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ALLGEMEINER

HYDROGRAPHISCHER ATLAS

EINE SAMMLUNG

VON SECHSZEHN KARTEN,

WELCHE DIE, AUF DIE FLÜSSIGE UMHÜLLUNG DER ERDE BEZÜGLICHEN ERSCHEINUNGEN
NACH IHRER GEOGRAPHISCHEN VERBREITUNG UND VERTHEILUNG ABBILDEN UND

VERSINNLICHEN.

VoK

D« HEINRICH BERGHAUS.

VERLAG VON JUSTUS PERTHES m GOTHA.

1850.

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VORBEMERKUNGEIS

ZUE

ZWEITEiV ABTHEILUIVG

tischen Naturforschers in den Physikalischen Atlas
aufgenommen werden, glaubt der Herausgeber den-
selben wesentlich zu bereichern und den Freünden
der vergleichenden physischen Erdbeschreibung in
Deutschland einen kleinen Dienst dadurch zu erzei-
gen, dass er die beiden grossen Karten Whewell's
in den hier dargebotenen Blättern allgemeiner macht
und sie durch ein kleineres Format für den Hand-
gebrauch bequemer eingerichtet hat. Denn das Origi-
nal yon No. 1 ist wol drei Mal, und das von No. 2
mehr, als zwei Mal grösser, als die hier gegebenen
Verkleinerungen, ohne dass diese an Deütlichkeit
eingebüsst hätten.

Whewell hat das grosse Phänomen der Fluth und
Ebbe in graphischer Weise von einer Seite aufgefasst,
welche die grösste Aehnlichkeit hat mit A. von
Humboldt's Darstellung der Wärme-Verbreitung.
In der ersten Karte giebt er eine Uebersicht der
Fiuthwellen, wie sie sich auf der ganzen Erde fort-
pflanzen; in der zweiten liefert er eine besondere
Ansicht von der Lage der Linien gleichzeitiger Fluth
an den eüropäischen Küsten des Atlantischen Oceans,
wo, vom spanischen Vorgebirge Landesend (Finis-
terre) rund um die britischen Inseln bis jenseits des
Ergusses der Elbe ins Deütsche Meer, das Phäno-
men unter Verhältnissen auftritt, die wegen ihrer
grösseren Verwickelung in der allgemeinen Karte
nicht deütlieh genug hervortreten.

Wie man durch alle Punkte auf der Erdoberfläche,
welche einen gleichen Wärmestand haben, Linien
zieht, die wir, nach A. von Humboldt's Vorgang,
Isothermen nennen, so lässt sich begreiflicher Weise
eine Linie durch aU' die Küstenpunkte ziehen, wel-
che zu gleicher Zeit Hochwasser haben, z. B.:
um 1 Uhr an einem gegebenen Tage, und durch
all' die Punkte, wo das Hochwasser eine Stunde
später, also um 2 Uhr eintritt, u. s. w. für alle
Stunden des Tages. Daraus entsteht für die ge-
sammte Wasserhälfte der Erdoberfläche eine Eeihe
von Linien gleicher Fluthzeit, welche Whewell
„Cotidal Lines" nennt, die sich aber auch Isorachien
nennen lassen (gebildet von ισος, gleich, und ραχία,
Fluth), ein Ausdruck, der, trotz seines harten Klangs,
vielleicht nicht unpassend ist, analog den allgemein
angenommenen Bezeichnungen der Isothermen, Iso-
gonen, Isoklinen u. s. w.

Man kann die Isprachie für irgend eine Stunde
als Stellvertreter des Gipfels oder Rückens der Fluth-
welle dieser Zeit betrachten. Unter FluthweUe ver-

pgysik. atlas ii.

Fluih und Ebbe.

NM. Versuch einer Karte zur Uebersicht der Fiuthwellen, nach ihrer geographischen Verbreitung
und Fortpflanzung; von dem Rev. W. Whewell, ffl. Α., F. R. S., in Cambridge.

N». 2. Karte von dem Detitschen Meere und den angränzenden Theilen des Atlantischen Oceans. Zur
Uebersicht der Fiuthwellen und der Beschaffenheit des Seebodens. Nach Whewell und Lubbock.

Indem diese beiden Arbeiten eines gelehrten bri-

stehen wir aber diejenige Anschwellung des Was-
sers an der Oberfläche des Oceans, welche sich
längs der Meere bewegt, und durch ihre Bewegung
Hochwasser und Niedrigwasser an einem gegebenen
Orte zu der Zeit erzeügt, wann die erhöhten und
herabgedrückten Theile der Wasserfläche diesen Ort
erreichen.

Die Isorachien für auf einander folgende Stunden
stellen mithin die allmälige Lage des Gipfels dieser
Welle vor. Und ein Zuschauer, der über der Erde
schwebte, um den Scheitel der Welle wahrzuneh-
men, Λvürde sie die Reise um die Erde im
offenen
Ocean
Ein Mal in 24 Stunden zurücklegen sehen,
begleitet von einer andern Welle, die 12 Stunden
von ihr entfernt ist. Zugleich würde er aber auch
sehen, wie beide Wellen Zweige in die
engeren Meere
absenden. Und es leüchtet ein, dass alle diese Be-
wegungen eben so wie die Geschwindigkeit, mit der
sie von Statten gehen, auf einer Karte isorachischer
Linien angegeben Averden können.

Fiuthwellen auf einem Globus, der ganz mit Was-
ser bedecht ist.
__ Nehmen wir nun an, die Ober-
fläche der Erdkugel sei gleichförmig mit Wasser
bedeckt, so lässt sich leicht einsehen, wie die Isora-
chien nach Gestalt und Bewegung beschaffen sein
müssen. Ebbe und Fluth werden in ihren mittle-
ren Zuständen ganz vom Monde regiert werden.
An aUen Orten unter gleichem Parallel wird das
Hochwasser der Culmination des Mondes, dieser
nach seiner Bewegung im Aequator gedacht, in
dem nämlichen Zeitintervall folgen. Die Punkte, an
denen es in einem gegebenen Moment Hochwasser
war, Λverden mithin unter Einem Meridian liegen, in
einer gewissen Entfernung von dem Meridian, in
welchem der Mond stand, oder zum wenigsten in
einer, mit Rücksicht auf den Aequator, symmetri-
schen Kurve. Eine solche Kurve würde Beziehung
auf den Mond haben, und eine andere auf den Punkt,
der dem Monde unmittelbar gegenüber steht; und
diese Kurven würden ihre Umwälzung um die Erde
von Ost nach West in etwas mehr, als 24 Stunden
vollenden. Nehmen wir eine isorachische Linie für
1 Uhr an einem gegebenen Tage an, eine zweite
für 2 Uhr u. s. f., so werden wir auf der ganzen
Oberfläche der Erde 24 von diesen Linien haben,
die den Aequator in gleichen Intervallen, gleich eben
so vielen Meridianen, schneiden. Und da der Umfang
der Erde 5400 deütsche Meilen beträgt, so leüch-
tet es ein, dass jede dieser Isorachien sich im Ae-
quator mit einer Geschwindigkeit von 225 Meilen

1


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18 ZAveite Abtheilung.

Wenn es daher irgend einen Meerestheil giebt,
gegen welchen Wellenschläge langsamer sich fort-
pflanzen, als gegen andere Gegenden desselben Mee-
res, so Avird sich die Fluthwelle in diesem Theile
nicht so rasch bewegen, als in dem übrigen Theile,
und die Linie der Welle wird hier sich sperren.
Wenn daher die Welle am Gestade langsamer fort-
schreitet, als in offener See, so werden sich in diesen
Gegenden die Wellenlinien rückwärts krümmen, eine
konvexe Gestalt annehmen, und die Isorachien den
Kurven gleichen, welche in der Fig. 1 unserer Karte
No. 1, mit I, Π, ΠΙ, IV, V, VI, VII, bezeichnet
sind.

Wirkung von Seearmen und Buchten. _ Auf die-
selbe Weise wie der in unserm hypothetischen Süd-
ocean erzeügte Wellenschlag eine Verzweigung nord-
wärts ins Binnenmeer abstösst, ebenso wird der in
diesem Meere erzeügte Wellenschlag sich gegen
jeden Seitenkanal, und gegen jede Einbucht verzwei-
gen. Denken Avir uns eine tief landein dringende
Bucht am östlichen Gestade des Binnenmeers, wie
in der Fig. 2 der Karte No. 1 dargestellt ist. Er-
reicht der nordwärts fortschreitende Wellenschlag
das südliche Vorgebirge dieser Bucht, so wird er
eben sowol östlich in die Bucht hinein, als auch
nördlich fortgepflanzt, indem er nach allen Rich-
tungen vom südlichen Vorgebirge 1 fortsetzt, bis
er das Vorgebirge Ν erreicht, welches die nördliche
Spitze der Bai bildet. Darauf trennt sich der Wel-
lenschlag im Hauptmeere von dem in der Bai, und
jeder schreitet unabhängig von einander vor. Und
jede dieser Undulationen wird wiederum von der
Form der Gestade und von anderen Umständen
auf dieselbe Weise afficirt, wie der HauptAvellen-
schlag.

Schreiten wir vom nördlichen Vorgebirge der
Bucht längs der Küste in beiden Richtungen fort,
so ist es klar, dass wir an Punkten anlangen, wo
die Fluth später eintritt, als an jenem Vorgebirge;
die Fluthwelle spaltet sich an diesem Punkte in
zwei Wellen, und das Vorgebirge ist ein Diver-
genzpunkt von isorachischen Linien. Wenn in Fig. 2
Ρ der aüsserste Punkt ist, den die Fluthwelle er-
reicht, so wird auch die Fluth bei Ρ später ein-
treffen, als an der Küste zu beiden Seiten von
P.
Die Fluth zieht längs der Küste von jeder Seite
nach P, und mithin bildet Ρ einen isorachischen
Konvergenz-Punkt.

Auch die Geschwindigkeit, mit welcher die Wel-
lenschläge fortschreiten, hangt von der Tiefe des
Wassers und in gewissem Maasse wahrscheinlich
von der Friction und Unebenheit der Seiten und
des Bodens im Grundbette ab. Und da in engen
Meeren die Tiefe durchgängig geringer ist, als im
freien Ocean, und dort die Gestade in einem grös-
sern Verhältniss zu den Gesammtkräften wirken,
als hier, so wird die Geschwindigkeit in engen Mee-
ren und Buchten geringer sein, als im offenen Ocean.
Darum werden die Isorachien in engen Meeren und
Meerbusen dichter zusammenfallen, als in weiten
Meeren.

Einfluss von Inseln und Bänken._ Da die Fluth-
welle längs des Gestades langsamer fliesst, als im of-
fenen Meere, so wird sie vorwärts konvex. Aus dieser
Betrachtung lässt sich der Effect einer Insel ableiten,
die in dem Räume liegt, über welchen die Fluthwelle
fortrollt.

in der Stunde bewegt, und mit einer Geschwindig-
keit von etwa 145 Meilen in unserer Breite. Dies
ist die Geschwindigkeit, mit der der Scheitel der
Fluthwellen fortrollt, unter der Voraussetzung, dass
die Erdoberfläche ganz mit Wasser bedeckt sei.

Abgelenkte Finthen. _ Stellen wir uns dagegen'

ein Festland vor, das in der Richtung der geogra-
phischen Breite eine grosse Ausdehnung hat, so ist
es klar, dass die Bewegung der Isorachien-' ganz
verschieden werden muss von derjenigen, welche
ihnen in einem ununterbrochenen Ocean eigenthüm-

lich war. Auf der Westseite eines so gedachten
Festlandes kann die Fluthwelle nicht länger fort-
rollen, als wenn das Festland nicht vorhanden wäre;
denn der Zuschuss von Wasser und Druck, den die
von Ost herbeiströmende Fluthwelle erzeügt, und
von dem ihre fernere Bewegung gegen Westen ab-
hangt, ist ganz abgeschnitten. Die Fluth auf der
Westseite des Continents muss von dem aus Osten
über Norden und Süden herbeikommenden Wasser
und Druck hervorgebracht werden und sich nach
Gesetzen regeln, die verschieden sind von denjeni-
gen, welche die ursprüngliche oder ununterbrochene
Fluth reguliren. Dasselbe lässt sich von den Flu-
then deijenigen Meere sagen, deren Fläche vom Lande
stark zerschnitten ist.

Um den allgemeinen Charakter von derartigen
Fällen zu erkennen, wollen Λvir uns eine Fluth den-
ken, die von der ursprünglichen Fluth ganz abge-
lenkt ist, und durchaus nicht von der unmittelbaren
Wirkung der Sonne und des Mondes afficirt wird;
wir wollen dabei ferner annehmen, die südliche He-
misphäre sei ganz mit Wasser bedeckt, die nörd-
liche dagegen grösstentheils mit Land erfüllt; end-
lich, ein beträchtliches Binnen-Meer erstrecke sich
vom Aequator gegen den Pol.

In diesem Falle wird die Fluthwelle des südlichen
Oceans bei ihrem Vorübergang an der Mündung
dieses Meeres einen abgelenkten Wellenschlag aus-
senden, der nordwärts in das Binnenmeer ein- und
vordx'ingt, da er gänzlich von der mechanischen
Bewegung, vermöge deren sich Wellen in Flüssig-
keiten fortpflanzen, getrieben wird. Setzen wir vor-
aus, die Tiefe und andere Umstände, welche auf die
Bewegung dieser abgelenkten Welle von Einfluss sein
können, seien in verschiedenen Theilen des Meeres
gleich, so rollt die Welle in der Richtung fort, in
welcher sie sich von der ursprünglichen Welle ab-
sonderte, und mithin, ist der Eingang des Meeres
schmal, in der Richtung der Längenausdehnung des
Meeres.

Diese Welle bringt eine Fluth überall, wohin sie
gelangt, und die so erzeügten Isorachien werden
nahe senkrecht auf der Längenaxe des Binnenmee-
res stehen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die
Welle bewegt, wird von verschiedenen Umständen
abhangen, hauptsächlich jedoch von der Tiefe, und
wahrscheinlich auch von der Regelmässigkeit in den
Küstenformen des Kanals. Ist die Tiefe nahe gleich-
förmig, so werden die Isorachien fast gerade und
parallel sein, was jedoch davon abhangig ist, dass
die Fortpflanzung einer Welle als das Resultat der
Fortpflanzung von Undulationen in jeder Richtung
von jedem Punkte der Wellenlinie angesehen werden
kann, wo dann die Anhaüfong von so fortgepflanzten
Wellenschlägen, nach irgend einem Zeitintervall,
die Welle in ihrer neüen Lage bildet.

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Hydrographie. 3

In Fig. 3 unserer Karte No. 1 werden die Linien
der Stunden I und II gar nicht, oder doch nur sehr
wenig von der Insel afficirt; die III'® Stundenlinie
Avird zurückgehalten, sobald sie die Insel trifft, ob-
schon sie in andern Theilen des Oceans diesen Platz
bereits überschritten hat. Dasselbe gilt von der IV*®"
Stundenlinie; da aber das Vorrücken grösser ist, so
Averden die konvexen Theile an den beiden Enden der
Insel einander zugewendet; in der V*®" Stundenlinie
berühren sich diese konvexen Theile; und so kann
man die Linie als aus zwei Linien bestehend ansehen,
welche sich in dem eben erwähnten Contactpunkte
treffen, indem eine Linie ihre zwei Enden an den
Ufern der Insel hat, die andere Linie aber quer über
den Ocean laüft, den ununterbrochenen Linien gleich,
aber mit einer Einbeügung gegen die Insel. Nach der
Stunde V erzeügen die zwei Linien zwei abgeson-
derte WeUen, 6 und VI, von denen die erste eine
rücklaufende Richtung nach der Insel nimmt, die letz-
tere aber sich vorwärts bewegt und aUmälig die Beü-
gung ausgleicht, welche von der Insel erzeügt wird.

Hieraus erheUet, dass ein Divergenzpunkt der Iso-
rachien auf derjenigen Seite der Insel liegt, welche
der herbeiroUenden Fluthwelle gegenüber liegt, und
ein Konvergenzpunkt auf der entgegengesetzten
Seite.

Sind untiefe Stellen oder Bänke im Ocean, die
nicht mit dem Lande zusammenhangen, oder doch nur
mit kleinen Inseln in Verbindung stehen, so wird ihre
Wirkung auf die Isorachien gleichartig beschaffen
sein, aber noch weiter gehen. S. Fig. 4. Indem sie
gegen einen solchen Theil des Oceans vorschreiten,
werden die unmittelbar dahinter liegenden Isorachien
dichter zusammentreten, während rechts und links der
seichten Stelle oder Bank sie ohne ein korrespondi-
rendes Gedränge fortrollen. Daher wird die isorachi-
sche Kurve auf den zwei Seiten jenseits der Inseln
vorrücken, während sie nicht unmittelbar über die
Inseln selbst passiren kann. Der "Wellenschlag wird
von der Rechten und Linken in den Raum jenseits
der Inseln fortgepflanzt, und die Convexitäten der
Isorachien werden sich zuletzt daselbst treffen, wie in
Fig. 4 die isorachischen Kurven V V zeigen. Auf diese

IVeise werden die Inseln von einer ringförmigen Welle
umgürtet, die gegen das Centrum des Rings vordringt
und nun concentrische ringförmige Isorachien, wie
6 und 7, erzeügt. Mittlerweile, dass die Welle jen-
seits der Inseln vorrückt, nachdem ihre beiden Theile
vereinigt sind, wird sich der Einschnitt in ihrer Con-
vexität allmälig ausgleichen; und nach einer Zeit,
wenn das Meer eine hinreichende Ausdehnung hat
und von mehr gleichförmiger Tiefe ist, wird die Kurve
wieder zusammenhangend convex werden.

