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toZ\\3
m^
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H. HEIIVE.
RIJKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT
A06000017765334B
1776 5334
ROTTKKDAM,
H. ALTMANN. - 1875.
B
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Opdrukt hg «. j THIIMB, te Arnhem.
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1
VORREDE 7AJR DRITTBN AUFLAGE.
Das ist der altc Mahrehenwald!
Es duftet die Limleubliïthc!
Der wunderbare Mondenglanz
Bezaubert meiu Gcmüthc.
Icli ging fürbasi, und wie ich ging,
Evklang es in der Höhe.
Das ist die Nachtigall, sie singt
Von Lieb\' und Liebeswehc
Sie singt von Lieb\' und Liebcsweh\',
Von Thranen und vou Lachen,
Sie jubelt so traurig, sie schluehzct so froh,
Vergcssene Tribune erwaclien. —
Ich ging fürbass, und wie ich ging,
Da sah ich vor mir liegen
Auf freiera Platz cin grosses Schloss,
Die Giebel hochaufsticgen.
(£.-----------------------------------------------------------------------Jj
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VI
-----------------\'——---------------------------------------------------e>
Vcrschlossene Penster, iibcrall
Ein Schweigcn und eiu Trancrn;
Es schien, als wohnc der stille Tod
In diescn oden Mauern.
Dort vor dcm Thor lag cinc Sphinx,
Ein Zwitter von Schrecken nnd Lusten,
Der Lcib und die Tatzen wie ein Löw\',
Eiu Weib an Haunt und Brü»teu.
Ein schóncs Weib! Der wcisse Bliek,
Er sprach von wildem Begehren;
Die stummcu Lippen wölbteu sicb
Und liichelten stilles Gcwalireu.
Die Nachtigall, sie sang so süss,
Ich konnt nieht widerstchen —
Und als ich küsste das holde Gesieht,
Da wars urn mich geschenen.
Lebendig ward das Marmorbild,
Der Stein begann zu üchzeu —
Sie trauk ineiner Küs9e lodernde Gluth
Mit Diirstcn und mit Lechzeu.
Sie trank inir fast den Odein aus —
Und endlieh, wollustheischeud,
Umschlaug sic mich, raeincn armen I.eib
Mit den Loweutatzeu zerüeischend.
Entzückende Marter und wonniges Weh!
Der Schmerz wie die Lust unermcsslieh!
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VII
üerweilen des Muudes Kuss midi beglückt,
Verwonden die Tatzen midi grasslich.
Die NBchtigall sang: „O schone Sphinx!
O Liebe! was soll es bedenten,
Pass du vennisehest niit Todesqual
AU\' deine Seligkeiten?
„O schüiie Sphinx! O löse mir
Das Rathscl, das wonderbare I
leli hab\' dariiber nachgedaclit
Selion manche tausend Jahre."
— fias biitte ieh Alles sehr gut in gnter Prosa sagen
können . . . Wenn man aber die alten Gedichte wieder
durcliliest, urn ihnen, Behufs eines erneuerten Abdrucks,
einige Nachfeilc zu ertheilen, dann iiberrasebt Eincn
unversehens die klingclnde Gewohnlieit des Reims nnd
Silbenfalls, und siche! es sind Verse, womit ich diese
dritte Aiiflaire des Buchs der Lieder\'\' eröffne. O Phöbns
Apollo! sind diese Verse schlecht, so wirst dn mir gern
verzeihen . .. Denu du bist cin allwissender Gott, und
du weisst sehr gut, warum ich mieh scit so vielen Jahren
nicht mehr vorzugzweise mit Mass und Gleichklang der
Wórter beschiiftigen konnte . . . Du weisst, warum die
Flamme, die einstin brillanten Feuerwerkspielen die Welt
ergützte, plötzlich zu weit ernsteren Branden verwendet
-$
S---------------------------------------------------------------
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VIII
«--------------------------------------------------------------------------------<?;
werden musstc ... Du weisst, waruin sic jetzt in schwei-
gsnder Gluth mein Hcrz verzehrt... Du verstehst mich,
grosser schoner Gott, der du ebcnfalls die goldene Leier
zuweilcn vertauselitcst mit dem starken Bogen und Jen
tödtliehen Pr\'eilcn . . . Erinnerst du dieh aueh noch des
Marsvas, den du lebendig geschunden ? Es ist schon lange
her, und ein iihuliclics Beispiel thiit\' wieder noth ...
Du liichelst, o mein ewiger Vatcr\'
Gesehrieben zu Paris, den        Heinrioh Heine.
20 Februar 1839.
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JUNGE LEIDEN.
mi:--ih\'ji.
-Ag
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$
Traumbilder.
I
Mir triiumte einst von wilden Liebcsgliïhn,
Von hübschco Lonken, Mirten mul Resede,
Von sussen Lippen und von bittrcr Rede,
Von düstrcr Liedei düstcrn Melodien.
Vcrblichen und verwent sind langst die Trannie,
Vcrwelit ist gar mein liebstes TraumgebilJ \'
Geblicben ist mir uur, was gluthenwild
Icli einst gegossen liab\' in wciche Reime.
Du bliebst, venvaistes Lied! Vcrweli\' jetzt aneli,
Und stteh\' das Traumbild , das mir liingsl entschwunden,
Und grüss\' es mir, wenn du ei aufgefundcn —
Dein luft\'gen Schatten send\' ich luft\'geu Haueb.
©----------------------------------------------------------------&
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I
s>------------------------------------------------------------------------------------
II.
Ein Traum, gar seltsam schaucrlich,
Ergötzte mid erschrccktc mich.
Noch schwebt inir vor manch grausig Bilil,
Und in dem Herzen wogt es wild.
Das war eiu Gartcu, wundcrsehón,
Da wollt\' ich lustig midi ergchn;
Viel schünc Bluinen sahn mich an,
Ich hatte meiiie Freude dran.
Es zwitschcrten die Vügelciii
Viel muntrc Liebesmelodein;
Die Soiinc roth , von Gold umstrahlt,
Die Bliimen lustig buut bemalt.
Viel Kalsamduft aus Kriiiiteni rinnt.
Die I.üftc wehen lieb mul liud;
Und Alles Bchiramert, Alles lacht,
Und zeist tuit frcuudlich seine Pracht.
Inmitten in dem Blumenland
Eiu klarer Marmorbrunncii stand; .
Da schaut\' ich einc schone Maid,
Die emsig wusch ein weisses Kleid.
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Die Wiiugleiu siiss, die Aeuglein mild,
Ein blondgelocktes Heil\'genbild;
Uuil wie ich schau\', die Maid ich land
So tVemd und doch so wohlbckaunt.
Die schone Maid, die sputet sich,
Sic siiniint ei» Lied gar wimderlich:
\'Rinne, riune, Wasserlein ,
«Wasche mir das Linnen rein!"
Ich ging und nahete niicli ihr,
Und flüsterte: O sage mir,
Du wunderschöne, süsse Maid,
1\'iir wen ist dieses weisse Kleid P
L)a spiacb sie sehnell: »Sei bald bereit,
Ich wasche dir dein Todteukleid I"
I ud als sie Dies gesprochen kun in ,
Zerfloss das gauze Bild wie Schaum. —
Uud t\'ortgezaubert stand ich bald
In cinem diistern, wilden Wald.
Die Biiunie ragten himmelau;
Ich staud erstaunt und sann uud sauu.
Und horch! welch dumpfer Wiederhall!
Wie ferner Aextcnschliigc Schall;
Ich eil\' durch liusch uud Wildniss fort,
Und komm\' au eiuen l\'reien Ort.
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Inmitten in dem granen Kanm ,
Da stand cin grosser Eichenbaum;
Uud siehl mcin Magdlein wundersnm
lliint ><iii dcm Bril den Eichenstamm.
I nd Schlag auf Scblag, uud gondel Wcil\',
Siimmt sie eiu Lied und schwingt das Heil:
•Eisen blink, Eisen blank,
\'Zimmre hurtig Eichenschrank!"
Ich ging und nahete mich ihr,
Und flüsterte : O sage mir,
Du wundersüsses Miigdelein,
Wem zimmerst du den Eichenschrein\'r"
Da spiach sie schnell: /Die Zeit ist karg,
Ich zimmre deinen Todtrnsarg!"
Und als sie Dies geaproehen kanm,
Zerfloss das ganze Bild wie Sehaum. —
Es lag so bleich, es lag so weit
Kingsum nar kahle, kahle Heid\';
Ich wusste nicht, wie mir gesehah ,
Und heimliuh schauderud stand ich da.
Und nun ich eben fürder schweit",
Gewahr\' ich eiuen weisseu Streif;
Tch cilt\' drauf zu, und eilt\' uud stand,
Und sieh! die schone Maid ich faud.
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Auf weiter Heid\' stand weisse Maid,
Gritb tief die Erd\' mit Grabescheit.
Kaum wagt\' ich noch sic an/.uschaun,
Sic war so schön und doch ein Graiin.
Die schone Maid, die sputct sich,
Sie Minimi cin Lied gar wunderlich:
••Spaten, Spaten, scharf und breit,
•Schande Gmbe tief und weit!"
Ich ging und nahcte mich ihr,
Und flüsterte: O sage mir,
Du wunderschüne, süsse Maid,
Was diesc Grube hier bedeut\'t?
D.i sprach sie sehnell: "Sei stilt, ich hab\'
Grschaufclt dir cin kühlcs Grab.\'\'
Und als so sprach die schone Maid,
Da ijrt\'nct sich die Grube weit.
Und als ich in die Grube schaut\',
Kin kaltcr Schauer mich durchgraut;
Und in die dunkle Grabesnacht
Stürzt\' ich hinciu, — uud bin erwacht.
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111.
lm nncht\'gcn Trauiu liiib\' ich midi selbst gcschaul ,
j In schwaizein Galat\'rack umi seidncr Weste,
Manschettcn au der Hand, al» ging \'s 7.11111 Feste,
1 "ii<l voi\' ui il\' stand nieiii Liebcheu, aiiat und Iraut.
Ich beugte mich and sugt* -. »Sind Sic Bnutf
Ei! ei! so gratulir\' ich, meiue Be*!\'\'
Doch last die Kehle mir zusaimnenjircsstr
Der langgezog\'ne, voruehm kalte Laut.
liud bittre Thröuen plötitlich sich ergosscn
Aus Liebcheus Augen, uud in Thranenwogeu
Ist mir das holde Bildni6s tast zcrUossen.
O süssc Augen, i\'roimue Liebesst rnc,
Obsehou ihr mir ini Wachen oft gelogen ,
Und auch ini Traum, glaub\' ich ench dennoch genie !
IV.
lm Trauin sah ich ein Mauiichen, klein und putzig,
Das ging auf Stelzen, Schritte ellen weit,
Trug weisse Wasche und ein feines Kleid,
Inwendig aber war es grob uud schmutzig.
Inwendig was es jhmnierlich, nichtsnutzig,
Jedoch von aussen voller Würdigkcit;
Von der Kourage sprach es lang und breit,
Und that sogar recht trutzig und recht stutzig.
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A----------------------------------------------------------------------------------------------<®
«Und weis9t du , wcr Das ist? koimn lier and schau\'t"
So sprach der Traumgott, und er zeigt mir sclilau
Die Bilderflutli in eines Spiegels Rahmen.
Vor eincm Altar stand das Miumclien da,
Mei» Lieb daueben, Beide spraehen: ».Ia!"
Und tausend Teufel riefcn lachend: »Aineu."
V.
Was treibt und tobt mei» tolles Blut?
Was flammt meiii Herz in wilder Gluth?
Es kocht mein Blut und schiiuint und gülirt,
Und grimnie Gluth nieiu Herz verzehrt.
Das Blut ist toll, und giihrt und schanmt,
Weil ich den bösen Traum getriiumt:
Es kam der finstie Sohu der Nacht,
t ml hut mich keucbead fortgebraeht.
Er bracht\' mich in ein helles Hans,
Wo Harfenklang und Saus und Brau9,
Uud Fackclglauz und Kerzeuschein;
Ich kam zum Saai, ich trat hinein.
Da9 war ein lustig Hochzeitfest;
Zu Tafel sassen froh die Giist\'.
Und wie ich noch dem Brautpaar schaut\', —
O Web! mein Liebchen war die Braut.
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Hkink\'s Hitch i/er l.ieilfr.                                                       2
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Das war mein Liebchcu wunnesam,
Kin frciuder Mann war Brautigam;
Dicht binten» Ehrenstuhl der Braut,
Da blieb ich «tehu, gab keineu Laut.
Es rauscht Musik, — gar still stanil ich;
Der Kreudenliirm betrübte mich.
Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,
Der Brnut\'gam ihre Hinde driickt.
Der Briiiit\'gam fiillt den Bechcr sein,
l\'nd trinkt darans, uud reicht gar fein
Der Braut ihn hin; 9ic liichelt Dank, —
O weh! mein rothes Blut sic trank.
Die Braut ein hiibsches Aepflcin nahm,
l\'ud reicht <•> hin dem Brüutigam.
Der nahm sein Messur, schnitt hinein, —
O weh! Das war das Herze mein.
Sie iiugclu süss, sie augeln lang,
Der Brüut\'gnm kiihn die Braut umschlang,
Und kiisst sie auf die Wangen roth,
O weh! mich kiisst der kalte Tod.
Wie Blei lag mcine Zong\' ini Mund,
Dass ich keia Wörtlein sprechen kuunt\'.
Da rauscht\' es auf, der Tanz begann;
Das schmueke Brnutuaar tanzt voran.
S
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11
Umi wie ich êtniul so leichcnsiumm,
Die Tiiuzer schweben flink herum; —
Ein leises Wort der Briiut\'gam spricht,
Die Braut wird roth, doch zürnt sie nicht.-------
VI.
lm sussen Traum, bei stiller Nacht,
Da kam zu mir mit Zaubi rmacht,
Mit Zanbermacht, die Liebtte mein ,
Sie kam zu mir ins Kümmerlein.
Ich schau\' sie an, das holde Bild !
Ich schau\' sic an, sie lüchelt mild,
Und lachelt, bis das Herz mir schwoll,
Und stiirmisoh kühn das Wort entquoll:
»Xiinm hin, nimm Alles, was ich hab\',
Mein Liebstes tret\' icli gern dir ab,
Durft\' ich dafür dein Buhle sein ,
Von Mitternacht bis Hahneuschrein."
Da staunt mich an gar seltsamlich,
So lieb, so weh und inniglich,
Und sprach zu mir die schone Maid:
«O , gieb mir deiue Seligkeit!"
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"Metn Leben süss, mcin juiiges Blut,
Giib\' ich mit Frcud\' und wohlgemuth
Kür dich, o Müdcheu , engelgleich, —
Doch nimmermehr das Himmelreich."
Wohl braust hervor mcin raschcs Wort,
Doch blühet schüner immerfort,
Und immer spricht die schone Maid:
• O, gieb mir deinc Seligkeit!"\'
Dumpf dröhnt dies Wort mir ins Gehör,
Und schleudert mir ein Gluthenmeer
Wohl in der Seele tiefsten Kaum;
Ich athme schwer, ich athme kaum. —
Das waren weisse Engelein,
Uingliinzt vou goldnem Gloricnschein;
Nun abcr stürmte wild heraut
Ein graulich schwarzer Koboldhauf.
Die rangen mit den Engelein,
Uud drüngtcii fort die Engelein ;
Und endlich auch die schwnrze Schar
In Nebelduft zerrouueu war. —
Ich aber wollt\' in Lust vergehu,
Ich hielt ira Arm mein Liebchen schön !
Sie schmiegt sich au mich wie ein Reh,
Doch weint sie auch mit bitterm Weh.
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Ecius Liebchen weint; ich weiss warum,
Und küss\' ihr Rosenmiindlein stumm —
»0 still\', feina Licb, die Thrnuenfluth,
Ergieb dich ineiuer Liebesgluth!
"Ergieb dich meiner Liebesgluth —"
Da plcitzlich starrt zu Eis uiciu Bint;
Laut bebet auf der Erde Grond,
Und üffnet giihnend sich cin Schlnnd.
Und aus dem schwarzcn Schlunde steigt
Die schwarze Schar; — fcins Lieb erbleicht!
Aus rneincu Armen schwand feins Lieb;
Ich ganz alleine stehen blieb.
Pa tanzt im Kreise wuuderbar
Um mich herum die schwarze Schar.
Und dringt herau, erfasst mich bald,
Und geilend Hohngelachter schallt.
Und immer enger wird der Kreis,
Und immer summt die Schaucrwcis\':
"Du gabest hin die Scligkeit,
Gehörst uns nun in Ewigkeit!"
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VII.
Nuu hast du das Kaufgeld, nuu zögerst du doch?
Blutfinstrer Gesell, was zögerst du noch?
Scliou sitze ich liarrcnd im Rammerlein trant ,
Und Mittcruacht naht schou, — es fehlt uur die Braut
Viel schauernde Lüftehen vom Kirchhofe welm; —
Ihr Lüftrhcnï habt ihv meiu Brautchen gesehn?
Viel blassc Larven gestalten sich da,
Umkuixcu mich grinscud and nicken: »Oja!"
Pack\' aas, was bringst du für Botachaftcrci,
Du schwaizer Srhiingel in Fcucrlivrei?
«Die guadigc Herrschaft meldct sich an,
Gleich kouimt sie gefahren im l)rachenges]ianu."
Du lieb grau Mannchen, was ist dein Uegehr?
Mcin todter Magister, was treibt dich her?
Er schaut mich mit schweigend trübseligem Bliek,
Und schüttelt das Haupt und wandelt zurück.
Was winsclt und wedelt der zott\'ge Gesell ?
Was gliinmert Schwarz-Katcrs Auge so heil?
Was heulen die Weiber mit fliegendem Haar?
Was lullt mir r\'rau Aininc niein Wiegenlied gal?
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Ir,
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Frau Aininc, bleib hcut niit dein Singsaug 10 Haat,
Das Eiapopeia ist lange schon aus;
Ich feire ja heute meiu Hochzcitfest, —
Da schau\' mal, dort kommen schon lierliehe Gast\'.
Da schau\' mal! Ihr lierren, Das ncinf ich galant!
I Ihr tragt, statt der Hüte, die Köuf in der Hand!
Ihr Zappelbein-Leutchen im Galgen-Ornat,
Der W hul ist still, nas kornuit ihr so spat?
Da kjiiiint auch alt Bcsenstieluiiitterchcu schon,
l Ach, scgne mich, Miitterchen, bin ja dein Sohu.
Da zittert der Mand im weissen Gesicht;
\'In Ewigkeit, Amenl" das Miitterchen spricht.
Zwólf winddürre Musiker schleudern herein;
Wind Ficdehvcib holpert wohl hinterdrein.
Da schleppt der Hanswurst, in buutscheckiger Jack\',
Den Todtengraber huckcpack.
Es laiiz.cn zwölf Klosterjungfrauu herein :
Die schielende Kupplerin fiihret den Reihn.
Es folgen zwölf lüsterne Pfaffelein schon,
Und pfeifen ein Schandlied im Kirchenton.
Herr Trödlcr, o schrei dir nicht blau das Gesicht.
lm Fegfeucr nützt mir dein Pelzrückel nicht;
Dort heizet man gratis jahraus, jahrein,
Statt mit Holz, mit Fürsten- und Hettlergebein.
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Die Blumenmadchen siad bucklicht und kriinim,
Und purzeln kopfüber im Zimmer hcrum.
Ihr Eulengesichter und Heuschreekcnbcin ,
Hei! lusst mir das Rippcngeklapper nur sein!
Die süinmtlichc Höll\' ist los fürwahr,
Und liirmet und schwarmet in wachseuder Schar;
Sogar der Verdammniss-Walzer erschallt, —
Still, still! uuu kommt mein Feinsliebchen auch bald.
Gesindel, sei still, oder trolle dich fort!
Ich höre kaum selber meiu leibliches Wort, —
Ei, rasselt nicht ebou ein Wagen vor\'r1
Frau Köchin! wo bist du ? schuell üffnc das Thor !
Willkoiumen, Feinsliebchen, wiegeht\'s dir, mein Schat/. ?
Willkommeu, Herr Pastor, ach, nehmen Sie Platz!
Herr Pastor mit Pferdefuss und Sehwanz,
Ich bin Eu\'r Ehrwürden Dicnsteigeuer ganz!
Lieb Brautchen, was stehst du so stumm uud so bleich\'.\'
Der Herr Pastor suhreitet zur Training sogleich;
Wohl zahl\' ich ihm theure, bluttheure Gebiihr,
Doch, dich zu besitzen, gilt\'s Kinderspiel mir.
Knie nicder, siiss Briiutcheu, knie hin mir zur Seit\'! —
Da kniet sic, da siukt sie, — o selige Freud?! —
Sie siukt mir aus Hens, au die schwcllcnde Brust,
Jch halt\' sie uniselilungcu mit schauerndcr Lust.
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Die Goldlockenwellen umspielen uns Beid\'\'
An mcin Herzc pochte dos Hcrze der Maid.
Sie pocbcn wohl beide vor Lust und vor Weh,
l\'iul schweben hinauf iu die Himmelshüh\'.
Die Herzlcin schwimmen im Freudensee,
Dort oben in Gottes heil\'ger Höh\';
Doch nuf den Haupteru, wie Grausen und Brand,
Da hut die Holle gelegt die Hand.
Das ist der finstre Sohu der Nacht,
Der hier den segnenden Priester macht;
Kr murmelt die Kormel aus blutigem Buch,
Sein Beten ist Lastern , sein Segen ist Kluch.
Und es krüchzct und zischet und heulet toll,
Wie Wogeugebrausc , wie Douuergeroll;
Da blitzet auf einmal eiu blauliches Licht, —
"In Ewigkeit, Amen!" das Mütterchen spricht.
VIII.
Ich kam von meiner Herrin Haus,
Und wandelt\' in Wahnsinn und Mitternachtgraus.
L\'nd wie ich am Kirchhof vorübergehu will,
Da winken die Griihcr erii6t und still.
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IK
Da winkt\'s von des Spielmamis Leicheusteiu,
Das war der flimmerade Mondesschein.
Da lispclt\'s: »Lieb Brudcr, ieh kommc gleich!"
Da steigt\'s aus dem Grabe nebelbleich.
Der Spielmann war\'s, der cutsticgen jetzt,
Und lioch au f den Lciclienstcin sich sctzt.
Uud die Saiten der Zitlier grcift er sehucll,
Und siugt dabei recht liuhl und greli:
Ei! keuut ihr noch das alte Lied,
Das einst so wild die Brust durchgliiht,
Ihr Saiten, dumpt\' und triibe\'r1
Die Engel, Die nennen es Iliinmclsfreud\',
Die Teufel, Die nennen es Höllenleid,
Die Menschen, Die nennen es — Liebe! \'
Kaam tönte des letzten Woi-tes Schall,
Da thaten sich auf die Griiber all\';
Viel Luftgestalten dringen herror,
Umschweben den Spielmann und Bchrilleu im Chor:
«Liebe! Liebe! deine Macht
Mat uns hier zu Bett gebracht,
Und die Augen zugemacht, —
Ei, was rufst du in der Nacht P"
So heult es verwonen, uud iichzet und girrt,
Und brauset und sauset, und kriichzet und klirrt;
Und der tollc Schwarm den Spielmann umschweift,
Und der Spielmann wild in die Saiten greift:
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«Bravo! Bravo! immer toll!
Seid wiHkommen !
Habt vernoinmcu
Dass nieiii Zauberwort erscholl!
Liegt man iloch jahraus, jabrciu,
Mauschenstill in Kammcrlein;
Lasst uus beute lustig sein!
Mit Vergunst, —
Scht erst n, siud wir alleinV —
Narren waren wir im Leben,
Und mit tollcr Wutli ergeben
Kiuer tollen Liebesbrunst.
kiir/.wi\'il kann uns bent uiebt febleu,
Jedcr soll hier treu crzahlen,
Was ihu weiland bergebracht,
Wie gchetzt,
Wie zerfetzt
Ihn die tolle Licbesjagd !"
Da hüpft aus dein Kreise, so leiebt wie der Wind,
Eiu inageres Wesen, das suminend begiunt:
"Ich war ein Schneidergcselle
Mit Nadel und mit Scher\';
Ich war so flink und schnelle
Mit Nadcl und mit Scher\' ;
Da kam die Meisterstochter
Mit Nadcl und mit Scher\';
Und hat mir ius Huns gestochen
Mit Nadcl und mit Scher\'."
b-----------------------------------------4
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©-
Da lachten die Geister iin lustigen Chor;
Eiii Zweiter trat 9till umi ernst hervor:
/Den Hiualdo Kinaldiui ,
Schinderhanno, Orlandini,
Uud besonders Carlo Moor
.Nahm ieh mir als Muster vor.
«Auch verliebt — mit Elir\' zu melden
Hab\' ieh niich wie jeac Helden,
Und das schönste Fraueubild
Spukte mir im Kojife wild.
