasser auf einzelne, schon bekannte
Zeugnisse über die Farb'enanwendung bei antiker Sculptur. Er reiht den-
selben eins, nach Roulez's Vorgange, an, welches mir noch unbekannt
war. Es ist ein Epigramm d,er lateinischen Anthologie auf die Verwand-
lung der Daphne in einen Lorbeerbaum; der Dichtey bemerkt in sinniger
Weise, „wie die Hand des Künstlers gesorgt habe, dem gemeisselten Laube
und den gemeisselten Gliedern die angemessene Farbe zu wahren; wie,
indem der bunte Stein zweierlei Zeichen (duo signa) trage, die Verbin-
dung von. Bildkunst und von Malerei einen wundersamen Reiz gewähre."
Die hier zu Grunde liegende Anschauung entspricht dem ganz wohl, was
wir sonst über antike Polychromie wissen; die Hülfe der Farbe dürfte die
Darstellung der sich verwandelnden Gestalt in anmuthig dekorativer Weise
gehoben haben, wobei die „duo signa", die eben nicht auf entschieden
iUusorische Absicht und Wirkung schliessen lassen, vielleicht eine etwas

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762 Nachtrag.

prägnante Bedeutung haben. — Als noch weitere Belege giebt der Ver-
fasser die Abbildungen von einer Anzahl kleiner Terracotten, -welche die
Reste farbiger Zuthat tragen. Dergleichen sind vielfach bekannt. Im Ein-
zelnen haben die hier mitgetheilten keinen Anspruch auf den Namen von
Kunstwerken.

Der Verfasser legt einigen Nachdruck auf den philologischen Stand-
punkt, von welchem aus er seine Aufgabe behandelt und seine Ansicht
einer lebhafteren, naturgemäss illusorischen Buntheit der antiken Sculptur
aufs Neue begründet hat. Wir Andern, die wir der antiken Polychromie
eine ungleich bedingtere Geltung zuerkennen, scheiden von seiner Schrift
mit einiger Genugthuung, indem wir wahrnehmen, auf wie wenig festen
Füissen auch diese erneute philologische Begründung dessen steht, was
uns als ein mehr oder weniger erhebliches Zuviel erscheint. Worauf es
aber in dieser Frage meines Bedünkens vor Allem ankommt, das ist ihre
Auffassung im Gesammtwesen des antiken Kunstgeistes und seiner ge-
schichtlichen Entwickelung. Ich habe sie in solcher Weise abermals
durchzuarbeiten und hiemit vor Allem zu jener grösseren Festigkeit des
Standpunktes und der Auffassung zu gelangen gesucht, der auf einem mög-
lichst freien und unbefangenen üeberblick des Ganzen beruht. Meine
Geschichte der Baukunst und die dritte, gänzlich erneute Auflage
meines Handbuches der Kunstgeschichte, welche sich beide so
eben unter der Presse befinden, werden dem geneigten Leser die Resul-
tate auch dieser Arbeit darbringen.

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JERZEICHNISSE.

1. Orts-Verzeichnis s.

A. bedeutet Architeclur, Sc. bedeutet Sculptur, M. bedeutet Malerei. Die römischen
Zahlen sind die der Bände, die deutschen die der Seiten.

h

A:

Aachen, '

Münster, II, 183. 191. 210. 371.
Trinkbrunneu III, 318.
Ratbhaus- M. III. 487.
Abenberg, , • ^

Barg II, 698.
Adenau,

Kirche II, 206. Taufst^in II, 252.
Hochaltar mit Schnitzwerk 11, 269.
Adrianopel,

Moschee^Selims I, 214,
Aeginä, '
Miuervatempel I, 280. 288. 298 Farbe
an Sc. u. A. i, 320. 331..
Agrigent,
Juno- und Concordia-Tempel I, 258.
290.

Jupiter-Tempel I, 290.
Grabmal des Theron I, 291.
Herkules-Tempel A., Farbe I. 333.
Castor- und Pollux-Tempel A., Farbe,
I, 338.
Ahrweiler,
Stadtkirche II, 130. 234. Sculpt. II.

278. . .

Kirche auf d. Calvarienberg II, 250.
Aizani,

Antikes Theater II, 397.
Aken,

Hanptkirche II, 552. ^

Aker,

Kirchs, Grabplatte, Sc." II, 633.
Alba,

Antike Basilica II, 96.

Alpirsbach,
Klosterkifche II, 369. Sculpt. II, 369.
719.

Altenahr, ,

Kirche, mit Abbildg. II, 193. Tauf-
stein II, 253. Holzstatne II, 282.
Monstranz II, 335.

Altenberg, bei Köln,

Kirche II, 48. 131. 233. 669. Sculp-
tnren II, 265. 271. Grabplatte II,
327. Glasmalerei II, 324.

Altenberg, an ,der Lahn,
Klosterkirche, mit 5 Abbildg. II, 179..
Bildwerke II, 180.

Altenburg, , ^
Die rothen Thürme, Herzogl. Schloss,
Schlosskirche, Pohlhof, Rathhaus II,
551.

Altenkirchen, auf Rügen,
Kirche I, 695. Taufstein I, 783. Swan-
tevitsbild Sc. I, 668.

Altenkirchen," bei Coblenz,
Basilica II, 221.

Amiens,
Kathedrale II, 48. V

Andernach,
Pfarrkirche II, 42, 208, mit Abbildg.
212, mit 3 Abbildg. 668, Taofstein
11, 253. Tabernakel II, 255. Relief
am Portalbogen II,'258.
Heil. Grab mit Statuen II, 273. Wand-
malerei II, 285.
Franciscanerkircbe (jetzt Stall) mit Ab-
bildg. II, 248.
Bürgerl. Architecturen II, 246.
Rheinkrahnen II," 248.


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764

Andernach,

Gräflich Leyen'scher Hof II. 249.
Anunziateukirche, Frescomalereien,
Glaswappen II, 318.
Anklam,

Marienkirche, mit 3 Abbildg. I, 697»
Schnitzaltäre I, 796. 809. Grabplatte

I, 818. Epitaphieen I, 828. Chor-
stühle I, 7 9Ö.

Nicolaikirche, mit 6 Abbildg. I, 723.

Schiiitzaltar I, 809. Chorstiihlel, 795,
Bürgerl. Architektur I, 733.
Das Steinthor I, 768.
Rathhaus I, 769. Mal. I, 821.
Ansbach,

St. Gumpertskirche Mal. II, 720.
Anticyra,

Tempel I, 270,
Autonin,

Schloss III, 3:^4,
Antwerpen.

Kathedrale II, 501. Mal. 502. Chor-

stühle III, 517.
Kirche St. Jacques II, 502. Mal. u. Sc.

II, 502.

Augustiuerkirche Mal. II, 503.

St. Paul Mal. II, 503. Calvarienberg

II, 503.
Museum Mal. II, 503. 508,
Academie III, 450.
Rubens-Denkmal III, 517.
Aphrodisias,

Antike Baureste II, 384.
Apollinarisbelg,

Kirche II, 142. M. III, 512.
Aquino,

Basilica II, 95.
Aranjuez, •. /

Schloss III, 257. '

Arges, . ,
Tempel Sc. I, 307.
Antikes Theater II, 397.
Arolsen,

Kirche Sc. III, 374. ^

Arnegg,

Kirche, Taufstein Sc.' II, 563.
Arnstadt,

Frauenkirche II, 490. Sc, 491.
Arras,

Städthaus I, 506.
Aschaffenburg,

Hof-Bibliothek, Miniaturen I, 475.
Gebetbuch
I, 478.
Domsc.hatz
I, 479.
Assisi,

Kirche des h. Franciscus II, 629. Mal.
I, 253. 254. II, 155. Steinkanzel
Sc.
II, 646.

i;

u

r

t

mL

Assisi,

Engelkirche M, III, 23.
Asti, ,

Baptisterium, Altar Sc. II, 646,
Athen,

Tempel am Ilissus A. Farbe. 426. M.

I, 277.

Tempel des Theseus I, 425, 274. A.

Farbe 319. 329. II, 68.
Akropolis
II, 469-

Parthenon I, 272. 425. Farbe au A.

u. Sc. 275. 319. 330. Sc. III, 235.
Propyläen
I, 270. 275. M I, 330.
Erechtheum
I, 259. 426, II, 67. 383.

A. Farbe I, 330.
Stadium des Atticus A. Farbe I, 270.
Monument des Lysicrates
I, 427. A.

Farbe I, 273. 277.
Monument des Thrasyllus
I, 425.
Plan des Köuigssehlosses
III, 315.
Augsburg,

Dom I. 148, Details aus den ältesten
Theilen desselben mit 2 Abbild.
I.
149. II, 731. 753. Die bronzenen
Thürflügel, mit 2 Abb. I. 150. III,
755. Grabmonumente HI, 757. Glas-
malerei III, 758.
Ansicht der Stadt
III, 204.
Avenas,

Kirche, Altar, Eeliefsculp, II, 646.

B.

Babelsberg,

Schloss III, 325. ■ .
Bacharach,
Pfarrkirche II. 214. Epitaphium II, 280,
Wernerskirche, mit Abb. II, 241,
Bahn,

Kirche I, 694.
Bamberg,
Dom, mit 8 Abb. I, 152. II, 49. 377.

530. Sc. I, 430,
St. Jaqob I, 161. 545. H, 35.
Kirche auf d. Michaelisberg I, 161.
Karmeliterkirche I, 162.
Domschatz, Miniat. II, 64, Sc. II, 585.
Bibliothek, Miniaturen aus dem 10.
Jahrh. mit Abb, I, 91. Evangel. aus
dem 10. Jahrh. I. 91. Apocal. Evan-
gel. a. d. 10. Jahrh.
I, 91. Expositi-
ones in Cantica et Prophetiam Da-
nielis aus d. 11. Jahrh. I, 91. Missale
aus dem
11. Jahrh. mit Abb, I, 91.
Sacramentaria Gre.gorii P. aus d. 12.
Jahrh. 1,92. Psalmariura aus d. 12.
Jahrh, I, 92. Elfenbeindeckel a? d.

II. Jahrh. I, 93.

Ortsverzeichniss.

mmäMi


-ocr page 766-

Ortsvetzeicbniss, 765

Bamberg, * ■

Ansicht der Stadt III, 204.
Barcelona, '

St. Paul, Krenzgang III, 248;
Rathhaus III, 248. ,
Barth,

Kirche I, 724. M. 821. Altar Sc. I, 829.
Thurm I, 767, ' .

Basel, ,

Münster II, 377. 518. Sculpt. in der
Krypta II, 518. Ansicht des Mün-
sters III, 205.
Gemäldegallerie II, 518—20.
Bei Hrn. Handmann, VotiTtafel Kaiser

Heinrichs II. I, 486.
Sammlung des Hrn. v. Speyr Mal. II,
520.
Bassae,

Apollotempel I, 425. A. Farbe 280.
286. 320.
Bayeux,

Kathedrale II, 393.
Bayreuth,
Jean-Paul-Statue III, 541,
Kanzleibibliothek M. II, 720.
Beauvais,

Kathedrale III, 57.
Beilstein,

Kirche II, 245.
Belgard,

Marienkirche, mit Abb. I, 732. 733.
Bendorf,

Kirche, mit Abb.'a. II. 215.
Bergen,

Marienkirche, mit 8 Abb. I, 663.
Berlin,

Klosterkirche, mit,8 Abb, I, 10. III.
337.

Domkirche, Grabmal des Kurf, Johann

«icero, 11, 659.
Werder'sehe Kirche III, 328/ Sc. 379.

M. 562.
Petrikirche III, 615.
Kirche in Moabit III, 332.
Jakobikirche III, 638.
Matthäikirche III, 639.
KÖnigl. Begräbnisskapelle am Dom, M.

III, 647—56.
Garnisonskirche M. III, 562:
Schloss , Hautelisse-Tapeten III, 478.
Kuppel III, 632. Weisser Saal III,
632. M. III, 632.
Bethanien III, 639: Kirche III, 639./
Kriegsministerium III, 637
Garde-Uhlanenkaserne III, 615. • .
Mustergefängniss III, 615.
Bauschule III. 826. 488. Sc. 343,
Schinkersches Museum, M. 111, 362.

Berlin,
Prachtgebäude III, 230.
Am Potsdamer Thor III, 318.
Am Neuen Thor III. 326.
Hauptwache III, 318. Sc. 342. 637.
Schauspielliaus III, 321. Decorations-
mal. 353. Goucertsaal III, 629. M.
630. Treppe Sc. 687.
Sing-Academie III, 323.
Prinzen-Palais III. 322.
Palais Redern III, 325.
Bürgerl. Architectur III, 639, 640.
Maschinenbau-Anstalt von Borsig III,
616.

-Opernhaus Sc. III, 630. 632,
Academiegebäude Sc. III, 657.
Schlossbrücke III, 839.,Sc. 637.
Denkmal auf d, Kreuzberg III, 338.
Denkmal Friedrichs d. Grossen III, 334.

399. Sc. III, 640.
Thiergarten, Denkmal Friedrich Wil-
helms HI. Sc. III, 640. 698. '
Belle-Alliance-Platz, Friedenssäule, III,

409. . . .

Statue Bülows III, 373.
Grabdenkmal Scharnhorsts III, 339.
Springbrunnen Sc, III, 353.
Glaubensschild, Pathengeschenk des Kö-
nigs, Sc. III, 645 (nun in London).
Museum, Gemäldegallerie I, 215. Ti-
zians Bild I, 229. 337. 365. 386.
402. 403. 404. 411. 422. Gemälde
des Andreas del Sarto I, 48ö. 513.
,526. 531. 640. II, 5. II. 290. 292.
311. 816. 320. 322. 358. 451. 506.
III, 411. 613. Vorhalle M. 111,346.
549. 633. Sc. 411, 633. Rotunde
III, 635. Tapeten nach Raphael
II, 595. III, 635. Antikengallerie I,
316.318,319.492. 11,405. Kupfer-
stichkabinet, Plenarium, mittelaterl",
Bilderhandschrift
1, 10. (Ehemal. v.
Nagler'sche Sammlung) II, 359. 721.
Sammlung german.-slav, Alterthijmer

I, 440. Aegyptische Schmucksachen

II, 706. Kunstkammer I, 643. Siegel-
abdrücke 645. HindostänischeKunst-
sachen 645. Chinesische 645. Ara-
bische u. Persische 646. Australische
u. Mexican. 646. Majoliken u. Glas-
malereien 647. Italienische und
deutsche PrachtgeräthiB 647. II, 6.
328, 486. 707. 710. 712. ^ ^^

Neues Museum III, 636. M III, 636.

Sc. III. 686.
Museumsplatz, Bronzegrüppen, Sc, III.

411. - '

Kunstakademie, Bibliothek, Erzengel


-ocr page 767-

r66

Berlin,

Michael, Miniaturbild 1, 11. Gyps-
abgiisse 1, 463. Sculpt. III, «241.
309.

Königl. Bibliothek, Das bolie Lied von
Willeram, mittelalterl. Bilderhand-
schrif't I, 10, mit Abb. Werinher's
Gedicht vom Leben der Maria I, 26,
mit Abb. Die Bilderhandschrift der
Eueidt I, 38, mit Abb.
Sammlung des Hrn. v. Nagler (ehemals)

M. I, 11. 26. 229. 644.
Bildnisse der Personen des Königl.

Hauses u. and.fürstl. Personen I, 650.
Gemäldesammlung des Herrn Grafen

Raczynsky III, 278. 644.
Gemäldesammlung des Hrn. J H W.

Wagener III, 290. 392. 737.
Königl. Gewerbeinstitut, Gypsabgüsse

■von Antiken I, 427.
Bei Sr. Maj. dem König M.
III, 407.
Bei der Frau Prinzessin Marianne (ehe-
mals), M.
II, 479.
Bei Muhr und Arnold, Kirchl. Pracht-
geräthe (jetzt anderswo) I, 434. M.
I, 435. Alterthüml. Kunstsachen 435.
Bei Stadtrath Reimer IJ, 10.
Bei Hrn. C. Gropius M. 356. 365.
Bei Hrn. Berger M. 356.
Bei Hrn. Steinmeyer M. 359.
Bei Hrn. W. Gropius M. 359.
Bei Hrn. Glatz jun. M.
III, 300.
Bei Hrn. Humbert M.
III, 361.
Bei Fräulein v, Waldenburg M.
III, 563,
Kunstausstellungen v. J. 1786—1836.

III, 218. 656.
Königl. Academie der Künste
III, 584.
Allgem. Zeichneuschule
III, 585.
Kunst- und Gewerkschule
III, 585.
Allgem. Bauschule
III, 585.
Technisches Gewerbeinstitut
III, 585.
Bau-Gewerbeschule
III, 585.
Institut für Kirchenmusik
III, 585.
Dom-Gesangschule
III, 585. 599.
Theater-Bildungsschule
III, 585.
Schule für musikal. Composition
III, 586,
Königl. Münze IIL 588.
K. Porcellanmanufactur
HI, 588.
K. Eisengiesserei
III, 588.
K. Anstalt für Glasmalerei, Lavamalerei

u. Bronzeguss III, 589.
K, Kapelle
III, 600.
K. Schauspiel und Oper
III, GOO.
Bernau,

Kirche, mit 4 Abb. I, 115, Malerei an
Holzgeräth8chaften,'mit Abb, I, 117.
Mittelalt. Eisenbeschläge (mit Abb,)
116.

Bernburg,

Marienkirche Sc. II, 367.
Bethlehem,

Basilica II, 190. Gitterthor II, G45<
Bieber, ,

Kirche II, 221,
Bingen,

Pfarrkirche II, 208. 245. Taufstein II,

254. Statuen II, 2i69,
Bei Architect Soherr; chorstuhlartige
Schlagleisten II, 255.
Bittburg,

Überkirche II, 231.
Liebfrauenkirche, Epitaphien
II, 267.
Der Kobenhof
II, 248.

Blaubeuren,

Klosterkirche, Altarwerk, Sc. II, 554.
563.
Blois,

Schlossthurm I, 506.
Bocherville,

St. Georges, Kapitelsaal I. 506.
Bologna,

S. Cecilia M. I, 412.
Bomarzo,

Etrusk. Gräber I, 284.
Bonn,

Münster II, 118. 192. 196. 204. 668.
Kreuzgang
II, 122. Grabmonum. II,
263. Tumba u. Grabstein II, 267,
Altäre mit Sculptur im Barokstyl;
Epitaphium, Tabernakel
II, 282.
Bronzestatue der h. Helena ll, 283,
Madonnenstatuen
II, 335»
Miuoritenkirche, mit Abb.
II, 237.
Jesnitenkirche, mit Abb.
II, 251.
St, Peter in Dietkirchen, Kuppelbau,
II, 251.

St. Martinskapelle I, 239. ^

Museum Sc. I, 493.
Universität, Aula M.
III, 230.

Burgk,

Schloss II, 637.
Boos, / '

Kirche III, 304.

Boppard,

Pfarrkirche, mit 6 Abb, II, 213, Altes

Cruciflx II, 260.
Klosterkapelle, Grabsteine II, 260.
Franciscanerkirche II, 214. 250.
Karmeliterkirche II, 245. 246. Chor-
stühle II, 255. Statuen II, 266.
Grabsteine II, 266. 267. . Marmor-
relief im Chor II, 274, Im Chor an
der Südseite: Epitaphium aus Sand-
stein II, 276. Im Schiff: Marmorepi-
taph.
II, 281.

Ortsverzeichniss.


■ii

-ocr page 768-

Ortsverzeiohniss.'' 767

Borgund,

Kirche I, 517. • ..

Brandenburg,
Domkirche I, 448—154. Schnitzaltar

I, 451. Mal. I, 452.
Braunfels,

Schloss, Schlosskirche II, 181,
Brauweiler,

Abteikirche II, 191. 459. 668, Krenz-
gang II, 201. Renaissance-Altäre
von Holz II, 271. Crypta-Hautrelief

II, 258. Grabstein II, 327.
Bremen,

Dom, mit 4= Abb. II, 641. 667» 731
Kreuzgang II, 642. Sc. II, 642. Mal.
II, 643,
Liebfrauenkirche 11, 643.
Anschariuskirche II, 643, >
Stephanikirche II, 648.
Martinikirche II, 643,
Johanniskirche II, 644.
Rathhaus II, 582. 644. 669. Sc. 644.

Mal. 644.
Denkmal Olbers Sc. III, 710.
Kunsthalle Sc. III, 711.
Kirchhof Sc. III, 711.
Brenz,

Kirche II, 592,
Breslau,
Denkmal Friedrichs II. III, 398.
'Kunst- u. Gewerkschule III, 585.
Brilon,

Pfarrkirche II, 424. Sc. II, 424.
Brügge,

Kapelle des heil. Blutes I, 506,
Kirche St. Sauveur II, 507. Mal. II,

507. Grabtafeln II, 507.
Kirche , Notre Dame U, 507. Sc. II,
507.

Johannishospital Mal, II, 507—8.
Gemäldesammlung der Academie II, 508,
Stadthaus III, 57.
Brüssel,

Kathedrale (Ste Gudule) II, 499. Glas-
mal. II, 500. Mal. III, 496. 515.
Sc. III, 517.
Kirche la Chapelle A. II, 500. M. III,
516,

Notre Dame des Vlctoires II, 500.
Ursulakapelle Sc, II, 500.
Kirche der h. Jungfrau III, 489,
Hotel de Ville II, 500, III, 457.
Palais de justice Mal. III, 513,
Palais de la Nation M, HI, 402. 457^
514.

Brunnen Sc. II, 500.
Place des Martyrs, Denkmal III, 456,
516.'

Brüssel,

Denkmal des Generals Belliard III, 517.
Gallait's Haus III, 514* Atelier Mal.

III, 514.
Museum M, II, 500.
Cassationshof M. III, 457.
Sammhing des Hrn. van Becelalre III,
515.

Ecole de Gravüre III, 455.
Bütow,

Kirche, Schnitzwerk I, 807.
Schloss I, 777.

c.

Cadacchio,

Tempel I, 292.
Cadolzburg,

Schloss II, 698,
Caen,

Kirche St. Pierre I, 506."
Sociöt^ Jraucalse pour les monumeiits
historiques III, 475. ...

Cammin, - '

Domkirche, mit 12 Abbild. I, 678,
Kreuzgang I, 688, 693. 696, 697.
Chorstühle Sc. I, 795. Prachtgeräthe

I, 779. Steinsculpt, I, 786. Altar-
schrein I, 808.

Bergkirche I, 763.
Bürgerl. Architect, I, 773.'
Bauthor I, 768. .
Canosa, ' "

Etrusk. Gräber 1, 284.
Capellen,

Kirche III, 304.
Caprarola, ,

Schloss Mai; III, 478.
Capua, ' •

Statue Kaiser Friedrichs II. I, 474.
Garden,

Stiftskirche II, 215. Mit Abb. 11,240,
Taufstein II, 253. Hochaltarschrein

II, 265. Reliquienkasten II, 384.
Madohnenstatue II, 271. Gemalter
Flügelältar im südl, Flügel des Quer-
schiflfs II, 317.

Bürgerl. Architectur II, 220.
Carlshafen,

Ansicht III, 202.
Carlsruhe,
Academie^ebände III, 535.* Mal. 536.
"Sc, 536. ' '

Casinogebäude-III, 536.
Bürgerl. Architectur III, 536,
Denkmal Carl Friediichs Sc, III, 535.

540. . .

Bibliothek^ Bilderhandschrift I, 66. >


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Cassel,

Martioskirche, mit 3 Abb. II, 157.
Gemäldegallerie II, 424.
Bibliothek, Büderhandschr. I, 52-56.
Gast eil,

Kirehp II, 232.
Klause II, 250.
Chalons
Sur Marne,

Notre Dame de l'Epino Ij 506.
Charlottenburg,

Mausoleum Fr. Wilh. Hl. III, 378, 706.
Charlottenhof,
Laadhaus Sc. u. M. III, 63.
Plan des Laudhauses
III, 317. 324.
Chartres,

Kathedrale II, 128. Nordportalsculpt.
II, 646. Glasmalerei II, 647
Chateaugontier,

Sehlösscheu I, 506; , -

Clausen,

Kirche, Flügelbilder des Schnitzaltares
II, 315.

Clemenskirche (bei Bheinstein),
Chorstühle II, 215. 255. Heiligen-
figuren
II, 271.
Clotten,

Kirche II, 231.
Cnidus,

Antike Baudenkmäler II, 383.
Cörlin,

Michaeliskirche I, 763.
Cöslin,

Marienkirche I, 732., mit 3 Abb. 1,
733. Chorstühle Sc. I, 795. Schnitz-
werk I, 807. Begräbüisskapelle I,
835.

Statue Fried. Wilh. I. I, 832.
Cobern,

Matthlaskapelle, mit Abb. II, 216,
Kirche III, 304.
Coblenz,

St. Castor II, 208. 211. Grabmonu-
mente
II, 242. 264. Epitaph, im
südl. Seitenschiff
II, 266,267. Wand-
gemälde
II, 288. Epitaph, im nÖrdl.
Flügel des Querschiffs, Barokstyl,
II,

281. 327. Kanzel II, 282. Epitaph,
im südl. Flügel d. Querschiffs II, 282.
Bronze-Crucifix auf d. Hochaltar II,

282. Im Querschiff: Gemäldetafeln
II, 314;

St. Florin, mit Abbild. II, 211. 242.

246. 251. Glasmalerei Ii, 323.
Liebfrauenkirche
II, 212. 243. 246.
Epitaphium in d. Vorhalle
II, 268.
Epitaph, des Job, v.Cronfeld
II, 282.
Dominikaoerkirche
II, 130. Mit Abb.
II, 239.

I'

Ortsverzpichnlss.

Coblenz,

Hospitalkirche II, 245. Holzreliefs II,

283. Gemälde II, 314.
St. Georg II, 249.
St. Barbara II, 251.
Carmellterkirche, Kuppelbau II, 251.
Jesuitenkirche, mit 3 Abbild. II, 249.

Portalstatuen u. Cruciflx II, 281.
Jesuitencollegium II, 249.
Bürgerl. Architecturen II, 220. 246.
Moselbrücke II, 179.
Langisch-Städtische Gemäldegallerie II,
321.

Gymnasialbibliothek , Miniaturen II,
344,

Provinzialarchiv, Miniaturen II, 344,
556.

Bei Hrn. Burchard: Kirchl. Prachtge-
räth (jetzt in der Kunstkammer in
Berlin) II, 327.
Bei
v. Lassaulx.; Altarschinitzwerk II,
269. 291.

Bei Hrn. Dietz II, 290. 821. Verschie-
dene Kunstsachen II, 387.
Musik-Institut III, 600.

Coburg,
Stadtkirche II, 558.
Schloss II, 554. 587. Sc. II, 554. 587.

Cochem,

Pfarrkirche II, 250. Grabstein II, 268.

Colbatz.

Klosterkirche, mit 16 Abbild. I, 669.
695. Steinsculpturen l, 786.

Colberg,

Marienkirche, mit 4 Abb. I, 709. Tauf-
becken u. Leuchter in Bronze' Sc.
I, 784. Schnitzwerke Sc. I, 810. Al-
terthüml. Gewölbmalerei I, 790. 813.
814. Chorstühle I, 795.
Heil. Geistkirche, Schnitzaltar I, 811.
Bürgerl. Architect. I, 778.

Gomburg,

Abteikirche, Kronleuchter'II, 593.

Conradsburg,

^Kirche I, 447. 587. II, >492., mit 6
Abb. 618.

Constantinopel,
Sophienkirche I, 200. II, 403. III, 395.
Sergiuskirche II, 403.
Ansicht III, 277. ' •

Constanz,
Dom II, 34,

Cordova,
Moschee III, 246. 247. 742.

Corneto,
Etrusk. Gräber I, 284.

Cotbus,
Hauptkirche II, 587.


-ocr page 770-

Ortsverzeiohniss.'' 769

Crefeld, , Demmin, ,

Sammlung des'Hrn. von der Leyen BartholomUuskirche, mit.6 Atbild. I,

M. III, 424, - 720. Altarblatt I, 833. ' ' ■

Cues, ' ' Thorgiebd T, 768.

Kapelle des Hospitals II. 373. Mal. Deutz.

II, 304. 314. Sc, II, 267. 327. Holz- Kirche, mit Abb. II, 206. Reliquien-

statu« II, 271. ' kästen II, 332.

Denkmaldes Job. aNbvocastro II, 2T8. Didyinö, .

Hospitalsbibliotbek, Miniat. II, 345. Apollo-Tempel -J, 285. -

Coutaiices, Dijou, . . ;

Kathedrale II, 391 Notre Dame II, 48,

Cyrenaica, in der, Kunstschule III, 439.

Architecturstück in einem der Fels- Dobrilugk,

gräber A. u. M. I, 333.
Cyzikus,
Jupiter-Tempel I, 773.

D.

Daber,
Kirche I, 762. - ,
Schlossruiue .1,'771.
Dämm,

Marienkirche I, 76^. Altarschnitzwerk

I, 811. .

Thorthurm I, 768.
Dammgarten,

Klosterkirche II, 587. " .