Hohe Finthen. _ In der, an der Ostküste von

Nordamerika belegenen Fundy-Bai sind die Finthen
sehr hoch, vielleicht am höchsten in der ganzen Welt.
An einigen Stellen steigen die Springfiuthen 60 bis
70 Fuss senkrecht in die Höhe. Diess muss in gewis-
sem Maasse dem Lauf der isorachischen Linien zuge-
schrieben werden; denn die Welle, die von der I Uhr-
Linie aus fortrollt, wird vom Gestade Neüschottland's
auf der einen, und von der nordamerikanischen Küste
auf der andern Seite gezwungen, in den Eingang der
Fundy-Bai zu convergiren, und schwillt so zu einer
ungewöhnlichen Höhe an.

Um das Lokal der ausserordentlich hohen Fluthen
in der Fundy-Bai besser übersehen zu können, ist
der Karte No. 1 eine Specialkarte vom Hintergrunde
dieser Bai beigefügt, und das Steigen des Hochwas-
sers bildlich darzustellen versucht worden. Die schraf-
firte Kurve bezieht sich auf das Südufer der Fundy-
Bai, den Mines Channel und Basin of Mines, die
punktirte Linie auf die Chignecto-Bai.

Halbmonatliche Ungleichheit der Zeit des Hoch-
wassers.
_ Die hierauf bezügliche graphische Dar-
stellung, _ auf der Karte No. 1, hat den gelehrten

Lubbock zum Verfasser, und gründet sich auf die
nachstehende Tafel, welche dadurch entstanden ist,
dass
Dessiou, von dem die Rechnungen ausgeführt
worden sind, das Mittel aller Mondskulminationen,
die in einer gegebenen halben Stunde sich ereignen,
und das Mittel aller korrespondirenden Zeiten des
Hochwassers genommen hat; die Differenz; ist natür-
licher Weise das Intervall zwischen der Zeit des
Monds-Durchganges und dem korrespondirenden
Hochwasser; dieses Intervall enthält die Tafel.


Portsmonth.

Sheerness.

Plymouth.

Korrespondi-
rendes
Intervall.

Korrespondi-
rendes
Intervall.

Korrespondi-
rendes
Intervall.

Zahl der Be-
obaohtiingen,

Mond-
Kulmination.

Mond-
Kulmination.

Zahl der Be-
obachtungen.

Zahl der Be-
obachtungen.

Kulmination.

28
31
28
31

27
31

28
30
28

30

31

27

30

28

31

30
27
27

29
29

27

28

31
27

+0h 35',7
+ 32,4

+ 19

+ 15,1

Oh 14',3

0 45

1 15

1 45,2

2 15,5
2 45

Oh 14',6

0 44

1 10,5

1 44,8

2 15

2 45,8

3 17,6

3 45,2

4 15,7

4 44,8

5 15,8
5 46,1

Oh 14', 6

0 45,7

1 15,6

1 44,8

2 15,5

2 45,6

3 16,6

3 45,5

4 12,7

4 44,2

5 15,4
5 46,5

29
28
28

31

29

30

27
30

27
30

32
29

29
29
29
29

29
26

28

30
28
27
26
27

5h 30', 9

5 25,4

5 19,5
5 7,3
5 1

4 48,7

26
23
21
23
22
25

21
22
23
22
25

23

22
20

24

23
21
20

20

24
21
23
20
21

11h 35',4

11 31

11 24,4

11 17,6

η 10,2'

11 0,8

10 54,2

10 49,3

10 46,3

10 41,3

10 41,4

10 43,7

10 47,6

11 1,2
11 18,5
11 34,1
11 44,8

11 57,9

12 1,9
12 0,6
12 1,8
11 54,4
11 49,1
11 45

+

4

— 5

— 12,7

— 15

— 25,5

— 28

— 33,6

— 32,2

— 37,6

— 26,2
~ 13,6
+ 3,4
+ 19,2
+ 42

4- 47

+ 53,2

+ 53,7

+ 49,8

+ 43

+ 42,6

3 16,7

3 44

4 14,5

4 44

5 15,6
5 46,2

41.2

32

23,1

22,5

14.5
14,7

11,9

23.3

40.7
3,7

22.4

28.8

42,7

48.6

47.5
43,1
41,4

35.6

6 15,6

6 44,6

7 14,6

7 46,6

8 17,4
8 46,3

6 16,5

6 44

7 15

7 47,6

8 18,6

8 46,7

9 16,3
9 45,6

10 16,6

10 45,6

11 15,2
11 42,2

6 15,5

6 45

7 15,2

7 47,1

8 18

8 46,9

9 15,2
9 46,2

10 16,7

10 46

11 15
11 44

15,5
46,4

10 16,6

10 45

11 15
11 44

1*

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20 ZAveite Abtheilung.

In der auf der Karte befindlichen bildlichen Dar-
stellung dieser Tabelle sind die beobachteten
Punkte niedergelegt und zwischen ihnen «ine Kurve
aus freier Hand gezogen worden; diese Kurve giebt
die interpolirten Punkte. Die punktirte Linie
laüft durch die beobachteten Punkte, die stetige Li-
nie bei den London-Docks zeigt die Kurve, welche
aus der Bernoullischen Theorie hervorgeht. Die
Uebereinstimmung zwischen der Theorie und der
Beobachtung geht hier fast bis zur Identität, was
einer besondern Beachtung werth ist.

Die folgende Tabelle zeigt das Intervall zwischen
der Kulmination des Mondes und dem korrespon-
direnden Hochwasser in Brest, Plymouth, Ports-
mouth, Sheerness und den London-Docks.

Mond-
Kuimina-
tion.

Brest.

Ply-
mouth.

Ports-
mouth.

Sheer-
ness.

London-
Docks.

Mond-
Kulmina-
tion.

Oi

> 0'

3h 48'

5h 33'

llh 40'

+ Oh 39'

Ih 57'

Oh 0'

0

30

3

41

5

28

11

34

+ 0

34

1

50

0 30

1

0

3

33

5

22

11

28

+ 0

26

1

42

1 0

1

30

3

26

5

13

11

21

+ 0

17

1

35

1 30

2

0

3

18

5

4

11

14

+ 0

9

1

26

2 0

2

30

3

11

4

55

11

6

0

0

1

18

2 30

3

0

3

4

4

45

10

58

- 0

9

1

11

3 0

3

30

2

58

4

37

10

52

— 0

15

1

3

3 30

4

0

2

53

4

28

10

47

— 0

20

0

56

4 0

4

30

2

50

4

21

10

44

— 0

26

0

51

4 30

5

0

2

49

4

16

10

41

— 0

31

0

45

5 0

5

30

2

50

4

13

10

42

- 0

34

0

43

5 30

6

0

2

55

4

12

10

45

- 0

35

0

42

6 0

6

30

3

5

4

18

10

54

— 0

32

0

44

6 30

7

0

3

18

4

30

11

10

— 0

22

0

52

7 0

7

30

3

33

4

51

11

26

- 0

8

1

5

7 30

8

0

3

47

5

11

11

39

+ 0

9

1

22

8 0

8

30

3

58

5

26

11

51

+ 0

30

1

39

8 30

9

0

4

5

5

37

11

59

+ 0

44

1

56

9 0

9

30

4

8

5

45

12

2

+ 0

52

2

5

9 30

10

0

4

7

5

48

12

1

+ 0

54

2

10

10 0

10

30

4

5

5

47

11

58

+ 0

52

2

10

10 30

11

0

4

0

5

44

11

53

+ 0

48

2

8

11 0

11

30

3

54

5

38

11

47

+ 0

44

2

3

11 30

Diese Tabelle giebt die Haupt- oder halbmonat-
liche Ungleichheit; die Gestalt der Kurve ist jedoch
besser aus der graphischen Darstellung zu ersehen.

Die Hafen-Zeiten obiger Orte kommen folgender
Massen zu stehen:

Sheerness........Oi> 39'

London-Docks.....1 57

Brest......... 31» 48'

Portsmouth ..... 11 40
Plymouth...... 5 33

Desslou hat noch die folgende Tafel für S'^ He-
lena berechnet, nach Beobachtungen, welche
Fallows
mitgetheilt hat. Die Zahlen sind sehr unregehnässig,
was der geringen Anzahl der Beobachtungen und
der Schwierigkeit zugeschrieben werden muss, die
Zeit des Hochwassers mit Bestimmtheit anzugeben,
da die Höhe der Fluth nur ungefähr 3 Fuss be-
trägt. Die Hafenzeit scheint zu etwa 56' ange-
nommen werden zu können.

St Helena.

St Helena.

Mond-
Kulmination,

Korrespon-
direndes In-
tervall.

Zahl der
Beobach-
tungen,

Mond-
Kulmination.

Korrespon-
direndes In-
tervall.

Zahl der
Beobach-
tungen.

Oh

16'

2h

48'

15

6h 16·

2h 25·

13

0

40

2

47

11

6

43

2

22

12

1

16

2

50

12

7

15

2

48

15

1

45

2

38

12

7

39

2

32

14

2

17

2

41

14

8

13

2

47

13

2

46

2

32

14

8

45

2

42

12 1

3

14

2

30

13

9

14

2

50

12

3

43

2

26

13

9

42

3

10

14

4

16

2

5

15

10

17

3

8

14

4

47

2

8

10

10

46

3

5

10

5

15

2

28

14

11

16

2

58

12

5

46

2

16

12

11

46

3

2

12

Die Karte No. 2 gehört auch in das Gebiet der
Geologie vermöge der Niveau-Linien der Meeres-
tiefe, die ein anschauliches Bild geben von der Be-
schaffenheit des Seebodens um den westlichen und
nordwestlichen Theil von Eüropa. Diese Niveau-
Linien sind von 10 zu 10 Faden (έ, 6 Fuss) in der
Art gezogen worden, dass die erste Jiinie, welche
durch alle Punkte geht, wo die Meerestiefe 10 Fa-
den beträgt, mit einem Punkt zwischen zwei Stri-
chen (_____), die zweite Linie, wo die Tiefe

20 Faden beträgt, mit zwei Punkten zwischen zwei

Strichen (_______), u. s. w. bis zur Tiefe von

90 Faden, bezeichnet ist.

Die Niveau-Linie von 100 Faden gilt als Eand
der submarinen Tafel oder Platte, auf welcher die
Britischen Inseln, Frankreich, Deütschland und Dä-
nemark liegen. Die Tafel stürzt von diesem Rande,
der, nach Art der Land-Unebenheiten, durch eine
Bergschraffirung hervorgehoben worden, plötzlich
in die ungeheüere Tiefe hinab, die, bis auf einzelne
Punkte, die nach ihrem Zahlen werth ausgedrückt
sind, nicht weiter untersucht worden ist. Das Maxi-
mum der gemessenen Tiefe an diesem Steilrande
beträgt 529 engl. Faden = 2977 Pariser Fuss =
3082 Preüss. Fuss. Es liegt in 48" N. Breite,
8°^ W. Grw., im Parallel der Douarnenez-Bai,
ungefähr 35 deütsche Meilen vom nächsten Lande,
der Bretagne, entfernt.

lieber Fluth und Ebbe im Allgemeinen siehe:_ A. von Hum-

boldt's Kosmos, Entwurf einer physischen Weltbeschreibung·
LBd. 1845. S. 324, 325. _ Cotta's Briefe über A. v. Humboldt's

Kosmos. I, S. 187—193__Berghaus'Länder- u. Völkerk.; nebst

einem Abriss der physik. Erdbeschr. 1837. Bd. I, S. 446_464__

Dessen Grundriss derGeogr. in fünf Büchern. 1843. S. 165_167.

lieber die Fortpflanzung der Fluthwellen im Besondern siehe:_

Versuch einer Darstellung der geographischen Fortpflanzung
und der Verbreitung der Fluthwellen. Von dem Kev. William
Whewell; in Berghaus' Annalen der Erd-, Völker- u. Staatenk.
Der 3t™ Eeihe ΠΙ. Bd. 1837. S. 393 _ 483. _ F. G. Germar,
Fluth u. Ebbe. Nach den Englischen Beobachtungen; inLüdde's
Zeitschrift für vergleichende Erdkunde. LBd. 1842. S. 289_337.

lieber den Seehoden um Eüropa: — Berghaus' Länder- und
Völkerk. I, S. 408—410. _ Dessen Grundriss der Geographie.
S. 161.


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Hydrographie. 21

Meeresslroinö etc.

Ψ. 3. Karte vom Atlantischen Ocean; zur üebersicht der Strömungen und Handelsstrassen, der Wärme-
Verbreitung, des Seebodens, etc.

N«. 4. Karte vom Grossen Ocean (Mare Pacifico); zur Üebersicht der Strömungen, Temperatur und Han-
delsstrassen. Gegründet auf die Beobachtungen, welche seit Magalhaens' Zeit bis auf die Preüssischen
Weltreisen gemacht sind.

N®. 5. Physikalische Karte vom Indischen Meere, Enthaltend Temperatur-Verhältnisse, Luft- und ffleeres-
Ströme, Handelsstrassen etc.

N» 6. Der warme Meeresstrom des Atlantischen und der kalte Strom des Grossen Oceans, in
Parallele, nach geographischer Lage und Ausdehnung dargestellt.

Der Menscli ist ein Geschöpf des Landes, und
Undinens bewegliches Reich erfüllt ihn mit einem
oewissen unheimlichen Schauder. Der Ungebildete,
der fern von den Küsten im Innern des festen
Landes seine Heimath hat, erschrickt beim ersten
Anblick des Meeres, das für ihn nur eine grosse
Wasserwüste ist, die in seinen Augen eine un-
durchbrechbare Schranke zwischen Ländern und
Völkern aufgebaut hat; für den Küstenbewohner
dagegen ist das Meer der Tummelplatz seiner zwar
gefahrvollen, aber kühnen und oft kecken Thätig-
keit, ein Schauplatz, den er mit derselben Sicher-
heit betritt, wie der Gemsjäger die steilsten Lehnen
seiner vaterländischen Alpen; und der gebildete
Mensch erkennt in dem Weltmeer die grosse Fahr-
etrasse des Handels und Verkehrs und das Ver-
bindungsmittel zwischen den entferntesten Gegenden
der Erde, die ohne dasselbe kaum erreichbar sein
würden.

Der Ocean besteht aus einem zusammenhangen-
den Fluidum, das rund um das Festland ausgebreitet
ist, und wahrscheinlich von Pol zu Pol reicht.
Alle Busen, Buchten und Binnenmeere bilden nur
abgesonderte, nicht getrennte Glieder der aiUgemei-
nen tropfbar-flüssigen Hülle; und nur zu einer
bequemern Bestimmung der wechselseitigen Lage
der Landmassen, so wie zur Orientirung auf der
grossen Wasserfläche, die zwei Dritttheile der ge-
sammten Erdfläche einnimmt, war es angemessen,
sie in gewisse Haupt-Abtheilungen zu zerlegen,
deren wir fünf annehmen, davon zwei vorzugsweise
Oceane, die drei anderen hingegen Meere genannt
werden.

Diese Haupt-Abtheilungen sind: der Atlantische
Ocean, der Grosse oder Stille Ocean
(Mare Pacißco
im Spanischen), das Indische Meer, das nördliche
oder arktische Eismeer, und das südliche oder ant-
arktische Eismeer.

Kühne Seefahrer haben es wol versucht, die An-
gelenden der Erde zu erreichen, allein sie sind
gescheitert an den Eisbänken und Eisbergen, womit
die Polarmeere bedeckt sind. Die Bestrebungen,
welche man gegen Norden hin seit dem Anfang des
Jahrhunderts gemacht hat, enthält die Karte
No. 1 der oder meteorologischen Abtheilung
des Physikalischen Atlas. Dort ist auch der aüs-
serste Punkt angegeben, bis wohin der Mensch
gegen Süden hin im ersten Viertel des 19*®" Jahr-
hunderts gedrungen war: der englische Seemann
Weddell nämlich, der im Jahre 1823 die hohe
Breite von 74° 15' erreichte, was um so ausserordent-
licher erscheint, als das Eis der südlichen Regionen
den gewaltsamen Bewegungen des Meeres weit mehr
ausgesetzt ist, während das Nordpolarmeer einen
verhältnissmässig ruhigen Charakter hat. Allein

phtsik. atlas. ii.

zwanzig Jahre später ist Weddell von seinem Lands-
mann James Ross über troffen ivorden, indem es
diesem gelang, noch 4" weiter gegen Süden vorzu-
dringen.

Die aüssersten Punkte, bis wohin der Mensch
gegen die Pole hin gekommen ist, sind folgende:

Höchste nördliche Breite: 82'^ 45' Edward Parry, am 25. Juli 1827.

Höchste südliche Breite: 78 10 JamesEoss, am 23. Febr. 1842.