\'Und ieh scufzte auch und girrtej
1\'nd wenu Liebe mieh venvirrtc,
Steekt\' ieh meine F\'inger rasch
In des reichen Nachbars Tasch\'.
\'Doch der Gasseuvogt inir grollte,
Dass ieh Sehnsuchtsthraucu wollte
Trocknen mit dein Taschentuch,
Das mein Nachbar bei sich trug.
•Und nach frommer Haschersitte
Nahui man still mieh in die Mitte,
Und das Zuchthaus, heilig gross,
Seliloss mir auf deu Mutterschoss.
"Schwelgeud süss in Liebessinuen,
Sass ieh dort beim Wollesninuen,
Bis Kiualdo\'s Schatten kam
Und die Seele mit sich nahm.\'\'
s
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BI
a----------------------------------------------------------------ffl
Da lachten die Geister im lustigen Dior;
Geschminkt und geputzt trat ciu Dritter hervor:
«Ich war ein Künig der Hrctter,
Und spielte das Liebhaberfach,
Ich briillte manch wilden: »Ihr Göttcr\'"
Ich scufzte manch ziirtliches: »Ach!"
»Oen Mortimer spielt\' ich am besten,
Maria war immer so schön!
Doch trotz der natürlichsteu Gesten,
Sie wollte mich nimmer verstehn. —
«Einst, als ich vcrzweifelnd am Endc:
«Maria, du Heilige!" ricf,
Da nahm ich den Dolch behende
Und stach mich ein bischeu zu tief."
Da lachten die Geister im lustigen Chor;
lm weissen Flausch trat ein Vicrter hervor:
»Vom Katheder schwatzte hcrab der Professor,
Er schwatzte, und ich schlief gut dabei ein;
Doch hiitt\' mir\'s behagt viel tausendmal besser
Kei seiucm holdseligen Tochterlein.
»Sie hat mir oft zürtlich am Fcnster genicket,
Die Blume der Blumen, meiu Lebcnslicht!
Doch die Blume der Blumen ward endlich gcpflückct
Vom dürren Philister, dem reichen Wicht.
-<k
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sa
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<Da flucht\' ich den Weiberu umi reienen Ilalunken ,
Und mischte mir Teufelskraut in den Wcin,
Und hab\' mit dem Tude Schmollis gctrunken ,
Der sprach: «Fidncit, icli heissc Freunil Hein!"
Da laehten die Geister im lustigen Chor;
Eineu Strick um den Hals, trat ein Fünfter licrvnr:
»E9 prunktc und prahlte der Graf beim Wciu
Mit dem Tóchterchen sei\'i und dem Edelgcstcin.
Was schert mich, du Griiflein, dein Edelgestein?
Mir mundet weit bcsser dein Tóchterlein.
»Sie lagen wohl Beid\' unter Riegcl und Schloss,
Und der Graf bcsold\'te viel Dieucrtross.
Was scheren mich Diencr und Riegel und Schloss? —
Ich stieg getrost auf die Leiterspross\'.
"Au Liebchens Fensterlein klettr\' ich getrost
Da hür" ich es mi ten fluchen erbost:
«Fein sachte, mein Bübchen, muss auch dabei sein,
Ich licbc ja auch das Edelgestein."
• So spöttelt der Graf und erfasst mich gar,
Und jauchzend omringt mich die Dienerschar.
»Zum Teufel, Gesindel! ich bin ja kein Diebj
Ich wollte uur stehlen mein trautes Licb!"
• Da half kein Gerede, da half kein Rath,
Da machte man hurtig die Strickc parat;
Wie die Sonue kam, da wundert\' sic sich,
Am hellen Galgen fand sie mich."
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---------------------------------------------------o,
Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Den Kopf in der Hand, tritt ein Seehster hervor:
»Zum Waidwerk trieb uiich I,iebesharm;
lch schlich umher, die Büchs\' im Arm.
Da schnarret\'s hohl vom Baum herab,
Der Rabe Hef: «Kopf — ab! Kopf — ab""
\'O, spurt\' ich doch ein Tiiubclien aus,
Ieh briicht\' es ineinem Lieb nach Haus!
So dacht\' ich, und in Busch und Strauch
Spnht rings umher mein Jiigeraug\'.
< Was koset dolt ? was schniibelt fein ?
Zwei Turtcltiiubchen mögen\'s sein.
Ich schleich\' herbei — den Hahn gespaunt, —
Sieh da\' mein eignes Lieb ich fand.
•\' Das war mein Tiiubchcn, meiue Braut.
Ein fremder Manu umarmt sie traut, —
Nun, alter Schütze, treffe gut ! —
Da lag der fiemde Manu im Blut
Hald drauf ein Zug mit Hcnkersfrohn —
Ieh sclbst dabei als Hauptperson —
Den Wald durchzog. Vom Baum herab
Der Kabe rief: «Kopf — ab! Kopf — ab\'\'
Da lachten die Geister im luatigen Chor;
T>a trat der Spielmann selbcr hervor:
$
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u
Q-----------------------------------------------------
«Icli hiib\' mal i\'Im Liedcheu gesuugcu,
Das schüne Lied ist aus;
Wenn das Hcrz im Leibc zersprungeu,
Dann gehen die Lieder nach Haus!"
Und das tollc Gclftchter sich doppclt erhebt,
Und die bleichc Schar im Kreisc schwebt;
Da scholl vom Kirchthnrm\' «Eins" herab,
Da stürzleu die Geister sich heulend iiis Grab.
IX.
Ich lag und schlicf, und schlicf recht mild ,
Verscheucht war Gram und Leid;
Da kam zu mir ein Traumgebild,
Die allcrschüustc Maid.
Sie war wie Marmclstein so bleich,
Und heimlich wunderbar;
lm Auge schwumin es pcrlengleicb ,
Gar seltsam wallt\' ihr Haar.
Und leisc, leise sich bewcgt
Die marmorblasse Maid,
Und an mcin Herz sich niederlegt
Die marmorblasse .Muiil.
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»6
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Wie bebt umi pocht vor Weh uiid Lust
.Mein Herz und brennet heiss!
Nicht bebt, nicht pocht der Schonen Brust,
Die ist «o kalt wie Kis.
«Nicht bebt, nicht pocht wohl nieine Brnst,
Die ist wie Eis so kalt;
Doch kenn\' auch ich der I.iebe Lust,
Der Iiiebc Allgewalt.
»Mir bliilit kein Roth auf Mund und Wang\',
Mein Herz durchstroïnt kein Blut;
Doch stiiiube dich nicht schauderud bang\',
Icli bin dir hold und gut."
Und wilder noch amsehlang sie mich,
Und that niir fast ein Ijeid;
Da kriiht der Hahu — und stumm entwicli
Die marmorblassc Maid.
X.
Da hab\' ich viel blassc Leicheu
Beschworeu mit Wortcsmacht;
Die wollen nun nicht mehr weichen
Zurück in die alte Nacht.
HüINl\'a Hucl, ,ler T.irJer.                                                                3
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2A
©-------------------------------------------------------------------------
Dag zahmende Sprüchlein vom Meister
Vergass ich vor Schauer und Graus ;
Nim zichn die cigncn Geister
Mieh selber ins ueblichte Haas.
Lasst ab , ihr finstern Diimonen I
Lasst ab, and dringt mich nicht!
Noch manche Freudc raag wohnen
Hier oben im Rosenlieht.
Ich mnss ja immer 9treben
Nach der Blnme, wunderhold ;
Was bedeutet\' inein ganzes Leben.
Wemi ich sie nicht lieben sollt\'?
Ich mocht\' sie nur einmal umfangcu ,
Und pressen ans gliihende Herz!
Nur einmal auf Lippen und Wangen
Kussen den seligsten Schmerz!
Nur einmal aus ihrem Munde
Mocht\' ich horen ein liebendes Wort, —
Alsdann wollt\' ich folgen zur Stunde
Euch, Geister, zum finstcren Ort.
Die Geister haben\'s vernommen,
Und nicken schauerlich.
Feinsliebchen, nun bin ich gekommeu; —
Feinsliebchen, liebst du mich ?
$
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©---------------------------------------------------------------3)
L i e d e r.
Morgens stch\' ich auf uud fragc:
Kommt Feinslicbchen Leut?
Abends link\' ich hin umi klage:
Ausblieb sie auch heut.
In der Nacht mit meinem Klimmer
Lieg\' ich schlatlos, wach;
Trimmend, wie im halben Schlummer,
Wandie ich bei Tag.
*---------------------------------------------------------&
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28
©------------------------------------------------------------------------3)
II.
Es trcibt mich hiu, es treibt mich her!
Noch weuige Stuuden, dann soll ich sic schauen
Sie selbcr, die schünste der schonen Jungfrnuen; —
Dn treues Herz , was pochst du so schwer!
Die Stunden sind abcr ein faules Volk !
Schleppcn sich bchaglich triige,
Schleichcn giihnend ihre Wege; —
Tummle dich, du faules Volk!
Tobcndc Eile mich treibend erfasst!
Aber wohl niemals liebteu die Horen; —
Heimlich im grausainen Bunde verschworen,
Spotten sie tückisch der Liebenden Hast.
III.
Ich wandelte unter den Biiumcn
Mit meinem Gram allein;
Da kam das altc Triiumen,
l iid schlich mir ins Herz hinein.
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29
5------------------------------------\'-----—--------------—---------S
Wer hat euch dicss Wörtleiu gelehret,
Ihr Vügleiii iu luftiger Höh?
Schwcigt still! wenn mein Herz es höret,
Dann tliut es noch ciumal so weh.
• Es kam eiit Jungfraulein gegaugen,
Die saug es immerfort,
Da haben wir Vöglein gi\'faugen
Das hübsche, goldene Wort."
Das sollt ihr mir nicht mehr crzahlen,
Ihr Vöglein wundcrschlau;
Ihr wullt meiuen Kunnner mir stehleu,
Ich aber Nieinanden trau\'.
IV.
Lieb Liebchen, leg\'s Hiindchen anfs Herze mein;-
Ach, horst du, wie\'s pochet im Kümmerlein ?
Da hauset cin Zimmermann schlimm und arg,
Der zimmert mir cinen Todtensarg.
Es hiimmert und klopfet bei Tag und bei Nacht.
Es hat mich schon liingst um den Schlaf gebracht.
Ach! sputet euch, Meister Zimmermann,
Damit ich balde schlafeu kann!
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80
8>------------------------------------------------------------------------©
v.
Schone Wiege meiuer Leiden,
Schünes Grabinal mcincr Ruh,
Schone Stadt, wier müsscu scheiden, —
Lebe wohl! ruf* ich dir zu.
Lcbe wohl, du heil\'ge Schwellc,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Lebe wohl, du heil\'ge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.
HStt\' ich dich doch nie gesehen,
Schone Herzenskonigin !
Nimmer war\' es dann geschehen,
1\'uss ich jclzt so elend bin.
Nie wollt\' ich dein Herze riihrcn,
Liebe hab\' ich nie erfleht;
Nur cin stilles Leben führen
Wollt\' ich, wo dein Odem weht.
Doch du drüngst mich selbst von hinnen,
Bittre Wortc spricht dein Mund;
Wahnsinn wiihlt in meinen Sinnen ,
Und mein Herz is krank mul wund.
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Und die Glieder matt und triige
Schlenu\' ich fort aiu Wanderstab,
Bis mriii mud es llaupt ich lege
Ferne in ein kuhlcs Grab.
V].
Warte, «arte, wilder Schiffsmauu,
Gleich folg" ich zum Hafen dir;
Von zwei Jungfraun iiehm ich Abschied,
Von Europa und vou ihr.
Blutquell, riiin\' aus mciuen Augen,
Bliit(|iii\'ll , brich aus ineincm Leib,
Dass ich mit dein heissen Blute
Meine Schmcrzcn niederschreib\'.
Ei, mein Lieb, warum just heute
Schaudcrst du, mein Blut zu sehn V
Sahst mich bleich und hcrzeblutend
Lange Jahrc vor dir stehn!
Kenust du noch das alte Liedchcn
Von der Schlang\' fan Paradies,
Die durch schlimme Apfelgabc
linten Ahn ini Blond stiess?
--\'.,
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Alles Uuheil brachten Aepfel!
Eva bracht\' damit den Tod ,
Eris brachte Troja\'s Hammen,
Du brachtst Heides, Flamm\' und Tod.
VII.
Berg\' und Huigen schaun heiunter
In den spiegelhellcn Rhein,
Und mein Schiffchcn segelt munter,
llings umglönzt von Soniienscheiu.
ltuhig seh\' ich zu dem Spiele
Golduer Wellen, krans bewegt;
Still erwachen die Gefühle,
Die ich tief im Buscn hegt\'.
Frcundlich griisseud und vcrheissend
I.ockt hiuab des Stromes Pracht;
Doch ich kcnn\' ihn, — oben gleisseud,
Birgt sein Innres Tod und Nacht.
Oben luist, im Busen Tiicken ,
Strom, du bist der Liebsten Bildl
Die kanu anch so frcundlich nicken,
Lachclt iiuch so fromm und mild.
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33
VIII.
Anfangs wollt" ich fast verzagen,
Und ich glaubt\', ich triig\' es nic;
Und ich hab\' es doch getragen, —
Abel 1\'ragt niicli uur nicht: wie V
IX.
Mit Roseu, Cyprcsscn und Flittcrgold
Miicht\' ich verzieren lieblich und liold
Dies Buch wie einen Todtenschrein,
Und sargen meine Lieder hinein.
O, künnt\' ich die Liebe sargen hinzu!
Am Grabe der Liebe wiichst Blümlein der Ruh,
Da blüht es hervor, da pilückt man es ab, —
Doch mir bliiht\'s nur , wenn ich selbcr im Grab.
Hier siud nuu die Lieder, die eiust so wild,
Wie ein Lavastroiu, der dem Aetna entquillt,
Hervorge*türzt aus dem tiefsteu Gemüth,
Und rings viel blitzende Funken verspriiht!
Nun liegen sie stumm und todtengleich,
Nun starren sic kalt und ncbelbleich.
Doch aufs Neu\' die alte Gluth sie belebt,
Wenn der Liebe Geist ein9t über sie schwebt.
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Und es wird im Herzeu viel Ahuung laut:
Der Liebe Gci6t einst iibcr sie tbaut;
Einst komint dies Buch iu deine Hand,
Du süsses Lieb im fernen Land.
Danu lust sich des Liedes Zauberbanu,
Die blassen Buchstabcu schaun dich an,
Sie scliaueu dir Hellend ins scbüue Aug\',
Und Bulten] niit Wehmuth und Liebesliaucb.
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ROMANZEN.
i.
Der Traurige.
Allen thut es weh iiu Hcrzen,
Die den bleicheu Knabcn sehn,
Dem die Leiden, dem die Schmerzeu
Aufs Gcsicht geschrieben stchu.
Mitleidvolle Lüfte fiichcln
Kühlung seiner hcissen Stim:
Labung mocht\' ins Herz ihm liichelu
Manche sonst so snrödc Dim\'.
Aus dem wilden Larm der Stiidter
Flüchtet er sich nach dein Wald.
Lustig rauschen dort die Blatter,
Lust\'ger Vogelsang erschallt.
Doch der Sang verstummet balde,
Tranrig rauschet Bauin und Blatt,
Weun der Traurige dem Walde
Langsam sich genahcrt Int.
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:tfi
II.
Die Bergstimme.
Ein Reitcr durch das Bcrgthal zieht
lm traurig stillen Trab\':
»Acli! zieh\' icli jezt wohl in Liebchens Arm,
Oder zieh\' ich ins dunklc Grab?"
Die Bergstimm\' Antwort gab:
«lus dunkle Grab!"
Und wciter reitet der Reitcrsmanu,
lind scufzet schwer dazu:
»So zieh\' ich deun hin ins Grab so früh, —
Woblan, im Grab ist Kuh!"
Die Stimme sprach dazu:
»Im Grab ist Ruh!"
Dein Reitersmanu eine Thriine rollt
Von der Wange kummervoll:
»Und ist nur im Grabc die Ruhc fiir mich, —
So ist mir im Grabe wohl."
Die Stimm\' crwicdert hohl:
"lm Grabe wohl!"\'
UI.
Zwei Brüder.
Oben auf der Bergesspitze
Liegt das Schloss in Nacht gehüllt;
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Doch iin Thale lcuchteu Hlitze,
Helle Schwertcr klirren wild.
Das sind Brüiier, die dort fechten
Grimmen Zweikampf, wuthentbraunt.
Sprich, warum die Briider rechten
Mit dem Schwerte in der Hand?
Grafin Laura\'8 Augenfiinkcn
Ziindeten den Brmlerstreit;
Beide glühen liebestrunkeu
Fiir die ndlig holde Maid.
Wclchem aber von den Beiden
Wendct sich ihr Hcrzc zu?
Keia Ergriibeln kann\'s entscheiden, —
Schwert herans, entscheide du!
ünd sie fechten kiihn verwegen ,
Hicb\' auf Hiebe niederkracht\'s.
Hütet cuch, ihr wilden Degen,
Boses Blendwcrk schleicht des Nachts
Wehe! Wehe! blut\'ge Briider!
Wehe! Wehe! blut\'ges Thai!
Beide Kiimpfer stürzen nieder,
Einer in des andem Stahl. —
Viel\' Jahrhunderte verwehen,
Viel\' Geschlechter deckt das Grab;
ïraurig von des Berges Höhen
Schaut das öde Schloss herab.
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Aber Nachts, im Thalesgrumlc ,
Wandelt\'s hcimlich, wundeibar;
Weun da kuinint die zwülfte Stundc,
Kümpfet dort das Briiderpaar.
IV.
Der arme Peter.
i.
Der Hans und die Grete tauzen hcruni,
l\'nd jauchzen vor lauter Freude.
Der Peter stcht so still und stumm,
Und ist so blass wie Kreide.
Der Hans und die Grete sind Braut\'gam und Klant,
Und blitzen im Hochzeitgeschmeide.
Der arme Peter die NUgel kaut
Und steht im Werkcltagskleide.
Der Peter spricht leise vor sich her ,
Und sehaut betriibt auf Heide:
»Ach! wenn ich nicht gar zu verniinftig war\',
Ich thiit\' mir was zu Leide."
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©----------------------------------------------------------------©
2.
»Tn mciner Brust, da sitzt eiti Wch,
Das will die Brust zersprengen;
Und wo ich steh\', und \\vo ich geb\',
Will\'a mich von hinnen driingen.
"Es treibt mich uach der Liebsten Niih,
Als kiinnt\'s die Grete heilen;
Doch wenu ich Der ins Auge seh\',
Mnss ich von hinnen eilen.
»Ich steig\' li ii ui ui\' des Berges Höh\',
Dort ist man doch alleine;
Und wenn ich still dort oben steh\',
Dann stch\' ich still mul weine."
3.
Der arme Peter wankt vorbei,
6ar lnngsam, leichcnblass und schim.
Es bleiben fast, wenn sie ihn sehn,
Die Leute auf der Strasse stehu.
Die Miidchen fliistern sich ins Ohr:
»l)er stieg wohl aus dem Grab hervor?"
Ach iii\'in, ihr lieben Jungfraulein,
Der legt sich erst ins Grab hinein.
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Er hat verloren seinen Schatz ,
Drum ist das Grab der beste Platz,
Wo er am besten liegen mag
Und schlafen liis zum jüngsten Tag.
V.
Lied des G-ofangoncn.
Als meine Grossmntkr die I.iesc bebext,
Da wolltcn die Leut\' sie verbrennen.
Schon batte der Amtmann viel Diote vcrklcxt,
Doch wollte sie uiebt bekennen.
Und als man sie in den Kessel schob,
Da schrie sie Mord und W\'ehe;
Und als sich der schwarze Qualiu erhob,
Da flog sie als Rab\' in die Hóhe.
Mein schwarzes, gefiedertes Grossimitterlein!
O komm\' mich im Thurme besucbeu!
Komm\', fliege geschwind durchs Gitter herein,
Und bringc mir Kiisc und Kuchen.
Mein schwarzes, gefiedertes Grossmütterleiu!
O mochtest du nur sorgen,
Dass die Muhmc nicht anspickt die Augen mein,
Wenn ich luftig schwebe morgen.
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II
s—•—•-----------------------------------------------------------------s>
VI.
Die Grenadiere.
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier\',
Die waren in Russlaml gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie Hessen die Köpfe hangen.
Da horten sie beide die tranrige Miihr:
Dass Frankreich verloren gegangcn,
Besiegt nnd zerschlagen das grosse Heer, —
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
Da weinten zusammcn die Grenadier\'
Wohl ob der kliichlichen Kunde.
Der Eine sprach: /Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!\'\'
Der Andre sprach: \'Das Lied ist aus,
Auch ich mocht\' mit dir sterben,
Doch hab\' ich Weib und Kind zu Hans,
Die ohne mich verderben."
\'Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit bcssres Verlangen;
Lass sie bcllcln gehn, wenn sie hungrig sind, —
•Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!
HülMlt\'a Bnck der Heler.                                            \\
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<ö-----------------------\'----------------------------------------
•Gewabr\' inir, Bruder, ane Bitt\':
Wenu ich jctzt sterben werde,
So nimiu meine Leiche naeh Frankreich inil,
Bcgrab\' mich in Frankreiehs Erde.
\'Das Ehreukrcuz am rothen Band
Solist dn anfa Hen mir legen;
Die Fliute gicb mir in die Hand,
Und giirt mir urn den Degen.
"So will ieli liegen nnd horchen still,
Wie eine Schildwach, im Grabe,
Bis einst ich büre Kanonengebriill
Und uiehernder Rosse Getrabc.
\'Dann reitet nieiii Kaiser wolil über mein Grab,
Viel\' Schwerter klirren nnd blitzen:
Dann steig\' ich gewaffnet licrvor ans dein Grab, —
Den Kaiser, den Kaiser zu schntzcn!"
VII.
Die Botschaft.
Mein Knecht\' steli auf mul sattle schnell,
Und wiif dicli auf dein Ross,
Und jage rasch durch Wald nnd Feld
Naeli König Dnneans Schloss.
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i:i
-------------------------------------------------------^
Dort schleiche in den Stiill, and wart\',
Bis ilich der Stallbub\' schaiit.
Den forsch\' mir aas: «Sprieh , welclie ist
Von Duucau\'s Tüchtern Braut?"
Und spricht der Bul): "Die Braune ist\'s,"\'\'
So bring mir schnell die lliihr.
Doch spricht der Bub\': "\'Die Blonde ist\'s,""
So eilt Das nicht so sehr.
üann geh\' zum Meister Seiler hin,
Und kauf mir einen Strick,
Und reite langsam, spricli kein Wort,
Und bring mir den zurück.
VIII.
Die Heimführung.
lch geh\' nicht allein , mein teines Lieb ,
Du musst init mir wandern
Nach der liebcu , alten, schaurigen Klause,
In dein triiben, kuiten, traurigen Hause ,
Wo meine Mntter am Eiugang kau\'rt,
Und auf des Sohncs Heiinkehr lau\'rt.
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»Laaa ab vou mir, du finstrer Mann!
Wer liat dich gcrufeu P
Dein Odcm glüht, dcine Hand ist Eis,
Dein Ange spriiht, deiuc Wang\' ist weiss; —
Ich abcr will mich lustig freun
An Rosenduft und Sunncnscheiu."
Lass doften die Roten, lass scheinen die Sonn\',
Mein süsses Liebchen !
Wirf urn den «reiten, weisswallenden Schleier ,
Und greif\' in die Saiten der schallenden Leicr,
Und singe ein Hochzeitlied dabei;
Oer Nachtwind pfcift die Melodci.
IX.
Don Bamiro.
«Donna Clara! Donna Clara !
Heissgelicbte langer Jahre !
Hast beschlosseu mein Verderben,
Und beschlosseu ohn\' Erbarmen.
«Donna Clara! Donna Clara!
Ist doch siiss die Lebensgabe!
Aber uuten ist es grausig,
In ili\'in dnnkeln, kaltcn Orabe.
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\'Donna Clara! Freu\' dieh, inorgi-n
Wird Fcruando, am Altare,
Dicli als Ehgemahl begrüssen , —
Wint du mich zur Hoohzeit laden?"
» »l)on Ramiro! Don Ratniro!
Deine Worte treffen bitter,
Hittrcr nis der Snruch der Stcrne,
Die da snotten meines Willens.
" » Don Ramiro I Don Ramiro!
RUttlc ab den dumpfeu Triibsinn;
Madchen giebt es viel auf Erden,
Aber uns hat Gott geschieden.
» «Don Ramiro, der du inuthig
So viel Mohreu übcrn\'undcu,
llcbcnvinde nun dicli selber, —
Komm auf meine Hochzeit morgen." \'
«Donna Clara! Donna Clara!
Ja, ich schwür\' es, ja, ich kouime!
Will init dir den Reihen tanzeu;
Gute Nacht, ich komine morgen."
ii «Gute Nacht!" " — Das Feester klirrte.