Dralieim,

Schlossruine I, 766,
Dramburg, ' " -

Kirche-, mit Abb. I, 762. '
Dramissus, . "

Antikes Theater'II, 897.
Dresden, , " . , •

Gemäldegallerie II, 475'. 478. 547. 636,
Bibliothek: Das 'Jagdbuch des Grafen
«Phöbus Gaston von Föix aus dem
14. JahrTi. I, 93." Apocalypse de St.
. Jean aus d. 15, Jahrh.' I, 93, Apo-
kalyptische'Darstellungen I, 93,
Theaterp Vorhang M. III, 604.

Kirche II,; 231. ..
Drübeck.

Klosterkirche, mit 2 Abb, A; I, 585.
586, 614, II,'586. '
Dülmen," , .

Pfarrkirche Mal. III,'181.
Düsseldorf, • .

Köuigl. KunstaCademife III, 585, Aqna-

rellsammlung II, 154.'
Salon
V. Schadow Mal. Iii, 50k -

^ • E. ■ ■ ■ ■ .

* «

Eberbach, • -

Klosterkirchen II, 561. ' •
Echternach.

Wilibrordskirche II, 21. 24. 183.- 228.
Edige'r, : ' . , '
■ Kirche II, 230,246, Prachtgeräthll, 335.

Kirche, mit'Abbild. I, 695. Schnitz- Driesch,

altar I, 807^
Danzig,

Oberpfarrkirche von Set.^Marien II.

471. 590? 696. Sc. II, 471. Mal, II,

472. - .. - ,
St. Trinitatis u. St. Annae II, 544.
Kirchenfa^aden II, 696;
Rathhaus II, 591. 695. Sommer-ßaths-

stube A..11. M, II, 644.
Artushof Ilj 590. Marmorstatue.il,

590. , - ' A ,

Stockthurm o; Peinstube II, 589.
Frauenthor II, 589.
Das hohe Thor II,'695. ', ,
Der Stadthof Ii, ,696.
Bürgerl. Architect. 11^ 589. . ^

Ansicht der Stadt II, 544.
Kunst- n. Gewerkschule III,. 584.
Darmstadt, V '

Gallerio II, 352. Kunstgerätbe.II, 353. Egesta,
Museum, Architecturmodelle ^11,, 382. Tempel I, 290. • - -

Bei Frau Prinzessin.Elisabeth M. II, Antikes Theater II, 397.
'480. , , Ehrenbreitstein (Thal).- ,

Delos, ' \ ■ '' Kreuzkirche, Kuppel II, 251.

' Apollotempel-1, 258. 259. ^ Eisenach, , . . « .

Antikes Theater II, 397. , , Nicolaikirche II, 5.69. ,

Delphi, ' , Eialeben, • i,

Tempel I,'270. II, 469. Sc. II, 470, Andreaskirche II, 491. Kanzeltuch II,
Stadium, des Atticus 1, 270. 4?1. '

Kugler, Kleine Schriflen. III. 48

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Ortsverzeiohniss.'' 770

«üip

HP

Eisleben, .■

Aunakirche II, 491. - i
Eisenberg,

Pfarrkirche II, 738.'Sc. II, 738."
Elberfeld,

Kathhaus Mal, III, 501. 511.
Eldena,

Klosterkirche, mit 7 Abbild. I, 689.
696. Grabplatte I, 789.'
Eleusis,

Cerestempel I, 277. 287. 300. 425.
Dianatempel I, 801. 425.

Ellwangen, " '

Stiftskirche II, 592.

Ellora.

Tempel I, 256.
Elzig,

Kirche, Seiten-Altarbild Mal, II, 306,

Epidaurus,
Tholiis I, 270,
Autikes Theater II, 397. .
Erfurt,

Dom, mit Abb. II, 26. 567. Mal, 681.
Predigerkirche, Bildwerlü» im Lettner,

ir, 27. Altarschrein II, 28.
Barfiisserkirche, Grabsteine II, 28.

Schuitzaltar II, 28. 30—31.
Severikirche, Madonnenstatue II, 28.

Tabernakel II, 567.
Regierkirche, Schnitz-Altar II, 28. 30
—31.

Bürgerl. Architect. II, 567.
Betsäule vor der Stadt II, 567.
Ansicht der Dom- und Severikirche

III, 32. .
Kunst- u. Gewerkschule III, 585,

Erpel,
Kirche II, 205.

Escorial,
Kloster, Ansicht III, 254,
Kirche III, 256.
Espaljon, %
Kirchlein Ulf 34.

Esslingen, ' •

Dionysiuskirche II, 421. Sc. II. 421,

Glasm, II, 421. ^ '
Wüste Kirche II, 421.
Frauenkirche II. 421. Sc. II, 421,

Glasm. II, 421.
Zerstörtes 'Grabmonument II,' 539,

Euskirchen,.
Kirche II, 206., Taufstein II, .252.
Tabernakel
II,. 254. Schnitzaltar II,
270. Epitaphium ..im Barokstyl II,
281. "

Fabriano,

Gemäldesamml. des Hrn. Rosei I, 394.
Bei Hrn. Buffera I, 395.
Falkenberg,

Kirche I, 762.
Fano, - -.

Basilica II, 97. : .

Faurndau,

Kirche U, 563. 568.
Fiddichow,

Kirche I, 694,
Fliessem, ■ ' . '

Antike Villa II, 489.
Florenz,

S. Croce, Sacristei, M. I, 253.
S, Maria Novella II, 1-^4. III, 93. Mal.

I, 253. Frescogemalde II, 56. 58.
Kreuzgang Mal.'II, 693.

SS. Annunciata M. I, 379. 436.
S. Nicolo Mal. I, 391.
S. Miniato Mal. I, 410. : •

Dom III, 93. Sc, 531.
Kirche de! Carmine Mal. II, 58.
S. Trinita Mal. III, 418.
S. Giovanni, Bronzethür Sc. III, 569.
Or san Michele III, 93.
Loggia de' Länzi III, 93. •
Vorhof der Servitenkitche M. I, 430.
Museum, Antike Sculpt. I. 316. II. 483.
Academie, Gemäldesammlung L 830.

411. III, 463.
Palast Pitti, Gemäldegallerie M, I, 423.
436.
Frankfurt,

Dom, mit Abb, 11,349. Grabsteine II,

349. Wandgemälde Ii, 349,
Goethe-Statue Sc. III, 510. 541.
Städelsches Institut II, 154.299.311.
819, 349, Bibliothek II, 350. Mi-
niat. II, 350. Mal. III, 508—10.
Bei Hrn G. Brentano, Miniat. II, 351.
Sammlung des Hrn. Trakert H, 611.
Römersaal Mal. III, 509.
Ansicht der Stadt III, 109.
Franzburg, , - .

Kirche I, 764. Madonnenstatue I, 802.
Epitaphium I, 819.
Freiberg,

Domkirche, Goldene Pforte II, 12..
Freiburg (a. d. Unstrut),
Kirche I, 177. II, 367. 377. 462.
Schlosstapelle I, 17 7. II, 203. 368.
Freiburg .(im Breisgau),

Münster II, 47. 48. 55. 410. 520. Sc.

II, 414. 623. Mal. II, 414.|521. 522.

III, 496. Glasmal. II," 521.


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Ortsverzeiohniss.'' 771

Freiburg (im Breisgau),

Bei Hrti. V, Hirscher Mal. II, 522.
Freieuwalde, :

Marienkirche, mit 2 Abb. I, 750
Friedbferg,

Brunnen, mit Abb. I, 146.
Frizlar, ^^.

158. Grypta II, 159. Aeusseres II,

160. • u ,

Franciscanerkirche II, 161. . .
Frpse, f ■ \ . ■--'

Kirche I. 585., mit "6 Abb. I, 606.
" II, 466.
Fürth, .

Kirche Sc. II, 448.

■ G. ■■ . ■ ■:

Garz a. d. Oder, ^

Heil. Geistkapelle I, 740.
Stephanskirche, mit 2 Abb. I, 759.
764.

Gelnhausen, ; <..

Kaiserpalast H, 26. 179. . '
Gemunden, . ' '

Kirche I, 17-.
Gemünden (a. d. Hundsrück),

Kirche II, 244. Sc. II, 279.
Gent, " - .

Kathedrale (St. Bavo) U, 507. Mal.

II, 506.
Prachtgebäude rfl, 456.
Gernro'de, , (■'-

Stiftskirche I, 590, 600. II, 364. 378.
Crypta II, 364. Busskapelle Sc. I,

I,. .605. Kreuzgang I, 606.
Gingst; ^ '

Kirche I, 763. Mal. I,"832. , •
Girona, . , ' . •"'

Kathedrale, Taufstein Sc. II,'646.'
Godesberg, .

Das Hochkreut II, 234. . ' -
Göttingen, . •

Kirche II, 491.

Universitätsbibliothek, Bild YPn • Ra-
• ph'on I, 485. . •

Görlitz, .

Petrikirche II, 586.
Kreuzkapelle, heil. Grab H, 587, ■
Thor'Kaisertrutz II, 587.
Gollnow, ' .''

Kirche I, 762. ' . • •
Thorthurm I, 76&. ■

Gortys, ' / /, - '.'V'.
Tempel I, 27Q.' .. "I.

Gotha,

Bibliothek, Evangeliariiim aus d. 10.
Jahrh. (aus Epteruach) II, 64.-
Gosslar, ' " v • '

Pom, Vorhalle, mit Abb. I, 142. Der
s. g. Krodo-Altar, mit Abb. I, 143.
Brüstung des Kaiserstuhles I, 145.

Stiftskirche II, 49, mitj-S Abbild.'II» Granada,

Maurisches Gebäude II,' 645. -
Alhambra Mal. II, 687. Ansicht.IH,
241. 246.742.
Greiffenberg,' ,

Marienkirche, mit 4 Abb. I, 713.
Greilfenhagen, . - .

Nicolaikirche, mit Abb. I, 693. Mal.

I, 821. Kanzel Sc. I,' 829. . .
Heil. .Geistkirche I, 763.
Greifswald, w

Jacobikirehe, mit 4 Abbild.. .1, 700.

Taufstein So. I, 783.
Marienkirche, mit 8 Abbild. I,' 701.
Grabplatte,I, 79Ö. Altarschrein I,
805. Kanzel l, 829. Epitaph. I, 829.
Nicolaikirche., mit 3 Abbild. I, 730.

Mal. I. 828-. ' ■ , ' ,.
Bürgerl.;Architectur I, 769. •
Grimma,-

Marienkirche II, 637. ! •
Grimme, ' ' ,< •

Kirche I, 725. Epitaphium, I, 849.

Chorstühle I,' 795. ' ;
Fa^ade des Rathhauses I, 769.
Güldenstem,' . .'

Klosterkirche'II,'600.
Güls.

Alte Kirche, mit Abb.'-II,.215.
Neue Kirche IH, 304.

604, II, 365. 702.. Grabiupnument Gülzow,

Bürgruine I, »766. • ,

H.

Halberstadt, '

Dom, mit 10, Abb. I, 128. 139. 480.
- ' 489. II, 541. Domschatz 1,485. Ka-
„ pitelsaal-Mal. I, 485. , .
Liebfrauenkirche, mit Abbild, I, 137.
139. 470.'-575. Sc. I, 430. H, 858.
576. ,Wandmal. "II, 576.
Bürgerl. Arcbitectur II, 473.
Hagenau, ' '

Georgskirche II, 34.
Halicarnass, \ • ' .

Tempel- .Sc. I-, 508. - V •

Halle.(in Sachsen),

Moritzkirche, mit 1 Abb.* I, 162. 475_.

Schnitzfiguren II / Schnitzaltat
• II. ä2. • .


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772

Ortsverzeichniss,

Halle (in Sachsen), Himmelkron,

Liebfrauenkirche I, 162, II, 552. 669. Klosterkirche, Grabstein Sc. n, 720,

Altarblatt II, 34. 680. Himmeltliron,

Ulrichskirche II, 552. Schnitzaltar II, Klosterkirche, Grabstein Sc. II, 720.

31. Taufbecken von Bronze II, 32. Hirschau,

Neumarktkirche, Schuitzaltar II, 32. Aureliuskirche II, 34. 35.

Hirzenach,

Kirche II, 27, mit Abb. II, 240.
Höningen,
Klosterkirche II,, 737. Sc. II, 738.
Jacobskirche II, 738.
Hohen-Mocker,
Kirche I, 699.
Hohenzollern,

Burgkapelle, Sc. II, 369—70.
Huyseburg,

Klosterkirche I, 585, mit 5 Abb. 611.
II, 378. III, 391.

I.

Igel,

Das römische Denkmal II, 70. 534.

Jasenitz,

• Klosterkirche I, 763. . ■

Jena, .

Stadtkirche II, 569. ' . .
Jerichow, , - • '

Klosterkiifche I, 696. ,,
Jerusalem, .:■ \ ,

Tempel Salom. I, 257."
Jüterbog,
Dammkirche II, 553.
Nicolaikirche II, 553. Sc. II, 553.
Bürgerl. Architectur
Ii, 553.
'
* ;

K.

f;
^ ,1

Hamburg,
Schauspielhaus III, 326,
Bei Hrn. Jenisch Mal. III, 272.
Hannover,
Marktkirche II, 600. / ,
Kreuzkirche Mal. II, 600.
Aegidienkirche II, 603. Sc. II, 603.
Bürgerl. Architectur II, 603. 638.
Gemäldesammlung' des Hrn. Hausmann
I, 486. II, 983.
Hatzenport,

Kirche II, 231.
Heerberge,

Kirche Mal, II, 548.
Hecklingen,

Klosterkirche II, 466. Sc. II, 466.
Heidelberg,

Bibliothek: Das Bolandlied vom Pfaffen Ilm-Stadt,

Churirad, mittelalterl. Bilderhand- Kirche II, 491.
schrift I, 1. Welscher Gast, Lehr- Hsenburg,
gedieht, mittelalterl. Bilderhandschr. Kirche II, 586,
I, 6. Wilhelm von.Oranse von Wolf-
ram von Escheiibach, mittelterl. Bil- j
derhandschr. I, 6.
Schloss II, 423. Sc. II, 423.
Ansicht III, 147.
Heilbronn,
Hauptkirche II, 422. Sc. II, 422.
Michaeliskapelle, Altartische II, .592,
Heiligenkreuz,

Klöster II, 491.,. .
Heiligenstadt,

.Marienkirche u, Annakapelle I, 626.
Heilsbronu,
Münsterkirche II, 17. 539. 998. Sc. II,

613. Grabmonument II, 729.
Klosterkirche II, 35.

Heidekerkapelle II, 17. »v. . • ,

Heimersheim, ► /

Kirche II, 204. Figurenreicher Neben- Kairo,"

altar in Alabaster II, 280.
Heiningen, . '

Kirche, Taüfstein, Sc. II, 563.
Heisterbach,

Klosterkirche, II, 127. 202. 379.-
Heitorf,

Schloss, Mal. III, 501, 510. 511.
Herkulanum'und Pompeji,
Antikes Theater II, 398.
Sculpturen II, 400. . , ' ''
Hildesheim, -.
Kirche auf
d. Moritzberge II, 35«

mm

I';
h 1

Gebäudeverzierungen I, 503.
Grabgebäude des Ibrahim Aga I, 503.
Moschee Mamhammedge Woalli I, 503.
Kaiserswerth, "

Kirche H, 205, • .

Kalsmunt,

Burg II,'l78. ' ,

Kamenz, . ' '

Schloss m, 616. . '' .
Karistein, • ;

Schloss n, 496. '

Mariä-Hlinmelfahrtskirche, Mal. II, 497,


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Ortsverzeiohniss.'' 1625

Karlstevn, -

Katharinenkapelle, Mal. II, 497. '
Kreuzkapelle, Mal. II, 497.

Kelberg,

Kirche II, 246.
Kemberg,
Stadtkirche, Mal. I, 462.

Kempenich, . - '

Kirche II, 231. 246.

Kirchberg, '

Kirche, mit Ahb. II; 244. Steinkanzel
II, 254.

Kissingen,
Kursaal III, 420.

Klausen,

Kirche II, 226. Vorhalle, Grabstein
II.
2C8. Schnitzaltar n, 268. 315.

Kloster-Grönipgeu siehe' Wester-Grö-
ningeh.

Kobern, a. d. Mosel,
Obere Burg, Matthiaskapelle II, 7.

Koburg siehe Coburg.

Köln, ♦

Dom II, 40. 48. 51. ,123. 152.-283.
385. 407. m, 314. 394. Das Dom-
bil4 in d. Agneskapelie II, 152. 294.
Domschatz II, 332. 3.34. 335.' Chor-
stühle II, 254. Dreikönigskapelle,
Anbetung der Könige in Bronze-
sculpt. II, 272., Glasmalerei II, 323.
324. ' Glasgemälde am nördl. Seiten-
schiff II, 325. GrabmouumHiite II,
262. von Erzbtschöfen in dur Ma-
ternus- und JohahniskapeJIe II, 262
u. 63. Dessgleichen in der Michaels-
kapelle u. nördl. Chorabseite 11,26.3,
Dessgl. in d. Marienkäpelle II, 264,
Im nördl. Flügel d. Querschiffs Mar-
morstandbild des Erzb. W.
V. Genepp
II, 263. Hochaltar II, 262. Altarschrein
d. Johanniskap. 11,- 262. 289. Kreuz-
altarbiatt.im nördl. Fliig«! des Quer-
schiffes II, 312. Kreuzaltärschrein
II, 269. Schrein in d. Marienkäpelle
II, 2(t9, Marienkapelle, Heiligensta-
tueh II, 274. ■ Verküud'igungsbild «in
der Marienkapelle II, 318. Marien-
statue daselbst II, 260. Maternus-
kapelle, Holztelief II," 271. Altar-
.Schreinbilder in der Nicjolauskapelle
11,312. Schnitzaltar in d. Nicolaus-
kapelle II, 270. Sacristei, Tabernäkel
II, 254. Schränke in'der VorWlle
^ II, 255. Üeber der Sacristei-THiür
Maria- und Johannes - Figuren II,
" 273. Steinsclilpturen in der Sacri-
stei Christofsstatue II, 273. Weih-
trunnen II, 254.-^cülpturen des

Köln,

Seltenportals der Westseite* II, 264,
Statuen an d^ Chorpfeilern II, 269.
St&tueu itn südl, Querschiff — Kreuz-
abnahme, neben derKanzel ll, 274.
. Statuen an Epitaphien auf Süd-^und
Nordseite II, 275. Im Chor die
marmorn. Grabmon. des Erzbisch,
Adolph
V. Schauenburg-u. s. Bruders
II, 277. In der Stephanskapelle Mar-
morbild des Comthnrs !v. Hochkir-
^cheti II, 282. Tumba der heil, drei
Könige II, 331. Marmor-Mausoleum
über der Tuniba der h. drei Könige
II, 282. Wandmalereien im Chor
II, 285. . ■

Minoritenkirche, mit 2 Abb. II, 232,
288. Im Clior Marmormonumente II,
280, Krenzgang II, 238. r*

St, Andreas II, 203, mit Abb. II. 236.^
Altarbild in der Kapelle des nördli'
Seitenschiffs II, 300. Altarbilder im
Quershiff II, 312.
St., Aposteln II. 127, mit Abbild. II,
i93. 198. Fastentuch der Richmon^
V. Adocht II, 285. Gemälde im" Chor
n,'3l7. . •

St. Cäcilia II, 195V Relief über'der
' Thüre der Nordseite II, 257,
St. Columba II,- 206. 287. Statue der
Maria II, 273. Geoiälde aus Rubens
Schule 11,-318. "

St. Georg II, 378. 668. Taufkapelle
II, igg." Vorhallo II. 247. Taber-
nakel II, 248. ' Taufstein. II, 252.
Reste eiiifes gemalten Meanders Ilj
. "283. Glasmai; II, 325. -
St. Gereon II', 120. 127.
192.197.
207. 242. 668. Sacristei II, '235.
Grabstein II, 267. Schnitzflguren II,
271. Wandmal. in d. Krypta — Mo-
Baikfussboden II, 284. Taufkapelle,
Wandgemälde "II, 284. In der Sa-
cristei: Hand-Zeichnungen II, 288.
Altarbild II, 312. Thürflügelgeriiälde
. II, 299. Glasmalerei II, 324.
St. Jöh. Baptist II, 195. Ausserhalb
der Kirche Cruciflxstatuen II, 273.
Altar mit Marmorsculptur II,
281.
Holzgeschnitzte' Kanzel II, 283' Reste
decorativer Malerei II, 283.
St. Künibert II, 117, mit Abb. II. 202.
,' Statuen vor d. Chor'II,
266. Holz-
' • sculpturen II, 268. Tafeln auf Gold-
grund im Querschiff II, 291. Wand-
gemälde Ii, 292. Geöiäideta^elij jüi
Qüerscbiff II,
307., Bilder il;"'3l6.
Glasmalerei II, S23. Miniat'. II, 845.

m


M

-ocr page 775-

m

HP

Ortsverzeichniss;

Köln,

Stiftskirche St. Maria auf dem Capi-
tol I, 240. II, 122. 190. 191. 1'95.
199. 202. 378, mit Abb. II, 232. 238.
688. 459. Grabsteine, mit 2 Abb.
II, 251. 252. 327, Chorstühle II,
255. Thür-Reliefs II, 256. 257. Ma-
rienstatue, mit Abb. II, 258. Haut-
relief einer Grablegung II, 272. Sta-
tuen auf der Orgelbühne, ehemal.
Lettner II, 275. Wandmalereien in
der Krypta II, 283. Malereien der
Kapelle Hardenrath II, 306.. Glas-
mal. II, 324. 325. Bildnisse in der
Kapelle Cervo II, 317, Bilder von
Lehrun, Boys u. A.^II, 318.

St. Maria in Lyskirchen II, 203. Ma-
donnenstatue II, 265. Altarblatt II,
311. Verkündigungsbild II, 318.
Glasgemälde II, 325.

St. Maria in der Schnurgasse, Reliqula-
rien II, 330.

Gross St. Märtin I, 242. 11,127, mit
Abb. II, 197. 200. 202. 204. 205.
Cruciflxstatue II, 273.

St. Mauritins, mit Abb. II, 194. Cru-
ciflxstatue II, 273.

St. Pantaleon II, 120. 189. 194. 204.
249. 459. Statuen auf der Orgel-
bühne II, 273. Rococo-Epitaphien
im Chor II, 283. Glasmalerei II, 325.
Paphenpforte II, 153.

St. Peter II, 237. Schnitzaltar in der
Taufkapelle II, 269. 312. Altarbild
II, 319. Glasmalerei II, 325.

St. Severin II, 195. 204. 235. Sarko-
phag II, 253. Wand-Tabernakel II,
253. Epitaph im südl. 'Seitenschiff
II, 278. Reste von Wandmalereien
II. 285. Wandgemälde in d. Krypta
II, 288. Wandgemälde in d. Sacri-
stei II, 290. Altargemälde in d. Sa-
cristei II, 306. Reliquienkasten II,
331. Gemäldetafeln neben d. Altar
II, 307, Gemälde im südl. u. westl.
Theil d. Kirche II, 316. Ecce-homo-
Gemälde II, 317. 318. Glasgemälde
II, 325.

St Ursula, Kapitale u. Basen II, 207,
•Hautrelief in Stein II, 274. Grab-
mal der h. Ursula II. 282. Bilder
der Apostel im Muttergottesgang II,
284. Reste von Wandmalereien II,
285".'" Gemälde aus der Ursula-Le-
gende II, 299. Reliquienkasteu II,
331. 334. '

Antoniterkirche II, 235. 237. Gemälde
II, 316. Glasmälerei U, 326.

.St.:
fi

I
(

Mi

Köln,

Karthause (Garnison-Lazareth) Spät-
goth. Kreuzgänge II, 238.

Jesuiter-Collegium II, 250. In der Vor-
halle Marmor-Epitaph des Heinr. v.
Reuschenberg II, 281. Jesuiten-
kirche, mit Abbild. II. 249. Commu-
nionbank II, 255. Decoration im
Innern, Frescogemälde II, 317.

Rathhaus II, 248. Hansesaal, Statuen
II, 261. Vorhalle II. 248. Gewölbe-
halle im Neubau II, 248. Rathhaus-
kapelle II, 295, Rathhausthurm, mit
Abb. II, 236. 265. Sacristei der
Rathhauskapelle II, 238.

Haus Gürzenich II, 237.

Wohngebäude spätrem. Styls II, 207.

Wohngebäude spätgothischen Styls II,
239.

Museum, Altarbild, Madonna mit dem
Kinde unter einem Tabernakel II,
308. Altärchen mit Flügelgemälde
II, 299. Antependium 11,^31. Bild
des h. Sebastian II, 308. Bild der
Kreuzigung II, 292. Verkündigung
II, 292. Bilder-aus Meister Stephans
Sfhule II, 297. 298. Cruciäxbild II,
300. Das jüngste Gericht von Mei-
ster Stephan II, 298. Gemälde, Ma-
donnenbild II, 286 — 87. 289.. Ge-
mälde aus der Spätzeit des 15ten
Jahrh. 306. Gemälde II, 308. 310,
312. 316: 317. Gemälde von Dürer
u. Cranach II, 319. Grosses Altar-
blatt; Tafel mit Flügeln II, 290.
Jugendbilder des Meister Stephan
II, 293'. Die h. Ursula II, 294. Grab-
steine II, 252. 'Kapitale II, 207.
Kreuzabnahme des sogen. Israel v.
Meckeuen II, 305. Madonnenstatue
II, 334. Reliquienkasten II, 333.
Sculptnren aus St. Pantaleon II, 257.

, Tafeln- und Flügelbüder II, 291.
Tdufsteine II, 253.

Bei Hrn. Baumelster (früher Lyvers-
berg'sche Sammlung): Die sog. Ly-
versberg'sche Passion II, 301. 312.

■ 321.

Bei Maler Bürwenich II, 298.

Bei Hrn. Essingh II, 299. 321. 333.
Kunstgeräthe II, 327.

Bei Hrn. v. Geyr (früher in der Ly-
versberg'schen Sammlung) II, 303.
Altarblatt II, 309. 321.

Bei Hrn. Haan (aus der'Lyversberg-
schen Sammlung) II, 309, 316. Al-
tarblatt II, 309. 312.

Bei Hra. v, Herwegh H, 296,

ü


-ocr page 776-

Ortsverzeiohniss.'' 1627

Köln,

Sammlung des f Dr.-Kerp II, 291.
• 298. 300. 305. 306. ,308. >
Sammlung des Hrn. Leven, Reliquiar.

II, 833. 334, . •

Bei-Hrn. Merlo II, 310.
Bei Hrn. Oppenheim II, 320.
Bei Hrn. Schmitz, Gemälde II, 292.

293. 299,. 306. 307. 311. 321.-316.
Sammlung des Hrn.. Stadtbaumeisters
"Weyer II, 320.' ; '
Wallraff'sche Sammlung II, 153.
Bei Hm. Zanoli II, 287. 292. Gemälde
304. 310. 321. Rliniat. 345.
Königsberg,

Könlgl. Malerschule III, 585.
Kunst- u. Gewerkschule III, 585.
Korinth, , ■ • ^

Dorischer Tempel I, 280. 287.
Kosswick, ' - -

Kirch'e II, 478..
Kreuznach, . ' .
Carmeliterkirche II, 240.
Paulskirche II, 242. ' '
Krunäoels,

Kirche Mal. III, 260. ^ -
Krzescowice, ... . ' . ■

Schloss III, 324. .
Kuinick,

Schloss III, 325. ,

Kyllburg, .

Stiftskirche, mit Abb. II, 224. Glas-
malerei II, 326. Madonnenstatne II,
262. Epitaphium II; 267. Gemalte
Fenster II, 326. 373. " , .

Laach,..' ~ . •

Abteikirche.II, 47. 209, 373. 459. 535.
561. Tabernakel II, 230, Sarcophag
im westl. Chor II, ■•260., '
Landsberg, * . • ,

Schlosskapelle ri," 492. 552, .. ■
Landshut, . ■ ,

Ansicht der Stadt III, 205. ^ .
St. Martin H, 669. Sc. II,'528. •
Landskron,,. *• , -'., •

Schlossrüine I, 766. ' . . , •.
Langea-Lipsdorf, . •

Kirche II, 553.
Laou; - ■ ' ^

Kathedrale I, 506. - ■
Laodicea, » . - /

Antikes Theater II, 397. , •
Lassfiri,- ,. ' '

Kirche, mit 3 Abb. I, 691.

Lauenburg,
Jakobikirche I, 763. ■ '' - - ■' -
Rathhausfagade I,' 769. ■
Läusnitz, , ■

Klosterkirche II, 551.
Leipzig, ' '
Monument Geilerts Sc. III, 552,,
„ Bachs Sc. ,III. 552. : •
Leubus, ■ ' "

Klosterkirc.he, Grabdenkmal So. II,
613. . . ,

Leyden, ,

Aegypt. Museum II, 706.
Lichileld, i

Kathedrale II, 391.
Liesborn, . - - ^" - .

Klosterkirche, Hauptaltar i, 800. '
Lille, . .

Kirche St. Maurice II, 510.
Stadthaus Sc. II, 510.
Limburg (au der Lahn), .
Stiftskirche ri;.A9. 378. 379.
Dom II, 127., mit Abbidi. II, 182.
• '205: . ■■
Limburg (an der-Hardt),

Ab"teik)rc>e II, 562. 567. 72'8.
Liraoges,

■"Kathedrale 1,-506, '' '

Lindenberg, .

