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Die
Gynakologie
des
Franz v. Piemont.
—•HOH"-
Inauguralabhandlung
/.u\
Er/migung der Doktorrvurde in der Medizin, Chirurgie
imd Geburtshiilfe
von
JFerMnanii v. Merff".
<>^)<r@~
Glemmen,
t.-,ln,(l,i bei (.flirt Frledrlch Heyer, Vater.
18 43.
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Seineiii verehrten Lehrer
deni Herrn
M\ A. M. JFr. t% itifffta.
der Philosophic, Mcdizin, Chirurgic und Guhurtshulfe Doktor,
Rittcr des Grossherzogl. Hessischen Ludewigsordens, Geheimer
Medizinalrath, ordcntl. offentl. Professor und Dircktor dcs gcburts-
hiilflichen Clinikums an der Universitat Giessen, vielcr gclehrtcn
Gcscllschaften Mitglied
e h r f u r c h t s v o II g e w i d m c t
vom
Verf'asser.
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„„.. .-                                                                                                                                                .......>"•»'
K i n I e i i ii H £.
J^ie biographischen und litcrarischen Notizen fiber
Franz von Piemont sind sehr diirftig und miissen vor-
ziiglich aus seinen eignen Werken entnommen werden,
da er bei seinen Zeitgcnossen keinen grossen Ruhm
als praktischer Arzt halte und bei seinen Nachfolgern
zu schnell in unverdiente Vergessenheit gerathen ist.
Der erste Uinstand liisst sich lcicht daraus erklaren,
dass er es wenig verstand die Charlatanerien auszuuben,
welche zur damaligcn Zeit die Schaaren des wunder-
glaubigen Volks urn den Arzt versammelten. Zwar
findet sich dieses Zeichen der Zeit hie und da seinem
Werke aufgcdriickt, allein er halt damit viel zu viel
Maass und Ziel, und verschmaht es besonders dem
Aberglauben zu schmeicheln. Er kennt die Kunst nicht,
in vielen seltsamen und hochtonenden Worten Nichts
zu sagen, er hat keine Geheimmittel, keine Elixire
gegen den Tod, keine Zaubertranke gegen alle Uebel,
welche freilich nur jenes Uebel, das vom Charlatane
fur das Schlimmste gehalten wird, nemlich einen leeren
Geldbeutel zu beseitigen vermochten.
Schlaue Aerzte umhiillten zu jener Zeit ihre Un-
wissenheit mit demSlernenmantel der Astrologie, oder
1
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sie breiteten einen Heiligcnschein (lurch Anwondung
der Kabbala urn sie aus. Beides abcr (hat der gelehrte
Piemontescr nur sellen und unvollkommcn, so dass
es nicht zu verwundern ist, wcnn er weniger Ruf
hattc, als der spitzfindige Astrologe Peter von Abano,
oder der kupplerische Marktschreier Johann Gaddesdon.
Ebensobald verging sein Ruhin unter den Aerzten,
weil er dem unwissenden Theile derselben zu gelehrt
und weitlaufig schrieb und weil der gelehrte es vorzog
die Ouellcn zu studircn, aus welchen F. v. P. sein
Werk grdsstenthcils compilirt hat. Man findet ihn
desshalb selten erwahnt und die haufigen Auflagen,
welche sein Supplementum ad Mesucn erlebt hat, hat
es wohl bloss dem Namen des beruhmten Arabers zu
verdanken, den es ergiinzen sollte. In keiner Samm-
lung geburtshulflicher Autoren, dercn wir aus dem
sechszehntcn Jahrhuudert mehre, sonst selir reichhallige
besitzen, fmdet sich unser Autor aufgenommen, obgleich
sein Werk cins der grosscren ist, welche das vicr-
zehnte Jahrhundcrt produzirte und obgleich weit mittel-
miissigere Schriftsteller in jenen cullectiombiis gynae-
ciorum
von Bauhin, Wolfl' und Spach einen Platz
gefunden haben.
Ebensowenig %vird er von sptitern Schriftstellern
citirt und im ganzen Bauhinischen Lexicon erwahnt
ihn nur Hieronim. Mcrcurialis ') bei Gelegenheit der
Krankheiten der weiblichen Briiste. Er spricht hier
viel von den erroribus F. v. P. und nennt ihn bonum
Pcdemontanum,
indem er seine Ansichtcn bespottelt,
aber nicht bedenkt, dass der Piemontcser trotz der
1) Vcrgl.: Gynaecior. edit. Bauhin pag 86. in Hicr. Mercurial,
de morb. mulierum.
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Jahrhunderte wclche zwischen beiden lagen noch bessere
und weniger verkehrte Ansichten gehabt hat, als er.
Auch die Geschichtswerke der neueren Zeit iiber-
gehn ihn zum Theil ganz, wie z. B. Sue in seiner
Geschichte der Geburtshulfe, woran wohl der ausserst
weitlaufige und ermudende Stil des alten Italieners
Schuld sein mag.
Andre dagegen, besonders Sprengel und noch mehr
von Siebold haben ihm einige Aufmerksamkeit geschenkt
und die Vorziige seiner geburtshulflichen Abhandlungen
anerkannt.
Biographische Notizen iiber unsern Autor fehlen
bei diesem Stand der Dinge begreiflicherweise beinah
giinzlich. Was wir dariiber haben, muss aus seinen
eignen Werken entnommen werden und ist so gut wie
gar Nichts.
F. von Piemont scheint um das Jahr 1328 gelebt
zu haben, was daraus hervorgeht, dass er in der
Vorrede seines supplementum ad Mesuen den Konig
Robert von Neapel aus dem Hause Anjou seinen gnii-
digsten Herrn nennt 2). Vermuthlich war er mit der
medicinischen Professur in Neapel bekleidet, indem er
zu gelehrt fur einen blossen Praktiker schreibt und
auch an mehren Stellen seines Werks von langem
Aufenthalte in Neapel spricht. Er hat, wie aus oben
erwiihnter Stelle hervorgeht, im Auftrage Roberts sein
supplementum ad Mesuen geschrieben, ein Werk welches
Siebold und Sprengel mit Recht das schulgerechteste
und weitliiufigste seiner Zeit nennen. Es zeichnet sich
durch Gelehrsamkeit und eine gesunde Vernunft, die
2) Vergl.: Suppl. in Mes. fol. 11. col. 4.
1*
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uberall da hervorzublickcn wagt, wo weder Galen noch
Avicenna das Gegentheil zu thun gebieten, aus. Beson-
deis vortheilhaft auf seine Beurthcilungwirkt ein Vcrgleich
desselben mit dem gleichnamigen Werke Peters von
Abano, welches gewohnlich ihit dem Fs. von Piemont
vereinigt ist, aber nur die Krankheiten des Herzens
undMngens enthalt und an Schwiilstigkeit, Spitzfindig-
keit und Absurditat seines Gleichen sucht. Ausser
diesem, seinem Hauptwerke, hat er noch eine Abhand-
lung Qber die Biider geschrie])en, welche in dem Lexicon
steht, dessen Titel ist: De balneis omnia quae extant
apud Graecos, Latinos et Arabes etc. nuper hinc bide
accurate conquisita et execrpta atque in unum tandem
hoc volumen redacta. Venet. 1553 apud haeredes
Lucaeantonii Juntae.
Leider konnte ich dieser znr Beurthcilung des Ver-
fassers gewiss sehr wichtigen und interessanten Schrift
nicht habhaft werden.
Das Hauptwerk des piemonteser Arztes setzt das
Buch n. des Mesue fort, welches den Titel fuhrt:
Joa. Mesue Damasceni Grabadin id est compendii
secretorum medicamentorum fiber secundus, quo propria
rcmedia ad singularum partium corporis morbos docen-
tur.
Er fangt da an wo der Araber stehn geblieben
ist und verbreitet sich, der beliebten Darstellungsweise
der altenAerzte gemass, uber alle Krankheiten, indem
er am Kopf anfangt und an den Fiissen aufhort. Bei
dieser Anordnung kann es sich denn natiirlich nicht
fehlen, dass haufige und ermudende Wiederholungen
stattfinden, die um so unangenehmer fur den Leser
werden, da der Stil und Periodenbau von gleicher
Schwerfalligkeit sind.
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5
In diesem Werke nun findet sich in dem Capitel
de aegritudinibus tnatricis eine nicht unbedeutcnde Aus-
beute fur die Geschichte der Geburtshulfe und Gynae-
cologie. Bcide Fiicher werden mit einer Weitlaufigkeit
und Genauigkeit, sowie mit einer Gelehrsamkeit ab-
gchandelt, welche man bei vielen Vorgangern und
Nachfolgern vergebens suchen wiirde. Es umfasst
dieses Capitel etwa vierundzvvanzig Blatter in gross
Folio, wovon der grosste Theil die Krankheiten des
Uterus abhandelt, wahrend der kleinere sich mit der
cigentlichen Geburtshulfe beschaftigt. Ausserdem finden
sich noch in dem vorherstehenden Capitel de aegritiir'
dinibus mammillarum
geburtshulfliche Regeln.
Es ist bei dem Verfasser nur zu bedauern, dass
er selbst nicht genug praktischer Geburtshelfer war,
sondern mchr ein Compilator aus den Werken Hippo-
crates, Galens, Serapions und Avicennas; es win-den
sonst gewiss manche Mangel der Schule seinem hellen
Blick gewichen sein. So aber fuhlt er sich auf dem
Felde der Geburtshulfe selbst nicht heimisch und wagt
um so weniger einem tixid Galenus mit ipse vidi zu
widersprechen.
Sein Lieblingsstudium war die materia medica und die
Rezeptirkunst, ein Zweig der Wissenschaft, der iiber-
haupt damals das Steckenpferd der Aerzte gewesen ist.
Ich habc desshalb auch gesucht im Folgenden vor-
ziiglich die Arzneimittel des Verfassers zu erliiutern,
was freilich bei manchen wegen unvollstandiger Be-
schreibung nicht gut moglich war.
Um die Eigenthiimbchkeit des Originals nicht zu
verwischen, habe ich die Anordnung der Capitel des-
selben im nachfolgonden kurzen Auszuge beibchalten.
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6
Die Ausgabe, nach welcher ich arbeitete ist von
1589 s).
Schliesslich muss ich noch meinen lebhaftesten Dank
gegen Herrn Geh. Med.-Rath von R it gen aussprechen,
dem ich nicht nur den Stoff zu meiner Dissertation,
sondern auch durch giitige Mittheilung seiner Manu-
scripte und durch grossmuthige Erlaubniss seine Biblio-
thek benutzen zu durfen, bei der Ausarbeitung derselben
viel verdanke.
3) Der vollstandige Titel ist: Supplementum in secundum
librum compendii secretorum medicinae Joan. Mesues
medici celeberrimi turn Petri Apponi Patavini, turn Fran-
cisci de Pedemontium medicorum illustrium Venet. ap-
Juntas 1589.
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Heschreibimg unci Physiologie «ler
weiblichen Gesclileclitstlieile.
Suppl. ad Mcs. fol. 88. col. 3.
Die anatomischen Kenntnisse FranzvonPiemont's
scheinen im Allgemeinen mehr aus dcm Studium der
damaligen medizinischen Orakel, als aus eigner Beob-
achtung entsprungeu zu sein, ein Umstand der ihm
noch weit weniger zum Vorwurfe gereicht, als spatern
Geburtshelfern, die zu einer Zeit lebten, wo die Ana-
tomie kcine bloss traditionelle Wissenschaft mehr war
und dennoch in dieser Beziehung beinah giinzlich den
Galenischen Angaben folgten. Es ist daher nicht zu
verwundern, wenn die alten hippocratischen Ansichten
von den Cotyledonen 4), den weiblichen Hoden und
Saamenleitern sich hier wieder vorfinden, Ansichten,
die urn so leichter feste Wurzel in der Gynaecologie
schlagen konnten, da die Gelegcnheit weibliche Cadaver
zu untersuchen seltner und die anatomische Forschung
desshalb vorziiglich auf Thiere beschriinkt war. Hatte
man aber auch die Gelegenheit einen weiblichen Uterus
zu seciren, so deutete man die gefundnen Organe nach
4) Hipp. Aph. 5. 45.
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den durch Galens Vorgang gewissermaassen canoni-
sirten thierischen, oder man irrte dadurch vom richtigen
Wege ab, dass man nach Analogien mit den miinnlichen
Geschlechtswerkzeugen haschte und so eine Verwirrung
anrichtete, die erst spat durch Regnerus de Graaf
(1671) gelost worden ist.
Franz vonPiemont nimmt zweierleiGeschlechts-
theile an, nemlich die Gcbarmutter, welche die Existenz
dcs Fotus vermittelt (quae facit ad esse) und die
Brfiste, welche die Erniihrung des Kindes bewirken.
Die Gebarmutter ist ein hohles Organ, weil es zur
Aufnahme und zum Wohnort des Fotus bestimmt ist.
Ihrer Substanz nach vergleicht sie der Verfasser (der
noch wie die alten Griechen alle wcissen fasrigen Ge-
webe so nannte) mit den Nerven, dennoch aber sei
sie kein eigentlicher Nerv, sondern nurwie diese alba,
viscosa, extensa, panniculosa
, und empfange eigne
sensible Fiiden vom Gehirne her.
Um leichter die Frucht zu tragen, besteht sie aus
zwei Membranen, deren innre an Rauhigkeit einer
Ochsenzunge gleicht, und viele Schlag- und Rlutadern hat,
durch welche sie mit Herz, Leber, Lunge zusammen-
hiingt, deren Ursprung die Pfortader, deren Ende
dasjenige ist, was man Cotyledonen nennt. Dieses
Ende befindet sich eben an der innern Haut und ver-
mittelt durch seine Correspondenz mit den Hauten des
Embryo dessen Erniihrung. -
Die aussre Haut der Matrix dagegen dient zur
Erweiterung bei der Empfiingniss und wahrend der
Schwangerschaft, und vermittelt also die zur Aus-
treibung des Embryo nothige Contraktion, ist daher
durchaus nervosa d. i. muskulose. Die Grosse der
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(>
Gebiirmuttcr steht mit der Korpergrosse in Ueberein-
stimmung, wie es sich ahnlich bei denBriisten verhiilt.
Bei Miidchen ist sie kleiner, als die Blase, bei Er-
wachsnen dagegen begreift sie den Baum vom Nabel
bis zur Schaam, an welche ihr Hals (d. h. die Scheide)
stosst.
Wie Hippocrates nennt unser Autor die Ovarien
weibliche Hoden, die Tuben Saamengiinge, das ostium
uterinum
derselben Ausftihrungsgange fiir den weiblichen
Saamen.
Auch die alteAnsicht 5) von der zweihornigen Be-
schaffenheit des Uterus nimmt er auf, indem er sagt:
bei Mensch und Thier richtet sich die Zahl der Uterinal-
horner, nach der Zahl der Briiste; die Zahl derFruchte
aber richtet sich, wenigstens beim Menschen, nicht
nach der Zahl der Uterinalhorner, indem schon oft 5
Fruchte bei demselben beobachtet worden sind.
Die Lage der Gebarmutter beschreibt der Verfasser
richtig, auch kennt er ihre Befestigung durch starkc
nervose und gefassreiche Bander. Vor Ausbruch der
Menstruation schwillt die Gebarmutter auf, sie* reinigt
sich durch dieselbe und wird, nachdem sie sich also
zur Conzeption tiichtiger gemacht hat wieder diinner.
Die Scheide (collum matricis) ist 6—9 Zoll lang,
muskulose, sehnig, runzlich und zur Friktion geeignet,
sie schwillt wiihrend des Coitus an und richtet sich in
ihrcr Ausdehnung nach dem mannlichen Ghede, mit
welchem sie den Beischlaf auszuiiben gewohnt ist.
Sie hat zwei Ausgange:
1) einen aussern, der bei Jungfrauen durch ein
5) Jph. 5. 48.
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.- ,.-.. .      .. ... ..
10
Gewebe von sehnigcn und gefassreichen Membranen
(hymen) verschlossen wird, welches beim ersten Coitus
zerreisst und blutet. Dariiber liegt die Miindung der
Blase. Bei der Begattung steigt die Matrix bis zu
diesem jiussern Ausgang herab, da sie von dem mann-
lichen Saamen angezogen wird;
2) einen innern, der den Saamen aufnimmt und
sich alsdann bis zur Geburt so fest verschliesst, dass
nicht einmal eine Nadel eindringen kann 6). In seiner
Nahe befinden sich die Venen, welche das monatliche
Blut ergiessen, wodurch der Uterus seines Ueberschusses
entledigt und gereinigt wird.
Von der Jl enstrnation.
1. c. pug. 89. cap. I.
Die Menstruation erkliirt Franz vonPiemont,
hierin dem Aristoteles und Hippocrates folgend,
fur eine Aussonderung des zur Ernahrung des weib-
lichen Korpers uberfliissigen, zur Zeit der Schwanger-
schaft aber die Ernahrung des Fotus vermittlenden
Blutes, welches hiebei auf ahnliche Weise aus dem
Organismus entfernt werde, wie der Saamen des Mannes,
oder das Harz gewisser Baume.
Die Menstruation tritt aber nicht eher ein, als bis
der weibliche Korper vollendet ist, daher die zur
Zeugung ahnlicher Wescn nothige Reife erlangt hat,
was mit dem 13ten Jahre Statt findet. Vor dieser Zeit
wird jenes Blut zur Ernahrung und Vergrosserung der
Gebarmutter angewendet.
6) Von Herophilus riihrt diese Beschreibung her. Galen
de natur. facult. lib. III. pag. 109.
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11
Der Mann wird ein Jahr spiiter mannbar, wie die
Frau '), ein Umstand der in dem Satz seine Begriin-
dung findet, dass alles Schwache und wenig Taugliche
langsamer wachst, schneller reift und schneller wieder
vergeht, als das Kraftige. Nun aber entwickelt sich
der weibliche Fotus langsamer im Uterus, als der
mannliche 8), das Weib h6rt fruher auf zum Zeugungs-
gechaft tauglich zu sein, als der Mann, daher wird es
auch fruher zur Pubertal heranreifen.
Der Verfasser unterscheidet 2 Bestandtheile der
menstrua, nemlich einen reinen und einen unreinen.
Der reine Theil wird wahrend der Schwangerschaft
zur Ernahrung des Embryo und zur Milchbereitung
verwendet und ist der eigentliche weibliche Saamen,
ihr unreiner dagegen bildet das Fruchtwasser, welches
den Fotus leichter zu Tage treten lasst, da es ihn
schlupfrig macht, und bleibt in den Venen der Nach-
geburt zuruck.
Der reine Theil der menstrua 9) wird im nicht
schwangern Zustande, bei gesunden Weibern nicht mit
der monathchen Reinigung ergossen, sondern bleibt im
Korper zuruck und macht diesen dick, fett und kriiftig.
7)  Arist. hist. anim. 5. 12. pag. 199. wo zuglcich dadurch
die Wichtigkeit der Zahl sicben bewiesen wird.
8)  Arist. hist. anim. 7. 3. pag. 325.
9)  Der hierin gelegcne scheinbare Widerspruch wird leicht
geliist, wenn man bedenkt, dass unter dem Namen menstrua
hier, wie oft bei den altern Aerzten nicht bloss die eigent-
lichen Catamonien, sondern auch der weibliche Saamen
(hier der reine Theil genannt), und iibcrhaupt jeder Ausfluss
aus den weiblichen Geschlechtstheilen, sclbst Blutfliisse
beim Wochenbettc, Abort u. s. w. verstanden werden.
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Der unrcine dagegen wird alio 4 Wochen ausge-
schiedon, wobei der Uterus die Abzugsstiitte fur alle
Unrcinigkeit des ganzen weiblichen Korpers nbgicbt.
Diese Periodizitiit in langern Zeitabschnitten sei dess-
halb angeordnet, damit die mit jenem Akte verbundnen
Unannehmlicbkeiten und die Befleckung nicht tiiglich,
sondern nur dann stattfinde, wenn sich eine gehorige
Mcnge Blut angesammelt habe. Auf die Bildung der
28tiigigcn Zwischenraume hat aber der Mond Einfluss;
Abweichungcn von der gewohnlichen Zeit beruhen
in der Grundverschiedenhcit der jedesmaligen Tcmpera-
lTientc und in siderisehen Einfliissen.
In der Schwangerschaft horen die Catamanien auf
zu fliessen. Fortdauer derselben zeigt in den meisten
Fallen bevorstehenden abortus 10) oder wenigstens die
Geburt eines schwachliclicn Kindes an. Nur bei sehr
gesunden vollsafligen Fraueh schadet es Nichts, sie
treten alsdann aber auch in geringercr Quantitat auf
als beim nicht schwangern Zustande. Die jedesmalige
Menge variirt im gesunden Zustande bei den verschie-
denen Individuen. So ist sie geringer bei Mannweibcrn,
grosser bei schlaflen und weichen Constitutionen.
El>en so veranderlich ist ihre Farbe und zwar
richtet sich diess nach dem Ueberwiegen eines oder des
andern der vier beruhmten altcn Ursafte, der schwarzen,
der gelben Galle, des Bluts und des Schleims. So
ist diese bei Melancholikern dunkel, bei Cholerikern
hellroth , bei Sanguinikernrosenroth, bei Phlegmatikern
weisslich. Normale menstrua sind schmerzlos und von
wohlthatiger Folgc fur die Gesundheit des Weibes,
10) Vcrgl.: Hippocr. aph. 4. 60.