Seufzend stand Ramiro unten,
Stand noch lange wie versteinert;
Endlieh schwand er fort im Duukelu. —
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(v-----------------------------------------------------------------------!
Endlioh aucli nncli laugein Kingen,
Muss die Nacht dein Tage woichen;
Wie ein biintcr Blumengaiteit
Liegt Tuledo ausgebrcitet
Prachtgebaude mul Palösto
Schimmcrn heil im Glanz der Somie;
I nd der Kirehen huhe Kunpeln
Lenchteu stattlich, wie vergoldet.
Siinnnciid, wie eiu Sehwarm von Bieueu,
Klingt der Glockeu Fcstgelüute,
Tjieblich steigen Betgesiinge
Aus den froinmen Gotteshiiusern.
Aber dorten, siehe! siehc!
Dorten aus der Marktkanellc,
lui Gewiinnicl und Gewoge,
Strönit des Volkes buute Melige.
Blanke Bitter, schinucke Fr.iuen,
1 lofgcsinde, festlich blinkend,
Und die hellen Glockeu linten,
(fnd die Orgel rauscht dazwischen.
Doch, niit Ehrfurclit ausgcwichcn,
In des Volkes Mitte wandelt
Das gesclimiickte juuge Ehpaar,
Donna flara, Don Fernando.
.v.-------------------------------------------------------------------— @
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i;
©---------------------------------------------------
Bis iin Briiutigains 1\'alastthor
Walxet sich das Volksgewnhle;
Dort begiiiiit die Hochzeitfeier,
Prunkhaft und uach alter Sitte.
Ritterspiel und t\'rohe Tafel
Wccliselu uuter lautem Jubel;
Raiischeud schnell cntlliehn die Stundc
Bis die Nacht herabgesuukeu.
Und znm Tanze sich versauimeln
In dein Saai die Ilochzeitgiiste;
In dein Glauz der Lichter fuukeln
Ihre buiiten Prachtgewiinder.
Auf crhob\'uc Stühle liesaeu
Braut und Briiutigam sich nieder,
Donna Clara, Don Feruaudo,
Und sie tauscheu süsse Reden.
Und im Saaie wogen heiter
Die geschniiickteu ilenschemvellen,
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schniettern die Drommetcu.
\'i Doch warum, o schone Herrin,
Sind gerichtet deine Blicke
Dorthin nach der Saalcsecke ?"
So venvundcrt sprach der Bitter.
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»»Siehst dn deun nicht, Don Kcrnando,
Dort den Mann hn schwarzen Mantel ?""
llnd der Bitter liichelt freundlioh:
»Aeh! Das ist ja uur ein Schatten."
Doch es niihert sich der Schatten,
Und es war ein Mann im Mantel;
Und Kamiro schnell erkennend,
Grüsst ilni Clara, gluthbefangcn.
I ii,l der T\'inz hat schon begonnen,
Munter drehen sich die Tiinzer
In des Walzers wilden Kreisen,
Und der Doden dröhut and bcbet.
«•AVahrlieli gerne, Don Kamiro,
Will icli dir zum Tanze folgen,
Doch im nachtlich schwarzen Mantel
Iliittest du nicht kommen sollen.""
I
Mit durchbohrend stieren Angeu
Schaut Kamiro aul\' die Holde,
Sie umscliliugcnd spricht er «luster:
«Sprachest ja, ich sollte kommen!"
Und ius wirre Tanzgetümmel
Diiingen siiJi die beiden Tiinzer;
Und die lauteu Paukeu wirbelu,
Und es Bchmettern die Drommeten.
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ft------------------------------.-------------------
«Sind ja schneewciss deiuc Wangen !"
Fliistert Clara, hcimlich zitterml.
•Sprachest ja, ich solltc kommen!"
Schallet dumpt\' liamiro\'s Stimme.
Und im Snal die Kcrzcn blinzelu
Durch das lluthende Gedriinge;
Und die lautcn Pauken wirbela,
Und es schmettern die Droinmeteu.
«Sind ja eiskalt deine Hinde!"
Fliistert Clara, schauerznckeud.
••Sprachest ja, ich solltc kommen!"
Und sic treiben fort im Stmdel.
• Lass mich, lass mich! Don Ramiro\'
Leichendnft ist ja dein Odem!"
Wiederum die dnnkelu Worte :
•Sprachest ja, ich sollte kommen!"
Und der Boden nacht und gliihet,
Lustig toilet Geig\' und Hratsche;
Wie ein tollcs Zaubenveben
Schwiudelt Alles iu dcni Saaie.
• Lass mich, lass mich! Don Ramiro!"
Wimmert\'s immer im Gewogc.
Dou Ramiro stets erwiedert:
«Sprachest ja , ich sollte kommen 1"
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--------------_-----------------------------------------------$
Xuu, so geh , in Gotteuuunen!"
Clara rief\'s mit fester Stimine,
Und dies Wort war kauni gesprochcn ,
Uud verschwunden war Kamiro.
Clara starrct, Tucl im Antlitz,
Kaltuiullirret, nachtumwoben;
Ohnniacht hat das lichte Rilduiss
In ihr dunkles Kcich gezogen.
Endlich weicht der Nebelschlummer,
Kndlich achlagt sie auf die Wimper;
Aber Stannen will aufs Nene
Ihrc holden Augen sehliessen
Demi derweil der Tauz begonnen,
War sie nicht vom Sitz gewichen,
Und sie sitzt noch bei dem Brüut\'gaiu,
Und der Iiitter sorgsam bittet:
»Sprich, was bleichet deiue Wangen?
Warnm wird dein Aug\' so dunkcl? —"
«Und Kamiro?------------" stottert Clara,
Und Entsetzen liihmt die Zunge.
Doch uiit tiefeu, erusteu Falten
Furcht sich jetzt des Braut\'gams Stirne :
«Herrin, forsch\' nicht blut\'ge Kunde,—
1 Teute Mittag starb Kamiro."
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-----.-------------------------------------------------«
X.
B o lsazor.
Die Mitternaoht zog naher schon;
In stuiiimcr Kiih lag Habylon.
Nur obeu iii des Küiiigs Schloss,
Da llackert\'s, da liirint des Kiïnigs Tross
Dort obeu in dem Kiinigssaal,
Belsazer hielt sein Königsniahl
Die Kncrlite sassen in schiinmerndeii Keilin,
L\'nd leerten die Becher mit fuukelndeii. Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzteu die Knecht\';
So klaug es dein störrigen Kiiuigc recht.
Des Königs Wangen Ieuchteu Gluth;
lm Wein erwuchs ihm keckcr Muth.
Und bliudliugs reisst der Muth ihn fort;
l\'nd er liutert die Gottheit mit süudigeiu Wort.
Und er brüstet sich frech, und lastert wild!
Die Kncclitenschar ihm Beifall briillt.
Der Kiiiiig rief mit stolzem Bliek;
Der Diencr eilt und kehrt zuriick.
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Er trug viel gulden Geriitli auf dem Haupt;
Das war BUS dem Tempel Jehovali\'s geraubt.
l\'ud der Köaig ergrifF mit Brevier llaud
Einen heiligen Becher, gcfiillt bis ain Rand.
llnd er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufrt hint mit schiiumendem Mund,
«Jeliovah ! dir kiïud\' ieli nuf enig Ifohu,—
leb bin der Kiiuig vou Babylouï"
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dein Kc\'inig ward\'s hciiulieh iin Buseu bang.
Das gellende Lachen verstummtc zmiial;
Es wurde leichenslill im Saai.
Uud sieli! und sieh! au weisser Wand
Da kam\'s hervor, wie Mcnschenhaud;
Und schrieb, und schrieb nu weisser Wand
Buchstabeu von Feuer, und schrieb uud sehwand.
Dei Kiinig stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Kuien und todteublnss.
Die Knechtcnschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keineu I.aiit.
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Die Magicr kamen, iloch keiuer verstand
Zn deiiten die Flammenschrift an der Wand.
Belsazer ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht,
Die Minnesanger.
Zu dem Wcttgcsange schreiten
Minnesiinger jetzt herbei;
Ei, Das giebt ein seltsam Streiten,
Ein gar seltsames Tnvnei!
Phantasie, die schiinmend wilde.
Ist des Jlinnesiingers Pferd,
Und die Kunst dient ihm zum Schilde,
1\'n.l das Wort, das ist sein Schwert.
Hnbsche Dauieu schanen munter
Von beteppichten Dalkon ,
Docli die Rechte ist nicht drunter
Mit der rechten Lorberkron\'.
Andre Leute, wcnn sie springen
In die Schranken , sind gesund ;
Doch wir Minnesiinger briugen
Dort schon mit die TodcswumP.
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l\'ml wem dort am besten ilringct
liicdvrblut aus Herzeusgruud ,
Der ist Sieger, Der erringet
Bestes Lob uus schónstem Mund.
XII.
Die Pensterschau.
Der bleiche Heinrieh ging vorbei.
Schón Iledwig lag ain Fenster.
Sie snrach halblaut: «Gott stch\' rair bei,
Der anten gehaat bleich «ie Gespenster!"
Der nuteu erhob sein Ang\' in die tlöh\'i
llinselnuaclitend uacb Hedewig\'s Kenster.
Schön Iledwig ergriff es wie Liebesweh,
Anch sic ward bleich wie Geepenster,
Schon Iledwig stand uuu mit Liebvslianu
Tlgtaglich lauernil am Fenster.
Halil aber lag sie in lleinrich\'s Arm,
Allniichtlieh zur Zeit der Gespenster,
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XIII.
Der wunde Bitter.
Icli weiss cine alte Kunde,
Die hallct duinpf und triib\' :
Kin Kitter liegt liebeswunde,
Doch treulos ist sein Lieb.
Als treulos inuss er verachten
Die eigue Hirzlicbste \'sein,
Als tchimpflicb imiss er betrachten
Die eigne Liebespein.
Er miicht\' in die Schranken reiten
Und rufcn die Kitter zum Strcit:
"Der mag sich zum Kampte berciten,
Wer inein Lieb eines Makel» zeiht!"
Da wierden wohl Alle schweigeu,
Nur nicht sein eigener Schmerz;
Da musst\' er die Lanze neigen
Widers eigne klagende Herz.
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Q,------------.------------------.----.------------------------------
XIV.
Wasserfahrt.
Ich stand gelehnct an den .Mast ,
Und ziihltc jede Welle.
Ade, meiii schüncs Vaterland !
Mcin Schift", das scgelt schnelle!
leb kam schün Liebchcns Mans vurbei,
Die Feiisterschcibcn blinken ;
Ich guck\' inir fast die Augeti ans,
Doch will mir Niemand «linken.
Ihr Thrünen, bleibt mir aus dem Aug\',
Dass ich nicht dnnkcl sehe.
Mein krankes Herze, brich inir nicht
Vor allzu grossem Wehe!
XV
Das Liedchen von der Reue.
Hcrr I lricli rcitet im granen Wald,
Die Blitter lustig rauscheu,
Kr sieht eine holde Madcheugestall
Dnrch Baumeszweige lnusehen.
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Ö------------------------------------------------------------------------8>
Der Jonker spricht: «Wolil kunne ich
Dies blühende, glüheude Bildniss,
Verlockeud stets amachwebt es inich
In Volksgewiihl iind Wildniss.
«Zwei Köslcm siud die Lippen dort,
Die lieblichen, die frischen;
Doch manches hiisslich bittre Wort
Schlcicht tiickisch oft daznisehen.
"Drum gleicht dies Mündlcin gar genau
Den hiibscheu Ilosenbiischcn,
Wo git\'t\'gc Schlangen wnnderschlau
lm dnnkeln Laube zischen.
«Dort jenes Grübchen wunderlieb
In wunderlieben Wangen,
Das ist die Grube, worein mich trieb
Walmsinuiges Verlangen.
"Dort seh\' ich ein schones Lockenhaar
Vom schönsteu Köpfchen hangen.
Das sind die Netze wonderbar,
Womit mich der Büse gefangen.
»Und jenes blaue Augc dort,
So klar wie stille Welle,
Das hielt ich fiir des Himmcls Pfort\',
Doch war\'s die Pforte der Holle." —
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Hkine\'s /inch \'ter Lxeder.                                                         .">
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Hcrr llrich reitct «citer im Wald,
Die Blatter rauschen schanrig.
Da sieht er fern eine zweite Gestalt,
Sie ist so bleich, so traurig.
Der Junker spricht: "O Muttcr dort,
Die mich so ïnüttcrlich liebte,
Der ich mit böscm Tlmii uiul Wort
Das Lcbun bitterlicli triibte!
O, kónnt\' ich ilir trockiicn die Augeu oase,
Mit der Gluth von mcinen Sehmerzcn!
O, kiiiint\' ich dir rothen die Wangen blass,
Mit dein Blut aus ineiueiii HenenI"
Und «citer reitet Hcrr Ulerich,
lm Wald bcginiit es zti diistern,
Viel\' seltsamc Stiiumeu regen sich ,
Die Abcndwinde Btutern.
Der Junker hort die Worte sein
Gar vielfach wicderklingcii.
Das thatcn die lustigen Waldvöglein,
Die zwitscheru laut und gingen:
»Herr Ulrich singt eiu hiibsches Lied,
Das Liedchen von der Reuc,
Und hat er zu Ende gesungeu das Lied,
So singt er es wieder aufs Neue."
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XVI.
An eine Sangerin.
Als sie cinc altc Kumniuu Mng.
Ich ilenke noch der Zaubcrvollen,
Wie sie zuerst mcin Auge sah!
Wie ihrc Töne lieblich klangen,
Umi heinilich süss ins Herzc drangen ,
Eutrollten ïhriinen meinen Wangen —
Ich wusste nicht, wie mir geschah.
Ein Traum war über niich gekoimneii ;
Mir war, als sei ich noch ein Kind,
Und siisse still beiin Liunpchcnscheinc
In Hotten frommem Kammerleini\' ,
Und liise Mahrchcn , wunderfeine,
Derweilen drausseu Nacht und Wind.
Die Miihrchen tangen an zu leben,
Die Bitter steigen aus der Gruft;
Bei Ronzisval, da giebt\'s ein Streiten,
Da kornuit Hen Roland herzureiten,
Viel\' kiihne Degen ihn beglciten,
Auch leider Ganelon, der Schuft.
Durch Den wird Roland scliliinni gebettet,
Kr schwiinint in Blut, und atlnnot kautii;
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lid
Ksum mochtc fero sein Jagdhornzeiohen
Das ühr des grossen Karl\'s erreichen,
Da iriuss der Kitter schon erbleichen —
Und mit ihm stirbt zugleith niein Trauin.
Das war ein lautverworr\'nes Schallen ,
Das niicli aus manen Traamen rief.
Verklungen war jetzt die Legende,
Die Leute schlugcn in die Mande,
Uud riefen «Bravo !" ohne Eude ;
Die Siingeriu verueigt sich tief.
XVII.
Das Lied yon den Dukaten.
Meinc giildenen Dukaten ,
Sagt, wo seid ihr hingeratheu?
Seid ihr bei den güldnen Fisohlein,
Die im Bache froh und munter
Tauchcn auf und tanehen unter ?
Seid ihr bei den güldnen Bliiinlein,
Die auf lieblich grüner Aue
Funkeln heil im Morgenthaue?
Seid ihr bei den güldnen Voglein ,
Die da schweifen glanzumwoben
In den blauen Lüften obcn V
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Scid ihr bei den giildnen Stcrnlein,
Die iin leuchtendcn Gewimmcl
Liichelii jedc Nacht am Himmel P
Ach! ihr giildcneii Dukaten
Schwimmt nicht in des Baches Wcll\',
1\'unkelt nicht auf griiner Au,
Schwcbct nicht in Lüften blau,
Liichelt nicht am Himmel heil —
Meine Manichiier, traun!
Halten ench in ihren Klaun.
XVIII.
Gesprach auf der Paderbomer Heide.
Horst du nicht die ferncn Töne,
Wie von Brummbass und von Geigcn?
Dorten tanzt wohl manche Scliünc
Den gellügelt Icichten Reigen.
//Ei, mein Freund, Das nenn\' ich irren,
Von den Geigen hür\' ich keine,
Nur die Ferklein hör\' ich quirren,
Grunzen nur hör\' ich die Schwcine."
Horst du nicht das Waldhorn blaseu t
Jiiger sich des Waidnerks freucn;
Frommc Liimmcr seh\' ich grasen,
Schnfer sniclcn nuf Schahncien.
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n
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V
"Ei, mcin Frcund, was du vcrnonimcii,
Ist kei» Waldhoru , noch Schalmeic;
Nur den Sauhirt seh\' ich kommen,
Heimwarta treibt er seine Sane."
Horst du nicht das ferne Siugen,
Wie vou sussen Wettgcsöngen ?
Englein sclilageu mit den Schwingen
Lautcu Beifall solchcu Kliingcn.
»Ei, «as dort so hübsch gcklungen,
Ist kein Wcttgcsang, incin In\'ebcr!
Siugeud treibcn Giinsejungen
Ilire Ganselein voriiber."
Horst du nicht die Glockcii liiuten,
Wunderlieblich, wunderhcllc?
Kromme Kircliengiinger schrciten
Andachtsvoll zur Dorfkapelle.
»Ei, mein Frcund . Das sind die Solicllen
Von deu üchsen, von den Kiihcn ,
Die uach ilnen dunkeln Stallen
Mit gesenktem Kopie ziehen."
Siehst du nicht den Schleier wehen?
Siehst du niclit das leise Nickcn?
Dort seh\' ich die Liebste stehen,
Fcnchte Wchmnth in den Blieken.
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•/Ei! mein Frennd, dort srh\' irh nirken
Nur das Waldwcib, uur die Liese;
Blass uiid hagcr an den Krücken
Hinkt sic wcitcr nach der Wiese."
Nun, mein Freund, so niagst du lachen
llebcr des Phautasteu Frage!
Wint du auch zur Tüuschnng maelien,
Was ich fest im Busen trage P
XIX.
Leb onsgruss.
(Stammbuchlilatt.)
Eine grosse Landstrass\' ist unsrc Erd\',
Wir Mcnscheu sind Passagicre;
Man remict und jagct, zu Fuss und zu Pferd,
Wie Liiufer oder Kouriere.
Mau fiihrt sich voriiber, man nickct, man griisst
Mit deiu Taschcntucli aus der Karosse;
Man hiittc sich gerne geherzt und gckiisst,
Doch jagen vou hinnen die Rosse.
Kaum trafen wir uns auf derselbcn Station,
Hcrzliebster Prinz Alexander,
Da bliist schon zur Abfahrt der Postillon,
Und bliist uns schon aus einander.
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ö
XX.
Wahrhaftig.
Wcnn Jer Frühling kornuit niit ilem Sonnenscliein ,
n:iiiii knospcn mul bliilien die Blümleiii auf;
Wcmi der Mond begin nt seineu Stralilenlauf,
Dann sehwiminen die Stenilein liintcrdrein ;
Wenn der Siinger zwei siisse Aeuglein licht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefcm Gemiitli; —
Poeh Lieder und Sterne und Bliimelein,
Und Aeuglein und Mondglanz und Sonncnschciu,
Wie sehr das Zeug aueh gefallt,
So mnclit\'s doch noch lang\' kcinc Welt.
SO NETTE.
An A. W. v. Sohlegel.
lm Ucifrockputz, mit Hlunicn reich Tcrzicret,
Schónpuiisterchen auf den geschminktcn Wangen,
Mit Schnabelschuhn, mit Stickcreiii behangen,
Mit Thurmfrisur, und wespengleich geschniirct:
So war die Aftcrmusc ausstafliret,
Als sic cinst kam, dich liebend /.u umfangen.
Dn bist ihr abcr aus dem Weg\' gegangeu,
Und irrtest fort, von dunkelin Trieb\' gcführet.
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Da fandeat du cin Schloss in alter Wildniss,
Und driiiiicn lag, wie\'n holdes Marmorbildniss,
Die schünste Maid in Zaubcrschlaf versanken.
Doch wich der Zauber bald bei dcinem Grusse,
Aufwachte lachelnd Dentschlands echte Masc,
Und sank in deine Arme liebcstrunkeu.
An meine Mutter, B. Heine.
Geborne v. Geldern.
1.
Ich bin\'s gewohnt, den Kopf recht hocli zn tragen,
Mein Sinn ist anch cin bischen starr und ziihc;
Wenn sclbst der König inir ins Antlitz siihc,
Icli worde nicht die Augcn niederschlagen.
Doch, licbe Mutter, offen will ich\'s sagen:
Wie miiebtig auch mein stolzer Muth sich bliihc,
In deiner selig sussen, trautcn NShe
Ergreift mich oft ein deniuthvolles Zagen.
Ist es dein Geist, der hcimlich mich bczwinget,
Dein hoher Geist, der Alles kiihn durchdringet,
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwiuget?
Qniilt mich Erinnerung, dass ich veriibet
So manche That, die dir das Ilerz bctriibct,
Das schone Ilerz, das mich so sehr gcliebet!
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II.
lm tollen Walm liatt\' ich ilich cinst vcrlassen,
Ich wollte grim die ganze Welt zu Kiule,
Umi wollte sehn, ob leh ilie Liebe lande,
l.\'m liebevoll die Liebe zu u inlassen.
Die Liebe suchte icli auf allen Gassen ,
Vor jcder Thüre streckt\' ich aus die Hiindc,
Umi bcttelte uni g\'ringc Liebesspcndc, —
Doch lachend gab mau mir DOT kaltes liassen.
Und immer irrtc ich nach Liebe, immer
Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer,
Und kchrte urn nach Hause, krank und triibc
Doch da bist du entgegen mir gekommen ,
Und ach! was da in deinem Aug\' geschwommen,
Das war die süsse, langgesuchte Liebe.
An H. Str.
Wie ich dein Büchleiu hastig aufgeschlagen,
Da grüssen mir entgegen viel\' vertrautc,
Viel\' goldnc Bilder, die ich weiland schautc
lm Knabcutraum und iu den Kindcrtagen.
Ich sche wieder stolz geu Himmel ragen
Den frommen Dom, den deutscher Glaubc bante,
Ich hc\'ir\' der Glocken und der Orgel Laute,
Dazwisehen klingt\'s wie süsse Liebesklagen.
Wohl seh\' ich auch, wie sie deu Dom umklettern .
Die Hinken Zwerglcin, die sich dort erfrechen,
Das hiibschc KI11111- und Schnitzwerk abzubrechen.
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v---------------------------------------------------------&
Doch mag man imnicrhin die Eich\' cntbliittirn
Duel sie des giïinen Schmuckcs rin-:s bcraulien, —
Koiiimt ncuer Lenz, wird sie sicli ne» bclanben.
Presko-Sonette an Christian S(ethe).
I.
Ich tanz\' nicht mit, ich riiuclire nicht den Klotsen ,
Die aussen goldig sind, inwendig Sand;
Ich schlag\' nicht cin, rcicht mir cin Bob\' die Hand,
Der heimlich mir den Namen wfll zerfetzen.
Ich beug\' mich nicht vor jencn hiibschen Metsen,
Die schamlos prunken mit der cigncn Schand\';
Ich zieh\' nicht mit, wemi sieli der Pc\'ibel spannt
Vor Siegcswagen seiner citeln Giitzcn.
Ich weiss es wohl, die Eiche muss crliegcn,
Derweil das Rohr am Bach durch schwankes Jiicgcn
In Wind und Wetter stchn blcibt, nach wie vor.
Doch sprich, wie weit bringt\'s wohl am End\' solch Rohr?
H elch Glück! als ein Spazicrstock dient\'s dem Stutzer,
Als Kleidcrklopfer dient\'s dem Stiefelpntzer.
II.
Gieb her die Larv\', ich will mich jetzt mnskiren
In eincn Lumpcnkcrl, damit Halunkeu ,
Die prachtig in Charaktermasken prunken,
Nicht wiihuen, ich sei eiuer von den Iliren.
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er,--------------------------------------------------------------------------e
Giet) lier gciiieinc Worte luid Manieren ,
Ich zeigc mich in Pobelart versunkcn ,
Vcrlengiic all\' die schonen Geistesfuuken ,
Woinit jctzt fade Schlingel kokettircn.
So tanz\' ich anf dcm grossen Slaskcnballc ,
Umschwiirmt von deutschen Kittern, Miinclicn, Kün\'gcn,
Von Ilarlekin gcgriisst, erkannt you Wen\'gcn.
Uit ihrem Holzschnert priigeln sic mich Alle.
Das ist der Spass. Deun wollt\' ich mich cntmnmmcu,
So mastte all\' das Galgenpack verstiunmcn.
III.
Ich lache ob den abgcschmacktcn Laffcn ,
Die mich auglotzen mit den Bocksgesichtcru;
Ich lachc ob den Fiïchscn , die so niichteru
Und hamisch mich beschniiflelu und begalTcn.