Kirche^, Malerei auf Holzgeräthschaf-
ten mit Abb. I, 118, • '
Lindow, ,

Kirche I, 694. . '

Linz (am Riieln),
Kirche, mit Abb. II, 205. 237. Taber-
nakf.l II, ,254. Altarwerk II, 362.
Gemälde auf Uer südl. Empore II,
303. Prachtgerlthe II, 335.
Lökliitz, .

Burg I, 766.. • . . ,

Lövenich, '„ " • • ■ •

Kirche-II, 195". • ■ , . •

Loitz, • , -

, Kirche I, 688. . 695. ' ' ^ •

London, . •, *

" Bridgewater-Gailerie I, 496. "
Britt. Museum, Persepolitan. Sculptu-

ren, griech. Sculptnren II, 63.
Gemälde v.,Mazzölino bei Solly II, 58.
Gemälde von Raphael' bei Lord Gra-
vagh II, 58. ,
* Acadeqaie III, 464. - \

Lonnig, , . '

Klosterkirche II, 4l.- Sil. , ' .
Lorsch,. ■• '

Vorhalle II, III.
Luckau, ' ■ - "

Nicolaikircbe Ii, 587.

775


-ocr page 777-

776

Lübeck,
Dom Sc. IL 375, 432. 606.
Catharinenkirche II, 375. Ziogelmo-

saiken II, 581.
Frauenkirche, Glasmal. II, 375. 581
Marienkirche Sc. II, 433.
Burgkloster, Mosäikbild II, 581.
Lüneburg,

Rathhaus, Ziegelmosaikboden 'II, 581-
Lüttich,

St. Paulskirche II, 499.

St. Barthe'le.my. II, 499. Ehernes Tauf-

beckf.n II, 499.
St. Jacques II, 499.
Vor der üniversität: Bronzestatue Gre-
try:s III, 513.
Luzeru,

Ansicht der Stadt III, 205.
Lyon,

Kunstschule III, 439. . : .

I

-a

i

mmi

i&an

• M. - '

Maasfelcl,

Schloss 11/588,
Macerata,

Dom Mal. I, 388.
Madrid, ■.

K. Gemäldegallerie II, 595.
Macdebuvg:, -
Dom, mit 5 Abb. I, 120. II, 51. 129.

Grabmal des Erzbischof Ernst you
• Peter Fischer I, 144.
Frauenkirche, mit Abb. I, 134. 591.
Kunst- U; Gewerkschule III, 585.
Mailand, . '

Dom III, 314.
S. Lorenzo A, II. 403.
S. Ambrogio Mal. I, 368. 369. Hoch-
altar II, 57.. - .
S. Kustorgio Mal. I, 368.
S. Maria delle Grazie Mal. I, 369.
S. Satire Mal. I, 368.
•Gemäldegallerie der Brera I, 362. 363.
' '.365.' 366. 368. 369.
Bh^inal. Geiitralgallerie I, 394.
Ambrosian. Bibliothek Mal. I, 163.

367. 368.
Academie III, 461.
Mainz, - •

Dom I, 416. 419. II, 49. 667. 729. Der
• ostl, Mittelthurra II, 390. Sculptu-
ren II, 345.
- Stephanskirche, mit Abbild. II, 347.
Kreuzgang Sc. II, 348,
Gutenbergs Denkmal Sc. III, 268.
Städtische Gemäldesammlung II, 348.

Malvern,

Abteikirche, Mosaikfussboden II, 646.
Mannebach,

Kirche II, 231.
Mantinea,

Antikes Theater II, 397.
Mantua, .

Ornamente, mantuaiiische I, 286.
Marburg, i

Elisabethkirche II, 130. 137. 138. 146.,
mit 2 Abbild. •■161 166. 223. 239.
240. 366. 668. Bildwerke an u. in
d. Kirche II, 164.
Luther. Pfarrkirche, mit Abb. II, 164.
Marionstadt,

Klosterkirche II, 130.
Marseille,

Triumphbogen Sc. .III, 523.
Massow,

Kirche I, 762. Thurm I,.767v
Maulbronn, ' ' , _

Kloster II, 605.
Mayen,

F'rauenkirche II, 220. 233. Tabernakel
n, 254. Monstranz IL 335.
Meckenheim,. ' '.

Kirche II, 206.
Mesalopolis,

Antikes Theater II, 897.

Meir)injrenr ' ' '

Biirgerl. Architectur II, 588.
Meissen, ,, : .

• Dom, mit Abbild.'II, 4?1. 535. Mal.

I, 168. Sc. 535,
St. Afrakirche II, 537.
Kirche zum h. Kreuz II, 537.
Schloss II, 491. 537.
Meiseiiheim,

Kirche II, 244.
Mcllentin,

Schloss I, 777., ,

Melös, .

Antikes Theater H, 397.
Melriclistadt,

Kirche II, 416. " -

Memlebeo, ' , - - .

Kirche, mit-2 Abb. I, 174. 263. 507.
IL 377. 463. 702. Mal. I, 175.
Memphis, • »
Pyramid.en I, 257.
Morl, , ■ . ' V
Kirche II, 246. Schnitzaltar II, 270.
Gemälde d. Schnitzaltars II, 315.
Merseburg, "

Dom I, 164. 446.'II, 377- 463^ Sc. I,
164. Mal. L, 164.. 462. H, 680.
Grabmonu.mento I, 164, ■
Neumarktskirche I,. 447.

ir

>

t V ^

Ortsverzeichniss.


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Ortsverzeiohniss.'' 777

Merseburg, , f

Sixtkirche I, 448.
Merzig,

Kirche II, 128. 187. 371, . ,

Messene, ■ '

Tempel I, 258. •
Metaponl,

Tempel I, 258. (Tavola dei Paladiai)

I, 292.
Chiesa di Sansone I, 283.
Mettlach,

Kapelle II, 183. 371.
Metternich, — •

Kirche n, 22i. ■ .
Mildenfurt,

Kirche II, 637.
Mile't,

Antikes Theater II, 397.
Mönchen-Lohra,
Kirche II, 626.
Morbach, f

Kirche, Prachtgeräthe II, 335.
Moselkern,

Kirche, Prachtgeräthe II, 335.
Moselweis,

Kirche II, 221.
Mühlhausen,
Marienkirche II, 625.
Elasienkirche II, 625.
Ehemal. Jodokuskapelle Mal, H, 626.
Mühlhausen (am Neckar),
Bei Hrn. y. Palm, Holzschnitzwerk von
Albr. Dürer II, ß39.
München,
Bonifacius-Basilika III, 540, Mal. III,
547.

Ludwigskirche III, 538. Sc. UI, 541.

Mal. III, 228. 539. 543.
Mariahilfkirche in der Vorstadt Au
III,
123. 539. Holzsculpt.. III, 542.
Mal. m, 228. 493.
Allerheiligenkapelle III, 537. Mal. HI,

70. 131. 228. 547.
Protest. Kirche lU, 129. Mal. III, 132.
228. 547.

Schloss, Königsbau III, 536. Sc/III,
537. 540. Mal. IH, 127. 228. 545.
Festsaalbau, Mal. III, 487.
Paläste der Lüdwigsstrasse III, 127.
Bibliothekgebäude III, 538.
Blindeninstitut HI, 538-
Kriegsministerium III, 537.
Knustausstellungsgebäude lU, 5401 . ^
Priestersemiuar IIL 538, ^
Fräuleinstift'ni,'538. '
Salinenadministrationsgebftud'e Hl, 538.
Keiterstatue des Curfürsten Maximi-
lian I. Sc.
m, 542.. • - _

Kugler, Kleine Schiiflen, III.

München,

Obelisk auf dem Carolinenplatz Sc.
,111, 537.,
Isarthor Sc.-111,-542. Mal. III, 228.
548.

Feldherrnhalle III, 539. Sc. III, 539.
,541.

Arcäden des Hofgartens Mal. I, 129.

221. 228. III. 548.
Glyptothek III. 127. 536. Antike Sculpt.

I, 346. 347. II, 528. III, 540. Mal.
' III, 131. 228. 543.

Schwanthaler's Atelier, Sc. III, 128.
Pinakothek I, 217. 222. II, 319; 350.
Ilir 127.-537. Sc. III, 541. Mal. II,
523. 524. 525. 926. III, 132. 228.
Porcellangemälde I, 221. III, 550.
Schleissheimer Gallerie I, 218.
Leuchtenberg sehe Gallerie I, 220.
Boisseröe'sche Sammlung I, 22Ö.
Bei Hrn. Gündter I, 221.
„ - „ Prof. Hauber I, 221.
„ „ Speth I, 224.
„ „ v, Kirschbaum I, 221.
„ „ V. Klenze I, 221,
Elfenbeinkabinet, Schnitzereien aus d,
14, Jahrh. 1, 90. Bronzenes Reli-
quienkästchen (wahrscheinl.) aus d.

II. Jahrh. I, 91. 221. ^
Kupferstichkabinet I, 221.
Bibliothek, Miniaturen vom Ende des
. 12. Jahrh. das Rolandslied vom Pfaf-
fen Chnnrad, mit 2 Abb, I, 1. Vom
,13. Jahrh, Wilhelm von Oranse von

Wolfram von Eschenbach, mit Abb,

I, 6. Frühzeit des 13. Jahrh. Wel-
scher Gast, mit Abb. I, 6. Von 1410
—20 Psalter, mit Abb. I, 7. Vom

II. Jahrh. Plenarium, mit'Abb. I,
10. Schluss des 12, Jahrh. Para-
phrase des hohen Liedes v:on Wil-
leram, mit Abb. I, 10. Um 1300
Erzengel Michael, mit 2 Abb, I, 11.
Späterer Verl auf,des 14. Jahrb.- Heil-
spiegel, mit Abb. I, 11. Die Hand-
schrift des Osterspiels von Werinher

" v. Tegernsee I, 24. Aus dem letzten
Viertel des 12. Jahrh. zn dem Ge-
dicht vom Leben der Maria von We
rinher v. Tegernsee, mit 2 Abb. I,
' 32. Wessoburger Pergamonthand-
' vschrift vom J. 814, mit Abb. I, ;77.

Evangeliariura von St. Emmeran in
' Regensburg vom J. 870. mit Abb.
I, 77,. Evangeliarium aus d. 9, Jahrh.
I, 77., Pvaugeliarium a. d. 10. Jahrh.
mit Abb. I, 79. Evangeliarium Bam-
bergens. aus dem^a. Jährh. I, 79.

50'


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Ortsverzeiohniss.'' 778

München,

Missale Bambergensis vom J. 1014
I, 79. Evaugel. Bamb. aus dem 11.
Jabrhi I, 80, dasselbe mit 3 Abb.
I, 81. Evangeliarien aus dem 11.
Jahrli. I, 83. Dieselben aus dem 12.
Jahrh. I, 83, 84., Vita et passio
Apostolorum aus dem 12, Jahfli. I,
84. Oannina varii Argumentis aus
dem 12, Jahrh. I, 84. Precationes
S. Hildflgardis aus d. 12. Jahrh. I,
84. Breviarium aus dem 13. Jalirli.
I, 84. Psalterium aus d, 13. Jahrh,
mit 2 Abb, I, 84. Salomonis Episc.
Const. Mater verborum I, 87. Oo-
mestor hist. scholast, aus dem 13.
Jahrh. I, 87. Evangeliarium aus dem
15. Jahrh. I, 87. Dasselbe aus dem
14v oder 15. Jahrh, I, 87. Testa-
mentum vetns et novum in imagi-
nibus aus dem 15. -Jahrh. I, 87.
Psalterium aus dem 15.,-14. u. 13.
Jahrh. I, 87. Jacobus de Voragine
aus dem 13. Jahrh. I, 87. S. Bene-
dicti Regula v. 1414, I, 87. Biblia
pauperum v. 1415. I, 87. Gratiani
decretum aus dem 15. Jahrh. I, 87.
Missale Romanum von 1374 I, 88,
Livius I, 88. Liber precationis aus
dem 15. Jahrh. I, 88i Regnault de
Montauban von 1457 I, 88. Livre
de l'origine et du commencement du
-pays de Cleves aus dem 16. Jahrh.
I, 88. Niederländisches Gebetbuch
aus dem 15. Jahrh. I, 88. Tristan,
aus der ersten Hälfte des 13. Jahrb.,
mit 2 Abb. I, 88. Wilhelm v. Or-
leans,
v. 1250 I, 89. Güldene Le-
gend des Jac. a Voragine, von 1362
I, 89. Bibel der Armen aus dem 14.
Jahrb., I, 89. Gebetbuch für Nonnen
aus dem 14. Jahrb., mit Abb. I, 89.
Weltchronik des Rudolph v. Mont-
fort aus dem 14, Jahrh. I, 89. Das-
selbe vom "J. 1400 I, 89, Leiden
Christi aus Tdem 15. Jahrh. I, 90,
Jao. Vi Oassules Schach Zabel, '^on
1407 I, 90. Jac. v. Anch, Christ
und Belial, v. 1411 I, 90. Minia-
turen II, 493.
Gl-asmalerei I, 222.

Ilolzs.chneide-Anstalt 'von Braun und

Schneider Mal. III, 550.
Ansicht der Stadt III, 204.

Münden (in Hannover), »
Ansicht der Stadt III, 201.

MüimerstacU,
Kirche II, 417, Sc. II, 417. ^ ,

Münster (an der Nahe),
Kirche II, 245. Sclinitza:itar II, 282.
Glasmalerei II, 324,
Münstereiffel,
Pfarrkirche, mit Abbild. II, 193. 208.
Tabernakel II, 254. Sarcophag II,
262. Reliquienkasten II, 334. Reli-
quienkasten-Gemälde II, 300, Altar-
blatt in d. Sacristei II, 306.
Münsterraayfelä,
St. Martin, mit Abbild. II, 217. 240.
Grabsteine II, 268. Flügelgemälde
II, 3l5.,Schuitzaltar II, 270. Heili-
ges Grab mit Statuen II, 272,
Murrhardt,

Walderichskapelle II, 448. 638.
Mycenae,

Löwenthor I. 278.

Säulen I, 274. 284. 306. . .

Schatzhaus des Atreus I, 274,
Myra,

Antikes.Theater II, 397,
Myus, , • ,

Bacchus-Tempel I, 270.

N.

Namedy,

Kirche H, 231., mit Abbild. 241. 245.
Schnitzkanzel II, 256, Grabsteine
Sc. II, 280,
Nancy, . ■ ,

Palast II, 516. Pqjtal I,' 506.
Museum Mal. III, 516,
Naugardt,
Marienkirche I, 762, Epitaphium I,
817.

Naumburg (an der Saale),
'Dom, mit 2 Abbild. I,.166, II, 49.
377, 452. 702. Sc. II, 368. 453.
Mal. I, 462. II, 680, Lettner II,
454.

Weuzelkirche I,,172. .' K
Nausis,

Kirche, Grabplatte Sc. II, 635.
Neapel, ^ •
Basilica di S. Restituta Mal. I, 370.
Dom, Mal. I, 378.

Kirche des Oamaldulenserklosters, MaL

I, 375. ' .«1:

Kloster S. Severine, Mal. I,! 379. 382.
Schlosskirche v. Castell nuovo Mal. I,
383.

S, Angele a Nile Mal. I, 376. *
S. Chiara Mal, I, 376.
S, Domenico maggiore Mal,'I, 375.
376. 379. 384. 385. '


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Ortsverzeiohniss.'' 779

Neapel,

S. Lorenzö maggiorö Mal. I, 375. 376.

378. 385,

S. Maria dell' Incoronata Mal. I, 371.

379. II, 434.

S. Maria la nuova Mal. I, 382.
Katakomben, Mal. I, 37,0.'
Museum, Antike Scfllpt/i, 316. 345.
346. .0emäldegallerie I, 376. 377.
378. 382. 384. 385., III, 265, Mo-
. dell von Pompeji II, 382.
Ansicht der Gegend III. , 286.

Neinea, ^ '

Jupitertempel I, 425. ' .
Neuss,

S. Quirinskirche II, 127. 205. 379.
Neustadt (an der Wien),

Pfarrkirche II, 49.
Neustadt (an der Saale),
Schlosskapelle II, 416. 417.
Münze II, 448.
Neustadt (an der Orla),

Rathhaus II, 569.
Niederlahnstein,

Johai^mskirche II, 212.
Niederlützingen,
Kirche II, . 245.
Nieder-Weigsdorf, '

Schloss II, 613.

Niederweissel, ' •

Romanischer Bau, mit Abb. I, 147.
Niekenig, .

Kirche II, 221. " 5 . , -
Nienburg (an def Saale), ; .

Klosterkirche II, 366.
Nordhausen, ..;

Domkirchü II, 625.
Nossen,

Schloss, Portal (aus Kloster Alteiizelle)
n, 367.
Nossendorf, •

Kirche, Grabplatte I, 833.

Nürnberg,'
Sebalduskirche II, 377. 539. III, III.
Sc. II, ,529. 572.. Sebaldusgrab Sc.
I, 455. " ■

St. Lorenzkirche III, 110. 112. Sc. U,

568. Glasmal. U, 529..
Jacobskirche Sc. III. 564.
Frauenkirche^ Sc. II, 570. .
Burgkapelle Sc. II, 568.
Pfarrhaus zu St, Sebald III, III. ^
Pfarrhof zu St. Lorenz Mal, III, 572.
Heidenthurm III, III.
Brunnen Sc. II, 570.
Dürer-Statue III, 198. 606.
Kunstschule Sc, 653.

Nürnberg,
Sammlung der Kunstschule Sc. II; 564.
570.

Städtische"Sammlung Mal. II, 573. 578.
Bei der Holzschuher'schen Familie II,

435. ' , .

Ansicht der Stadt III, 112.

•s

»

Oberbreisig,

Kirche 11^ 221. ■ •

Oberflacht am Lupfen,

Die Heidengräber II, 565. .

Oberlalinstein,

An der Kirchhafmauer: -Keliefsculptu-
teull,'257.

Obermendig, ' '

Kirche II, 245. • '

Oberndorf, - .

Kirche II, 491. ' „

Oberwesel, *

Ruine der Ffanciscanerkirche, mit Abb.

II,-249. , •

St. Martin II, 245. Hochaltarblatt II,
319. Marien-Statue II, 260. 266.
Flügelgemälde d.'Schnitzaltars rechts
vom Hochaltar II, 313.
Stiftskirche, mit Abbild. II, 244. 246.
Chorstühle II, 255. Schnitzaltar II,
261. Ö69. Heil. Grab H, 261, Lett-
ner II, 261. Grabmonumente II, 267.
■Holzstatue II, 272. ^otiv-Hautrelief
neben derri Hochaltar II, 276. Im
nördl. Seitenschiff Epitaph Friedr.
v. Schönburg II, 277. Epitaph Si-
mon
v. Sfihönljurg II, 281. Altar-
blätter II, 313, Andere Gemälde II,
31"!, Glasornamente II, 424.
Wernerskirche, mit Abb. H, 241. Haut-
relief am äussern Mittelfenster II,
■■274.

Oebringen,

Stiftskirche, Denkmal des Grafen L.
, . C. y. Hohenlohe II, 279.

Offenbacb am Glan,
Kirche II, 130. 372. v • .

OlTenhausen,

Kirche, Tabernakel (jetzt auf Lichten-
stein) Sc. II, 448.

Oliva,

, Klosterkirche II, 604.

Olympia,
Jupitertempel I, 286.

Oppenheim, ' -'

Kirche II, 48. 51. 391. . \

Orianda, - -

Schloss III, 325. "


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780

Orvieto,

Dom I, 389. Reliquiarinm II, 709.
Otricoli,

Basilica-Reste II, 96.
Ottmarsheim,

Kirche II, 371:
Oyhin,
Klosterkirche II, 637.

P.

Paestura, v' „

Tempel I, 228. 258. 425.
Basilica I, 283. 292.
Palmyra,

Basilika-Reste II, 95.
Pansin,

Schloss I, 776.
Paris,

Notre-Dame II, 49. 128. 136. 511.

Notre-Dame de Lorette III, 520.
La Sainte Chapelle II, 511. 516. 619.

Glasmal. II, 511. Sc. II, 511.
Chapelle expiatoire III, 518. Sc. III,
519.

St. Denis, Crypta Altar-Emaille II, 707.
St. Etienne du mont II, 512.
St. Eustache II, 512. Mal. III, 497.
St. Germaiü des Pre's II, 510. Mal. III,
445. 532.

St. Germain l'Auxerrois I, 506, 516.
11,511. Mal. III, 497. 532. Schnitz-
altar II, 511.
^t. Gervais 'I, 506. II, 511. Glasmal.
II, 511.

St. Madelaine III, 520.»Mal. III, 446.

531.

St Mery II, 512. Mal. III, 531.

St. Roche, Mal. III, 531.,

St. Severin I, 516. II, 511. Mal. HI,

532.

St. Sulpice II, 512.

St. Vincent de Paul IH. 520. Mai. III,

445. 597.
Saal der Thermen Iii, 516^
Pantheon III, 518.
Hotel Oluny III, 516.
Hotel der Erzbischöfe v. Sens III, 517.
Hotel de ville III, 522. Mal. III, 445.
.522.

Palais Royal, Gemäldegallerie III, 531.
Tuilerien III, 518. Garten Sc. III, 528.
Palais des beaux arts III, 433. 489.
Sc. III, 434. Kirche Sc. III, 434.
Mal. III, 435. Im Hofe Lavamalerei
m, 534,

Pöre Ja Chaise, DenlifflaJ des Malers

Paris,

G^ricault — des Casimir Perrier —
des General Foy — Börne's III, 522.
Place Dauphine, Desaix-Denkmal Sc.
m, 519.

Place du Chatelet, Victoriensäule IH,
519.

Triumphbogen L'Etoile III, 518.
Vendöme-Säule IH, 518.
Fontaine Moliöre Sc. III, 523.
Museum im Louvre II, 55. III, 518.
Sc. u. Mal. m, 446. 496. Sc. HI,
620. Antike Sculptur I, 316. 317.
318. Moderne Sculpt. H, 515. Ae-
gypt. Sculpt. II, 706. Antikensamm-
lungen ägypt. Alterth. II, 63. Alt-
griech. Werke II, 63. Sculpturfrag-
mente des Jupiter-Tempels II, 63.
Venus
von Melos II, 63. Spätere
griech. u. röm. Alterthümer H, 63.
Consular. Diptychen H, 63. Biblio-
theken, Miniaturmalereien in Manu-
scripten II, 63. Brevier des Herzogs
von Bedfort II, 64. Gemäldegallerie

II, 512. HI, 478. 508. 524. Gyps-
abgüsse II, 516.

Museum des Luxembourg^^Sc. u. Mal.

III, 447. 523. Gemäldegallerie III,
485. 529-31.

Bei Hrn. Gatteaux Mal. III, 534.
Bei Hrn. Hittorf Mal. HI, 534.
Bei Serigny II, 55,
Acadömie des beaux arts III, 440.
Cirque olympique III, 522. Sc. III, 522.
Ecole des beaux arts Mal. HI, 508.
Ecole de dessin III, 431.
Institution des jeunes aveugles, Ka-
pelle III, 532. Mal. III, 532.
Manufactur des Gobelins III, 524.
Pasewalk,
Nicolaikirche, mit Abbild. I, 692. 696.

Altarblatt I, 833. |
Mariellkirche, mit 9 Abb. I, 704. 709.
Thurm I, 767.
Patara.

Antike Baudenkmäler II, 384. 397.
■399.
Paulinzelle,
Klosterruine I, 545.
 I

Klosterkirche II. 34, 491. Vorbau und
Portal II, 36.' i-

Pavia,

Kirche S. Michele maggiore I, 203.
241.

Karthause, Mal. I, 532.
Perugia,

Kirche S. Domenico Mal. I. 392. '
S. Beruwdino Sc. l, 531,

Ortsverzeichniss.


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Ortsverzeiohniss.'' 781

Perugia,

S. Severinklosterkirche Mal. II, 548.
Persepolis,
A. I, 258.
Petersberg,

Klosterkirche II, 551. Sc. II, 552.
Petersburg,
Eremitage, Gemäldegallerie III, 371."
Bei der Kaiserin Mal. III, 371.
Petershausen, ■ ^

Klosterkirche II, 34.
Pfalzel,

Stiftskirche, Kreuzgang II, 186,, mit
Abb. II, 225.
Pforzheim,

Schlosskirche, mit Abb. I, 147.
Phellog, . -

Sculpt. I, 307. ' •
Phigalia,

Sculpt.- I, 307. ■
Pisa, V

Campo Santo, Mal. I, 254, Antike Sc.
Ii 346. •
Pistoja, -

S. Giovanni, Kanzel SCi II, 646.
Plate, ' '

Schloss I, 177.
Plieningen,

Kirche II, 592. . . •

Pölitz,

Kirhhö I, 768.
Pöring,

Schloss u. Wallfahrtskapelle II, 613.
Pötnitz,

Kirche II, 366. •

Poitiers,

Notre Dame la grande I, 505.
Poitou, -

Fa^ade de Ruffec. I, 506. '
Polle (an der Weser),

Ansicht U, 202. . ' -

Pommersfelden, ' -

Gallerie II, 546.
Pompeji,

Ruinen I, 283. 293. Mal. I, 283. III,

213. .;

Basilica II, 96. 97. 101.
Tribunal der Basilica III, 91. •
Pompeji und Herculanum,
Bronzegeräthe Sc. III, 144.
Porta Westphalica, -

Ansicht m, 202. "

Posen, ' /

Dom, Monumente III, 287, 707..
Potsdam,"

Nicolaikirche III, 333.
Schloss, Mal. IH, 479. -
Königl, Gärtnerrehranstalt III, 586.

Pansin, ,

Schloss I, 776.
Präneste,

Basilica II, 95. . •
Prag,'

Stiftskirche Strahof-II, 494.
St. Georgskirche II, 494.
St. Agneskirche, mit 2 Abb. II, 494.
Karlshoferkirche II, 495. Mal. II, 495.
Dom, Sc. n, 495. Domschatz II, 495.
Schloöshof, Reiterstatua des h. Georg,

Sc. II. ä95.
Gemäldegallerie im Stift Strahgf IX,
495. -
Priene,

Minervatempel I, 426.
Pudagla,

Schloss I, 776,
Putbüs, ' -
Schloss I, 778.

Bei der Fürstin,-Miniaturmalereien im

Brevier Philipps II, 18.
Jagdschloss, Mal. III, 661.
Pyritz,

-Moritzkirche, mit 6 Abb. I, 736.
Klosterkirche, mit Abb. I, 739.
Thorthürme I, 767, 768.
Bürgerl, Architect. I, 773.--

Quedlinburg,
Schlosskirchö 1; 540—84. II, 364. 378.
Inneres der untern Schlosskirche, mit
6 Abb. I, 54€. 'Inneres der Ober-
kirche, mit 4 Abb. I, 552. Aeusse-
res der Schlosskirche, mit 3 Abb.
I, 558. 'Alterthümer der Schloss-
kirche, mit 8 Abb. I, 623, Der
Wasserkrug von der Hochzeit zu
Cana I, 623. Pergamenthandschrif-
ten I, 624. Reliquienkasten, mit 4
Abb. I, 627. Verschiedene Gegen-
stände des frühern Mittelalters, mit
Abb. I, 632. Teppiche I, 635. Re-
•liquienkasten des spätem Mittelal-
ters I; 638.
Wipertikirche I, 562., 568. 585., mit
5 Abb. 593. Gruft I, 695. II, 107.
Querfurt,
Schlosskirche II, 492.

' . K' ' " ' ■

Raddatz, ' ' .

.'Kirche, Kanzel I, 831. ' ••

Badoschau,
Kirche
II, 613.


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Ortsverzeiohniss.'' 782

Batsch (bei Ratibor),

Schloss, Malereien II, 472.
ßaveDgiersburg,

Kirche, mit Abb. II, 218. Reste des
Kreuzgangs II, 246.
' PfarrwohnuDg, Herdplatte II, 2r)5.
Kavenna,

S, Vitale I, 262. II, 403. III, 395.
S. Nazario e Celso, Kirche II, 402.
403.

Cathedrale, Baptisteriiun II, 403.
Grabmal Theodorichs II, 113. 403.
Regeil sburg,

Schottenkirche I, 545. II, 35.
Dom, Glasmal. II, 529. Mal. III, 495.

Weihbruunen Sc, II, 645.
Elhemal. Reichsveste Mal. II, 572.
Ansicht der Stadt III, 204.
Reichenberg,

Schlossruine, Sohlossfiapelle II, 220.
Reiler-Kirch,

Kirche II, 231.
Reinberg,

Kirche, mit Ab!). I, 692. 696.
Reinhardtsbrunn,

Klosterkirche II, 588, Grabsteine Sc.
II, 539. 588,
Remagen,
Katholische Kirche II, 127. 205. 370.
Tabernakel II, 254. Heil. Grab mit
Statuen II, 272. Crnciflxstatuen II,
273.