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18
anomale dagegen sind von Kopfschmerz, Lendcn-,
Mercn-, Kreuzweh, Ekel U. s. w. begleitet und kciiinen
die Ursache zu den heftigstcn und gefahrlichsten Zu-
fallen abgeben.
Die abweichcnde Ouantitat der menses verursacht
gleichfalls viclc Ucbel. Zu reichlicher Fluss derselben
zieht Anfangs solche Krankheitcn nach sich, wclcheman
Krankheiten der Enllecrung, spater solelic, welche
man Kranklieilen der Erfullung (repletionis) nennt. Zu
letztern gehprt namcntlich hydrops. Zu sparlicho Rei-
nigung dagegen bringt Anfangs Krankheiten der An-
fiillung, z. B. apostem; spiiier Krankheiten der Enl-
lecrung (Nasenblutcn, pneumorrhagie) hervor.
Dass iibrigens Franz v. Piemont den gehorigen
Respekt vor der gifligen Bcschaffenheit der menses
halte, beweist die Stelle seines Buchs wo er sie eine
abommabilis infectio et deturbatio nennt 1!) und die
zahllose Menge von Uebeln und Krankheiten welche
er spater davon ableitet.
11) De menstruis et eorum indiciis. C.I. pag. 89. der Ausgabe
der supplcm. in Mes., ferner de praefucatione matricis
Cap. 8. il>. pag. 92. col. 4. Wie gross die Furcht der
Alten vor dem Giftc der menses war, beweisst die inNic.
Rochaei morb. mill, curand. (Gynaecior. edit. Bauh.
pars I.
134.) citirte Stelle des Plinius: Nihil vero facile reperitur
mulierum proflnvio magis monstri/icum. Acescunt super-
venta musta, sterilescunt tactae fruges, moriuntur insita,
exuruntur hortorum germina, acies ferri praestringilur,
in rabiem aguntur gustato eo canes atque insanabili veneno
morsus inflcitur
etc.
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14
1 on der Emiifaiigniss, Zeugung mill
■ iiU%i« liluna,.
Supplement, fol. 89. col. 3. cap. 2.
Die Ansichten unsres Autors fiber die Empfangniss,
Entwicklung des mcnschlichen Fotus, Zeitdauer der
Schwangerschaft, normale Geburtszeit u. s. w. sind
zwar grosstentheils den so lange als Norm geltenden Ge-
setzen des Hippocrates, Aristoteles und Galen
angopasst, doch hat er wohl diesem Capitel eine vor-
zfigliche Aufmerksamkeit geschenkt und daran mit einer
Vorliebe gearbeitet, welche in den fibrigen geburts-
hulflichen Abschnitten seines Werks weit weniger hervor-
tritt. Er hat hier nicht nur die Angaben der altera Acrzte
auf das sorgfaltigste zusammengestellt, sondern auch
eigne Untersuchungen und Bcobachtungen angestellt,
dercn Resultat freilich in Nichts von dem Canon ab-
weicht, weil er bei seiner medicinischen Orthodoxie
es gewiss fur eine Ketzerei gehalten haben wfirde, die
Natur mit einer andernBrille als der des Hippocrates
oder Galen anzusehn. Er sucht hier mehr wie an
einem andern Orte die scheinbaren Widerspruche seiner
Autoritiiten auszugleichen und wendet vielen schola-
stischen Scharfsinn auf, um diese Rathsel zu losen.
In seiner Embryologie huldigt er hauptsachlich den
durch Avicenna modificirten (d. h. grosstentheils
verderbten) Ansichten des Aristoteles 12); in seiner
12) Avicennae liber de animulib. super liiris de animal. Aristot.
Es war diess noch fur weit spatere gcl)urtshulflichc Schrift-
stcller, als F. v. Piemont, ein Gesctzlmch. Vergl. N.
Rocheus 1. c. p. 198. Ludov. Bonacioli cutnus Mu-
liebris
1. c. p. 241. Jac. Ruffii de muliebr. lib. I. 1. c.
p. 351.
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15
Lehre vnn den Zeichen, dor diatctischen und pharma-
zeutischen Behandlung dcr Schwangcrschaft schliesst
er sich an die alten Griechen an.
Ein Auszug aus seinem weitlaufigen Capitel de
conceptione seu impraegnatione naturaR
wird das Ge-
sagle erlautern.
Die Empfangniss findet nur dann statt, wenn der
mannliche und weibliche Saamen sich begegnon und
unter gunstigen Verhaltnissen mischen 13). Beide wirken
wechselsweise auf einander, sind jedoch zur Hcrvor-
bringung der Frucht noch ausserdem siderischen und
psychischen Einfliissen unterworfen, die wahrend des
Coitus eingewirkt haben. Kann sich nach dieser regel-
rechten Mischung des Formellen mit dem Materiellen
der Uterus fest schliessen, und treten keine den Abort
bewirkenden Zufalle ein, so ist die Empfangniss ge-
schehen und die Geburt wird erfolgen.
Sechs Tage lang 14) bleibt der Saamen in Gestalt
einer Milch ruhig, dann verandcrt cr sich durch die
dem miinnlichen Theil innewohnende Kraft zuerst zu
einer Art von Schaum. Zugleich entstcht eine zarte^
13)  Semen enim, nisi mixtum fuerit in duobus, non genera-
bitur animal, sicut nee caseus nisi commisceatur coa-
gulum lacti.
Vcrgl. Suppl. pag. 89. col. 3.
14)  Die alte Galenische Lehre.— Von Aegidins vonCorbeil,
Leibarzt Philipp August von Frankreich (1180) in Verse
gcbracht:
Sea; in lacte dies, ires sunt in sanguine terni
Bis seni carnem, ter seni membra figurant
und:
Injectum semen sex primis certe diebus
Est quasi lac reliquisque novem fit sanguis et inde
Solidat duodena die bis novenaque demum
Effigiat, tempusque sequens producit ad ortum.
Vergl: Nic. Roch. in Gynaec. Bauhin. t. I. pag. 197.
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16
Membran, hcrvorgcbracht durch einen Rest des miinn-
lichen Saamens, oder durch beide Saamen, den mann-
lichcn sowohl, wie den weiblichen, oder durch die
Hitzc der Gebarmutter (tunica decidua).
Aus dem Schaum bildet die Natur zuerst drei
Blasen, die Wcrkstiitten des vitalen, naturalen und
animalen Gcistes.
Zuerst entsteht die mittlere, das Herz bildende
Blase in Mitten der Feuchtigkeit 15). Oben und rechts
von derselben bilden sich zwei andre, die Anfangs
noch nicht deutlich davon geschieden sind, sich aber
bald, in Zeit von einer Stunde davon trennen und die
Leber und das Gchirn vorstellen. Die rechte (Leber)
Blase fullt sich nun mit wcissem Blut und bildet durch
Anziehung von Uterinalblut den Nabel ie).
Jetzt entstehen durch dit Kraft des mannlichen
Saamens die ersten Formbildungen (lineationes) und
die iibrigen Elauptorgane entstehen in bestimmter Ord-
nung und Rcihenfolge aus dem Reste des weiblichen
Saamens ").
, Die tunica decidua aber dient zur Einhullung des
Fotus und zur Trennung desselben von der Gcbar-
mutter, sie entsteht ahnlich wie die Kruste des Brods
durch Hitze und empfiingt in sich die Adern des Uterus,
aus welchen durch die Kraft des mannlichen Saamens
das Ernahrungsmaterial fur den Fotus gezogen wird.
15)  Arist. de gen- anim. lib. 3. c. 11. p. 1228.
16) Arist. de. gen. anim. 1. c.
17)  Gewohnlich schrieb man die Entstehung der weissen Ge-
bilde dem direkten Einflusse des Saamens zu, und nannte
daher auch wohl die Nerven, Sehnen, Gehirn, Fett, Driisen:
partes spermaticae.
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17
Dieser wird nunmehr blutfiihrend, seine Glieder be-
diirfen also urn so mehr der Nahrung, weshalb die
decidua sich verdichtet und in 3 Theile scheidet.
Diese sind:
1)  die membrana secundina. Hier befinden sich die
Enden der zwei pulsirenden Nabelgefasse, wodurch
der Fotus, der nicht mit dem Munde athmet, mit Luft
versorgt wird. Sie selbst zerfallt in die tunica bilas 18),
welch e dazu dient, dem Fotus Blut durch das nicht
pulsirende Nabelgefass zuzufiihren und ausserdem ein
Rezeptakulum fiir dessen Urin, der nicht zur Ruthe,
sondern zum Nabel herausgeht, bildet.
Die 2te, alchas genannt, nimmt den Schweiss des-
selben auf.
2)  die innerste Membran hat eine sehr zarte Stru-
ktur und hullt den Fotus, dessen Haut so weich und
empfindlich ist wie die Bedrckung noch nicht vollig
condensirter Narben, weich ein; zugleich halt sie von
demselben die in den andern Hauten angesammelten
scharfen Fliissigkeiten ab.
Eine 4te Membran zur Aufnahme der faeces ist
nicht noting, da der von lauter Fluidis lebende Fotus
keine bereitet.
Entwieklung des V&tum.
1 Tag — 6 Tag: Keine Veranderung.
6 Tag — 8 Tag: Die Lungen bilden sich.
8 Tag — 12 Tag: Der Korper fiihrt Blut.
18) Ein arabischer Name, sowie der der folgenden Haut. Nach
Rocheus (1. c. pag. 218.) von Avicenna zuerst ge-
braucht.
2
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18
12 Tag — 22 Tag: Das Fleisch entsleht aus dem
Blut, in einzelnen Portionen. Drei Haupttheile lassen
sich am Korper des Embryo unterscheiden.
22 Tag — 31 Tag: Das Haupt, die Arme und
Beine lassen sich vom Rumpfe unterscheiden. Zugleich
fangen die Nieren schon an, den Korper zu reinigen.
Vom 31 Tag — 35 Tag: Bilden sich die Sinnes-
organe.
Vom 35 Tag — 40 Tag: 1st der Embryo schon
in alien seinen Theilen formirt.
Letzteres hat F. v. P. selbst, an Embryonen, die
durch Abort um diese Zeit abgegangen waren und
die er in Wasser gesetzt hatte gesehen; besonders
erwahnt er eines 40tiigigen Fotus, der in alien Theilen
ausgebildet war. Doch ist diese Zeit nicht stets und
nicht fur alle Geschlechter eine fest bestimmte. Nament-
lich entstehen Knaben schneller und zwar friihestens in
30 Tagen, Miidchen spater und zwar spatestens in 45
Tagen 19).
Die ersten Spuren von Bauchgeschwulst bemerkt
man an der Schwangern nach 35 Tagen.
Nach der doppelten Zeit der ersten Vollendung des
Embryo, also nach 90 oder 105 oder 120 Tagen von
der Conception an gerechnet, zeigt sich die erste
19) Die Ansicht der Griechen, namentlich des Hippocrates
und A r i s t o t c1e s, wonach das von ihnen fur unvollkommen
gehaltne weibliche Geschlecht in alien Dingen, also auch
in der Entwicklungsgeschichte zu kurz kommt. Vergl.
Arist. de gen. anim.
Am consequentesten fiihrt diese Idee Empedocles
durch, der die ersten Weiber von der Mitternachtseite, die
ersten Manner von der Tagseite der Erde her entstehen
lasst u. s. w. Plutarch plac. phil. 5. 19.
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19
Kindesbewegung. Dieser Zeitraum abermals doppelt
genommen und zu dem Zeitraum bis zu dem die erste
Bewegung des Kindes auftritt gezahlt, liefert die Stunde
der Geburt.
Diese findet also in drei Zeitraumen statt:
1)  bei Kindern, die in 30 Tagen vollendet waren
in 6 Monaten. Hier hat der Verfasser das Kind nie
fortleben gesehn, obgleich es Einige so behaupten
wollenj
2)  bei Kindern, die mit 35 Tagen vollendet waren
in 7 Monaten. Hier lebt das Kind zuweilen fort, moi-
stens stirbt es jedoch, obgleich diese Geburt schon
haufiger ist;
3)  bei Kindern, die in 40 Tagen fertig geworden
sind in 9 Monaten, was der hiiufigste Fall ist.
Die Ansichten unsres Schriftstellers uber die Er-
zeugung von Knaben und Madchen sind ganz diejenigen
der Hippocratiker und des Hippocrates selbst 20).
Knaben entstehen daher:
1)  wenn der hitzige mannliche Saamen, den kalten
weiblichen an Menge uberwiegt;
2)  wenn er von dem rechten Hoden, der rechten
Niere (!) die der Leber zunachst liegt abgesondert wird
und in die rechte Halfte des Uterus gelangt. Zugleich
ist es hierbei nothig dass die Empfangniss kurze Zeit
nach der Menstruation erfolge 21);
20)  Vergl. aph. 5. 48.
21)  Noch jetzt ist dieses Mahrchen dor Hauptinhalt jener Buch-
lein, die unter dem Titel: Entschleiertes Geheimniss, Mit-
gabe fur junge Eheleute, Ehebuchlein, zart-gelufteter
Schleier der Natur etc. von Speculanten verfasst, von
Thoren gekanft werden.
2*
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20
3) unterstfitzende Momente sind dabei kalte Luft,
Winterszeit, jugendkraftiges Alter u. s. w.
Im Gegentheil entsteht ein Madchen.
Diese Ansicht findet sich noch weiter ausgesponnen,
als beim Hippocrates, indem sogar der Charakter
des Kindes durch den jedesmaligen Hoden aus dem es
entstammt und die jedesmalige Uterinalhalfte in der es
wohnhaft ist, bestimmt wird. Denn:
1)  Saamen aus dem linken Hoden in die linke Ute-
rinalhalfte = Weib,
2)  Saamen aus dem linken Hoden in die rechte Ute-
rinalhalfte — virago,
3)   Saamen aus dem rechten Hoden in die rechte
Uterinalhalfte = Mann,
4)   Saamen aus dem rechten Hoden in die linke
Uterinalhalfte = weibischer Mann.
Zwillinge entstehen nachFranz von Piemont auf
zweierlei Weise:
1)  durch einen Coitus, wobei zuviel Saamen ergossen
wird und in jedes Horn des Uterus ein Theil gerath.
Aus diesem Grunde sind denn auch, der vorhin eror-
terten Theorie nach, die Zwillingsfruchte meist ver-
schiednen Geschlechts, denn jede Uterinalhalfte biJdet
ja ihre eigne Form aus. Zwillinge einerlei Geschlechts
bleiben, weil es bei ihnen nicht natiirlich zugegangen
ist sehr selten am Leben;
2)  durch zwei Begattungen, zwischen welchen ein
kurzes Intervall liegt. Hier werden die Kinder eben-
falls selten am Leben erhalten, denn bei sehr kraftigen
und blutreichen Frauen, wo die Superfotation durch
Ueberfiille an Kraft, also mehr aktiv statt gefunden hat,
fangen die Embryonen an sich zu streiten, es entsteht
Mfrr rVl^'lMiltfTr-'^^^^aakfc.-----
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"                                                                    '                                               " '" ■ '" '' ■ ' ■-...■■- .-...-.                                                                       ...... .......... ......... .                                                          ....                                                    ...
....
21
hierdurch Fieber und Abort. Bei schwachlichen Frauen
dagegen, wo die Ursache der Ueberfruchtung nur eine
passive, namlich Offenbleiben des Muttermunds nach
der Empfangniss des ersten Kindes war, wird der klei-
nere Fotus auf Kosten des grosseren geschwacht.
Die nach der ersten Empfangniss stattfindende Ver-
schliessung des Muttermunds, welche Hippocrates
als Gegenl>eweis gegen die Superfblation anfuhrt, hin-
dert dieselbe keineswegs, da sie nur das Herausfallen
der Frucht aus dem Uterus, nicht aber das Eindringen
des neuen Saamens in denselben verhiiten kann und soil.
Sehr fruhe Schwangerschaft, wie sie schon (obwohl
selten) bei 12jahrigen Madchen beobachtet worden ist,
wird leicht todtlich, wegen Kleinheit der Gebarmutter.
Im Allgemeinen sind gesunde Weiber auch gesunde
Mutter, ihre Kinder sind gesund und werden die ge-
horige Zeit ausgetragen. Dagegen haben kranke und
schwache Mutter auch kranke Kinder. Besonders
schaden ortliohe Krankheiten (d. h. des Uterus) den
Kindern und hitziges Apostem desselben ist stets fiir
sie todtlich.
Symptomatologie der Schwangergchaft.
Die Zeichen der Schwangerschaft sind nach dem pie-
montesischen Arzte in folgende Gruppen zu bringen:
I. Zeichen von der Schwangern selbst bemerkt:
Hierher gehoren: a) dasGefuhl gleichzeitigenSaamen-
ergusses beim Coitus und zwar mit einer solchen Schnel-
ligkeit, dass der Kopf der Ruthe bald trocken wird,
zugleich ein Gefiihl von Saugen des Muttermunds, wenig
Saamen in der Scheide, der Mutterhals zieht sich nach
vorne hin;
v *-
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22
b)  die menses bleiben bis zur Geburt aus, oder sie
fangen doch an sparlicher zu fliessen;
c)  gelinde Schmerzen um den Nabel;
d)  zuweilen auftretende Harnbeschwerde;
e)   Widerwillen gegen den Coitus, jedoch nicht
immer **);
f) zuweilen Colikschmerzen nach gepflogenemCoitus;
g)  Angst, Ekel, Widervville, Kopfweh, Schwarz-
sehn, Herzklopfen, da durch die Conception der Magen-
mund nachtheilig affizirt wird 2S);
II. Symptome, die der Arzt bemerkt:
a)  Verstimmung der Esslust nach 1 Monat oder 2 (!);
b)  Gelbwerden des Weissem im Auge, Einsinken,
zuweilen Weisserwerden der Augenlieder, zuweilen
nimmt das Gesicht zu, die Pupille wird verengert;
c)  die Gesichtsfarbe verandert sich;
d)  es stellen sich Abweichungen von derNatur ein;
e)  zuweilen yerschwinden friiher gehabte Schmerzen
des Riickens und Unterleibes, weil die Gebarmutter
jene Theile warm halt, sie kehren aber alsdann mit
der Geburt zuriick;
f)  die Hautvenen werden gelb und grun;
g)  es tritt meistens Gedunsenheit des Korpers ein,
weil die sonst durch die Menstruation entfernten Safle
zuriickbleiben und in den fruhern Stadien der Schwan-
ft
gerschaft von dem noch kleinen und schwachen Fotus
nicht alle verbraucht werden. Desshalb hort auch jene
22)  Es ist diess ein Punkt, den Aristoteles weitlauftig be-
spricht, indem er sagt nur derMensch und das Pferd voll-
zogen den Coitus noch wahrend der Schwangerschaft.
23)  Die Ansicht des Hippocrates 5. aph. 61.
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-------                      .................
23
Gedunsenheit mit der zunehmenden Grosse des Kin-
des auf.
III. Symptome, welche sich aus den Ausleerungen
des Weibes ergeben:
Hier liefert Franz von Piemont eine lange und
verwickelte Beschreibung des Hams der Schwangern
und zwar nach dem beriihmtesten und vielleicht scru-
pulosesten der Uroscopen, Hippocrates. Er unter-
scheidet mit diesem den Urin im Anfange der Schwan-
gerschaft, zu Ende derselben und bei kranken Frauen.
Ersterer ist hell, schillernd, blaulich, citronenfarbig,
eiweisshaltig mit einer hellrothen Wolke, welche beim
Schutteln den Urin nicht triibt. Gegen Ende der Schwan-
gerschafl wird er roth und triib. Bei Kranken wird
er schwarzlich, der Tinte und dem Kothe ahnlich.
Ausserdem gibt es noch wichtige besondere Zeichen
fur das Dasein des mannlichen, des weiblichen Fotus
oder einer Zwillingsschwangerschaft.
War der Vater sehr stark, kriiftig, sein rechter
Hoden stark entwickelt, seine Begierde heftig; war
dagegen das Weib sehr schon, von festem Fleisch,
gesunder Verdauung, geregelten mensibus, die sich sehr
friih bei ihm einstellten, so wird ein Knabe erzeugt.
Sie fuhlt sich alsdann bei der Schwangerschaft gesun-
der 24), hat weniger Schmerzen, ist mobiler und leb-
hafter, fiihlt eine Schwere in der rechten Seite, ein
Schwellen der rechten Brust, eine Veriinderung der
Pupille, ihr rechter Puis ist lebhafter, die Milch kommt
eher aus der rechten Brust, ist dicklich, der rechte
Fuss setzt sich beim Gehen zuerst in Bewegung etc.
24) Vergl. Hipp. aph. 5. 42.
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24
Zu diesen und noch vielen andern ahnlichen Sym-
ptomen gehort nach dem Verfasser auch noch das
Ergebniss eines Experiments. Es wird der Schwangern
eine Confiture von25) Aristolochia untergelegt, wor-
auf denn bei Knabenschwangerschaft der Speichel suss,
bei Madchen der Speichel bitter schmeckt. Der Saamen
des Mannes, welcher Knaben erzeugt, muss dick, con-
sistent sein, im Wasser kuglich zusammenballen, ebenso
miissen die menstrua nicht diinn und wiisserig, sondern
mehr fest und zahe sein. Das Gegentheil von den er-
wahnten Zeichen beweist, dass der Fdtus ein Mad-
chen sei.