Ich lache ob den hochgelahrten Affcn ,
Die sich aufblahn zu stolzen Geistesrichtern;
Ich lachc ob den feigen Büsewichtern,\'
Die mich hcdrohu mit giftgetriinktcn Waffen.
Denn «reuil des Gliickes hübsche Siebensachen
Uns von des Schiksals Handen sind zerbrochen ,
Und so zu unsern Fatten hingeschmissen ;
Und nu das Herz im Leibc ist zerrissen,
Zerrissen , nnd zerschnittcn , und zerstochen, —
Dnnn bleibt mis doch das schone geile Lachen.
v
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IV.
lm Hirii spukt mir ein Miihrchen wanderfein,
Und im dcm Miihrchen klingt eiu feiucs Lied,
Und in dem Liede lebt und webt und bliiht
Ein wunderschöncs , zartes Magdelein.
Und in dein Miigdlein wohnt ein Herzchen klein,
Docb in dem Herzchen keiue Liebe gliiht;
lu dieses lieblos frostige Gemiitli
Kam Hochmuth nur und Uebermuth hinein.
Horst du, wie mir im Kopf das Miihrcheii kliugetr
Und wie das Liedcheu summet ernst und schaurig ?
Und wie das Miigdlein kichert, leise, leiseV
Ich fürchte nur, dass mir der Kopf zerspringet, —
Und ach! da war\'s doch gar eutzetzlich traurig,
Kam\' der Verstand mir aus dem alten Gleise.
V.
In stiller, wehmuthweicher Abendstunde
Umklingen mich die langst verscholl\'neu Lieder,
Und Thriineii tliesscn von der Wange nieder,
Und Blut entquillt der alten Herzciiswunde.
Und wie in eines Zauberspiegels Grunde
Seh\' ich das liilJniss meincr Licbsten wieder,
Sie sitzt am Arbeitstisch , im rothen Mieder,
Und Stille herrscht in ihrcr sel\'gen Runde.
Da plötzlich springt sic auf vom Stuhl, und schneidet
Von ihrem llaupt die schönste aller Locken,
Und giebt sie mir, — vor Preud\' biu ich crschrockcu
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7(\'
<è-------------------------------------------------------------------•----------------i Si
Mcphisto had die Kiende mir verlcidet,
Er spauu ein festes Scil von jcnen Hmmd,
Und schlcift mich drau herum seit vielen Jahren.
VI.
«Als ich vur eiiiein Jahr dich wicderblickte,
Küsstest du mich nicht in der Willkommstund\'."
So sprach ich, und der Liebsten rottier Mund
Den schönstcn Kuss auf meinc Lippen drückte.
Und liichelnd süss ein Mirteureis sie plliikte
Vom Mirtcnstrauchc, der am Fenster stund:
•Ninun hiu und pflanz\' dies Reis in frischen (iruud,
Und steil\' ein Glas darauf," sprach sie und nicktc. —
Schon lang ist\'s her. Es start) das Reis im Topf
Sic selbst hab\' ich seit Jahrcu nicht gesefan;
Doch brciiut der Kuss inir immer noch im Kopf.
Und aas der Ferne tricb\'s mich jiingst zum Ort,
Wo Iiicbchcn wohnt. Vorm Ilausc blieb ich stehn
Die gauze Nacht, ging erst am Morgen fort.
VII.
Hut\' dich, nieiu Freiuid, vorgrimmen Tcul\'elsiratzen,
Doch schlinnuer sind die sanfteu Engelsfriitzchen
Kin solohes but inir eiust ein siïsses Schmiitzehen,
Doch wie ich kam, da fiihlt\' ich scharfc Tatzen.
(b-------^-----------,-----_---------------------------------------.©
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a
Müt\'dich, mcin Frcund, vor schwarzeu alten Katzcn,
Doch schlimmcr siud die wcisscn jungen Kiitzchen ;
Ein solches macht\' ich cinst zu meiuem Schiitzchen,
Doch thiit mein Schiitzchcn mh\' das Hcrz zerkratzen.
O süsses Fratzchen, wumlcrsüsses Jliidcheii!
Wie konnle mich dein klarcs Aeuglein tiiuschcu?
Wie konnt\' dein Pfütchcn mir das Hcrz zerllcischen V
O meines Kivtzchens wundcrzartes Pfütchcn !
Kiinnt\' ich dich an tlic gliihiulcn Lippen pressen ,
l nd konnt\' mcin Hcrz verbluten uuterdessen!
VIII.
Wie niihm\' die Arinutli bald bei mir ein Eude,
Wüsst\' ich dcu Pinsel kunstgerecht zu führen
Und hübsch mit bunten Bildcru zu verzieren
Der Kirchen und der Schlosscr stolze Wiiude.
Wie llüsse bald mir zu dus Goldcs Speude,
Wüsst\' ich auf Floten, Gcigcn und Klavieren
So riihrend und so feiu zu niusicircn,
Dass Herrn und Damen klatschten in die Hiüule.
Doch, acli! mir Armen liichelt Mammon nie;
Deun leider, leider! trieb ich dich alleiue,
Brotloseste der Knuste, Poesic !
Und ach! vveuu Andre sich mit vollen Humpen
Zum Gottc trinken im Champagnerweine,
Dann muss ich dürsten, oder ich muss-pumpeu.
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C/5---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
IX.
Die Welt war mir uur eiuc Martcrkammcr,
Wo mau mich bei den Kussen aufgehaugen
Und mir gezwickt den Leib mit glühnden Zangen
Und eingekleuimt iu enger Eiseuklaminer.
Wild sclirie ich auf vor nainenlosem Jammer.
Blutströmc mir aus Muud und Augen sprangen, —
Da gab ein Magdlein , das vorbeigegaugen ,
Mir schnell deu Guadenstoss mit goldiiein ]lammer.
Neugierig sieht sic zu, wie mir im Klampte
Die Glicder zueken, wie im Todcskampfe
Die Zuug\' aus blut*gem Munde hangt und lechzct.
Neugierig lioreht sie, wie mein Herz noch iichzet,
Musik ist ihr mein letztes Todcsrochelu,
Und spottend steht sie da mit kaltem Liieheln.
X.
Du sahst mieh oft im Kampt\' mit jenen Schlingeln,
Geschminkten Katzen und bebrillten 1\'udeln,
Die mir den blanken Nameu gern bcsudeln,
Und mich so gerne ins Verderben ziingelu.
Du sahest oft, wie mich Pedanten hudeln,
Wie Schellonkappentrager mich umklingeln,
Wie gift\'ge Schlangen um mein Herz sich ringelu;
Du sahst mein Bint aus tauseud Wanden sprudeln.
Du aber staudest fest gleich cincin Thurme;
Ein Lcuehttlinrin war dein Kopf mir in dem Sturme,
Dein treues Herz war mir ein guter Mafen.
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s-----------------------------------------------------------------------------------&5
Wohl wogt um jencn Ilafcu wilde Bran lung ,
Nur wen\'gc Schifl" crringen dort die Lauduug,
Doch i»t man dort, so kauu mau sicher schlafeu.
XI.
Ich miichtc weincn, doch ich kann es nicht;
Fch mocht\' micli rustig in die Ilohc hcben,
Doch kann ich\'s nicht; ani Boden muss ich klcbcii,
Umkröchzt, umzischt von cklem WnrmgczUcht.
Ich möchtc gern mein heitres Lebcnslicht,
Mein schönes Licb, allüberall umschwebeii,
In ihrcm selig sussen Hauchc lcben, —
Doch kann ich\'s nicht, mein krankcs Herzc bricht.
Aus dem gcbrochnen Herzen fiihl\' ich fliessen
Mein heisses Blut, ich fühle mich ermattcn,
Und vor den Augen wfard\'a mir triib und triiber.
Und hciinlich schaucrnd sehn\' icli mich hinüber
Nach jencm Nebelreich, wo stille Schatten
Mit wcicheu Armen Hebend mich umschliesscn.
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HkinkS n„r)t ,/rr /.ie,lf.
— —ea
6
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LYRISCHES
INTERMEZZO.
(I89S
• M3«.)
« - -
-----------------------------------------------A)
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Prolog.
Es war mal ein Rittcr, trübselig und stumin,
Mit hohlen, schuceweissen Wangen;
Er wankte und schlcnderte schlottemd heruni,
In dumpfen Triiumeu befangeu.
Er war so hölzcrn , so tiippisch, so links,
Die Blümlein und Miigdlcin, die kicherten rings,
Wenn er stolpend vorbeigegangen.
Oft sass er im finsternsten Winkel zu Hans;
Er hatt\' sich vor Menschen verkrochen.
Da streckte er sehnend die Arme aus,
Doch hat er kein Würtlein gesprochen.
Kam aber die Mitternachtstundc hcran,
Ein seltsames Singen und Klingen begann —
An die Thüre da hort\' er es pochen.
Da kommt seinc Liebste geschlichen herein
lm rauschenden Wellenschaumkleide,
Sic blüht und gliiht wie ein Röselein,
Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.
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Goldlocken umspielen die schlankc Gestalt,
Die Aeuglcin griisscn mit süsser Gewalt —
In die Arme sinken sich Beide.
Der Ritter umschlingt sic mit Liebesmacbt,
Der Hólzerne steht jetzt in Feuer,
Der Blasse crrüthet, der Traumcr erwacht,
Der Blode wird freier nnd freier.
Sie aber, sie hat ihn gar schalkbaft gcncckt ,
Sie hat ihm ganz leise den Kopf bcdeckt
Mit dem weissen, dcmantenen Scheier.
In einen kristallenen Wasserpalast
Ist plótzlich gezanbert der Eitter.
Er stannt, und die Augen erblinden ihm fast,
Vor alle dem Glanz und Geflitter.
Doch hiilt ihn die Nixe umarmet gar traut,
Der Kitter ist Briiut\'gam, die Niie ist Braut,
Ihre Jungfraun spielen die Zither.
Sie spielen und singen, und singen so schön,
Und hebeu zum Tanze die Füsse;
Dem Ritter, Dem wollen die Siune vergehn,
Und fester umschlicsst er die Süsse. —
Da loschcn nuf einmal die Lichter aus,
Der Ritter sitzt wieder ganz einsam zu Hans,
In dem düatern Poetenstübchen.
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I.
lm wunderschüncn Mouat Mai,
Als alle Knospen sprangen ,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.
lm wunderschünen Monat Mai,
Als alle Vügel sangen ,
Da hab\' ich ilir gestanden
Meiu Sehnen und Verlangen.
II.
Aus meinen Thriïnen spricssen
Viel\' blühende Blumen hervor,
Und meine Seufzer werden
Kin Nachtigallenchor.
Und wenn dn mich lieb hast, Kindchen ,
Scheuk\' ich dir die Blumen all\',
Und vor deinem Fenstcr soll klingen
Das Lied der Nachtigall.
III.
Die Rosc, die Lilje, die ïaubc, die Sonne ,
Die liebt\' ich einst alle in Liebcswonne.
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Ich lieb\' sic nicht inchr, icli licbc allciuc
Die kleine, die Feinc, die Kciue, die Eine;
Sic selbcr, ulier Liebc Uronne, .,
Ist Rosc und Lilje und Taube and Sonne.
IV.
Weini ich in deine Augen seh\',
So schw iudet all\' mein Leid und Welt;
Doch «rena ich küssc deinen Mund,
So werd\' icli ganz und gar gesuud.
VVenn ich mich lehn\' au deine Brust,
Kommt\'s über mich wie Himmelslust;
Doch wenn du sprichst: "Ich licbe dich!"
So muss ich weinen bitterlich.
V.
Dein Angesicht, so lieb und schön,
Das hab\' ich jiiugst im Traum gesehu,
Es ist so mild und engclgleich,
Und doch so bleieh, so schmerzcnbleich.
Und nnr die Lippen, die sind roth;
Bald aber kiisst sie bleieh der Tod.
Erlöschen wird das Ilinimelslicht,
Das aus den frommen Augen bricht.
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SI
«*----------------------------------------------------------------------
VI.
Lelin\' deinc Wang\' au mcine Wang\',
Dann Üicssen die Thrilncu zusammcn!
Uud an meiu Herz drück fest dein Herz,
Dan schlagen zusamnicn die Flammen!
Uud wenn in die grosse Klamme lliessl
Der Strom von unseru Thriinen,
Uud weun dieh mein Arm gcwaltig unischlicsst —
Sterb\' ich vur Liebessehucn!
VII.
Ich will meine Scele tauchen
In deu Kelch der Liljc hineiu;
Die Lilje soll klingend hauchen
Ein Lied von der Liebsteu mein.
Das Lied soll schaueru und beben,
Wie der Kuss von ihrem Mund,
Den sie mir einst gegebcn
In wunderbar süsscr Stund\'.
VIII.
Es stcheu unbcwcglich
Die Sterne iu der Hüh\',
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f>---------------------------------------------------------------------------------------------------------------S>
Viel\' tausend Jahr\', und schauen
Sich au mit I;iebesweh.
Sic sprcchen eine Sprache,
Die ist so reicli, so schön;
Doch keiner der Philologcn
Kann dicsc Sprache verstehu.
Ich aber hab\' sie gelcrnet,
Und ich vergesse sie nicht;
Mir diente als Grammatik
Der Herzallerliebsten Gesicht.
IX.
Auf Flügcln des Gesanges,
Herzliebcheu, trag\' ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiss ich den schünstcn Ort.
Dort liegt cin rothblühender Garten
lm stillen Mondenschein ;
Die Lotosblumen erwarten
Dir trautes Schwesterlcin.
Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor;
II ui ui lic h erziihlen die Roscn
Sich duftende Mahrchen ins Ohr.
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Es hüpfen herbei umi lausrhcn
l)ie trommen, klugeu GazcH\'n;
Und i» der 1\'erne rauschen
Des heiligen Stromes Well\'n.
Dort wollen wir uiedersiuken
Unter dem Palmcnbaum,
Und Lieb und Kuhe trinkeu ,
Und traamen scligen Traum
X.
Die Lotosblume iingstigt
Sich vor der Sonnc Pracht,
Und init gesenktem llaupte
Erwartet sic trimmend die Nacht.
Der Mond, Uer ist ihr Bluhlc ,
Er weckt sie mit seincm Licht,
Und ihm cntschleiert sic freuudlich
Hit\' frommes Blumengcsicht.
Sie blüht und glüht und leuchtct,
Und starret stuinm in die Hóh\';
Sie duftet nud weinet und zittert
Vor Liebe und Liebeswch.
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XI.
lm Rhcin, im schuilen Stroiuc,
Uu spiegelt sich in den Welln,
Mit scinein grossen Uoine,
Das grosse, heilige Küln.
Im Dom, da steht cin BilJniss,
Auf goldenem Leder gemalt:
In meines Lebens Wildniss
Ilat\'s frciiudlieh hinein gestrahit.
Es schwebcn Blumen umi Huglciu
Urn unsre liebc Frau;
Die Augen, die Lippen, die Wünglein,
Die glcichen der Licustcn geuau.
XII.
Du liebst midi nicht, du liebst inich nicht,
Das kümmert mich gar wcnig;
Schau\' ich dir uur in\'s Angcsicht,
So bin ich froh wic\'u König.
Du hassest, hassest mich sogar,
So spricht dein rothes Mündchen;
Rcich\' mir es nur ram Kussen dar,
So trust\' ich mieh, mein Kindchcn.
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a---------------------------------------------------
XIII.
O schwiire nicht und küsse uur,
Ich glaubc kcineni Wcibcrschwur!
Dein Wort ist süss, doch siisser ist
Der Kuss, den ich dir abgeknsst!
Den hab\' ich, und dran glaub\' ich auch,
Da9 Wort ist citel Dunst und Hauch.
O schwöre, Liebchen , innnerfort,
Ich glaubc dir aufs blosse Wort\'
An deinen Buscu sink\' ich hin ,
Und glaubc , dass ich selig bin;
Ich glaube , Liebchen , ewiglich
Und noch viel liinger liebst du inich.
XIV.
Auf meiner Herzliebsten Aeugelcin
Mach\' ich die schiinsten Kanzonen.
Auf meiner Herzliebsten Mündleiu klein
Mach\' ich die besten Terzinen.
Auf meiner Herzliebsten Wiingcleiu
Mach\' ich die herrlichsteu Stanzen.
Und wenu meine Liebste ein Herzchcn hiitt\',
Ich machte darauf ein hübschcs Sonctt.
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©------------------------------------------------------------------------@
XV.
Die Welt ist dumm, die Welt ist bliud,
Wird tiiglich abgeschmacktcr\'
Sie snricht von dir, meiu schüncs Kind :
Du hast keinen gutcn Chnrakter.
Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Und dich wird sie immer verkennen;
Sic wciss nicht, wie silss dcine Kiissc sind,
Und wie sie beseligend bramen.
XVI.
Licbstc, solist mir hcutc sagen:
Bist du nicht ein Traumgcbild,
Wic\'s in schwülen Somiiiertagen
Aus dem Hirn des Dichters quillt?
Abcr ncin, ein solchcs Mündcheu,
Solchcr Augen Zauberlicht,
Solch ein liebcs, süsses Kiudchen,
Das erschafft der Dichter nicht.
Basiliskcn und Vampyrc,
Lindeuwürm\' und Ungchcu\'r,
Solchc schlimme Fabclthiere,
Die erschafft der Dichters Feu\'r.
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H7
Aber ilich umi dcine Tücke,
Uiil dein holdes Augesicht,
Und die falschen trommen Blickc
Das erschofft der Dichter nicht.
XVII.
Wie die Wellenschaumgcborene
Strahlt mein Lieb in Schónhcitsglanz,
Denn sic ist da9 auserkoreue
Brüutchcn eines fremden Mauns.
Herz, mein Herz, du vielgeduldiges,
Grolle nicht ob dem Vcrrath;
Trag e9, trag es, und cntschuldig es,
Was die hulde Thürin that.
XVIII.
Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht,
Ewig vcrlomes Lieb! ich grolle nicht.
Wie du auch 9trahlst in Diainaiitennracht,
Es fiillt kein Strahl in dcines Hcrzens Nacht.
Das weiss ich langst. Ich sah dich ja im Tranm,
Ifnd sah die Nacht in deines Herzens Kaum,
Und sah die Schlang\', die dir am Herzcn frisst,
Ich sah, meiu Lieb, wie sehr du elend bist.
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SS
XIX.
Ja, du bist elend, und ich grollc nicht; —
Mein Lieb, wir sollen Beide elend sein!
Bis uns der Tod das kranke Herze brieht,
Mein Lieb, wir sollen Beide elend sein!
Wohl sch\' ich Spott, der deinen .Mund umschwebt.
Und seh\' dein Augc blitzen trotziglich,
Und seh\' den Stolz, der deinen Bnsen hebt, —
Und elend bist du doch, elend wit: ich.
Unsirhtb.ir zuckt auch Schmcrz uni deinen Mund,
Verborgnc Thriinc triibt des Auges Schein,
Oer stolze Kuseu liegt geheime Wund\', —
Mein Lieb, wir sollen Heide elend sein.
XX.
Pas ist ein Floten und Geigen,
Trompeten schmettern drein:
Pa tanzt den Hochzeitreigen
Die Herzallerliebste mein.
Pas ist ein Klingen und Pröhncn
Von Pauken und Sehallmein;
Dazwischcn schluchzen und stiihnen
Pie guten Eugclein.
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XXI.
So hast du ganz und gar vergessen,
üass ich so lang deia llerz besessen,
Dein Herz< hen, so siiss und so falsch und so klein,
Es kauu nirgend was Süssres und 1\'alscheres sein.
So hast du die Lieb\' uud das Leid vergessen,
Die das Herz mir thüten zusaminenpressen.
Ich weiss nicht, war Liebe grösser, als Leid ?
Ich weiss uur, sie waren gross alle beid\'!
XXII.
Und wüssteu\'s die Ulumen, die kleinen,
Wie tief verwuudet mein Herz,
Sie würdeu mit inir weinen,
Zu heilen ineiuen Schmerz.
Und wüssteu\'s die Nachtigalleu,
Wie ich so traurig und krank,
Sie Hessen fröhlich erschalleu
Erquickenden Gesaug.
Und wüssteu sie ineiu Wehc,
Die goldneu Sternelein,
Sie kamen aus ihrer Höhe,
Und sprachen Trost mir ein.
HtlSB\'a liuch dtr lAetttr.
7
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!IU
----------------------\'-----------------------------------------------------------------
Die alle kcinuen\'s nicht wissen,
Nut Eiue kenut meincn Schmerz:
Sie hat ja selbst zerrisseu,
Zerrissen mir das Herz.
XX111.
Warum sind deun die Kosen so blass,
O sprich, mein Lieb, warumV
Warum sind denn im griinen Gras
Die blauen Veilcheu so stumm?
Warum singt denn mit so klagliehem Laut
Die Lerche in der LuftV
Warum steigt denn aus dein Balsamkraut
Hervor ein Leichendut\'t P
Warum scheint denn die Sonn\' auf die Au
So kalt mul verdriesslich hcrab?
Warum ist denn die Erde so grau
Und öde wie ein Grab?
Warum bin ich selbst so krank und so trüb,
Mein liebes Liebchen ? sprich!
O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,
Warum verliessest du mich ?
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»]
XXIV.
Sie haben dir Viel erziihlct,
Ijnd haben Viel gcklagt;
Doch was meiuc Seele gcqualet,
Das habeu sie uicht gesagt.
Sie machten ein grosses Wesen,
Und schüttelten klaglich das Haupt;
Sie uanuten mich den Küsen,
Und du hast Alles geglaubt.
Jedoch das Allerschlimmste,
Das habeu sic nicht gewusst;
Das Schlimmste und das Düminste,
Das trug ich geheim in der Brust.
XXV.
Die Linde bliïhte , die Nachtigall sang ,
Die Sonne lachte mit freundlicher Lust j
Da küsstest du mich , und dein Arm mich umschlang
Da presstest du mich an die schwellende Brust.
Die Blatter Beien, der Itabe schrie holil,
Die Sonne grüsstc verdrosseneu Blicks;
Da sagteu «ir frostig einauder: «Lebwohl!"
Da knixtest du hüttich den hiiflirhstcn Knix.
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XXVI.
Vt\'ir haben Viel für einander gefühlt,
Und deunoch uns gar vortrefflieh vertragen.
Viir li al in oft »Mann und Frau" gespielt,
Und dcniioch uiis nicht geraut\'t und gcschlagcn.
Wir haben zusammen gejauchzt uud gescherzt,
L\'nd zkrtlicli uns geküsst und geherzt.
Vt\'ir haben am Ende aus kiudischer Lust,
\'Verstecken" gespielt in Waldern und Gronden,
Und haben uns so zu verstecken gewusst,
Dass wir uns niinmermehr wiederlinden.
XVII.
Uu bliebest mir treu am liuigsten ,
Uud hast dich Mr mich verwendet
Uud hast mir Trost gespeudet
In meinen Nöthen und Aengsten.
Uu gabest mir Trank und Speise,
Uud hast mir Geld geborget,
Und hast mich mit Wiische versorgel,
Und mit dem Pass für die Reise.
Meiu Liebchen ! dass Gott dich behütt
Noch lange vor Hitz\' und vor Kilte,
Und dass er dir nimmer vergelte
Die mir erwiese Giite!
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XXVIII.
Die Erde war so lange geizig,
Da kam der Mai, uud sie ward sj>endabel,
Und Alles lacht und jauchzt und frcut sich,
Ich aber bin nicht ZU lachen kapabcl.
Die Blumen apriessen, die Glücklein schallen ,
Die Vügel sprecheu wie iu der Fabel;
Mir aber will das Gespriich nicht gefallen,
Ich finde Alles miserabel.
Das Meuschenvolk mich ennuyieret,
So gar der Frcund, der sonst passabel; —
Das kiimmt, weil man «Madam" titnlieret
Meiu siisses Liebcheu, so süss und aimabel
XXIX.
Und als ich so lange, so lange gesüumt,
In fremden Landen geschwarmt und getriiumt:
Da ward meiner Liebsten zu lang die Zeit,
Uud sie nahete sich ein Hochzeitkleid,
Und hat init ziirtlichen Armen umschlungen,
Als Braut\'gam, den dümmsten der dummen Jungen.
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Mein Licbchcn ist so schón und mild,
Noch schwcbt mir vor ihr siisscs Bild;
Die Veilchenaugen, die Rosenwiinglcin ,
Die gliihcn mid bliihen, jahraus , jahrein.
Dass ich von solchem Lieb konnt\' weicbeii,
War der dümmste von meinen dummen Streiehen.
XXX.
Die blaucn Veilchen der Aeugclein\',
Die rolhcn Rosen der Wiingelein,
Die weisscn Liljen der Handchcn klein,
Die bliihen nnd bliihen noch immerfort,
Uiul nur das Herzchen ist verdorrt.
XXXI.
Die Welt ist so schön und der lummel so blan,
Und die Liifte wehen so lind nnd so lau,
Und die Blnmen winken auf blühender An,
Und funkcln und glitzern im Morgenthau,
Und die Mcnsehen jnbeln, wohin ich schau\', —
Und doch mücht\' ich im Grabe liegen,
Und mich an ein todtcs Liebchen schmiegcii.