Portal am kath. Pfarrhause II, 256.
Reutlingen,
Marienkirche, Taufstein Sc. II, 448,
Heil. Grab II, 575. 638.
Rhamnus,

Tempel I, 270. 27 7. 424. 425.
Rheims,

Cathedrale II, 128.
Rlieinbach,

Kirche II, 237.
Rheineck,

Schlosskapelle M. III, 509.
Rheinstein,

Handzeichnungen II, 322. :

Rhense,

Königsstuhl II, 37.
Rliiniassa,

Antikes Theater II, 397.
Richtenberg,

Kirche I, 763.
Ringsted,

Kirche, Grabplatte Sc. II, 633.
Rinteln, . ~ '

Ansicht III, 202.
Rochlitz,

Schloss U, 637.

"T"

■tfitädifiäääliiii

Römhild,

Stiftskirche II, 648. Grabdenkmäler
Sc. II, 648.

Rokeskyll,-
Kirche II, 231.

Rom,

Peterskirche III, 394.

Basilica Sessoriana .(jetzt S. Croce in

Gerusaleme) II, 97, 101,
S. Giovanni in Laterano I, 400, 629,
S. Maria maggiore I, 629, II, 96.
S. Maria in Trastevere II, 629.
S. Maria del Popolo M. I, 254,
S. Paolo fuori le mura III, 390.
S. Galisto, Bibelhandschrift II, 64.
San demente al mönte Celio II, 629.

III, 89. Mal. I, 253. 262.
Vatican I, 316. Antike Sculpt. I, 317.

II, 454. Raphael's. Deckengemälde

III, 478.

Capitolin. Plan, Grundriss der Basilica

des Paul.'Aemilius^ II, 96.
Capitol Sc. I, 317.
Monte Cavallo Sc. I, 316.
Trajanssäule I, 283,
Tor dö Conti II, 185.
Casa di Crescenzio II, 185.
Aeademie de France in Villa Medici

III. 442.
Academie San Luca III, 459.
Villa Bartholdy M. I, 413.
Villa Ludovisi, Antike Sculpt. I, 315,
Villa Massimi M. III, 509.

Romersdorf,
Kirche II, 211.
Klosterbaulichkeiten II, 216.

Rosenthal,

Klosterkirche 11.- 738.

Roth (a. d. Our),
Kirche II, 187. 371.

Rottweil,

Stadtpfarrkirche, Kapellenthurm Sc.

II, 448.
Rom, Mosaikboden II, 575.

Rötz,

Dominikaherkirche Sc. II, 613.
Rouen,

St. Maclou, Portal-III, 57.
St. Ouen n, 49. 391.
, Kirchl. Gitterthore II, 645.

Rügenwalde,

Gertrudiskirche,, mit Abbild. I, 741.

Kanzel Sc. I, 827.
Marienkirche, mit 4 Abb. I, 736. M,
I. 844. 823. Schnitzwerke I, 812.
Altar I, 823.

taiii


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Ortsverzeiohniss.'' 783

s.

Saalfeld, '

Stadtkirch« II, 588.
Burg II, 588. ■ -

Biirgerl. Architectur II,'588.^
Saarbrücken, .

Schlosskirche II, 232.
Ludwigskirche II, 251.
Saarbürg,

Kirche II, 250. Prachtgeräthe II, 335.
Sagard, . "

Kirche I, 694. . , ' ' ' ■
Salamis, ■

Tempel Sc. I, 307.
Salisbury, '' ■ .

Cathedrale II, 391. -

Salzburg,

Mozart-Statue Sc, III, 541.
Samos,

Juno-Tempel I, 285. .
San Ildefouso,

Schloss, Ansicht III, 257. '
St. Aruualj
Kirche, mit 4 Abb.. II, 223. 373. Se.
II, 267. 268. 279. Taufstein Sc. II,
254. Grabmonumente II, 563,
St. Gallen,
Bibliothek: Notker's Psalmen mit Bil-
dern I, 93. Psalmen mit Goldschrift
und Bildern des 9. Jahrh. I, 93,
Folka;rd's Psalmen aus d. 9. Jahrh,

I, y4. Tutilo's Evangelienbuch mit
geschnitzten Deckeln 1, 94. Schnitz-
werk von Tutilo I, 94. Schnitzw"erk
u. Bilder aus dem 8. Jahrh. I, 94.
Ein Deckel in Schmelz aus dem 10.
Jahrh. I, 94. Miniaturen aus d. 11.
Jahrh. I, 95. Leben Jesu mit Bil-
dern I, ,95. Ein Deckel mit altem
Fechtersehnitzwerk .I,'95. Deckel-
schnitzwerk in Bein I, 95.

St; Goar, ' .

Stiftskirche, mit Abb. II, 208. 240.
243. Sc. II, 261. 273. Seitenkapelle
Sc. II, 280. MaL II, ,319. GlasmaL

II, 324.

St. Thomas (i. d. Eifel), '

Klosterkirche II, 127. 187. 372.'379.
St. Wendelf
Kirche II, 226. 373. Sculpt. 261. 272.
373. , , /

Saagerhausen, ' •

Ulrichskirche II, 491. ^
Sayn,

Abteikirche II,* 122. 216. 242. Tauf-
stein II, 253, Hölzerne Epitaph, in

Sayn,

. der Sacristei II, 260.^ Epitaphium
II, 266. 283. Madonnensäule II, 283.
Reliquienkasten II, 332. '

Scliafl'hausen,

Allerheiligenmtitister II, 34.
Ansicht dej: Stadt III, 205.
Schaumburg, -

Schloss II, 637. . .

Scharfenberg,'

Ansicht III, 202.
Schlawjj,

Marienkirche, mit 2 Abbild. I, 782.
Schnitzflguren I, 812. Altar I, 827.
Schieissheim,

Gemäldegallerie I, 218. II, 682. Bois-
seröe'sche Sammlung I, 220.
Schloss Lohra,

Kapelle II, 626.
Schn^argendorf,

Kirche, mit Abb. 1,118.
Schnabht'im,
Bei Herrp v. Bibra-N Glasgemäld«? II,
493. , - .

Schneeberg, . ■

Kirche M. 680.
Schraplau,

Kirche I, 512.
Schulpforta,
Kirche I, 172. 263. 696. II, 15. Sculpt.
am Giebel II, 16. 367. Abtkapelle
II, 16. 367.
Schwaiienkirche,
Kirche II, 245.
Schwarzach,

Abtei II, 567. '
Scliwarz-Rheindorf,
KircLe
IL 120. 195 Wandmalereien
II, 285. ' ^ .

Schwerin,

Dom, Prachtplatten Sc. U, 632.
Seebach,

Klosterkirche II, 737,
ßeeburg,

Schloss II, 491,
Seese,

Schloss II, 587,
Segesta,

Tempel I, 259. ' .

SelinuQt, ' s
Bui-^ I, 281. 288. . -

Tempel auf der Burg I, 289. 291. M.
I, 321. 332.
Selinus,

Tempel 258.
Senlls, • ' i

Cathedrale I, 506.
'St. Pierre I, 506.


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784

Sevilla,
Cathedrale III, 248. ^ ^
Torre del oro III, 248.

Sfevres,

Porcellanmannfactur III, 496. 534.
Siegburg,
Pfarrkirche, Holzstatuen II, 271. Re-
liquiarien II, 329.
Siena,
Dom M. III, 478.
Palast des Notariats M. I, 392.
Sigmaringen,
Beim Erbprinzen Carl : Altdeutsche
Gemälde II, 555.
Siramern,
Pfarrkirche II, 214. In der Seitenka-
pello die Grabmonumente d. pfalz-
gräfl. Hauses II, 278. Im Schiff der
Kirche Denkmale im baroken Re-
naissancestyl II, 279.
Sinzig,

Kirche II, 204. Madonnenstatne II,
260. Altarblatt II, 302.
Sobernheim,

Kirche II, 244.
Spantikow,

Schloss I, 777.
Sparta,

Minerva-Tempel I, 273.
Antikes Theater I, 270. II, 397.
Speier,

Dom II, 345. 562. 567, 667. 724. III,
392. Mal. II, 724. Crypta II, 724.
Vorbau II, 732. Sc, 733. Denkmal
Rudolphs
v. Habsburg Sc. III, 541.
Afrakapelle II. 728. 740.
Sponheim, " <

Kirche II, 219.
Spyker,

Schloss I, 778.
Stargard,

Johaqniskirche, mit Abbild I, 750.
Taufsteiu Sc. I, 784. Altarschnitz-
werk I, 806.
Marienkirche, mit 5 Abb. I, 752. 705.

Bronce-Cruciflx I, 785.
Rathhaus, mit Abb. I, 772.
Thorthürme I, 767. 768.
Bürgerl. Architectur I, 771.
Steinbach,

Kirche H, 626. T

Stettin,

Johanniskirche, mit 3 Abbild. I, 715.

Geschnitztes Bild I, 612.
Jaoobikirche, mit 2 Abb. I, 716. 765.

Chorstühle I, 839.
Petrikirche I, 760, Altar-Schrein I,
812.

Stettin,

Schlosskirche I, 764. Grabplatte Sc. I,
788. Epitaphium I, 816. Portraits
I, 821. Gemälde 1, 822. Thürklöpfel
in Bronze I, 784, Schlosskirchthurm,

I, 786.
Schloss I, 773.

Paradeplatz, Statue Friedrich II. I,
832.

Bürgerl. Architectur I, 673. 778. 779.
Beim Kunstverein M. III, 397,
Stolberg,

Bürgerl, Architectur II, 586.
Stolp,

Marienkirche, mit 3 Abb. I, 732, 735.
Schnitztigureu I, 812. Kanzel Sc. I,
828. Epitaphien I,'828.
Georgen-Hospitalkapelle, mit Abb. I,
742.

Schlosskirche I, 763. Prachtteppich I,
815. Malerei I, 821. Altar I, 828.
Monumente I, 830.
Schloss I, 785.
Stralsund,
Nicolaikirche\ mit 4 Abbild. I, 825.
Taufstein I, 783. Sculpturen I, 786.
794. Grabplatte, mit 2 Abb. I, 787.

II, 606. Geschnitztes Kirchengeräthe
I, 795. Schnitz werke I, 802. Grab-
stein I, 820. Kanzel I, 828. Epi-
taph. ,1, 829. Prachtplatte U, 635.

Jacobikirche, mit Abbild, I, 729, 795,
Taufstein I, 784, Sculpt. I, 785.
Schnitzwerk Sc. I, 808. Epitaph. I,
- 829. Malerei I, 832. Altarblätter I,
- 832.

Marienkirche, mit 6 Abbild. I, 744.

Holzstatuen I, 802.
Johannisklosterkirche I, 739.
Catharinenklosterkirche I, 699, 762.
Heiliggeistkirche I, 762,
Apollonienkapelle, mit Abb. I, 742.
Rathhaus Mal. I, 821.
Bürgerl. Architectur I, 778.
Portraitmedaillons Sc. I, 818.
Strassburg,
Münster II, 47. 48. 149. 516. III, 147.
314. Sculpt II, 517. Glasmal. H,
617.

Guttenbergs Denkmal Sc. III, 535,
Bibliothek M. HI, 269.
Stratonika,

Antikes Theater II, 397.
Straubing,
Bernauer - Kapelle, Grabdenkmal, II,
612.

Straupitz, j

Kirche HI, 329.

Ortsverzeichniss.


-ocr page 786-

Ortsverzeiohniss.'' 785

Stuttgart,
Stiftskirche Sc. n, 575. 638.
Kunstsammlung , Gemäldegallerie III,

421.

Schloss Rosenstein M. III, 421.
Gemäldesammlung des Hrn. Abel II,

422.

Üeffentliche Bibliothek, Psalterium aus
dem 7. Jahrh., mit Abbild, I, 56.
Drei Passionalia aus d. 12. Jahrb.,
mit 3 Abb. I, 56. Biblia (um 1200),
mit Abb. I, 60. Psalterium um 1200
I, 61. Evangeliarium um 1200, mit
Abb. I, 61. Evangeliarium vor 1200
I, 62. Psalterium aus d. 12, Jahrh.
I 62. Augustini Confessiones vor
1200, mit Abb. I, 62. Biblia aus
dem 14. Jahrh,, mit 13 Abb. I, 62.
Weltchronik des Rudolph v. Hohen-
ems von 1831, mit 2 Abb. I, 67.
Niederländisches Brevier von 1435,
mit Abb. I, 68. Serenissimi Ducis
Eborhardi I, Barbati Gebetbuch, mit
3 Abb. I, 69. Missale von 1481
I, 69,

Königliche Privatbibliothek, Psalterium
lat. für den Landgrafen Herrmann
von Thüringen (reg. 1195—1215)
geschrieben, mit 5 Abbild. I, 69.
Weingärtner Minnesänger-Codex aus
dem 13. Jahrh., mit Abb. 1, 76.
Suppingen-,

Kirche, Tanfstein Sc. II, 563.
Syracus,
Minervatempel I, 258, 28«, 290,

T.

Tarragona,

Cathedrale HI, 246. 147.
Tauronaenium,

Antikes Theater H, 397,
Tegea,

Tempel der Minerva I, 286.
Tempel der Artemis Limn, Sc. I, 306.
Tegernsee,

Kloster I, 12.
Tellemarken,

Kirche II, 531.
Telmissos,

Antikes Theater II, 397.
Tempelburg,

Kirche I, 765. ''

Tempelhof,

Kirche I, 494.
Tepli
Kloster Sc. II, 379.

Kugler, Kleine Schriften. III.

Thal-Bürgel,

Kirche H, 569,
Tholey,

Kirche, mit 2 Abb. II, 223. 126. 373.
Sculpturen am .PÖrtal II, 259,
Thorikus,

Antikes Theater II, 397.
Thorn, . - '

Johanniskirche, Grabtafel So. II, 607,
Toledo, ^
Kirche de los Reyes III, 248.
Sonnenthor III, 246,
Toulouse,

Kunstschule HI, 439. ^
Tournay,

Cathedrale II, 509. Sarkophag II, 510.
Traben,

Kirche II, 231. 246.
Trarbach,

Holzhäuser II, 232.
Treben,

Kirche I, 512.
Treffurt, • '

Kirche II, 626.
Treis,

Kirche II, 246,
Treptow (a. d. Rega),

Marienkirche, mit 2 Abb, I, 712. M.

I, 792. Schnitzaltar Sc. I, 801.
Gertru^iskapelle 1, 740,
Hüiliggeistkapelle I, 740.
Georgskapelle I, 740.
Brandenburger Thor I, 768,

Treptow (a, d. Tollense),
Petrikirche,.mit9 Abb. I. 721. Schnitz-
altar Sc. I, 802. Epitaph. I, 818.
Treuenbrietzen;

Nicolaikirche II, 558.
Tribohm,

Kirche I, 689, 695.
Tribäees,

Kirche, Schnitzaltar Sc. 1,797. 11,84.
Trier,

Dom II, 21, 114—18, 120, 184. 186.
251. 378, 459, 542. Kreuzgang II,
24. 189, Tabernakel II, 254, Denk-
mäler und Altäre im Barock- und
Rococostyl II, 277. Epitaph, der
Erzbischöfe v. Greifenklau und
t.
Metzenhausen II, 27C, Schale aus
Marmor II, 255. Röman. Reliefflgu-
ren II, 257. Schatzkammer, Reli-
quienkasten II, 328. MIniat, II, 344.
Liebfrauenkirche I, 4Ö3, Sc. I. 466.

II,21.24. 130. 161. 221.669. Haupt-
portal II, 23. 21. Sculpturen am
Hauptportal II, 259. Sculpturen am

51


-ocr page 787-

Ortsverzeiohniss.'' 786

Trier,

Portal der Nordseite II, 259. " Altare
portatile II, 328'. Verschiedene Bil-
der II, 319, Epitaph, des Probstes
H,
v, ScLarffeiistein II, 281. Grab-
stein II, 267. Heiliges Grab mit Sta-
tuen II, 271. Praohtgeräthe II, 335.

Maternuskirche II, 21, 25.

Pauluskirche II, 251.

Jesuitenkirche II, 241. 373.

Irminenkapelle II, 184.

St. Gangolph II, 224, Grablegung —
Statuengrnppe II, 272. Bild auf
Goldgrund II, 315.

St. Gervasius II 231.

St. Matthias, II, 21. 185. 247 und
Kloster II, 25. 188, Portal und
Thurm II, 251. Holztafelti mit Re-
liefs II, 271. Auf dem Orgelchor
Marienstatue II, 261. Steinrelief in
der Crypta II, 274. Keliquienbehäl-
ter II, 329.

St. Paulin II, 251. Gewölbmalereien
II, 318.

Siraeous-Kirche II, 185. Chor von St.
Simeon II, 186.

Antike Basilica II, 94 —102. Ö33.

Kaiserpalast (sog. Thermen) II, 533.

Porta Nigra II, 103—1 14, 184. 543.

Amphitheater II, 534.

Moselbrücke II, 534.

Bischof!. Palast II, 184.

Rathhaus zur Steipe II, 373.

Haus zu den drei Königen II, 372.

Das Neuthor II, 186. Reliefflguren II,
257,

Wohngebäude frühromanischen Styles
II, 184. Spätromauischen Styles II,
'l88.

Gothische Wohnhäuser II, 232.

Säule auf dem alten Markt II, 185.

Am Gräflich Kesselstadt'schen Hause:
Sandstein-Sarkophag mit Reliefdar-
stellungen II, 256,

Gemälde bei H. Crewelding II, 314,

Hermes'sche Gemäldesammlung II, 292,
322.

Bei Hrn, Plattau II, 315.

Dombibliothek, Evangeliarien II, 64.
Miniat. II, 341.

Städtische Bibliothek. Reliquieukasten
11, 329, Kunstsacben II, 336, Co-
dex aureus, mit Abb. il, 337—40.
Evangelistarium des Erzbischofs Eg-
bert, mit Abb. II, 340, Homüien
des h. Augustin II, 340. Gebetbüch-
lein aus dem 16. Jahrh. II, 341.

•mwi

Tübingen,
Schloss, ehemal. Prachtthüre II, 539,
Tux'sches Kabinet, Altgriech. Bronze
I, 405.
Turin,

Gemäldegallerie I, 524.
Palazzo delle Torri II, 105, III.
Tyndaris,
Antikes Theater II, 397.

. u.

üeckermünde,

Kirche, Geschnitzte Bilder I, 806.
Schloss I, 771.
Uelraen,

Kirche II, 231, 146.
Ulm,

Münster, Wcihkessel Sc. II, 571. Chor-
stühle Sc, II, 571. 555.
Marktbrunnen Sc. II, 563. 568,
Unkel,

Kirche II, 235. Taufstein II, 253,
Theile eines Schnitzaltars II, 262,
Upsala,

Dom, Grabdenkmal Sc. II, 634.
Urach,

Amanduskirche Sc. II, 448,'
Urnaes,

Kirche, Altarleuchter Sc, II, 556.
Usedom,

Kirche, mit Abb. I, 740. Schnitzaltar

I, 806.
Das Auklamer Thor I, 768.
Utrecht,

Domkirche II, 392.

V.

Valencia,

Börse III, 248.
Vallendar,

Kirche II, 221. 804
Val'wig.

Kirche III, 304.
Varenholz,

Ansicht III, 202.
Velletri, ,

Die volskischen Reliefs Sc. und Mal,
I, 321,
Vendome,

, Ste Trinitö, Glasmal. -II, 647.

Stadtthor I, 506.
Venedig,

S. Marco I, 262. II, 107.'609. Sc.
609. Palla d'oro II, 709. '

wfT^,


-ocr page 788-

Ortsverzeichniss. 787

Venedig,
Palast Manfrini I, 412. '

Sammlung Craglietto I, 396.
Bei Abbate Celotti M. I, 377.
Academie III, 461,
Vercelli,

S. Andrea II, 629.
Verona,

S. Anastasia-Ii, 629.
Versailles,

Historisches Musenm Sc, M. III, ,447.
476.
Vessera,

Klosterkirche II, 626, 647,
Vianden,

Schloss, Schlosskapelle II, 188. 371.
Vicenza,

Basilica III, 96.
Ville-franche,
Kirche I, 506.

701.
Wanderath,

Kirche II, 246. Sc. II, 254.
Warburg,

Trinitatiskirche II,. 424. Sc. .II, 424.
Wartburg,

Burg II, 26. 539. 569.
Wechselburg (s. Zschillen),
Weimar,
Stadtkirche Mal. II, 680.
Schloss M. III, 230.
Göthe-Stiftung III, 711. -
Göthe- u. Schiller-Denkmal III, 721.
Weissen thurn,

Kirche III, 304. . . .

Wernigerode,

Bürgerl. Architectur II, 586.
Westergröuingen,.

Kirche, mit 5 Abb. I, 597.
Wetzlar,

Stiftskirche, mit 31 Abb. II, 165. Sc.
II, 177.

Weyda, /

Wiedenkirche II, 570.

Wieck,

Kirche I, 764.

Wimpfen am Berge,
Kirche I, 96, Cruciflx I, 96.

Wimpfen im Thalc,
Stiftskirche I, 97. Sc. II, 542. Chor-
stühle, mit Abb. I, 100.
Coriielienkirche I, 100.
Wittenberg,

Stadtkirche I, 554. Mal, I, 4i50. II,
680. Taufbecken Sc. I, 554MI, 699.
Marmorsculpt. 'l, 559. Hauptportal
II, 699.

Kapelle neben der Stadtkirche Mal.
Ii 460.

Schlosskirche, Monumente Sc. I, 457.
Mal. I, 461. Denkmai des Kurf. Jo-
hann Sc. II, 674."
Rathhaus Mal. I, 459. '
Augusteum, Ljitherstube M, I, 461.

Vilmnitz,

Kirche 1, 692.-694. 697. Epitaphien Wörlitz,

Ij 820. Petrikirche I, 467.

Wolgast,

w Gertrudiskirche I, 740.

Petnkirche, mit '2 Abb. I, 732. Sc. I,
Waldesch, " ,787. Mal. I. 815. Grabmonument

Kirche III, 304., I, 819.

Walhalla, Thorthürme I, 769.

III, 380. 551. Sc. III, 872. 373. 551.

Kirche I, 764. Kanzel I, 829.

Worms,

Dom II, 345. 378. 667. 730. Sc. II,

736. Mal. II, 73€. '
Ansicht der Stadt HI,- 205.

Würzburg,
Dom II, 417. III, 110. Denkmale d^r

Bischöfe Sc. II, 418. ' - . •
Neumünsterkirche, mit Abb. II, 419,
. Mal. II, 419.

Liebfrauenkapelle II, 419, Sculpt, II,
420.

Residenz II, 420.-Mal. II, 420.
Haus zum Falken, Rococo-Decoration
11,421.

Wurmlingen (bei Tuttlingen), ' '
Bei Decau Dtirsch (jetzt in Rottweil)
Holzschnitzwerke II, 555.

Weyhern,

Sammlung des Hm, v. Lotzbeck III, Ypern,
426,'- , 'Cathedrale II, 57,

y.

York, .

Cathedrale II,, 391.^


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Ortsverzeiohniss.'' 788

z.

Zeitz,

Stiftskirche, Crypta II, 699.
Zell Can d. Mosel),

Landräthl. Wohnuug II, 247.
Zeltingen,

Kirche II,. 231.
ZerBst,

Bartholomäikirche, Portal II, 367.
Nicolaikirche Ii; 367. Sc. II, 367.
Rathhausgxebei Sc. II, 367.
Zinna,

Klosterkirche Ii, 464. 553.

Ff

Zittau,
Kirche III, 330.
Rathhaus III, 325»
Zschillen (Wecliselbure),
Kirche I, 263. 428. 466. 467. Sc. I,
470. II, 14. 702.
Zülpich,

Kirche II, 120., mit Abbild. II, 193.
Taufsteiu II, 252. Deckel über dem
Taufsteiii II, 254. Schnitzaltäre II,
270. Flügelgemälde II, 315. 316,
Zwickau,
Kirche II, 638.
BUrgerl. Architectur II, 638.

TT


-ocr page 790-

A.

Aachen, Johann v., Maler, II, 317 [2].
Achenbach, A., Maler, II, 286. III, 419;
501.

Acheubach, Oswald, Maler, III, 682.
Ackermann, "W, A., Dr., II, 546.
Adalbert, Abt von Tegernsee, I. 13.
Adalrlch, Erzgiesser, I. 15.
Adam, A., Maler, III, 548, 674.
AdlofiF, Maler, III, 681.
Aelsty Wilh, van, Maler, II, .5.
Aflnger, B., Bildhauer, HI, 687,
Ageladas, Bildhaner, I, 408.
Agincourt, I. B.L. G., Serouxd', Kunstge-
lehrter, I, 241, 252, 262, 376, 421.
II, 55, 58 [2], 401, 709.
Agricola, E., Maler, III, 677.
Ahlborn, W., Maler, III, 253, 352.
Ainmüller, Maler, III, 493.
Aiwazowsky, Maler, III, 574.
Alaux, Maler, HI, 525,
Albani, Malerei, 526.
Albert V., Herzog von Bayern, I, 216.
Alberti, Architekt, I, 246, 533. HI, 93.
Albertus, Magnus, 11,131,132[2], 133,135.

— , Meister,« Architect, II, 648.
Albrecht von Brandenburg, Cardinal und
Erzbisch. v. Mainz, 1,55,475. H, 33,675.
Albrecht von Brandenburg, Markgraf und
Hochmeisterdes deutsch, Ordens,11,675,
Alcamenes, Bildhauer, I, 310, 312,
Aldegrever, Maler, II, 319, 321.
Allioli. F.J.
V., Dr., Schriftsteller, HI, 718,

753. . ■
Allori, C., Maler, HI, 684.
Alo^, Stanislaus, Schriftsteller, II, 434,''
Alpais,. G,, Emailleur, II, 708,
Alt, Heinr,, Dr., II, 547.
Altdorfer, Maler, I, 219- II, 53, 525.
Amato, Antonio, d', il vecchiö, Maler, 1,383,

Amoretti, 0., Schriftsteller, I, 248.
Amp&re, Professor am Colli^e de France,
III, 469,

Anna, Herzogin za Croy und Arschott.
I, 830.

Anton von Worms, II, 132, 237. '
Aatonello daMessina, Maler, 1,533. II, 503.
Arnoldt und Muhr, Kunsthändler, I, 435,
Arnulf, Herzog, I, 13.
Arnulph, König, I, 13,
Asmus, H., Lithogr., I, 424, IH, 261,427.
Asselineau, Lithograph, II, 453. HI, 255.
Attavante, Maler, I, 533, H, 64.
Atticus, I,'801.

Azeglio, ilob, d', Galleriedlrector zu Tu-
rin, I, 524,

i,

B.

Backhuyzen, Van de Sande, Maler, 111,416.
Bagetti, Maler, IH, 482,
Baf^nacavallo, Maler, 1, 385, » '
Baldinucci, I, 531.
Baldovinetti, Alessio, Maler, I, 533,
Balduin, Kurfürst von Trier, II, 556,
Baidung, Hans, Maler, II, 414.
Baien, H, van, Maler, II, 502,
Bändel, Ernst v., Bildhauer, III, 299,
Barber, Maler, HI, 28. \
Barnim, Fürst von Stettin, I, 655.
Barth, C., Kupferstecher und Dichter, III,

57 [2], 86,
Bartolo, Taddeo dl, Maler, II, 300.
Bartolomeo, Fra., Maler, I, 412.
Bassano, Bajocchio da, Maler, I, 4Ö2.
Bastard, Aug. de, Graf, H, 42, 56, 341.
Battmann, J,, Kupferstecher, II, 496.
Bauer, Dr., Schriftsteller, IH, 504.
Baugniet, Lithograph, HI, 424.
Baumanu-Jerichow, Elisa, Malerin, 111,675,-
Beauneveu, A,, Maler, II, 64.
Becher, Chr., Lithograph, III,"424.

II. Personen-Verzeichniss.

(Die römischen Ziffern sind die der Bände, die arabisclieh die der Seiten. Wenn ein Name auf
einer Seite unter verschiedenartigen Verhältnissen wiederkehrt, so ist dies durch eine beigesetzte

Parenthese angedeutet.)


-ocr page 791-

Bechstein, L., II, 492. 540.
Becker, C., Schriftsteller, II, 584.

— , Maler, III, 663.

— , Chr., Lithograph, III, 561. 571.

— , J., Lithograph, III, 48, 59.

— , Jac;, Maler, III, 501.
Beckencamp, Maler,
II, 311.
Beckers, J. J., Maler,
III, 417.
Bedfort, Herzog v.,
II, 64.
BegarelH, Antonio, Bildhauer,
II, 406.
Begas, C., Maler,
III, 73,140, 142,192,264,

407, 420, .562 [2], 572, 661, 666.
Behani, Hans Sebald, Maler, 1. 478.
Behrendsen, Maler,
III. 574, 677.
Beich, Joach. Franz, Maler,
III, 366.
Bellermann, Maler,
III, 679.
Bellini, Jacopo, Maler,
I, 402.
Bellini, Giovanni, Maler,
II, 496. III, 265,
Beltraffio, Maler,
I, 367. II, 405, 513.
Beltz, K. Ch., Schriftsteller,
II, 475.
Bemmel, Peter, v., Maler,
III, 366.
Bendemann, Maler,
II, 320. III, 34, 107,

154, 185, 501, 558, 559, 571.
Bendix, L., Maler,
III, 674.
Bennert, Chr., Maler,
III, 685.
Beranger, E , Maler,
III, 685.