Zwillingsschwangerschaften erkennt man daran, dass
die Kindsbewegung nicht bloss auf einer Seite gefuhlt
wird, sondern sich abwechselnd auf beiden zeigt. Der
Leib, welcher bei einer Frucht glatt und ohne Runzeln
oder Falten ist, zeigt deren bei mehrfacher, und zwar
richtet sich ihre Zahl alsdann nach der Zahl der Em-
bryonen.
Gesund ist das Kind, wenn die Mutter, besonders
wenn deren Uterus gesund ist und wenn seine Bewe-
gungen auf die gewohnliche Weise empfunden werden.
Das Gegentheil hiervon, besonders aber noch ausser-
dem Fortdauer der menses, Erscheinen der Milch im
25) Die aristolochia ist ein sehr beriihmtes, schon von Hip-
pocrates (de nat. mulier. p. 572. ed. Foe's) angewandtes
Mittel, das von seiner "Wirkung auf den Uterus denNamen
tragt (dpiorr) Xo^eouaait). Zu den Zeiten des Verfassers kannte
man drei Arten: aristolochia longa (der Abbildung in Me sue
nach unsere heutige clematidis); rotunda (unsere hcutige
rotunda) und clematidis (vielleicht die heutige longa). Vergl.
Mes. de simplicib. 77 fol. col. 3.
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jm^m—— „                      ,                    ,----------,_
25
ersten Monate, Bauchfluss etc. zeigen Schwache des
Kindes an.
Von der Molenscliwangerschaft und
deren Beliandlung.
Suppl. fol. col. 2. cap. 15.
Diese Lehre wird von Franz von Piemont eben-
falls sehr weitlaufig und zwar im Vergleiche zu seinen
Zeitgenossen und selbst vielen seiner Nachfolger mit
einer grossern Einfachheit, Wahrheitsliebe und mit we-
niger breiter Erzahlung abentheuerlicher und wunder-
barer Mahrchen abgehandelt. In diagnostischer und
pathologischer Beziehung bringt er manches Neue vor
und seine Erkliirung des Zustandekommens solcher
Molen ist wenigstens natiirlicher und minder fabelhaft
als man es wohl erwarten diirfte.
»Mola kommt aus dem Persischen (molon) oder aus
dem Griechischen ((xoXtj) und bedeutet die Geburt vielen
Fleisches. Man versteht aber darunter einc tiiuschende
Empfangniss, welche, obgleicb selten, dieselben Zufalle
in ihrem Gef'olge hat, wie die wahre Schwangerscliaft.
Nach Hippocrates bestehen jene Zufalle nemlich
aus folgenden Symptomen:
1) Ausbleiben der menses, 2) Umstimmung des Kor-
pers, 3) Veranderung des Appetits, 4) Verschliessung
des Muttermunds, 5) Auftreibung beider Briiste, 6) An-
schvvellen des Bauches bis zur Grosse einer ausgetragenen
Frucht, 7) Bewegungen imBauche, welche den Kinds-
bewegungen ahnlich sind und durch Druck auf der
rechten oder linken Seite verstarkt werden, 8) dieser
Zustand dauert bis zur Zeit, wo bei wirklicher Schwan-
gerschaft die Geburt eintreten wurde.
. _- ■.....                                                                                                                              ----------------------------------------------
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26
Hierauf tritt nun haufig Geburtsschmerz ein und es
werden unter ahnlichen Erscheinungen wie bei der
natiirbchen Geburt verschiedenartige Substanzen aus-
gestossen, bald Brocken Fleisches, welche die Gestalt
vielfacher Korper haben, bald bloss Luft, bald ange-
hiiufte wassrige Feuchtigkeiten, meist mit Blut gemischt
und die Bauchgeschwulst liisst nach.
Oder es tritt keine Geburt ein und die mola wird
3—4 Jahrelang, ja selbst bis an das Lebensende hinaus
getragen.
Die Ursache der Generation dieser Stoffe ist eine
zwiefache und beruht bald in einem Fehler der weib-
lichen, bald in einem Fehler der miinnlichen Zeu-
gungssafle.
Erstere Ursache ist meistens der Erguss einer wass-
rigen und blutigen Feuchtigkeit, welche nach einem
Coitus, wobei sich bloss der weibliche Saamen entleert
hatte ergossen wird.
Letztere kann zwiefach verschieden sein. Entweder
nemlich wird gar kein mannbcher Saamen entleert und
auf diese Art entstehen die Windeier, deren Generation
sich bloss durch die alleinige Ergiessung des weiblichen
Zeugungssaftes erkltiren liisst. Oder der mannbche
kommt nicht zu rechter Zeit in den Uterus, so dass keine
Mengung beider hat Statt finden konnen. Hier liegt die
Ursache also nicht an einer fehlerhaften Beschaffenheit
desselben, sonst wiirde ein Monstrum, keine Mola ent-
standen sein.
Wo also die bildende Kraft fehlt, kann kein Mensch
erzeugt werden und die im Uterus ergossene Materie
kann mehrfache Gestalt und Qualitat annehmen:
1) sie wird durch die Hitze desselben zur Fleisch-
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27
consistenz verdichtet, auf ahnliche Weise, wie das Feuer
den Thon in einen Ziegel verwandelt. Die Harte dieser
Stucke ist oft so bedeutend, dass sie schwer zu durch-
schneiden sind und sie haben keine Aehnlichkeit mit
der menschlichen Gestalt;
2)   es geschieht aber auch zuweilen in siidlichen
Gegenden, dass bei Weibern mit sehr verderbten Siiften,
welche sich ausserdem noch vielfachen Schadlichkeiten
aussetzen mit dem natiirlichen Kinde zugleich ein Brocken
geboren wird, der die Natur eines lebendigen Thieres
und zwar bald einer Eule, bald einer Harpye hat und
wildes Thier genannt wird. Oft erdriickt dieses Mon-
strum das Kind schon im Mutterleibe, oft aber auch
wird es mit ihm geboren, fiillt mit ihm zugleich zur
Erde und beisst es dann, so dass es stirbt 26).
Die Form und Kraft dieser Bestie riihrt nicht von
dem Saamen des fruchtbar gewesenen Coitus, sondern
von einem Irrthum des bei einer zweiten Begattung
ergossnen her. Ausserdem hangt ihre Entstehung von
widerwartiger Constellation ab;|
3)  endlich kommt es zu Stande, dass die ergossne
Materie wegen ihrer zu grossen Menge, oder wegen
ihrer bedeutenden Kalte nicht condensirt wird, sondern
wassrig bleibt, wo sie dann wie Blutwasser aussieht.
Oder sie wird noch diinner und verwandelt sich in
einen Wind 21).
Die Symptomatologie der Molen bezieht sich theils
auf ihre Diagnose von der wahren Schwangerschaft,
26)  Noch Jacob. Rueff redet von ahnlichen monstroscn Molen.
Vergl. Gynaecior. 378 torn. I.
27)  Gynaec. 1. c.
'
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28
theils auf ihren Unterschied von Hydrops, theils auf die
Kennzeichen der einzelnen Arten der Molen unter sicli.
1) Von Schwangerschaft. Hier ist die Diagnose leicht,
obgleich bei grossen Molen selbst erfahrne Hebammen
schon geirrt haben. Die Molen haben keine zur geho-
rigen Zeit, von selbst eintretenden Bewegungen, son-
dern sie werden nur durch aussern Reiz, Beriihrung
u. s. w. in ihrer Lage veriindert. Bei der wahren
Schwangerschaft bewegt sich der Fotus nach 3 Monaten
von selbst nach verschiedenen Richtungen. Bei der
Mola ist ausserdem die Harte der Geschwulst betracht-
licher wie bei der wahren Schwangerschaft und es lassen
sich die Formen des menschlichen Korpers nicht durch-
f iihlen wie dort. Endlich ist dabei heftige Colik, Apo-
stem, Schmerz vorhanden, wegen der Zusammenziehung
der orobi. — Die Fiisse des Weibes sind ausserdem
sehr weich mit Verkleinerung.
2)  Von Hydrops. Die Harte der meisten Molen ist
weit starker als die Consistenz des hydropischen Leibs.
Bei wiissriger oder windiger Mola aber ist das Gefuhl
der Fluctuation weit schwacher, als wie bei Ascites.
Ausserdem ist die Resonanz desselben weit geringer,
als wie bei Tympanitis, indem Wasser und Luft im
Uterus eingeschlossen sind. Ferner schwellen bei Hy-
drops meist die Fiisse schnell an, wahrend sie bei Mola
langsamer anwachsen.
3)  Die einzelnen Species der Mola. Hier ist die
Harte und Schwere bei der Fleischmola grosser, als
bei der Wasser- und Windansammlung und wiederum
bei letzterer geringer, als bei der mittelsten.
Die Behandlung der Mola ist nach Franz von
Piemont zwar meistens ohne Resultat, muss aber
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29
dennoch untemommen werden, da gegluckte Versuche
hieriiber vorliegen. Sie richtet sich im Allgemeinen
nach den fur diesen Fall noch heut zu Tage geltenden
Ansichten und es werden dabei viele Mittel angewendet,
welche noch jetzt eine verdiente Geltung dagegen be-
sitzen.
Man muss, sagt der Verfasser, die angesammelte
Materie entfernen und zugleich die Dyscrasie heben,
welche hieran meistens schuld ist, denn inquit G a 1 c n u s:
es ist unmoglich ein Uebel zu heben, ohne seine Ursache
zuvor beseitigt zu haben.
Erstere Indication wird dadurch erreicht, dass man
die Materie zuvor mobil macht und dann entfernt.
Hierzu dient ein geeignetes Regimen, Unterlassung der
Bewegungen, vorzuglich der untern Extremitaten, Riicken-
lage mit Erhebung der Beine. Dabei Ausleerungen durch
Aderlass, Brechmittel, Anflosung durch pillulae foetidae,
Dekokte von foenum graecum, 28), Datteln, hieralogo-
dion
29), Bahungen mit Tiichern, die in Auflosungen
von eroffnenden Substanzen getaucht sind. Pilaster,
Bahungen von Mitteln, welche die Geburt erleichtern
und die sie begleitenden beunruhigenden Zufalle mildern.
Hierher gehoren vorzuglich alle jene Mittel, die die
Menstrua anregen und Abort bewirken, besonders dia-
28)  Das foenum graecum eine nun obsolete, friiher sehr be-
rfihmte Arzneipflanze steht -svohl der herba meliluti am naeh-
sten und kommt von Trigonellae foenum graecum L.
29)  Hieralogodion mit dem Beinamen memphitum war eine
beriihmte Latwerge aus 33 Mitteln, meist drastischen Lax-
anzen und Gewurzen, wie euphorbium, Myrrhen, Colo-
quinthen bestehend. Nicolai antidot. fol. 190. colum. 3.
des Supplem. in Mesuen.
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30
marte so), diacurcuma 31), magna theriaca 54), dia-
tesseron
**) u. s. w.
War die Ansammlung wassriger Natur, so miissen
diuretica und austrocknende Mittel, wie bei Hydrops
angewendet werden.
War sie windig so gebe man: arislolochia rotunda,
ol. de Cherva
34), daciylus mdica.
Gegen die Dyscrasie werden alle die Arzneien an-
gewendet , welche spiiter noch einmal bei der Behand-
lung der mala complexio matricis vorkommen werden
und die gegen zu heisses und kaltes Verhalten der-
selben gerichtet sind. Raucherungen, kaltes Regimen,
kalte diuretica, Sitzbader aus kalten schleimigen Mit-
teln, kalte Oele, z. B. ol. alkekengi Si), Saft und
Wurzel von rapistrum.
30)  diamarte. Wahrscheinlich ein Eisenpraparat in Latwergen-
form.
31)  diacurcuma. Melirc Compositionen dercn Hauptbestandtheil
die Curcuma der Alton war, nach Costaeus ware es aus
diacrocoma vcrderbtundnach seinem Hauptbestandtheil, dem
Crocus benannt. (lies, de electuar. fol. 111. col. III).
32)   Magna theriaca ist die Galcnische Formel fur den
Theriak, -welche einfachcr, wie die meisten Formeln Andrer
war. Gebriiuchlicher und haufiger angewendet findet man
die theriaca Andromache, welche aus 64 Mitteln besteht.
Vergl. Nicol. antidotar. fol. 185. col. 3u. 4. 186. col. 1—4.
33)  diatesseron, auch theriaca diatesseron. So genannt, weil
es nach der urspriinglichen Vorschrift aus 4 Mitteln be-
stand, enthielt Myrrhen, bacc. lauri, aristolochia und gen-
tiana
und war, sowie der Theriak ein beruhmtes Mittel
gegen Gifte aller Art, besonders den Biss schiidlicher
Thiere. Nicol. antidot. 186 fol. col. 4.
34)   Oleum de Cherva oder Kerva, auch Albemesuch genannt,
ist unser oleum Ricini. Mes. 78 fol. col. 2.
35)  alchekengi oder Solanum vesicarium, die heutige Physalis
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•M
Aerztliche Bchamllung der Scltwan-
gerschaft.
Suppl. fol. 91. col. 4. cap. 3.
Hierin befolgt Franz vonPiemont grosstentheils
die noch jetzt als Regel geltenden Vorschriften des
Hippocrates und unterscheidet sich dadurch vortheil-
haft von den meisten seiner Zeitgenossen, besondei's
abei* von dem wegen seiner abentheuerlichen und in
die lacherlichsten und charlatanistischsten Formen ge-
hiillten Schwangerschaftsregeln jetzt beriichtigten, da-
mals aber bewunderten und belobten Englander J oh.
Gaddesdon. — Es ware wohl fur die Geburtshiilfe
gut gewesen, wenn sich alle Aerzte der Einfachheit
in der Behandlung der Schwangern befleissigt hatten,
welche der grosse Hippocrates, wohl ahnend, dass
bei einem natiirlichen Ereignisse "die Natur auch vor-
ziiglich helfen miisse, vorgeschrieben hat und es ist
unserm Autor zu nicht geringem Verdienste anzurech-
nen, dass er hierin nicht den Irrpfad verfolgt hat, welchen
die arabischen Schriftsteller einschlugen, deren Patho-
logie grosstentheils und zwar besonders im Felde der
Geburtshiilfe, das sie praktisch nur mit Widerwillen
und unter dem Einfluss eines religiosen Abscheues be-
traten auf Traumen oder Hypothesen beruhte. Seine
Vorschriften sind der Hauptsache nach folgende:
»Die Behandlung einer Schwangern hat zwei Indi-
cationen zu erfullen, nemlich Erhaltung der Gesundheit
uberhaupt und Verhuten des moglichen Aborts insbe-
sondere.
Alchekengi war ein heruhmtes Mittel in Hydropsien und
wurde besonders in der Form des diaphysalidon verabreicht.
Vergl. Mes. fol. 126. col. %
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32
Was ersteres betriffl, so halte sich die Schwan-
gere in reiner Luft auf, sie beschaftige sich mit Maass
und angenehm. Reines Brot, leichtes Fleisch welches
gut nahrt sei ihre Speise; feiner, gut riechender Wein
der alt und etwas zusammenziehend sein muss ihr Trank.
Letztern verdiinne sie zuweilen mit Eisenwasser. Bei
der zweiten Mahlzeit geniesse sie kleine Rosinen, siisse
Quitten, Appetit reizende Birnen, sauerlich siisse
Aepfel S6) und Granaten. Sie halte Maass und Ziel im
Schlafen und Wachen. Sie gebrauche geschmeidig
machende Mittel, besonders wenn sie sehr straffer Con-
stitution ist: Sommerfriichte, fette Krauter, gedorrte
Pflaumen, Kirschen, Tamarinden, Manna, weiche Ge-
miise, im Winter Feigen. Verkaltungen meide sie, da
sie den Abort bewirken.
Um diesen zu verhuten miissen besonders die Zu-
falle, weiche ihn herbeizufiihren vermogen gemieden
werden. Diese sind vor Allem: Leibweh, lschurie,
Ekel, Kopfweh, Schwarzsehn, Erbrechen, Herzklopfen,
Oedem der Fixsse, Erscheinen der Reinigung. Haupt-
regel ist es aber gegen alle diese Kraidiheiten sanft
und mit gelinden Mitteln zu verfahren, mehr ausserlich,
als innerlich, besonders vorsichtig aber in den drei
ersten und den drei letzten Monaten "). Abfiihrmittel
gebe man nur im 4ten bis zum 7ten Monate.
Beim Fliessen der Reinigung hat sich das philonium
persicum
einen besondern Ruf erworben 38), ebenso
36)  mala muza. Nach Mes. fol. 109. col. 2.
37)  Die alte Vorschrift des Hippocrates, der uberhaupt ein
eifriger Gegner ubertriebner Abfiihrung war.
38)  Das Philonium hat seinen Namen von dem ersten Erfinder
diescr beruhigenden Arznei, Philo von Tharsus, der ihre
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33
salziger, schwarzer Wein mit Alaunwasser, da er das
Erbrechen verhiitet und den Fotus in der Gebarmutter
zuriickhalt. Hier dienen ausserdem laue Sitzbader von
Gallapfeldekokt, Granatrinde, Cypressenniissen, Heidel-
beeren, Balaustia S9).
Friih Morgens nehme sie cinen Trochiscus von Sicgel-
erde mit Myrlhensaft, vor Allein aber trockne Schropf-
kopfe unter die Brust. Ferner Einreibungen von einer
Salbe aus: bolus, mastix, sanguis Draconis, terra si-
yillata, sumach
40), berberis, nuc. cypress, hypocyst.,
acacia
41), colophon, succ. plantayinis und virga pa-
storis
").
Gegen Erbrechen dient syrupus cle Acresta *3) und
Citronensaure.
Bereitung in cincm, freilich in sehr dunkeln Ausdriicken
abgefassten Gedichte lehrt. Man unterschied ausser dieser
altcsten Form noch viele andrc, namentlich:
Philonium Me sues. Bcstand aus Opium, Hyoscyamus,
Nardcn, Castoreum, Gewiirzen.
Philonium romanum. Entliiclt ahnliche Mi Mel, war aber
cinfachcr. Vergl. Nicol. antidotar. fol. 177.
Philonium Galeni, philonium Hamech filii Zacha-
riae, wo das Castoreum fehlt u. s. w.
Das philonium persicum, ein von M e s u e jun. zuerst
gcbrauchtes Mittel enthielt Gewiirze, Pfeffer, Kampher und
hatte kein Opium; es war vorziiglich gegen Blutspeien gc-
riihmt. (Vergl. Mes. 250. col. 2).
39)  Balaustia sind Granatbititlicn.
40)  Rhus syviacus nach Mes. 109. col. 1.
41)  Acacia; hier sind wahrscheinlich unreife Pflaumen gemeint.
Vergl. tractat. quid, pro quo im Suppl. ad Mes. fol. 238.
42)   Virga pastoris ist unsre a/isma plantago. Vergl. Mes.
fol. 174. colum. 4.
43)  Syrupus de acresta bestand aus dem eingekochten Saft
unreifer Trauben. Vergl. Mes. fol. 152. col. 2.
3
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34
Gegen Erschlafiung dient 44) theriaca Andromache
mit wenigem Salbeydekokt, dcnn dieses hebt die Er-
schlaflung, erhiilt den Fotus und macht die Mutter frei
von iiberfliissiger Feuchtigkeit.
Gegen Anschwellen der Fiisse dient Verminderung
der Getranke, Entziehung von Briihen, salzige Um-
schlage, Pflaster von gequetschten Weisskohlblattern.
Vorziiglich wird hier noch ein Galenisches ele-
ctuarium
gelobt aus: doronicum, zedoaria 45), Perlen,
Corallen, been album et rubrum 46), Gallapfel, asa odo-
rifera, gallia muscata
4'), cardamom, minus, cinnamom
pontic, bolus, terra sigillat., syrup, rosae, succ. virgae
pastoris, spodium
4fi).
Auch wird die confectio de Ambra angerathen, jedoch
44)  Vcrgl. Anmcrkung 32.
45)  Perlen sind ein liaufiger Bestandtheil der Arzncicn, cine
damals Lekannte Latwergc fiihrt von denselLen den Namen
diamargariton.
46)  been album nnd rubrum, zwei alto heruhmte Arzneimittcl,
welche nicht mehr mil Gcwissheit auf cine bekanntc Pflanze
zuriickgefuhrt werden konnen. Das erstere kommt wahr-
scheinlich von Centaurea behen (Murray appar. med.
Vol. I. pag. 94); dasletztere vielleicht von statice limonium
(ebendaselbst Vol. I. pag. 176).
47)  Gallia muscata, eine beriihmte wohlriechende Composition,
die auch als Rauchermittel viclfach angewendet war. Be-
stand aus Gallapfcln, Campfer, Gewiirzen und Moscbus und
wurde in Trocbiscen von sebr diinner Beschaffenheit ge-
forint. Nicol. antidotar. fol. 167. col. 4. Oft liess man
auch die Gallapfel weg wie Mesue (158. col. 1—4).