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XXXII.
Mein siisscs Lieb, wcnn du im Grah,
lm dunkeln Grab wirst liegen,
Dann will ich steigen (O dir hinab,
Und will mich an dich schmiegen.
Ich küsse, umschlinge und presse dich wild,
Du Stille, du Kalte, dn Bleiche!
Ich janchze, ich zittrc, ich weine wild,
Ich werde sclbcr zur Leichc.
Die Todten stehn auf, die Mitternacht ruft,
Sic tanzen im luftigen Schwarme:
Wir Beide bleiben in der Gruft,
Ich liege in deinem Arme.
Die Todten stehn auf, der Tag des Gerichts
Ruft sie zu Qual und Vergniigen;
Wir Beide bekümmern uns nm Nichts,
Und bleiben ruhig liegen.
XXXIII.
Kin Fichtenbaum steht einsam
lm Norden auf kahler Höh\'.
Ihn schlafert; mit weisser Decke
Umhüllen ihn Eis nnd Schnee.
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©
Er trëumt von einer Palme,
Die fern im Morgenland
Einsam und schweigrud trauert
Auf brennender FeUenwand.
XXXIV.
(Oer Kopf spricht:)
Acli, weun ich uur der Schemel war\',
Worauf der Liebsten Füssc ruhu !
Und stampfte sic inich noch so sehr,
Ich wollte doch nicht klagen thun.
(Das Herz spricht:)
Ach wenu ich nur das Kisschen war\',
Wo sie die Nadeln steekt hineiu!
Und stiiche sie mich noch so sehr,
Ich wollte mich der Stiche freun.
(Das Lied spricht:)
Ach, war ich unr das Stiick Papier,
Das sie als Papillotte braucht!
Ich wollte heimlich fliistern ihr
lus Ohr, was in inir lebt und haucht.
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i-------------------------------------------------------------------------------8
XXXV.
Seit die Liebste war entfernt,
Hatt\' ich\'s Lachen ganz verlernt.
Schlechtcu Witz riss inancher Wicht,
Aber lachen konut\' icli nicht
Seit ich sie verloren hab\',
Schafft\' ich auch das Weinen ab;
Fast vor Weh das Merz niir biicht,
Aber weinen kann ich nicht.
XXXVI.
Aus meinen grossen Schrnerzcn
Mach\' ich die kleinen Lieder;
Die heben ihr klingend Gefieder
Und flattern uach ihrem Herzen.
Sie fanden den Weg zur Trauten,
Doch kommen sie wieder und klagen,
Und klagen, und wollen nicht sagen,
Wa9 9ie im Herzen schauteu.
<fe-------------_---------------------------------------------------------------------------&
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#---------—-----------------------------—
PhiÜ9ter im Sonntagsrücklein
Spazieren durch Wald nnd Flur;
Sic jauchzen, sie hiipfen wie Böcklein,
Bcgriissen die schone Natnr.
Betrachten mitblinzelmlcn Aiigen,
Wie Alles romantisch bliiht;
Mit langen Ohren saugen
Sie ein der Spatzen Lied.
Ich aber verhiinge die Fenstcr
Des Zimmcrs mit schwnrzcm Tuch;
Es machen mir meine Gespenster
Sogar einen Tagesbesuch.
Die alte Liebe erscheinet,
Sie stieg aus dem Todtcnreich;
Sic setzt sich zu mir und wcincf,
Und macht das Herz mir weich.
XXXVIII.
Manch Kild vergessener Zciten
Steigt auf aus seinem Grab,
Und zeigt, wie in deiner Nahe
Ich eiust gelebet hab\'.
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Am Tage schwankte ich trïnmend
Durch alle Strasseu herum,
Die Lente verwondert mich ansahn,
Ich war so traurig umi stnmm.
Hes Nachts, da war es besser,
Da waren die Strassen leer;
Ich und mein Schatten selbander,
Wir wandelten schweigend cinher.
Mit wiederhallendem Fusstritt
Wandelt\' ich über die Briick\';
Der Mond brach aus den Wolken,
Und gritsste mit ernstem Bliek\'.
Stehn blieb ich vor deinen; Hause,
Und starrte in die Höh\',
Und starrte nach deincm Fenster, —
Das Herz that mir so weh.
Ich weiss, dn hast aus dem Fenster
Gar oft herabgesehn,
Und sahst mich im Mondenlichtc
Wie eine Siiule steh\'n.
XXXIX.
Ein Jiingling liebt ein Madchen,
Die hnt eineu Anderii erwhalt;
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101)
--------------.------------------------------------------------------3,
Der Andre liebt eine Andre,
l\'ml hat sich luit Dic9cr vermahlt.
Das Madclien heirathel aus Aerger
Deu enten, besten Manu,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jiingling ist übcl dran.
Es ist eine alte Gcschicbte,
Docli blcibt sie immer neu;
Und wem sie jnst passirst;
Dem bricht das Herz entzwei.
XL.
Hör\' ich das Liedchen klingen,
Das einst die Liebste sang,
So will mir die Brust zerspriugeu,
Vor wildem Schmerzeusdrang.
Es trcibt mich ein Junkies Sehnen
Hiiiauf znr Waldeshóh\',
Dort lost sich auf in Thrünen
Mein übergrosses Weh\'.
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©------------------------------------------------------------------------
XLI.
Mir triiumte vou cinem Königakind,
Mit uassen, blasseu Waugen;
Wir sassen unter der grüiien Liud\',
1\'inl hiclten uns liebumfangen.
«Ich will nicht deines Vaters Thron,
Und will nicht sein Scepter vou Golde,
Ich will niclit seiue demanlene Kron\',
Ich will dich selber, du Holde."
«<Das kanii nicht sein,"" sprach sie /.h mir,
»»Ich liege ja im Grabe,
Und nur des Nachts komni\' ich zu dir,
Weil ich so lieb dich habe.""
XLII.
Meiu Liebchen, wir sassen beisammen ,
Traulich im leichten Kalm.
Die Nacht war still, und wir schwammeu
Auf weiter Wasserbahn.
Die Gcister-lusel, die schone,
Lag dammrig im Mondenglanz;
Dort klangeu liebe Töne,
Und wogte der Nebcltauz.
a----------------------------------------------------®
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108
Dort klaug es Heb und lieber,
l\'nd wogt\' es hiu uud her;
Wir aber schwammen vorüber
Trostlos auf weitem Meer.
©—
XL1U.
Aus alten Mahrehen winkt es
Hcrvor mit weiwer Hand,
Da singt es umi da klingt es
Von eiuem Zauberland,
Wo grosse Blumen schmachten
lm golduen Abendlicht,
Und ziirtlich sich betrachten
Mit brautlichem Gesicht; —
Wo alle Bauine sprechen
Und singen, wie ein Chor,
Und lante Quellen brechen
Wie Tanzmusik hervor; —
Und Liebesweisen tonen,
Wie du sie nie gehort,
Bis wuudersüsses Sehuen
Bich wundcrsüss bethórt!
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Ach! könnt\' ich dorthin kommen ,
Und dort mein Herz erfreun,
Und aller Qual cutnommeu,
Und frei und selig sein!
Ach! jeues Land der Wonue,
l)as seh\' ich oft im Traum,
Doch, kommt die Morgcnsonne,
Zcrfliesst\'s wie eitel Schaum.
XLIV.
Ich hab\' dich\'geliebet und liebc dich noch!
Und riele die Welt zusammen,
Aus ihren Trüinmern stiegen doch
Hervor meiner Liebe Flammen.
XLV.
Am leuchtenden Sommermorgen
Geh\' ich im Garten herum.
Es fliistem und sprechcn die Blumen,
Ich aber, ich wandie stumm.
Ks Hiistcru und sprechen die Blumen,
Und schuim mitleidig mich an:
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©----------------------------------------------
"Sei unserer Schwester niclit biise,
Du trauriger, blasser Mann!"
XLVJ.
Es leuchtet raciue Liebe,
In ihrer duukeln Pracht,
Wie\'u Mührcheu, traurig und trübe,
Erzahlt in der Sommernacht.
»Im Zaubcrgarteu wallen
Zwei Buhlen, stumm und alleiu;
Es singen die Nachtigallen,
Es tlimmcrt der Mondenschein
-Die Jungfrau steht still wie ein Bildniss,
Der Ritter vor ihr kniet.
Da kornuit der Kiese der Wildniss,
Die bange Jungfrau flieht.
«Der Kittcr sinkt blutend zur Erde,
Es stolpert der Riese nach Haus"
Wenu ich begraben werde,
Dann ist das Mürchen aus.
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lor,
------------------------------------------£
XLVII.
Sie hnben mich gequiilet,
Gciirgcrt blau umi blass,
Die Einen mit ihrer Liebe,
Die Amlcrn mit ilircm Hass.
Sic habcn das Hrod mir vergiftct,
Sie gossen mir Gift ius Glas,
Die Einen mit ihrer Liebe,
Die Auderu mit ibreni Hass.
Doch 9ic, die mich am neuten
Gcqniilt, geiirgert, betriibt.
Die hat mich uie gehasset,
Ilnd had mich uie gelicbt.
XLVTII.
Es liegt der heisse Sommcr
Auf deinen Wangclein;
Es liegt der Winter, der kaltr,
In dcinem Herzchen klein.
Das wird sich bei dir andreu,
Du Vielgeliebte mein !
»—----------------------------------------------------------------------------------i
II«inf\'s llvrli ,lr, l.inler.                                                         n
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Der Winter wird auf deu Wangen,
lier Spmmer im Herzen sein.
XLIX.
Wenn Zwei von cinander scheiden,
So geben sie sich die Hand\',
Und fangen an zu wcinen,
Und seufzen ohne End\'.
Wir haben nicht geweinet,
Wir seufzten nicht »VVeh!" und »Ach!"
Die Thrancu und die Seufzer ,
l>ie kamen hiuteimach.
L.
Sie sassen and tranken ani Theetisch,
Und sprachen vou Liebe Viel.
Die Herren , die waren itathetisch,
Die Damcn von zartem Gefühl.
"Die Liebe muss sein platonisch,"
Der iliirre Hofrath sprach.
Die Ilofrüthiii liichelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: »Ach!"
è--------------------------------------
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1(1?
Der Domhen öffnet ilen Mand weit:
\'i Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit."
Das Fraulein lispelt: «Wie so?"
Die Griifiu spricht wehmiithi g:
«Die Liebe ist eine Passion!"
Und priisentiret gütig
Die Tasse\' dem Herm Baron.
Am Tische war noch ein Pliitzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Dn hiittcst so hiibsch, mein Schiitzchcn,
Vou deiner Liebe erzahlt.
IJ.
Vergiftet siud meine Lieder —
Wie könnt\' es anders sein?
Du hast mir ja Gift gegosseu
Ins blühende Leben hineiu
Vergiftet sind meine Lieder —
Wie könnt\' es anders sein P
Ich trage iin Herzen viel Schlangen,
Und dich, Geliebte mein.
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108
---------------------------------------------------------------------»
LH.
Mir traumte wieder der alte Traum:
Es war eine Nacht im Maie,
VVir sassen nnter dem Lindenbailtn ,
Umi schwuren uns ewige Treue.
Das war ein Schwören und Schwören nu ft Neu\',
Ein Kichern, ein Kosen, ein Kussen;
Pass ich gedenk des Schwurcs sci,
Hast dn in die Hand mich gcbissen
O Liebchen mit den Acnglein klar!
O Liebchen, schöu und bissig!
Pas Schwören in der Ordnung war,
Das Beissen was Qberflüssig.
Lil.
Ich ateh\' auf des Bergcs Spitze,
Und werde sentimental.
«Wenu ich ein Vöglein ware !"
Seufz\' ich viel\' tausendmnl.
Wenn ich einc Schwalbe würe,
So flög\' ich zu dir, mein Kind,
Und bante mir mein Nestcheu,
Wo deine Fenster aind.
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Wenn ich eiue Nachtigall ware,
So flög\' ich zu dir, meiu Kind,
Uud sange dir Nachts mciue Liedcr
Herab voa der grünen Liud\'.
Wenn ich eiu Gimpel ware,
Su llög\' ich gleich au dein Herz;
Du bist ja hold den Gimpeln,
Und heilest Gimpelschnicrz.
LIV.
Meiu Wagen rollet langsam
Uurch lustiges Waldcsgriin ,
Uurch bruinige Thiiler, die zaubrisch
lm Sonnenglanzc blühn.
Ich sitzc und sinnu uud trauma,
Und denk\' au die Liebste meiu;
Da grüssen drei Schattcngestalten
Kopfnickend zum Wagen herein.
Sie hiipfen und schneideu Gesichter,
Su spüttisch und doch so schcu,
Und quirlen wie Nebel zusarmnen,
Und kichern und huschen vorbei.
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110
LV.
Ich hab\' im Trauui geweinet,
Mir traumtc, du liigest im Grab.
Ich wachle auf, und die Thrane
Floss uoch vou der Wange herab.
Ich hab\' im Traum geweiuet,
Mir trituuit\', du verliessest mich.
Ich wachte aul\', and ich wciute
Noch lauge bitterlich.
Ich hab\' im Traum geweinet,
Mir triiumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Struint meine Thrauenfluth.
LVI.
Allniichtlich im Traume seh\' ich dich,
Und sche dich freundlich grüssen,
Und laut aufweiuend stürz\' ich mich
Zu deinen sussen Kussen
Du siehst mich au wehmütiglich,
Und schütlelst das blonde Köpfchen;
Aus deinen Augen schleichen sich
Die Perleuthriinentrüpfchcn.
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111
----------------------------------------------------:-----ft
Du sagst mir heimlich ein leises Wort,
Uud gicbst mir den Strauss vou Cynresscn.
Ich wache auf, und der Strauss ist fort,
Und das Wort liab\' ich vergessen.
LV1I.
Das ist ciu brausen uud Heulen,
Herbstuacht und Kegen uud Wind;
Wo mag wohl jetzo weilen
Mein aruics, banges Kind ?
Ich sch\' sie am Fcuster lehuen,
lm eiusameu Kiimmerlein;
Das Auge gefiillt mit Thranen
Starrt sie in die Nacht hinein.
LVIII.
Der Herbatwind rüttelt die Baumc,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehiillt im grauen Mantel,
Reite ich cinsam im Wald.
Und wie ich reite, so reilen
Mir die Gedanken voraus;
^
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112
©--------------------------------------------------
Sie tragen mich leicht mul luftig,
Nach meiucr Liebsteu Haas.
Die lluude bellen, die Diener
Erscheinen init Kerzengeflirr;
Die Wendcltreppe stiirm\' ich
lliiiiiut\' mit Sporengeklirr.
lm leuchtenden Teppichgemachc,
Da ist es so dut\'tig und warm,
Da harret meiuer die Holde —
Ich lliege ia ihren Arm.
Es sauselt der Wind in den Bliittern,
Es spricht der Eichenbaum:
Was willst du, thórichter Keiter,
"Mit deinein thörichtcn Trauin?"
LIX.
Es fiillt ein Stem heruntcr
Aus seiner funkelnden Höh\'!
Das ist der Stern der Liebe,
Den ich dort fallen seh\'!
Es fallen vom Apfelbaume
Der Bliithen und Matter viel\'.
Es kommen die ueckenden Liifte
Und treibeu duiuit flur Spiel.
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113
Es singt ilcr Solman im Weiher,
Und ruilert auf und ab,
I ml immer leiser singeud,
Taucht er ins Fluthengrab.
E» ist so still umi duukel!
Verweht ist Blatt und Blüth\',
Der Stern ist kuistemd zerstoben,
Vcrklungen das Schwaneulied.
LX.
Der Traumgott bracht\' mich in ein Eiesenschloss,
Wo schwüler Zauberduft uud Lichterschimmer,
Und bunte Menschenwoge sich ergoss
Durch labyriuthisch vielverschlunge Zimmer.
Die Ausgangspforte sncht der blciche Tross
Mit Hiiuderiiigeu und init Angstgewimmer.
Jungfrauu und Ritter ragen aus der Menge,
Ich selbst bin fortgezogen im Gedrange.
Doch plötzlich steh\' icli ganz alleiu, und seh\',
Und stauu\', wie schnell die Menge konnt\' verschwiuden,
Und wandre fort alleiu, uud eil\', uud geh\'
Durch die Gemacher, die sich seltsam winden.
Meiu Fuss wird Blei, im Herzen Angst und Weh,
Verzweitl\' icli fast, den Ausgang je zu findeu.
Da kouiiu\' icli endlich au das letzte Thor;
Ich will hinaus — o Gott, wer steht davor!
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1 14
------------------------------------------------------a
Es war die Liebste, die arn Thore staii\'1,
Schmerz um die Lippen, Sorge auf der Slirne,
Ich soll ïurückgehn, winkt sie mit der Hand;
Ich weiss uicht, ob sie warne oder ziirne.
Doch aus den Augeu bricht ein süsscr Brand,
Oer inir durchzuckt das Hcrz und das Gehiruc.
Wie sie mich ansah, streug und wunderlich,
Und doch so liebevoll, erwachte ich.
IX J.
Die Mitteruacht war kalt umi stunini;
lcli irrte klagend im WaM heriim.
Ich habe die Biium\' aus dein Sclilaf geriittell;
Sie habeu initleidig die Köpfe geschüttelt.
LX1I.
Am Kreuzwcg wird begrabei..
Wer selber sich brachte um;
l.\'urt wiichst eine blaue Bluinc,
Die Ai\'incsünderblum\'.
Am Krcuzweg stand ich und seufzte;
Die Nacht war kalt uud stumin.
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II..
lm Moudsoheiu bewcgte sich laugsaiu
Die Anuesüuderbluin\'.
LXIII.
Wo ich bin , mirh rings umduukult
Finatcrniss, so dumpf mul dicht,
Seit mir nicht mehr lcuchtend funkelt,
Licbstc, deiuer Augen Licht.
Mir erloschen i-t der sussen
Liebessterne goldne Pracht,
Abgrund giihnt zu incineu Füsseu —
Nimni uiich auf, uralte Nacht!
LXIV.
Nacht lag auf meineii Augen ,
Blei lag auf mciiiem Mund,
Uit starrem Hiru und Herzeu
Lag ich im Grabesgrund.
Wie lang\' kann ich nicht sagen,
Dass ich geschlafen hab\',
Ich wachte auf und hürte,
Wie\'s pochte an meiu Grab.
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II f,
--------------------------------------------------------©
\'/Willet du uicht uufstehu, Heiurich?
Der ew\'ge Tag bricht an;
Die ïodteii siud erstandeu,
Die ew\'ge Lust begauu."
Mein Licb, ich kauu uicht aufstehn,
Jjin ja noch immer bliud ;
liiirch Weinen ineine Augeu
Ganzlich erloscheu siud.
«Ich will dir kussen, Heiurich,
Vom Auge fort die Nacht;
Die Engel solist du schaueu,
Uud auch des Himmels Pracht."
Mein Lieb, ich kauu nicht aufstehn,
Noch blutet\'s immerfort,
W\'u du ins Herz mich stachest
Mit eiuem spitz\'geu Wort.
»Ganz leise leg\' ich, Heiurich,
Pir ineine Hand aufs Herz;
Daun wird es nicht mehr bluteu,
Geheilt ist all\' sein Schmerz."
Mein Lieb, ich kauu uicht aufstehn,
Es blutet auch mein Haupt;
Hab\' ja hiueingeschossen,
Als du inir wurdest geraubt.
«Mit mei urn Locken, Heiurich,
Stopt" ich des Hauptes Wund\',
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117
----------------------------------------------------------------------gh
Und drüug" zurück den Biutstroiu
l\'iul mache dein Haupt gesund."
Es bat so sanft, so lieblich ,
Ich konnt\' nicht widerstehn;
Ich wollte mich erheben
Und zu der Liebsten gehu.
Da brachen nuf die Wnndeii,
Da stiirzt\' mit wilder Macht
Aus Kopf und Brust der Blutstrom,
Und sieh! — ich bin erwacht.
LXV.
Die alten, bósen Liedcr,
Die Triiume schlimm nnd arg,
Die lasst mis jetzt begraben ;
Holt eincn grossen Sarg.
Hinein leg\' ich gar Manches,
Doch sag\' ich noch nicht, was:
Der Sarg muss sein noch grösser,
Wie"s Heidelberger Pass.
Und holt eine Todtenbahre
Von Brettern fest iind dick ;
Auch mnss sie sein noch liinger
Als wie m Maiuz die Brück\'.
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118
©----------------------------------------------------------©
Und holt mir auch zwölf Rieseu,
Die mussen noch sterker seiu
Als wie der heil\'gc Christoph
lm Dom zu Köln am Rhein.
Die sollen den Sarg forttragen,
I \'ml senkcn ins Meer hinab ;
Denn solchem grossen Sarge
Gebührt ein grosses Grab.
Wisst ihr, warnm der Sarg wohl
So gros-i nnd schner mag sein?
Ich legt\' auch mcine Ijiebe
Uud ineinen Schnierz hinciu.
&
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®-
DIE HEIMKEHR.
(I8SS-1»94.)
$
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-@
Iu mein gar zu dunkles Leben
Stralilte cinst ein süsses Bild;
Nun das süsse Bild erblichen,
Biu icli günzlich iiaclitumhüllt.
Wenn die Kinder sind im Diinkeln,
Wird beklommen ihr Geinüth,
Uud uiu ihre Angst zu bannen,
Siugeu sie ein lautes Lied.
Ich, ein tolles Kind , ich singe
Jetzo in der Dunkelheit;
Kliugt das Lied auch nicht ergótzlich,
Hat\'s mich doch von Angst bcfreit.
•G
\'Isise\'s Huck der Uedcr.
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]2£
IJ.
Ich weiss nicht, was suil es bedouten
Dass ich so traurig biu;
Kin Miihrchun aus alten Zcitcu ,
Das kornuit rnir nicht aus dein Siun.
Die Lult ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig lliesst der Khein;
Der Gi]ifel des Derges Hinkelt
lm Abcndsounenscheiu.
Die schünste Jungtïaii sitzet
Dort obeu wuuderbar,
lhr goldnes Geschineide Uitzet,
Sie küiuiut ihr goldenes Haar.
Sie kam int es mit goldenem Kaninie,
Und siugt ein Lied dabei;
Das liat eine wiiudersainc,
Gewaltige Melodei.
Den Schiller im kleinen Schilïe
Krgrcift es mit wildon Weh;
Kr schaut nicht die Felseiirifl\'e,
Kr schaut nur liinauf in die llüh\'.
Ich glaiibc, die Wellen verscliliugeii
Aio Kndc SchifTer und Kahn:
Und Das bat mit ibrem Mingen
Die Lorclei gethau.
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12.1
111
Mein Hcrz, meiu Hit/. ist traurig,
Doch lustig lcuchtct der Mai;
Ich stehc, gelehut au der Linde,
Uoch uut\' der alten Bustei.
Da drunten tliesst der blauu
Stadtgraben iu stiller Run\';
Eiu Knabe iahrt im Kalinu,
Und augelt und pfeift dazu.
Jcnseits erhebeu sieh frcuudlieh,
In winziger, bimter Gestalt,
Lusthauser uud Gorten and Meuschen
Und Ochsen uud Wiesen uud Wald,
Die Miigdc bleicheu Wiische ,
Und springen im Gras hernm;
Das .Miililrad stiiubt Diamanten,
lch hüre sein ferues Gcsumm.
Am uiten granen Thurme
Eiu Schildcrhiiuschcu steht;
Eiu rothgeröckter Bursohe
Dort auf und nieder geht.
Er spielt niit seiner Fliutc,
Die funkelt im Sonnenroth,
Er priiseutirt uud sehultert —
leb wollt\', er schüsse mich todt.
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I:.M
©----------------------------------------------------------8
,».
lm Walde waadl\' ich und mine,
Die Drossel sitzt iu der Höh\';
Sic springt and singt gar feine:
•Warum ist dir so weh?"
Die Schnalben, dciue Schwestern ,
Die künneifs dir sagen, mein Kind,
Sie woliuten in klngcu Noten,
Wo Liebcheus Fcnstcr siud.
V.
Die Nacht ist feucht und stürmisch,
Der Himmel sternculccr;
lm Wald unter rauscheiiden Dimmen,
Wandlc ieh schweigend einhcr.
Es tliuiiiiert leru cin l.irlitchen
Aus dein einsamen Jiigerhaus;
Ks soll mich nicht liiu vcrlocken ,
Dort sicht es vi rdiiesslich aus.
Die blinde Grossmuttcr sitzt ja
lm lcdcrueu Lehnstuhl durt,
Uuhehiilich und starr, wie ein Steiubild
Und spiicht keiu eiuziges Wort.
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126
Flnchend geht auf umi nieder
Des Fiirsters rothköpfiger Solin,
Und wiift nu die Wand die Biichac ,
Und lacht vor Wuth und ITuliu.