Parry's aüsserster Punkt liegt im Meridian von
Spitzbergen und ist nur 7° 15' oder .108% deütsche
Meilen vom Nordpole entfernt; Ross' aüsserster
Punkt liegt auf dem Meridiane von 163° 47' W. Paris,
der ungefähr in die Mitte zwischen Neüseeland und
dem Archipelagus der Niedrigen Inseln fällt, und
ist noch 110 50' oder 177^ deütsche Meilen vom
Südpole entfernt.

Die Tiefe des Meeres ist uns nur sehr unvoll-
kommen bekannt, weil es in den meisten Gegenden
der Erde noch an hinreichenden Untersuchungen
fehlt, und die Mittel, deren man sich früher zur
Erforschung derselben bedient hat, ihrem Zweck
nicht vollständig entsprachen. Aus theoretischen
Gründen hat Laplace gefunden, dass die mittlere
Tiefe des Weltmeers ein Bruch von der Längeii-
verschiedenheit der beiden Erddurchmesser sein
müsse, dessen Grösse er zu etwa drittehalb deüt-
schen Meilen oder sechszigtausend Fuss annimmt.

Unter den wirklichen Messungen sind diejenigen,
welche auf Cook's Reise 1772_1775 gemacht wur-
den, die ersten sichern. Am 5. September 1772, in
0° 52' S, Breite, oder beinah' unter dena Aequator,

_ im Atlantischen Ocean _ ward mit 250 Faden

oder 1500 Fuss (engl. Maass) das Senkblei gewor-
fen, ohne den Grund zu erreichen. Später waren
die Messungen von Phipps im nördlichen Eismeer
die bedeütendsten, indem sie bis 780 Faden oder
4680 Fuss gingen, ohne Grund zu finden. In neürer
Zeit gelangte Ellis in der Hudson's-Bai bis 891,
und John Ross auf seiner ersten Reise nach der
Baffins-Bai zu der Tiefe von 1050 Faden; und
William Scoresby, der jüngere, Hess das Senkblei
bis zu einer Tiefe von 1200 Faden oder 7200 Fuss
hinab, ohne den Grund zu treffen, im nördlichen
Eismeer unter 76°-^ N. Breite und 7« 8' W.Länge.
Die grössten Tiefen aber, zu denen das Senkblei
bis jetzt hinabgelassen worden ist, hat James Ross
im Südatlantischen Ocean gemessen, und zwar:

Breite Länge Grw. Tiefe

1840. Januar 3. 27« 26' S. 17» 29' W. 2425 Faden 2276«. 13652 Par. Fuss.

_ März 3. 33 21 „ 9 .0 O. 2676 „ 2510 15065 „

Die erste Stelle liegt ungefähr 210 deütsche Meilen
südwestlich von St. Helena, die zweite 75 deütsche
Meilen westlich vom Vorgebirge der guten Hoff-
nung. Am 3. Juli 1843 unter 15° 3' S. Breite und
23° 14' W. Länge von Grw., etwa 250 deütsche
Meilen westlich von St. Helena, warf James Ross,

2


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6 ZAveite Abtheilung.

bei fast windstillem Wetter und sehr ruhiger See
das Senkblei aus, konnte aber mit 4600 Faden —
4316* = 25900 Par. Fuss keinen Grund finden. Dies
ist die
grösste Tiefe des Meeres, die bis jetzt mit
GeAvissheit festgestellt worden ist. Sie korrespondirt
nahe mit der Höhe der höchsten Berggipfel der
Erde, des Kantschain dschunga und des Dhawala
Giri, Avährend die Tiefenmessungen vom Jahre 1840
der Höhe des höchsten Berges in Eüropa, des
Mont-Blanc, gleich stehen.

In den vier Atlas-Blättern No. 3_6 ist, mit Um-
gehung der beiden Polarmeere, und mit Ausnahme
der Erscheinungen der Fluth und Ebbe, Alles Das
übersichtlich zusammengestellt, was sich auf die
Physik der tropfbar-flüssigen Umhüllung unseres
Planeten bezieht: Die Temperatur des Meerwassers
an der Oberfläche, nach ihrer Abnahme vom Ae-
quator nach den Polen und ihren sonstigen Λ"er-
hältnissen; die oceanischen Strömungen, „die einen
so wichtigen Einfluss auf den Verkehr der Nationen
und auf die klimatischen Verhältnisse der Küsten
ausüben"; die oceanischen Strassen für den Welt-
handel, deren Richtung in ihren Ursaclien nur mit
Hülfe der Karten No. 7 und 8 der ersten Abtheilung
erklärt werden kann, insoweit die Seewege den
Atlantischen und Grossen Ocean durchschneiden;
die örtlichen Erhebungen des Seebodens, von denen
sich Spuren im äquatorialen Theil des Atlantischen
Oceans, und in dessen nördlichen Theil muthmasslich
im Sargasso-Meer, oder der Fucus-Bank von
Οογλ^ο
erkennen lassen. Zur weitern Erlaüterung wird auf

die nachstehenden Schriften verwiesen: __

A. von Humboldt's Kosmos, I, S. 323_332. _ Dessen An-
sichten der Natm·. 3«® Ausgabe, 1849. I, S. 193—201. _ Cotta's
Briefe, I, S. 199 __ 202. _ Burmeister's (geistvolle) Geschichte
der Schöpfung. 3'«= Auflage; S. 29_34. _ Berghaus' Länder- u.
Völkerk. I, S. 310—621. _ Dessen Almanaeh für Ereiinde der
Erdkunde. Jahrgang 1837, S. 296—333. Jahrgang 1841, S. 171 —
176. _ Dessen Grundriss der Geographie, S. 158 — 172. _
Dessen Grundlinien der physikalischen Erdbeschreibung, Stutt-
gart, 1847. S. 189—200. _ James Clark Eoss' Entdeckungsreise
nach dem Südpolarmeere, Deütsche Uebersetzung; S. 18, 22, 421.


Strömende Wasser des festen Landes.
Ψ.Ί. Αsia-Eüropa; in Beziehung auf das Fliessende, und seine Vertheiiung in Stromgebiete.
N». 8. Stromgebiete der Neuen Welt: Nord-Amerika; Süd-Amerika. Nebst Tabelle über Stromlängen,

Die grossen Ströme sind die Bahnen, auf denen
die Völker einander näher gebracht werden. En-
den sie ihre Fallthätigkeit im Weltmeere, so bil-
den sie ein Glied in der Kette der physischen Er-
scheinungen, die zur Verherrlichung des socialen
Lebens der Menschheit dienen.

In dieser Beziehung hochbegünstigt erscheinen
Eüropa, Süd- und Ostasien, sowie die südliche
Hälfte von Nordamerika.

Nordasien kann hierauf keinen Anspruch machen;
denn so riesenmässig auch seine Ströme und deren
Gebiete sind, die unter die grössten der Erde ge-
hören, so tritt doch ein anderes physisches Element
ihrer Bedeütung feindlich entgegen, das klimatische
Element; denn die Mündungen dieser Ströme, des
Obi, Jenissei und der Lena sind fast beständig
mit Eis belegt. Dieses Nordasien kann daher kei-
nen Theil nehmen am Weltverkehr, von dem auch
Innerasien, oder das Gebiet der Kontinental-Ströme
ausgeschlossen, oder darin mindestens sehr erschwert
ist. Hier ist eine Welt für sich, die drei Mal grös-
ser ist, als das Atlantische Eüropa: Nordasien, vom
Obi ostwärts, enthält ungefähr 183,000 deütsche
Geviertmeilen, und das Gebiet der Kontinentalströme
lässt sich zu wenigstens 198,000 eben solcher Quad-
ratmeilen anschlagen.

Aehnlich verhält es sich mit den Stromgebieten
der nördlichen Hälfte von Nordamerika. Der Macken-
zie, Churchill, Saskatchawan und Albany, die Haupt-
gewässer dieses Abschnitts der Neüen Welt, durch-
furchen ein ödes, nacktes Felsen- und Steppenland,
das für den gesitteten Menschen unbewohnbar ist,
und eilen einem Meere zu, an dessen Küsten das
tropfbarflüssige Element auch einen grossen Theil
des Sommers im festen Zustande sich befindet.
Selbst das Mündungsgebiet des Lawrence oder Lo-
renz-Stroms ist, während der grösseren Hälfte des
Jahres von Eis versperrt; denn die Isotherme von
0" streift nicht weit nördlich an ihm vorüber (Abth. T,

No. 1 u. 2) und die Isochimene von _ 8° schnei-
det es von S W. nach NO., die Isothere von -j- 16° von
W. nach O., Avelche in Eüropa das nördliche Eng-
land und das südliche Schweden triift. (Abth. V,
No. 2.)

Von den Strömen Südamerika's werden diejeni-
gen, welche der heissen Zone ausschliesslich ange-
hören, dem gesitteten Menschen wol nie oder doch
nur ein höchst beschränktes Feld für seine Thätig-
keit darbieten können, und nur das Gebiet des La
Plata, oder Silberstroms gewährt die Aussicht, dass
seine Einnen und Kanäle dereinst von einem intel-
ligenten Volke zu benutzen sind.

Gewaltige, undurchbrochene Gebirgsketten ma-
chen Inner- und Nordaeien unzugänglich von Süd-
und Ostaeien her. Nur aufder eüropäischen Seite wird,
durch die physische Beschaffenheit des Gränzbodens,
es möglich, dem abgeschlossenen Binnen-Gebiete von
der See her beizukommen, vermöge der Wolga, die
unfern ihrer Quelle mit dem Finnischen Meerbusen
durch Kanäle in schiff'barer Verbindung steht.
Russland hat auf natürlichste Weise die Bestimmung
mit den Völkern Innerasiens in Verkehr zu treten,
und sie den allgemeinen Interessen der Menschheit
näher zu bringen; Russland ist Beherrscher des
Wolga-Gebiets und damit von selbst des Kaspi-See's
und seiner übrigen Zuflüsse. Von den Gestaden
dieses Binnen-Meeres muss die Anknüpfung der
eüropäischen Völker an die Bewohner Innerasiens
erfolgen, wie der niedrige und flache Rücken des
Urals die Bindung Eüropa's an die spärliche Be-
völkerung Nordasiens vermittelt. St. Petersburg,
im Hintergrund des Finnischen Meerbusens und an
der Mündung der Newa, ist der grosse Hafen der
asiatischen Binnenwelt; von ihm aus muss das Licht
der Volks-Aufklärung leüchten nach Osten und
Südosten über Millionen Menschen, die in Finster-
niss verharren; dahin ist das Drängen des Slawen-
thums zur Wohlfahrt und Veredlung des Menschen-

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Hydrographie. 23

geschlechts gewendet, während das Germanen-
thum dieselbe Bestimmung in Süd- und Ostasien
erfüllt.

Aber auch jenseits des Atlantischen Ocean-Thals,
in der Neuen Welt, hat die Vorsehung den ger-
manischen Völkern eine grosse Aufgabe gestellt.
Hier in Nordamerika ist das Gebiet des Mississippi
und das Gebiet des Lorenzstroms und der Cana-
dischen Seen (die alle zusammen mehr als 4230
deutsche Quadratmeilen gross sind) für jetzt der
Hauptschauplatz ihrer Thätigkeit, der unter sich
und mit der buchten- und hafenreichen Küste des
Atlantischen Meeres durch künstliche Wasser- und
die eisernen "Wege der Neüzeit in unmittelbare Ver-
bindung gebracht worden sind. Doch hat der rast-
los geschäftige Germane am Mississippi nicht sein
Euhelager aufgeschlagen: er hat den Scheide-
rücken des Felsengebirgs überschritten und ist in
die Stromthäler des Stillen Oceans hinabgestiegen,
in die des Columbia- oder Oregon-Stroms und des
grossen Colorado des Westens; er hat dort auf der
Abdachung zum westlichen Meere, in unsern Tagen,
ein bisher unbekanntes inneres Becken gefunden,
das mit dem Ocean nicht in Verbindung steht, das
„Grosse Bassin," zu welchem mehrere Flüsse ge-
hören, unter denen der grösste von Fr0mont, dem
Entdecker dieses Binnenbeckens, nach dem Blustra-
dor der Neüen Welt „Humboldt's River" genannt wor-
den ist. Germanen haben das Mexicanische Tafelland
erstiegen und sich im nördlichen Theile festgesetzt,
und erst dann werden die eingehornen Völker der An-
des-Plateaux von Südamerika der wahren Gesittung
entgegen geführt werden, wenn dereinst im 20®^®°
Jahrhundert christlicher Zeitrechnung Germanen an
die Stelle der romanischen Conquistadoren des 15*-®"
und Jahrhunderts geti-eten sind, und den Zu-
gang zu jenen Gebirgsebenen von Osten her, ver-
möge des Silberstroms und seiner Zuflüsse, und
bedingter Weise auch durch den Amazonenstrom,
werden eröffnet haben.

So gewähren unsere Karten nicht allein ein physi-
kalisches, sondern auch das höhere Interesse für Völ-
ker-Kultur und die Richtungen und Wege, welche
zur weitern Aus- und Verbreitung der Gesittung
von der Natur angewiesen sind.

Wir haben auf dem Einen Blatte No. 7 eine mög-
lichst vollständige üebersicht von der Vertheilung
des Fliessenden in der Alten TV^elt, mit Ausschluss
des afrikanischen Erdtheils, der hier übergangen
wurde, weil seine Stromsysteme ein dichter Schleier
deckt. Wie unbestimmt sind unsere Kenntnisse
über den Lauf der afrikanischen Ströme! Des Se-
negal, der Gambia, des Dscholiba-Quorra (Ni-
ger), des Congo oder Zahire, des Orange-Stroms,
u. s. w. Selbst den
alten Nil kennen wir nicht ein Mal
in der Quelle seines Hauptarms, des Bahr el Abyad,
oder Weissen Stroms,_trotz eines zwei tausendjäh-
rigen Bemühens sie aufzusuchen. Doch hat das letzte
Jahrzehend für die Afrika-Forschung grosse Schritte
vorwärts gethan! Was wir von Afrika's physischer
Gestaltung wissen, ist auf No. 7 der Abthei-

lung übersichtlich zusammengestellt.

A. von Humboldt's Ansichten der Natur. 3t® Ausgabe, Bd. I,
S. 60 und an vielen anderen Stellen. _ Cotta's Briefe, I, S. 198.
_ Burmeister's Geschichte der Schöpfung. S. 8_28. _ Berg-
haus' Länder- und Völkerk. II, S. 108_226. _ Dessen Erste

Elemente der Erdbeschreibung. Berlin, 1830, S. 236_239, 246__

Dessen Grundriss der Geographie, S. 151_155. _ Dessen Grund-
linien der physikalischen Erdbeschreibung, S. 156_174.


N^ 9. Üebersicht der bekannteren Gabeltheilangen des strömenden Wassers, in beiden Hemisphären.

Das Phänomen der Bifurcation strömender Gewäs-
ser ist zu wichtig, als dass es den Freünden der Phy-
sischen Geographie nicht willkommen sein sollte,
in dieser Sammlung von Karten, die zur Erlaüterung
der Physik der Erde bestimmt sind, ein Blatt zu fin-
den, welches der in Rede seienden Erscheinung aus-
schliesslich gewidmet ist.

Eüropa bietet vornehmlich zwei Gabeltheilungen
dar: die eine in Italien, zwischen dem Arno und der
Chiana, in Toscana; die andere in Deütschland, zwi-
schen der Haase und der Else, in Westfalen. Diesen
zwei Erscheinungen sind vier Kärtchen gewidmet
worden, davon zwei die allgemeine, und die beiden
andern die besondere Üebersicht der betreffenden
Ο ertlichkeiten gewähren.

Asien besitzt auf seiner Hinterindischen Halbinsel
ebenfalls Beispiele von diesem Phänomen. Was wir
darüber wissen gründet sich hauptsächlich auf die Er-
kundigungen, welche Dr. Buchanan-Hamilton wäh-
rend seines Aufenthalts zu Ava, im Jahre 1795, ein-
gezogen hat. Die geographischen Zeichnungen, die
ihm daselbst von intelligenten Eingebornen mitge-
theilt wurden, sind hier in treüer Kopie wieder gege-
ben worden, mit Ausnahme der Bergzeichnung, wel-
che in die eüropäische Weise übertragen wurde. Doch
darf es nicht unbemerkt bleiben, dass neüere Unter-
suchungen, von Dr. Richardson 1829_1830, und von

Mc Leod 1836_1837, diese Gabeltheilungen und
Verbindungen der Hinterindischen Ströme zweifelhaft
machen, mindestens was diejenige anbelangt, welche
im Lande der Jün-Schan angetroffen wird.

Die wichtigste von allen bekannten Gabeltheilun-
gen des strömenden Wassers ist ohne Zweifel die Bi-
furcation des Orenoco, der durch den Casiquiare mit
dem Rio Negro, und vermittelst dieses Flusses mit
dem Amazonen-Strom in Verbindung steht. A. von
Humboldt's astronomisch-geographische Beobachtun-
gen, auf seiner mit Aim^ Bonpland unternommenen
Reise angestellt, haben diese Gabeltheilung ausser-
halb jedes Zweifels gesetzt, wiewol sie noch kurz
vorher von Buache für eine geographische Missgeburt
(monstruosite geographique) erklärt wurde.