48)  Spodium. 1st hier wohl nicht das spodium der Alten (Dio-
scorid. lib. V), unsere flores Zinci; sondern das spodium
der Araber, welches dieselben aus gebranntem Elfenbein,
Myrthenwurzeln odcr Rohrwurzeln berciteten und das in
Avicenna's Schriften auch antispodium genannt wird.
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sollen Moschus, spica 49) entzogen; Himbeeren, Sumach,
spodium dazu gethan werden.
Oertliche Starkung des Magens erreicht der Ver-
fasser durch sein Pilaster von Gallapfeln. 1st Abfuh-
rungnothig, so erziele man dieselbe durch Geleniabin50)
mit Wasser von getrocknetem polypodium."
Leider finden sich am Ende dieses Capitels noch
einige unniitze und abentheuerliche Vorschriften, beson-
ders um eine Schwangere dahin zu bringen einen Knaben
oder ein MSdchen zu erzeugen.
vim ersten Fall gebe man Reizmittel aller Art, hitzige
49)  Spica. Unter diesem Namcn wurden von den alten Aerzten
verschiedne wohlricchende Krauter bcgriffcn. Costaeus
fuhrt in seinen Anmerkungen zu Mesue (fol. 103. col. 2)
folgende Artcn von spica oder nardus an:
a)   Nardus montana. Vielleicht von Valeriana Sa-
liunca
(Scop.).
b)  Nardus Celtic a (Dioscor.) Von der im siid lichen
Frankreich und in Italien wachsendcn Valeriana cel/ica,
mit welchcr noch jctzt ein bcdeutender Handel nach
Afrika getrieben wird und von Valeriana Saliunca
(Allion). (Vergl.Murr. I.e. I. 187. undEndl. p. 228).
c)   Nardus indica vera. Von der im Himalayagc-
birge wachsendcn nardostachys Jatamansi (D. C),
einer glcichfalls zur Familie der Valerianeen gcho-
rigen Pflanze. Diess war die bcruhmteste und ge-
schatzteste Narde. Vergl. End], p. 228.
d)  Nardus indica spuria. Metre indische Artcn aus
der Gattung andropogon; namentlich A. nardi (L.)
und iwarankusa (Blan.), welche wie Calam. aromat.
ricchen. Vergl. Murr. 1. c. V. 443. nnd Endl. enchir.
hot.
pag. 62.
e)  Nardus sylvestris. Von Valeriana phu.
f)  Auch die lavandula spica nannte man zuweilen so.
50)   Geleniabin, arabischer Name fur mel rosatum oder vio-
latum.
Vergl. Mes. fol. 96. col. 4.
3*
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3(>
Nahrung, Meiden jeder Erkaltung. Man umgebe die
Schwangere mit schonen mannlichen Gestalten, man
lasse sie haufig daran denken. — Als Arznei reiche man
hierMithridat51), heisse Aromata, wie: Moschus, Crocus,
Xylaloe 52), Camphor, gallia muscata.«
Als Mittel gegen den Abort ist Luthum creticum
fiber die Schwangere aufgehangt geriihmt. Ebenso der
Theriak; dagegen wird das diatesseron nach dem Vor-
gange Serapion's des Jiingeren verworfen, weil es
Abort mache.
>: Gegen Blahungen empfiehlt sich eine Composition
des Serapion aus verschiedenen Gewiirzen, Moschus,
Castoreum, Perlen etc. Zur Erhaltung des Fotus dien-
lich ist eine Composition aus: zedoaria, doronicum,
bdellium
5S), Perlen, Corallen, charabac M), usnea 55),
spica, Crocus u. s. w. — Die Aposteme, welche bei
51)  Mithridat, eine aus vielen Mitteln zusammengesetEte Com-
position, deren ErfinJung dem beriihmten Konige dieses
Namens zugeschrieben wurde und die vorzuglich aus Opium
mit Gewiirzen bestand. Vorzuglich beruhmt war die Formel
des Nicolai worin 105 und die des Avicenna worin 58
Arzneien zusammengemengt waren.
52)  Xylaloe = lignum aloes. Wahrscheinlich von Excoecaria
Agallocha
(Linn), einer Euphorbiacee. (E n d 1. 1. c. p. 592).
53)  Bdellium siculum, das Harz von Daucus gummifer, nach
Sprengel's pragmat. Gesch. der Heilk. II, p. 435.
54)  Charabe. Meistens wird bei den altern Schriftstellcrn hier-
unter Bernstein verstanden (Mes. 95. col. 3); Nicolai
nennt so einen Firniss und Costaeus ad Mes. 99. col. 3.
das Harz von ilex romana.
55)   Usnea, auch muscus cranii humani genannt, stammt von
verschiedenen Lichenen her, namentlich von Parmelia sa-
xatilis, P. omphalodes
und Usnea hirta (Endl. ench. p. 12.)
Man glaubte es wachse auf Menschenschadeln, daher sein
Name (Murr. V. 496).
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den Schwangern an den Fiissen vorkommen, werden
vortheilhaft behandelt mit Papier in Essig getaucht56),
Rosenol in Essig geschiittelt. Ebenso Salz in Essig
gerieben 5'), chimolea in Essig gelegt, Weisskohl-
wasser, Aloe, Feufel58), rolhes Sandelholz mit Solatrum-
wasser" 59).
JLelire von dcr normalen Qebiirt.
Suppl. fol. 92. col. 2. cap. 4.
Auch hier folgt Franz von Piemont den von
den griechischen Aerzten gegebenen Lehren und Be-
schreibungen.
Eine ruhmliche Ausnahme von den moisten, ja viel-
leicht alien Aerzten der damaligen Zeit macht er in
seiner Behandlung der verlaufenden Geburt, indem er
hier nicht wie diese zur Beforderung und Linderung
eineMenge abgeschmackter, unniitzer, oder gar schiid-
licher innerer oder sympathischer und cabbalistischer
Arzneimittel vorfiihrte, sondern der Nalur alles iiber-
liess. Wie wenig er iibrigens selbst praktischer Ge-
56)  Die Mittcl welchc hier angefuhrt werden, sind theils von
Paul. Aegineta, theils von den Arabern empfohlen und
waren noch lange nachher als (refflich geriihmt. Vergl.
Gynaec. torn. I. p. 210 in Rochei morb. mul. cap. XXVI.
57)  Chimolea oder cimolea ist, wie aus eincr Stelle in Nic.
ant. fol. 173. col. 4. hervorgeht unser heutiger Meerschaum.
Vergl. auch Gynaec. 1. c.
58)  Feufel ist dasselbe wie avellana indica, ein in der altern
Materia medica geriihmtes aromatisches Mittel. Vergl.
Mes. fol. 109. col. 2.
59)  Aqua solatri oder wie es auch hiess solastri scheint nach
Bocheus in Gynaecior. 1. c. aus anthyllis vulneraria be-
reitet worden zu sein.
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burtshelfer war bewoisl der Umstand, dass vonUnter-
bindung der Nabelschnur 6U) und alien iibrigen Ileb-
ammengeschaften, sowie von Dammschutz 61) nicht die
Rede ist.
wNatiirlich ist die Geburt, wenn ein reifes Kind ge-
boven wird. Sobald die Natur den Zweck der Zeugung
erfiillt hat, strebt sie danach das Geschaffne ans Licht
zu bringen und der Uterus selbst bemiiht sich, das ihm
spater Schadlichwerdende auszutreiben. Das Kind aber
sucht durch Entgegentreten nach Aussen zu gelangen,
da ihm die zu seiner Nahrung nothwendigen Dinge, Luft
und Blut fehlen und es eingeengt den Ort seiner Haft
zu verlassen wiinscht, um draussen das ihm Fehlende
zu suchen. Die so lange geschlossen gewesene Gebiir-
mutter, welche den Nachtheil des Kindes gewisser-
massen ahnt dehnt sich auf wunderbare Weise aus und
zieht sich wieder zusammen um die Austreibung zu
bewcrkst elligen.
Bei der Bestimmung des Begriffs einer natiirlichen
Geburt kommt es auf die Gestalt der Frucht, die Zeit
und die Art und Weise ihres Ausgangs an:
1) Zeitliche Verhatnisse. — Hier miissen zunachst
die Perioden der Bildung, der Bewegung und der Ge-
burtszeit des Kindes ein gewisses iibereinstimmendes
Verhaltniss zeigen. Am haufigsten erfolgt die Geburt
60)  Man vcrgl. z.B. dieAWiandlungon Trotula's, Moschion's
etc., sowie die in der Harmon. Gynaecior. aus alten Ge-
lmrtshelfcrn zusammengestelltcn viclen Regeln Ober diese
Punkte.
61)  Die spater anzufuhrende Stellc hieriiber bezieht sich nur
auf einzclne Falle wo der Damm auffallend rigide und die
vulva sehr klein ist.
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m
in Zcit von neun Monalen, woran jedoch eine Woche
fehlen kann, eine Anomalie die Franz von Piemont
selbst beobachtet hat. Seltncr schon ist die Geburt im
siebenten Monate und noch seltncr erfolgt sie im ackten,
am seltcnsten aber tritt sie im zchnten ein.
Der haufige Tod der Achtmonatskinder liegt daran,
dass dicse, entweder noch nicht ausgebildct sind und
eigcntlich erst im neunten Monate batten kommcn sollen,
oder weil sie eigentlieh Siebenmonatskinder sind und
nur verspatet erscheinen, weil Hindernisse zu uber-
winden waren, deren Bekampfung sie alsdann ge-
schwacht hat. Nur in einigen siidlichen und in nord-
lichen Gegenden, wo die Weiber viragines sind, giebt
es Ausnahmen, wie sie unter Andern Avicenna und
Averrhoes von gewissen Gegenden Spaniens be-
richtct haben.
2)  Verhiiltnisse der Gestalt des Kindes. Die Geburt
ist natiirlich wenn das Kind im Verhaltniss zu den Ge-
schlechtstheilen weder zu gross, noch zu klein ist und
wenn es die gehorige Anzahl von Gliedcrn besitzt.
3)  Art und Weise der Geburt. Nur wenn diese
schnell, leicht, ohne ungewohnliche und heftige Zufiille
erfolgt, nur wenn das Kind mit nach vorne gerichtetem
Kopfe, dessen Durchmesser demjcnigcn des Muttermunds
entsjn'icht und mit an die tliif'ten angelegten Flanden
hervorkommt ist die Geburt eine naturliche. Die Sym-
ptomc derselben sind aber folgende: Wenn die Schwan-
gere ihrer Berechnung nach in den letzten Monat ge-
treten ist fiihlt sie Schwere unter dem Nabel, Schmerz
im Riicken und den Leisten, Hitze im Lcib, grosse
Auftreibung des Muttermunds, Feuchtwerden desselben
und diess zeigt das Bevorstehen der Geburt an. Nun
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wird der Steiss weich, die Leisten treiben sich auf,
ihre Anfullung wird starker, die Wasser gehn ab und
die Geburt erfolgt dann bald.
Ein vorziigliches Zeichcn, dass die Geburt eine leichte
sein werde ist es, wenn der Schmerz vor der Geburt
in den vordern Theilen nach dem Schooss zu hinzieht
und dass er, wenn er in den hintern Theilen sich be-
findet nur schwach ist.
Die Leitung der natiirlichen Geburt iiberlasse man
ganz der Natur, man thue Nichts und trage nur diate-
tischSorge fiir leichte, nahrhafte Kost in kleiner Quan-
titat, in verschiedenartiger Qualitat. Besondere Sorgfalt
erfordert die Wochenreinigung, da bei ihrer Verwahr-
losung sehr leicht Krankheiten entstehn und sie die
Ursache der meisten Wochenbettsubel ist, Bei Knaben-
geburt dauert sie 30, bei der Geburt eines Madchens
40 Tage •*),
Ton der scliweren C-elmrt.
Suppl. fol. 99. col. 4. cap. 16.
Diesen Titel fiihrt der Abschnitt des Werks von
Franz von Piemont, welcher die eigentlichen Ver-
fahren und Kunsthulfen bei abnormen Geburten angiebt
und welcher daher fur die Beurtheilung des geburts-
hiilflichen Werths seiner Leistungen der wichtigste ist.
62) Eine uralte Ansicht, welche ebenfalls in der vom ganzen
Alterthume gehegten Meinnng, als sei das weibliche Ge-
schlecht ein ticfer stehendes, ihrcn Grnnd hat. Sehon Moses
3. Cap. 12. V. 4. sagt: »Gebiert sie ein Knabchen, so soil
sie 7 Tage unrein sein, so lange sie an ihrer Krankheit
leidet und bleibe daheim 33 Tage im Blute ihrer Reini-
gung, gebiert sie ein Madchen, so soil sie 2 Wochen un-
rein sein und bleibe 66 Tage im Blute ihrer Reinigung.*
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41
Im AUgemeinen gewinnt man nach der Lektiire des-
selben das Resultat, dass der Verfasser sehr wenig
Geburten selbst geleitet haben muss und dass er mehr
als Compilator wie als Beobachter der Natur spricht.
Er kennt zwar die Verfahren und Kunsthulfen, welche
verschiedene grosse Aerzte bei schweren Geburten an-
gewendet und empfohlen haben dem Namen nach, iiber-
geht sie aber so schnell und mit so sichtbarem Wider-
willen, dass es klar wird wie wenig er den wahren
Werth manueller Hiilfen zu schatzen wusste und wie
wenig er in diesem Punkte seine sonst so gern citirten
und copirten Autoritiiten verstanden hat.
Das eigentlich wichtige Handeln am Geburtsbette,
selbst das Exploriren iiberlasst er ganzlich der Heb-
amme und setzt die eigentliche Wirksamkeit des Arztes
bei dieser Gelegenheit ganzlich in die Darreichung von
Arzncien und in die Anordnung einer passenden Lagerung.
Alle iibrigen Mittel beschriinkt er nur auf den ausser-
sten Nothfall und selbst die zu seiner Zeit so beliebte
Anwendung zerstorender und blutiger Extractionswerk-
zeuge bei zogernder Geburt scheint er wenig zu bil-
ligen, womit ihm freilich kein Vorwurf gemacht wer-
den darf.
Ueberhaupt zeigt dieses Capitel, dass der Verfasser
kein grosser Freund von Gewaltsmaassregeln gewesen
ist, und iiberall wo es nur irgend anging der Natur-
hiilfe gern vertraut hat. Ob diess aber aus Unkunde
der damaligen Geburtshiilfe, oder aus einem richtigen
Anschauen der Natur entsprungen sei, lasst sich nicht
leicht mit Sicherheit entscheiden, doch diirfen wir wohl
das Letztere annehmen, da er an andern Orten viel von
den Schadlichkeiten und Verletzungen spricht, welche
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den Gebahrenden durch rohe Manipulationen erwachsen
konnen und da seine Behandlung der Schwangerschaft
sich nach ahnlichen Grundsatzen richtet.
In jedem Falle werden die Objecte seiner Kunst es
ihm gedankt haben und der gute Einfluss welchen er
dadurch auf sein gauzes Zeitalter gehabt haben muss
verdient alsdann alle Anerkennung.
Gewiss steht er aber hoher, als viele seiner Vor-
ganger und Zeitgenosscn und man braucht, um zu dieser
Ansicht zu gelangen, nur einen Blick in Gaddesdon's
Machwerk zu werfen. Denn wo Franz vonPiemont
ein passives Verfahren empfiehlt und zu gelinden Mit-
teln rath, da greift jener gewiss zu den heftigsten
Maassregeln; und hat uhser Autor vielleicht ebenso
wenig beobachtet, als er, so hat er doch den Vorzug,
dass seine Unwissenheit genutzt hat, wahrend die Jenes
schadete.
Im Allgemeinen stimmen seine Vorschriften mit den-
jenigen uberein, welche im Eros enthalten sind; nur
sind sie weitliiufiger und mit mehr Citaten gespickt.
Folgendes enthiilt die Hauptgrundsatze:
vSchwer ist eine Geburt, wenn sie langsam und von
schweren Zufallen begleitet, erfolgt. Diess geschieht
aus jiussern und innern Ursachen, von welchen letztern
wiederum ein Theil sich auf die Mutter, ein Theil auf
den Fotus bezieht. Was die Mutter betrifft, so sind
die von ihr ausgehenden Geburtshemmnisse vielfach
und beruhen theils auf Fehlern der Matrix, theils auf
Anomalitat der ihr benachbarten Theile, theils auf all-
gemeiner Krankheit, wie Fieber u. s. w.
1) Anomalien der Matrix: a) Kleinheit derselben;
b) Empfangniss vor dem zwolften Jahre wie sie Avi-
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cenna beobachtet hat; c) organische, oder zufallige
Verengerung des Muttermunds oder der Scheide, be-
dingt durch Trockenheit, Apostem, Geschwiire, Schrun-
den, Hamorrhoiden, ebt nso Verengcrungen des Scheiden-
munds, die sich, ohne grosse Schmerzen zu erregen,
nicht crweitern lassen.
2)   Anomalien der Nachbartheile: a) Vereiterung,
Riss, Verschwarung der Blase, wo der Uterus wegen
des innigen Consensus in dem er mit diesem Organe
stent, seine Pflicht nicht erfiillen kann; — b) Leiden
der Eingeweide, z. B. Schrunden, Geschwiire, Hamor-
rhoiden im After, welche den Uterus consensuell mit-
leiden machen, ebenso Ansammlung von hartem trocknem
Kothe; c) Diinnheit der Bauchdecken, die alsdann wenig
vermogen die Anstrengungen des Uterus zu unterstiitzen;
dagegen ist eine solche Beschaffenheit derselben bei
Ausleerung des Urins und Kothes sehr niitzlich.
3)   Anomalien des ganzen Korpers: a) Korper-
schwache; b) zu grosse Jugend und zu grosses Alter;
c) zu grosse Schmachtigkeit, Trockenheit, Hiirte und
StrafFheit; d) grosse Fettigkeit; e) Ungewohnheit im
Ertragen der Schmerzen, daher grosse Ungeduld, Angst,
unruhiges Hin - und Herwerfen besonders bei der ersten
Geburt, wodurch das Kind leicht in eine fur seinen
Austritt ungiinstige Lage geworfen wird.
Was den Fotus anbelangt, so kann er selbst und
die Nachgeburt schadlich werden. In ersterer Hinsicht
lassen sich folgende Verhaltnisse unterscheiden:
1) ein weibliches Kind zieht eine schwerere Geburt
nach sich, als ein mannliches 63); 2) zu grosse, zu
63) Vcrgl. Anmerk. 19.
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kleine und kranke, zu schlfipfrige Fruchte werden
schwer geboren; 3) ebenso Zwillinge oder mehrgliedrige
Monstra, besonders zweikopfige; 4) die Art des Aus-
tritts ist von grosster Wichtigkeit, Fussgeburten sind
noch weniger schlimm, Armlagen 64), Seitenlagen am
schlimmsten; 6) Ebenso wichtig ist die Zeitdauer der
Geburt; zu rasche, zu friihe, zu langsame, zu spate
Geburt, besonders aber Abort in den drei mittleren
Monaten sind zu furchten; 7) todte Kinder werden
schwer geboren, weil alsdann die bewegende Kraft der
Mutter allein iiberlassen bleibt.
Die Nachgeburt kann dadurch die schlimmsten Uebel
veranlassen, dass sie zu hart, zu dick ist, den Fotus
nicht umfiingt, oder eine zu zarte Beschaffenheit hat,
so dass sie allzu leicht reisst, wo alsdann die Wasser
abgehn und das Kind der schlupfrig machenden Fluida
entbehrt.
Von aussern Ursachen sind besonders anzufuhren:
kalte, trockne Luft, welche die Geburtstheile zusam-
menzieht und sich hiiufig im Norden, sowie bei Nord-
wind und nordlicher Constellation vorlindet. Ebenso
die wiederholte Anwendung kalter Alaunbader, zusam-
menziehender Getriinke, salziger Speisen. Ferner psy-
chischc Einfliisse, Trauer, Schmerz, schwiichende
Krankheit, Hunger, Durst, Erschopfung, Nachtwachen.
Unrichtige Behandlung von Seiten der Hebamme, welche
die Geburt durch allerlei Mittel befordern will, gehort
auch dahin. — Sind die Zufalle einer schweren Ge-
burt stark, so sterben Mutter und Kind, was sich
64) So ist wohl die Stelle: nee mantis ejus sunt plicatae super
coxas
etc. in Suppl. fol, 100, col. 1. zu deuten.
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besonders haufig bei schwachlichen Frauen ereignet.
Haufiger stirbt bloss das Kind, am seltensten bloss die
Mutter. Die Hauptnachtheile einer schweren Gel>urt
sind Blutfluss aus dem Uterus, haemoptysis mit darauf
folgender Schwindsucht, Zerreissung der Nerven und
Weichtheile mit Krampf; Bauchriss 65) (fissio ventris
rnirach)
und in dessen Gefolge ein Bruch kommt hau-
figer bei kleinen und zarten Frauen vor. Hysterischer
Brustkrampf und endlich eine Menge von Uebeln des
Wochenbetts, die meistens bei mangelndem oder feh-
lerhaftem Lochialfluss statt hat, treten nicht selten ein.