Die schüue Spinuerin weinet,
Und feuclitet luit Thriiucu den Klachb;
Wimmerend ia ihren Füssen
Schmiegt sicli des Vaters Dachs.
VI.
Als ich auf der Reise zufiillig
Der Liebsten Familie fand,
Schwesterchen, Vnter und Mutter,
Sie liabcu niicli freudig erkannt.
Sie fragteu nach nieincm Bcfindcn,
Und sagten selber soglcich:
Ich hiitte mich gar nicht veriindert,
Nnr nicin Gesicht sei bleicb.
Ich fragtc nach Muhineu uud Basen,
Nach manchem langwcil\'gcn Gcselln,
Und nach dein kleinen Hündcheu
Mit seinem sauftcn Belln.
Auch nach der vcrmiihlten Geliebtcit
Fragtc ich ncbenbei;
---------------------------------------------------------------Ai
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126
Umi freundlioh gab man zur Antwort,
Das» sic in Jou Wochen sci.
Umi fremullich gratulirt\' ich,
Umi Iis|iclto liebcvoll,
l\'ass man sie vou mir recht herzlich
Viel tauscndmal griïsscn soll.
Schwesterchen lief dazwischen:
«Das Hiiiulclicn , sanft umi klein,
Ist groas umi toll geworden,
Umi wavd ertrankt im Rhein."
Die Kleine gleieht der Gcliebteu,
liesomlers wcnu sie Lacht;
Sie liat dieselben Augen,
Die mieli so elcnd gemacht.
VII.
Wir sassen am Fischerhause;
Und schautcu nach der Sce;
Die Abcndnebel kamen,
Und stiegen in die Hóh\'.
Im Leuchttharm vvurdcu die Lichter
Allmiihlig angesteckt,
Und in der weiten Ferne
Ward noch cin Schiff entdeckt.
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127
©
Wir spraohcu vo» Stunn umi Schiffbriioh,
Vom Sccmau, uud wie er lebt,
Und zwischen Himmel and Wasser,
Uud Angst und Freude schwebt.
Wir snrachen von femcu Kusten,
Voin Süden uud vom Nord,
Und von den seltsamcn Vülkeru
Und scltsamen Sitteu dort.
Am Ganges duftct\'s und leuchtet\'s,
Und Kiesenbiiume blülin,
Und schone, stille Mensdicn
Vor Lotosblumen kuien.
In Lapnland sind schmut/.igc Leute,
Plattkönlig, breitmiiulig und klein;
Sie kauern ums Fcuer, und backen
Sieh Fischc, und quiikeu und schrciu.
Die Miidchen horchten ernsthaft,
Und endlich sprach Niemand mehr;
Das Schiff war nicht mehr sichtbar.
Es dunkclte gar zu schr.
VIII.
Du schönes FisehermSdcheu,
Treibc deu Kalm ans Land;
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128
----------------------------------------_-------------------------------------,--------g>
Kornm zu mir und sctze dich «ieder,
Wir kosen, Hand in Hand.
Leg an niein Herz dein Küpfchen,
Und fürchtc dich nicht so schr;
Vertraagt du dicli doch sorglos
Tiiglicli dein wilden Meer !
Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Storm umi Kbb\' und Fluth,
Und manche schone Perle
In seiner Tiefe ruht.
IX.
Der Mond ist aufgcgangcn
Und überstrahlt die Welln;
Icli halte mein Liebchcn umfangen,
Und unsre Henen schwellu.
lm Arm des holden Kindes
Ruh\' ich allein am Strand;
«Was horchst du beiin Rauschcn des Windes?
Was\'znekt deine weissc Hand?"
».-Das ist kein Rauschen des Windes,
Das ist der Seejungfern Gcsang,
Und meine Schwestern Bind es,
Die cinst das Meer vcrschlang.""
•@
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[28
X.
Aul\' den Wolken ruht der Mond,
Einc Kicscupomcraiizc ,
Uebcrstrahlt das gratie Meer,
Breiteu Streifs, mit golduem Glanze.
Einsam waudl\' icli au clem Strand,
Wo die weissen Wellen breelicn,
Uud ich hor\' viel siisses Wort,
Süsses Wort fan Wasser surechen.
Ach, die Nacht ist gar zu lang,
Und meiu Hcrz kann nicht mehr schweigen —
Schone Nixcn , kommt hervor ,
Tanzt und singt den Zauberreigen !
Nehmt inein Haupt in eureu Schoss.
Lcib uud Secl\' sei hingegeben!
Singt mie!) todt und lierzt niich todt,
Küsst niir ans der Hrust das Leben !
XI.
Eingehüllt in graue Wolken,
Schhifen jetzt die grossen Giitter,
Und ich hüre, wie sie schnarchen,
Und wir habcu wildes Wetter.
Wildcs AVetter! Sturmeswiithcn
Will das arme Schiff zerschelltn —
Ach, «er zügelt diesc Winde
l/ml die herrcnloseu Wellen !
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l:i(i
$
•3
Kann\'a nicht liindcru , dass es stürmet,
Diiss da drühnen Mast und Bretter,
Und ich hüll\' niich in den Mantel,
Urn zu schlafen wie die Götter.
XII.
Der Wind zicht seine Hosen au ,
Die weissen Wasserhosen !
Er peitscht die Wellen , so sterk er kanti,
Die heulen und brausen und tosen.
Aus dunkler Höh*, mit wilder Macht,
Die Regengiisse tröufen;
Es ist, als wollt\' die altc Nacht
Das alte Meer ersiiufen.
An den Mastbaum klammert die Möwe sich
Mit heiserem Sclirillen und Schreien;
Sic llattert und will gar iingstiglich
Eiu Unglück prophezeieu.
XIII.
Der Sturin spielt auf zum Tanzc,
Er pfeift und saust und brüllt;
Heisa! wie springt das Schifflein !
Die Nacht ist lustig und wild.
Ein lebendes Wassergebirge
Bildet die tosende See;
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I.\'il
©------------------------------------------------------
Hier giihnt eiu schwarzer Abgruud,
Dort thiirmt es sich weiss iu die Höh\'.
Ein Pluchen, Erbrechen mul Beten
Schuilt uu der Kajüte heraus;
Ich halte iuieh fest ain Mastbaum,
Umi wiinsche: Wiir\' ich ZU Hans !
XIV.
Der Abcnd kornuit gezogen,
Der Nebel bedeckt die Sce,
Gcheimnissvoll rauschen die Wogen,
Da steigt es weiss in die Höh\'.
Die Meerfrau steigt ans den Wellen,
Und setzt sich zu mir an den Strand;
Die «cissen Briiste qucllen
Hervor aus dem Schlciergewand.
Sic driickt mich und sie presst mich,
Und thut mir fast ein Weh; —
Du drückst ja viel zu fest mich,
Du schone Wasserfee!
»Ich press\' dich in meiuen Armen,
Und drücke dich mit Gewalt;
Ich will bei dir cnvarnien,
Der Abcnd ist gar zu kalt."
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Der Mond schaut immer blasser
Aus diimmriger Wolkenhüh\';
Dein Augc wird trüber mul nasser,
Du schone Wasserfee !
«Es wird nicht trüber and nasser,
Mein Aug\' ist nass und triib\',
Weil, als ich stieg aus dem Wasser,
Ein Tronfen im Augc blieb."
Die Müwen sclmllcn kliiglich,
Es grollt und brandet die See; ->-
Dein Herz pocht wild beweglich,
Du schiinc Wasserfee!
«Mein Ilerz pocht wild beweglich,
Es pocht beweglich wild,
Weil ich dich liebe uusiiglicli,
Du liebes Meuschenbild!"
XV.
Wcnn ich au dcincin Hau.su
Des Morgens vorübur geh\',
So freut\'s mich, du liube Kleine,
Wenn ich ilich am Penster seh\'.
Mit deinen schwar/.braunen Augen
Siehst du mich forschend an:
»Wer bist du, und was fehlt dir,
Du frenuler, kraukcr Manu?"
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133
---------------------------------------------------------------------S>
\'Ich bin ein dcutscher Dichter,
Bekaiint im deutsehen Land;
Nennt man die besten Namen,
So wird auch der meine genannt.
•liiid was mir febJt, dn Kleine,
Fehlt Manchem ini deutsehen Land;
Nennt man die srhlimmstcu Schmcrzen,
So wird auch der meinc genannt.\'\'
XVI.
Das Meer crgliinzte weit hinaus
lm letzten Abeudsclicine;
Wir sassen ain einsamen Fischcrhaus,
Wir sassen stuinni and alleine.
Der Ncbel stieg, das Wasser schwull,
Uie Müwe llog hiu und wieder;
Aus deinen Augen liebevoll
Kielen die Thriinen nieder.
Ich sah sie falleu auf deine Hand,
Und bin aut\'s Knie gesunkeu;
Ich hab\' vou deiner weissen Hand
Die Thriinen fortgetrunken.
Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Sehueu ; —
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i.;i
Mich hat das uugliickserge Weib
Vergiftet mit ihren Thrancn.
XVII.
Ua dioben auf jenem Berge,
Da steht eiu fcincs Schloss,
Da wohuen ilrei schone Friiulein,
Vou deueu ich Liebe gcnoss.
Souuabcnd kiisstc mich lette,
Und Sonutag die Julia,
l ml Montag die Kuuigundc,
Uie hat inicli erdrüekt bciuah.
Doch I \'ieustag war eine Kête
Bei ineiiien drei Krüulein ini Schluss;
Die Nachbarscliafts-Herren mul Damcu ,
Die kamen zu Wagen und Koss.
Ich aber war nicht geladen,
Und Das habt ibr iluimn geiuacht!
Die zischelndeu Muhmcn und Bitsen
Die merkten\'a und haben gelacht.
XVIII.
Am temen Horizonte
Erscheint, wie cin Nebelbild,
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139
------------------------------------------------------©
Die Stadt mit ihren Tlüirmen
In Abenddiünmrung gehüllt.
Eiu feuchter Windzug krtiuselt
Die graue Wasserbahu;
Mit traurigcm Takte rudert
Der Schiller iu nicinem Kaha.
Die Süime hebt sicli noch eiuuial
I>eucliteiid vuin Hu Jeu empor,
Uud zeigt niir jene Stelle,
Wo ich das Liebste verlor.
XIX.
Sci mir gegrüsst, du grusse,
Gchciiimissvoltc Stadt,
Die eiust in ilirem Schone
Mein Liebehen umschlosseu hat.
Sagt u, ilir Thiinne uud Thore,
Wo ist die Liebste juein?
Kuch hab\' ich sie auvcrtrauet,
Dir solltet mir Bürge sein.
Unschuldig sind die Thiinne,
Sie konnteu nicht vou der Steil\',
Als Liebehen mit Kofferu uud Schaehteln
Die Stadt verlasseu so schell.
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188
Die Thorc jedoch, die Hessen
Meiu Licbchcn entwischen gar still;
Ein Thor ist immer willig,
Wcnn eine Thöiin will.
XX.
So wandl\' ich wieder den alten Weg,
Die wolilbckannteii Gassen;
Ich komme vor mciner Liebstcn Haus,
Das steht so leer uud verlassen.
Die Strassen sind doch gar zu eng!
Das Pilaster ist unertriiglich!
Die Hiiuser fallcn mir auf den Kopf!
Ich eile so viel als inóglich!
XXI.
Ich trat in jenc Hallen,
Wo sie mir Treue versprochen;
Wo einst ihre Tliriinen gefallen,
Sind Schlangen hervorgekrochen.
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187
---------------------------------------------------------------------S>
XXII.
Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
In dieseni Hause wohntc mein Schatz;
Sie hat schon langst die Stadt vcrlassen ,
Doch steht noch das Haus anf demselben Platz.
Da steht auch ein Ménsch and starrt in die Hcihc,
Und ringt die Hiinde vor Schmcrzensgewalt;
Miv graust es, wenn ich sein Antlitz sehe —
Der Mond zcigt mir meinc eigne Gestalt.
Du Doppelgiinger, du bleichcr Geselle!
Was iiffst du nach mein Liebeslcid,
Das micli gequült auf dieser Stelle,
So manche Nacht iu alter Zeit ?
XXIII.
Wie kauwt du ruhig schlafcn,
Und weisst, ich lebe noch?
Der alte Zorn kommt wieder,
Und dann zerbrech\' ich mein Joch.
Kennst du das alte Liedenen ,
Wie einst ei\'.i todter Knab\'
Urn Mitteruacht die Gelichte
Zu sich geholt ins Grab?
--------------------------------è
Heini\'s llnch dtr LxaUr.                                                  10
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138
©----------------;------------------------------------
Glaub\' iiiir, Ju wiindurschüiics,
Du wunderholdes Kind,
Ich lebe und biu noch stiirkcr
Als alle Todten siml !
XXIV.
Die Jungfrau schlaft in der Kammcr,
Der Mond schaut zitternd hinein ;
Da drausecn singt es umi kliugt es,
Wie Walzermelodein.
»Ich will mal schaun aus dem Fcnster,
Wer drunten stort meine Ruh\'."
Da steht ein Todtcngerippe,
Und fiedelt und singt dazu:
« »Hast einst mir den Tanz versprochen ,
Und haat gebrochen dein Wort,
Und hcut ist Ball auf dem Kirchhof,
Komm mit, wir tanzeu dort." "
Die Jungfrau ergreift es gewaltig,
Es lockt sic hervor aus dem Haus;
Sie folgt dem Gerippe, das siugend
Uud fiedelnd schreitet voraus.
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130
------------------------------------------e
Es fiedelt und tanzelt umi hiipfet,
Und klappert mit seiuem Gebein,
Und nickt und nickt mit dem Schiidel
Uuheimlich im Mondeuscheia.
XXV.
Ich stand in dunkeln Trüumcn ,
Und starrte ihr Bildniss an ,
Und das gelichte Antlitz
Hfimlieh zu leben begann.
Urn ihre Lippen zog sich
Ein Liichel» wunderbar,
Und wie von Wehinuthsthriincn
Ergliinzte ihr Augcnpaar.
Anch meine Thriineu flossen
Mir von den Wangen herab —
Und ach, ich kann es nicht glaubcn,
Dass ich dich verloren hab\'!
XXVI.
Ich unglücksel\'ger Atlas! eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen, mnss ich tragen,
Ich trage Unertriigliehes, und brechen
Will mir dss Herz im Leibe.
©•--------------------------------------------------------------------------------------th>
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--------------------------------------------------------------®
Du stolzes Herz ! du haat es ja gewollt!
Dn wolltest glücklioh sein, nnendlich gliicklich ,
Oilcr uucndlich elcnd, stolzcs Herz,
Umi jetzo bist du elend.
XXVII.
Die Jahre kommen und gehen,
Geschlcchter stcigen ins Greb,
Doch nimmer rergcht die Licbe,
Die irh fan Horzen hab\'.
Nur einmal noch miielit\' ich dich sehen,
Und siuken vor dir aufs Knie,
Und sterbend zu dir sprecheu :
«Madam, ich liebe Sic!"
XXVIII.
Mir triiumtc: traurig schaute der Mond,
Und traurig schienen die Stcrne;
Ks trug mich zur Stadt, wo Liebchen wohnt,
Viel\' hundert Meilen ferne.
Es hat mich zu ihrem Hause gcfuhrt,
Ich küsste die Steine der Trcjipe,
Die oft ihr kleiner Fuss berührt
Uud ihres Kleidcs Schleppe.
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111
J)ie Nacht war lang, die Nacht war kalt,
Es waren so kalt die Steinc;
Es lugt\' aus dem Fenstcr die blasse Gestalt,
Beleuchtet vuni Mondcuschcinc.
XXIX.
Was will die einsame Thriine V
Sic trübt mir ja den Bliek.
Sie blieb aus alten Zeiteu
In nieiuem Auge zurück.
Sie hatte viel leuchtende Schwestcrn,
Die alle zerflossen sind,
Mit meincn Qualcn und Freuden,
Zerflossen in Nacht und Wind.
Wie Nebcl sind auch zerflossen
Die blaucn Sternclein,
Die mir jene Freuden und Qualcn
Geliichelt ins Herz hinein.
Ach, meine Liebe selber
Zerfloss wie eitel Hauch !
Du alte, einsame Thriine,
Zerfliesse jctxnnder auch!
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Ui
tö----------------------------------------------------------------------------3>
xxx.
Der bleicbe, herbstlichc Halbmond
Lugt aus den Wolken heraus;
Ganz einsam liegt anf dein Kircbhuf
Das stille Pfarrerhaus.
Die Mutter licst in der Dibel,
Der Solm, Der starrct ius Licht,
Schlaftrunken dehnt sich die altre,
Die jüngere Tochter spricht:
«Ach Gott, wie Einem die Tage
Langweilig hier vergehn!
Nur weuu sie Einen begraben,
Hekommen vvir Etvvas zu sehn."
Die Mutter spriclit zwischen dem Lescn :
»Du irrst, es starben nur Vier,
Seit man deinen Vater begraben
Dort an der Kirchhofsthür\'."
Die altre Tochter giihnet:
»Ich will nicht verhungern bei euch,
Ich gehe morgen zum Grafen,
Und Der ist verlicht uud reich."
Der Sohn bricht aus in Lachen:
«Drei Jager zechen im Stern,
Die machen Gold und lehren
Mir das Gcheimniss gern."
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14:,
Die Mutter wirft ihin die Bibel
lus magre Gesicht hiucin:
»So willst du, Gottverfluchtcr,
Ein Strassenriiuber sein I"
Sie horen pochen ans Fenster,
Und schn cinc winkende Hand;
Der todte Vater steht draussen
lm schwarzen Pred\'gergewand.
XXXI.
Das ist ein schlechtes Wctter,
Es regnct und stürmt und schneit;
Ich sitze am Eenster und schaue
Hinaus in die Duukelheit.
Da schimmert ein einsames Lichtchen,
Das wandelt langsam fort;
Ein Mütterchen mit dein Latcrnchen
Waukt über die Strasse dort.
Ich glaube, Mehl und Kier
Und Butter kaufte sie ein;
Sie will eincn Kuchen backen
Eürs grosse Töchterlein.
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144
---------------------------------------------------------------Ü
Die liegt ra Haus im Lchnstuhl,
l"nd blinzelt schliifrig ins Licht;
Die goldnen liocken wallen
l.\'ebcr das süssc Gesiclit.
XXXII.
Man glaubt, dass ich mich griimc
In bitterm Liebeslcid,
Und endlich glaub\' ich es selber,
So gut wie andre Leut\'.
Du Kleine mit grossen Augeu,
Ich hab\' es dir immer gesagt,
Dass ich cl ir h unsiiglich licbe,
Dass Liebe mein Herz zeruagt.
Doch uur in einsamer Kaïnmer
Sprach ich auf solche Art,
Und ach! ich hab\' immer geschwiegen
In deiner Gegeuwart.
Da gab es bose Engel,
Die hielten mir zu dem Muud;
Und ach ! durch bose Engel
Bin ich so elend jetzund.
©
e*
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I U
XXXIII.
Deine weissen Liljeiilinger,
Klimit" ich sie noch einmal kussen,
Und sie driicken an mein Hens,
UnJ vergehu in stilleni Weiueu !
Oeinc klaren Veilcheuaugen
Schwcben vor mir Tag und Nacht,
Und mich quült es : Was bedeuten
Diese sussen, blaueu Rathsel ?
XXXIV.
»Hat sie sich denn nie gcaussert
Ueber dein verliebtes Weien ?
Konntest du in ihrcn Augcn
Niemals Gegeuliebe lesen ?
"Konntest du in ihren Augen
Niemals bis zur Seele dringen ?
Und du bist ja sonst keiu Esel,
Theurer Freuud, in solchen Dingen."
XXXV.
So liebten sich Beide, doch Keiner
Wout\' ca dcm Audern gestehn;
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ut;
Sic sahcn sich an so fciudlich,
Uud wollten vor Liebe vergchn.
Sic trennten sich endlich und salin sich
Nur noch zuweilen im Traum;
Sie naren langst gestorbcn,
Und wusstcn es sclbcr kaum.
XXXVI.
Und als ich cuch meiue Schmerzcn geklagt,
Da habt ilir gegiihnt und Nichts gcsagt;
Doch als ich sie zierlich in Verse gebracht ,
Da habt ihr mir grosse Elogen geiuacht.
XXXVII.
Ich rief den Tcufel and er kam,
Und ich sah ihn mit Vcrwnudrung an ;
Kr ist nicht hiisslich und ist nicht lahm,
Er ist ein licber, charmanter Manu,
Eiu Wann in seinen besten Jahren,
Vcrbindlich und höllich und wclterfahren.
Er ist eiu geschciter Diplomat,
Und spricht recht schöu über Kirch\' und Staat.
Blass ist er etwas, doch ist es kein Wundcr,
Sanskrit und Hegel studirt er jetzunder.
Sein T.ieblingspoct ist noch immer Eouquc.
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Doch will er nicht mehr mit K rit ik sich befassen ,
Die Iiat er jetzt giinzlich überlassen
Der theureu Grossmutter Hekatc.
Er lobte mein juristischfs Strebeu,
Hat friiher sich aucli damit ab^egebcn.
Er sagtc, nicinc Krcuudschaft sei
Ihm nicht zu thener, and nicktc dabei,
Uud £rug: ob wit uns friiher nicht
Schon cinmal gesehu beim spau\'schen Gesandtcu?
Uud als ich recht besah sein Gesicht,
Fand ich in ihm einen alten Bekannten.
XXXVIII.
Metisch, verspotte nicht den ïcufel,
Kurz ist ja die Lebensbahn,
Uud die cwige Verdammniss
Ist kein blosser Pöbehvahu.
Mcnsch, bezahle deine Schulden ,
Lang ist ja die Lebensbahn,
Und du musst noch nianchmal borgen,
Wie du es so oft gethau.
XXXIX.
Die heil\'gen drei Köu\'ge aus Morgenland,
Sie frugen in jedem Stadtchen:
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\'Wo geht der Weg nach Bcthlehem,
Ihr licben Ruben und Madchen?"
Die Juugcii und Alten, sic wusstcu es nicht.
J)ie Könige zogen weiter;
Sic folgten einrin goldenen Stem ,
Der leuchtete lieblieh und heiter.
Der Stem blieb stehu über Joseph\'s Haus,
l)a siud sie hineingegangen;
Das Occhslein brüllte, das Kindlein schrie,
Die heil\'gen drei Könige sangen.
XL.
Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kinder, klein uud froh;
Wir krochen ins Hühnerhüuschcn ,
Versteckten uns unter das Stroh.
Wir kriibten wie die Hiihiie,
Uud kamen Leute vorbei —
"Kikereküb!" sie glaubteu,
Es wiire Hahuengeschrei.
Die Kisten auf unserem Hofe
Die tapezierteu wir aus ,
Und wohntcn driu bcisammen,
Und machten eiu vornchmes Haus.
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1 w
Des Ntchban altc Katte
Kam öfters zum Besueh;
Wir machten ihr Bückling\' und Knixc
l" 11 il Komplimcnte geung.
Wir habcn «ach ihrem Bcfindcn
Bcsorglich umi freuudlich gcfragt;
Wir habcn seitdcm Dassclbc
Mancher alten Katze gcsagt.
Wir sassen auch oft und sprachcn
Vcrnünftig, wie alte Leut\',
Und klagten, wie Alles besscr
Gcwesen zu unsercr Zeit;
Wie Lieb\' und Treil\' und Glaubcn
Verschwundcn aus der Welt,
Und wie so thcuer der Kafle,
Und wie so rar das Geld!-----------
Vorbei sind die Kinderspielc,
Und Alles rollt vorbei, —
Das Geld und die Welt und die Zeitcu ,
Und Glaubcn und Lieb\' und Treu\'.
XLI.
Dis lliiv. ist mir bcdriiekt, undsehnlich
Gcdenke ich der alten Zeit;
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15(1
Die Welt war damuls noch so wühulich ,
llnd ruhig lcbten hiu die Leut\'.
Doch jetzt ist Alles wie verschoben ,
Da9 ist ein Drüngen, eine Noth !
Gestorben ist der Herrgott oben,
Und untcn ist der Teufel todt.
Uud Alles schaut so giümlich trübc,
So krausverwiirt uud morsch und kalt,
llnd wiire nicht das bischen Liebe,
So giib\' es nirgends eineu Halt.
XLII.
Wie der Mond sich leuchtcnd drfinget
Durch den dunkeln Wolkenflor,
Also taucht aus dunkeln Zei ten
Mir ein lichtes Bild hervor.
Sassen All\' auf dein Verdccke,
Fuhrcn stolz hinab den Rhein,
Uud die sommergrünen Ufer
tiliilni in Abendsonucnschcin.
Sinnend sass ich zu den Füsscu
Kiner Dame, schön und hold;
In ihr licbes, bleiches Antlitz
Sniclt\' das rothe Sonnengold.