— , Porcellanraaler, III, 534.
Berger, D., Kupferstecher,
III, 162.
Berges, Bildhauer,
III, 687.
Berghera, Maler, I, 415.
Bergmann, Lithograph,
III, 71.
Beringer, Abt von Tegernsee, I, 15.
Berry, Jean v.,
II, 61.

Beyer, H., Archivar, II, 557,

Biadi, Schriftsteller, I, 431.

Biaoco, Nanni d'Antonio di, Maler, I, 531.

Biard, Maler, II, 262, 274. III, 530,685.

Bibra, E., Dr., v., II, 492, 540.

Bicliebois, Lithograph, I, 214,

Biefve, de; Maler, III, 377, 401, 417,

457, 485, 513,
Biermann, E., Maler,
III, 567, 616, 678.
Bigio, Francia, Maler,
I, 431, 43'J.
Bilion, Chr., Lithograph,
III, 423.
Binzer, A. v,„ Schriftsteller,
II, 125,393.
Bläser, Bildhauer,
III, 233.
Blanrhard, Lithograph,
III, 256.
Blanck, L, Maler,
III, 189.
Blechen, Maler,
III, 286.
Blouet, Abel, Architeet, 1, 260, 286, 287.
Böblinger, Hans, Architect,
II, 421, 450.
Böhm, Georg, Maler,
II, 678.
Böhudel,
II, 473.
Bönecke, Hans, Architect,
I, 717.
^Böuisch, Maler,
III, 149, 574.
'ßötticher, 0., Architect,
III, 8, 105, 262,
551, 728,

790

Bötticher, v., Maler, III, 75, 77, 78.
Bogislav X., Herzog v. Pommern,
I, 661,

773, 816, 823.
BogislavXIII., Herzog v. Pommern,
I, 764,
821, 830.

Bogislav XIV., Herzog v.Pommern, I, 777.
Boisseree, Sulpiz,
I, 237--469. II, 125,

148, 350, 373, 385.
Boleslav, Chrobri, Königv.Polen,
III, 287.
Bonnefond, Maler,
III, 531.
Bonflgli, Benedetto, Maler,
I, 392.
Bonifacius, Bischof,
I, 12.
Borgognone, Ambrogio, Maler, 1, 368,
Borio, Bildhauer,
III, 519, 523 [2].
Borum, Lithograph,
I, 234. III, 168.
Bosch, Hieronym., Maler,
I, 52 7.
Bosche, Barthol. van den, Maler,
II, 506.
Both, J., Maler,
I, 524, 526.
Botticelli, Sandro, Maler,
I, 411.
Bott^e de Toulmon, Mitglied des Insti-
tuts,
III, 469.
Bouchardon, Maler,
III, 162.
Boulanger, Maler,
III, 530.
Boutell, Charles,
II. 601.
Bouterweck, F., Maler,
III, 194 [2], 675.
Boydell, Kupferstecher,
III, 52.
Boys, Maler,
II, 318.
Bouvy, Maler,
III, 685,
Bramantino, Maler,
I, 532.
Brambilla, F., Lithograph,
III, 254.
Brandenburg, Arnold, Syndicus,
II, 472.
Brandt, Medailleur,
III, 164.
Braun, Aug., Maler,
II, 318.

- , Emil, II, 627.

— , Maler, III, 550.

Bröe, P: J. van, Maler, III, 417,
Brendel, Maler,
III, 680.
Brentano, Dichter,
III, 141, 352.
Breughel, Joh., Maler,
I, 498.
Bridoux, Kupferstecher,
III, 575.
Brockes, Dichter,
III, 368.
Brülle, Architect,
III, 5l9. ,
Bronzino, Angiolo, Maler,
I, 526.
Brower,
II, 105.

Brügge, Rogier van, Maler, II, 503.
Brüggemann, W., Maler,
I, 833. II, 473.
Brühl, Graf,
III, 352.
Brüloff, Maler,
III, 145.
Brugsch, Dr.,
II, 706.
Brunelleschi, Architect, 1,246,531.111,93.
Bruno, Propst zu Bonn,
II, H9,
Brunsberg, Heinr., Architect,
I, G53.
Brunsvic, Hinrikvan, K.unstgiesser, 11,32.
— , Ludolfus van,sen.,Kunstgiesser,
II, 32.

Bruyker, de, Maler, III, 685.

Bruyn, Barthol de, Maler, 11,301, 316[2].

Verzeichnisse.


ii'i

-ocr page 792-

II. Namens-Verzeiclmiss. 791

Bürde, Bildhauer, III, 575, 687.
Buffalmaco, Maler, 1, 254.
Bunschalrt, J,, Mönch,
II, 340.
Buonarotti, Michel-Augelo, Bildhauer und

Maler, 11, 858,'507, 516.
Buoni, Silvestro de, Maler,
I, 388,
Buonviciuo, Alessandro, Maler,
II, 404.
Burchard, Abt von Tegernsee,
I, 15.
Burckhardt, J., Dr.,
II, 112, 474 [2],

501, 685.
Burger, Maler,
III, 695.
Busch, Dr.,
II, 182.
Buschmann, G., Maler,
III, 417.
Buschop, Maler,
II, 318. ,
Busse, Architect,
III, 615.
Byron, Dichter,
III, 79.

c.

Caesarius, Mönch zu Helsterbach, II, 119.
Caillouette, Bildhauer,
III, 620.
Calaiiiis, Bildhauer,
I. 309, 312.
Calandrelli, Bildhauer,
III, 575, 645.
Oaiamatta, Kupferstecher,
III, 575.
Callicrates, Architect,
II, 134. III, 100.
Callot, J., Bildhauer,
III, 154.
Calvart, Dionisio, Maler, 1, 226..
Camphauseu, W., Maler,
III, 376.
Campi, Bern., Maler,
II, 515,
Cauachus, Bildhauer,
I, 309.
Canova, Bildhauer,
III, Cl, 336, 460, 618.
Capronier, Maler,
III, 496.
Caracci, Maler, 1, 413. 497, 522, 523.
Caravaggio, Maler,
I, 413, 440. II, 515.
Caristie, Architect,
III,"473.
Carpentero, Maler,
'III, 685.
Carstens, Maler,
III, 49, 214, 526.
Caspar, Jos., Kupferstecher, 1, 422.
Catel, Franz, Maler,
III, 46, 295, 677.
Caumont de, Archäolog,
III, 475.
Cavö, Directeur des beaux arts,
III, 472.
Cellini, Benvenuto,* Bildliauer, I, 223.
Cesare da Sesto, Maler,
I, 367.
Chamisso, A. v., Dichter,
III, 55, -69,
86,243.

Champaigne, Philipp de, Maler, II, 501 [2].
Chapuy,'Lithogr., 1, 428, 468, 504.
II,

867,'516. III, 33. . ' .

Chass^riau, Maler^ III, 532,
Chateauneuf, A , Architect,
III, 296.
Chilperlch, König,
II, 109.
Chodowieki, D., Maler,
III, 162, 368.
Choiseul-Gouffier, Graf,
I, 427. *

Christopherus, Meister, Malei:, II, 309.
Chunrat; Pfaff,
I, 1.
Ciampini,
II, 97;
Cicero,
I, 301, 311, 357.

Cicognar.H, Maler, I, 531—32. . -
Cignani, Maler,
I. 415, 526.
Cimabue, Maler, 1,382,410,528. 11,314,
362.

Claessetis, Anton, Maler, II, 508.
Glasen, Lor., Maler,
III, 184, 512, (570.

— , C.,-Maler, III, 376. '
Cleve, Joas v., Maler,
II, 520.
Clodebalt, König,
II, 109.
Clodt,
v., Bildhauer, III, 411.
Clouet, Fr., Maler,
II, 710.
Clovii), Giulio, Maler,
II, 65.
Cluysenaer, Architect,
III, 514.
Cockereil, 1, 360.

Cogniet, Maler, III, 438, 484, 525., 531 [2].
Colantonio, siehe Fiore.
Colotes, Bildhauer,
I, 310.
Coney, John,.Maler,
III, 56.
Conrad von Scheyern, 1,84,87. 11,182.
Conrad, Hiazog v. Zähringen,
II. 410.
Conscience,"Hendrik, Schriftst., 111,451.
Coustantin, Porcellanmaler,
III, 5L'4.
Coock, Kupferstecher,
-III, 61.
Cordero, Schriftsteller, 1, 421.
II, 58 |2],
105, III.

Cornelius, P. v., Maler, II, 228, 413.
III, 127, 131, 349, 589, 543, 544,
643, 645 [2J, 647, 688, 705.
Correggio, - Maler,
I, 413, 522, 523.

11, 9 £f., 65, 515, 524.
Cortenbach, Ivan v., Maler,
I, 814.
Cortot, Bildhauer,
III, 145,519;522, 523.
Cosimo, Piero di, Maler, l, 246 ['i].
Couder, Maler,
III, 484 [2], 529, 532,
Courmont, Bureauchef des monuments

historiques, III, 473.
Court, Jean de, Emailnialer,
II, 712, -

— , Jean, Viginr, Emailmaler, 11,712.

— , Martin Didier, Emailmaler, 11,712,

— ,. Susanne, Etnailmalerin. II, 7l2.

— , Maler, III, 529.
Courtin, Lithograph, I. 508.
Courtüis, Pierre, Emailmaler,
II, 712.

— , Jean, Em-ailmaler, II, 712.
Cousin, Jean, Maler,
II, 511.
Coxis, Michael, Maler,
II, 504.
Cranach, Luc., sen , Maler,
I, 165, 170,

450, 452, 459, 460,- 814, II, 32,
671—86, 720.
Cranach, Joh., Maler, jun,,
I, 171, 172,
178, 180, 454, 459, 461,' 462, iU
815.
II, 078. „ »

Credj, Lorenzo di, Maler, I, 411.
Crespi, Dan., Maler, I, 525.
Cretius, C.', Maler,
HI,. 191.
Cruikshank, Maler,
III, .24, 154, 24a.
Criss^, T. Turpin, Comte dej 1, 516.


-ocr page 793-

Cuiiingham, Maler, IH, 612.
Curtins, Ernst, Archäülog, II, 469,

D.

Diihl, J. 0, Maler, l, 517. II, ; 30.
Damasciiis, Schriftsteller, III, 279.
Dalmasio, Lippo di, Maler, I, 377,
Damen, Hermann, I, 654.
Dainophon, Bildhauer, I, 308.
Daute, Alighieri, Dichter, III, 41.
David, J. L., Maler, II, 151. III, 118,

482 [2], 524.
David, P.J., Bildhauer, 111,522,523—24,

535, 575, 618, 620.
Debacq, Maler, III, 145,
Debon, Maler, HI, 235.
Decaisiie, 11., Maler, III, 423.
Decamp, Maler, III, 145.
Deecke, E., Dr., II, 374, 432, 480.
Deger, E., Maler, III, 184, 501, 512.
Degobert, P., Lithograph, III, 423, 424.
Deis, C., Xylograph, II, 639.
Delaborde, Schriftsteller, III, 247.
Delacroix, Maler, III, 485, 529, 573.
Delaroche, Paul, Maler, III, 145, 417,

438, 485, 528, 529.
Delaurie, Maler, II, 710.
Del^cluze, Mitglied des Instituts, 111,469,
Dello, Maler, II, 693.
Delorme, Maler, III, 529,
Deroy, Litiiograph, 1, 415, 433.
Desarnod, A,, I, 214.
Desfoeuf, Bildhauer, III, 145,
Desiioyers, Baron, Kupferstecher, IM, 435.
Dethier, P. A., Schriftsteller, I, 447.
Deveria, Maler, III, 485, 525, 529.
Dewasme, Kupferstecher, HI, 455,
Dibdin, III, 36.

Didro.n, Mitglied des Instituts, III, 469.
Dielmann, Lithograph, III, 102,
Diepenbeck, A. van, Maler, II, 319. ,
Diietrich, Matthias, Stückgiesser, II, 6^9,
Dlpötius, Bildhauer, !, 307.
Disteli, Maler, III, 80.
Dodo, Landgraf
v. Rochliz, I, 263.
Dodwell, I, 281, '318, 319.
Döbner, A. W., Architect, II. 648
Döpler, Maler, III, 613,
Dörbeck, Franz, Maler, 111,-138.
Düke, Carlo, Maler, I, 218, 523, 526.

II, 646. III. 169.
Dominichino, Maler, I, 413. III, 371.
Donaldson, I, 286, 287,
Donatello, Bildhauer, I, 24(3, 390, 531.
Donzelli, Pietro, Maler, I, 381,
— , ippolito, Maler, I, 381,

.H
ii<

in»;.

IW

792

■üb

Dorst, Leonhard, Zeichner, II, 612 [2].
Dow, G,, Maler, I, 522,
Dragromaani, Schriftsteller, I, 532.
Drake, Fr., Bildhauer, III, 150, 233,

260, 640,' 697,
Dreybanpt, Schriftsteller, II, 29.
DrÖllLng, Maler, III, 52."), 529.
Dronke, E., Dr., 11, 7.
Duban, Architect, III, 433, 473, 489.
Dubuisson, Maler, III, 161,
Duccio, Maler, I, 410:
Dürer, Albr., Maler, I, 218, 219, 228,
379, 384, 435, 452, 494. II, 52, 53 [2],
54, 55, 818, 321, 322, 348, 435, 493,
495 [2], 520, 525, 542, 639, 684.
III, III, 732.
Düriich,
v., Hauptmann, II, 565.
Duisbergh, Conr., Goldschmied, II, 335.
Dnller, Ed., Schriftsteller, III, 203.
Dumont, Bildhauer, III, 523, 575.
Duncker, C., Muler, III, 185.
Dupont, Architect, I, 239.
Duquesnoy, F., Bildhauer, II, 500 [2],
502.

Dufourny, I, 281.
Duret, Bildhauer, III, 523.
Dussieux, Schriftsteller, II, 705.
Duval-le-Camus, Maler, III, 530, 532,
Dyer, Kupferstecher, III, 61,
Dyk, A. van, Maler, 1,526, 11,321,322,
352, 427, 502, 503, 506 [2], 636,
. 1

E.,

Eastlacke, C, L,; Maler, III, 79.
Eberhard II , Abt v. Tegernsee, I, 15, 17,

— , Erzbischof v. Trier, H, 109,

— , C., Bil'dhäuer, III, 242, 542.
Eberlein, Lithograph, II, 575.

Ebers, Maler, III, 376.
Echard, Schriftsteller, 11, 131.
Eekstrom, Heinr., Chronist, Ij 486,
Eeckhout, Maler. III, 573.
Egan, Kuffferstecher, III, 79.
Egbert, Erzbischof
y, Trier, It, 340.
Eggers, Maler, I, 172.
Ehrhardt, A.,-Maler, III, 185, 559.^
Eichendorff, J. v.. Dichter, III, 69.,'
Eichens, Ed., Kupferstecher, I, 422, 504.
III, 101.

Eichens,.Herrn., Kupferstecher, III, 285,

645, 686.
Eichhorn, Maler, III, 678.
Eitnbeck, Conr, von, Bildhauer, II,\29.
Elburch, Hans van, Maler, II, 504.
Ellinger, Abt von Tegernsee, I, 15.
Elsasser, A.. Maler, III, 574.

Verzeiclinissfl.

märn


-ocr page 794-

11. Persolien-Verzeichniss. 793

Eltester, Leop., Schriftsteller, II, 108, III,

112, 113 [2]. • ■•

Elzheimer, Adam, Maler, II, 580.
Embde, Aug. von der, Maler, III, 253.
Eugelbert, Erzbischof v. Köln, II, .125,
Ensinger, Arcjiitect, II, 421.
Ernst, Ludw., Herzog v. Pommern, 1,776,
— , Bogislav, Herzog v. Croy, I, 830.
Erwin v. Steinbaoh, Architect, II, 149.
Escalante, J. A., Maler, I, 501.
Eschenbach,Wolfr.v.,Minnesänger,III,152.
Esperstedt, H. W., Maler, III, 191,
Este, Anton d', Bildhauer, I, 492.
Etex, Bildhauer, III, -522.
Everdingen, Albert van, Maler, III, 80,

367, 564.
Eybel, A., Maler, III, 194, 572, 661.
Eyck, Joh. vau, Maler, I, 376, 379, 382,
413, 538. II, 18, 322, 503, 504, 508,
Eyk, van, Gebrüder, Maler, II, 64, 307,
32l>, 506.

Eyk, van, Margar., Malerin, II, 64, 504.

Eyken, Jean van, Maler, III, 516.
» ■

F.'

Fabriano, Gentile da,-' Maler, I, 377,

386—404,
Fabriano, Antonio da, Mgler I,- 402,
Fahne, A,, Schriftsteller, II, 135, 474.

III, 282.
Falbe, Maler, III, 161.
Fay, J,, Maler, III, 376, 511, 670.
Feckprt,
G., Lithograph, III, 568, 686,
Federer, Lithograph, II, 543.
Fellner, Dr., Maler, III, 21.
Felsing, H., Kupferdrucker, III, 70.
Ferdinand der Katholische, III, 248,
Ferrari, Gaudenzio, Maler, I, 368, '525,

— , FrandescoBianchi, Maler," II, 513,
Ferreri, Kupferstecher, I, 524,
Ficino," Gelehrter,
1, 246.

Fiebiger, Zeichner, I, 433.-
Fiesole, Fra Giovanni da, Maler, I, 246,
386, 411, 439, 532. III, 192. .

— , Beato Angelico da, Maler, I, 389,
392.'

Filelfo, Gelehrter. I, 246.
Filgraf, Maler, III, 192;
Fincke, Kupferstecher, III, 567, 575.
Finden, Kupferstecher, III, 61. "
Fiore, Cölantonfp del', Maler, I, 376,382.
Fiorillo, Kunstforscher, II, 52, 53, 54. '
Fischer, A.,Bildh., III, 163,196,645, 687.
, K.,Lithograph
,ni,198,562,686.

— , S., Dr„ Schriftsteller, III, 564,

— , K,,Medailleur, 111,575,688,704,

Kugler, Kleine Schriften. III.

Flandrin, Hippolyte, Maler, I1I,445,532[2],
Flaxmann, John, Bildh., III, 41, 61, 77.
Fleary, Bob,, Maler, III, 530, 684, 685.
Flink, Govard, Maler; I, 526.
Floris, Franz, Maler, II, 501, 504.
Flüggen, G., Maler,-III, 674.' .
Förster, Dr. E., Schriftst, 1,430, III;401,
Foltz, -Ph.,, Maler, III, 546 [2].
Fontaine,* Architect, III, 489, 519 [2].
Foppa, Vincenzio, Maler, I" 368,
Forestier, Maler, III, 529.
Fortini, Joach., Bildhauer, II, 283.''
Fouquet, Jean v. Tours, Maler> ll, 64, 351.
Fragonard, Maler, III, 525, '
Francesca, Piero della, Maler, I, 387, 388,

532. - -

Francesco dlMaestro Simone, Mal., 1,376,
Francia, Francesco, Maler, I, 412,
Franok, F., sen., Maler, II, 505,
Franco, Angelo,. Maler, I,'. 375, 377.
Franz I. von Frankreich, II; 61, '
Frauenlob, Minnesänger, I, 654.
Freiligrath, Ferd., Dichter, III, 87,
Frenzel, J. G., Inspector d, Kupferstich
_cabinets in Dresden, I, 415, II, 549.
Frick, Oberbe'^rgrath, III, 75, .
Friedläuder, Dr., Schriftsteller, III, 236.
Friedrich I., deutsch. Kais., f, 18. II, 735.

— I., König V, Preuss,, I, 644, 778.

— IL, Köuig V. Preussen, III, 161.

— Wilh.III, Kön. v.Preuss., III, 162.

— - Wilh. der Grosse, Kurf., I, 644.
III, 479.

— III,, Kurf, v.Brandenb,, III, 160.

— . der Weise, Kurfürst, II, 674.

— , Maler, III, 29ä,
Friedenreich, Maler, III, '665. - •
Friesen, Herm. v., Schriftsteller, III, 253.
Frisch, Maler, III, 162.

Fritsch, Dan., Maler, I, 494, 562,
Fromme], Maler, III, 203.
Froümund, Gelehrter. I, 14.
Fry, Kupferstecher,-III, 61,
Fuchs, Maler, I, 239. .,
Führich^ Jos., Maler, III, 9, 10, 18, 424.
Fumagalli, Kupferstecher, I, 367, 412.
Furini, Maler, II, 321.

Gaddi, Taddeo, Maler, I, 253, H, 292,
Gärtner, v,, Architect, III, 129, 196,420,

488, 537, '

Gärtner, Maler, IH, 680. ' •
Gailhabaud, J., II, 118, 119, 408, 410,

645, 727.
Gail, W,, Maler, III, 245, 303.

52


-ocr page 795-

794

Gallait, L., Maler, IH, 377, 401, 417

457, 458, 485, 513, 737.
Gailenberg, Graf y., I, '248.
Garavaglia, Kupferstecher, I, 524.
Garbo, Raffaellino del, Maler, I, 411.
Gareis, Anton, Maler, III, 9.
Garofalo, Maler, I, 385.
Gasparin, de, Graf, Mitglied der Acade-

mie, III, 469.
Gassen, Maler, III, 546.
Gavard, M., III, 112.
Gaye, Dr„ I. 530, 532. II, 356.
Gebhard, Bischof v. Begensburg, I, 1-6.

— , Abt von Paulinzelle, II, 37.

— , J., Bildhauer, III, 378.
Geefs, Bildhauer, III, 513, 516 [3],

517 [2].

Geefs, jun., Bildhauer, III, 517.
Geerts, Bildhauer, III, 517, 575.
Geier, F., II, 560, 567, , 723, 739.
'Geldorf, Maler, II, 317 [2],
Gelen, Geschichtschreiber, II, 191, '263,
393.

Geller, Xylograph, III, 559.

Gemmel, Architect und Maler, III, 576,

680, 690 [2].
Gentileschi, Orazio de, Maler, I, 526.
Gentz, Architect, III, 309.
George, E., Maler, III, 192.
Geppert, Dr., II, 361.
Gerhard, Meister, Architect, II, 132, 133,

135, 144, 386.
Gerhard, Propst zu Bonn, II, 119, 120,
121
[2].

Gerhard, W., Archäolog, I, 838, 419.
Gerhardt, E., Maler, II, 383, 687.
Gerhart, Joh., Bildhauer, II, 28.
Gero, Markgraf, II, 365,
Gersdorf, v., Hofrath, II, 551.
Gerung, Abt von Hirschau, II, 35.
Gessert, Dr., II, 492, 540.
Gessner, Salomo, Maler, III, 370.
Geyser, G, W., Jun,, Maler, I, 427, 445,

470, 507. II, 701.
Ghiberti, Lorenz, Bildgiesser, I, 245, 246,

531, 532. , ;

Ghirlaiidajo, Dom., Maler, I, 247, 412.

II, 56, 58. III, 418.
Gildemeiäter, K., Architect, U, 582,
Gilly, David, Architect, III, 308, 335.
Gimignano, Vincenzio da, Maler, I, 523,
Giordano, Luca, Maler, III, 256,
Giorgione, Maler, Ij 221. II, 404, '5l4,
515.

Giotto, Maler, I, 253, 371, 375, 410.

II, 434, 503.
Girardet, Maler, III, 573.

, Gisier,. Maler, III, 515, &17.

Glokendon, Nicol., Miniaturmaler, I, 477.
Glume, Maler, III, 161.
Gnauth, Lithograph, II, 575,
Godefroy, Maler, II, 64.
Görgel, C., Architect, II, 553.
Görres, G., Schriftsteller, II, 304. III, 244.
Görz, R., II, 560, 567, 723, 739.
Goes, Hugo van der, Maler, I, 526.

II, 523.

Göthe, Dichter, I, 515. III, 368, 701,
721.

Golbery, de, Mitgl. d. Academie, III, 472.
Goltzius, H., Maler, II, 181.
Gosbert, Abt-von Tegernsee, I, 14.
Gottfried von Strassburg, I, 88.
Gotthardt, Abt von Tegernsee, I, 15,
Gottland, Maler, II, 678.
Gotting, I. P., Maler, III, 184.
Goujon, Jean, Bildhauer, II, 515 [2].

III, 620.

Gozzoli, Benozzo, Maler, Ij 254.

Gräb, Maler, III, 574, 678.

Grashofif, Maler, III, 189.

Graeff, E., Xylograph, III, 698.

Graff, Maler, III, 700.

Gramzow, Bildhauer, III, 40.

Gratian, Kaiser, II, 114.

Gray, Fearnside, William, III, 8,

Grenze, Maler,'II, 515.

Grien, HansBaldung, Maler, I, 813, 814.

II, 55, 315, 520, 521. .
Grillon, Mitglied der Academie, III, 469.
Gropius, Karl, Maler, III, 82, 54, 115,
356.

Gropius, P., Maler, III, 680.
Gros, Maler, III, 482.
Grümbke, Schriftsteller, I, 663.
Grüneisen, K. v., Schriftsteller, I, 264,

405. II, 31.
Grünewald, E., Kupferstecher, III, 109.
— , Matthäus, Maler, II, 33, 523,
674, 680.
Grüuler, Maler, III, 69.
Gruber, B., Architect, 507.
Gruner, Ludw., Kupferstecher, II, 627.
Guariento v. Padua, Maler, I, 398.
Guarino, Gelehrter, I, 246.
Gude, H,, Maler, III, 681,
Guerino, Baidassare, Architect, I, 392,
Guercino, Bassano, Maler, I, 413, 526.
Ii, 427.

Guglielmi, A., Knpfexstecher, I, 243.
Guido, Maler, I, 413, H, 427,
Gurlitt, L., Maler, IH, 419, 678. .
Guttenberg, Johann v., III, 270.

Verzeichnisse.


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11. Persolien-Verzeichniss. 795

H.;

Haach, L., Zeichner und Maler, II, 455.
III, 303,

Haanen, van, Maler, III, 296, 574.-
Habenschaden, L., Maler, III, 303.
Hackeft, J. Ph., Maler, III, 162:
Hagen, Augnst, Schriftsteller, I, 245.

— , Ludw. v„ Erzb. V; Trier, 11,247.
Hagn,
v., Maler, III, 685.
Halnhofer, Philipp, I, 826.
Hals, Franz, Maler, II, 358.
Hampe, Professor, I, 462.
Hanfstängl, Lithograph, I, 522.
Happel, Maler, III^ 574.
Harnisch, C., Maler, IH, 116.
Harrys, G., Schriftsteller, III, 252.
Hartmannus, Bildhauer, I, 142.
Hartwich, Abt v. Tegernsee, I, 13.
Hasenclever, Ji P.,. Maler, III, 426,- 571,
673, 682.

Hasenpflug, C., Maler, I, 483. III, 32, 680.
Hassler, Dr., II, 563.
Hauch, Zeichner, I, 433.
Hawich, Chr., Litliograph, II, 70.
Hedlingcr, Medailleur, III, 705.
Heemsen, J. van, Maler, II, 502.
Hefner, J.v., Kupferstecher, 1.475.11,428.
Heideloff, C., Architect, II,M46, 538, 541,

553, 571, 648, 651, 652.
Heidenreich, Maler, III, C65.
Heim, Maler, III, 525,
Heine, H,, Dichter, IH, 140, •
Heinemann, Joseph, Maler, IH, 735'.
Heinrich I., Abt von Tegernsee, 1, 26.

— , Erzbischof,v. Tfier, II, 185.

— VIII. von England, II, 61.

— II. von Frankreich, II, 61.

— III., Herzog v, Baiern, I, 15,

— I., König, III, 477.
Helena, Kaiserin, II, 119. •
Heller, Schriftsteller, I, 450. '
Heimle, Maler, III, 496.' ' •
Hemling, Maler, I. 90, 165, 413, 538.

II, 503, 507 [2], 508, 52.3. ' '
Hengsbach, Maler,
in,'68l.
Hennequin, Maler, III, 515, -
Henning, A., Maler, HI, 175, 176,
Henschel, Bildhauer, «III, 260.
Hensel, -Maler, II, 595, III, 74, 192,.
Hering, Loyen, Bildhauer, II, 274.
Herlin, Fr., Maler, I, 178.
Hermann, Bischof v. Canimin, I, 655.

— , der Cherusker, III, 299. ''

— , C. H., Maler, I, 115. IH, 127,
130, 132; 152, 228,
247', 349, 544,
547, 637, 639. '

Hermann, H., Schriftsteller, I, 329.
Herodot, I, 314, 329. , '
Herold, W. H., Bildgiesser, II, 282.
Herrera, Juan de, Architect, III, 255, 257.
Hess, J. Ed., Architect, I, 200.

— , H., Maler, III, 70, 127, 131, 228,
493, 546, 547. .

— , Peter, Maler, III, 548.
Hesse, L. F., Dr., II, 34. - ^
Hessemer, F., Architect, I, 502.
Hettner, H., Schriftsteller, I, 361,
Heunert, Maler, IH, 419, 681.
Hildebrandt, C., Lithograph, I,,237.'