Die Symptome der schweren Geburt sind zwiefach
und ergeben sich theils aus der Abwesenheit der vorher
benannten Zeichen der leichten, theils aus eignen Zeichen
fur die schwere Geburt. Vorziiglich ist eine solche
zu erwarten, wenn die oben erwiihnten aussern Ur-
sachen gewirkt haben, wenn die Wehen sehr schmerz-
haft sind und nicht nach Unten zu ziehen, oder wenn
sie es thun mehr hinten sich befinden, wenn schon
friihere Geburten sehr schwer erfolgten. Von guter
Vorbedeutung fur den Ausgang einer schweren Geburt
ist es, wenn sich der Fotus unruhig bewegt, der Schmerz
nach Unten zu geht, die Krafte und die Respiration
gut sind. Dagegen sind kalter Schweiss, haufiger
schwacher Puis, Syncope sehr uble Prognostika, meist
Verkunder des Todes. Endlich wird die Geburt als
eine schwere, durch die Zeichen vom Tode des Kindes
angezeigt. Diese bestehen im Mangel seiner eigen-
65) Mirach heisst arabisch die Oberbaucbgegend, dahcr morbus
almirach
der beiAvicenna u. A. vorkommende Name fur
Hypochondrie.
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thumlichen Bewegung, es rollt wie ein Stein von einer
Seite auf die andere, wenn die Schwangere die Lage
wechselt. Dabei wird die vorher noch warme Absonde-
rung der Vagina (semen) kalt. Die Briiste werden klein,
zuweilen kommen missfarbne iibelriechende Fliissig-
keiten aus der Gebiirmutter, dieAugen der Kreissenden
sinken ein, das Weisse derselben wird missfarbig, die
Extremitaten derselben werden kalt und wassersuchtig.
Die Behandlung einer Schwergebiirenden ist nach
dem Piemonteser eine dreifache, nemlich prophylaktisch,
vor und wiihrend der Geburt.
Ersteres geschieht durch Mittel, welche die Schwan-
gerschaft bei Weibern die durch ihre zarte und schwache
Korperbeschaffenheit Besorgnisse erregen unmoglich
machen, odcr die Geburt unterdriicken; denn es ist
besser bloss das Kind, als beide, Mutter und Kind zu
verlieren. Hicrher gehoren denn alle Mittel, welche
Sterilitiit hervorrufen, welche der Verfasser in seinem
Capitel de sterilitate weitlaufig abgehandelt hat. Einige
derselben wirken nur vor dem Coitus angewendet, wie
Camphor, Einpflastern der Hoden mit hyoscyamus niger,
untergelegtes alchitram und Bestreichen der Buthe mit
demselben. Baucherungen mit Epheurinde, oleum bal-
sami
mit Bleiweiss, mentha und Eisenfeile. Andere
dagegen nach dem Coitus, wie untergelegter Pfeffer,
Baucherung 66) von Elephantenkoth, innerlich aqua
albedaragi.
besonders bei Schwachen.
Noch andre endlich wirken bloss in der Zeit kurz
vor und nach der Periode, wie: Granatbluthe, Mark und
66) Elcphantenmist wurde schon von den Gricchen zu diesem
Behuf empfohlen.
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Saamen, suppositio folioriim alhurab, Alaun, pulpa
Colocynthidis, albuguestea
etc.
Kurz vor der Geburt suche man zunachst alle
Ursachen zu entfernen, welche sie erschweren odor
unmoglich machen konnten, oder man nehme ihnen wo
diess nicht geht wenigstens ihre Schadlichkeit.
Vor alien Dingen sind daher alle Krankhciten der
Gebarmutter, Blase, Eingeweide und des Afters, Ner-
venschwache und allgemeine Krankheit gehorig zu be-
handeln. Ein Verfahren jedoch, welches fur alle Artcn
der schweren Geburt passt ist folgcndes:
Man muss eroffnende, erweichende, die Glieder gc-
schmeidig machende Mittel, welche ihre Ausdehnung und
Quetschung minder gefahrlich machen anwenden, und
zwar besonders bei kleinen alten Erstgebarenden. Hier-
her gehoren die heissen, feuchten, besanftigenden Mittel
innerlich gcnommen, eingesprutzt und iiusserlich auf
jede nur mogliche Weise applizirt. Fette Fleischbruhen,
lindernde Oele, Quittenschleim, Dattelschleim, Leiii-
saamen, reife, saftige nicht sehr kalte Trauben, kurz
jede mogliche Anfeuchtung bei gleichzeitiger Meidung
von Aufbliihung.
Verboten seien dagegen zusammenziehende und sal-
zige Dinge und zwar diess schon einen Monat vor
Eintritt der Geburt. Nahert sich aber diese, liihlt die
Kranke Schwere und Schmerzen, so nehme man Dampf-
bader, Sitzbader, ferner Waschung mit Schwammen,
innerlich Dekokte von Althaea, Malvenblattern, foenum
graecum, chamaemelum
67), cor on. regis, capillum
Veneris
68). Ebenso nutzlich sind allgemeine Bader,
67)  Chamomilla.
68)  Von adianthum capillum Veneris.
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denen sich freilich oft aussere Hindernisse entgegen-
stellen. Ferner Einreibungen von fetten Oelen, Schleim,
Mark, an Riicken, Bauch, Weichen, Nieren, Hiiften.
Injeklionen in zuriickgebeugter Lage des Korpers eg)
mit tiefer Lage desHauptes, besonders wenn Trocken-
heit der Gebarmutter als Ursache gewirkt hat oder
haufiger Coitus die Veranlassung war. Hier sind denn
auch Riiucherungen von Moschus, Gallia und andern
Aromen vorziiglich, indem sie die Matrix herablocken ,0).
Dabei sorge man fur gehorige Entleerung der Einge-
weide und gebe dann wenig, aber vielerlei Nahrung,
wohlriechenden Wein. Man lasse die Kranke sich mehr
als gewohnlich bewegen, denn hierdurch wird der Fotus
seiner Nahrung und der Luft beraubt und wird um so
kraftiger an seinem baldigen Austritt arbeiten.
Die Hiilfen wahrend der Geburt selbst sind zweierlei.
Die erste Indication ist Wegnahme der, den Fotus am
leichten Austritt hindernden Ursachen, die zweite ist
auf Linderung der Hauptsymptome gerichtet.
Das Weib soil nach dem Eintreten der ersten Wehen
eine Stunde lang sitzen, dann aufstehn, hiipfend um-
hergehn, Treppen steigen, indem sie sich dabei schau-
kelnd von einer Seite auf die andre wiegt. Man lasse
sie den Athem anhaltcn, ihre Seiten zusammendriicken
und lens amara trinken, wodurch der Fotus nach Unten
zu getrieben wird ").
69)  Dasselbe erapfiehlt Hippocrates nm abnorme Kindslagen
zu verbessern.
70)  Vergl. den Abschnitt: Ueber die Lageveriinderungen des
Uterus.
71)  Ein Verfahren das schon bei Hippocrates vorkommt.
Besser hattehier F. v. Piemont denRegeln gefolgt, wclche
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Sobald sic merkt, dass sich der Muttermund offnet
und die Feuchtigkeiten slarker fliessen, sitze sie auf
einem ausgeschnittcneu Sessel mit untergelegten Kissen.
Die Hebamme stehe bei ihr und beobachte aufmerksam
den Zustand der Kranken sowie die Bewegungen des
Kindes. Letztere leite sie zweckmassig, wie es ihr
lange Erfahrung gelehrt hat durch ihren mit Mandel-,
Lilien-, Scsamol bestrichenen Finger, den sie in die
Scheide bringt. Dabei verordne sie eine zweckmassige
Diat und spreche der Kranken Trost ein, indem sie
ihr einen Knaben ,2), eine gliickliche Geburt u. s. w.
verheisst.
Fette Weiber lasse man nicht so gebaren, sondern
sie eine Stellung einnehmen wie ein 4fussiges Thier.
Ihre Knie legen sie gebogen unter den Leib, ihren Kopf
stiitzen sie, damit die Fettigkeit, welche sonst den Mutler-
mund verschliessen wiirde, aufsteigt ™).
Geht die Geburt hierbei aber immer noch nicht vor-
wiirts und mehren sich die drohenden Zufalle, so nehme
man wieder seine Zuflucht zu der oben angegebenen
erweichenden, eroffnenden und beruhigenden Behand-
lung. Dabei lasse man sie mit zugehaltnem Mund und
Moschion iiher dicson Ponkt gegeben hat. Vcrgl. Gy-
naecior.
torn. I, p. 23. in Harm. Gynaecior.
72)  Diess war in den iiltesten Zciten fast dieeinzige geburts-
hiilfliche Arznei, so wurde die schwere Gehurt Rahel's
durch ahnlichc Trostgriinde erleichtert. Vcrgl. Mos. I. 35.
V. 17 und 18.
73)  Diese Geburtslage ist eine selir alte. Leto hat sie unter
Andern bei der Geburt des Apollo angenommen. Sie
stemmtc sich dabei mit den Knien gegen die Erde und nm-
klammerte einen Palmbaum. Siebold Gesch. der Gcburts-
hiilfe p. 30.
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Nase heftig niessen, und wcnn diess keine Hiilfe leistct,
so eroflhe man den Muttennund durch untergelegte
Arzneien, Riiucherungen und Instrumente 74). Zeigt
sich die Blase und zogert die Geburt immer noch, so
driicke sich die Kranke zusammen, damit bei ihrem
Sprunge das Kind zugleich mit den Wassern abgehe
und zvvar ist diess Maneuvre alsdann besonders hiilf-
reich, wenn vorher keine fctten Oele eingerieben worden
sind. Springt aber auch so die Blase nicht, so ist ihre
Dicke daran schuld und hier is es erforderlich, dass
die Hebamme sie mit den Niigeln, oder der Scheere
zerreisse. Jlierbei ist jedoch grosse Vorsicht, wegen
der leicht moglichen Verletzung des Fotus nothig, denn
wenn eine solche staffhat so wird er geschwiicht, kann
die Geburt nicht unterstiitzen, diese zogert, die Schcide
wird unterdess trocken und verliert ihre Schliipfrigkeit,
ein Mangel, der durch alle kiinstlichen Mittel, lnjek-
tionen, Einreibungen u. s. w. nicht zu erselzen ist.
Desshalb ziehe sie die Haute erst an sich und ent-
ferne sie so vom Kindskorperj erst dann trenne sie
dieselben.
War die Ursache der Zogerung im Embryo gelegen,
so helfe die Amme durch Erweiterung der Geschlechts-
theile mit ihrem in warmes Oel getauchten Finger, be-
sonders wird diess nothig sein, wenn der Kopf zu
gross ist.
Die Hiilfen bei ungunstiger Lagerung des Kindes
sind nach den verschiednen Arten derselben verschieden.
74) Von "welcher Art diese damals und spiiter waren, sieht
man aus den Abbildungen zu Albucasis und Ambr. Parueus
in Gynaecior. torn. II. p. 479, 480, 496 und 97.
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Bei vorliegenden Handcn werden diese sanft mit dem
eingeolten Finger reponirt. Bei der unvollkommnen
Fussgeburt muss Riickenlagc mit gesenktem Haupte
verordnet werden, worauf alsdann der Fotusfuss re-
ponirt wird und die Kreissende sich heftig hin und
herbewegen muss, bis der Kopf vorzuliegen kommt.
Erst jetzt lasse man sie sitzen.
Hilft diess Mittel nicht, so gehe man in den Uterus
ein, suche den andern Fuss auf und ziehe plotzlich
an, indem man zugleich der Kranken Starkungen reiclit.
Lassen alle diese Mittel imStich, so betrachte man
das Kind fiti todt und verfahre demgemass."
Die Mittel, welche hierzu von Franz von Pie-
mo nt vorgeschlagen werden, sind Operationen und
Arzneien. Zu letztern hegt er das grosste Vertrauen.
Wir horen ihn weiter:
vGeht ein todtes Kind nicht heraus so wird die
Schwangere aufgehiingt und dasselbe mit Haken aus-
gezogen, hier ist jedoch Eile nothig, denn sonst schwillt
der Fotus an, die Schwangere wird schwach und ohn-
machtig. Geht es hier nicht ganz heraus so zerschneide
man es in Stiicke und entferne cs brockenweise, ist
auch dieses nicht moglich so muss es zerquetscht und
dann extrahirt werden."
Andre geburtshiilfliche Operationen kcnnt er hier
nicht, wenigstens verwirft ersie, ohne sich weiter iiber
ihr Wesen auszulassen.
Den Kaiserschnitt bei lebendiger Mutter kcnnt er
gar nicht, bei todter hegt er grossen Zweifel iiber
gliicklichcn Erfolg und fiihrt ein sehr unpassendes Bei-
spiel bei Galen an, der eincn Ziegenfotus aus der
vorgcfallnen Gebiirmutter genommen habe.
4*
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Desto eifriger ist er iin Anfiihren unblutiger und
innerlicher Mittel zur Entfernung des Kindes und zur
Beforderung der Geburt, die grosstentheils pellentia,
oft aber auch ganz widersinnige oder aberglaubische
Arzneien und Beschworungen sind.
Hierher gehoren: 1) Mittel zur Entfernung des todten
Fotus, nemlich: Semen thymi, ammoniacum, balsamum,
oppoponax, castoreum, radix gentianae,
untergeleg-
tes darseschon ,s), gummi olivae, aristolochia mit
Myrrhen und Pfeffer, nasturtium, das Innere von deer,
chamaedrys, thus, laddanum
,6) im Pessarium ange-
wendet. Raucherungen von mescatramesir, innerlich
Narcissen mit Honigwasser, oleum irinium "); artha-
nita rubea
,8), piper, centaurea, costus '•), cyssus 80),
abrotanum unter das Gevvand gelegt. Waschen mit
althea, Einreibungen damit fiber den Leib, Eselsmilch,
hermodactylus 81).
75)  Darseschon oder Darsisahan ist iler arabischc Name fiir
Asphalatum, ein der Xylaloe Shnliches 'nohlriechendes
Holz. Vcrgl. Mes. fol. 104. col. 4.
76)  Laddanum, das Harz mehrer Cistusspccies. Die Einsamm-
lung geschah dadurch, dass man Ziegen an Stellen, wo die
Pflanzen wuchsen weiden liess und das sich an ihren Bart
ansetzende Harz ablas. Vergl. St. Am and. f. 197. col. 4.
77)   Oleum irinium wurde aus den Wurzeln verschiedener, mit
Oel behandelter Irisarten dargestellt. Mes. fol. 193. col. 4.
78)  Arthanita rubea ist unser lieutiges cyclamen europaeum,
auch noch jetzt Eberbrod (panis porcinus, panis alcurith)
genannt. Vergl. die Abbildung zu Mes. fol. 76. col. 2.
79)  Unter dem Namcn costus begriff das Alterthum mehre gc-
wurzhafte Wurzeln, namcntlich die rad. Zedoariae (costus
amarus)
und angelicae (costus dulcisj. Mes. fol. 112.
col. 3 und 4.
80)   Cyssus = hedera.
81)  Hermodactylus war ein in den alten Offizinen sehr geruhmtes
Mittel; die Pflanze von der es kam ist mit Gewissheit noch
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" ~ '*        ......                                  - -........
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2) Mittel welche die Geburt erleichtern. Hiervon
sind einige innere, wie z. B. die meisten Wurmmittel
gut dazu 82). Ferner cortex cassiae, Asa und cassia
in Wein, decoct, von althaea romana, aqua foen.
graec, phaseola, capillum veneris
gestosscn mit sy-
rupus rosatus
zubereitet, Saffran.
Andere sind mehr sympathischer Art, wie: luthum
creticum
und Eisenrost ixber die Schwangere aufgehangt,
Halten eines Magnets 83) in der linken Hand. Einolung
und Raucherung mit der Asche vonEsels- und Pferde-
hufen, dem Auge eines gesalzneu Fisches 84), Auf-
hiingen von matricaria romana und lapis aquilae an
die Hiiften.
nicht ermittelt, da wahrscheinlich vcrschiedene Autoren
vcrschicdenc Wurzelu bcsehriebcn. Sprengel hiilt sie,
wonigstcns bei Avicenna (pragm.Gesch. d. Med. II. p.435)
fiir Iris tuberosa. Die Meisten aber verstanden gewiss
nnter diesem Namen eine Species von Colchicum, wie be-
sonders klar aus der Abbild. in M e s. simplic. fol. 55. col. 3.
hervorgeht. Murray V. 215. halt sic fur Colchicum illy-
ricum,
Endl. (ench. p. 80) fiir Colchicum variegatum.
'
Schon damals war sie besonders in Gicht und Rbeuinatis-
mus geriihint.
82)  Noch heut zu Tage gleicht die Cur des Bandwurms in
vieler Hinsicht der damaligen Behandlung der schweren
Geburt. Durch den Mund werden scharfe, stinkende Dingc
genommen, um den Wurm nach Unten zu treibcn, durch
den After milde Flussigkeiten, wie Milch, Zuckerwasser
injizirt, um ihn noch mehr anzulocken.
83)  Magneto wurden noch in spaterer Zeit zur Erleichterung
der Geburt angewendet. Vergl. Gynaec.V.'l\7. in Rochei
morb. muliebi:
84)  Eselshufasche, gesalzene Fischaugen waren cbenfalls sehr
beliebte Mittel zu diesem Zweck. Vergl. Eros Gynaec. I.
pag. 102.
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Endlich Zauber- und Beschworungsformeln 85), die
die Geburt erleichtern, z. B.: ein Psalm auf ein Trink-
geschirr von Glas geschrieben (das miserere mei deus),
dann Abwaschen der Schrift und Trinken des dazu
gebrauchten Wassers. Ferncr Aufhangen gevvisser hei-
liger Worte, namentlich des dreimal geschriebenen
Vaterunsers an einem von einer Jungfrau gesponncnen
Wollenfaden um den Hals der Kreissendcn.
Zuletzt fuhrt er noch etliche besonders geruhmte
Formeln an, nemlich Sitzbader von Poley, Althea, Lein
und Frauenhaar; ein Suppositorium von WoIIe, Saft von
Mentha und pulpa colocynthidis. Aristolochia, Burcho-
rinarien und staphysayria.
Oder Baucherungen von Castoreum, Ochsengalle,
Myrrhen, von Schlangenhaut und Habichtskoth 86);
ferner Pillen von Sabina und Ammonium und Pilaster
von den genannten Dingcn.
Beliandlung der Nacligeburt.
Suppl. fol. 101. col. 2. cap. 18.
Der Verfasser spricht hier bloss von dem Verfahren,
welches bei lange ausbleibenden secundinis einzuleiten
85)  Beschworungsformeln wurden noch von La Motte gc-
hraucht und hattcn bei ilim wohl kcine andere Bedeutung
und keincn andern Zweck, als die Kranke durch Abzichen
der Aufmcrksamkeit von sich, zu einer ruhigen Btickcn-
lage zu vermogen. Uebrigens war die Bchandlung vielcr
Uebel durch solche kabbalisfische Worte etwas ganz Gc-
wohnliches, so dass man selbst vide Sermones in fran-
gentes lapides
hatte, gewiss eino hcqueme Lithotripsie.
86)  Schlangenhaut wird ebenfalls von Bo cheus I.e. empfohlen.
Habichtskoth kommt in gleicher Eigenschaft schon bei
Hippocrates vor. Vergl. auch Eros in Gynaec. toiu. I.
pag. 102.
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sei und iibergeht die Behandlung der normalen Nach-
geburtstheile, namentlich der Nabelschnur ganzlich, ein
Bcweis, wie strong er an dem Unterschicde zwischen
den Verrichtungcn des Arztes und der Hebamme halt.
Letzteres geht ausserdem auch daraus hervor, dass er
fur den Arzt hierbei abermals nur die innern Arznei-
inittel in Anspruch nimmt und das, seinem eignen Aus-
spruche nach wichtigste Ilulfsmittel, nembch die Los-
losung und Extraction der Plazenta, ganzlich der Heb-
amme uberlasst.
Im Allgemeinen finden sich in diesem Capitel ganz
vernunflige Ansichten ausgesprochen und besonders tritt
dieser Umstand hervor, wenn man die Arzneien welche
zur Hervortreibung der secundinae angegeben werden
mit denjenigen vergleicht, welche zur Extraction des
lebenden oder todten Fotus empfohlen worden sind.
Er zeichnet sich hierdurch vor vielen spatern Autoren,
namentlich vor Rocheus und selbst seinem Tadler
H. Mercurialis vortheilhaft aus.
»Die Nachgeburt erscheint gewohnlich nach der Ge-
burt, zuvveilen jedoch kommt sie zugleich mit dem
Fotus und zwar entweder entfaltet, oder auf einen
Klumpen gerollt, nicht selten folgt sie erst sehr lange
nach Ausstossung des Kindes.
Die Ursache hiervon liegt entweder in der Kreissen-
den, welche nach erfolgtem Austritt des Kindes schwach
bleibt, oder im Muttermunde, welcher sich, durch die
Scharfe der ausfliessenden Feuchtigkeiten dazu veran-
lasst, schliesst, oder in der Nachgeburt selbst. Diese
kann nemlich im Grunde des Uterus verwachsen sein
und ist daselbst wie eine Kugel zusammcngeballt, oder
sie bleibt wegen der durch Abgang der Wasser ent-
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standenen Trockenheit in demselben zuriick. Die Sym-
ptome hiervon sind leicht in die Augen fallend, und
zwar vorziiglich: Schmerz im Mutergru'nde und Nicht-
erscheinen der secundinae.