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15]
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l.aiirn klangen, Buben sangen ,
Wundeibare Frühliclikeit!
Und der Himmel warde blnuer,
Und die Seele wurde weit.
Marclienhaft voriiberzogen
Berg\' uud Burgen, Wald und All; —
Und das Alles sah ich gliinzcu
lm dem Aug\' der schollen Frail.
XL1II.
lm Traum sah ich die Geliebte
Ein banges, bekiimmertes Weib,
Verwelkt und abgefallen
Der sonst so bliihende Leib.
Ein Kind trug sie auf dem Arme,
Ein andres fiihrt sie an der Hand,
Und sichtbar ist Armuth uud Trübsal
Am Gang und Bliek und Gewand.
Sie schwankte über den Marktplatz,
Und da begegnct sie mir,
Uud sieht mich an, und ruhig
Und schmerzlich sog\' ich zu ihr:
« Komiii mit nach meincm 11ause ,
Denn du bist blass und krank;
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158
-J
Ich will durcli Fleiss und Arbeit
Dir schaffen Speis\' und Tronk.
«Ich will auch pflegen und wortcn
Die Kinder, die bei dir sind,
Vor Allem aber dich selber,
Da annes, unglückliches Kind.
»Ieh will dir nie erzahlcn,
Dass ich dich gelicbet hab\',
Und wcnii du stirbst, so will ich
Weincn auf dcincm Grab."
XLIV.
«Thcurer Frcund! Was soll es nutzen
Stets das alte Lied zu leiern?
Willst du cwig brütend sitzen
Auf den oltcn Liebes-EiernV
«Ach! Das ist cin ewig Gattcrn,
Aus den Schalen kricchen Küchlein,
Und sic piepsen und sie llattcrn ,
Und du sperot sic in ein Hüchlein."
-@
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153
XLV.
Werdet uur nicht ungednldig,
Wcnn von alten Ladensklangen
Manche noch vcniehmlieh tonen
In
den ucuesten Gcsiingen.
Warlct nur, es wird verhullen
Diescs Echo meincr Schinerzen,
Und cin neuer Liederfïiïhling
Spriesst aus dein gcbeilteu Henen.
XLVI.
Xun ist es Zeit, dass ich mit Verstand
Mich aller Thorhcit cntled\'ge ;
Ich hab\' so lang als Komüdinnt
Mit dit gespiclt die Komódie.
Die priicht\'gen Koulissen , sie naren bcnialt
lm hocliromantischcn Stile ,
Mein Kittennantel bat goldig gestrahlt,
Ich fiihlte die feinstcn Gefiihle.
Und nun ich mich gar siuiberlich
Des tollen Tands entled\'go:
Noch immer elend fiihl\' ich mich,
Als spielt\' ich noch immer Komödie.
Hkinf\'s llnch ,ler I.ieJer.
II
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154
Aeh Gutt! iiu Schcrz und unbewusst
Snracb icli, was icb gefïihlct;
lob hab\' niit dein Tod in der eignen Huist
Den sterbenden Fechter gjspielct.
XLV1I.
Den Kónig Wigwumitra,
Den treibt\'s ulnie Rast and linli,
Er will dnrch kamuf mul riiissnng
Erwerbeu Wasischta\'s Knh.
O, Künig Wiswamitra,
O, welch eiu Ochs bist dn,
Doss dn so viel kanipfest nnd biissest,
IJ 11J Alles fiir eine Knli !
XLV1II.
Her/., ineiu Hens, sei nicht beklommen,
Und ettragu dein Gescliick.
Neuer FrUhlittg giebt ssuriiek,
Was der Winter dir genommen.
Und wie Viel ist dir geblieben !
Und wie sohöu ist nocli die Welt!
Und meiu Hens, was dir gefallt,
Alles, Alles dnrt\'st du liebeu !
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155
XLIX
l)ti bist wie cinc Blume,
So hold unJ Bchön and reiu :
Ich schau\' dich au , uud Wehmuth
Schleicht niir ins Herz hinein.
Mir ilt, als ob ich die liiinde
Aufs Haupt dir legen sollt\',
Beteud, dass Gott dich erhalte
So rein und schün uud hold.
L.
Kind I es wiire dein Verderben ,
Uud icli geb\' mir selber Mühe,
Dass dein liebcs Herz in Liebe
Niinmenuehr für mioh erglühe.
Nur dass uiir\'s so leicht gclingct,
Will mich deunoch fast betrüben,
Uud ich denke n.anchmal deunoch:
Móchtcst du mich deunoch lieben!
LI.
Wenn ich auf dem Lager liege,
Iu Nacht und Kissen gehüllt,
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15 fi
&>
So schwcbt rair vor ein siisscs,
Anmuthig linbc\'8 Bild.
Wenn mir der stille Schlumnier
Gesehlossen die Augcn kauni,
So schleieht das Bild sich leise
Hinein in mcincn Traum.
Doch luit dein Traum des Morgens
Zerriimt es nimmermehr;
Dann trag\' ich es im Herzcu
Den ganzen Tag umher.
Lil.
Miidchen mit dem rothen Mündehen,
Mit den Acuglcin süss und klar,
Du mein liebcs, kleines Madehen,
Deiner denk\' ich iminerdar.
Lang ist hout der Winterabend,
Uud ich müchte bei dir sein ,
Bei dir sitzeu, mit dir schwatzen
lm vertrauten Kümmerlein.
An die Lippen wollt\' ich pressen
Dcine kleine weissc Hand,
Und mit Thriineu sic benctzeu,
Deine kleine, weissc Hand.
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LUI.
Mag da draussen Schnee sich thürmcn,
Mag es hagelu, mag es stiirmen,
Klirrend mir aus Penster schlagen:
Niuimer will ich mich beklagen,
Denn ich trage in der Brost
Liebchens Bild uud Frühlingslust.
IIV.
Andre beten zur Madoune,
Andre auch zu Paul und Peter;
Ich jcdoch, ich will nar beten,
Nur zu dir, du schone Sunue.
Gieb mir Küsse, gieb mir Wonnc ,
Sei mir gütig, sei mir guiidig,
Schónstc Sqnne unter den Miidchen,
Schönstcs Miidchen unter der Sonne!
LV.
Verricth mein blasses Angesicht
Dir nicht mein Liebeswehe?
Und willst du , daas der stolze Mund
Das Bettehvort gestehe ?
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-------.--------------------------,-------------------g
O, diescr M mul ist viel zu stolz,
Und kann nur küs9en und scherzcn;
Er sprachc viclleicht cin hühnischcs Wort,
Wührend ich sterbe vor Schmerzen.
LVI.
\'Thturcr Krcund , du bist vcrliebt,
Und dich quiilen neuc Schmcr/en;
Dunklcr wild es dir ira Kopt,
Heller wild es dir im^Herzen.
"Theurer Freund, du bist verlicbt,
Und du willst es nicht bekennen ,
Und ich seh\' des Herzens Glutli
Schon durch deine Weste brennen."
LVII.
Ich wolltc bei dir wcilcn
Und au deincr Seite ruhn ;
Du musstest von rair eilen,
Du hattcst Viel zu thun.
Ich sagte, dass meine Seclc
Dir gnnzlich ergeben sei;
Du lachtest atis voller Kehle,
Und machtat \'nen Knix dabei.
rs-----------------------------------------------------------
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I.VJ
Du hast noch mehr gesteigert
Mir meinen Liebesverdruss,
Und ha*t mir sogar verweigert
Am Endc den Abschiedskuss.
Glanb\' nicht, ilass ich mich erschiesse,
Wie 9chlimm auch die Sachcn stchn!
Das AUcs , mcine Süsse,
Ist mir sehon einmal geschehn.
LVIII.
Saphirc sind die Augen dein,
Die lieblichcn, die sussen.
O, dreimal gliicklich ist der Mann,
Den sie mit Liebe grüs3cn.
Dein llerz, es ist ein Diamant,
Der cdle Lichter sprühet.
O, dreimal gliicklich ist der Mann,
Für den es Hebend glühet.
Rubinen sind die Lippen dein,
Man kann nicht schünre sehen.
O, dreimal gliicklich ist der Mann,
Dem Liebe sie gestehen.
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160
O, keuut\' ich nur den gliicklichcu Manu
O, dass ich ilm nur Hinde,
So recht alk-in im griinen Wald —
Sein Glück hiitt\' balil cin Ende.
LIX.
Habe ïnich mit Liebesreden
Pestgclogen au dein iïerz,
Und, verstrickt in eignen Fiiden,
Wird zuni Ernste mir niein Scherz.
Wenn du dich mit vollein Rechte
Scherzend nnu von mir entfernst,
Nahn sich mir die llüllcuniiichtc,
Und ich schiess\' mich toJt im Ernst.
LX.
Zu fragmentarisch ist Welt und Leben —
[cli «ill mich ziun deittschen Professor begeben ,
Der weiss das Leben zusaminen zu setzen,
lJ11 cl er macht ein verstandlich System daraiis;
Mit seinen Nachtmi\'itzeu und Schlafrockfetzen
Stopft er die Lnoken des Weltenbaus.
s--------------------------------------------e
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I 8 I
LXI.
Icli hab\' mir lang den Kopt\' zerbrocheu,
Mit Denken uncl Sinnen, Tag und Nacht,
Doch deiue liebeuswürdigen Augcn ,
Sie liaben mich zuni Eutschluss gebracht.
Jetzt bleib\' ich, wo deine Augcn lunchten,
In ihm- sussen, khigen Pracht —
Dass ich noch eimnal wiirde licben,
Ich hiitt\' es nimraeimehr gedacht.
LXII.
Sie habeu hent Abend Gesellschaft,
Und das Hans ist lichterfüllt.
Dort obeu am hellen Penster
Bewegt sich ein Schatteubild.
Du schaust mich nicht, im Dunkeln
Steh\' ich hier unten ullein ;
Noch wen\'ger kannst du schauen
In mein duukles Herz hincin.
Mein duukles Herzc Hebt dich,
Es liebt dich und es bricht,
Und bricht und mokt und verblutet,
Aber du siehst es nicht.
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f-------------------------------------------------
LXIÏI.
Ich wollt\' meine Schmerzcu ergös\'cn
Sich all\' in ein einzigcs Wort,
Das gab\' ich den lnstigen Winden ,
Die triigen es lustig fort.
Sie tragen zu dir, Gelichte,
Das schmcrzerfüllte Wrrtj
Du horst es zu jedcr Stuiulc,
Dn hörsl es an jeJcm Ort.
Und hast dn zum niichtlichen Schliimnier
Geschlossen die Augcn kaum,
So wird dicli meiu Wort verfolgen
Bis in den liefeten Trauin.
LXIV.
Du hast Diamanten und Perlen,
Hast Alles, was Mcnschenhegehr,
Und hast die schönsten Augen —
Mcin Liebchen, was willst dumchrV
Auf deine schonen Augen,
Hab\' ich ein ganzes Heer
Von ewigen Licdern gedichtet —
Mcin Liebchen, was willst du mehr ?
©----------------.------------------------------------
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163
--------------------------------------------------«.
Hit deinen schonen Angcn
llast ilu inich gequlilt so sehr,
Und bast midi zu Gruiule gerichtct —
Mein Liebehen, was willst du mehr?
IXV.
Wcr znm crsten Male Hebt,
Sei\'s auch glücklos, ist ein Gott;
Aber wer mm zwciten Male
Glücklos licbt, Der ist ein Narr.
Ich, ein 9olcher Narr, ich liebe
Wieder ohue Gegeulicbe;
Sonnc, Mond unil Stcrne Lachen,
Und ich lache mit — und sterbe.
LX VI.
Gabcn mir Rath und gutc Lehren,
Ueberschüttetcii inich mit Ehren,
Sagten, dass ich nur warten sollt\',
llaben mich protegiren gewollt.
Abcr bei all ihrcm Protegiren,
Hiitte ich kunnen vor Hunger kreniren,
Wiir\' nicht gekommen ein braver Mann
Wacker nahm er sich mcincr an.
é------------------------------------------------©
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164
Braver Manu! er schafft mir zu essen!
VVill es ihin nie und Dimmer vergessen!
Sclnule, dass ich ihu nicht kiissea kann!
Demi ich biu selbst dieser brave Manu.
LXVII.
Diesen liebenswürd\'gen .Tüngling
Kann man nicht genug verehren ;
O ft traktirt er mich luit Austern,
Und mit Rheinwein und Likören.
Zierlich sitzt ilim Rock und Höschen,
Doch noch zierlicher die Biude,
Und so kommt er jeden Morgen,
Fragt, ob ich mich wohl belindc;
Spiïcht von meinem weiten Kuhme,
Mcincr Anmuth, meinen Witzen;
Eifrig und geschiiftig ist er,
Mir zu dienen, mir zu nutzen.
Und des Abends in Gesellschaft,
Mit begeistertem Gcsichtc,
Deklamirt er vor den Damen
Meiue giittlichen Gedichte.
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LAS
S-------------------------------------------------------------
O, wie ist es hocli erfreulich,
Solchen Jïmgling noch zu findeu,
Jetzt in unsrer Zeit, wo tiiglich
Mehr mul mchr die Besscrn schwinden.
LX VIII.
Mir triiumt\': ich biii der liebc Gott,
Und sitz\' im Himniel drobcn,
Und Englein sitzen um niich her,
Die mcinc Verse loben.
Und Kuchen ess\' ich und Konfckt
Für manchen liebcn Gulden,
Und Kardiual trink\' ich dabei,
Und habc keine Schulden.
Doch Langewcile plagt mich sehr,
Ich wollt\', ich war\' auf Erden,
Und war\' ich nicht der liebc Gott,
Ich köunt\' des Teufels werden.
»Du langer Engel Gabriel,
Geh,\' mach\' dich auf die Sohlen,
Und meinen theuern Freund Eugen
Solist du heranf mir holen.
»Such\' ihu nicht im Kolleginm,
Such\' ihn beim Glas Tokaier;
I
»•
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lfifl
Such\' ihu nicht iu der Hedwigskirch,
Such\' ikn bei Mamsell Meyer."
Da breitet aus sein Fliigclpaar
Und fliegt herab der Eugel,
Umi packt ihn anf, und bringt heraut\'
Den Ereund, den lieben Bengel.
»Ja, Juug\', ich Ijin der liebe Gott,
Und ich regier\' die Erde!
Ich hab\'s ja immer dir gesagt,
Dass ich was Rechts noch werdc.
» Und Wunder thu\' ich alle Tag\',
Die sollen dich eutzücken !
Und dir zum Spasse will ich heut
Die Stadt Bcrlin begliickcu.
«Die Pilastcrsteine auf der Strass\',
Die sollen jetzt sich spaltcu,
Und cine Auster, friseh uud klar,
Soll jedcr Steiu enthaltcu.
• Ein Kegen vou Citroucusaft
Soll thauig sie begiessen,
Uud in den Strasscngössen soll
Eer beste Kheiuweiu fliessen."
Wie freueu die Bcrliner sich,
Sie gehen schou ans Frissen;
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167
-----------------------------------------------------3
Die Herreu von dein Landgericht,
Die saufi-n aus de» Güssen.
Wie freueu die Poëten sich
Bei solchem Götterfraase !
Die Lieutnauts uud die Fahnderichs,
Die lecken ab die Strossc.
Die Lieutuaitts uad Fühuderichs,
Das sind die klügsteu Leute,
Sie deuken: alle Tag\' geschicht
Keiu Wunder so wie heute.
LX1X.
li\'li hab\' euch iui besten Juli verlassen,
Und fiud\' euch wieder im Januar;
Hu sasset dainals so recht in der Uitzo,
Jetlt scid ihr gekühlt uud kalt sogar.
Uald scheid\' ich nochinals und koniiu\' ich eiust wieder.
Danu leid ihr weder warin noch kalt,
Und über eure Griiher schreit\' ich,
Und das eigue llerz ist arm und alt.
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1S8
LXX.
Von schonen Lippen fortgedriingt, pctrieben
Aus schiincn Armen, die uns fest umschlosscn!
Ich ware gern noch cinen Tag gebliebon ,
Da kam der Schwnger schon niit seinen Rossen.
Das ist das Lcbcn, Kind.\' ein cwig Jammern ,
Ein ewig Abscliii\'diiehinen , cw\'ges Treniien !
Kmint\' denn dein Herz das inein\'ge nicht umklammcric\'
1 Int sclbst dein Auge mich nicht halten kunnen V
LXXI.
Wir fiilircn allein im dnnkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander na Henen ,
Wir habcn gescherzt und gelaclit.
Doch als es Morgens tagte,
Mein Kind, wie stauntcn wir!
Deun zwischen mis sass Amor,
Der blinde Passagier.
LXXII.
Das weiss Gott, wo sich die tollc
Dirnc einqunrticrct bat;
—<s
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Hi\'J
Flncheml in dein Rcgenwetter
Lauf\' ich ilurch die ganze Stndt.
Din ich doch von einem Gasthof
Xach dem andcrn hingerannt,
l J il tl an jeden groben Kellner
ilab\' ich in ich umsonst gewandt.
Da erblick\' ich sic am Fenster,
Uud sic «inkt umi kichert heil.
Konut\' ich wissen, du bcwohntest,
Miidchen, solches Pracht-Hotcl!
LXXIII.
Wie dunklc Triiume stellen
Die Htiuscr in langer Rcih\';
Ticf cingehüllt im Mantel,
Schreite ich schweigeud vorbei.
Der Thurm der Kathedrale
Verkündet die zwölfte Stuud\';
Mit ihren Reizen und Kussen
Erwartct niich Liebcheu jetzund.
Der Mond ist mein Deglciter,
Er leuchtet mir freundlich vor;
Da bin ich au ihrem Hausc,
Uud freudig ruf\' ich empor:
\'kink\'s liuck .Ier Lieder.                                                          12
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!\'.<•
Ieh danke dir, alter Vrrtrautcr,
Pass du meiucu Weg erhellt;
Jetzt will ieh dieh cntlasscn,
Jetzt leuchte der übrigcn Welt!
<l nd limli\':.! du einen Verlichten,
Der eiusaui klagt sein Leid,
So triist\' ihn , wie du inieli selber
Getrüstit in alter Zeit."
IiXXIV.
lind bist du ent ineiu ehlieh Weib,
Dann bist du zu beluiden,
Diiim lebst du in lanter Zcitvertrcib,
In lauter Plaisir und Prcuden.
Und wcnu du schiltst uud wenn du tobst,
Ieh werd\' es geduldig leiden;
Doch wenn du ineiuc Verse nicht lobst,
Lass\' ieh inieli von dir scheiden.
IAXXV.
Au deine schneeweisse Schutter
Hab\' ieb iiicin Haujrt gclehut,
I.\'nd beiudieh kann ieh hchurchcu ,
Wunach dein llerz sich schut.
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171
------------------------------------------------$
Es blascn ilie blaueu Husaren,
Und rcitcn ram Thor herein,
Und morgen will mich verlasscn
Die Herzallerliebste meiu.
Und willst du mich morgen verlasscn,
So bist du doch heute uoch meiu,
Und in deinen schonen Armen
Will ich doppelt selig sein.
LXXVI.
Es blasen die blauen Husareu,
Und reiten zuin Thor hiuaus;
Da komm\' ich, Geliebte, und bringe
Uir eineu Rosenstrauss.
Das war cine wilde Wirthschaft!
Kriegsvolk und Laudesplag\'!
Sogar in deinem Herzchen
Viel Einquartiernng lag.
LXXV11.
llubc auch in jungeu Jahren
Manches bittre Leid erfahren
Von der Liebe Gluth.
Doch das Hol/, ist gar zu theuer,
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L7S
rb---------------------------------------------------
Und crlöschen will das Feuer,
Ma foi! und Das ist gut.
Das bedenke, junge Schone,
Schicke fort die domme Thrüne
Und den ilummen Liebesharm.
Ist das Leben dir geblieben ,
So vergiss das alte Liebcu ,
Ma foi! in meiuem Arm.
LX XVIII.
Bist du wirklich mir SO feindlieh,
Bist du wirklich gauz verwandelt?
Aller Welt will ich es klagen,
Dass du mich so slecht behandelt.
O ihr undankbareu Lippen,
Sagt, wie köiint ihr Schliimncs sagen
Vou dein Maunc, der so liebend
Euch geküsst in schonen Tagen?
LXXIX.
Ach, die Augeu sind es wieder.
Die inich eiust so lieblicli grüssteu,
Und es sind die Lippen wieder,
Die das Lebeu mir versüssten !
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178
S-------—------------------------------------------0
Auch die Stimnie ist es wieder,
Die ich eiust so gern gehóret!
Nur ich sclber bin\'s nicht wieder,
Biu veriindert heimgekehret.
Vou dcu weissen, schonen Arnicn
l\'iv-i uud licbevoll unischlossen,
Lieg\' icli jetzt uu ilirem Herzcu
Dnmpfeu Sinncs uud verdrosscn.
IXXX.
Selten habt ihr mich verstanden,
Selteu aucli verstand ich euch;
Nur wenn wir im Koth uns fanden,
So verstanden wir uns gleich.
LXXXI.
Doch die Kastraten klagten ,
Als ich meiiie Stiinm\' erhob;
Sic klagten uud sie sagten:
Ich siinge viel zu grob.
Uud licblich erhubeu sie Alle
Die kleinen Stimmcleiu,
Die Trillcrchcn, wie Krystalle,
Sie klangeu so feiu uud rein.
©
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174
Sic gangen von Liebessehncn,
Von Liebc and Licbcscrgnss;
Bic Damen schwammcn in Thnincn
Bei solclicm Kunstgciiuss.
LXXXII.
Auf den Wallen Salamanka\'s
Sind die Liiftc lind und labcnd;
Dort mit meinel holden Donna
Wandie ich am Sommcrabcnd.
Um den schlankcn Leib der Schonen
Hab* ich meinen Arm gebogen,
Und mit scl\'gem Pinger fiilil\' ich
Ihrcs Busene stolzcs Wogen.
Doch ein iingstliches Geflüster
Zicht sich durch die Lindenbaiime,
Und der dunlclc Mühlbach untcn
Murmelt bösc, bange Traume.
"Ach, Scnnora, Ahnung sagt mir:
Einst wird man mich relegieren,
Und auf Salamanka\'s Wallen
Gchn wir uiminerinehr spazicren."
LXXXIII.
Neben mir wohnt Don Henriqucz,
Den man auch den Schonen nennct:
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Haohbarlich sind unsrc Zimmer,
Nur von dunner Wand gctrcnnet.
3alamanka\'a Ramen glühen,
Wenn er dnrch die Strassen schreitct,
Sjiorenklirreiul, schuurrbartkriiuscld,
Hul von Huiden stets begleitet.
Doch in stiller Abendstnnde
Sitzt er ganz aUein daheime,
In den Kunden die Guitarrc,
In der Scele siissc Trüume.
In die Saiten greift er hebend
Und beginnt zu phantaneren —
Ach! wie Katzenjainmer qoilt mich
Sein Gcsehnarr and Qninquilieren.
LXXXIV.
Kanm salien wir uns, und an Angen und Stimmc
•Merkt\' ich, dass du mir gewogen bist;
Stand nicht dabei die Matter, die schlinime,
Tob glnnbc, wir hutten uns gleich geküsst.
Und morgeu vcrlassc ich wieder das Stadtchcn,
Und eile fort im alten Laaf;
Daan lauert am Penster mcin blondcs Müdchcn,
Und freandliehe Grüssc werf\' ieli hinauf.
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LXXXV.
Uebcr die Berge steigt schon die Sounc,
Die Lümuierherde lüutet fern;
Mein I/icbcheii, meiu Laimii, meiue Souuc mul Wonnc,
Noch eiumnl siih\' ich dich gar zu geru!
lelt schauc hinauf uiit ipahender Miene —
Leb\' wobl, mein Kind, ich waudre voii hier.
Vergebens! Es regt sich keine Gardiiie;
Sie liegt nocb und schlaft — und triiiiint von niiiV
LXXXVI.
Zn Halle auf dein Markt,
Da stehu zwei grosse Löwen.
Ei, dn hallischer Luwen trotz ,
Wie bat man dich ge/.iilimet!
Zn Halle anf dem Markt,
Da stebt ein grosscr Kiese.
Er liat ein Schwcrt und regt sich nicht,
Er ist vor Schrede renteniert.
Zu Halle auf dem Markt,
Da stebt einc grosse Kirche.
Die Hurschcnscliaft und die Landsinannscbaft,
Die liaben dort Platz zum Beten.
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LX XXVII.
Diiiniueriid liegt der Soniuierabcnd
Uebei\' Wuld uud griiueu Wiesen;
Goldiier Mond iin bluuen Himinel
Stralilt heranter, duftig Ubcud.
An dein Bache zirnt die Grille,
Uud es re^t sicli in dein Wasser,
Und der Wandrer hult eiu Pliitscliern
Uud eiu Athmeu in der Stille.