— , Tb., Maler, I, 833. III, 7,
69, 168, 169, 419, 571,574, 668,679.

migers, Maler, III, 679.
Hiller, Architect, III, 552.

— , Ferd., Componist, III, 558.
Hiltensperger, Maler, III, 546.
Hirsch, Th„ Dr., II, 471, 603'.

Hirt, A., Schriftsteller, I, 419. II, 103 [2],
479, 685.

Hittorff, J., Architect, I, 260, 266, 268,
282, 289, 291, 332, 352. III, 489,
497, 520, 522.
Hitzig, F.,'Architect, IH, 615, 689.
Hobbema, Maler, III, 169.
Hochfelden, Krieg v., II, 36,
Hochstaden, Conrad v.-, Erzbisch, v. Köln,

II, 125, 127, 131, 133, 134, 474._
Hochstetter, Albertinev., Malerin, HI, 683,
Hodiu, Maler, II, 64. .
Hörberg, Pehr, Maler, III, 44.
Hoff, l^icolaus, Lithögr., I, 423, 428.
Hoffmano, A., Kupferstecher, III, 413,

645, 686. -
Hofmann, S.. E., Lithograph, III, 260.
Hohe, Fr., Lithograph, «I, 523.
Hohenlohe,'Joh. v., I, 109.
Holbein, Hans, sen., Maler, II, 518, 519,
525,

Holbein; Hans, jun., Maler, I, 433, 523,
526: Ii, 55. 61, 65, 414, 426, 478,
518, 519, 520, 522 [2], 684.
Holbein, E., Maler, III, 192,
Holiar, W«nzel. Kupferstecher, I, 230,

II, 130, 237.
Holz, W. F., Architect, III, 196.
Honor^, Bildgiesser, HI, 523,
Hontheim,, Geschichtschreiber, II, 109,
Honthorst, Maler, II, 317, 321. ^ .
Hood, Thomas, III, 25V ^
Hooghe, P. de, Maler, I, 523.
Höpfgarten, A,, Maler, III, 191.

— , Bildhauer, III, 687.
Hosemann, Lithogriaph, HI, 107,

^ , Maler, XU,'665,


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Hotho, H. G., Dr., Schriftsteller, I, 409.

Hoyoll, Maler, III, 189.

Hübner, 0., Maler, III, 419, 673, 695.

— , J., Maler, II, 34. III, 7, 43,
181, 183, 272, 501, 559, 571.

Hübsch, Architect, III, 488, 536, 537.
Hügel, Heinr., Kupferstecher, HI, 109.
Hülser, Fr., Maler, HI, 681.

— , W,, Maler, IH, 681.
Hülzmann, Maler, II, 317.
Hufeland, Arzt, III, 150.
Hugibert, Herzog, I, 13.

Humblot, Emmeline, Malerin, III, 683.
Humboldt, Alex, v., III, 150, 162.

— , W. T., in, 150.
Hunin, Maler, HI, 573.

I.

Ictinus, Architect, 1,287. II, 134. 111,100.
Imhof, Bildhauer, IH, 65.
Imola, Innocenzo da, Maler, I, 423.
Ingres, Maler, III, 438, 443, 507, 525,

526, 527, 530.
Inwood, II, 67, 69.

Isabella, Königin von Spanien, IH, 248.

J-

Jacob v. Arragonien, III, 248.
Jacobs, J., Maler, III, 189, 685.
Jacquet, Bildhauer, III, 415.
Jacquevrart, Maler, II, 64.
Jacquotot, Madame, Porcellanmalerin, III,
534.

Jahn, 0., Schriftsteller, II, 88. ,
Janssen, J., Maler, III, 417.

— , J. Th., Kupferstecher, HI, 426.
Janssens, Abraham, Maler, H, 505,
Jarwart, S, H., Zeichner, II, 719, 720.
Jazet, Kupferstecher, III, 114."
Jentzen, Fr., Lithogr., III, 51, 610, 686.
Jerndorff, I. U., Maler, III, 616.
Jerrich, Maler, II, 317.

Joachim I, und Joachim II., Kurfürsten

von Brandenburg, II, 675.
Johann Friedr., Kurf, v. Sachsen, 11,675,

— , d. Beständige v, Sachsen, II, 675
Johannot, Alfr., Maler, III, 531.
Jollivet, Maler, III, 145.

Jones, J. S. E., Maler, III, 79.
Jordan, Maler, III, 571, 672 [2].
Jouffroy, Bildhauer, III, 523.
Joventinus, Architect, I, 211.
Jovianus, Architect, I, 211.
Juanes, Juan de (Vicente Juanes), Maler,
I, 498. II, 321.

Ii'

796

Julien, Lithograph, I, 433,
Jussnf, König v, Granada, II, 692.
Justinian, Kaiser, III, 395.

K.

Kallenbach, Architect, II, 381.
Kallmeyer, Zeichner, I, 433.
Kammerer, Th., Lithogr., III, 50.
Kajitzow, Chronist, I, 655,
Karl der Grosse, Kaiser, II, 573,

— IV., Kaiser, n,.38, 496.

— V., Kaiser, II, 675, 677, 678.

— I., König von England, II, 61.

— V., König von Frankreich, II, 61.

— , Theod., Kurf, von Bayern, I, 217.

— , Ad., Maler, IH, 4l9.
Kaselowsky, A. Th,, Maler, III, 193.
Katzheimer, Wolfgang, Maler, II, 652.
Kaulbach, Wilh., Maler, III, 127, 244,

278, 421, 546 [2], 549, 636.
Kehr, J, P., Lithograph, III, 168, 169.
Keller, J., Kupferst, II, 446,548.111,374.

— , Franz,Kupferstechor. III, 561, 575.
Kellner, Maler, III, "496.

Kettner, Schriftsteller, I, 573.
Keyser, de, Maler, III, 417, 457, 485,

514, 515, 685, 701.
Kiderich, Maler, III, 510.
Kinkel, Gottfr., Kunstforscher, II, 108,

III, 285, 534.
Kirchner, Zeichner, II, 367.
Kiss, Bildhauer, HI, 289, 398, 411.
Klaus, A., Lithograph, II,, 719. III, 32.
Klein, J. A., Maler, III, 137, 674.

— , W., Maler, HI, 680. .
Kleist, Dichter, III, 368.

Klenze, Leo v.; Architect, I, 345, 346,
348, 350, III, 87, 128, 196, 380,488,
536.

Klerck, W. de, Maler^ III, 685.
Klöber, v., Maler, III, 74, 75,, 244, 683.
Klüber, Bildhauer, III, 260.
Klunzinger, C., Scliriftsteller, II, 605.
Knanr, H„ Bildhauer, 'lll, 552.
Knauth, IL, Lithograph, III, 560.
Knight, Henry Gally, Kunstforscher, II,
375.

Kniller, Godfroy, Maler,- II, 546.
Knoblauch,! Architect,-III, 690.,. ,
Knolle, Fr., Kupferstecher, II, 547.
Kobell, Ferd., Maler, III, 363.
Kochj-J. C., Lithograph, III, 23.

— i JoSi, Maler, III, 46. . '
Koeckoek, Maler, HI, 515, 574. -
Köhler, Chr., Maler, III, 197.

Köln, Gerhard v., Architect, UI, 100.

Verzeichnisse.


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11. Persolien-Verzeichniss. 797

Kömer, Maler, 11^190. . . 11,7,39,4.1,42, 130, 197, 208, 217.,

Kohler, H., Lithograph, in, 50: 220. 235, 243, 245, 291, 323, 347. III,

Kolbe, C. W., Maler, Ulf 7, 114, 293, 303, 488. " ,

660, 661, 693, ^ Laudin, Jeaüj Emailmaler, II, 712,

Konrad, Abt von Tegernsee, I, 17. Launitz v,, Bildhauer, III, 260.

— , „Herzog von Baiern, I, 16. Lebas, Architect, III, 520. -
Konstantin, Kaiser, II, 583., Lebrun,Charles,Maler,1,513,533, 11,318,
Kopisch, Aug., Dichtern. Maler, 111,86. III, 481. "

Kraft, Adam, Bildhauer, ^II, 269, 421, Lechler, Lorenz, Bildhauer, II, 421.

448, 564, 584. . , Ledere, Architect, III, 522.

Krause, Maler, III, 34._ \ . Ledebur, v., L.,.I, 443, 444, 644, 649.

Kremer, P., Maler, III, 418. ' , Legat, Francis, Kupferstecher, III, 172.

Kretzschmar, E., Xylograph, III, 5'59. Lehmann, Maler, III, 531, 532.

Kretzschmer, H., Maler,. I, b33. Iii, 189^. Leigel, Maler, II, 678, ' ' • •

243, 572, 665. ■ Lein,ecker, F., Ma^r, II, 584.

Kreul, C., Maler, III, 259. Leiter, R., Lithograph, I, 222. III,'64.

Kreuter, Maler, II, 678. Leloir, Maler; III, 530.

Krigar, Maler, III, 148, 190. Lengerich, H., Maler, I, 8.33.

Krodel, Gebrüder, Maler, II, 678. Lenoir, A., Architect, III, 469.

Krüger, A., Kupferstecher, II, 548. Lenonnand, Mitglied des Instituts, . III,

— , Carl, Kupferstecher, III, 80.- 469, 472.

— , IL, Maler, III, 408, 679. Lens, Andreas, Maler, II, 506.
, Fr., Maler, III, 567, 572,613 [2], Lentz, J., Bildhauer, II, 282.

666. Leo X., Papst, III, 478.

Küchler, Bildhauer,, Iii, 266. * - Leochares, Bildhauer, I, 310.

Kügelchen, G. v,, Maler, III, 293." Lepoittevin, Maler, III, 685.

Küntzel, A., Kupferstecher, I, 228. Leprevost, Mitglied d. Instituts, 111, 469,
Kugler, Fr., Dr., I, 494, 537. II, 36, 52, 472. ^

105, 108 [2], 109, 110, lli;354, 408, Leppius, C. P., Dr. , II, 367, 375, 377,
620, 685. 455, 462, 464, 558. ... ^

Kugler, Louise, Malerin, III, 683. Lepsius, 0. E. Professor, II, 456, 702,

Kuhbeil, Kupferstecher, I, 252. Lersch, L., II, 74, 474.

Kurtz, Architect, I, ,239. > Lessing, C. F., Maler, II, 320. III, 51,

— , C., Maler, II, 639. , „ ' ■ 59, 107, 168, 181, 187, 377, 405,

• ■ ' ' 487, 501, 509, 510, 511, 680, 7ÖÖ.

■ . "t > Le Süeur, Maler, III, 161.

Letzner, Joh., Chronist, I, 486.

Labarte, J,, Schriftsteller, II, 707.: 709. Leu," A.,'Maler, 111,-681.

— . , Leo de, Mitglied des Instituts, Leuw', de, Maler, III, 681. ' . '

II, 703. III, 472, ; Levezow, Schriftsteller, in, ,309. •

Lagrange de, Mitglied des Instituts, III, Levi-Elkan, Dr., II, 380.

469. - Lewis, John F., Lithograph, III, 277.

Landon, ,C. P., Schriftsteller, III, 144. _ Leyden, Lucasv., Maler, 11,308,310,348,
Landsperg, Herrad von', I, 41. . 525,

Lang, Maler, III, 574. \ Leygebe, Gottfr., Bildhauer, II, 282.

Lange, Gg., Dr., Schriftst.', III, 108, 2,04. Limosin, Jean, Emailmalef, II, 712.

— L., Maler, I, 234. . — Joseph, JEmailmaler, II, 712.

— , Ludw., Architect, III, 108, 204. Linde, P. A., Dr., II, .113.
Langhans, Architect, III, 335. Lindemann-Frommel, Maler, III, 715,
Langlös, Schriftsteller,'I, 256. . 731, 736. .
Lanino, Bernardino, Maler,.I, 369. Lindensehmit, Maler, III, 546.

Lanzi, I, Kunsthistoriker, 419, 438, 529, Lint, Peter van, Maler,-^11, 506,.

5S2. , " , ' Lippi, .Filippino, Maler, I, 246, 411.

Lasinio, Kupferstecher» 1,252,254. 11,58.'' n,^58, 32]. » , ; ' ' ,

— , jun., Kupferstecher, I, 524., Lippo di Dalmasio, Maler,'I, 377.
Lasinsky, A. G„ jun,, Maler, III, 185. Lisch, Dr., Schriftsteller, II, 631, 635,
Lassaulx, J.'Claudius v,7-ArcMteet, 1,416, Liszt, Franz, Musiker, III, 711,. .

-ocr page 799-

798

liBifiipiilififfiMPpiliWipw^^ —--

Verzeichnisse.

Livi, Francesco di Dominico, Glasmaler,

II, 375, 581.
Livius, I, 357.

Lodi, S. Francesco, Architect, II, 629..
Löwenstein, H., Maler, III, 193.
Lombardo, Tullio, Bildhauer, II, 406.
Longhena, Schriftsteller, I, 419.
Leos, G., Medailleur, III, 669.
Lorenz, Medailleur, III, 689.
Lorrain, Claude, Maler, I, 433, 497.
Lotze, Maler. III,®'674.
Louis Philipp, Kön.,d. Franzosen, III, 479.
Loyd, H. E., Lithograph, III, 56.
Lucanus, F. G.j Dr., Schriftsteller, 1,480,

490. II, 473, 492, 540, 576.
Lucian, I, 3il.

Ludersdorf, Glasmaler, III, 683-
Ludwig, König von Baiern, III, 228, 230,
504.

Ludwig XIV. v.Frankr.,II,6l.III,479,481.

~ XVL, III, 481.
Liibke, W,, Schriftsteller, II, 635.
Lüderitz, G., Kupferstecher, III, 408,

567, 575.
Lütkens, Doris, Malerin, III, 422. "
Luini, Aurelio, Maler, I, 369.

— , Bernardino, Maler, 1,365.11,322,
404, 513.

Luther, Martin, Dr., II, 675:
Lys, van der, Maler, II, 427

.. ; . M.

Maas, J. G. W., Schriftsteller, I, 709.

— , N:, Maler, III, 169.

Mabuse, Maler, II, 65, 311, 314, 321,

322, 427, 504.
Madrazo, Josö de, Lithograph, I, 243.

. — , Don Federico de, Maler, 1,502.
Maes, Georg, Maler, II, 506.
Mais, J. B., Maler, III, 295.
Magnus, E., Maler, III, 193, 295, 572,
667.

Malbodius, Job,, Maler, II, 321.
Manche, Lithograph, III, 424.
Mandel, E,, Kupferstecher, II, 451, 636.

III, 575, 686. t

Manigold, Abt von Tegernsee, I, 26.
Manulich, v.,Galerie-Direct., 1,218.11, 685.
Mantegna, Maler, I, 428. II, 320, 512 [3].
Manuel, Nicolaus, Maler, II, 520, 684.
Mare, C., Lithograph, I, 227.

— , Pietro della, Maler, II, 18.
Maröchal, Maler, III, 498.

Maria de Medici, Kön. v.Frankr., III, 478.
Maron, Maler, III, 701.
Martersteig, Maler, III, 573, 676.

Martin, Isak, Maler, I, 219. II, 711.
~ , John, Maler, III, 53,

— , Wilh., Maler, III, 683.
Martiiiet, Achille, Kupferstecher, III, 737.
Martins, Architect, III, 616, 690.
Masaccio. Maler, I, 24fi, 253, 402, 412,

439.11,58.
Masen, Schriftsteller, IL 105.
Massa, Bildhauer, III, -620.
Mauch, J. M., Architect, I, 226, 261,
283, 292, 423. II, 368, 543,571,592.
Manch, E., Schriftsteller, II, 31, 605.
Mauntz, v., Hauptmann, II, 557.
Maurin, A-, Lithograph, I, 415, 433.
Maximilian I., Kurf. v. Bayern, I, 216.

— Joseph III., I, 217.

— • I., Kaiser, II, 38, 675.

— IL, Kaiser, II, 38'.

Mayer, Carl, Dichter und Maler, III, 86,

— , E., Bildhauer, III, 575.

— , H. T., Maler, III, ö64.

-- , J., II, 492, 540, 542, 591.
Mazo, Juan Batista del, Maler, I, 500.
Mazzoliuo, Maler, II, 58.
Meckenen, Israel v., Maler, II, 54, 301,
302 [2], 303 [2],'304 [2], 305 [2],
306 [2], 525.
Medow, Architect, I, 834.
Meereu, Gerhard van der, Maler, II, 506.
Meier, A., Schriftsteller, III, 383.
Meli, J. W., Maler, III, 162.
Melanchthon, II, 675.
Melly, Ed., Dr., II, 557. '''
Melzi, Francesco, Maler, I, 365, 423.
Menaechmus, Bildhauer, I, 309.
Mengelberg, Maler, III, 184.
Menschel, Maler, III, 34.
Menzel, A,, Maler u. Lithograph, 111,67,
72, 236, 275, 672, 576, 664, 686,
726, 729.

Menzel, C. A, Dr., Architect, III, 614.

— , W.,. Dr., 11,^565.

Merian, Casp,, Kupferstecher, II, 105.
M^rime'e, Mitglied des Instituts, 111,469,

471, 472.
Merkel, J., Schriftsteller, I, 475.
Mertens, A., Ciseleur, III, 645. ''

— F., Architect, I,. 421. 11, ^665.
Merz, H., Kupfersteeher, III,. 70.
Messys, Quintin, Maler, I, 413. II, 311,

314, 315j 320, r,04 [2], 523.'
Metsu, Maler, I, 522, 523.
Metz, G., Maler, III, 571, 670.
Metzger,Architect, III, 488.
Meulen, van der, Maler, 1,498. 111, 481,
Mevius, Maler, III, 681. -
Meyer, E., Maler, III, 2951

J2B-.....


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11. Persolien-Verzeichniss. 799

Meyer^ Fr. Rud., Maler, IH, 46.

— , H., Schriftstüller, II, 685.

— , J. G,, Maler, III, 672.

— , L., Maler, III, 203.

— , 0., Maler, III. 665.

— , W. 0-, Bildhauer, III^ 162.
Meyerheiin, F. E., Maler, I, 119. III, 276,

285, 571. GGo.
— , W,, Maler, III, 566, 6G5.
Michael, Meister, Maler, 11, 472.
Michelangelo (Buouarotti), Maler u. Bild-
hauer, III, 503.
Michiels, Alfred, Schriftsteller, ^I, 46.
Miecislav, Herzog v. Polen, III, 287.
Mieris, Fr. van, Maler. I, 523.
Miguard, P., Maler, I, 514.
Milde, G. J., Maler, II,>374, 432, 473,

548, 580. III, 30.
Miltoa,.Dichter, III, 53.
Miüutoli, Alex.
v.,Schrift8teller,1,119,449.
Mittag, Karl, Lithograph, III, 562,-563.
Mitthoff, H. W., Architect, II/ 599, 603,
638.

Möller, Bildhauer, III, 687.

Mousiau, Maler, III, 482.

Monte Puliciauo, Petrus Dominici de,

Maler, I, 375.
Montesquieu, de, Mitglied des Instituts,

111,472. • ■r'-

Monte-vecchio, Graf, I, 401.-
Mouvoisin, Maler, III, 530.
Morales el Divino, Maler, II, 405.
Moroni, Gio. Bat., Maler, II, 404.
Morazzone, Maler, I, 52Ö.
Morelli, Jacopo, I, 399* 402. .
Moschini, Schriftsteller,' I, 377, 402.
Mosen, J., Dr., Dichter, II, 475.
Moser, J., Maler, III, 193. '
Most, L., Maler, I, 833.- ' » \
Mozette, Maler, III-, 532.
Mücke, Maler, III, 181, 182, 419, 510,
511.

Müller, Adolph, Maler, HI, 190, 205, 376.

— , Anton, Schriftsteller, III, 9.

— , F. H., Schriftsteller, II, 346, 347,

— , Franz Jos., Schriftsteller, II, 20.

— , G. A,, Maler, m, 151. .

— , J. G., Dr., Bischof voä Münster,
I, 463. II, 21.- .

— , K. 0., Archäologe, 1,278.11, 397.

— , M., Maler, III, 610.

— , sen., Maler, IH, 512.

— , W., Kupferstecher, II, 571.
Muhr u. Arnoldt, Kunsthändler, I, 435.
Murillo, Maler, I, 500. II, 405. . • -
Musso y Valiente, Schriftsteller, Ij 243.
Mutina, Thomas de, Maler, II, 497.'

■ N..

Nacke, Maler, I, 172.

Nagler,.v., in Berlin,* I, 9, Ii, 26, 646,

649. "

Nagler, G.K., Schriftsteller, 1,417.11, 649.
Nason, Maler, III,. 611.
Natalis, Magister casarius, Arcbit, I, 210.
Naücydes, Bildhauer, I, 310. '

Navarette, J. F. el mudo, Maler, I, 498^
Navez, Maler, III, 496, 515.
Neefs, P., Maler, I, 49§.
Neher, Maler, III, 128, '229,
Nelli u. Nucci, Maler, I, 393.
Nerenz, W., Maler, III, 190.
Nerito, Jacopo, Maler, I, 402.-
Netscher, Maler, I, 522, 523.
Netto, Medailleur, III, 575. ,
Neumann, Joh. Baltasar, Architect, II,
420, 732.

Neureuther, Eug., Maler, III, 18, 303,
343.

Neurohr, J. M., Schriftsteller, II, 70.
Nicetius, .Erzbischof v. Jrier, II, 117.
Nicias,. Maler, I, 313.
Niessen, Lithograph, III, 168. ,
Niesenberger, Hans, Architect, II, 414,
Nilson, Maler, III, 548. '
Noel, Leon, Lithograph, I, 415, 433.-
Noel de, Schriftsteller, II, 125, 252, 258,

275, 276, 309, 310, 319, 327, 337.
Nöggerath, J,,. Geologe, II, 475.
Normand, C., Architect, I, 226, 261, 423,
Northoote, Maler, III, 172.
Nouailher, Pierre, Emailmaler, II, 712.

'—. ', Jean Bapt., Emailmal., II, 712,
Nox, M., Maler, II, 295.
NunnezPedro de Vlllanlceacio, Maler,
I, 501.

Nuzi.i^ Allegretto, Maler, I, 388, 389,.

Obflrstraetea-Rolandt, van, Architect, III,

489. ,

Odilo, Herzog von Bayern, I, 12,
Oehme, E., Maler, III, 559.
Oer, Th., Maler, III, 559, • ,
Oggione, Marco d', Maler, I, 365, 367.
Osterley, Carl, Maler^ III, 252.
Ohlmüller, Architect, III, 129, 488, 539.
Olbers, Astronom, HI, 710.
Olivier, Fr., Maler, I, 172.
(?pitz, Martin, Dichter, I, 655,
Ojcagua, Andrea, Maler, I, 254. II, 624,

— , Bernardo, Maler, I, 254.
Orleans, Herzog u. Regent v.Frankr., II, 62,


-ocr page 801-

800

Orley, ßernli. van, Maler,a, 498. II, 19,

500, 502.
Orrente, Pedro, Maler, I, 501.
Ossian, Dichter, III, 116.
Ostade, Adrian van, Maler, I, 433.

— , Isaali van, Maler, I, 524, 526.
Osten, Friedr., Zeichner, II, III, 112,
113 [2].

Osterwald, C., II, 71, 85, 88, 91.

— , Lithograph, III, 200, 252.
Otte, Pastor, Archäolog, II, 464, 552.
Otto II., Herzog v. Baiern, I, 13.

— , Graf v. Nordheim, I, 16.

— , Rischof v. Bamberg, III, 397.
Ouwater, A. van", Maler, II, 320.
Overbeck, Fr., Maler, III, 23; 29, 101,

177, 374, 406, 413, 503, 509, 560,
' 565, 604.
Owen, Jones, I, 360.

P.

Palladio, Architect, III, 96.
Palma, Vecchio, Maler, II, 514.
Palmaroli, C., Kupferstecher, I, 243.
Palmezzaiio, Marco, Maler, I, 378.
Pancenus, Maler, I, 268, 310.
Papa, Simone il veccbio, Maler, I, 382.
Pape, E., Maler, III, 679.
Papencordt, Felix, II, 356.
Papety, Maler, III, 573.
Papin, Lithograph, III, 107.
Pareja, Juan de, Maler, I, 499.
Parizeau, Ph., Kupferstecher, III, 365.
Passavant, J. D., Kunstforscher, II, 59,
132, 298, 320 [2], 386, 434, 656, 680.
Passy, A., Mitglied des Instituts, III, 472.
Patenier, Maler, II, 321, 322. . "
Patras, Lambert, Bildgiesser, II, 499.
Paulus, Melchior, Uildschnitzer, II, 335.
Pausanias, Geschichtschreiber, 1, 267, 269,

306, 308, 309, 311, 314, 344.
Penni, Francesco, Maler, I, 385, 11,594.
Pe'nicaud, Jean, sen., Emailmaler, II, 710.

- - , — , jun., II, 710.
, Pierre, II, 710.

Penrose, F., Architect, I, 358, 360.
Pens, Georg, Maler, III, 732.
Pepin, Martin, Maler, II, 505.
Percier, Architect, 111,431,489, 519 (2].
Perugino, Pietro, Maler, I, 412, 423, 439.

II, 405, 512, 516. •

Pertz, Prof., II, III.
Pertsch, Architect, III, 129.
Peruzzi, B., Maler, IL 405.
Paschel, C., Maler,- III, 559.
Pesne, A., Maler, HI, 161, 371, 612 [2].

Petitot, Maler, H, 336.
Petrus, Ghristophörus, Maler, II, 320.
Petzl, Jos., Maler, III, 62.
PfannSchmidt, Maler, III, 662.
Pfeil, Graf v., Zeichner, III, 616.
Pfeilschmidt, E. H., Schriftsteller, II, 407.
Pfeuffer, C., Medailleur, III, 706.
Pflugfelder, F. A., Kupferstecher, III, 561,
604.

Phidias, Bildhauer^ I, 308, 309, 310,

312, 316, 344. II, 63.
Philipp!., Herz.
v.Pommern, 1,771,819.

— IL, I, 824.

— v. Schwaben^ III, 107.
Philippoteaux, Maler, III, 530.
Pichler, Franz, Maler, III, 365.
Piderit, F. C., Schriftsteller, III, 200, 203.
Piehl, Bildhauer, III, 687.

Pietro di Cüsimo, Maler, I, 246,
Pietrowski, Maler, III, 665.
Pilliard, Maler, III, 530.
Pilon, Germain, Bildhauer, II, 516.
Piloty, Ferd., Lithograph, I, 222, 244.
Pinturicchio, Maler, I, 254. III, 478,
Piombo, Seb. del, Maler, II, 405,"'514.
Pisano, Nicola, Bildhauer, I, 410. II, 14,
646.

— , Andrea, Bildhauer, III, 569.
Pisanello, Vittore, Maler, 1,377, 398—400.
Pistorius, Maler, III, 168.

Pius IL, Papst, III, 478.

Plautus, Dichter, I, 312,

Plinius, Naturforscher, I, 268,* 307, 312,

315, 357. III, ,760,
Plüddemann, H., Maler, I, 833. III, 188,

243, 376, 511 [2].
Pliitarch, Geschichtschreiber, 1, 307, 309,
315.

Pocci, F. G. v., Schriftsteller, III,, 244.
Poggio, Gelehrter, I,^ 246.
Pölenburg, Maler, I, '498.
Pollein, Maximin, Goldschmied, II, 335.
Polyklk, Bildhauer, I, 310.
Ponsart, Maler, II, 371,
Pontormo, Maler, I, 432. II, 358, 405.
Poppel, J., Kupferstecher, II, 388. HI, 112.
Poppo, Erzbischof v. Trier, II, 109.
Portmann, Maler, III, 574, 681.
Pose, E. W., Malej-, III, 377.
Potter, Paul, Maler, II, 427. -
Pottgiesser, Maler, II, 317.-,
Pourbus, F„ Maler,' II, 505.
Poussin, Caspar, Maler, I, 497, 513, 524.
r- , N., Maler, I, 497. II, 515. HI,
145,507.

Pradier, Bildhauer, IIV415, 522, 523[2].
Prangey,Giraultde, Schriftstellör, 111,521.

Verzeiclinisse.


k

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11. Persolien-Verzeichniss. 801

Praxiteles, Bildhauer, I, 311, 313. Rauch, Ernst, Kupferstecher, I, 483. III,
Preyer, Maler, III, 574, 682. 108, 204, 243.

Procaccini,Giul. Ges.,Maler, 1,525.11,515. Raupaoh, Ernst, Dichter, HI, 203.

Püttmann, H-., Schriftsteller, II, 395, Raymond, Pierre (Rexfnon), Maler, II, 711.
Pujet, Pierre, Bildhauer, II, 516. III, 620. — , Martial, Emailmaler, II, 712.

Paliau, Maler, III, 681. , Reclam,,Maler, III, 161.

Puligo, Maler, I, 432. Redtel, David, Maler, I, 822.

Puttrich,L., Dr., Schriftsteller, 1,263,427, Regnier, 0., Kupferstecher, 11,431,584.

445, 466, 467, 507, 696. II, 12, 363, Rehbenitz, Maler, I, 172.
367, 368, 374, 452, 466, 49Ö, 535, Reich, Bildhauer, III, 536.