Die Hebung dieses Missstandes umfasst zwei Indi-
cationen, uemlich Beforderung der Ausstossung und
Beseitigung der vorher durch das lange Liegenbleiben
entstandenen iibeln Zufalle. Das erstere wird durch
dieselbe Methode erzielt, welche oben bei Gelegenheit
der schvveren Geburt angefuhrt worden ist. Stiirkende
Speisen und Getranke, Fleischbriihen, Eigelb, wohl-
riechender Wein, ferner abtreibende Arzneien, von
welchen einige dazu dienen den Muttermund zu eroffnen,
andere die Nachgeburt zu losen, noch andere sie zur
Scheide herauszufiihren.
Zu erstern Mitteln gehoren: oleum lilii, majoranae,
ol. de Narcisco, irmum,
ferner Juniperus, galbanmm
in warmem Weine, sinapis, arjarirus, (jagates 87), semen
nrticae
mit Wein, oleum abrotani und alle kalten
Diuretica.
Zu dieser Classe gehort ferner die instrumentelle
Hiilfe, durch Werkzeuge welche den Uterus dilatiren.
Mittel, welche die Verwachsung der placenta losen,
sind: Riiucherungen mit Schwefel, Arsenik, gummi
hederae, nasturtium
und conchae.
Mittel, welche dieselbe herabsteigen machen, sind:
lens amara mit Wein, Unterlagen von Bisamiipfeln,
dagegen an die Nase stinkende Mittel gefiihrt werdenj
87) Gugates ist nach Mes. fol. 200. coi. 1. eine Art von As-
phalt, die in Inilien gei'unden wird. Costa ens scheint
darunter den Torf zu verstehn, indent er sagt gagates werde
allgemein in Holland gebrannt. Ibid. col. 2.
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Anhalten des Athems, Niessen, Druck auf den Leib.
Ganz vorziiglich aber gehort hierher das unguentum
basilicon
und der Habichtskoth." Es ist erfreulicb, dass
Franz von Piemont die Mangelhaftigkeit der inner-
liclien Mittel bei der Austreibung der Nachgeburt hier
anerkennt, indem er angiebt das Sicherste sei hierzu
immer noch die wohleingesalbte Hand einer erfahrnen
Hebamme. Zeigt sich dann die secundum, so muss
man leicht und ohne grosse Anstrengung zichen, damit
sie nicht reisst und abreisst. Das zu Tage Gefbrderte
wird dann an die Hiifte des Weibes gebunden, Niesse-
mittel und Abortivarzneien werden fortwahrend in An-
wendung gezogen, bis sie ganz hervorgekommen ist.
Ganz verniinftigerweise unterlasst Franz von Pie-
mont hier das, was er friiher thorichterweise bei der
Extraction des Kindes so reichlich zum Besten gegeben
hat, nemlich die Anfuhrung von Zauberspriichen zur
Beforderung der Ausstossung der secundinae. Er unter-
liisst jedoch nicht wenigstens zu bemerken, dass es
dergleichen giibe und zugleich Avicenna seinen Ge-
wahrsmann anzufiihren.
Die Nachlheile der zuriickbleibenden Nachgeburt
iibertreibt er freilich sehr, allein wie kann man ihm
damit einen Vorwurf machen, da selbst noch heut zu
Tage lebende Geburtshelfer die schrecklichsten und un-
angenehmsten Folgen in einer Sache gevvahren, welche
bei Weitem in der Mehrzahl der FiUle gar keine Er-
scheinungen nach sich zieht. Dennoch aber ist er wieder-
insofern verniinftig, als er davor warnt, dass man die
starken innern Mittel und die Versuche ortlich die Aus-
stossung zu erzielen nicht zu oft gebe und zu hiiufig wie-
derholt mache, sondern lieber da, wo schon mehremale
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vergeblich daran gearbeitet worden sei, warte bis die
Natur durch Zersetzung der secundinae die Ausfuhrung
derselben bewerkstelligt habe.
Die Behandlung der die Retentio secundinae beglei-
tenden Zufalle ist besonders eine krampfstillende und
schmerzlindernde und wird, ausser den dazu erforder-
lichen innern Mitleln, besonders durch Ableitungen,
scharfe Bahungcn, Friktionen der Extremitaten u. s. w.
bewerkstelligt.
nehaii (Hung des aniiormcii Woclien-
bctts.
Suppl. fol. 101. col. 1. cap. 17.
Dieses Capitel bietet gar nichts Eigenthumliches dar
und der Verfasser scheint auch bier gar Wenig aus
eigner Beobachtung entnommen zu haben, scheut sich
auch nicht vor bedeutenden Plagiaten, ohne dass er
seine Quelle anzufiihren fur noting halt. Seine The-
rapie der Wochenbettsperiode strebt vorziiglich danach,
die als Ursache meist wirkende Wochenreinigung zu
reguliren und die Arzneien zu diesem Behufe sind solche,
welche er in dem weitlaufigen Capitel von den Ano-
malien der Menstruation angefuhrt hat.
Uebrigens wirft er die verschiedensten Uebel, wie:
Entzundung des Uterus, peritonitispuerperalis, Schwiiche
ausBlutverlust, nervose Leiden mannigfacher Art, Damm-
riss, Bisse der Scheide und Gebarmutter durcheinander
und sucht sie alle unter die gcmeinsame Kappe der The-
rapie zu bringen, so gut oder so iibel wie es geht.
»Die Hauptzufalle und Krankheiten des Wochenbetts
sind: Fieber, Auftreibung des Leibes, Schmerz in dem-
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selben und in derGebarmutter, sowieBewegung (Krampf)
der letztern. Ausserdem gehort noch hiorhcr: Schwache,
Rraftlosigkeit, deren Ursache zu grosser Blutfluss ist,
Verschwarung, Eiterung, Riss der Gebarmutter, Schmerz
im After, Vorfall desselben und Dammriss.
In den allermeisten Fallen werden Storungen des
Wochenbetts durch Anomalien des Lochialflusses ver-
anlasst und Regulirung desselben ist die Hauptaufgabe
des Arztes. Es geschieht diess durch a lie Mittel, welche
die menses treiben, besonders Diuretica heisser Natur.
Hierher gehort: Niessen, Anhalten des Athems, Schropf-
kopfe, Riiucherungen von gcsalznem Fischauge und
Eselshufasche. Hilft diess nicht und wird es nicht durch
die Schwache contraindizirt, so ist Oeflhen der saphena
das beste Mittel.
Bei zu stark fliessender Wochenreinigung sind Mittel
anzuwenden, welche der Metrorhagie entgegenwirken.
Einwicklung der Fiisse mit 88) Binden, Schropfkopfe
auf die Brust, Umschlage von Essig auf den Leib, Ein-
lagen von zusammenziehenden Mitteln, wie: Granat-
bliithen, charabe, ros tkurae, Gallapfel, herber Wein,
Aufhiingen von Kuhmist in Wolle an die Ilufte, Citronen-
schaalen.
Das Fieber, welches durch die stockende Wochen-
reinigung so leicht hervorgebracht wird, beseitigt man
durch aqua hordei, aqua cicerum, siisse und herbe
Granaten, IVIilchtrank, Tamarinden, Manna, welche
zugleich die bei den meisten Formen der Art stattfin-
88) Ein vorfreffliches Hiilfsmittel bei Gebarniutterblulungcn,
welches erst in der neuern Zeit wieder durch Hm. Geh.
Med.-Rath v. Ritgen aus der Vcrgessenheit hervorgezogeu
wurde.
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dende Verstopfung heben sollen. Ferner Huhnerbriihe,
Pflaumendekokt. Die Behandlung der Auftreibung des
Leibes geschieht durch aqua cicerum, pukis cymini, Wein,
diamenthum oder alltekengi, Sagapenum, origanum mit
Mastix. Dabei wird ein Clystir oder Sitzbad aus verdiin-
nenden Mitteln: aristolochia, schoenanthus 89), styrax
liquida doronicum
90), zedoaria gegeben. DerLeibschmerz
und Mutterschmerz wird mit schmerzstillenden Mitteln be-
handelt. Hierher gehoren: Mafoae, /ben. Graec, sem.
cyminum, sesam,flor. chamaemeli, meliloti, cicuta.
Ein-
reibungen mit Sesam-, Mandel-, Veilchenol, Theriak,
trypherae magnae 91), Kamillenwein. Raucherungen
von Weihrauch, Styrax, Himbeeren.
Die Geschwure werden verhiitet durch reinigende
und beruhigende Injectionen, Saft von plantago mit
Roscnol, Eiweiss mit Weibermilch, Portulaksaft, Sitz-
biider in salzigen und zusammenziehenden Mitteln.
Innerlich bolus armen., terra sigillata, Sang. Draconis.
89)   Schoenanthus sive juncus odoratus, foenum carnelorum,
das o^otvoj luoajio? ties Hip pocrates und ayoivoj apcuaamoc
des Dioscor ides, auch ayoivov ovSot oder Squinanthus
genannt, war ein in den alten Oi'fizinen sehr beriihmtes
aroniatisches Mittel. Es kommt von dem im Orient wild
wachsenden andropogun Schoenanthi (L.J und liefcrt heut
zu Tage noch das zu Parf'iimerie verwendete oleum Syro.
Vergl. Murr. torn. V. 443. und Endl. pag. 62.
90)   Doronicum Pardalianches, von Dioscorides Aconitum
genannt, wurde von den Alten fur sehr giftig gehalten.'
Bekannt sind Conr. Gcssner's Versuche uber diese
Pflanze. Vergl. Murr. torn. I. pag. 63.
91)   Trypherae magnae, auch juvenilis oder sarracenica ge-
nannt, ein beriihmtes Fiebermittcl aus 15, nach einer andern
Vorschrift aus 28 Arzneien bestehend, worunter vorziiglich
Opium, myrobalani und andere Gewiirze sich befinden.
Vergl. Murr. I. 63.
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Afierschmerz und Vorfall desselben werden durch
Abwaschen mit herbem Wein, Bestreuen mit puhis
cornu cervi usti,
Ruhe, Reposition des Vorgefallenen
und Anwendung von stypticis behandelt."
Hier spricht denn auch Franz von Piemont von
dem Dammriss, dessen Ursache: Kleinheit und Zartheit
der Genitalien, Grosse des Fotus, Mangel der Hebamme
sei und der oft von den "Wochnerinnen gar nicht be-
merkt werde. Uebrigens folgt er in seinen Angaben
nicht bloss dem Pseudonymen Eros n), sondern hat
ihn sogar wortlich ausgeschrieben. Zur Verhiitung des
Dammrisses (wo After und Genitalien eins wiirden)
empfiehlt er, ein wurstformig zusammengerolltes Tuch
unter das peritoneum als Stutze zu legen. Die Heilung
des Risses bestehe Anfangs in fleissiger Fomentation,
bis sich seine Rjinder erweichten, dann werde die durch
denselben etwa vorgefallne Gebarmutter reponirt und
endlich die Wunde an 4 Orten mit einem seidnen Faden
geniiht. Hierauf miisse ein leinener Bausch von der
Dicke der vagina in dieselbe eingebracht und die Wunde
mit Pech bestrichen werden. Die Kranke bleibe als-
dann 40 Tage lang mit angeschlossnen Fussen im Bett
und bade ofters.
Ton der Felilgebnrt.
Suppl. fol. 101. col. 3. cap. 19.
Die Fehlgeburt handelt Franz von Piemont vor-
zugsweise nach den im Hippocrates uber diesen
Zufall redenden Stellen ab, der uberhaupt fur diese
92) Vergl. Gynaecior. torn. I. pag. 105. in Erot. passion, mul.
Cap. 20.
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Lehre die einzige Autoritiit fur den grossten Theil des
Mittelalters gewesen ist, und es auch grade hier wohl
am meisten zu sein verdient hat.
Die aberglaubischen Ansichten, welche sich in den
Schriften seiner Vorganger, Zeitgenossen und vieler
Nachfolger finden, hat Franz vonPiemont grossten-
theils vermieden und erweckt dadurch ein um so gun-
stigeres Vorurtheil fiir sich, da vielleicht keine medi-
zinische Lehre so leicht von den aberglaubischen An-
sichten, welche die Astrologie, Necromantie u. s. w.
in die Wissenschaft eingeschwarzt hatten, nachtheilig
beherrscht werden konnte.
Ueberhaupt ist es eine merkwiirdige Thatsache, dass
der Autor grade in der Abhandlung solcher Capitel,
welche dem Aberglauben ein leiohteres Spiel lassen,
mehr der einfachen Natur, dagegen in der Darstellung
der normalsten Erscheinungcn, gern solchen lacherlichen
Fabeln folgt.
Den Abort definirt er als den zur Unzeit, vor dem
von der Natur gesetzten Termin eintretenden Abgang
der Frucht. Die Zeit wo er statthat kann vor vollen-
deter erster Bildung (also vor dem 30. Tage), in der
Periode des Auftretens der ersten Kindsbewegung, nach
dieser und selbst beinah zu Ende der Schwangerschaft
sein. Zuweilen ist das geborne Kind lebendig, meistcns
jedoch todt.
Die Ursachen sind nach Franz von Piemont's
oft beliebter Eintheilung wiederum innere und aussere,
allgemeine und ortliche, im Uterus und in seinen Nach-
bartheilen begriindete.
Denmach begriindcn ihn:
1) >;Zu weiter Muttermund, der sich nicht schliessen
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kann, ein Umstand, woran oft angesammelte erschlaf-
fende Fliissigkeiten Schuld sind.
2)  Krankhafte Beschaffenheit und Schwachung der
Gebarmutterhohle durch Anhaufung von Schleim, oder
durch irgend ein anderes Leiden derselben 9S).
3)  Schleim, der die Venen und Cotyledonen ver-
stopft, oder durch seine Schwere zerreisst.
4)  Luft, welche dasselbe thut.
Diese Ursachen bedingen am haufigsten den Abort
in den 3 ersten Monaten.
5)  Erkrankung der Nachbartheile, z. B. tenesmus.
6)  Erkrankung der entfernter gelegenen wichligen
Organe, z. B. Husten, Lungenkrampf u. s. w.
7)  AHgemeine Krankheit des Korpers. Hierher ge-
horen besonders: Erschopfungskrankheiten, Blutverlust,
Fortdauer der menses, Missbrauch des Aderlasses und
zwar ganz besonders in den spiitern Monaten. Ausser-
dem anderweitige Colliquationen, Bauchfluss, Erbrechen,
welches letztere auch noch direkt, durch die dabei statt-
habende Anstrengung und daher riihrende Zerreissung
der Verbindungen zwischen Mutter und Kind den Abort
herbeifuhrt. Ferner langes Fasten, Fieber, mangelhafte
Ernahrung des Kindes.
8)   Endlich liegt eine Reihe von Ursachen des
Aborts noch in der Frucht, und zwar bald in dieser
selbst, bald in den sie umgebenden Hullen. Zuweilen
stirbt sie vor Anstrengung bei der Geburt, zuweilen
erstickt sie, zuweilen sind die Eihaute zu schwach,
reissen und machen die, durch das ergossne Fluidum
glatt gemachte Gebarmutter zum Abort geneigt. Sehr
93) Die Hippocratische Ansicht, Vergl. aph. 5. 45.
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iMUWp,"                                                                        <4WW
hiiufige Ursache des Todes des Fotus ist grosse Kalte,
vvesshalb dieser ancli in nordlichen Gegenden so hiiufig
ist. Dasselbe gilt von zu heisser Luft, zu heissem und
zu kaltem Baden. Als die haufigste Ursache betrachtet
Franz von Piemont jedoch den schnellen und un-
erwarteten Jahreswechsel, heftige Korperbewegung,
Springen, vorziiglich nach Hinten hinaus 94), ebenso
ungestiimen Coitus, Fall, Erschiitterung, abtreibende
Mittel, heftige Gemiilhsbewegungen, Zorn, Furcht,
Trauer, starke und plotzliche Freude.
Die Ereignisse, welche den Abort begleiten sind:
heftigere Schmerzen, als bei der naliirlichen Geburt,
ferner grosser Blutverlust, woraus Tod der Mutter und
des Kindes erfolgen miissen.
Die Symptome zerfallen in solche, welche den Abort
fiirchten, in solche, welche ihn erwarten lassen, oder
in solche, welche ihn als schon eingetreten anzeigen.
Das Hauptsymptom wird aus dem Verhalten des
ganzen Korpers entnommen, besonders ist zu erwahnen
zu grosse Schmachtigkeit, Fettigkeit, oder schon fruher
mehrmals eingetretner Abortus. Andere Zeichen ent-
nimmt man aus dem Verhalten der Briiste 95), welche
ihren Turgor verlieren und auf einmal schlaff und leer
werden.
Die grossere oder geringere Wahrscheinlichkeit des
Abortus richtet sich danach, ob die veranlassenden Ur-
sachen gross und heftig, oder schwach waren.
94)  Man wandte im Alterthume diesc Art von Bewegung auch
absichtlich zum Abtreiben an. Besonders beriihmt ist das
Beispiel, welches man in einem Hippocratiker findet, wo
dadurch eine Sangerin ihrKind abtreibt. Vergl. Ilippocr.
de natur. pueri pag. 236.
95)  Vergl. Hippocr. aph. 5. 38.
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Heftige Schmerzen im Uterus, Mattigkeit, Rothe
des Gesichts, entziindliches (rigor in febre) Fieber, Stirn-
kopfweh zeigen den baldigen Abort um so mehr an,
wenn sich dazu noch Blutfluss aus dem Uterus gesellt ••).
Beim Eintritt der genannten Symptome hat man sich
in der Wahl der Behandlung nach zwei Umstanden zu
richten. Sind nemlich die Zufalle so leicht, dass man
noch den vollen Ausbruch des Abortus zu verhuten
hoffen darf, so muss man dieses auf jede mogliche
Weise thun, haben sie aber dagegen eine solche Hohe
erreicht, dass derselbe unvermeidlich erscheint, so
mussen die durch ihn veranlassten Nachtheile moglichst
abgewendet werden.
Die Verhutung des Aborts geschieht zunachst durch
Verhiitung seiner Ursachen. Daher bei zu weitem Mutter-
munde styptica, in Form von Pflastern, Salben, Ein-
lagen, Raucherungen, sowie auch innerlich zu reichen
sind. 1st ein erschlaffender Ausfluss vorhanden, so werde
er nach den im Capitel de cursu matricis angegebenen
Regeln behandelt. Anhaufung verderblicher Feuchtig-
keiten, welche da vorzuglich zu erwarten steht, wo
langere Zeit vor der Schwangerschaft Anomalien der
Menstruation statthatten, beseitige man durch gelinde
Evacuation und austrocknende Mittel. Ansammlung von
Wind, erfordert Blahung treibende Arzneien. Magerkeit,
langes Fasten, erschopfende Blutflusse oder andere
Colliquationen, starkende und restaurirende Behandlung,
bcsonders durch eine allmahlige Darreichung kraftiger
Speisen.
Bei grosser Fettigkeit und Ueberfiillung dagegen ist
96) Auch hier wird die haemorrhagia uteri wieder unter dem
Namen menses Legriffen.
5
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.....
66
eine ebenso allmahlig vorainehmende ausleerende Me-
thode anzuwenden. Bei Blutiiberfiillung desshalb ein
Aderlass, bei Ansammlung von Galle ein geb'ndes cho-
lagogum,
wie: Bhabarbev, myrobalanum citrinwm, che-
buli indici.
Diese Mittel miissen jedoch in den ersten
und letzten drei Monaten vermieden werden, wofiir
man die Senna, Honig, Cassia, Tamarinden
, Manna,
Bosensafl, Hopfen, Borago, Ochsenzunge *')
Erd-
rauch, Molken anwenden kann.
Inimer ist es eine Hauptregel nicht allzu stiirmisch
zu verfahren, indem diess schadet.
Tritt die Fehlgeburt wirklich ein und ist das Kind
lebendig, so verfahre man wie im Capitel de difficul-
tate partus
angegeben worden ist.
Gegen die Blutflusse bediene man sich der Mittel,
welche bei zu reichlicher Menstruation vorgeschrieben
sind.
Hierher gehdren vorziiglich Ableitungen nach Oben,
Aderlass an der basilica, Schropfkopfe an die Brust,
die durch Saugen, oder angehaltne Flamme angesetzt
werden. Ausserdem styptica, conglutinantia, besonders
viellluhmens macht Franz von Piemont von succus
arnoglossae9*),
welchen er in alien Formen, innerlich und
ausserlich, gegen alle moglichen Hamonhagien empfiehlt.
Ausserdem pentaphyllum ••). Ferner alkasce 10°) iin
97)  Buglossa nannten die Alton sowohl die heutige borago
officinalis, als auch die anchma officinalis. Vergl. Mes.
fol. 123. col. 4. und Murray torn. II. pag. 99.
98)  Arnoglossa, syn. mit plantago, auch centumnervia gcnannt.
Vergl. tract, quid. pr. quo in Suppl. ad Mes. fol. 238.
99)  Pentaphyllon ist Potentilla anserina.
100) Alhasce ist thymus acinos nach Mes. de simpl. fol. 41.
col. 1. und ebendas. fol. 106. col. 4.