Indem A. v. Humboldt's Karte vom Laufe des Ore-
noco, des Atabapo, des Casiquiare und des Rio Negro,
unter ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers, im
halben Maasse des Originals, in diese Sammlung phy-
sischer Karten aufgenommen wird, glaubt der Heraus-
geber zur Verbreitung derselben etwas beizutragen.
Fast unglaublich klingt es, wenn man sagt, Humboldt's
Arbeiten über die Neüe Welt seien noch nicht allge-
mein bekannt; und dennoch ist es so,_ wie wär'

es sonst möglich, dass Reisende in Südamerika, ver-
ständige Männer, britische Seeoffiziere, auf Grund
der Aussagen eines fliehenden Raubmörders eine so

2 *


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8 ZAveite Abtheilung.

wilde Kartenskizze, vom Lauf des Casiquiare entwer-
fen und öffentlich mittheilen konnten, wie es sechs
und dreissig Jahre nach der Epoche von Humboldt's
Reise geschehen ist?

A. von Humbüldt's Ansichten der Natur, I, S. 51 _ 54 und
249 _ 316; („lieber die Wasserfalle des Orinoco bei Atuves und
Maypures" unter 5" 37' und ö" 13' N. Breite). _ Berghaus'
Länder- u. Völkerk.
II, S. 125_131. _ Dessen Grundlinien der
physikalischen Erdbeschreibung, S. 173_174.


N». 10. Vermisclites znr Hydrographie: _ Schwankungeö des Ostsee-Standes, Strom-Neigungen, etc. etc.

Auf diesem Blatte sind manchfaltige Erscheinun-
gen, die das Leben und Weben des flüssigen Elements
darbietet, vereinigt und mittelst graphischer Darstel-
lung zur leichtern Anschauung gebracht worden. Zu-
nächst eine _

üeberskht vom Wasserstande der Ostsee in den Häfen Hemel, Pillau

und Swinemünde während der dreissig Jahre von 1811 bis 1840,

die hauptsächlich durch die Frage veranlasst worden
ist, ob das an der skandinavischen und finnischen
Seite der Ostsee wahrgenommene Phänomen der He-
bung des Landes auch an der deütschen Küste be-
merkt werde, eine Frage, über die nur allein genaue
Pegel-Ablesungen entscheiden können.

In sämmtlichen preüssischen Häfen der Ostsee-
küste sind im Jahre 1810 Pegel errichtet worden, an
denen seit dem 1. Januar 1811 regelmässig, bei den
meisten täglich ein Mal, die Höhe des Meeresspiegels
beobachtet wird. Von diesen Pegelbeobachtungen sind
die in den Hafenorten Memel, Pillau und Swine-
münde gemachten Ablesungen herausgehoben, und,
analog den Wasserstands-Uebersichten der Land^
ströme (No. 11 u. s. w. dieser zweiten Abtheilung) von
Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr, durch Zeichnung
versinnhcht worden.

Auf das kleine Binnen-Becken der Ostsee übt be-
kanntlich das Phänomen der Gezeiten keinenEinfluss
aus: die regelmässigen Schwankungen der Ebbe und
Fluth, nach denen in den oceanischen Häfen die Zeit
bestimmt werden kann, sind in den baltischen Häfen
unbekannte Grössen; dagegen zeigt uns die graphi-
sche Darstellung ihres Wasserstandes, dass derselbe
den unregelmässigsten Oscillationen unterworfen ist,
die mit denen der Landströme grosse Aehnlichkeit
haben.

Bei Memel giebt es zwei Wasser-Marqueurs. Der
eine steht im Dange-Strom an der, über demselben
fuhrenden Brücke; der andere am rechten Ufer des
Stich-Kanals zum alten Lothsen-Hafen, am soge-
nannten Ballastplatz. Die Kurve des Memeler Ost-
seestandes bezieht sich auf die an dem zuletzt ge-
nannten Pegel gemachten Ablesungen. Die senkrechte
Lage desselben ist auf die Oberkante der Plinte am
lutherischen Kirchengebaüde bezogen. Der Nullpunkt
des Pegels liegt 16' 9" unter diesem festen Punkte.
Dieser Höhenunterschied ist seit dreissig Jahren un-
verändert geblieben.

Memel steht bekanntlich nicht unmittelbar an der
Ostsee, sondern am Kurischen Haff, oder vielmehr an
dem Seegatt oder der Einfahrt von der Ostsee bis zum
Lothsenhafen, die etwas über '/2 preüssische Meile,
genau 1075 Ruthen, lang ist. Die geringste Breite
der Fahrbahn im Grundbette ist 360 Fuss, und im
Wasserspiegel am nördlichen Ufer bis an die Spitze
der Kurischen Nehrung 1200 Fuss; die Tiefe wech-
selt von 14 bis 17 Fuss. Fregatten, Barken, Pinken,
Schooner, Fleüten und Galgatten bis zu 220 Lasten

Tragfähigkeit und 14 Fuss Einsenkung laufen von
der Rhede in den Hafen von Memel ein, der vom
Dange-Strom gebildet wird. Gehen die Seeschiffe tie-
fer, so muss auf der Rhede durch Bordinge gelichtet
werden.

Auch der Pegel zu Pillau steht im dortigen Loth-
senhafen. Sein Nullpunkt liegt 23' 4'' '/2 niedriger, als
die untere Kante des scheitelrechten Bogens über dem
Haupteingange des, ungefähr 40 Schritte vom Pegel
entfernten Leüchtthurms. Da die untere Kante des
Bogens in gleicher Höhe mit der untern Kante des
Widerlagers liegt, so ist, selbst bei dem möglichen
Falle der Verrückung des sich freitragenden Bogens,
der Nullpunkt auf eine sichere Art verbunden. Auch
dieser Pegel hat in Bezug auf seinen festen Punkt in-
nerhalb dreissig Jahre keine Veränderung erlitten,
und sein Nullpunkt stand im Jahre 1840 noch eben so,
als im Jahre 1810. Die Uferhöhe am Pillauer Loth-
senhafen beträgt 12' 10".

Das Seegatt oder die Fahrbahn von der Ostsee bis
zur Mündung des Hafens am Russischen Damm bei
Pillau ist 600 Ruthen lang. Von der Mündung des
Hafens bis zur Spitze der Frischen Nehrung am Haff-
ufer sind 200 Ruthen, und von dem Ende der neüen
Moole bis an das Ufer zwischen der Stadt und Fe-
stung Pillau 1400 Ruthen. Die geringste Tiefe ist 13
Fuss. Der Hafen zwischen dem Russischen Damm
und der Stadt ist von der Mündung vom Seegatt bis
zur Mitte gegen den Winterhafen 60 Ruthen lang; die
Breite ist hier 20 Ruthen, die geringste Tiefe 13 Fuss.
Wenn das Wasser 5' 9" am Pegel steht, ist die soge-
nannte Rönne oder Fahrbahn im Haff 6 Fuss tief.
Von da ab bis an das Ende des Russischen Dammes
sind 120 Ruthen Länge, die Breite im Durchschnitt 15
Ruthen, die Tiefe 12 Fuss. Der Winterhafen hat eine
Länge von 66 Ruthen, eine Breite von 15 Ruthen,
und eine Tiefe von 12 Fuss. Die Tiefe wird durch
Baggerung mit der Tiefe des Seegatts gleich ge-
halten.

Der Pegel zu Swinemünde, an welchem die hier zu
diskutirenden Wasserstände abgelesen worden sind,
steht am Westufer der Swine, am sogenannten Boll-
werk, 42 '/2 Ruthen von dem Eingange der Königs-
strasse, oder dem Hause des Kommerzienraths Krause,
dem festesten Gebaüde in Swinemünde, das auf einem
starken Rosst von eingerammten Pfählen sehr solid
aufgeführt ist, und einige Fuss über dem Boden eine
Granit-Plinte hat. Der Nullpunkt des Pegels ist, nach
Baeyer's Nivellement, 11' 2",
77 unter dieser Plinte.
Der Pegel liegt etwas über 900 Ruthen innerhalb des
Hafen«, d. h. so gross ist seine Entfernung von dem
Leüchtthurme, der auf dem Kopfe der östlichen Moole
des Swinemünder Hafens steht. Die Breite der Swine
zwischen dem Pegel und dem Fährhause beträgt ge-
gen 180 Ruthen, und die grösste Tiefe der Fahrbahn
auf dieser Linie in der Regel 35 Fuss.


-ocr page 10-

3.

Hydrographie.

Mittlere Wasserstände im Hafen zu

Im Jahre

Memel

Pillau

Swine-
münde

1811
1812

1813

1814

1815

2. 11,87
2. 5,15
2. 6,2a
2. 2,48
2. 4,66

7. 7,19
7. 3,52
7. 10,03
7. 4,26
7. 8,71

3, 6,09
3. 5,13
3. 7,01
3. 5,31
3. 4,94

1816

1817

1818

1819

1820

2. 0,33
2. 0,22
1. 7,73
1. 6,37
1. 6,57

7. 9,53
7. 11,94
7. 8,65
7. 7,81
7. 6,89

3. 6,19
3. 9,47
3. 7,58
3. 6,58
3. 6,26

1821
1822

1823

1824

1825

1. 10,93

2. 0,01
1. 6,51

1. 5,33

2. 3,17

7. 10,61
7. 11,59
7. 6,73
7. 8,40
7.11,67

3. 6,50
3, 9,73
3. 4,81
3. 7,83
3. 11,00

1826

1827

1828

1829

1830

1. 4,16
1. 7,44
1.10,48
1. 11,37
1. 6,01

7. 5,79
7. 6,96
7. 9,41
7. 5,01
7. 5,29

3. 3,59
3. 5,84
3. 6,97
3. 5,71
3. 6,13

1831

1832

1833

1834

1835

1. 3,16
1. 3,27
1. 2,73
1. 8,18
1. 9,05

7. 6,19
7. 6,41
7. 7,29
7. 11,12
7. 8,70

3. 6,00
3. 4,87
3. 5,22
3. 10,42
3. 5,73

1836

1837

1838

1839

1840

2. 2,28
1. 7,52
1. 5,15
1. 4,52
1. 8,45

7.10,87
7. 7,43
7. 5,85
7. 4,29
7. 8,54

3. 7,13
3. 6,32
3, 7,63
3. 7,04
3. 7,19

2.

Mittlere Wasserstände in fUnflährigen
Perioden.

1811—1815
1 1816—1820
1821—1825
1826—1830
1831—1835
1836-1840

2. 6,07
1. 9,04
1. 9,99
1. 7,89
1. 5,28
1. 7,98

7. ^74
7. 8,96
7. 9,20
7. 6,49
7. 7,92
7. 7,40

3. 5,70
3. 6,02
3. 7,97
3. 5,65
3. 6,45
3. 7,44

1811—1840

1. 10,05

7. 7,89

3. 6,67

In den nebenstehenden Tafeln 1_4 sind

die Hauptresultate der Pegel-Ablesungen in
allen drei Häfen während einer dreissigjähri-
gen Periode zusammengedrängt. Die Tafel 1..
giebt den mittleren Wasserstand für jedes der
Jahre, die in der Periode von 1811 bis 1840
verflossen sind.

Vergleicht man den Anfang dieser Periode
mit ihrem Ende, so zeigt sich, dass die Was-
serhöhe am Pegel zu Memel um 1' 3 ",42 nied-
riger geworden, dagegen bei Pillau und Swi-
nemünde gestiegen ist, und zwar dort um
1",35, hier um l",io. Da nun aber der Was-
serspiegel des Meeres in einem konstanten,
unveränderlichen Niveau steht, so müssen jene
Resultate des scheinbaren FaUens und Stei-
gens der Wasserfläche, vorlaüflg abgesehen von
andern Phänomenen, die darauf von Einfluss
sein können, gerade umgekehrt gedacht wer-
den; und man kann sagen, jene DiflTerenzen
im Wasserstande am Anfang und Ende der
dreissigjährigen Periode rühren bei Memel von
einer Hebung, bei Pillau und Swinemünde von
einer Senkung des Küstenbodens her. Diess
bestätigt sich auch durch die Resultate der
Tafel 2, in welcher die Pegel-Ablesungen nach
fünfjährigen Perioden gruppirt sind. Es lässt
sich annehmen, dass in den Mittelwerthen die-
ser Tafel alle unregelmässigen Schwankungen
des Wasserstandes, und aUe Zufälligkeiten, die
auf die Pegelstände von Einfluss sein können,
eliminiret worden sind, dass mithin die Resul-
tate der fünfjährigen Periode den wahrschein-
lichsten Werth für die Höhe des Ostseespiegels
an den betreffenden Pegeln ausdrücken. Da
diese nun, wie oben erwähnt worden, in Be-

Abweichung vom mittlem 80jähr. Stande.

Im Jahre

Memel

Pillau

Swine-
münde

1811
1812

1813

1814
1815·

+ 1.
+ 0. 7,4
+ 0. 8,5
+ 0. 4,8
+ 0. 7,0

- 0^7

- 4,4
+ 2,1

- 3,6
+ 0,8

- 0,6

— l,e

+ 0,3

— 1,4

— 1,8

1816

1817

1818
1819.
1820

+ 0. 2,6
+ 0. 2
,5
- 0. 2,0

- 0. 3,3

— 0. 3,1

+ 1,6
+ 4,0
+ 0,7
- 0,1
- 1,1

- 0,5
+ 2,8
+ 0,9

— 0,1
— 0,4

1821
1822

1823

1824

1825

+ 0. 1,2
+ 0. 2,3

- 0. 3,2

- 0. 4,4
+ 0. 5
,5

+ 2,7
+ 3,7
— 1,2
+ 0,5
+ 3,8

— 0,2
+ 3,0
— 1,9
+ 1,1
+ 4,3

1826

1827

1828

1829

1830

— 0. 5,5

— 0. 2,3
+ 0. 0,8
+ 0. 1,7

— 0. 3,7

- 2,1

- 0,9
+ 1
,5

- 2,9

- 2,6

- 3,1

- 0,9
+ 0,3

- 1,0
-0,6

1831

1832

1833

1834

1835

- 0. 6,5

- 0. 6,4

- 0. 7,0

- 0. 1,5

- 0. 0,7

— 1,7

— 1,5

— 0,6
+ 3,2
+ 0,8

- 0,7

— 1,8

— 1,5
+ 3,7

— 1,0

1836

1837

1838

1839

1840

+ 0. 4,6
— 0. 2,2

— 0. 4,6

— 0. 5,2

— 0. 1,2

+ 3,0

— 0,5

- 2,1
- 3,6
+ 0
,7

+ 0,4
- 0,4
+ 0,8
+ 0,3
+ 0
,5

4.

Abweichung vom mittlem Stande in
fünflälirigen Perioden.

18H .1815
1816-1820
1821—1825
1826—1830
1831-1835
1836-1840

+ 0. 8,0
— 0. 1,0
0. 0,0
- 0. 2,1

- 0. 4,7

— 0. 2,0

— 1,2
+ 1-0
+ 1,3

— 1,4
0,0

— 0,5

— 1,0
- 0,6
+ 1,3
— 1,0
— 0,2
+ 0,8

Mittl. Stand

1.10,o| 7.7,8

3. 6,7


ziehung auf andere feste Punkte des Landes, wäh-
rend der ganzen Periode in einer unveränderlichen
Lage geblieben sind, so scheint sich nothwendiger
Weise der Schluss herauszustellen, dass die Diffe-
renzen der Pegeistände an den beiden Endpunkten
der Periode, von einer Bewegung des Landes in
senkrechtem Sinne herrühren, und diese Bewegung
geht bei Memel aufwärts; im Betrage von 10",
09,
bei Pillau und Swinemünde aber abwärts, und zwar
dort mit 0
",66, hier mit 1",74. Am Fuss der zweiten
Tafel sind die Mittel der ganzen dreissigjährigen
Reihe angegeben. Aus der Vergleichung der ein-
zelnen Jahresmittel mit diesem Hauptmittel sind die
Tafeln 3 und 4 entstanden, welche die Abweichun-
gen enthalten, und von denen die Ergebnisse der
dritten Tafel unter der Aufschrift Jahres-Ueber-
sicht der dreissigjährigen Periode auf dem
Blatte No. 10 auch graphisch dargestellt sind.