550, 566, 569, 586, 625, 637, 699, 701. Reicheosperger, A., Schriftsteller, II, 380,

Reindel, Albr,, Kupferstecher. I, 494, II,
Q. 573.

Quaglio, Dominic, Maler, I, 239. III, 71, ^^eio^ardt, f

Qaandt, . Schriftsteller, II, 55, 594, III, Sfct'K^t^ler'ü''lichter, HI, 58,

Quast,'A,Ferd.v., Architect, 1,693, 696. 86 ^08, 24S, 302, 375, 558, 559,

II, 55, 58 [2], 67, 69, 401, 487, 576, ^ ,, „ , ,

604, 722, 726, 728, 729, 731, 735, ^«S^ltV

739 740 III 316 021, Oio. Ii, 4^0 — iib.

Qaatre'mere'de Quiuci, Schriftsteller", I, T X., n 724 737, 739.

265 SOq ^Ifi 817 fi17 Remy, A., Maler, I, 833.

Quednow, C, f!, II,' 20,"97, 99, 103, ^^^^ ' 526.

104 105 191 ^ ' " • '

Quercia, Jacopo della, Maler, I, 531. J- '

Quötif, Schriftsteller, II, 131. iS c. o.o

' ) I • Rethel, A., Maler, III, 102, 186, 248,

p 487, 510, 571,

Rettberg, R. v,, Schriftsteller, II, 362,

Rabe, Edm., Maler, III, 571, 665. 545.

— , M. F., Architect, II, 659. Retzsch, Moritz, Maler, HI, 36, 56, 78,
Raczinsky, Ed. Graf, II, 52, 53. III, 287. 243.

Radike, Maler, III, 665. Reumont, A. v., Schriftsteller, I, 430, II,
Radowitz, v., General, Schriftsteller, II, liO, 112, III, 243,

547. Rhoden, E. v., Maler, II, 548. III. 46.

Rahl, Maler, III, 573. Ribera, Jos6 Spagnoletto), Maler, I, 501.

Bamberg, J. H., Maler, III, 80. Richter, L., Maler, III, 203, 559, 621.
Ramboux, J, A,, Conservator, H, 71, 154. — , Fr., Maler, III, 672.

Ramey, Bildhauer, HI, 523 [2]. Ridolphi, Schriftsteller, I, 396,

Ravaldi, Giuseppe. I, 395. Riedel, Maler, III, 421, 426, 563, 573.

Rancke, E. F. Dr., 1,540. II, 36. Riemenschneider, Tilmann,^Bildhauer, I,
Raoul Rochette, I, 316^ 345, 886, 517. 160, II, 418 [2], 653, 584-86. '

Raphael, Maler, I, 410, 415, 417, 419, Riepenhausen, Joh., Maler, I, ■252. III,
423, 504, 538. II, 65, 359, 405, 434, 46, 178.

446, 513[2], 514[2]. 520, 523[2], 548, Riepenhausen, H., Maler, I, 252, 514.
594, 595[2], 599, 627, 655. III, 371, Rietschel, Bildhauer, IH, 260, 558, 632.
478, 508, 720. Ristero, Mönch u. Architect, II, 134.

Raphon, Maler, I, 139, 485. Ritter, H., Maler, III, 376,419, 501,568,

Rasaspina, Kupferstecher, I, 524. Robbia, Lucas della, Bildhauer, I, 246,
Ratti, E., Maler, III, 193, 668. .342, 531, 544,

Rauch, Carl, Kupferstecher, I, 247, III, Robbia, Andrea della, Bildhauer, I, 531,

109. " 547.

Rauch, Christian, Bildhauer, III, 23, 37, itobbia, Agostino della,-Bildhauer, 1,531,
128, 150, 167, 198, 230, 233, 260, 547.

286, 336, 372, 399, 410, 551, 575, Robert, Leop., Maler. III, 117, 133—35,
640, 686, 706—8, 722. 178, 515, 524, 531.

Kugler, Kleine Scbrifien. III. 53

-ocr page 803-

802 Verzeichnisse,

Robert, Aurel, Maler, III, 121, 135—37,
180.

Rode, B., Maler, I, 832. in, 162.

Röder, J., Maler, III, 667.

Rölaiidt, Architect, III, 489.

Roland, Bildhauer, II, 275. III, 617—20.

Rolle, Maler, III, 605,

Roman, Bildhauer, III, 523,

Romano, Giulio, Maler, I, 236, 385, 415.

II, 236, 321, 514[2].
Ronjon, Maler, III, 145.
Rooy, J. van, Maler, III, 417,
Rosa, Salvator, Maler, I, 413,

— da Tivoli, Maler, II, 427,
Rosaspina, Maler, I, 5'24,
Roselli, Cosimo, Maler, I, 246 [2],
Rosenboom, N. J., Maler, III, 416,
Rosenthal, Architect. II, 576.

— , Maler, III, 65.
Rossi, Rosso de', Maler, II, .515.
Rothbart, Georg, Architect, II, 553-
Rottmann, Carl, Maler, III, 130, 546,

548, 549.
Rouargue, Kupferstecher, II, 394.
Roge, van, Maler, III, 161.
Rubens, Maler, I, 222, 243, 244,413, 414,
433, 439,497, 526. II, 317,318,319,
427, 502(2], 503[2], 505[2], 507, 526,
527. III, 451, 478,
Rüde, Bildhauer, III, 145, 523, 575.
Rudolph von Montfort I, 89.
Rückert, Fr., Dichter, III, 57.
Ruhl, Maler, III, 243.

— , Bildhauer III, 706.

Ruisdael, Jaii., Maler, I, 524. III, 145.
366.

Rumeland, Minnesänger, I, 655.
Rumohr, C. F. v., Kupferstecher, I, 253,
430, 531-32, 537. II, 405, 549. III,
8. 104.

Runge, Ph. C., Maler, III, 422.
Rungeuhageij^ Musiker, III, 39.
Rupert, Abt von Tegernsee, I, 18.
Ruprecht v. d. Pfalz II, 38,
Ruscheweyh, Kupferstecher, I. 252. III,
101.

Ruyten, Maler, III, 574, 685.

s.

Saal, G., Maler, III, 681.
Sabbatini, Andrea (di Salerno), IMaler,
I, 384.

Sabinus, Georgias, Dichter, I, 475.
Sacchetti, Maler, III, 55,
Sachse, L,, Kunsthändler, III, 262, 286,
Sade, de, Graf, III, 472.

1

h

Sagert, H., Kupferstecher, III, 686.
Salaino, Andrea, Maler, I, 367.
Salvcirck de Günzburg, I, 69.
Sandrart, Joachim v., Maler, II, 577,
685, 712,

Sansovino, A. Contucci da, Bildhauer, II,
281.

Sansovino, Francesco, I, 399,
Sansovino, Jac,, Bildhauer, II, 406,
Santi, Giovanni, Maler II, 405.
Sapovius, Bildhauer, I, 831.
Sarto, Andrea del, Maler, 1,379, 430—

32, 486—40. II, 405.
Sassoferrato, Maler, I, 526.
Saulby, de, Mitglied des franz. Instituts,

III, 469.
Savonarola, I, 531.
Sayger, 0., I, 214.

Schadow, J. Gottfr., Bildhauer, I, 832.

II, 685. III, 161, 309, 379, 413, 503,
707,

Schadow, W. v., Maler, I, 172, 173, 554.

III, 181, 630, 667.

Schaefer, 13., Kupferstecher, I, 485,
Schaffner, Martin, Maler, II, 523.
Schaller, Ed., Lithogr., III, 10.

— , Bildhauer, III, 260, 542.
Schannat, II, 734.

Schaubert, Architect, I, 259. II, 68 [2].
Scheffer, Ary, Maler, Mitglied des franz.
Instituts^ III, 445, 469, 485, 527 [2],
529, 530, 573.
Scheffer, Henri, Maler, III, 530,
Schauss, Architect, I, 230.
Scheins, Maler, III, 681.
Scheits, Gebrüder, Maler, III, 366.
Schertie, Lithograph, I, 523. II, 611. III,

371, 407, 613, 735.
Scheuffelin, H., Maler, II, 518, 523,
Scheuren, C., Maler, III, 563, 564, 681.
Schick, Maler,'III, 49, 421.
Schildener, Schriftsteller, III, 42.
Schiller, Friedrich v., Dichter, III, 56,

150, 721,
Schilling, Medailleur, III, 569.
Schinckel, Architect, I, 227. 247, 448.
III, 49. 65, 150, 293, 851. 306-362,
488, 616, 629, 633.
Schirmer, W,, MalOr, III, 108, 308, 377,

574, 606, 677, 6Ö2, . '

Schlepl, Friedr., II, 152.
Schlesinger, Maler, II, 595,
Schlichten, J. F. v,, Maler, III, 365.
Schlick, Lithograph, II, 367, 455.
Schlüter, Andr., Architect u. Bildhauer,

I, 227, 29«, 831.
Schmidt, A., Maler, III, 169, 418.


i?

mäM

4

-ocr page 804-

11. Persolien-Verzeichniss. 803

Schmidt, Max, Maler, III, 678, 680. Schwechten, Architect, I, 178.

— , C. C., Lithograph, III, 49. Schweigger, Georg, Bildhauer,' II, 282.

— , Chr. W., Architect, I, 463. II, Schwind, M. v., Maler, III, 536, 546.
20, 70, 97, 102, 205, 108, 109, 113, Scopas, Bildhauer, II, 63.

II.4, 188, 209, 279. 370, 371, 373, Scott, Walter, Dichter, III, 54.
374, 489, 532, 535, 562, 563, Scyllis, Bildhauer, I, 307.

Schmit, Mitglied des franz. Instituts, Ar- Sebhers, Maler, III, 701.

chitect, III, 469. Seefisch, H. L., Maler, III, 191.

Schmitz, H,, Maler, III, 189. > Seghers, David, Blumenmaler, II, 319.

Schnaase, C., Dr., Kupferstecher, II, — , Gerh., Maler, II, 506,

436, 480r 614, 667, 686, 722, 729. Semper, G., Architect, I, 266, 283, 287,

III, 92. 339, 352, 354.
Schneider, Maler, III, 550. Senff, Maler, i, 172.

Schnell, Ludw,, Kupferstecher, III, 109. Seraüno, Fra, Maler, I, 532, _
Schnetz, Maler, III, 485, 525, 529—30, Servandoni, Architect, III. 100.

531. " Sesto, Gesare da, Maler, I, 367.

Schnorr, J. v. Carolsfeld, Maler, I, 172. Seul, P. J., Oberlehrer, I], 41.

III, 127, 228, 487, 509, 545, 546. Seyfried, Abt von Tegernsee, I, 16.
Schöler, G., Schriftsteller, III, 272, Sich'ling, L., Kupferstecher, III, 700,
Schöll, A., Dr., I, 405. Siegebert, Frank. Kocig, II, 109.

Schön, Martin, Maler, I, 377. II, 54, 55, Siegemer, Frank. König, II, 109.

572. Sigismund, Kaiser, II, 572.

Schön, Heinr. Theodor, III, 101. Signol, Maler, III, 145, 485, 530, 531.

Schönlaub, F., Bildhauer, III, 242, 542. Sikingen, Graf, III,* 365.
Scholl, Bildhauer, III, 260. . Simone, Maestro, Maler, I, 375, 376.

Schonhofer, Bildhauer, II, 570. — , di Martiüo, Maler, II, 65, 503.

Schoppe, J., Maler, III, 194. Simons, A., Architect, II, 196. -

Schoreel, Maler, II, 65, 275. 310, 311, Simrock, Dichter, III, 152, 203.

523, Sinibaldus, Antonius, l, 90.

Schorn, L. v., Hofr., I, 321, 346, 528. Sisto, Mönch u, Architect, II, 134. .
II, 28, 30, 71, 75, 77, 81, 83, 87, Slingelandt, Maler, I, 523.
376, 401, 681. III, 47. Smyth, Goke, Maler, III, 277.

Schorn, 0., Maler, III, 191, 572. Sobiesky, Joh., König v. Polen, I, 831.

Schote], Maler, III, 296, 515, 686. Sodoma, Maler, I, 368. II, 405.
Schott, Louise, Malerin, III, 682. - Sohn, G., Maler, III,.a69, 173, 501, 571.
Schottky, JuL, Prof., I, 216. Solario, Antonio, il Zingaro, Maler, I,

Schräder, Maler, III, .»jOl, 662. 377, 378 [3], 379, 382^

— , Ed. v., Dr. III, 759. Solario, Andr., Maler, II, 513 [2].
Schraudolph, Maler, II, 731. III, 547. Sommers, L., Maler, III, 685.
Schreiner, J. G., Lithogr., III, 168,169. Sonderland, Maler, III, 243, 419.
Schröder, A., Dr., I, 448, 453. Sophokles, Dichter, II, 359.
Schröder, F., Kupferstecher, III, 703. Soidas, Bildhauer, I,v309.
Schrödtor, A,, Maler, III, 22, 72,- 108, Spagnoletto, Maler, I, 413.

198, 243, 272, 303, 376, 501, 671, Speckter, Erwin, Maler, III, 30.
727. —• , Otto, Maler, 111, 29, 104, 692,
Schubert, L. A„ Kupferstecher, 111, 645. 703.

Schuchardt, G., Schriftsteller, 1,460. II, Spey, Joannes de, Ärchitect, II, 243.

671. Sprosse, Zeichner, II, 453.

Schütt, Cornel, Maler, II, 317[2]. Stanfleld, Maler, III,, 147.

Schülgen, Kupferdrucker, III, 503. Stanzioni, Maler, I, 413.

Schulten, A , Maler, III, 419, 681, Stapel, A., Architect, II, 492.

Schultz, J. 0., Maler, II, 471, 541, 589, Starklof, L., Schriftsteller, III, 616.

686, 695. Starling, Kupferstecher, III, 52.

Schultz, H. Th., Maler, III, 191. vStarnina, Gerhardo, Maler, II, 693,

Schwab, Gustav, Dichter, III, 86, 203. Staveren, van, Maler, III, 169.

Schwaathaler, Bildhauer, III; 128, 131, Steenwyck, Maler, III, 256.

234, 260, 510, 535, 540, 546 [4], Stefanone, Maler, I, 375

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804 Verzeichnisse.

Steffeck, Maler, III, 363, 574. f.
Steifensand, L., Kupferstecher, III, 565,

575, Tassaert, Bildhauer, III, 162, 707.

Steinbach, Erwin v., Architect, III, 100. Taurus, Maler, I, 370.

Steinbrück, E., Maler, III, 190, 376. Taylor, Inspecteur g(^n^ral des beaux arts,

— , J. J., Schriftsteller, I, 669, HI, 472.

719. Teichel, Kupferstecher, III, 615.

Steinhäuser, Bildhauer, III, 575, 688. Terapeltei, Lithogr., III, 108, 198.

, — , Malerin, III, 674. Teniars, jun., Maler, I, 219, 222, 526.

Steininger, Schriftsteller. II, 99, 105, III, 719.

115, 533 [2]. Terburg, Maler, l, 528. II, 5, III, 720.

Steinle, E., Maler, II, 286. III, 374, Terwesten, III, 161.

503, 509, 510, 560, 699. Teschner, Maler, Iii, 683.

Stengel, Etienne, Baron, Schriftsteller, Thäter, Kupferstecher, III, 647.

III, 370. Thassilo, Herzog v. Bayern, I, 12.

Stephan, Meister, Maler, II, 292, 293, Theocosmus, Bildhauer, I, 310.

294 [2], 296, 298, 300, 350, 352, Theodorich v. Austrasien, II, 113.

524. Theodorich v. Prag, Maler, II, 498.
Stettier, W., Maler, I, 535. Therbusch, III, 161.

Steuben, Maler, I, 502. III, 485, 386, Thevenot, Maler, III, 497.

525, 529. Thomson, Kupferstecher, III, 61.
Stewart, James, Kupferstecher, III, 79, Toschi, Kupferstecher, III, 575.
Stieglitz, C. L., d. Aelt., Kunstforscher, Thorwaldsen, Bildhauer, II, 528. III, 46,

I, 255. 261, 427.* 61, 266- 71, 336, 408, 542.
Stieler, Maler, III, 548. Thrän, G. C. Ferd., Architect, II, 562,
Stier, G., Architect, III, 195. 567.

— , W., Architect, III, 76. Thrasymedes, Bildhauer, I, 310.

Stilke, H., Maler, III, 188. Thury, Höricart de, Mitglied des Insti-

Stillfried, R., Freiherr v., II, 16, 369, tuts, III, 469.

698, 719. III, 371, 611. Tidemann, A., Maler, III, 672.

Stolterfoth, Adelheid, Dichterin, III, Tieck, F., Dichter. I, 647. III, 9.

102. — , F., Bildhauer, III, 260, 687.

Stoss, Veit, Bildhauer, 1,807, 808, 810, Tiepolo, Maler, II, 420.

812. II, 275, 448, 449, 450, 539, 564, Tilesius v. Tilenau, Adolf, II, 626.

649, 652, 653. , Tintoretto, Maler, I, 823. II, 404.

Stooss, C., Schriftsteller, II, 717. Tio, Francesco, Maler, I, 388, 498.

Straaten, B. van, Maler, III, 685. Tirpenne, Lithograph, I, 468.

Strack, J. H., Architect, I, 119, 327. Tischbein, J. H„ Maler, I, 832. 11,473.

II, 397, 470. III, 195, 196, 615, ~ , C. W., Maler, III, 253.
616[2]. Tizian, Maler, I, 215, 218, 221, 229—

Stramberg, v., II, 231. 34. 412, 496, 497, 522, 523. II, 65,

Straub, Lithograph, I, 523. 404, 451, 501, 515 [2].

Strixner, Lithograph, I, 244, 494. Tizian's Tochter, Johanna, Malerin, I,

St. Trond, Gerhard v,, II, 387. 230, 439.

Stüler, Architect, II, 55, 59. III, 195, Tölken, E. H,, Schriftsteller, II, 360.

645, III, 39, 743.

Stürmer, Maler, III, 511 [2]. Toledo, Juan Baptiste de, Architect, III,

— , W., Bildhauer, III, 687. 255.

Stuart, Architect, II, 67 [2]. Tomaso, degli Stefani, Maler, I, 382.

Snardi, Bartolomeo (Bramantino), Maler, Tombleson, W., Maler, III, 26, 28.

I, 369, 532. Tomkins, Kupferstecher, III, 61.

Sündermahler, Th., II, 492, 540. Toschi, Kupferstecher, I, 524.

Suer, La, E, Maler, I, 513. II, 515. Tosetti, II, 350.

Sugere, Heinr,, Architect, II, 135. Tours, Gregor v., II, 110.

S-wanevelt, Herrn,, Maler, III, 366. Trarbach, Joh, v,, Bildhauer, II, 279.

Syrlin, Georg, BildhiWer, II, 450, 563. Trendelenburg, A., Prof., II, 434.

&7J. Trißbel, Maler, III, 678.

1

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II. Personen-Verzeichniss, 805

Tromlitz, Schriftsteller, III, 208.
Troschel, Bildhauer,
III, 39.
Trossin, Kupferstecher,
III, 686.
Turchi, Alessandro, Maler,
I, 248.
Turner, Maler,
III, 147.
Tutilo von St. Gallen,
I, 94.
Twinlng,
I, 859.

u.

Uccello, Paulo, Maler, I, 246, 254.
Ugulino, Goldschmied,
II, 709.
Uhden,
III, 39.
Ulrich, F., Maler,
III, 683.
Ulrichs, H. N.,
I, 357.
Unger, M., Schriftsteller,
III, 717.
Unzelmann, P., Xylograph,
III, 576, 686,
695.

ürlichs, L. Dr., II, 105.

Ursus, Architect, I, 211.

Utting, R. B,, Kupferstecher, II, 601.

V.

Vaga, Pierin del, Maler, I, 385, II, 514.
Vaillant, Maler,
III, 161.
Valiente, Don Jose Musso y, I, 282, 243.
Valentin, Bildhauer,
III, 706.
Valentinian, Kaiser,
II, 114.
Valle, della,
II, 709.
Valpy, A. J., Maler,
III, 52.
Vanseverdonck, F., Maler,
III, 685.
Vanucci, Pietro, Maler,.
I, 392.
Varcollier,
III, 445, 469.
Vasari, Giorgio, Maler,
I, 246, 354, 365,
392, 898, 401, 430, 437, 528, 530
— 31, 533.
II, 693.
Vatout, Mitglied des Instituts,
III, 472.
Vauchelei, Maler,
III, 145.
Veit, Ph., Maler,
I, 172. III, 46, 413,
509, 699.

Velasquez, Maler, I, 498. II, 320, 405.
Velde, Wilh. van der, Maler,
II, 5. III,
416.

Veldeck, Heinrich von, Dichter, I, 19,40.
Venantius, Fortunatus, II, 104, 117.
Venius, Otto, Maler, II, 501,502,505, 507.
Vennemann, C., Maler, III, 417, 685.
Verboeckhoven, Eug., Maler, III, 416,
515, 574.

Vernet, Horäce, Maler, UI, 114, 145, 155,
483, 487, 525, 527, 529, 531 [3],
566, 573, 684.
Vernet, Jos., Maler, II, 515.
Verocchi, Andreas, Maler, 1, 246, 411.
Veronese, Paolo, Maler, II, 404 [2], 427.
Verscbaffelt, Peter, Bildhauer, III, 365,

Vlcente, Juanes, Maler, I, 498.
Vicentino, VaJerio, I, 647.
Viellevaye, B., Maler, UI, 417. ,
Villeneuve, Lithograph, I, 214.
Vinci, Leonardo da, Maler, I, 246, 247,
248-51, 362, 412. II, 65, 322, 510,
513 [3], 524.
Virgil, Dichter, I, 312.
Vischer, Hermann, Bildgiesser, I, 454,

457. II, 674, 700.
Vischer, Joh., Bildgiesser, II, 659, 662,

— , Peter, Bildgiesser, I, 124, 160,
454, 455, 457. II, 448, 449, 450,
539, 570, 648, 650, 651, 652, 654,
659, 662, 678.

Vite, Timot della, Maler, II, 405.
Vitet, Mitgl. des Instituts, III, 469, 472.
Vito, Nicola di, Maler, I, 382.
Vitruv, Architect, I, 268, 293, 3,00, 805,

306, 314, 828. II, 9S, 97 [2], 898,
Vittoria, Alessandro, Bildhauer, II, 406.
Vlvarini, Antonio, Maler, I, 404.

— , Bartolomeo, Maler, I, 404.

— . Luigi, Maler, I, 398.
Völkel, Schriftsteller, I, 266, 309.
Völker, sen., Maler, III, 74, 75, 76.

— , G. W., Maler, HI, 281.
Vogel, Albert, Xylograph, III, 686.

— , C. Chr., Maler, I, 172. IH, 178.

— , Otto, Xylogr., III, 576, 686.
Voigt, J., Medailleur, II, 606. IIL 575.
Volckhart, Maler, III, 189.

Volterra, Daniel d.a, Maler, II, 514.
Voorst, Mich, van der, Bildhauer, 11,282.
Vos, Paul, Maler, I, 248, 498.

— , Cornelius de, Maler, I, 498. II, 505.

— , Martin de, Maler, II, 505.
Vries, R. de, Maler, I, 526.

w.

Waagen, G. F., Dr., Kunstforscher, I, 7,
847, 419, 642.
II, 56, 59, 60 [2],
62, 63, 66, 351, 404, 405,-479, 514,
546, 680, 685.
Waagen, Maler,
III, 48.
Wach, Maler, I, 247.
II, 30. III, 45,148,

190, 295, 397, 515, 630.
Wachs, I. F., Schriftsteller,
I, 709.
Wagner, Fr., Kupferstecher, l, 225, 809,
321. 426, 701.
II, 435, 449, 546,
564, 568, 570, 655.
III, 66.
Wagner, Bildhauer, I, 409.
t- , C., Maler,
III, 739.
— , F. G. jun., Opticus n. Mecha-
nicus,
III, 163.
Wagner, Otto, Maler,
III, 203, 551, 550.


-ocr page 807-

806

WaldmüHer, Maler, III, 573, 607.
Waldorp, A., Maler,
III, 416.
Wallraff, Kuustsammler,
II, 132, 153, 262.
Walscapele, Jacob, Maler,
I, 527.
Walther, Ph., Kupferstecher, 11,449.
III, 259.

Walz, Chr., Dr., Schriftsteller, I, 328.

III, 759.
Wangel, Bildhauer, III, 620.
Wappers, A., Maler, III, 404, 416, 424,

457, 485, 514, 685.
Waterloo, Anton, Maler, Iii, 366, 564.
Wavere, L. v., Maler, II, 472.
Weber, A., Maler, III, 680.
Wegelin, Zeichner, II, 394.
Weirotter, Fr. Ed., Maler, III, 366.
Weiss, Hermann, Schriftsteller, II, 713.

— , F., Maler, III, 190.

— , B., Lithograph, III, 168, 169 [2],
Weitbrecht, Bildhauer, III, 143.

Weif, Herzog v. Baieru, I, 16.
Weller, Maler,
III, 295.
Wennigstedt, Chronist, l, 484, 552.
Wenzel, röm. König,
II, 38.
Werff van der, Maler,
I, 218.
Werinher (I.) von Tegernsee,
I, 12, 17.
II, 182.

— (II) von Aufhofen, der Camera-
rius, I, 19.

Werinher (III), der Scholasticus, 1,20—37.
Werner, Joseph, Maler, I, 468, 533, 536.

II, 367. III, 161.
Wetter, J., Schriftsteller, I, 419, 588.

II, 346. .
Weyde, Regier van der, Maler, II, 503.
W.ichmann,Ludw., Bildhauer, III, 22,260,

575, 687.
Wiegmann, Architect, I, 335, 358.

— , M., Malerin, III, 670.
Wildt, C., Lithograph,
III, 69, 686.
Wilhelm, Meister, Maler,
II, 181, 288,

289, 290 [2], 291 [2], 350, 352, 498.
503. 524.

— , Antonius, Architect, I, 775.

— , Graf v. Holland, deutsch. Kön.,
II, 125.

Wilhelm, Herz. v. der Normandie, 111,477.
Wilkie, Dav., Maler,
I, 244. III, 79.
Wille, Georg, Kupferstecher,
III, 365.
Willems, Maler,
III, 515.

Willmore, J. T., Kupferstecher, III, 79.
Winkelmann, Archäolog,
I, 313, 316,

317, 346. III, 701.
Winkles, H., Kupferstecher, III, 151,205.
Wittelsbach, Otto v., III, 106.
Witthöft, W., Kupferstecher, 11,588, 699.

III, 686.
Wittich, Maler, III, 189.
Wittlich, Justus, Architect, II, 25.
Wizlav, der junge Fürst v. Rügen, I, 654.
Wölffle, Lithograph, I, 244.
Wohlgemuth, Mich., Maler, II, 28, 313,
314, 419.

Woiff, Emil, Bildhauer, I, 492. III, 687.

— , J. G., Kupferstecher, II, 591.

— , J., Maler, III, 101.

— , L., Maler, III, 244.

— , W., Bildhauer, III, 575, 687.
Wolfram von Eschenbach, I, 6.
Woliki
v., Erzbischof von Posen, 111,287.
Worsaee, J. J. A,, Schriftsteller, II, 467.
Wouvermann, Maler, I, 498, 524,
Wredow, Aug., Bildhauer, II, 241. III,

65, 260.

Wiirmser v. Strassburg, Maler, II, 498. *
Wyttenbach, J. H., Schriftsteller, 1,463.

II, 20, 21, 70, 71, 88, 103 [2], 104,
105, 108, 322.

z.

Zach, Lithograph, I, 244.

Zahn, Wilh., Architect, I, 236. II, 399.

Zanth, Architect, I, 260, 289.

Zebger, Glasmaler, III, 683.

Zeitblöm, Barthol., Maler, 1,452. 11,422,

522, 543J2].
Zestermann^ C. A., Dr.,
II, 701.
Ziebland, Architect,
III, 540 [2].
Ziegler, Maler,
III, 145, 529, 531.
Zimmermann, C., Maler,
III, 50,185, 546.
Zingaro, siehe Solario. *

Zorgh, Maler, I, 527. I

Zschokke, H., Schriftsteller, III, 151,205.
Zuccaro, Taddeo, Maler,
III, 478.
Zumpst,
IL, Architect, II, 71.
Zurbaran, Francisco, Maler,
I, 218, 498.
Zwirner, Architect,
II, 141, 395, 396.

III, 488.

1

Verzeichnisse.


3

V-

-ocr page 808-

III. Sachliches Verzeichniss.

Academieen.

Werth der Kunst - Academieen III, 214. Acadömie des beaux arts zu
Paris III, 440. Acadömie de France zu Rom 442. Academie von
Antwerpen III, 450. Academie S. Luca zu Rom 459. Academieen von
Mailand und Venedig 461; von Florenz 463-, von London 464.

Aegyptische Kunst.

Wesen derselben II, 439. 445.

Altchristliche Architectur.

Die altchristliche Basilica I, 185 III, 95. 389.. Veränderungen im christ-
lichen Basilikenbau I, 191. III, 391. Byzantinisches Bausystem 1, 199.
Denkmäler II, 22. 103. 114. 401.