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67
Getrank, Campher, Milch mit gliihendem Eisen ge-
kocht; Eisenfeile mit Myrthensyrup, Eichelsaft, Gra-
natrinde, Semen et radix nenuphar 10]), Corianderkraut
und Saamen, Unterlagen von cicuta, althaea, solatrum,
viola Sarracenica, virga pastoris,
Sumach, corrigiola,
Leinsaamen mit Alaunwasser und Eisen gekocht, Re-
gcnwasser zum Sitzbade, Essigaufschlage auf die Brust,
Leisten und Bauch, Fichtenkerne, Citronensaft, Quitten,
Zarur 10'2) und alle heiben Friichte.
1st das Blut sehr dunn, so sucht man durch Ent-
fernung der Wassrigkeit, besonders durch Anregung
des Schweisses zu wirken, z. B. trochisci dc spodio,
cum camphora, trochisci de charade
10S). 1st dagegen
Scharfe des Bluts die Ursache, so gebe man abstum-
pfende Mittel, welche zugleich verdichten, z. B. Eisen-
feile, tryphera, philonium persicum und andre Opiate.
Sind aber diese Blulfliisse nicht in fortwahrendem
Gang, sondcrn haben sie Intermissionen, so muss die
Zwischenzeit zur Einleitung einer passenden Behand-
lung benutzt werden."
Zur Nachbehandlung empfiehlt er besonders star-
kende und belebonde Mittel und erwiihnt darunter eines
von ihm zuerst angewendeten Schwanimchen, das bier
...
101)  Nymphaea alba. Vergl. MeS. 128. col. 4.
102)  Zarur. Eine Art Ebcresche oder Mispel, die in Sicilien
■waclist und dasclbst Lazarolum oder Azarolum genanut
wird. Vergl. Mes. fol. 140. col. 3.
103)   Trochisci de charabe. Ein gcgen alle muglicbcn Blutflfisse
gcriihnites Mittel, aus Bernstein, Hirschhorn, Corallen,
Balaustia, Macis, Opium bestehend. Vergl. Mes. fol. 162.
C0'' 2'                                                          '■> 4*1
5*
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treffliche Dienste thue ,04). Auch hier wild der arno-
glossa
ein ebenso tibertriebnes Lob gezollt, wie vorher.
Von den II eiberkranklieiten.
Suppl. fol. 91. col. 3. cap. 5.
Die Krankheiten der Weiber, welche bei alien da-
maligen Schriftstellern einen grossen und wichtigen
Platz in deren Werken einnehmen haben auch an Franz
von Piemont einen fleissigen Bearbeiter gefunden.
Man sieht, dass er diesen Theil der Gynaecologie
fur den wichtigeren und eines Arztes am wiirdigsten
gehalten hat, wahrend die eigentliche praktische Ge-
butshiilfe von ihm als untergeordnete Beschaftigung
betrachtet wurde, die man nur in den Fallen der hoch-
sten Noth den Handen der Hebamme entreissen und
selbst ausuben durfe. Es ergiebt sich dieses schon aus
der Vergleichung der Capitel, welche fiber die eigent-
liche Geburtshfilfe handeln, mit denjenigen, welche die
Krankheiten der Weiber in sich fassen, denn wahrend
jene etwa 6 Blatter fiillen, umfassen diese 18.
Die Ursache dieser Vorliebe, welche alle mittel-
alterlichen Aerzte mit einander gemein haben lag eben-
sowohl in den mangelhaften Kenntnissen derselben in
der Anatomie, als auch in dem Abscheu, welchen die
Weiber vor mannlicher Hulfe bei dieser Gelegenheit
hegten. Was konnte ein Arzt hier wirken, dem ein
Gesetz verbot allein bei einem Frauenzimmer zu sein
und diesem zur Ader zu lassen, was konnte aber auch
ein Weib fur ein Zutrauen zu einem Arzte fassen bei
welchem ein solches Gesetz nothig war 10S).
104)  Spongioid quaedam alba marina, in litoribus maris inventa.
105)  Vergl. Spr en gel's Gesch. d. Med. torn. II. pag. 482.
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69
Und ward ja ein solcher zugelassen, so war es ge-
wiss derjenige, welcher die abgeschmacktesten, aben-
theuerlichsten und unpraktischsten Vorschriften empfahl
und anwendete. Wer seine FUinde brauchte, oder zu
Instrumenten griff konnte nichts ausrichten, wer abcr
dagegen durch innere Arzneien, Riechmittel, Pflaster
und Salben den verschlossnen Muttermund offnen, den
eingekeilten Kopf forttreiben, das quer gelagerte Kind
zur richtigen Lage zuriickfuhren wollte, der gait fur
einen Kiinstler und Ruhm und Geld wurden ihm zu
Theil, wahrend der wahre Heifer in der Noth, der
Chirurge verachtet und beinah fiir unehrlich wie der
Henker gehalten wurde.
Ich gebe aus dem mit oft ermiidender und lang-
weiliger Weitlaufigkeit geschriebenen Abschnitte nur
einen Auszug, wobei ich die Capitel de sterilitate, de
cura sterilitatis, de cursu matricis, de cura retentionis
menstruorum, de cura fluxus menstruorum, de aposte-
matibus matricis humoralibus
und de solutionibus con-
tinid matricis
nur beriihre, da sie theils Uninteressantes,
theils schon da Gewesenes enthalten und auch wenig
selbst Beobachtetes geben.
»Die Symptome aller Krankheiten des Uterus koinmen
darin uberein, dass Mangel seiner physiologischen Ver-
richtung ihre Folge ist und Unfruchtbarkeit, oder Hin-
dernisse bei Geburt, Empfiingniss und monatlicher Kei-
nigung stets dabei statthaben."
In der Eintheilung der Krankheiten selbst richtet
sich Franz von Piemont nach Galens und Hip-
pocrates allgemein pathologischen Ansichten von den
Elementarqualitaten, Hitze, Kiiltc, Trockenheit und
Feuchtigkeit. Es giebt daher:
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1) »heisse Uterinalleiden. Diese zeichnen sich aus:
durch Auftreibung der Geschlechtstheile, Jucken, Ste-
chen daselbst, starke Neigung zum Coitus, starke
Anziehung des miinnlichcn Saamens, Geschwiire der
Mutter, wenige, sehr heisse, rothe, schwarzliche, gelb-
liche, stinkende, scharfe, vor der normalen Zeit ein-
tretende menses. Der Schaamberg ist stark behaart,
der Urin tingirt, der Mund sehf trocken, der Puis
schnell; die vorausgegangene Lebcnsweise war eine
aufreizende;
2)  kalte. Hier verhiilt sich alles nmgekehrt wie
bei dem Vorigen;
3)  feuchte. Hier sind die Menstrua sehr reichlich
und dunn, wesshalb solche Personen sehr zum Abortus
disponiren;
4)  trockne. Sie zeichnen sich da durch aus, dass
sie die haufigsten Ursachen schwerer Gcburten abgeben.«
Die Behandlung dieser 4 Anomalien besteht nach
Franz von Piemont in Wegschafi'en der Causalver-
haltnisse, Behandlung der Dyscrasie selbst und Besei-
tigung der Hauptsymptome und Folgen, besonders des
Schmerzes und der Schwiiche. Er gcht auf das Niihere
nicht ein, indem er auf die folgenden, einzelne Krank-
heiten des Uterus abhandelnden Capitel hinweist und
nur die von \\hazes vorgeschlagene Behandlung der
Unfruchtbarkeit in Folge kalter Complexion anfiihrt.
Diese besteht in der Application eines pessarii aus ca-
stor-eum, styrax, aalbamtm, euphorbium, oppoponax,
carpobalsamum
106), Beenkornern, costum, bdellium.
106) Been nux, Glansunguentaria, |3«Xav6t (lupetfux'j der Saamen
voin Hyperanthera Moringa Linn, Iicfert ciu noch jetzt ini
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Ferner im Trinken von diamartc, welches mchre Tage
hindurch fortgesetzt wird, nach welcher Zeit erst der
Coitus vollzogen werden soil.
Veber die % erstopfung der f-elssir-
iniitter.
Suppl. fol. 91. col. 4. cap. 6.
Die von Franz von Piemont unter dem Namen
oppilatio matricis zusammengestellte Gruppe von Er-
scheinungen umfasst sammtliche Affectionen der weib-
lichen Genitalien, welche sich durch Ausbleiben der
normalen Sekreta und durch Hemmnisse bcim Coitus,
der Befruchtung und Geburt kund geben. Wie viele
ganz und gar in ihrem Wesen verschiedene Zustiinde
hier also zusammengeworfen sind lasst sich schon er-
rathen, dennoch aber muss bei eincm Vergleich zwi-
schen den Leistungen unsres Verfassers in diesem Feld
und zwischen denjcnigen vieler seiner Vorganger, Zeit-
genossen und Nachfolger, das Resultat fur diescn ein
sehr gunstiges sein.
Besonders erfreulich ist es, dass in diesem Capitel
der Verfasser ziemlich seine Scheu vor der Chirurgie
und operativen Geburtshulfe bei Seite gelegt hat und
geniigende Beweise dafur liefert, dass er hier nicht
nach blosser Tradition, sondern nach eigner ErRihrung
und Autopsie geschrieben hat. Er unterscheidet in
pathologischer und theraj)eutischer Hinsicht eine Menge
von hierher gehorigen organischen Verschliessungen der
Gebarmutter, die iiberhaupt im Mittelalter sehr haufig
Orient bcruhmtes Oel, das nicht icicht ranzig wird und im
Altertlium der Bestaitdtheil vieler Arzneien und Salben war.
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Gegenstande iirztlicher Behandlung geworden sind ,0').
Seine Diagnose und Behandlung dieser Formen ist viel
einfacher, rationeller und seine Angaben viel weitlau-
figer als diejenigen Abulcasems 108), Moschions 109)
und Celsus no).
Er unterscheidet vorziiglich folgende Formen:
1)   »Aeussere Verstopfung des Uterus. Hierher ge-
hort: Verschliessung des aussern Scheidenmundes, ferner
Hemmnisse die tiefer liegen und bis zum Muttermunde
gehen und endlich Verstopfung der Menstrualgefasse.
2)  Die aussere Verschliessung ist entweder hautig
(wie bei dem normalen Hymen beschaffen) oder fleischig
und der mannlichen Ruthe ahnlich ni), oder entziindlich
107) Die Ursachc hicrvon lag gewiss grosstentheils in der ver-
kehrten Anwendung der ortlichen Heilmittel bei Schwan-
gcrn, Hysterischen und GebSrendcn, in dem Wust von
scharfen Pessarien, Injcktionen, Suppositorien, Suffumi-
gationen womit diese besturmt wnrden und ausserdem in
den rielen scharfen Geheimraitteln zur Fruchtbarkeit, Un-
fruchtl>arkeit, Wiederherstellung des verloren gegangenen
Hymen etc., mit deren Verkauf und Bereitung ein grosses
Unwesen getrieben wurde. Und nicht bloss Kuppler und
Quacksalber, sondern selbst angesehene und fur ihr Zeit-
alter gelehrte Aerzte befassten sich eifrig mit den zuletzt
genannten Dingen. Vergl. Bauh. Gynaecior. torn. I. p.111.
in E rot is de passion, mulier. Capit. 35: de modo coar-
ctendi matricem ut etiam corrupta apparent virgo
etc.
108)  Vergl. Gynaec. torn. III. p. 489. Abulcas. Cap. 72: de
curatione alratica.
109)  Gynaec. torn. I. p. 66. Harmon, gynaec. ex Moschionc
et Theodor. Prisciano. Hier werden die genannten
Krankheiten noch mit am weitlaufigsten besprochen.
110)  Vergl. Celsus Lib. VII.
111)  F. v. P. scheint hier die Hypertrophic der clitoris zu meincn,
eines Theils, den er nicht zu kennen scheint, wenigstens
erwahnt er ihn nirgend, obgleich doch Abulcas. 1. c.
Cap. 71 die Operation de incisione teliginis beschreibt.
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und hart, oder angefiillten Hamorrhoiden gleich, sie
besteht ferner in Warzen, Geschwiiren, geschwiirigen
Granulationen, maulbeerartigen Schwammgewachsen n2)
und wird gemeiniglich durch Ocularinspektion erkannt.
Die tiefere Verwachsung in der Scheide ist ebenfalls
meistens fleischig lls).
3)  Die Verwachsung des Muttermundes ist oft fettig,
die Verstopfung der Menstrualvenen, der Cotyledonen
und Saamengange beruht meist auf abnormer Contraktion,
selten auf fleischiger Verwachsung, noch seltner auf
Collapsus dieser Theile.
4) Unfruchtbarkeit, oder doch wenigstens erschwerte
Empfangniss ist ein alien diesen Krankheiten gemein-
sames Sjmptom. Bei geringerem Grade der Verwach-
sung, wo noch Zwischenraume vorhanden sind kann
nemlich noch Empfangniss statthaben, wie man sie auch
schon bei Fortbestand des Hymen gesehn hat.
5)  Die sicherste Diagnose geschieht durch den ein-
gebrachten Finger der Hebamme, welcher den Sitz und
die Beschaffenheit der Verwachsung ermitteln kann. Ist
die Stelle schmerzhaft, so muss sie entziindet sein, ist
sie schmerzlos, so wird sie durch ein Fleischgewachs
verschlossen.
6)  Die ausseren Verwachsungen hindern noch ausser-
dem beim Coitus und verursachen bei gewaltsamer Aus-
ubung desselben Schmerzen.
7)  Die Verstopfung der Menstrualgefasse signalisirt
sich durch Ausbleiben der menses mit den gleichzeitigen
I                                        ___________.____________L
112) Wahrscheinlich die Vergrosserung der Nympfen, welche
auch Abulc. 1. c. zu meinen scheint.
113) Wie sich aus einer spatern Stelle ergiebt vcrsteht F. v. P.
hieniBter nichts Anderes, als Gebarmutterpolypen.
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Zeichcn der Predomination einer fetten und klebrigeil
Saficmasse. Diejenige der Saamengange verursacht
Hysterie, die der Colyledonenmiindungen schnell nach
der Empfangniss eintretenden Abort, bedingt durch das
dem Fotus zu seiner Emahritng mangelnde Blut.
Die Behandlung dieser Uebel ist folgende:
1) Bei ausserer fleischernerVerwachsung ist esnothig
das Afterprodukt oder Hinderniss zu entfernen und seine
Begeneration zu verhiiten. Der Verfasser empfiehlt hier,
nachdem die Kranke wie zum Steinschnitt gelagert
worden ist, dasselbe entweder abzubinden, wie bei den
Hamorrhoiden, oder abzuatzen, oder mit einem eisernen
Instrumente wegzunehmen, jedoch so, dass dabei der
Mutterboden nicht verletzt werde 114). Die Wunde
muss sodann je nach ihrem Verhalten bald mit zusam-
menziehenden, bald mit austrocknenden Mitteln behan-
delt werden.
2)  Membranose Verwachsung erfordert Trennen der-
selben durch den Schnitt und Einlegen eines mit Fett
bestrichenen wollenen Lappens oder Anwendung der
styptica und eonglutinantia. Spater muss der Coitus
haufig wiederholt ausgeubt werden.
3)  Bei fleischerner Verstopfung im Innern der Scheide
werden vier Indicationen aufgestellt. Nemlich Anzie-
hung des Gewachses mit Haken 1,s), Abschneidung
desselben, welche jedoch nur vorsichtig und allmiihlig
geschehn darf, um Verletzungen der Gebarmutteir und
Blasenwunden zu verhiiten. Dann muss die Wunde
mit Wolle die mit herbem Wein, spater mit lindernden
                                                                                                                                                                                                                                                                      , .
114)  Der Blutung wegen Abulc. 1. c.
115)  Diess bewcisst wohl, (lass hier Polypcn gemeint sind.
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die Vemarbung befordernden Salben bcstrichen ist, be-
handelt werden. Die vierte Indication ist zweckmassige
Hiilfe bei den wahrend der Operation stattfindenden
Zufallen, namcntlich Stillung der Blutung und Hebung
des leicht eintretenden Tenesmus.
4) Die Heilung der fleischernen Verstopfung des
Muttennunds, der Cotyledonen, der Saamengefasse und
Menstrualblutadern liisst sich schwer bewirken.
Entziindliche (apostematosa) Verschliessunghebt man
am besten mit lauen, erweichenden, auflosenden Mit-
teln, im Halbbade, oder als Pessarium, oder als Salbe
angewendet.
Die ubrigen Arten werden so behandelt wie die
retentio menstruum, und zwar leisten hier Raucherungen,
Sitzbader, Aderlasse am Fuss, bdellium, spodium, oleum
majoranae,
Wein, gallia besondere Dienste.
Ist Collapsus der Theile hiervon die Ursache, so
muss eine erfrischende, anfeucbtende und roborirende
Curmethode angewendet werden, ortlich aber sind Salben
aus Myrrhen, Lilienol und bdellium verfertigt besonders
zweckmiissig.
Ueber die liageveraiiderimgeu des
Uterus.
Suppl. fol. 92. col. 1. cap. 6.
Auch hier hat unser Schriftsteller vielerlei Gegen-
stande unter einen Titel vereinigt, indem er ausser den
wirklichen Ectopien des Uterus auch die scheinbare,
welche man jetzt unter dem Namen globus hystericus
begreift anfiihrt und diese fiir ein Nachobensteigen der
Gebarmutter halt. Kein Capitel seines ganzen Werkes
zeigt so deUtlich die Ansicht der alten Aerzte von einer
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dem Uterus innewohnenden eigenthiimlichen, gewisser-
maassen dem Einflusse des Korpers entzogenen Thii-
tigkeit wie dieses. Besonders ist die Therapie in dieser
Beziehung merkwiirdig, welche sonst in alien Theilen,
wo das genannte Vorurtheil nicht beruhrt wird ganz
rationell ist.
Nach FranzvonPiemont dislozirt sich der Uterus
nach vier Richtungen, nemlich nach Rechts, Links,
Oben und Unten.
wHierzu giebt es viele Veranlassungen, welche theils
nicht naturliche, theils naturliche sind.
Letztere beruhen darauf, dass die Gebarmutter,
welcher von Natur die Begierde nach dem mannlichen
Saamen eingepflanzt ist, wenn sie desselben nicht theil-
haftig werden kann, unruhig wird, ihreStelle wechselt,
nnd sich bald nach dieser, bald nach jener Seite hin
begiebt.
Die nicht naturliche Veranlassung hingegen besteht
in einem abnormen Verhalten der den Uterus befesti-
genden Bander, von welchen eine oder die andere
Gruppe ein Uebergewicht erhalt, das den durch ihre
gleichmassige Wirkung allein im Gleichgewicht blei-
benden Uterus nach der iiberwiegenden Bandergruppe
hinzieht.
Sind die untern Bander erschlafft, was haufig durch
eine in ihnen angesammelte klebrige und fettige Materie
stattfindet, so steigt der Uterus in die Hohe. Dasselbe
geschieht, wenn bei normalem Verhalten der untern
Ligamente die obern contrahirt sind. Ausserdem wird
die Dislocation nach Oben oft durch eine im Uterus
angesammelte Windmasse bewirkt.
Bei dem Vorfall des Uterus uberwiegen die untern
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Ligamente, bei der Schieflage die derjenigen Seite, nach
welcher zu der Uterus geneigt ist.
Die Ursachen der Erweichung der Ligamente sind
vorzuglich kalte Luft, kaltes Bad, Sitzen auf kalten
Steinen, ausserdem werden dieselben leicht zerrissen
oder ausgedehnt durch Fall, ErscMtterung, starken
Lauf, Husten und Schreien, heftigen Schreck, Niessen,
schwere Geburt, Grosse der mannlichen Ruthe, heftige
Operationen des Geburtshelfers bei Extraction des Fotus
oder der secundinae, zu schnelle Geburt oder auch
Faulniss der Bander.
Die Symptome des in die Hohe gestiegenen Uterus
sind: Schmerz, Schwere im Nabel, ein Gefiihl daselbst
wie wenn ein fremder Korper da lage, oder wie wenn
eine Faust einem in dieser Gegend packe; verdorbner
Magen, Furcht, Traurigkeit, Kopfweh, Schwindel,
Flockensehen, haufiges Aufstossen.
Die seitliche Abweichung bewirkt Schmerz auf der
Seite wo der Uterus liegt, Abweichung des Mutter-
munds von der graden Richtung und desshalb Sterilitat.
Die Exploration mit dem Finger giebt auch nahere Aus-
kunft daruber von welcher Ursache diese Abweichung
sei, ist namlich der Mutterhals hart, geschwollen und
schmerzhaft, so hat eine Anfullung sie hervorgebracht
und sie ist apostematose. Merkwiirdig ist die Bemer-
kung des Verfassers, dass bei Declination nach Rechts
meistens zugleich Hydrops und Mola gefunden werde,
indem sie beweist, dass unter die Abweichungen der
Gebarmutter auch Krankheiten des ovarii, namentlich
Hypertrophic desselben und oophoritis gerechnet ward.
Der Vorfall der Gebarmutter bewirkt Nierenschmerz,
Schwere, Gefuhl eines runden Korpers im Becken,
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Harnstrenge, weisslichen fadeuziehenden Urin, indcm
die Harnrohre durch die herabsteigende Geschwulst com-
primirt wird. Der untersuchende Finger erkennt die-
selbe, wenn der Prolapsus noch im geringen Grade
statthat, bei hoherm Grade tritt der Uterus vor die
Miindung der Geschlechtstheile."