Die Pegel zu Memel, Pillau und Swinemünde ste-
hen an der Mündung von Haffen, in die sich grosse
Ströme ergiessen. Man kann die Frage aufwerfen, ob
die Wassermasse, welche vom Memelstrom ins Ku-
rische Haff, vom Pregel und einem Theile der Weich-
sel ins Frische Haff, und von der Oder ins Pommer-
scheHaff geschüttet wird, auf das Niveau dieser Haffe
einen Einfluss übe, oder nicht; ob sie die Haffspiegel
hebe oder senke, je nachdem sie gross oder klein ist.
Zur genauen Beantwortung dieser Frage wären voll-
ständige hydrometrische Messungen in einem jeden

physik. atlas ii.

der genannten Flüsse ertorderlich. Diese fehlen aber;
dagegen besitzen wir Pegelbeobachtungen über den
Wasserstand der Ströme in deren Mündungsgebieten,
wovon die Beobachtungen, welche sich auf den Me-
melstrom, und zwar auf den Pegel zuTilse beziehen, in
Rechnung genommen und graphisch dargestellt worden
sind (s. No. 16 der hydrogr. Abth. u. weiter unten die
Vorbemerkungen). Hat der höhere Wasserstand des
Memelstroms am Tilser Pegel, daher auch das grös-
sere Wasservolumen, welches mit jenem verbunden
ist, einen namhaften Einfluss auf den Spiegel des Ku-
rischen Haffs, so muss sich dieser Einfluss auch am
Pegel im Lothsenhafen der Stadt Memel zu erkennen
geben. Ob die Wasserhöhen an beiden Pegeln paral-
lel gehen oder nicht, ergiebt sich am schnellsten aus
einer Vei'gleichung der Tilser Kurve (No. 16) mit der
Memeler (No. 10). Dieser Vergleich setzt es aber wol
ausser Zweifel, dass die in das Kurische Haff sich er-
giessenden Flüsse gar keinen, oder doch nur einen aüs-
serst geringen Einfluss auf den Wasserspiegel dieses
Strandsee's ausüben. Nur in sehr wenigen Fällen sehen
wir denselben steigen, wenn die Stromfluth bedeütend
gewesen ist, so im Jahre 1825; wir sehen ihn aber
auch fallen mit korrespondirendem Steigen des Stro-
mes, so u. a.: im Jahre 1816, andrer Seits aber auch
steigen, wenn der Fluss fällt, so im Jahre 1822. Aus
diesen Vergleichungen darf man den Schluss ziehen,
dass die grössere Wassermasse des Memelstromes,
welche durch die Pegelstände bei Tilse in den sieben

3


-ocr page 11-

10 ZAveite Abtheilung.

Jahren 1813, 1816, 1821, 1825, 1829, 1830, 1834,
1837 und 1840 nachgewiesen wird, im Deha dieses
Stroms sich ausgebreitet hat, wo sie theils versiegte,
theils verdampfte, was letzteres auch von dem kleinen
Theil dieser Wassermasse gilt, der in das Kurische
HafF gelangte, und zur Folge hat, dass der Hemeler
Hafen-Pegel unberührt blieb. Was hier für den Me-
melstrom, das Kurische Haif und die Hafenstadt Me-
mel durch Zahlen nachgewiesen worden ist, das lässt
sich auch unbedenklich axif Pillau und Swinemünde
und deren Oertlichkeiten anwenden; auch hier hat
der Wasserstand der Zuströme und Haffe keinen Ein-
fluss auf den Ostseespiegel.

Eben dasselbe folgt aus der Vergleichung der
Jahresperiode der Pegel. Am Pegel zu Tilse ist der
höchste Wasserstand im April, der niedrigste im
September. Von dieser Fluth und Ebbe zeigen die
Beobachtungen am Pegel zu Memel keine Spur.
Hier steht, wie aus der Tabelle 5 hervorgeht, das

Wasser im Seegatt am
höchsten im M.onatNo-
vember, am niedrig-
sten im Monat Juni,
und der Unterschied
beträgt gegen 6 Zoll,
nämlich 5
",88. Die Jah-
resperiode aller 3 Pe-
gel laüft nicht, wie man
wol erAvarten könnte,
parallel. Das Maxi-
mum ist, bei Memel,
wie gesagt, im No-

5.

Jährliche Periode der Pegelstäode zu

Monate und

Swine-

JahreBzeiten.

Memel

PiUau

münde.

Dezember

I. 11,42

7.

9,28

3. 7,3ä

Januar

i.

10,55

7.

8,62

3. 7,22

Fehriiar

].

9,58

7.

7,06

3. 5,97

März

1.

9,27

7.

6,23

3. 5,20

April

1.

10,19

7.

6,31

3. 5,33

Mai

1.

6,86

7.

4,10

3. 4,63

Juni

1.

5,93

7.

6,13

3. 5,37

Juli

1.

10,92

7.

10,12

3. 7,96

Auguft

1

11,25

7.

10,83

3. 8,71

September

1.

9,84

7.

9,33

3. 7,74

Oktober

1.

9,31

7.

7,23

3. 6,37

November

1.

11,81

7.

7,72

3. 6,14

Winter

1.

10,62

7.

8,32

3. 6,84

Frühling

1.

8,78

7.

5,55

3. 5,22

Sommer

1.

9,36

7.

9,03

3. 7,68

Herbst

1.

10,32

7.

8,09

3. 6,75

Jahr

1. 10,05

7.

7,89 1

3. 6,67

vember, bei Pillau und
Swinemünde im Au-
gust ; das Minimum bei
Memel im Juni, bei
Pillau und Swinemün-
de im Mai; Unter-
schied zwischen Maximum und Minimum dort 6
",73,
hier 4",o8. An diesen beiden Pegeln gehen also die
Wasserstände parallel, hinsichts der Zeit genau, in
Absicht auf Grösse des Pegelstandes ziemlich nahe;
woraus man zu schliessen berechtigt zu sein scheint,
dass die Oscillationen des Ostseespiegels bei Swi-
nemünde und Pillau gleiche Ursachen haben, wäh-
rend bei Memel eine Anomalie obwaltet, deren Effect
in abweichenden NaturYerhältnissen begründet sein
muss.

Dass die Schwankungen des Ostseestandes in den
einzelnen Monaten, wie in den vier Jahreszeiten mit
den Luftströmungen, ihrem Wechsel und ihrer relativen
Haüfigkeit zusammenhangen, scheint gewiss zu sein.
Zu einer Diskussion der Windverhältnisse der Sta-
tionen Memel, Pillau und Swinemünde hat es an Zeit
gefehlt. Es darf dabei die örtliche Stellung der Pegel
nicht unberücksichtigt bleiben, und die ist in allen
drei Fällen zwischen der offenbaren See im Norden
und einer weitgestreckten Lagune im Süden. Eine
Untersuchung der Luftströmungen würde vielleicht
darauf fuhren, dass die periodischen Veränderungen
der Pegelstände innerhalb der ganzen 30jährigen
Eeihe,nur allein der Effekt eben dies er Luftströmungen
seien; ist dies aber nicht der Fall, darf man dann fra-
gen: Ist es, um die OsciUationen des Pegelstandes, be-
sonders bei Memel, oder um seine periodische Zu- und
Abnahme zu erklären, nicht möglich, dass der Boden
während des muthmasslichen Hebungs-Prozesses in
grösseren Zeitraümen Wellen beschreibt? Analog den
Wellen bei einer momentanen Erderschütterung ?

Die aüssersten Pegelstände, zwischen denen sich
der Wasserspiegel der Ostsee innerhalb der zur Be-
trachtung gezogenen dreissigjährigen Periode, das ist
vom 1. Januar 1811 bis zum 31. Dezember 1840, be-
wegt hat, sind folgende:

Memel.

Pillau,

Swinemünde.

Höchster Was-

serstand . . .

+ 7'. 6" Dezbr. 1824

-fll'. 6" Jan. 1825

8'. 8" März 1822

Niedrigster Was-

serstand . . ,

— 1. 3 Dezbr. 1839

+ 4. 8. Jan. 1839

0. 1 Dez. 1815

Unterschied . .

8. 9

6.10

8. 7

Für das Leben der Völker, deren Wohnsitz auf
grosse Strom-Niederungen angewiesen ist, hat es die
allergrösste Bedeutung, eine genaue Kenntniss zu er-
langen von derphysischenBeschaffenheit und dem Zu-
stande der Wasserzüge dieser Niederungen, nach allen
ihren Eigenthümlich- und Zufälligkeiten. Das haben
die Bewohner des Ehein-Delta seit einem Jahrtausend
gefühlt, weil sie mit einem Elemente, auf das ihre
Wohlfahrt, ja ihre Existenz hauptsächlich gegrün-
det ist, in gewissen Jahreszeiten, vornehmlich in dem
Uebergange vom Winter zum Frühling, nicht sel-
ten einen Kampf auf Leben und Tod zu bestehen ha-
ben. Sie haben die vollständigsten Nivellements längs
aller ihrer Flüsse ausgeführt, indem sie die sehr zahl-
reich errichteten Pegel mit einander in Verbindung
brachten, und deren Lage in Bezug auf einen gewissen
Normalpunkt bestimmten, und sind dadurch, so wie
durch die fortwährend angestellten Beobachtungen
über die Höhe des Wasserspiegels an den Pegeln, in
den Stand gesetzt worden, die Neigung und den ge-
genseitigen Stand der Gewässer in den holländischen
Strömen für jeden Tag, ja für jede Stunde aufs Ge-
naueste kennen zu lernen.
Kraijenhoff hat diesen um-
fangreichen Messungen und Untersuchungen einen
grossen Theil seines segenreichen Lebens gewidmet,
und die Resultate derselben in einem grossen Werke:
„Sammlung hydro- und topographischer Beobachtun-
gen in Holland", bekannt gemacht, das im Jahre
1813 in zwei Ausgaben, in holländischer sowol als in
französischer Sprache erschienen ist. Aus diesem
Werke sind die Figuren 1, 2 und 3 unseres Blattes
entlehnt, zu deren Erlaüterung die folgenden Bemer-
kungen dienen.

Der Amsterdamsche Stadt-Pegel hat als allgemei-
ner Vergleichungs-Punkt für die Nivellements sämmt-
licher Flüsse und Gewässer HoUand's gedient, und
dieser Pegel seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
keine Veränderung erlitten. Durch seinen Nullpunkt
ist die horizontale Ebene gelegt, auf welche alle Höhen
bezogen worden sind. In der nachstehenden Tabelle
sind die Hauptresultate der Messungen enthalten.

Vergleichende üebersicht vom Wasserstande der Whaal, des Nledcr-
rbein's und der ob er η Maas am 26. August 1812, unter gleich-
namigen Meridianen.

Höhe des Wasserspiegels über 0 des

Vergleicliung

Vergleichung

Amsterdamschen Stadt-Pegels.

der Whaal mit

der Whaal mit

Meridian von

dem Nieder-

der obem
Maas.

In der

Im Nieder-'

In der Obern

rhein u. Leck.

■Whaal.

rheinii^Leck.

Maas.

Nimwegen

29. 1. 10

27. 4. 0

17, 4. "5 Ά

+ 1. 9. 10

+11.9. 4'Λ

Ochtel) , .

19. 10. 0

19. 11. Ι'Λ

14. 2. 9

— 0. 1. 1%

+ 5. 7. 3

Thiel . . .

17. 0. 4

16. 11. 8

12. 6. 10

+ 0. 0. 8

-f 4. 5. 6

St. Andries

12. 6. 7'Λ

14. 11. 3

11.11. 8'Λ

- 2. 4. 7'Λ

+ 0. 6. 11

Bommel . .

8. 8. 1%

12. 1. 8

8. 4. 6'Λ

- 3. 5. 614

-f 0. 3. 7

Gorinchem

3. 2. 4

4. 9. 11

— 1. 7. 7

Die Maas ver-

Hardinxveld

2. 6. 6·Λ

3. 1. 10

— 0. 7. 3'Λ

einigt sich mit
dor Whaal bei

Dortrecht .

-1. 7. 9

-0. 2. 11

~ 1. 4. 10

Woudrichem.


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Hydrographie. 11

Das Zeichen + bedeütet höher, und das Zeichen

_niedriger. Der Meridian von Nimwegen schneidet

den Rhein, dem Pachtgute Rozande gegenüber, 920
Ruthen unterhalb des Pegels von Amheim; und die
Maas, dem Dorfe Klein-Lienden gegenüber, '2300
Ruthen oberhalb der Stadt Grave, längs des AVasser-
zuges gemessen. Der Meridian von Ochten schneidet
den Rhein bei Rheenen und die Maas 150 Ruthen
oberhalb der kleinen Stadt Meegen, Der Meridian
von Thiel schneidet den Rhein dem Ryswaard gegen-
über oberhalb der Veertig Gaarden auf 3250 Ruthen,
unterhalb des Grebbe-Hafens, und die Maas auf 130
Ruthen unter dem Dorfe Lith. Der Meridian von St.
Andries schneidet den Rhein auf275 Ruthen oberhalb
Wijk bij Duursteden, und die Maas auf 60 Ruthen
oberhalb ihrer Vereinigung mit dem Kanal von St.
Andries. Der Meridian von Bommel schneidet den
Leck am obern Ende des Redichemschen Waard auf
900 Ruthen von Kuilenburg, und die Maas auf 240
Ruthen unter Crevecoeur. Der Meridian von Gorin-
chem (Gorkum) schneidet den Leck auf 200 Ruthen
oberhalb Ameyden, gegenüber der untersten der fünf
obern Mühlen der Vyf Heeren Landen. Der Meridian
von Hardinxveld schneidet den Leck auf 50 Ruthen
unterhalb der Mahlmühle von Langerak; und der
Meridian von Dortrecht auf 600 Ruthen oberhalb des
Pegels von Grimpen auf der Höhe der Mahlmühle
vom Elshout. Unsere kleine Karte giebt diese Punkte
möglichst alle an.

Wasserstand der Whaal und der Itterwede, verglichen mit dem
Rhein und leck, an Punkten, die von ihrer Scheidung gleichweil ent-
fernt sind, den 26. August 1812.

Entfer-
nung des
Ortes von
derSchei-
dung in
Ruthen.

Höhenunter-
schied des
Wasserspie-
gels beider
Ströme.

28. 11. 2'Λ

21. 9. 8'Λ

18. 10. 1'Λ

16. 0. 1

13. 6. 7

7. 8. 5

δ. 11. 5

2. 2. 5

0. 2. 7'Λ

1. 11. 8'Λ
1. 9. 9'Λ

3. 5. 5'Λ

4. 10. 5'Λ
4. 6. 1
3. 4. 10 Ά
3. 10. 2

29. 1. 10

19.10. 0

17. 0. 4

12. 6. 7'Λ

8. 8. 1'Λ

3. 2. 4

2. 6. 6·Α

-1. 7. 9

3960
9460
11995
14520
16845
22065
23805
27705

Höhe des Wasserspiegels
über 0 des Amsterdamer
Pegels.

In der ^Vhaal Im Rhein
u. Merwede. und Leck.

d. Whaal höher
d. Whaal niedr.

A. Nimwegen

B. Ochten . .

C. Thiel . . .

D. St. Andries

E. Bommel. .

F. Gorinchem
Cr. Hardinxveld
H. Dortrecht .

Die Entfernungen von dem Scheidungspunkte bei
Pannerden sind längs des Wasserzuges gemessen.
Die Entfernung A. trifft den Rhein auf 274 Ruthen
oberhalb des Pegels von Arnhem; B. auf 150 Ruthen
oberhalb der Fähre des Dorfes Heusden; C. auf 1541
Ruthen unterhalb des Ausflusses vom Grebbe-Hafen,
oder 200 Ruthen unter Rhemmerden; D. auf 1245
Ruthen oberhalb Wijk bij Duursteden, beim obern
Duine; E. auf 1011 Ruthen unterhalb Wijk bij Duur-
steden beim untem Duine; F. auf 139 Ruthen ober-
halb des Pegels von Vianen; G. auf 840 Ruthen
oberhalb der Kirche von Jaarsveld, oder 40 Ruthen
unterhalb des untern Punkts vom Bols; H. fällt auf
den Leck bei 243 Ruthen unter dem Pegel ausserhalb
des Wasserthors zu Schoonhoven.

Behufs deutlicherer Uebersicht der Lage der ver-
schiedenen, im Obigen genannten Punkte, ist die
kleine Karte vom holländischen Niederrhein
hinzugefugt worden, deren Maassstab 2 % Mal klei-
ner als der des Profils ist. Die Karte ist nämlich im
Maassstabe von 1: 1,000000 gezeichnet, der Längen-
maassstab des Profils dagegen ist 1: 400,000.

Die Resultate der ersten der beiden oben mitge-
theilten Tabellen sind in der und Figur gra^

phisch dargestellt. Das Profil des holländischen
Niederrheins, Figur 1, giebt die Höhe des Was-
serspiegels im Rhein, in der Whaal und Maas über
dem Nullpunkte des Amsterdamer Pegels, nach dem
Längendurchschnitt. Die 2'® Figur ist der Durch-
schnitt der Flüsse nach der Breite. Auf eine Regel-
mässigkeit in den Entfernungen der Flüsse ist hierbei
keine Rücksicht genommen worden; man hat nur ihre
Lage unter jedem Meridiane bezeichnen wollen. An
der Seite der kleinen Pfeile, welche die Richtung des
Gefälles andeüten, sind die betreffenden Höhenunter-
schiede angegeben.

Die relative Lage der obern Maas kann nicht als
so konstant angesehen werden, wie die der andern
Flüsse. Die Maas hat ihren eigenen, von den übrigen
holländischen Strömen unabhängigen Ursprung: die
in der Figur enthaltene Vergleichung findet daher
nur für den Tag der Beobachtung selbst, nämlich für
den 26. August 1812 Statt, ohne dass man daraus ir-
gend einen Schluss für andere Epochen zu ziehen im
Stande wäre.