Altchristliche Bildnerei.

Sarkophag II, 256. Symbolisches Element 486. Relief 518.

Anstalten zur Conservation der Denkmäler.

Frankreich. Französische Verhältnisse im Allgemeinen 111,464. Wirk-
samkeit der französ. Regierung für scientiv, Zwecke 465; in admini-
strativer Hinsicht 469. Wirksamkeit der Vereine 474.

Belgien III, 475.

Antike Architectur.

Gewölbe und Säule in der antiken Baukunst I, 181. Widerspruch beider
Elemente III, 90. 388. Antike Basilica II, 94. üeber die Isolirung
der Säule III, 410. Antikes Theater 11, 359. 397. Der antike Tempel
ein Fa^adenbau II, 616. Bedeutung des Studiums der griech. Archit.
I, 226. Denkmäler I, 258. II, 383. 469. 489. 533. 534. ,

Antike Malerei.

Bedeutung derselben nicht zu gering anzuschlagen II, 483.

Antike, Sculptur. * .

Griechisch I, 405. 492. 493. II, 406. 528.

Römisch II, 70. 406:

Arabische Architectur.

In der Türkei 1, 214-

Architectonische Sammlungen.

Vorschläge zur Begründung derselben II, 382. •

Ausstellungen.

Bedeutung der Kunst-Ausstellungen III, 218. Kunst-Ausstellungen zu
Paris 447. Belgische Kunst-Ausstellungen 457.

Bogen,

Das Princip der mittelalterlichen Bogengliederung und der antiken III,
741.

-ocr page 809-

III. Verzeichnisse.

Bronzewerke ^ kleinere.

Griechisches I, 405. 493. II, 528.
Römisches II, 406.

Romanisches I, 91. 221. 143. 145. II, 495.
Gothisches XIV. Jahrh. I, 784.
Renaissance XVII. Jahrh. II, 282. 283.

Concurrenzen.

Bedeutung derselben III, 506. Einrichtung der deiitschen Concurr. 506;
der französischen 507. Uebelstände 507. Abhülfe 507 ff.

Dekorative Arehitectur.
Romanisch II, 251. 252. 253.
Gothisch I, 133. II, 253. 254 421, 642.
Renaissance II, 255.

Denkmäler.

Ihre Erhaltung III, 225. Anstalten dazu in Frankreich III, 464—474;
iu Belgien 475.

Dramatische Kunst.
Verfall derselben und Ursachen III, 601.

Eigenthum.

Sicherung des künstlerischen Eigenthums III, 83. 166. Gesetzliche Be-
stimmungen 587.

Elfenbeinschnitzerei.
Antikes I, 135.
Altchristlich I, 95. II, 327.
X Jahrh. I, 627.

XI. Jahrh. II, 6. 344.

XII. Jahrh, I, 90. 93, 134. 160. 626. 630, 782. II, 328, 333. 343.

XIII. Jahrh. I, 90.

XIV. Jahrh. I, 90. II, 334. ,
XVIII. Jahrh. II, 336. '

- I

Emaillen.
Geschichtliches II, 703.
Frühromanisch I, 94. 780: II, 329 ff. 510.
Spätromanisch II, 343.

Erfindung.
Ihr Verhältniss zur Ausführung III, 580.

Fränkische Malerschule. \

I, 219. 435. 494 fg. 525. II, 319. 348 fg. 435. 495. 525. j

Französische Malerschule.
I, 513 ff. 533 ff. II, 501. 515. III 481. 482.

Französische Sculptur.
XIII. Jahrh. U, 511.
XVII. Jahrh. II, 500. 502. 515. 516.

Geräth.

Einfluss der Kunst auf die Bildung desselben III, 7. Durchbildung in
griechischer Zeit 209.

Germanische Malerei.
Deutschland. Frühgerm. II, 181. 498. Spätgerm. I, 164. 812 ff. II,

495. Zur Charakteristik I, 220.
Italien I, 386-404. II, 434. 498. 503.
Spanien II, 687 ff.

808

I:

hr

-ocr page 810-

III. Sachliches Verzeichniss.

809

Germanisch-Slavische Alterthümer. •

I, 440 ff. , - .

Geschichtliche Malerei. , - " - ' ■ .

Ueber das Wesen'derselben III, 477. Ueber die künstlerische Behand-
lung geschichtlicher Stoffe III, 234.

Gewandung. , ' ,

Bedeutung derselben für die Sculptur II, 441. Architectonisches Ele-
ment derselben II, 441,

Glasgemälde. ' '.

Xm. Jahrh. II, 17. 323. III, 758. "

XIV. Jahrh. II, 324. 517. 521. 529. III, 758.

XV. Jahrh. II, 324. 581. III. 758.

XVI. Jahrh. II, 325. 326. 500. 511.

XVII. Jahrh. II, 500.

XIX. Jahrh. Deutschland III, 493. 495. Belgien 496. Frankreich 496 ff.

Glasmalerei.' -
Zwei Arten derselben III, 491. Wesen der monumeutalen Glasmalerei
491. Technische Bedingnisse 492. Geschichtliches 492.

Goldschmiedearbeiten.
Romanisch I, 434. 486 IF. 625. 629. 631. II, 328 ff. 342. 510.
Spätromanisch II, 343. 344.

Frühgothisch I, 434 fg. II, 334. . " ,

Spätgothisch I, 434. 627. 638 fg. II, 335. 337.
Renaissance XVII. Jahrh. I, 823 ff. II, 334. 335.

Gothische Architectur. v . '

Verhältniss der deutschen Gothik zur französischen II, 48 ff. Einfluss
der normannisch-sicil. Bauten II, 50. 128. Der romanische Spitzbogen
im Verhältniss zum gothischen II, 126. Selbständigkeit der deutschen
Gothik II, 129, Das geometrische Element der gothischen Archit.
II, 717. , . _ - . •

Deutschland. " • "

XIII. Jahrh. I, 102 ff 120 ft; 130. 146. 172 fg. 463 ff. 481 fg. 697-707.
II. 15. 21. 123. 161 ff. 179. 221 ff. 232 fg. 239 fg. 372 fg. 411. 421.
422. 424. 494. 516. 520. 536.

XIV. Jahrh, I, 162. 482 fg. 707—742, II, 27. 167. 225 ff. 235 fg. 240 ff.
347. 373. 412 fg. 494. 536. 644.

XV. Jahrh. I, 96. 97 ff, 743—764. II, 157. 226 ff'. 236 ff. 243 ff. 373.
414. 419. 421. 422. 424. 528.

XVI. Jahrh. I, 115. 162 fg. . ' ; v ^
Frankreich.

> XIII. Jahrh. I, 506. II, 511.
XIV. Jahrh. II, 511. 512.
Belgien. ^

XIII. Jahrh.'II, 498. 499. 500. 506. 507, 509. ^

XIV. Jahrh. II, 501. 507. "

XV. Jahrh. II, 502.

XVI. Jahrh. II, 499.

CjrU.SS'WGI'ilcG -4 ?

XI. u. XII.'Jahrh.a, 149. III, 755, Vom Jahre 1112. II, 499. ' -

XIV. Jahrh. II, 263, vom J. 1355. I, 785, vom J, 1373." II, 495.

XV. Jahrh. II, 264. 424, vom J. 1435. II, 32, vojn J. 1457. I, 454, vom
J. 1497. I, 124.

Kugler, Kleine Sehrifleo. III. 54

ISF.

Cd

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Verzeichnisse,

(Gusswerlce.j

XVI. Jalirli. Anfang II, 659. vom J. 1507—1510. II, 648 ff., vom J. 1516

II, 272, vom J. 1506—151'J. I, 455, vom J. 1521. I, 457, vom J. 1527.

I, 457, vom J. 1534. 1, 457, vom J. 1560. I, 819.
XVU. Jahih. II, 500.

Handwerk.

Moderne Kunst vom Handwerk gelrennt III, 210. Notliwendiglceit der
Verbindung beider ill, 555. Bedeutung des französ. Kunsthandwerks

III, 431.

Holzschnitt.
III, 550. 558. 620. 686. 695. 698. 732.

Holz-Sculptur.
Romanisch I, 174. 470 fg.

XIV. Jalirh. c. 1300. 11, 180. I, 102. 452. 794. IT, 181. 259 fg. 261.

XV. Jahrli. I, 100. 117. 164. e. 1400. 1, 452. 795. 796—812. II, 28. 181.
333 fe. '422. 554. vom J. 1488. II, 31. Ende des Jalirli. II, 268 ff.

XVI. Jahrh. vom J, 1517, Ii, 346. vum J. 1518. 1, 451 fg. vom J. 1588.

II, 32.

XVII. Jahrh. 11, 282 fg. ■ . ■

Hlustrationen.
Deutsch III, 18. 20. 35. 56. 102. 104. 116. 242. 692.
Englisch 111, 24. 41. 52. 77.

Indisclie Kunst.
Wesen derselben II, 439. 443.

Italienische Sculptur.
»littelalUniich 11, 406.

XVI. Jalirh. II, 507. 510. 516. I, pag. VII ff'.

Kölnische Malerscliule. 1

Frühgernianisch II, 286 fg. ' i

S])Htgennanisch II, 181. 288-301. 352. 503. 524.
Linter nieder]. Einfluss II, 301—311. 348. 350. 353. 525.
Im XVI. Jahrh. 11, 312-316.
Im XVII. Jahrh. II, 317 fg.

Kostümgeschichte.
Bedeutung derselben II, 428. Nothwendigkeit ihres Studiums für den
Künstler 429. 713.

Kunst-Anstalten. i

Allgemeines. Nothwendigkeit derselben III, 429. ' '

Frankreich. Bedeutung de.s französ. Kuiisthandwerks III, 431. Cooles de
dessiu zu Paris 431. Ecole des beaux-arts zu Paris, 433. Atelior-
Unterricht zu Paris 438. Kunst-Schulen in den Departements 439.
Acadßmie dos beaux-arts zu Paris 440. Acadömie de France zu Kom
442. Die Kunst in Frankreich als nationales Bedürfniss 443. Wirk-
samkeit des Ministeriums des Innern für ölfentliche Kunst-Zwecke 444,
Wirksamkeit der Stadt Paris 445. Königliche Wirksamkeit für die
Kunst 445. Kunstausstellungen zu Paris 447.
Belgien. Selbständigkeit in der Kunstverwaltung der Städte III, 449,
Die Kunst-Academieen und ihr Verhältniss zur Regierung 449. Aca-
demie von Antwerpen 450. Ecole de Gravüre zu Brüssel 455. Privat-
interesse für die Kunst 456. Thätigkeit''der Communen 456. Die
Kunst als Staats-Bedürfniss 456. Kunst-Ausstellungen 457. Kunst-
Lotterie für öffentliche Zwecke 458.

V

-ocr page 812-

III. Sachliches Verzeichniss.

811

(Kunst-Anstalten.)
Italien. Die Academie S. Luca zu Eom III, 459. Die Academleen von

Mailand und Venedig 461. Die Academie zu Florenz 463.
England. Die Academie von London III, 464.

Kunst-Industrie.
Gobelins französ. III, 533. Porzellanmalerei 75. Porzellan-Manufaktur
zu Sfevres 534. Münchener Porzellangemälde 550.

Kunstvereine. "

Wirksamkeit derselben III, 221. Wichtigkeit der Association III, 553.

Kupferstich. . ^ . . (■■ .
Deutsch I, 494 fg. 504. II, 436—451. 546—548. 573.- 636. III, 57. 60. 66.
70. 86. 101. 137. 374. 408. 413. 426. 561. 565. 575. 604. 686. 695. 700.
701. 703. 737.
Englisch III, 79. •

Lithographie.

1, 522. II, 610. 628. III, 23. 29. 32. 33. 48.—51. 59. 62. 67. 69. 71. 72.
80. 106. 168. 198. 200. 236. 245. 251. 254. 277. 285.371.407.423.424.
560. 562. 564. 566. 568. 610. 611. 686. 715. 726. 729. 731. 735. 736. ■

Lombardische Malerschule.
I, 362 flf. II, 9. 405.^ 513. 515. 524. , ,

Medaillenarbeit. - - . .

III, 569. 575. 688. 704. . "' ' .

Metallne Grabplatten. ■

Allgerne ines II, 601. In England 605.'Ueber die Technik derselben 631.
Romanisch I, 165.

XIV. Jahrh. vom J. 1327. II, 633. Mitte des Jahrlu II. 432. vom J.
1357. I, 787.' vom J. 1360. I, 833. ,

XV. Jahrh. II, 327. vom J. 1423. II, 507. vom J. 1488. II, 327. Ende
des Jahrh. II, 327.

XVI. Jahrh. vom J. 1515. II, 507. vom J. 1519. II, 418. vom J. 1521.
II, 433. vom J. 1559. I, 818.

Miniaturen. '

VII. Jahrh. Psalterium I, 56.

VIII. Jahrh. Irisches I, .94. Codex aureus, Evangel. II,. 337.

IX. Jahrh. Evangeliarium I,- 77 fg. Bamjberger Evangel. 79. Psalmen 93.
Folkard's Psalmen 94. Wessobrunner Gebet von 814. 76 fg. Evang.
von S. Emmeran in Regensburg von 870. 77. Irisches Evangeliarium
II. 341

X. Jahrh. Evangeliarium I, 79. Bamb. Miniaturen und Evangel, 91. Evan-
gelistarium 624. Evang. des Erzb. Egbert von Trier II, 340.

XI. Jahrh. Evangel. c. lÖOO. II, .341. Epistolarium 344. Plenarinm I, 10.
Evangeliarium '52. Bamb Missale von 1014. 79. Bamb. Evangel. 80.
81 fg. Fünf Evangel. 83. Apocalyps. Evang., Expositiones in Cantica
et Prophetiam Danielis, Missale 91. Versch. Bilder 95.

XII. Jahrh. Evangeliarium und Passionalia I, 56 ff. Psalterium 62. Zwei
Evangeliarien 83. Vier Evangeliarien, Vita et Passio Apostolorum,
Carmina varii argumenti 84. Drei Evangeliarien II, 342. Evangel. II.
343. Sacramentaria Gregorii P.-und Psalterium I, 92. Werinher von
Tegernsee, von 1173. I, 12—37. /Die Eneidt 38-52. Rolandslied I,
1 ff. Willeram 10. Evangeliarium vor 1200, und Augustini Confes-
siones vor 1200 I, 62. Psalterium des Laudgr. Hermann von Thüringen
(1195—1215) 69 11". Precatioues S.Jlildegardis (viell. Xlll. Jahrh.) 84.

"W

-ocr page 813-

812 Verzeichnisse.

XIII. Jahrh. Anfang. Gedicht vom Welsdien Gast I, 6. Evangel. II, 342.
Evangeliarieu um 1200 I, 53. 60. 61. II, 343. Psalterium um 1200 I, 61.
Tristan, erste Hälfte d. Jahrh. 88 fg. Gesang des Wilhelm v. Oranse
6 fg. 53 fg. Psalterien 56. 84. 87. 479 fg. Weingartner Minnesinger-
Codex I, 76. Decretalen Gregor's IX. und Pontificale II, 345. Brevia-
rium I, 84. Evangel. et Lectionarium I, 84 ff. Handschr. des Conrad
von Scheyern I, 87. Bibel von 1281 II, 344.

XIV. Jahrh. Gestalt des Erzeng. Michael um 1300 I, 11. Bibel um 1300
I, 60. Heilspiegel I, 11 fg. Bibel I, 62 ff. Jacobus de Voragine, Le-
gendae I, 87. Psalterien J, 87. Liber Precationis I, 88. Breviarium c.
1350, Choralbuch und Antiphonarium II, 344. Temporale c. 1350 II,
345. Bibel der Armen, Gebetbuch für Nonnen, Weltchronik des Ru-
dolph von Montfort, Güldene Legend des Jac. a Voragine von 1362

I, 89. Missale Romanum von 1374 1, 88. Weltchronik des Rudolph
von Hohen - Ems von 1383 I, 67. Jagdbuch des Grafen Phoebus Ga-
ston von Foix, Ende des Jahrh. I, 93. Pontificale I, 480.

XV. Jahrh. Anfang. Psalter I, 7. Weltchronik des Rudolph v. Montfort
von 1400 I, 89. Jac. v. Cassales Schachzabel von 1407 I, 90. S. Be-
nedicti Regula von 1414 und Biblia pauperum von 1415 I, 87. Officium
B. Mar. Virg. c. 1430 II, 344. Niederl. Brevier von 1435 I, 68. Reg-
nault de Montalban von 1457 I. 88. Jac. von Anch. Christ und Belial
von 1461 I, 90. Homilien des h. Augustinus von 1478 II, 340. Franz.
Miniaturen II, 351, Missale von 1481 I, 69. Todtentanz I, 54. Gebet-
buch I, 55 fg. Drei Evangeliarien, Testamentum vetus et novum, Psal-
terien, Gratiani decretum I, 87. Niederl. Gebetbuch I, 88. Leiden
Christi I, 90. Apocalvpse de St. Jean I, 93. Min. aus Eyck'scher Schule

II, 18. Missale 11,^ 34'5. Diptychon von 1499 II, 508. '

XVI. Jahrh. Livre de l'origine et du commencement du Pays de Cleves
I, 88. Miniaturen von 1524—1531 I, 475 ff. Gebetbüchlein II, 341.
Chorbücher II, 344.

Moderne Architectur.
Charakteristik der modernen Architectur-Schulen III, 488. 514.
Deutschland III, 63. 87. 128. 129. 195. 228. 296. 303. 305-345. 380. 385.

420. 535—540. 551. 629. 630. 632. 633. 637 ff. 689.
Frankreich HI, 518. 519. 520 ff.
Belgien III, 489.

Moderne Malerei.
Leistungen der verschiedenen Schulen der Gegenwart III, 570 ff. Cha-
rakter der Düsseldorfer Schule 500; der Münchener 503. Verhältniss
der Düsseldorfer zur Münchener Schule 133. Ueber den Entwicklungs-
gang der modernen Malerei 292. 406.
Deutschland III, 31. 34. 45. 54. 73. 74. 76. 127. 140. 148. 149. 154. 169.
173. 175. 177. 181—194. 197. 244. 264. 272. 278. 281. 286. 346. 377.
397. 419. 421. 509. 510 ff. 543. 549. 643-656. 660—683.
Frankreich III, 117. 133 ff. 178. 180. 262. 274. 447. 483 ff. 524. 525. 526.

527. 528-532. 684. Charakteristik 518.
Belgien III, 401. 415. 485. 513. 514. 515. 685.

Moderne Sculptur.
Deutschland III, 22. 23. 37. 40. 65. 128. 149. 167. 198. 233- 241. 266.
286. 299. 372. 378. 398. 399. 411. 510. 535. 540. 541. 542. 551. 552.
575. 632. 633. 686 ff. 696. 706. 710. 721,
Frankreich III, 519. 522. 523. 524. 535. 617.
Belgien III, 513. 516. 517.

Musik.

Förderung derselben durch den Staat IH, 598. Institute für Aufführung
musikalischer Kunstwerke 599,

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in. Sachliches Verzeicbniss. 813

Neapolitanische Malerschule.
Mittelalterlich I, 369—385. .

Niederlandische Malerei.

I, 219 fg. 222. 497. 526. fg. II, 5. 425 ff. 500. 502. 503-508. 526. 527.

Niederrheinische Malerschule.
Um 1400 I, 453.

Ornamentik»

Verhältniss der italienisch-goth. Ornamentik zur Architectur II, 629.
Gefahr einer einseitig ornamentistischen Richtung 630. Mustersamm-
lungen I, 236. 502. 507. II, 399. 446. 538. 571. III, 77. 105. 143.
261. 427.

Paduaner Malerschule.

II, 512.

Polychromie.

Antike Architectur I, 265-306. 327—343. 352—361. Sculptur I, 306-327.

344- 351. III, 759.
Mittelalterliche Architectur II, 374. 511. 530. 618. 731. Sculptur I, 459.

792 if. II, 30. 380. 511.
Moderne Architectur III, 539. Sculptur 541.

Profan-Architectur.
Romanisch II, 26. 184. 188. 207. 220. 371. 416. 569. "
Gothisch I, 767-773. II, 232. 236. 239. 246. 248. 496. 500. 537. 644.
Renaissance I, 773-778. II, 421, 582. 644.

Radirung.

III, 9. 115. 154. 301. 363. 375. 563. 605. 606. 693. 739.
Eelief.

Unterschied des modernen Reliefs vom antiken III, 743. Das Malerische
des modernen Reliefs III, 746. Verhältniss des Reliefs zur Architec-
tur III, 747.

Renaissance-Architectur.
II, 248 ff. 420. 423. 512.

Romanische Architectur.
Deuts chland.

Strengromanisch I, 97. 101. 127. 187. 142 fg. 147. 161." 162. 177. 239.
428. 446. 512. 541. 561. 585-623. II, 17. 23 ff. 34. ff. 42. 158. 183 ff.
189 ff. 208. ff. 364. 369. 371, 373. 417. 466. 494. 561. 562. 640. 647.
723. 733. 737. 738. Zur Zeitbestimmung I, 239 ff. II, 724.
Spätromanisch (üebergangstyl) I, 128. 148. 152. 164. 166. 174. 177.
446. 447. 449. 481. 508. 663—697. II, 7. 118. 165. 182. 186. 200.
211. 366. 371. 372. 416. 417. 419. 421. 424. 452. 518. 537. 561. 642.
643. Zur Zeitbestimmung II, 377. 455 ff.
Frankreich.
Strengromanisch I, 505, II, 510.
Spätromanisch II, 510. ^

Belgien.
Strengromanisch II, 499. 509. ''
Spätromanisch II, 500. <

Italien.

Auch hier ist das XII. Jahrh. die BlQthenepoche I, 203 ff.

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814

Verzaiclmisse.

Römisclie Malerschule.
II, 446. 513. 523. ^94. 655.

Sächsisclie Malerschule.

I, 139. 165. 169. 178. 452. 459. 460. 461, 485. 494. II, 32. 671.

Schwäbische Malerschule.

II, 422. 426. 478. 518—522. 543.

Spanische Malerschuleii.
I, 221. 498 ff. II, 405.

Stahlstich.

III, 26. 108. 112. 147. 203. 259. 567. 615.

Steinsculptur, deutsch.

Homaniscli I, 137. 154. 429. 447. 470. 472. II, 256 ff. 346. 370.
- (XI. Jalirh.)
S
Jätroman. II, 12. 177.

XII. Jahrl». I, 123. 156. 168. 466. II, 259. 380. 517; vom J. 1249
II, 346.

XIY. Jalirl). Anfang I, 447; Mitte 459. 786. 346; vom J. 1334 II, 180;
mehiere Grabsteine II, 346; c. 1370 I, 789. II, 349. 29. 177. 261.
263. 424.

XV. Jalirh. I, 96. 160. 786. II, 204 ff. 272. 346; c. 1460 II, 180; Ende
des Jalirh. II, 347. 348; erste Hälfte und l^nde des Jahrh. II, 346.
Verschiedene Arbeiten II, 418; vom J. 1442 III, 757.
Anfang des XVI. Jahrh. vom J. 1500-1506 II, 420. I, 160. II, 418.

420; vom J. 1524 III, 757.
Zweite Hälfte des XVI. Jahrh. Mehrere Arbelten II, 347. 419.

I, 816. II, 267. 274. 528; vom J. 1568 1, 818.

XVII. Jahrh. Anfang I, 818—820. II, 277; vom ,J. 1606 II, 347; vom
J. 1622 II, 419; vom J. 1669 II, 419; vom J. 1682 I, 830; vom J. 1689

II, 347.

Stickmuster.
Künstlerische Behandlung derselben III, 7. 727.

Teppich wirk erei.
Frühromaiiiscli I, 131 ff.
Spätromauisch c. 1200 I, 635 ff.

XV. Jahrh. c. 1400 II, 164.

XVI. Jahrh vom J. 1556 I, 815.

Theater.

lieber das ünkünstlerische der äusseren Bühncu-Einriclitung III, 631.

Theorie der Architectur.
Das Organische der Architectur II, 439. Die Architectur ist Darstellung
allgemeinen Lebens 440. Streben nach dem Individuellen 441. Ethische
Bedeutung der Architectur 460. Grundbedingungen der Architectur

III, 708. Bedeutung der Gliederungen für die Charakteristik II, 454.
Subjektive Wahrheit der einzelnen Style III, 90. Beschränktheit der
griech. Architectur II, 394. Bedeutung des Gewölbes II, 394. Üeber
das Princip der mittelalterlichen Bogengliedening im Gegensatz zum
antiken III, 741. Grundprincip der" gotiiischen Architectur II, 395.
Nothwendigkeit des Studiums der goth. Archit. 395. Lieber die Sy-
steme des Kirchenbaues III, 385—396. "Wesen und Bedeutung des
Malerischen in der Architectur III, 749. Die Tlahmenbildung in der
Kococo-Aichitectur <751.

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III. Sachliches Verzeichniss. 815

Theorie der bildenden Künste.

Ihr Gegenstand ist die Darstellung des lüdividuellen II, 44Ö. Streben
nach (lern Allgemeinen II, 441. Bedeutung der Gewandung für die
Stylisirung 11, 441. Zusammenhang mit dem gescliichtlichen Leben
II, 470. Verschiedene Stufen der künstVerischen Thätigkeit III, 207.
Geistige Bedingungen für die künstlerische Pruduction III, 212. üeber
die künstlerische Behandlung geschichtlicher Stoffe III, 234. Ueber
das Wesen der geschichtlichen Malerei III, 477. Nothwendigkeit der
Wechselwirkung zwischen monumentalei- und freierer Kunst III, 504.
Die ideale Aufgabe der bildenden Kunst III, 718. Bedeutung des
Styls III, 71\). Trennung und Verbindung der bildenden Künste mit
den anderen Künsten lü, 719. Bedeutung des Zeitkostüms 'in der
SculptLir III, 722; Gränzen seiner Anwendung 723. Unterschied des
modernen Reliefs vom antiken 743. Das Malerische des modernen
Reliefs 746. Verhältniss des Reliefs zur Architectur 747. Individuelle
Kraft der italienisch-mittelalterlichen Bildnerei II, GIG; Ciiarakter
derselben 621; Einüuss der Architectur auf dieselbe 622. Bedeutung
der cyklisch-symbolisirenden Bildnerei 624.

Toscanische Malerscliule.

I, 436 ff. 504. II, 358. 405.

Umbrische Malerscliule.

II, 512. 516.

Venetianisclie Malerschule.

1, 215. 218. 229 ff. 496. II, 404, 451. 504. 5l4.

Verhältniss der Kunst zum Leben.

Wissenschaft und Industrie als Förderungsmittel der Kunst III, 210,
Trennung des Handwerks von der Kunst misslicii III, 210. Werth der
Kunst-Academieen III, 214. Bedeutung der Kunstsammlungen III, 216;
der Ausstellungen Wirksamkeit der Kuiist-Vereine 221. Erhal-

tung der Denkmäler 225. Hebung monumentaler, besonders religiöser
Kunst 231. Studium der klassischen Kunst auf Gymnasien 272. Zei-
chenunterricht in Töchterschulen 383. Pauperismus in der Kunst und
Abhülfe durch Association III, 553. Nothwendigkeit der Verbindung
von Kunst und Handwerk 555. Bedeutung der Kunst für das geistige
Leben des Volkes 578. Einrichtung des Unterrichts in den bildenden
Künsten 607. Einrichtung und Wirksamkeit academischer Künstler-
Vereine 624.

Verhältniss der Kunst zum Staate.

Uebersicht der Künste III, 579. Verhältniss zwischen Erfindung und
Ausführung HI, 580. Die Kunst in ihrem Verhältniss zur merkantilen
Speculation 582. Wiclitigkeit der Gründung öffentlicher Lehranstal-
ten für die Kunst III, 583. Die in Preussen bestehenden Anstalten
der Art 584. Gesetzliche Ordnung des künstlerischen Verkehrs 587.
Sicherung des künstlerischen Eigenthums III, 83. 166. Technische
Kunst-Anstalten des Staates 588. Anlage künstlerischer Werkstätten
590. Anerkennung künstlerischen Strebens 591. Ausführung ^yon
Kunstwerken auf Veranlassung des Staates 593. Conservatioin''^er
Denkmäler 597. Förderung von Dichtern und Musikern 598. Institute
für Aufführung musikalischer Kunstwerke 599. Der Verfall der dra-
matischen Kunst und Ursachen desselben 601. Commissionen von
Sachverständigen 602.

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Wandmalerei.
Romanisch I, 175. 511. II, 283 -285.
Xlll. Jahrh. II, 285. 627.
XtV. Jahrh. I, 790. II, 288. 290. 434. 497. 498.

XV. Jahrh. II, 292. 299. 687; vom J. 1427. II, 349; 2te Hälfte des
Jahrh. II, 306.

XIX. Jahrh. II, 731. III, 129. 131. 132. 510 ff. 525. 536. 539. 543. 544
545 ff. 634. 637. In Frankreich: 531. 532.

Wissenschaft.
Als Förderungsmittel für die Kunst III, 210.

Zeitkostüm.

816

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Bedeutung desselben für die Sculptur III, 722; Gränzen seiner Anwen-
dung III, 723.

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