Bei der von ihm natiirlich genannten Ectopie des
Uterus (einer hysterischen Form) empfiehlt Franz von
Piemont Coitus und zwar rath er sehr naiv ehrbaren
Frauen in solchem Falle sich zu verheirathen, unehr-
baren Gemeinschaft mit Mannern phne Ehe zu suchen.
Bei der krankhaften dagegen stellt er fiinf Heilan-
zeigen, unter welche wohl oder iibel alle Formen der
Lagenveriinderung des Uterus gezwiingt werden. Diese
sind:
1)  Entleerung der die krankhafte Beschaffenheit der
Bander veranlassenden ungesunden Safte. Hierzu offne
man bei Dislocation nach Oben die vena saphena, bei
prolapsus die basilica, bei Schiefbeugung die saphena
(wenn die Schiefbeugung zugleich mit Aufsteigen ver-
bunden ist) oder die basilica (bei Complication mit pro-
lapsus)
der entgegengesetzten Seite. ...
Innerlich gebe man antidyskratische, besonders ab-
fiihrende Mittel.
2)  Reposition der Gebarmutter. Diese geschieht bei
Lageveranderung nach Oben durch Ziehen der Scheide
nach Unten, durch Niessen, Anhalten des Athems,
Schropf kopfe an das Becken und die Weichen, schmerz-
hafte Ligaturen an die Fiisse. Ferner durch RiechmiM el.
Hier gilt der Grundsatz, die Geljarmutter durch Wohl-
geruch nach der Stelle hin zu zichen, wo man sie hin
haben will, durch Gestank von ihrem abnormen Wohnort
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wegzutreiben. Desshalb applizire man bei aufgestie-
gcnem Uterus Wohlgeriiche an die vagina, stinkende
Mitt el an die Nase urn ihn zu vermogen sich nach
Unten zu begeben. Man gebe Bader von einem Dekokte
der Cicuta, riiuchere unter dem Kleide mit Haaren, der
asa foetida, reibe den Leib mit Sambucus-Enula-Narden,
Fenchel- oder Lilienol. 1st windige Ansammlung die
Ursache davon, was man an Kollern, haufigen Blii-
hungen, Aufstossen u. s. w. erkennt, so sind von be-
sonderm Nutzen: Opium, foenum graecum, rata in
Wein oder Honig; ferner: doromcum, Schoenanthus,
aristolochia rotunda, agaricus
116), asphalatum n'),
sem. Plantaginis, Satureja mit Wein.
Um die nach reehts oder links declinirte Mutter zu
reponiren setze man Schropf kopfe, Ligaturen etc. auf
die entgegengesetzte Seite und applizire die Biechmittel
ebenfalls daselbst.
Bei Vorfall verfahrt man umgekehrt wie bei in die
llohe gestiegener Matrix und ausserdem unterstiitzt die
Hebamme durch innere und aussere Manipulationen die
Wirkung dieser Mittcl. 1st sie weit vorgefellen, so
verfahre man nachAvicenna und reponire mit Wolle
die in styptischen Wein getaucht ist den prolapsus,
lasse dann liingere Zeit die Kranke die Riickeidage mit
aneinander geschlossenen Schenkeln beobachten. Um
die Verstopfung, welche durch Druck auf den Mast-
116)  Agaricus nannten die Alten viclc Pilzarten die auf Baum-
stammen wuchsen. Vorzuglich bcnutztcn sie den Boletus
Lands
(L.) Vergl. Murr. V. 73.
117)  Asphalatum, cine wohlriechcndc Holzart, die dem Sandel-
holz gleich gcschatzt war, deren Mutterpflanze aber nicht
mehr bekanut ist. Mes. fol. 113. col. 2.
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darm entsteht zu beseitigen gebe man oleum de cherua
innerlich. Ausserdem lasst sich die Reposition durch
frische zerstossene Nesseln und Raucherungen von Kuh-
mist bewirken.
3)  Erhaltung der reponirten Gebarmutter in dieser
Lage. Diese geschieht durch ruhiges Verhalten, Rucken-
lage und die aussere und innere Anwendung von sty-
pticis
wohlriechender Natur. Dekokte von zusammen-
ziehendem Wein, Salben, Pflaster etc. so nahe als
moglich applizirt, ferner myrtus, cortex granatorum,
rosae, Schoenantus, Conferva
118).
4)  Passende Lebensweise. Hierher gehort: Aufent-
halt in gemassigter, eher kuhler Luft, Vermeiden aller
erwahnten Schadlichkeiten, besonders der Ueberfiillung
mit groben, blahenden, salzigen Speisen. Zum Trank
vorzuglich kalte aluminose Wasser, Ausleerung durch
Clystire und Rrechmittel wo sie noting ist.
5)  Hebung der durch die fehlerhafte Lage der Ge-
barmutter hervorgebrachten Hauptsymtome durch ano-
dyna,
laue Bader u. s. w.
Besondere Methoden werden zwei erwahnt:
1) Zuerst nehme die Kranke pillul. aus theodoric. m)
118)  Herba quae oritur super lapides cum sunt in aqua et fa-
ciunt lubricare pedes.
119)  Theodoricum, mit dem Bcinamen hyperiston, war ein
beruhmtes drastisches Mittel, das aus 29 Arzneicn, deren
Hauptbestandtheil Aloe mit Gewurzen ist, bestand. Das
theodoricum anacardinum bestand nur aus 18 Arzneien und
enthielt ausserdem anacardium, woher der Zuname. Das
anacardium selbst ist die Frucht von semecarpus anacar-
dium,
einem indischen Bauin und wurde fruher fur die
Elephantenlaus gehalten. Vergl. St. Am and. in Suppl. ad
Mes. fol. 217. col. 1. Doch scheinen die Alten noch eine
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anacardin., benedictum no), agaricus und enula zum
Purgiren, sowie ein Bad aus iris, althaea und buglossa,
nach 3 Tagen mache sie einen Aderlass an der basilica,
hierauf werde die Reposition unternommen und ein
Pflaster aus Mastix, thus, oppoponax, therebinth., gal-
banum, styrax, colophon
und rothem Wachs angewandt.
2) Beim prolapsus uteri in Folge heftiger Anstren-
gung durch Niessen oder in Folge von zu grosser
mannlicher Ruthe lege man Flachs mitPech bestrichen
auf, wo die Gebarmutter dann von selbst wieder zu-
ruckkehrt. 1st sie sehr kalt, so wende man hierzu
Bader von Lorbeer, Poley, enula, abrotanum und
Wermuth, sowie Riiucherungen von Moschus und
Gallia an.
Von der Hysteric, in specie dem
hysterischen Brustkrampfe.
Suppl. fol. 92. col. 4. cap. 8.
Keine Krankheit des weiblichen Geschlechts wurde
von den alten Aerzten mit solcher Vorliebe bearbeitet,
wie die Hysteric Besonders aber war dieses Uebel
der Lieblingsgegenstand fur die arabischen und mittel-
alterlichen Schulen, weil gerade bei dieser Krankheit
ihrem Hange zum Wunderlichen am vollkommensten
geniigt wurde und weil ausserdem die ihnen verhasste
Chirurgie, operative Geburtshiilfe und Anatomie bei der
_------_-----
Frucht hierunter verstanden zu haben, wenigstens wird in
der Stelle Mes. fol. 114. col. 1. von einem in Sicilien wild-
wachsenden anacardium gesprochen.
120) Benedictum, eine Composition aus Fenchel, Petersilie,
Gummi, Honig, u. s. w. bestehend. Vergl. Nic. antidot.
in Suppl. ad Mes. fol. 167. col. 2.
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Behandlung derselben ganz unnothig und entbehrlich
waren. Hier war der Tummelplatz fur alle jene leeren
und spitzfindigen Theorien, welche fiber die Zurtick-
haltung des weiblichen Saamens, fiber die Entwicklung
boser, das Gehirn verpestender Diinste im Uterus, uber
die vier ElementarqUalitaten fiber den Einfluss der Sterne
ausgeheckt wurden. Hier war eine Krankheit, welche
hochst selten durch schlimmen Ausgang eine Anklagerinn
fur die vielen widersinnigen und heroischen Arzneien
jener Zeit abgab, hier fanden die Araber Gelegenheit
ihre Neigung zur materia medica, zur Rezeptirkunst zu
befriedigen, denn hier half eine Arznei so gut wie die
andre, Kuhmist und Theriak, Spica und Habichtskoth,
Weihrauch und Teufelsdreck brachten dieselbe heilsame
Wirkung mit sich.
Keine Krankheit war aber auch in dem durch die
entnervendsten Ausschweifungen geschwachten Mittel-
alter so hiking, als die genannte, wie sich denn fiber-
haupt diese gute alte Zeit eines bedeutenden Reich-
thums an Nervenfibeln erfreute, die auf einem so gfin-
stigen Boden wuchsen, dass sie, wie z. B. die Tanz-
wuth oft eine epidemische Ausbreitung erlitten. Hier
war aber auch die schonste Gelegenheit fur die gewinn-
suchtigen Aerzte der Zeit, sich Reichthiimer zu sam-
meln und Ruf zu bereiten, da von jeher die Hysterie
fur einen schlauen Arzt ein Goldbergwerk gewesen ist.
Zu wie vielen Charlatanerien sie diente beweisen be-
sonders die Geheimmittel Joh. Gaddesdon's und die
Schriften der fibrigen Aerzte jener Zeit.
Ausserdem aber diente sie zu noch gewissenloseren
und schandlicheren Zwecken und war ein schones Hiilfs-
mittel fur einen grossen Theil der mittelalterlichen Aerzte,
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welche unter dem Deckmantel hippocratischer Kunst
das unwiirdige Geschaft eines Pandarus trieben.
Aus den angefiihrten Griinden ist es nicht zu ver-
wundern, wenn auch unser Autor einen solchen StofF
gehorig ausbeutet. Ich fuhre aus diesem sehr weit-
laufigen Capitel nur die Hauptsiitze an:
»Die Hysterie ist nach Franz von Piemont ein
Leiden der Zentralorgane, bedingt durch Riickbleiben
des weil)lichen Saamens und der Menstrua und ver-
mittelt durch den Consens, in welchem die Matrix mit
dem Herzen und Gehirn steht. Durch diese Zuriick-
haltung entsteht eine Faulniss und ein nach Oben stei
gender Rauch, der zuerst den Magen, dann das Zwerch-
fell, das Herz und endlich das Gehirn angreift. Hier-
aus entsteht dann zuerst Ekel, Erbrechen, Athembe-
schwerde, Kalte der Haut, und Ohnmacht. Weder der
Athem noch der Herzschlag stehen jedoch ganz still,
sondern gehen unmerklich fort, indem sonst der Tod
erfolgen wurde. Zuweilen ist es schwer diesen Zustand
vom wirklichen Tode zu unterscheiden und man bedient
sich hierzu eines von Galen 121) vorgeschlagenen Mit-
tels, nemlich einer Wasserkufe auf die Magengegend
gesetzt und eines Flockchens Wolle an die Nase ge-
halten. Bewegen sich beide nicht, so ist der Tod da.
Die Diagnose von Epilepsie, Krampf, Syncope, Apo-
plexie und Lethargus *") wird schon dadurch leicht,
dass bei der Hysterie keiner dieser Zustande vollstandig
ausgebildet erscheint, sondern Alles verkehrt und ver-
121)  Vergl. Gynaecior. torn. I. pag. 27.
122)  Hier wird darunter sowohl encephalitis, als auch die ty-
phomanie
verstanden.
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anderlich dabei ist (confusa et mixta). Bei Epilepsie
fehlt die Amenorrhoe, die Bewusstlosigkeit ist grosser,
sie betriffi auch Verheirathete und sie hangt vom Ge-
hirn ab, weshalb der globus hystericus fehlt.
Bei lethargus ist febris continua, wolliger voller
Puis und es ging heftiges Kopfweh voraus.
Bei spasmus findet eine allmahlige Entstehungsweise
statt, wahrend die hysterischen Brustbeschwerden plotz-
lich eintreten.
Zuweilen finden sich bei der praefocatio matricis
Perioden, wo dann die Intervalle durch Willensschwache,
gelbes Gesicht, Schwache der Knie, Herzklopfen,
Schwere der Glieder, Kopfweh bezeichnet sind.
Die haufigste Ursache dieser Krankheit ist Zuriick-
bleiben und Verderbniss des weiblichen Saamens, seltner
und minder heftig ist die Krankheit bei blosser Ame-
norrhoe. Aus diesem Grunde leiden wohl oft men-
struirte Wittwen, selten aber nicht menstruirte Frauen
an genanntem Uebel. Bei Mannern kommt die Krank-
heit auch vor, obwohl seltner und minder heftig, als
bei Weibern, da der Saamen der letzteren schadlicher
und verderblicher ist."
Interessant ist es zu sehen, wie Franz von Pie-
mont sich hierbei wieder abqualt, ein Paar wider-
sprechende Stellen beriihmter Manner, besonders des
Serapion und Hippocrates zu vermitteln und aus-
zugleichen m). Besonders findet er es merkwiirdig,
dass bei hysterischer Ohnmacht auch noch im bewusst-
losen und empfindungslosen Zustand Krampfe auftreten,
obgleich philosophies dicit dass Bewegung und Empfin-
123) Snppl. fol. 93. col. 3—4.
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dung einerlei seien. Seine quaestio, responsio und
solutio fiber diesen Punkt nimmt beinah eine Folio-
seite ein.
«Die Therapie dieser Krankheit bezweckt zunachst
die Wegschaffung der Ursache, daher Wiedererwecken
der gestorten menses und Entfernen des uberflussigen
Saamens.
Ersteres geschieht durch Aderlass, Schropfkopfe,
Mineralbader, Ligaturen an die Schenkel, scharfe Pila-
ster, Fomente, Clystire und Umschlage. Unter den
emmenagogis wird hier vorziiglich genannt I24): hiera-
picra
ias), hieracolocynthidis, hiera Ruffina m), Pillen
von thapsia m), oxymel scillitticum, quinque radices m),
rubia tinctorum, enula, foenum graecum, semen lini,
124)   Hierapicra wurden vorziiglich zwci Latwergen genannt,
nemlich:
1)  hierapicra Galeni aus Aloe, Zimmt, Wermuth, Colo-
quinthen und 14 ahnlichen Stoffcn componirt. Nicol.
antidot. fol. 182. col. 3.
2)  hierapicra Constantini bestand aus 22 Arzneien, dra-
stischer, crhitzender Wirkung. Nicol. antidot. fol.
191. col. 1. Ausserdem erwiihnt Nicol. 1. c. noch
einer hierapicra Abbatis.
125)  Hieracolocynthidos war ein ahnlichcs Mittel wic das fol-
gendo und bestand aus Coloquinthen, Myrrhen, agaricus,
staechas
u. s. w. Mes. fol. 119. col. 3.
126)  Hiera Ruffina. Ein Mittel, das sich besonders gegen die
Elephantiasis bewiihrt zeigte, enthielt 21 Arzneien, dcren
vorziiglichste Aloe, helleborus, Pfeffer, asa, Salmiak waren.
Vergl. Nicol. antidot. fol. 190. col. 4.
127)  Thapsia, das Harz eines Doldengewachses, das in seincn
Eigenschaften der asa foetida glich.
128)  Quinque radices. Man hatte viele Arten derselben. Hier
sind wahrschcinlich quinque radices aperientes gemeint.
Murr. I. p. 303.
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sabina, sampsuchus m), Pfeffer, euphorbia, Rauche-
rungen von styrax, spica, nigella, im Getrank gebe
man Myrrhen, castorenm, diacyminum 13°), sagapenum,
Meerzwiebelsauerhonig/
Letzteres geschieht durch Arzneien und durch ort-
liche mechanische Mittel. Zu diesen gehoren die aus-
trocknenden Saamen, besonders ,SI) agnus castus, rata,
calamenthum, sicla, semen almarii lsl), diacyminum
u. s. w.
Auch erwahnt Franz von Piemont einer zu
seiner Zeit ziemlich gebriiuchlichen sehr obszonen Hiilfe,
indem er den Hebammen rath hier solchen Kranken mit
dem in Oel getauchten Finger commotionem delecta-
bilem
zu bewirken und ausserdem eigne Weiber nennt,
die mit instrumentis virgae virili similibus ausgeriistet aus
diesem Liebesdienst ein Geschaft machten 133). Beides
empfiehlt er als sehr hulfreich.
Nach Entfernung der uberflussigen Safte muss die
Diat eine sehr magere sein und alles Erhitzende, na-
mentlich Fleisch und Wein vermieden werden, welche
129)  Sampsuchus. 1st unser Majoran. Nicol. antidot. fol. 174.
col. 4.
130)  Diacyminum. Bestand aus sem. cumini (cuminum cyminum
L. Murr. I. 266) Pfeffer, Zimmt und vielen andern Ge-
wiirzen. Vergl. Nicol. antidot. fol. 171. col. 1.
131)  Von vitex agnus castus (L.) Man hielt ihn fiir ein Mittel
gcgen die Begierden, weil man glaubte er triige kcine
Frucht. Mes. 128. col. 3. Der Name agnus ist griechisch
ayvoc, d. h. castus, so dass agnus castus ein barbarischer
Pleonasmus ist.
132)  Semen almarii ist der Saamen von alisma Plantago.
133)  Vergl. Gynaecior. torn. I. in harm. Gynaec. ex Ckopatr.,
wo ein Pessarium in modum virgae virilis ad frictivnem
angegeben wird.
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Starkungsmiltel freilich wahrend der Paroxysmen nicht
zu entbehren sind.
Die zweite Hauptindikation ist Behandlung der ein-
zelnen Anfalle. Mit Recht bemerkt der Verfasser, dass
grade gegen diesen Punkt die meisten Verstosse ge-
macht wiirden. Aderlass ist ein unsicheres Mittel und
soil nach ihin bei hysterischen Schwangern gar nicht
angewendet werden. Die Ohnmacht behandelt er mit
heftigen Kiechmitteln, verbrannten Haaren, Federn, asa
foetida, castoreum, ruta;
mit schmerzhaften Ligaturen
der Extremitaten, starken Friktionen, Haarraufen, Zausen
an den Ohren, Schreien. Man halte solchen Personen
Nasen und Ohren zu, um die Ohnmacht durch Er-
stickungsangst zu heben. Schropfkople an die Lei-
sten, scharfe Bahungen, Bepflastern mit euphorbium,
scharfe Clystire aus Anis, Fenchel, aristolochia, spica
bis zur Wiederkehr der Besinnung. Helfen sie nichts,
so giesse man ein siedendes aromatisches Oel (ol. nar-
dinumde been, de balsamo)
auf'den Kopf, oder brenne
das Hinterhaupt.
Ein linderndes Oel, welches der Verfasser gegen
Multerschmerzen und Prafocation empfiehlt, besteht aus
balsamischen, gewiirzhaften und scharfen Substanzen
und wird am Nabel und den Fussen eingerieben.
Nach dem Paroxysmus miissen Mittel gegeben wer-
den, welche Herz und Hirn starken, besonders Opiate
und Nervina.
Gegen zuriickbleibendes Apostem des Uterus sind
mehre Pessarien aus balsamischen Stoffen aufgefiihrt.
Die iibrigen Weiberkrankheiten, welche Franz
von Piemont abhandelt sind von ihm mit soldier
Weitschichtigkeit und mit so wenig Eigenthitmlichkeit
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behandelt, dass deren Erwahnung und nahereErlauterung
iiberfliissig erscheint und nur ermuden wiirde. Das
Capitel von den Geschwiiren der Gebarmutter, von
welchem man vermuthen konnte, dass es etwas zur
Geschichte der Syphilis dienendes enthalten wiirde
scheint in vieler Beziehung bloss ein Phantasiestiick zu
sein, in dem der Verfasser die von ihm friiher abge-
handelte Lehre von den Geschwiiren der miinnlichen
Geschlechtstheile auf die weiblichen anwendet.
Die Harnblasenscheidenfistel, welche er gleichfalls
hierzu rechnet beschreibt er sehr unvollkommen und
erklart sie naturlich fur unheilbar.
Vom Uterinalkrebs, von der Gebarmutterentziindung,
die er beide unter dem Titel »apostema uteri humorale"
zusammenfasst, hat er nur undeutliche Begriffe.
In der Lehre von der Menstruation, zu der er, wie
ich schon ofters bemerkt habe, auch den weissen Fluss,
die hydrometra und andere Krankheiten, die vermehrte
Absonderung der Scheide in ihrem Gefolge haben, rech-
net, stossen wir auf Dinge, welche er in den friihern
Capiteln iiber die Verstopfung und Dislocation der Ge-
barmutter, sowie iiber dieHysterie schon sattsam genug
erortert hat.
Die Krankheiten der weiblichen Briiste, welche er
ausserst weitlaufig durchnimmt, zeigen ebenso wenig
Eigenthumliches und bieten nur eine praktische Anwen-
dung der Galenischen Lehre von den Elementarquali-
taten dar.
Von Kinderkrankheiten fuhrt er nur die helminthiasis
und den Nabelbruch, dessen Operation er beschreibt, an.
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