Die zweite der obigen Tabellen enthält den Was-
serstand der Whaal und Merwede, verglichen mit
dem des Rheins und Leck in gleichen Entfernungen
von dem Scheidepunkte bei Pannerden, längs des
Wasserstrichs gemessen. Die Resultate dieser Tafel
sind nicht graphisch dargestellt; geschieht dies aber,
was mit gar keinen Schwierigkeiten verbunden ist,
so wird man Folgendes bemerken:_

1) Dass der Rhein oder Leck einen sehr regelmäs-
sigen Lauf hat, und dass nur Nimwegen gegenüber,
auf 3980 Ruthen oder beinahe 2 Meilen vom Schei-
dungspunkte, er niedriger liegt, als die Whaal, was
man dem Abfluss des Wassers durch die Yssel-Mün-
dung, oberhalb Arnhem, zuschreiben muss; überall
sonst ist der Rhein und Leck höher als die Whaal
und Merwede. Indessen findet dieser Wasserstand
zwischen Arnhem und Nimwegen nicht immer Statt,
und der Rhein bei Arnhem steht bisweilen höher als
die Whaal bei Nimwegen, besonders wenn das Ober-
wasser abgeleitet wird, und sich durch die Mündung
des Alten Rheins bei Lobith ergiesst, und in den Nie-
derrhein, unterhalb des Kanals von Pannerden, bei
Candia, gelangt.

2) Dass die Whaal dagegen einen sehr unregelmäs-
sigen Lauf hat: zwischen Ochten und Thiel ist ihr
Gefälle geringer, als ober- und unterhalb dieser Orte,
was sehr schwer zu erklären ist, ausser durch eine
ganz eigenthümliche Beschaffenheit des Strombettes.

3) Dass die Neigung zwischen Thiel und Bommel
wiederum grösser ist, als oberhalb der zuerst genann-
ten Stadt, weil ein grosser Theil des Whaal-Wassers
sich in die Maas ergiesst, und zwar durch den Kanal
von St. Andries, der zwischen beiden Punkten liegt.

4) Dass das Gefälle zwischen Bommel und Wou-
drichem plötzlich abnimmt, was von dem Zusammen-
fluss mit der Maas herrührt, die, indem sie sich bei
Loevestein in die Whaal ergiesst, die Strömung ver-
zögert und das Aufstauen des Wassers in dem zu-
letzt genannten Strome bewirkt.

5) Dass die Neigung der Merwede zwischen Wou-
drichem, Gorinchem und Hardinxveld sehr gering
ist, weil dieser Theil des Flusses, indem er die Was-
sermassen der Whaal und der Maas empfängt, durch
die Begegnung beider Strömungen verzögert wird.
Seine grosse Breite an dieser Stelle und die zahlrei-*

3*


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12 ZAveite Abtheilung.

chen, daselbst befindlichen Hindernisse tragen ausser-
dem zur Hervorbringung dieses Effekts bei.

6) Dass von Hardinxveld bis Dortrecht (zur Ebbe-
Zeit) das Gefälle abermals wieder grösser sein müsse,
vregen Ableitung des Wassers durch, die, unter dem
Namen der Werkendamer Kila bekannten Seitenaus-
gänge gegen den Biesbosch hin.

7) Endlich, dass am untern Ende der Merwede, bei
Dortrecht, die Ebbe tiefer herabgeht, als am Ende
des Leck bei Krimpen; entweder, weil die Merwede,
wegen der Ableitungen durch die Kils in ihrem obern
Theile, weniger Wasser empfängt; oder, weil unter-
halb Dortrecht viel Wasser durch den Dortrechtschen
Kil, gegen den Amer oder das HoUandsche Diep ab-
fliesst, wo die Ebbe tiefer hinabgeht, als in der alten
Maas; anderer Seits steigt die Fluth bei Dortrecht
höher, als bei Krimpen, wegen der grossen Menge
von Wasserlaüfen, durch die sie ober- und unterhalb
dieser Stadt gelangen kann.

Diese Weise, den Zustand der Flüsse darzustellen,
kann auch noch andere Betrachtungen hervorrufen.
So z. B. sind in der Fig. 3 die Phänomene der
Ebbe und Fluth so gezeichnet, wie sie im Leck,
der untern Maas und dem Sluisschen Diep am 11.
Dezember 1812 Statt gefunden haben. Man darf nur
auf den punktirten Linien die, daselbst angegebenen
Stunden verfolgen, in denen die Beobachtungen ge-
macht worden, um den Zustand des Wasserspiegels
in jeder Stunde beurtheilen zu können. Die Entfer-
nungen der Pegel in dieser Figur sind nach dem
Strom strich gemessen.

Die vergleichende Uebersicht des Strom-
gefälles der Wolga, des Ganges, der Donau,
Elbe, des Rheins und Ehone, so wie der abso-
luten Höhe einiger Landseen, ist an sich so
deütlich, dass sie kaum einer Erlaüterung bedarf.
Hier ist die Neigung des ganzen Laufs der genannten
Ströme, von der Quelle bis zur Mündung, dargestellt,
und man erkennt an dem jähen Abfall des Oberlaufs
sofort diejenigen unter ihnen, deren Quellbezirk in
Hochgebirgen liegen, wie Ganges, Ehein und Rhone,
auch Elbe; während die verhältnissmässig geringe
Neigung der Donau in ihrem Oberlaufe verräth, dass
dieser Strom den sanften Stufen-Abfällen des östli-
chen Schwarzwaldes entquillt. Bemerkenswerth ist
es, dass das Profil der Donau, auf der deütsch-un-
grischen Gränze mit dem Profil des Ganges im hin-
dustanischen Niederlande bei Allahabad zusammenfällt.
Die Wolga, dieser gewaltige Wasserlauf, schleicht
gleichsam, auf ihrer ganzen Strom-Entwicklung, in
geringer Höhe über dem oceanischen Niveau dem
Ende ihrer Fallthätigkeit entgegen, das im Kaepi-
schen See um 85,45 engl. Fuss oder 13*,36 unter
dem Wasserpass des Weltmeeres steht. Dieses
Phänomen der Senkung einer so grossen Fläche, wie
die des Kaspi und seiner Umgebungen, hat die Phy-
siker seit Chappe's Reisen in Sibirien, und vorzüg-
lich seit den letzten dreissig Jahren sehr lebhaft, und
zwar in der Art ganz besonders beschäftigt, dass die
Zahl, die für diese Senkung angegeben wurde, von
ihrem Urheber (dem jüngern Parrot) später als irrig
dargestellt wurde, bis sie im Jahre 1837 auf Veran-
staltung der kaiserl, Akademie der Wissenschaften
zu St. Petersburg durch das trigonometrische Nivelle-
ment von G.Fuss, Sablerund Sawitsch auf jene Grösse
als die wahrscheinlichste, festgestellt worden ist

Eine der merkwürdigsten Entdeckungen, welche
in der neüesten Zeit, seit 1837, in der physischen
Geographie und im Besondern auf dem Felde der
Geologie gemacht worden, ist ohne Zweifel die Wahr-
nehmung, dass das Todte Meer und das ganze Jor-
dan-Thal, also ein Fleck der Erde, der in der Ge-
schichte der morgenländischen Völker eine so grosse
Rolle spielt, und an den sich die frühesten Erinnerun-
gen des Abendlandes und der Christenwelt knüpfen,
um eine Grösse unter das Niveau des Weltmeers ge-
senkt ist, welche die Senkung des Kaspi-Sees um
das Sechszehnfache übertrifft. Nachdem der arithme-
tische Werth dieser Senkung durch Moore und Beke,
sowie durch Bertou und Russegger mittelst barome-
trischer Beobachtungen geschätzt worden war, hat
der Lieutenant J. F. A. Symonds, vom britischen In-
genieur-Corps, durch, im Jahre 1841 ausgeführte,
geodätische Operationen gezeigt, dass der Wasser-
spiegel des Todten Meeres 1311,9 engl. Fuss, oder
205S
ti und der des Sees von Tiberias 328,98 engl.
Fuss, oder 51^45 tiefer liegt, als das Niveau des
Mittelländischen Meeres an der syrischen Küste
Diese Entdeckung erklärt so manche Erscheinung,
die in der Geschichte des Heiligen Landes und in sei-
ner physischen Beschaffenheit unerklärlich zu sein
schien; und so sehen wir, dass ein Schauplatz, auf
dem die grössten und gewaltigsten Ereignisse, die
das Leben der Menschheit durchzucken und erschüt-
tern, vorgegangen sind, auf dem die Geschichte aller
Christenvölker begonnen hat, selbst in unsern Tagen,
nach Jahrtausenden seines Bekanntseins, des Erfor-
schungswürdigen noch Manches darbieten mag.

Auch Afrika hat Gegenden, die unter dem Niveau
des Oceans liegen. Ohne von den Natron-Seen,
in Fayum, und von den bittern Seen, auf der
Landenge von Suez, die zur Zeit wo sie mit weni-
gem Wasser gefüllt, oder trocken sind, nach Le
Pfere 20 Fuss oder 6',33 niedriger als der Spiegel des
Mittelländischen Meeres sind, so ist es von Fournel
durch sorgfältige Barometer-Messungen, die sich auf
korrespondirende Beobachtungen gründen, ziemlich
wahrscheinlich gemacht worden, dass ein Theil der
nördlichen Wüste, die manjetztdie Algier'sche Sahara
(Le Zahara d'Algdrie) nennt, und namentlich der
Melghigh-See, unter dem Meeresspiegel liegt. Die
Höhe von Biskra (Biskara) und Sidi-Okbah ist ganz
unbedeütend; die letztere wird von Fournel zu
61™,286 = 31^,144 angegeben, und seine Gewässer
durchlaufen wenigstens 9 Myriameter, um zum Mel-
ghigh-See zu gelangen, in den sie sichergiessen, nach-
dem sich dieselben zuvormitjenenvonDscheddi verei-
nigt haben; daraus folgt, dass das Niveau dieses See's
durch den mehr oder minder starken Fall des Was-
sers, welches von Sidi-Okbah herabströmt, bestimmt
wurde. Nun aber lässt sich in einer so flachen Gegend
nicht wol annehmen, dass der Fall bedeütend sei;
setzt man ein mittleres Gefälle von 0™,
000774 aufs
Meter, wie er bei der Meurthe zwischen Luneville
und Nancy Statt findet, so betrüge die Senkung des
Melghigh-Sees 67"», 56 unter Sidi-Okbah und 6™,274
= 3^15 unter dem Spiegel des Mittelländischen Mee-
res Die geographische Breite des Sees ist 34° N.

Interessant ist es, eine Senkung an der Stelle zu
finden, wo, nach Aussage der Alten, das Meer den
Fuss des Atlas-Gebirgs bespült hat. Wenn demnach,
wie solches heüt' zu Tage vorauszusetzen ist, am
südlichen Fuss der genannten Bergkette eine Reihe
wenig erhabener Plateaux, von Seen, vielleicht von


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Hydrographie. 13

Senkungen einzelner Becken und Oasen, selbst von
Lagunen liegen, so Hesse sich wol für die Gesammt-
kette des Atlas eine Art schwankender oder schau-
kelnder Bewegung annehmen.

In Eüropa kennt man ebenfalls Einsenkungen des
Bodens unter die Meeresfläche, freilich nur in den
Gestadeländern und von geringer Ausdehnung; so im
Ehein-Delta der Niederlande und längs der deütschen
Nordseeküste, nicht mindei an den Rhone-Mündun-
gen, wo es Lachen und grössere Seen von brakischem
und salzigem Wasser giebt, deren Niveau bedeütend
tiefer liegt, als das Mittelländische Meer. Auch in
Süd-Amerika giebt es Einsenkungen des Erdbodens,
wie d'Orbigny neüerdings dargethan hat.

Die vergleichende Uebersicht der absolu-
ten Höhe einiger Landseen ist treppenartig dar-
gestellt. Die unterste Stufe nimmt das Todte Meer
ein, die oberste der See von Titicaca, auf dem Hoch-
lande von Bolivia. Der Wasserspiegel dieses See's
ist nach Pentland's neüester Bestimmung 12850 engl.
Fuss = 2009^5 über dem Ocean. Noch höher liegen
die heiligen Seen des Tübetischen Tafellandes, der
Manas Sarowar (Tschu Mapan) und der Eawan Hrad
(Tschu Lagan, Rakan Tal), die sammt den benach-
barten Quellen des Setledsch oder Satadru, und des
Jaru Dzangbo weit hinein in Tübet, am nördlichen
Abfall des Himalaja belegen sind. Strachey hat die
Höhe dieser Seen im Jahre 1846 zu 15250 engl. Fuss
— 2385' bestimmt Beim Titicaca, dem Boden- und
dem Genfer See ist in der graphischen Darstellung
dieser Höhen - Verhältnisse auch die grösste Tiefe
derselben angegeben.

1. Das Ergebniss des geodätischen Nivellements, welches die
Kaiserlich Sussische Akademie der Wissenschaften zwischen dem
Schwarzen Meer und dem Kaspi-See hat ausführen lassen, ist
in seiner Zahlenbestimmung sehr schwankend gewesen. Nach
einer einstweiligen Eechnung ergab sich der Niveau-Unterschied
zu _ 15t,8, nach einer definitiven Berechnung im Jahre 1839
sollte er aber 81,4 engl. Fuss oder _ 12»,72 betragen
de
Humboldt, Äste Centrale,
T. II, p. 300). Die allerneüeste Revi-
sion der Eechnungen giebt aber zum entscheidenden Resultat
für die Einsenkung des Kaspi unter dem Sehwarzen Meer
85,45 engl. Fuss, oder _ 13^,362, mit einem wahrscheinlichen
Fehler von nur zehn Zoll (Jahresbericht von den Arbeiten der
Kaiserl. Akademie der Wissenschaften von 1848;
Nouvelles
Annales des Voyages,
1849, T. III, p. 196).

2. Die Zahl, welche für die Depression des Todten Meeres im
Texte steht, hab' ich der trigonometrischen Karte des Lieute-
nants Symonds entnommen, von der mir Admiral Francis Beau-
fort, der gelehrte Hydrograph der englischen Admiralität, eine
handschriftliche Kopie im November 1849 mitzutheilen die Güte
gehabt hat. Die Zahl weicht nur um eine Kleinigkeit von derjeni-
gen ab, welche bisher für das Ergebniss des geodätischen Nivelle-
ments vonSymonds angenommen wurde; diese Zahl war 1312,2 engl.
Fuss
{Journal of the Royal Geographical Society, Vol. XIII. 1843,
p. LXXIV), Moore und Beke schätzten die Einsenkung des Todten
Meeres _93t,Bertou _215t, Eussegger _223t(iZMm6.
Centrale,
T. II, p. 322, 323) u. Wildenbruch _226t, nach Barom.-Messungen.

3. Virlet d'Aoust berechnet den Werth der Einsenkung zu
93'n
,5i4 = 48t,024 unter der Voraussetzung, dass der Mölghigh-
(Melrir) See 23 Myriameter von Sidi Okbah entfernt sei (Bulletin
de la socißi de Geologie de France,
b. Π, ρ. 349 ff.). Diese Ent-
fernung kann aber,den neuesten Karten der französischen Ingenieur-
Geographen zufolge, nur zu 9 Myriameter angenommen werden.

4. Vergl. Berghaus' Physikalischer Atlas. ΧΙΧ*β Lieferung.
Geographisches Jahrbuch 1850, I, p. 64.


Ψ. 11. Hydro-historische Uebersicht vom Zustande der Elbe, in dem Halbjahrlinndert 1731—1780.
12. Hydro-historische Uebersicht vom Zustande der Elbe, in dem Halbjahrhundert 1781—1830.

Wie man die Zahlen, Avelche von den meteorologi-
schen Instrumenten abgelesen werden, seit langer
Zeit graphisch darzustellen pflegt, um den Gang,
z. B. der "Wärme und des Luftdrucks in diesen, dar-
aus entstehenden thermo- und barometrischen Kur-
ven leichter übersehen zu können, eben so lassen sich
die Zahlenwerthe der Pegel-Ablesungen bildlich dar-
stellen, d. h. die Beobachtungen, welche über das
Wachsen und Fallen des Wasserstandes irgend eines
Flusses oder Stromes an einem Maassstabe, den man
bekanntlich Pegel oder Wassermarqueur nennt, an-
gestellt werden.

Unverkennbar ist der Nutzen, welchen ein Wasser-
stands-Bild, im Yerhältniss zur Wasserstands-Ta-
belle, gewährt. In dieser ist der Gang, welchen der
Wassertand eines Stroms innerhalb einer gegebenen
Periode befolgt, verschleiert durch die Masse von
ZiiFern, von denen die eine wie die andere aussieht;
das Schwanken, das ewige Auf- und Absteigen des
Spiegels eines fliessenden Wassers tritt erst dann
deutlich hervor, wenn jene, ich mögte sagen, todten
Zahlen zur Konstruction der Kurve des beweglichen
Niveau benutzt worden sind.

Wie soll man sich eine klare Anschauung machen
von dem Leben eines Flusses innerhalb einer Periode,
z. B. von einem Monate, in welchem täglich ein Mal
der Wasserstand notirt worden ist, wenn man nur
die Zahl, also, für diese Periode, dreissig Zahlen vor
sich hat; um wie viel grösser werden die Schwie-
rigkeiten, wenn die Periode auf ein Jahr, ein Jahr-
zehent, ein viertel, halbes Jahrhundert, oder gar
auf ein — volles Jahrhundert anwächst! Da hat

physik. atlas ii.

man, bei einer täglichen Beobachtung, 36,525 Zahlen,
von der die eine dieselbe Form hat wie die andere;
wie könnte man sich aus dieser Masse von Zahlen
im Geiste ein Bild konstruiren, das auf den Werth
derselben gegründet wäre?

Die vorliegenden zwei Blätter sind der graphi-
schen Darstellung vom Wasserstande der Elbe ge-
widmet. Den Zustand dieses Stroms während eines
ganzen Jahrhunderts kann hier das Auge mit Einem
Blick überschauen; man erkennt die unaufhörlichen
Bewegungen, die der Stromspiegel auf- und nieder-
wärts macht!

Bei Magdeburg ist der Standort des Pegels, an
welchem die hier graphisch entwickelten Beobach-
tungen des Wasserstandes der Elbe angestellt wor-
den sind. Es befinden sich daselbst zwei Pegel, die
man mit der Bezeichnung alter und neüer unter-
scheidet; unsere Darstellung bezieht sich auf den
neüen Pegel, indem die Beobachtungen am alten,
die bis zum Schluss des Jahres 1816 reichen,
auf jenen reducirt wurden. Die Zahlen, welche die
Grundlage dieser graphischen Hydro-Geschichte des
Elbstroms bilden, sind nach ihren mittlem Werthen
der monatlichen, jahreszeitlichen undjährlichen Stände
im Sl®'®'^ Kapitel meiner physikalischen Geographie
mitgetheilt worden.

Magdeburg bezeichnet so ziemlich die Mitte des
Stromlaufs der Elbe. Es haben sich daselbst alle
Zuflüsse, die eine Gebirgsheimath haben, in dem
gemeinsamen Einnsaale versammelt, die Iser, Mol-
dau, Eger, Mulde und Saale, die den Wasserschatz
von ganz Böhmen, Sachsen, Thüringen, oder eines

4


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14 ZAveite Abtheilung.

Ländergebiets von mindestens 1800 deütschen Ge-
viertmeilen abfuhren, und es fehlt bei Magdeburg
nur noch die Havel, die zwar an sich kein Gebirgs-
fluss ist, dennoch aber mit ihrem Nebenflusse Spree
eine nicht unbedeütende, obwol wenig oscillirende
WasserfuUe in die Elbe ergiesst.

Diese bildlich abgefasste hydro-historische Ueber-
sicht vom Zustande der Elbe in dem vollen Jahr-
hundert 1731_1830 ist fiir die geologische Geschichte

des ganzen Stromgebiets von grossem Interesse;
sie wird dem Forscher willkommen sein. Aber auch
für den Liebhaber, den Dilettanten, gewährt sie eine
eben so angenehme als belehrende Unterhaltung.
Nicht blos die Geschichte der moralischen Welt,
auch die der physischen Welt nimmt unsere Theil-
nahme, und oft in einem höhern Grade als jene,
in Anspruch. Die Geschichte der Erde ist ja das
Höchste was die Naturforschung aller Zeiten zu er-
gründen gestrebt hat; hier sind einige Beiträge dazu
gegeben.

Die Extreme im Leben des Menschen spannen
unsere Aufmerksamkeit mehr, als der schlichte Gang,
den das Leben der grossen Mehrheit gewöhnlich
nimmt. So ist es auch mit dem grossartigen Leben
der Natur in seinen ausserordentlichen Erscheinun-
gen. Die Bewohner eines Stromes glauben oft, wenn
ein starkes Anschwellen des Wasserstandes eintritt,
es sei nie zuvor so gewesen; die Erinnerung an
grosse Naturphänomene verwischt sich nur zu leicht
unter dem Strudel der Erscheinungen in der Men-
schen· Geschichte. Ausser dem Werth, den die in
dieser Hydro-Geschichte gegebenen wichtigen That-
sachen für die Speculation des Erdforschers zu allen
Zeiten haben wird, gewähi-et unsere Darstellung von
dem Zustande der Elbe, während des zuletzt ver-
flossenen Jahrhunderts besonders für die üferbewoh-
ner dieses Stromes den praktischen Nutzen, dass ihnen
hier ein Mittel dargeboten ist, um, nicht an der
Hand unsicherer Sagen und Ueberlieferungen, son-
dern von bestimmten und genauen Beobachtungen
geleitet, auf eine lange Vergangenheit zurückblicken
zu können.

Γη diesen Blättern können sie sich Eaths erholen,
wenn es sich um Beantwortung der Frage handelt:

_ Ist der Wasserstand der Elbe schon so hoch,

oder so niedrig gewesen, als in einem gegebenen
Zeitpunkt, und wenn es der Fall, wann fanden die
korrespondirenden Stände Statt? Sie erhalten in
dieser Darstellung auch im Allgemeinsten eine An-
deütung zu der (ihnen aus der Ei'fahrung schon
gelaüfigen) Beantwortung der Frage, in welcher
Zeit des Jahres die höchsten und niedrigsten Was-
serstände einzutreten pflegen, nicht minder auch,
ob der Wasserstand konstant geblieben ist, oder ob
er sich verändert hat. Das Atlas-Blatt No. 15 der
hydrographischen Abtheilung beschäftigt sich mit
diesen Fragen, den wichtigsten im Leben des Flies-
senden, sehr ausführlich.

Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, ob das
Klima eines Landes (und man hat bei dieser Frage
gemeiniglich die Länder der gemässigten Zone im
Auge) innerhalb der historisch-nachweisbaren Zeit
Veränderungen erlitten habe; insbesondere ob es
kälter oder wärmer geworden sei?

Weil der Gebrauch des Thermometers, das auf
diese Frage bestimmte Antwort geben kann, kaum
seit einem Jahrhundert allgemeiner geworden ist
(das Instrument ward bekanntlich von Cornelius
Drebbel, einem Landmann aus Alkmaar in Holland,
in der letzten Hälfte des 17'®° Jahrhunderts, erfun-
den), so hat man Nachrichten gesammelt, über das
Gefrieren von Flüssen, Seen, Meeren in der ge-
mässigten Zone, um daraus über die BeschaflPenheit
der Winter in früherer Zeit, und nach Analogie,
Folgerungen über den gegenwärtigen Zustand zu
ziehen.

Leider sind die vorhandenen Beobachtungen über
den Eisstand der Elbe bei Magdeburg sehr unvoll-
ständig, namentlich aus der ersten Hälfte des Jahr-
hunderts, in dem Zeiträume von 1727_1774. Wenn

unsere Darstellung in den zwei ersten Jahrzehnten
1731—1750 gar keine Eisangabe enthält, so darf
man daraus keineswegs den Schluss ableiten, diese
Periode habe so milde Winter gehabt, dass die Elbe
eisfrei geblieben sei. Es fehlt an Beobachtungen über
den Eisstand dieses Zeitraums. Vielleicht, dass sie
sich in Magdeburg, in irgend einem städtischen
Archive noch auffinden lassen! Die zuverlässigen
Nachrichten über das Erscheinen und die Dauer
des Eises in der Elbe bei Magdeburg beginnen mit
dem Winter 1773__4.

Doch nicht blos die thermischen Verhältnisse bil-
den das Klima, wenn gleich sie die wichtigsten sind, ■
noch viele andere Momente gehören hierher, von
denen ich nur an den atmosphärischen Niederschlag
erinnern will. Leider gehen die Beobachtungen am
Hyetometer nicht einmal so weit in die Vergangen-
heit zurück, als die Beobachtungen des Thermome-
ters. Aber wir besitzen ein Ombrometer im gröss-
ten Maassstabe an den Flüssen, die, wenn an ihnen
Pegelbeobachtungen angestellt worden sind, beur-
theilen lassen, ob die Regenmenge in längeren Zeit-
raümen unverändert geblieben oder veränderlich ge-
wesen ist, ob sie um eine mittlere Grösse osciUirt,
oder ob sie von derselben konstant abweicht, im
positiven oder negativen Sinne.

Schon die vorliegenden Blätter, _ den Pegel bei

Magdeburg als einen grossartigen Regenmesser be-
trachtet, _ geben über die berührten Verhält-
nisse im Stromgebiete der Elbe eine Auskunft, die
um so wichtiger ist, als die Beobachtungen an die-
sem Pegel in eine sehr ferne Vergangenheit zurück-
gehen; _ (vielleicht giebt es von keinem Strome

eine so lange Reihe ununterbrochener und zuver-
lässiger Wahrnehmungen) — noch deütlicher aber
gehen diese in Wechselwirkung stehenden Erschei-
nungen des atmosphärischen Niederschlages und des
Wasserstandes aus dem untenfolgenden Blatte No. 15
des Atlas hervor

1. Berghaus' Länder- u. Völkerkunde, Π. Bd., S. 290_312.


13. Hydro-historische Uebersicht vom Zustande der Oder, in dem Halbjahrhundert 1781—1830.

Dieses Blatt ist das Seitenstück von dem vorher- Elb-Tableaux gesagt worden, lässt sich auf das

gehenden Blatte, welches die graphische Hydro-Ge- Oder-Tableau anwenden. Es bedarf daher an sich

schichte des Elbstroms für denselben Zeitraum ent- nicht einer weitern Erlaüterung. Die ZalJen, welche

hält. AUes, was im Vorstehenden von den beiden der Zeichnung der Oder-Wasserstände zum Grunde

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Hydrographie. 15

gelegt worden sind, finden sich im 31. Kapitel von
des Herausgebers „Umrissen der Physikalischen Erd-
beschreibung". '

Nicht überflüssig ist es, daran zu erinnern, dass
der Standort des Pegels bei Küstrin von der Quelle
der Oder eben so weit entfernt ist, als Magdeburg
von der Quelle der Elbe. Ohne die kleinen Krüm-
mungen in Rechnung zu bringen, beträgt die Linie
der Strom-Entwicklung in beiden Fällen ungefähr
75 deütsche Meilen. Dagegen ist der gerade Abstand
der Pegelstandörter von der Quelle um 10 Meilen
verschieden; bei der Oder beträgt er
52, bei der Elbe
42 d. Meilen. Auch ist das Stromgebiet der Oder bis
Küstrin um ein Ansehnliches grösser, als das Gebiet
der Elbe bis Magdeburg. Legt man die Rechnungen
von Müller zum Grunde, so findet sich, dass das
Stromgebiet der Oder bis Küstrin, mit Einschluss
der Warte, einen Flächeninhalt von 1900 (genau 1897)
deütschen Geviertmeilen hat, während dem Strom-
gebiet der Elbe, von der Quelle abwärts bis Magde-
burg, wie oben erwähnt, nur 1800 Quadratmeilen zu-
geschrieben werden können; ja dieses genäherte
Maximum wird sich vielleicht um 80 Quadratmeilen
vermindern; denn Müller giebt dem Elbstrom bis auf
die böhmisch-sächsische Gränze ein Gebiet von 1093
Q.-Meilen; ferner rechnet er für die Mulde 130,
für die Elster 70 und für die Saale 393 Q.-Mei-
len denen sich noch eine Fläche von etwa 34 Q.-
Meilen für die übrigen kleinen Flüsse zuzählen lässt.

Abgesehen von den Mängeln, mit denen diese Flä-
cheninhalts-Bestimmungen behaftet sind^, nehmen
sie doch, als genäherte Werthe, unser Literesse in
Anspruch. Denn, so wird man schliessen: weil die
Oder ein grösseres Gebiet hat, als die Elbe (beide
Ströme immer bis an die Pegelstandörter gerechnet),
so wird jene wahrscheinlich auch einen grösseren
Wasserreichthum besitzen, als jene, insofern die geo-
gnostischen und klimatischen Verhältnisse in beiden
Gebieten von gleicher Beschaifenheit sind.

Diese Ansicht wird nicht begünstigt, durch den
Vergleich des Oder-Tableau mit dem korrespondiren-
den Elb-Tableau. Aber hierbei ist wohl zu erwägen,
dass der Wasserstand eines Flusses allein es nicht
ist, der über seine Mächtigkeit Aufschluss giebt; da-
zu gehört die Kenntniss des Volumens, welches nur
durch vollständige hydrometrische Messungen ermit-
telt werden kann, und diese fehlen sowol für die
Oder, als auch für die Elbe bei Magdeburg, oder dem
Punkte, der uns hier besonders interessirt.

Aber auch ohne hydrometrische Messungen steht es
fest, dass die Oder bei Küstrin (und überhaupt in ih-
rem Laufe) bei weitem nicht den Wasserschatz führt,
welchen die Elbe bei Magdeburg durch ihr Profil
schüttet, trotz dem, dass der zuletzt genannte Strom
sein Wasser aus einem fast 180 Q.-Meilen klei-
nern Lande bezieht, als der zuerst genannte. Diese
Verschiedenheit rührt von der Verschiedenheit der
geognostischen Beschafienheit her.

Die Elbe ist bis Magdeburg durchaus ein Gebirgs-

strom, bis dahin entladen sich in ihr,_ wie bereits

oben S. 13 erinnert wurde,__ nur Gebirgsflüsse, die

vom Eiesengebirge, von der böhmisch-mährischen
Hochebene, vom Böhmerwalde, dem Fichtel- und
Erzgebirge, so wie vom Thüringerwalde, dem hohen
Eichsfelde und dem Harze herabkommen. Diese Ge-
birge, so weit sie hier in Betracht kommen, decken
zum mindesten einen Raum von 500 Quadratmeilen.

Die Elbe entspringt, nach des Grafen von Schweinitz
Messung, in einer Höhe von 715' über dem Meere^.
Ihre Quelle, der Elbbrunnen, liegt auf der Südseite
des Riesengebirgskammes, zwischen den Koppen des
hohen Rades und des Reifträgers, unter 50° 46' >/2 N.
Breite und 13° W'/z O. Länge von Paris5.

Die Oder dagegen ist in dem allergrössten Theile
ihres Gebiets ein Fluss der Ebene. Selbst ihre Quelle
liegt in einem Berglande niederer Art, in dem Ge-
senke zwischen den Sudeten und den Karpaten. Die
Oder entspringt an der Nordostseite des Lesseis- oder
Lieselberges auf der Herrschaft Weselizko im Pre-
rauer Kreise des Markgrafthums Mähren, unter 49°
35' N. Breite und 15° 15' O. Länge von Paris^, auf
einer Höhe, die nach Lutz', eines talentvollen Offi-
ziers, Messung, 332
',8 über dem Meere beträgt,'' und
daher noch nicht halb so hoch ist, als die Quelle der
Elbe. Die einzigen Flüsse von einiger Bedeütung,
welche die Oder aus dem Gebirge: den Sudeten und
dem Riesengebirge, empfängt, sind der Bober, die
Glätzer Neisse und die Lausitzer Neisse mit Wasser-
gebieten von 119, 95 und 92 d. Geviertmeilen
Aber der Gebirgsraum, der in das Gebiet der Oder
gehört, lässt sich, hoch angeschlagen, nur zu 50 Q.-
Meilen annehmen, in welcher Beziehung das Oder-
Land zum Elb-Land sich verhält wie 1:10.

Diese Verschiedenheit in der Oberflächen-Gestalt
beider Stromgebiete begründet die Verschiedenheit
im Wasserstande, wie wir sie in den Tableaux No. 12
und No. 13 ausgedrückt finden.

Die absolute Höhe des Wasserstandes der Oder
bei Küstrin, im Mittel aus den Beobachtungen in

dem halben Jahrhundert von 1781_1830, beträgt 42,36

Preüss. Fuss die des Wasserstandes der Elbe bei
Magdeburg, nach der mittlem Bestimmung in der-
selben Periode 143,46 Preüss. Fuss 'o. Vergleicht
man mit diesen Daten die oben nachgewiesenen Hö-
hen der Quellen beider Flüsse, so findet sich, dass
die Oder einen Fall von 2024, die Elbe dagegen einen
Fall von 3297 Fuss, Preüss. Maass, auf gleicher Länge
besitzt. Nicht ein einziger von den grössern Ge-
birgszuflüssen der Oder entspringt in so ansehnli-
cher Höhe, als die Elbe; selbst nicht die Glätzer
Neisse, die am hohen Schneeberge, nach Seliger's,
von Prudlo berichtigter, Messung, in einer Höhe
von 532^,2 über dem Meere entspringt; auch nicht
der Bober, dessen Quelle unweit Schatzlar in Böh-
men, nach Blaschke's Messung, 380»,s hoch liegt".
Dagegen hat die Moldau, der ansehnlichste der
Gebirgszuflüsse der Elbe, gewiss eine Höhe von
550' bis 600', und die Quellen der Eger und Saale
liegen fast eben so hoch, als der Ursprung des Bo-
bers: der Egerborn 369',4, der Saalbrunnen 360',e
nach den von mir veranlassten Messungen meines
verstorbenen Freündes Friedrich HoiFmann Von
den Harz-Flüssen, die der Elbe zufliessen, ist die
Bode der ansehnlichste; die Quelle der kalten Bode,
auf dem Brockenfelde, am westlichen Fusse des
Brockens, liegt zufolge eigner Messungen, die ich
in den Jahren 1818 und 1844 angestellt habe, 451',9
über dem Meere.

Wenn man das Oder-Tableau, No. 13, neben das
Elb-Tableau No. 12 legt, so nimmt man wahr, dass
der Wasserspiegel beider Flüsse innerhalb des halben
Jahrhunderts von 1781 bis 1830 Kurven beschrieben
hat, die, im Ganzen genommen sehr nahe parallel
sind. Beim Vergleichen der einzelnen Jahre und


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16 ZAveite Abtlieiluns;.

Monate sieht man in den allermeisten Fällen, dass,
wenn in der Elbe das Wasser gestiegen oder ge-
sunken ist, dieselbe Oscillation auch in der Oder
Statt gefunden hat. Auf diesen Parallelismus hab'
ich schon in dem Abriss der physikalischen Erd-
beschreibung aufmerksam gemacht i®. Die Ursache
desselben liegt in der gleichen, mindestens sehr
ähnlichen Beschaffenheit der klimatischen Beschaf-
fenheit beider Stromgebiete, namentlich was den
atmosphärischen Niederschlag anbelangt, der, wenn
er auch der Quantität nach verschieden und im
Odergebiet etwas geringer ist, als im Elbgebiet,
doch den Jahreszeiten nach lals gleich angenommen
werden kann

Der obere Theil beider Gebiete liegt in der gleich-
namigen Isothermzone, deren Mitte etwa von der
Kurve von 10° durchschnitten wird Aber wegen
der östlicheren Stellung trägt das Odergebiet schon
mehr den Charakter eines Continental-Klima, wenn
auch minder in Bezug auf die Vertheilung der Re-
genmenge in die Jahreszeiten, so doch mit Rück-
sicht auf das thermische Klima: es hat heissere
Sommer, kältere Winter. Nichts desto weniger zeigt
unser Tableau, dass innerhalb des halben Jahrhun-
derts 1781_1830 drei Winter vorgekommen sind,

in welchen die Oder bei Küstrin von der Eisdecke

befreit geblieben ist: es waren die Winter 1821_

22, 1823_4 und 1824_5. Es fand während der-
selben nur ein Eisgang Statt, den ich, bei seinen
haüfigen Unterbrechungen, nicht habe eintragen
wollen. In dieser Beziehung muss ich auf die Haupt-
wasserstands-Tabelle für den Pegel der Oder bei
Küstrin verweisen, welche ich im Abriss der phy-
sikalischen Erdbeschreibung mitgetheilt habe Die
Wahrnehnmngen über das Eis in der Oder sind
übrigens für den ganzen Zeitraum vollständig, was

bei der Elbe für das erste Halbjahrhundert 1731_

1780 nicht der Fall ist.

1. Bergliaus' Länder- u. Völkerkunde. II, S. 315_325.

2. Ludwig Müller's nachgelassene militairische Schriften. Zwei-
ter Band: Versuch einer Terrainlehre. Berlin, 1807, S. 84, 86.

3. Müller hat diese Flächeninhalts-Berechnungen der Fluss-
gebiete vor länger, als sechszig Jahren gemacht, wo die topo-
graphische und ganz besonders die geographische Kenntniss von

Deutschland noch in der Wiege lag. Man kann daher den von
ihm gefundenen Ergebnissen einen gewissen Grad von Zuverläs-
sigkeit um so weniger zugestehen, wenn man sich des rein
mechanischen Verfahrens erinnert, welches er bei seinen Ermit-
telungen zum Grunde legte. Man vergl. Berghaus' Länder- und
Völkerkunde. II, S. 225.

4. Briefliche Mittheilung von E. Prudlo in Breslau. Vergl.
auch dessen Höhenmessungen in Schlesien. Breslau, 1837, S. 279.

5. Eeymann's Specialkarte von Deütschland, No. 169; gegrün-
det auf die geodätischen Vermessungen des königl, Preüssischen
Generalstab es. Vergl. auch No. 13 der 3*«·" oder geologischen
Abtheilung des Physikalischen Atlas.

6. Heinrich's Erinnerungen aus Oesterreichisch-Schlesien, in
Berghaus' Annale» der Erd-, Völker- u. Staatenkunde, S'e Reihe,
I, S. 79; und Ens' Beschreibung des Oppalandes, 1836, S. 19, 20.

7. Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der Schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1838, S. 122.

8. Müller, a. a. 0. S. 85, 86.

9. Dem geodätischen Nivellement zufolge, welches C. HofFmann
und Salzenberg in den Jahren 1839 u. 1840 ausgeführt haben,
liegt der Nullpunkt des Pegels bei Küstrin über OS = dem Null-
punkt des Pegels im Ostseehafen Swinemünde, im Preüssischen

Maass 38'. 1",71........................ 38',14

(Vergl. Trigonometr.Nivell. der Oder, Berlinl841, p.l87).
Mittlerer Wasserstand bei Küstrin 1781_1830 = 4' 2",es

(Berghaus' Länder- u. Völkerk. Π, S. 318).....·...=: 4,22

Daher der Oder-Spiegel bei Küstrin über OS .... Fuss 42,se

10. Nach meinen geodätischen Messungen liegt der Nullpunkt
des Havel-Pegels an der Langenbrücke zu Potsdam Uber OS. in
Preüssischem Maass...................Fuss 91,82

Dem Eisenbahn-Nivellement zufolge liegt der Nullpunkt des
Neüen Elbpegels zu Magdeburg 39,gi7 über 0 des Potsdamer

Pegels, folglich über OS................Fuss 131,34

Die Eisenbahn-Nivellements, welche Magdeburg mit Köln
in Verbindung setzen, geben für die Höhe von 0 des Magdebur-
ger Neüen Pegels über 0 Α — dem Nullpunkt des Amsterdamer

Stadt-Pegels........................Fuss 136,27

(Man vergl. Nivellements-Pläne von den Eisenbahnen

im Preüss. Staate. Berlin, 1848).
Mittlerer Wasserstand bei Magdeburg 1781_1830 =
 7,19

Daher der Elbspiegel bei Magdeburg über OA —Fuss 143,4β

11. Briefliche Mittheilung von Prudlo. Vergl. auch dessen
Höhenmessungen in Schlesien, S. 286 u. 277.

12. Berghaus' Deütschland's Höhen, I, S. 159, 161.

13. Dessen Länder- u. Völkerkunde. II, S. 325.

14. Vergl. No. 10 der l8«en oder meteorologischen Abtheilung
des Physikalischen Atlas: _ Karte von Eüropa, zur Uebersicht
der Eegen-Verhältnisse in diesem Erdtheile.

15. Vergl. No. 3 derselben Abtheilung: _ Karte von Eüropa,
zur Uebersicht der Wärme-Verbreitung in diesem Erdtheile.

16. Berghaus' Länder- u. Völkerk. Π, Tabelle No. 7 zu S. 318.


No. 14. Vergleichende Uebersicht vom Zustande des Rheins, der Weser, der Elbe und Oder, während
der zehn Jahre von 1831—1840. Nebst Kurven der jährlichen Periode des Bodensee's und der
Donau bei Passau.

Dieses Tableau hat dieselbe Einrichtung, wie die
drei vorhergehenden Blätter. Während aber diese
drei Tableaux zwei Strömen, der Elbe und Oder
ausschliesslich gewidmet waren, enthält das vorlie-
gende Blatt eine vergleichende Uebersicht vom Was-
serstande aller vier norddeütschen Ströme, des Rheins,
Pegel bei Köln; der Weser, Pegel bei Minden; der
Elbe, Pegel bei Magdeburg, und der Oder, Pegel

bei Küstrin, _ im Laufe des zuletzt vergangenen

Jahrzehents von 1831 bis 1840. Diese Zusammen-
stellung giebt über die Natur des Fliessenden in
den genannten vier Strömen, und den Einfluss,
welchen das Klima auf sie ausübt, nicht unwesent-
liche Fingerzeige; namentlich nimmt man wahr,
dass die Kurve der Weser sehr nahe parallel ist mit
der Kurve des Rheins, und die Oberkurve mit der

Kurve der Elbe. Vergleicht man den Eisstand der
vier Ströme, so erkennt man ein allmähliges Wach-
sen desselben nach Osten hin, daher längere Dauer
des Winters und grössere Intensität der Kälte.

Die beiden kleinen Darstellungen von der jährli-
chen Periode des Bodensee's und der Donau können
als Seitenstück dienen zu den analogen Kurven des
Rheins, der Elbe und Oder, auf No. 15 dieser Ab-
theilung. Die Konstruktion der Donau-Kurve grün-
det sich auf die von Lamont (in seinem vortrefflichen
Jahrbuch der Münchener Sternwarte) bekannt ge-
machten Beobachtungen. Sie sind in baierischem
Maass ausgedrückt, und die Bodenseer des Dr. Dihl-
mann in Württembergischem Maass > beide wurden
für unsern Zweck auf preüssisches Fussmass reduzirt.
Die Zahlen sind folgende:


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Hydrographie. 17

Monate.

Jahresielten.

Dezember

1' 6" Ί

1

Januar

0 5

)■ Winter 0' 8",3

Februar

0 2 J

1

März

1 1 1

April

2 4

i Frühling 2 4,0

Mai

3 7 J

Juni

6 0 )

Juli

6 1

S Sommer 5 8,3

August

5 0

September 4 10 1

1

Oktober

3 4

> Herbst 3 δ,ο

November

2 1

Jahr = 3' 2"

Donau, bei Passau.

Jahreszeiten.

5' 8" 1

1

4 4

^ Winter

4' 8", 3

4 1 j

1

7 5 1

1

6 10

)■ Frühling

7 6,3

8 4

1

9 11 ]

8 10

^ Sommer

8 10,β

7 11 1
7
8 \

5 0

^ Herbst

5 11,0

5 3

. Jahr = 6' 9"


Mittlere Wasserstände.
Bodensee, bei Frledrfohehafeo.

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

Auguat

September

Oktober

November

Eine hydrologische Ephemeride, oder eine Ueber-
sicht vom Zustande der Wasserhöhe im Rhein und
Main, in der Weser, Elbe, Oder und Weichsel, so
wie im Memelstrom, in jedem Monate des Jahres
findet sich in dem Ahnanach für das Jahr 1840;
den Freünden der Erdkunde gewidmet von Berg-
haus, p. 29_37; vergl. auch Almanach für das

Jahr 1841, p. 25, 26 (Gotha, J. Perthes).


15. Die deütsclieii Ströme Rhein, Elbe, Oder; nach ihrem Verhalten innerhalb eines Jahres; gegründet
auf die Beobachtungen der Pegel zu Basel, Köln und Emmerich; zu Dresden und Magdeburg; und zu
Rüstrin. Nebst einer Darstellung vom Jahresstande dieser Ströme seit 1728 etc.

NO. 16. Hydrographisches Tableau der Weser, Weichsel und des Memel-Stroms. (Nebst einer graphi-
schen Darstellung der Jahres-Periode dieser Ströme nach den Beobachtungen an den Pegeln zu
Minden, Thorn und Tilsit.

Diese beiden Blätter zerfallen in zwei Haupt-Ab-
theilungen, eine obere und untere. In den sechs
Tableaux der untern Abtheilung ist das Resume
gegeben von den Beobachtungen, die in den vor-
hergehenden Blättern graphisch niedergelegt und
entwickelt worden sind: man übersieht mit Einem
Blick die
Bewegung der genannten sechs Ströme in-
nerhalb der Jahresperiode,
oder den Zustand dersel-
ben nach ihrem Verhalten des mittlem Wasserstandes,
des mittlem Hoch-, und des mittlem Niedrigwassers
Inden zwölf Monaten, wie in den vier Jahreszeiten,
nebst Angaben über die aüssersten Strom-Fluthen
und Ebben, oder über die höchsten und die nied-
rigsten Stände, welche in jedem der sechs Ströme
seit Beginn oder seit Aufzeichnung der Wasserhöhen
an den betreffenden Pegel-Standörtern vorgekommen
sind.

Die Beobachtungen reichen hinauf, bis zum Jahre: _

Im Rhein, am Pegel zu Basel.................... 1809.

Köln.................... 1782.

Emmerich................................1770.

In der Weser, am Pegel zu Minden..................1819.

In der Elbe, am Pegel zu Dresden..................1801.

Magdeburg................ 1728.

Γη der Oder, am Pegel zu Küstrin ...............................1781.

In der Weichsel, am Pegel zu Tiiorn....................................1795.

Im Memelstrom, am Pegel zu Tilsit ...................1811.

Um das Verhältniss zu zeigen, in welchem der
Wasserstand unserer Ströme zur Wärme und zum
Regenfall steht, sind in jedem Tableau die Kurven
der Temperatur und der Regenhöhe eingetragen wor-
den, mit Ausnahme des Weichsel-Tableau (aufNo. 16),
für welches Beobachtungen über die Regenmenge
innerhalb des Grebietes dieses Stromes bisher nicht
angestellt, oder mindestens nicht bekannt sind.

Die vergleichende Darstellung vom Verhalten des
Wasserstandes
im Rhein, in der Elbe und Oder
während des Jahres, welche aufNo. 15 gegeben ist,
enthält für die Elbe auch die Kurve von Dresden,
und für den Rhein, ausser der Kurve von Emmerich,
die des Kölner Pegels, sowie die des Pegels zu Ba-
sel, welche hier zum ersten Mal erscheint nach den
in den Jahren 1809 bfs 1847 angestellten Beobach-
tungen, die von dem Rathsherrn Peter Merian theils
in einer gedruckten Abhandlung „über den Stand

PHYSIK. ATLAS II.

des Rheins bei Basel, und über die fortdauernde
Abnahme von dessen Wassermenge in den letzten
30 Jahren" (Bericht über die Verhandlungen der
naturforschenden Gesellschaft in Basel; IV, Basel
1840; p. 82—87) theils in der Handschrift freünd-
schaftlichst mitgetheilt wurden.

Die Frage, ob der Wasserstand der Ströme sich
gleich bleibe, oder ob er Veränderungen unterwor-
fen sei, ist nicht allein von physikalischem, sondern
auch von hohem nationalökonomischen Interesse.
Eine Antwort auf diese Frage giebt für den
Rhein,
die Elbe und die Oder das fünfte der auf No. 15
enthaltenen Tableaux der obern Abtheilung, die

Uehersicht vom mittlem Jahresstande von 1728_

1740; noch entschiedener aber das sechste Tableau,
welches unter der Aufschrift:
Gang der Ströme nach
Decennien
die Thatsache klar vor Augen legt, dass
der Wasserstand in den genannten drei Strömen seit
den Epochen, bis zu denen die Beobachtungen an
den betreffenden Pegeln hinaufreichen, entschieden
eine Abnahme erlitten hat, die bald grösser, bald
kleiner und nur selten durch Zunahme der Wasser-
höhe unterbrochen gewesen ist. Eine dem fünften
Tableau ähnliche Uebersicht ist aufNo. 16 von der
Weser, der Weichsel und dem MemelStrome ein-
geschaltet worden.

Was die Baseler Rhein-Kurve betrifft, so ist zu
bemerken, dass sie nicht das absolute Maass der
Pegelhöhen über dem in der Zeichnung als Null an-
genommenen Anfangspunkt des Wassermessers aus-
drückt, sondern nur das relative Maass der Was-
serstände, was nothwendig war, um diese Kurve
mit den Kurven von Köln und Emmerich in Zu-
sammenhang zu bringen. Nach den mit dem Jahre
1838 schliessenden dreissigjährigen Beobachtungen
zu Basel ist der mittlere Wasserstand des Rheins
daselbst 6,5u Neüe Schweizer Fuss = 6' 2" 7'",3
Preüss. Maass. Um das absolute Maass der Rheii^-
höhen bei Basel zu erhalten, wird man vom relati-
ven Maasse 5' abziehen müssen.

Zur Berichtigung der auf No. 15 in der Tabelle
der
drei Coordinaten der Pegel-Standörter befindli-
chen Zahlen über die absolute Höhe der Pegel-Null-

5


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punkte und des mittlem Wasserstandes dienen fol-
gende Angaben:

üeber dem Nullpunkt des Stadt-Pegels zu Amsterdam:

Preüss. Maas 0 Pegel Mittlerer Wasseretend

Basel........ 775'. 2". 7"',2 781'. 5". 2"',5

123. 3. 0,7

42. 0. 6,5

348. 5. 10,Τ

18

Zweite Abtheilung. _ Hydrographie.

143. 5. 4,4

Alle diese Zahlen sind das Eesultat, einer
Seits des Ehein-Nivellements, welches an den Null-
punkt des Amsterdamer Pegels angeknüpft ist, an-
derer Seits der verschiedenen Eisenbahn-Nivelle-
ments, die unter sich im Zusammenhang stehen.
Im Besondern ist die Höhe des Baseler Pegels aus
der Abwägung der im Grossherzogthum Baden
angelegten Eisenbahn hervorgegangen. Die Quelle,
die für die betreffende Zahl zu Gebote steht, giebt
dem Nullpunkt des Baseler Pegels eine Höhe von
749 Pariser Fuss oder 243" (
Ostervald, Recueil de
hauteurs des -pays compris dans le Cadre de la Carte
gSnirale de la Suisse,
Neuchatel 1847, p. 19). An-
dere Bestimmungen für denselben Nullpunkt sind in
Pariser Maass: 777' Buchwalder (nach trigonome-
trischer Messung); 766' P. Merian, 762' Horner,
und 752' Michaelis (diese drei Bestimmungen nach
Barometer-Messungen). Der mittlere "Wasserstand
der Elbe bei Wittenberg ist nicht bekannt; weshalb
die absolute Höhe desselben in der obigen Tabelle
hat unausgefüUt bleiben müssen.


GOTHA. _ STOLLBERGSCHE BUOHDKUCKEEEI.