Durtcu, au dem Bach alleiue,
Badet sicli die schone Elt\'e;
Arm uud Nackeu, wciss und lieblich,
Schiiiiiueru in dem Mondensuhcine.
LXXXV1II.
Nacht liegt auf den freinden Wegen, —
Kraukes Herz uud niiide Glieder; —
Ach, da iliesst, wie stiller Segen,
Siisser Mond, dein licht hemicder
Süsser Mond, mit deinen Strahlen
Scheuclust du das nacht\'ge Granen;
Es zerrinuen mciiic Qualen,
Und die Augen überthaucn.
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liXXXIX.
Per Tod, Dm ist «lic kiilile Nacht,
Das T/ebcii ist der sclmiilc Tag.
Es dunkell schon, mich schliifcrt,
Der Tsg lint mich iniid\' gcmaclit.
Ucbov niciii ]}itt erhebt sieh cin Bnnnri,
Driii singt die jungc Nachtigall j
Sie singt von lauter Liebc ,
Toli hör\' es sognr im Traiim.
XC.
»Sag\', wo ist dein schönes Liebelicn,
Das du cinst so schiin besmigen,
Als die zaubernmcht\'gen Flnmmen
Winidcrbar dein Hcrz diirehdriingcn V"
Jcne Flnmmen sind crlosehcn,
Und iiiein Hcrz ist kalt uiid trübe,
Und dies Büchlein ist die Urne
Mit der Aselic inciiier Liebc.
©
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öötterdammerung.
Der Mai ist ila mit seinen goldncn Lichtern
Und seiilneu Liiftcu umi gewiirzten Düften,
Und freundlicli lockt er mit den weissen Blüthen,
Und grüsst aus tausend blauen Veilchenaugen,
Cnd breitet aus den blumreich griinen Tejipicli,
Dnrchwebt mit Sonnenschcin und Morgenthau,
Und ruft herbei die lieben Menschcukinder.
Das bliide Volk geboreht den eisten Ruf;
Die Mamier ziclm die Nankinghosen au
Und Sonntagsriick\' mit goldncn SpicgclkiKipfcn;
Die Frauen kleiden sich in Unschuldweiss;
Jiinglingc krauscln sich den Krühlingwchnarrbarl:
Jungfrauen lassen ihre Uusen wallen;
Die Stadtpoeten stecken in die Tasche
Papier mul Hleistift und Lorgnett\', — und jubelml
Zieht nach dem Thor die krausbewcgtc Schar,
Und lagert drausscu sicli auf grünem Rascn,
Bewundert, wie die Biiiime fleissig wacbsen,
Spielt mit den bnnten, zarten Bliimelcin,
Horcht anf den Sang der lust\'gen Yiigelcin,
Uiul jauchzt liinauf zmn blauen Hiinnielszelt.
Zu mir kam auch der Mai. Er klopftc dreimal
Au meine Thür und rief: »Ich bin der Mai,
Du bleieher Trimmer, komm, ich will dich kussen I"
Ich hielt verriegelt meine Thür\', und rief:
Vergebens lockst du mieh, du schlimmer Gast.
Ich habc dich durchseliaut, ich hab\' duivhschaut
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L80
Dcu Bau der Welt, uiul hab\' zu Viel gcschaut,
liml viel zu Bef, umi hin ist alle Freude,
UuJ ew\'ge Quulcu zogeu iu meiu Hcrz.
Ieli schauc durch die steiucrnharten Rinden
Der Mcnscheuhüuser und der Meuscheulurzen,
Und schau\' iu beiden Lug und Trug und Eleud.
Auf den Gesichtern~_les\',ich die Gedaukeu,
Viel schlhuiue. Iu der Juugfrau SchainciTÖthcn
Seli\' ich geheime Lust begehrlich zittern;
Auf dein begeistert gtolzuu\'Juiiglingshaupt
Seh\' ich die lachend bunte Schelleukappc;
Und Eratzenbildcr uur und sieche Schatten
Seh\' ich auf dieser Erde, und ich weiss nicht,
Ist sie eio Tollhaus oder Krankeuhaus.
Ich sehc durch deu Grund der alten Erde,
Als sei sie von Krjstall, und seh\' das Grausen,
Das init den freud\'gen Grime zu bedeckeii
Der Mai vergeblich strebt. Ich seh\' die Todten;
Sie liegen uuteu iu den sehmalen Siirgen,
Die lliiud\' gefaltet und die Augeu oilen,
Weiss das Gewand uud weiss das Angesicht,
Und durch die Lippen kriecheu gelbe Wünner.
Ich seh\', der Sohn setzt sich luit seiner liuhle
Zur Kurzweil uieder auf des Vaten Grab;
Spottliedcr singen riugs die N\'achtigallen,
Die sanfteu Wiesenblumen lachen hiimisch,
Der todte Vater regt sich im dem Grabc —
Und schiuerzhaft zuckt die alte Matter Erde.
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1S1
Du arme Erde, deine Schmerzeu keun\' ich!
Ich seh\' die Gluth in dcincm Buscn wühlen ,
Und deine taaiend Adern seh\' ich binten,
ünd seh\', wie deine Wnnde klaffend aufrcisst,
Und wild hervorstrümt Flamm\' und Kauch mul Blut.
Ich sehe deine trotz\'gen Riescnsiihnc,
Uralte Brut, aus dunkeln Schuinden steigend
1 ud rothe Fackeln in den Handen schwingend;
Sic legen ihre Eisenleiter an
Und stürmcn wild hinauf zur Himmelsfeste; —
Und schwarze Zwerge klettcrn nach, und kuisterml
Zerstieben droben alle goldncn Sterne.
Mit frecher Hand rcisst man den goldncn Vorhang
Vom Zelte Gottcs, henlcnd stiirzcn nieder
Aufs Angcsicht die frommeu Eugelscharcn.
Auf seinen) Throne sitzt der bleiche Gctt,
Reisst sich vom Haupt die Kron\', zerraul\'t sein Haar —
Und niiher dringt hcrau die wilde Hotte.
Die Ricsen wcrfen ihre rothcn Fackeln
lus weite Himmelreich, die Zwerge schlageu
Mit Flammengeisseln auf der Englcin Backen —
Die winden sich und krümmeu sich vor Qimlen,
Und werden bei den Haaren fortgeschlcudert. —
Und meinen eigneu Engel seh\' ich dort,
Mit seinen blonden Locken, sussen Zügen,
Und mit der cw\'gen Liebe mn den Muud,
Und mit der Seligkeit im blaueu Auge —
Und ein cntsetzlich hiisslich schwarzer Kobold
Keisst ihn vom Boden, meinen bleicheu Engel,
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182
Bcaugelt grintend seine cdlen Glicdcr,
Umschliiigt Uu test mit zartlicher Umschlingutig —
Und geilend dröhnt ein Schrei durchs ganze Weltull,
Die Saulcn breohen, Brd\' und lliininel stürzen
Zusnmmen, und es lierrscht die alte Nacht-
K a t eli f f.
Der Trauingott brachte mich in eine Landschaft,
Wo Traucrweiden niir »\\\\illkommeu" winkteu
Mit ihren langen, grünen Armen, wo die Blmnen
Mit klngeu Schwesteraugen still micli ansahn,
Wo mir vertranlich klang der Vogel Zwitschcrn,
Wo gar der Hnnde Bellen mir bekannt seinen,
l ml Slimmcu und Gestalten mich begriisstcn
Wie einen alten Kreund , uud wo doch Alles
So fremd mir schicn, so wuuderseltsam 1\'reiud.
Vor einem liindlich sclnniieken llausc stand ich;
lu niciner Binst bewegte sich\'s, im Koiife
War\'s ruhig, lullig sehüttelte ich ab
Den Staub vou mcinen Keisckleidern,
Grell klang die Klingel, und die Thiir ging nuf.
Da waren Miiuner, Kranen, viel\' bekannte
Gerichter. Stiller Kunimer lag auf allen
L\'nd lieinilicli seheuc Angst. Seltsani verstort,
.Mit rtcilcidsniicucn last, sahn sie micli an ,
Dass es mir selber durch die Seele schauert\',
Wie Ahnuiig eines uubekaniiteii Unbcils.
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183
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Die altc Margrcth hab\' ich gleich erkannt;
Ich sah sie tbrschcnd an, jedoch sic sprach nicht.
.Wo ist Maria?" fragt\' ich, doch sie sprach nicht.
Grift" lcisc nicinc Hand , and führte juich
Durch viele lange, lenchtendc Gcmiicher,
Wo Prunk and Pracht uud Todtenstille hcirschte,
Uud führt\' niich cndlich in ein dammernd Zimmer,
Und zcigt\' mit abgewandtem Angcsicht
Nach der Gestalt, die auf dem Sopha sass.
«Siiid Sie Maria?" fragt\' ich. Innerlich
Krstauut\' ich sclbcr ob der Kestigkeit,
Woinit ich sprach. Uud stcinern und inctalllos
Scholl eiue Stimiii\': "So uennen mich die Leute."
Kin schneidend Weh durchfrostelte mieh da,
Deun jener liohle, kalte ïon war doch
Die eiust so siisse Stinmie von Maria!
Und jenes Wcib im t\'ahlen Lilakleid,
Nachliissig angc/.ogen , JJuscu schlotlerud,
Die Aiigcn glasern starr, die Waiigenmuskelii
Des weisseu Angesicbtes lederschlaff —
Ach, jenes Weib war doch die einst so schone,
Die bliihend lioldc , liebliehc Maria!
"Sie waren lang\' aut\' Keiseu!" sprach sic laut,
Mit kalt unheinilicher Vertraulichkeit,
"Sieschauu nicht mehr so schmachtend, liebsterFreund,
Sie sind gesund, und pralle Lend\' und Wade
lïczeugt Soliditat." Kin stisslieh Lacheln
Umzittertc den gelblich blossen Mund.
In der Vcrwirrung spiach\'s aus mir hervoi\';
Ö-----------------------------------------------------------------------------------<*
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• Man sagte niir, Sie haben sioh vermiihli ?"
\'AcH ja!" sprach sie gleichgültig laut uncl lachend,
«Ilab" cincn Stock von Holz, der übersogeH
Mit Leder ist, Gemahl sich Deunt; doch Holz
Ist Holz!" Und klanglos widrig lachte sie,
Dass halte Angst durch meine Seelc raiin,
Und Zweifel mich ergriff: — sind Das die keiisclien,
Die blumcnkeuschcn Lippen von Maria?
Sie aber hob sich in die Hüh\', nahm rasch
Voiu Stuhl den Kaschemir, warf ilin
Urn ihren Hals, hing sich an mcincn Arm,
Zog mich von binnen durch die offnc Hausthür,
Und zog mich fort durch Feld und Buscli und Au.
Die glühciul rothe Sonnenscheibe schwebte
Schon niedrig, und ilir Purpur überstrnlilte
Die Biiumc und die Blumcn und den Strom,
Der in der Fernc majestiitisch lloss.
• Sehn Sic das grosse goldne Auge schwimmen
lm blaucn Wasser?" rief Maria hastig.
«Still, armes Weseu!" sprach ich, und ich schaats
Iin Diinimcrlicht\' ein miirchenhaftes Weben.
Es stiegen Nebclbildcr aus den Feldcrn,
Umschlangen sich mit weissen, weienen Armen.
Die Veilchen sahn sich ziirtlich au, sehnsiiehtig
Zusammenbeugten sich die Liljcnkclchc;
Auf allen Koscu glühtcn Wollustgluthen ;
Die Nelken wollten sich im Hauch entzüudea ;
In eel\'gen Doften achwelgten alle Blonten,
Und alle weinten stille Wouuethriinen,
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)---------------------------------.-------_----—-------^
Und Alle jauchzten : «Liehc! Liebe! Licbo\'"
Die Schmettcrlingc flattcrtcii, die hellen
Goldkiifer summten feinc Elfculicdchcn,
Die Abendvvindc llüstertcn , es rauachten
Die Eicheu, schmclzend sang die Nachtigall —
Und zwischen all dcm Flüstern, Ranschen , Singen,
Schwatzte mit blechern klanglos kaltcr Stimmc
Das welke Weib, das mir am Arme hing:
"Ich kenn\' ihr ïiüchtlich Treibcu nuf dem Sehloss;
Der lange Schatten ist ein gttter Tropf,
Er nickt und winkt zu Allem, was man will;
Der Blaurock ist ein Engel j doch der Rothe
Mit blankem Schwert ist Ihnen spinnefeind."
Und noch viel bunt\'re, wunderliche Reden
Schwatzt\' sie in Einem fort, und sctzte sich
Ermüdct mit mir nieder nuf die Moosbank,
Die untcrm alten Eichenbaume stcht.
Da sassen wir beisammeu, still und traurig,
Und sahn uns an, und wurden immer traur\'gcr.
Die Eichc sauselte wie Sterbeseufzcr,
Tiefschmerzlich sang die Nachtigall herab.
Doch rothe Lichter drangcn durch die Bliittcr,
Umflimmerten Maria\'s weisses Antlitz ,
Und lockten Gluth aus ihren starren Augen,
Und mit der alten, sussen Stimme sprach sic:
"Wie wu89test Du, dass ich so clcnd bin?
Ich las es jüngst in deinen wilden Liedern."
Eiskalt durchzog\'s mir da die Brust, mir graustc
Ob meinem eigncn Wahnsinn, der die Zukunft
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Hkink\'s Biich ihr liedtr.                                             13
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Geschaut, es zucktc dunkel <lurcli uieiii Hirn,
Umi vor Entsetzen bin icli aufgewaclit
Donna Clara.
In dem abendliehen Garten
Wandelt das Alkadcn Tochter;
Pauken and Drommetenjnbel
Klingt hernnter von dem Schlossc.
«Lustig werden mir die Tiinze
Und die sussen Schmeichelworte,
Und die Ritter, die so zierlich
Mich vergleiclien mit dei\' Sonne.
« Ucberliistig wird mir Alles,
Scit ieh sah bcim Strahl des Mondcs
.Tenen Ritter, dessen Laute
Niichtcns mich ans Penster lockte.
»Wic er stand so schlank und muthig,
Und die Augen leuchtend schossen
Aus dem edelblasscn Antlitz,
Glich er wahrlich Sankt Georgcu."
Alsii daehte Donna Clara,
Und sic schaute auf den Boden ;
Wie sie aufbliekt, stcht der schone,
Unbeknnnte Ritter vor ihr.
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©--------------------------------------------------------------------------------------------S>
Hiindedriickeiid, licbetlüsterud,
Waudelu sic umher im Mondschein,
Und der Zcphyr schmcichclt frcimdlieli,
Miirchenartig griissen Rosen.
MHrchenartig griissen Rosen ,
Uud sie glüh\'n wie Liebesbotcn. —
Aber sage mir, Geliebtc,
Warnm du so plützlich roth wirst?
"Miicken stachen mich, Geliebtcr,
Und die Miicken sind im Sommer
Mir so tief verhasst, als niircn\'s
Langenas\'ge Judenrotten."
Lass die Miicken und die Joden ,
Spricht der Ritter, frenndlich kosend,
Von den Mandelbiiurnen falleu
Tarnend weitee Bliithenflocken.
Tausend weisse Rlüthcnflocken
Haben ihren Duft ergossen. —
Aber sage mir, Geliebtc,
lat dein Hcrz mir ganz gewogen?
"Ja, ich liebe dich, Geliebter,
Bei dera Heiland sci\'s geschworen,
Den die gottverfluchtcu Juden
Boshaft tückisch cinst crmordet"
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Laai den Heiland und die Jmlcn,
Spricht der Ritter, frcundlich kosend.
In der Fernc schwankeu traunihaft
Wcisse Liljcn, lichtumllossen.
Wcisse Liljen, lichtumflossen,
Blieken nach den Sternen drobcn. —
Aber sage mir, Geliebtc,
Hast du aueh nicht falsch geschworen ?
\' Falsch ist nicht in mir , Gclicbtcr
Wie in mcincr Brust kcin Tropfeii
Bint ist von dem Blut der Mohren
Und des schmutz\'gen Judenvolkes."
Lass ilie Mohren und die Judcn,
Spricht der Ritter freundlich koscud;
Und nach einer Myrtenlaube
Fiihrt er die Alkadcutochtcr.
Mit den weichen Iiicbesnetzeu
Hat er hcimlich sic umflochten !
K urzc Worte , lange Küssc,
Und die Herten überflossen.
Wie eiu schmclzcud süsses Brautlied
Singt die Nachtigall, die holde;
Wie zuni Fackeltanzc hüpfen
Feuenvürmchen auf dein Boden.
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189
In der Laube wird es stiller,
Uud man hort nur, wie verstohleu,
Das Gellüstcr kluger Myrteu
Uud der Dlumeu Atheiuholen.
Aber Pauken uud Drommeten
Schalleu plützlich aus dem Schlosse
Uud erwachend hat sich Clara
Aus des Ritten Arm gezogen.
»Horch! da ruft es mich, Geliebter,
Doch, bevor wir scheiden, solist du
Nennen deinen liebeu Namen,
Den du mir so lang verborgen. \'
Und der ltittcr, hciter liichelnd,
Küsst die Vinger seiner Donna,
Küsst die Lippen uud die Stirnc,
Und er spricht zuletzt die Worte:
"Ich, Sennora, Eu\'r Geliebter,
Bi u der Sohn des vielbelobteu,
Grossen, schriftgelehrten Kabbi
Israël von Saragossa."
Almansor.
I.
In dem Dome zu Cordova
Stchen Siiulen, dreizehnhuudert,
Dreizchuhundcrt Riescusaulen
Tragen die gewalt\'ge Kuppel.
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180
---------------------------------------------------«
Und auf Siiulen, Koppel, Wanden
Ziehu vu» oben -i"h bis unteu
Dis Korans arab\'sche Snrüche,
Klug mij bluineuhai\'t verschlungeu.
Mohrenkün\'ge bauteu weiland
Dieses Haus zu Allah\'s Kuhme,
Doch bat Vicles sich verwandelt
In der Zeiteu duukclm Strudel.
Aut\' dem Thurme, wo der Thürincr
Zum Gebete aufgerufeu,
Töuet jetzt der Christenglocken
Melaucholisches Gesuinme.
Auf den Stufen, wo die Glaub\'geu
Das Propheteawort gcsungen,
Zcigeu jetzt die Glatzenpfaflleiu
Ihrer Messc fades Wonder.
Und Das ist eiu Urehu uud Winden
Vor den buutbemalten Pujipen,
Und Das blokt und damnft und klingelt,
Uud die duinmen Kerzen funkelu.
la dein Dome zu Cordova
Steht Alinansor ben Abdullah,
All\' die Siiulen still betraclitend,
Und die stillen Worte murmelud:
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«O, ihr Siiulen, stark uuil riesig,
£iust geschmückt zu Allah\'s Kuhuic,
Jetzo müsst ihr dienend huld\'geu
Pem verhassten Christeuthumc!
»lhr bequemt euch in (lic Zciten,
Uud ihr tragt die Last geduldig;
Ei, da muss ja wohl der Schwiichre
Noch viel leichter sich beruh\'geu."
Uud seiu Haupt, mit heiterm Autlitz,
licugt Alinansor beu Abdullah
Ueber deu gezierteu Taufsteiu,
Iu dem Domo zu Cordova.
II.
Ilastig schritt er aus dem Dome,
Jagtc fort auf wildem Rnpncu,
Uass im Wind die feuchten Lockcn
Uud des Hutes Federu wallen.
Auf dem Weg uach Alkolea,
Dein Guadali|uivir cntlauge,
Wo die «cissen Maudclu blühen ,
Uud die dul\'t\'gen Gold-Orangeu;
Dorten jagt der lust\'ge Ritter,
Pfeift uud singt, uud lacht behaglich,
Uud es stimincn ein die Vogel
Uud des Stromes laute Wasser.
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L92
Iu dein Schloss zu Alkolea
Wohnet Clara de Alvares,
In Navarra kiimpft ihr Vater,
L\'nd sie freut sich mindern Zwauges.
Und Almuusor hort schon furnc
Pauken und Drommeten schallen,
Und er sieht des Schlc^ses Lichter
lilitzeu durch der Biiuiue Schatten.
In dem Schloss zu Alkolea
Tanzen zwölf geschmiickte Daincn,
\'Pauzen zwölf geschmiickte Rittcr,
Doch am schöusten tnnzt Ahnausor.
Wie bcschwiugt vou muutrer Laune
Flattert er herum im Saaie,
Und er weiss den Damen allen
Siisse Schmeichelein zu sageu.
Isabelleus schone Hüudc
Küsst er rasch und springt von ilanneu;
Und er setzt sich vor Elvireu,
Und er schaut ihr froh ins Antlitz.
Lachend fragt er Lconoren:
Ob er hcute ihr gefalle?
Und er zeigt die golduen Kreuze,
Eingcstickt in seinen Mantel.
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---------------------------------------------------©
Kr versichert jeder Dame,
L)ass er sie im Herzcn trage ;
Umi »so wahr ich Christbin!" schwort er
Dreissig Mal au jeuein Abcnd.
III.
In iii in Schioss /u Alkulea
Ist verschuilen Lust und Klingen,
Herru umi Duinen sind versehwunden,
Uud erloscheu sind die Lichter.
Douna Clara und Almansor
Sind alleiu im Saai geblieben;
Kiusam streut die letztc Lampe
Ucber Beide ihren Schimuier.
Auf den Sessel sitzt die Dame,
Auf dein Schemel sitzt der Ritter,
Und sein Haupt, das schlummermüde,
Kuht auf den geliebteu Knieën.
Roseuöl aus golduem Flaschchen,
Giesst die Dame, sorgsam sinnend,
Auf Ahnansor\'s braune Lockcn —
Uud er scufzt aus Herzenstiefe.
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Sussen Kuss, mit sauftem Muude ,
Drückt <!ie Dame, sorgsaiu siuncnd,
Aul\' Almausor\'s braunc Lockcn —
Und es wülkt sich seine Stirne.
Thriincnfluth nus lichten Augcu
Weiut die Dame, sorgsam sinuend,
Auf Almausor\'s braunc Lockeu —
Und es zuckt um seiuc Lippen.
Und er triiumt: er stchc wieder,
Tief das llaupt gebcngt und briefend,
Ju dein Dome zu Cordova,
Und er hort viel\' dunkle Stimracn.
All\' die hohen Riescnsaulcn
Hort er murmeln unmuthgrimmig,
Liiuger wollen sie\'s uicht tragen,
Und sie wanken und sie zittern; —
Und sie brecheu wild zusammen,
Es crbleichen Volk und Priester,
Kracheud stiirzt herab die Kuppel,
Und die Christcngötter wimmern.
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195
ft----------------------------------------------------------------e.
Die Wallfahrt naoh Kevlaar.
I.
Am Fenstcr stand die Matter,
lui Bette lag der Sohn.
«Willst du nicht aufstehn Wilhelm,
Zn schauu die Prozession?" —
»Ich bin so krank, o Muiter,
Dass ich nicht hör\' und sch\';
Ich denk\' an das todte Gretcheu,
Da thut das Herz mir wch." —
»Steh auf, wir wollen naefa Kevlaar,
Nimm Buch und Rosenkranz ;
Die Mutter-Gottes hcilt dir
Dein kraukes Herze ganz."
Es flatteni die Kircheufahncn,
Es singt im Kircheutou;
Das ist zu Koln am llheine,
Da gcht die Prozession.
Die Muttcr folgt der Menge,
Den Sohn, Den fiihret sie,
Sie singen Beide im Chore:
•\'Gclobt seist du, Marie!"
@
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uit;
II.
Die Mutter-Gottes zu Kevlaar
Triigt heut\' ihr bestcs Kleid;
Heut hat sic viel zu schaffen ,
Es kommen viel\' kranke Leut\'.
Die klanken Leute bringen
Ihr dar als Opferspend\'
Aus Wachs gebildete Glieder,
Viel\' wiichserue Füss\' und Hiind\'.
IJ nd wer eine Wachshand opfert,
Dem heilt au der Hand die Wuud\';
Und wer eiuen Wachsfuss opfert,
Dem wird der Fuss gesund.
Nach Kevlaar ging Mancher auf Krückeu,
Der jetzo tanzt auf dem Seil,
Gar Mancher spielt jetzt die Bratsche,
Dem dort kein Fiuger war heil.
Die Mutter nahm cin Wachslicht,
Und bildetc draus ein Herz.
rBriug\' das der Mutter-Gottes,
Dauu heilt sie dciucu Schmcrz."
Der Sohn uahm seufzend das Wachsherz
Ging seufzend zum Heiligenbild;
Die Thriine quillt aus dem Auge,
Das Wort aus dein llerzeu quillt:
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------------------------------------------------------------------------g>
»I)u Hochgebcncdcitc,
Du reine Gottesmagd,
Uu Künigin des Himmels,
Dir sei meiu Leid geklagt\'
"Ich wohnte mit meiiicv Matter
Zn Kollen in der Stndt,
Per Stndt , die vicle hundert
Kapellen and Kirchcn hat.
"Und nebcu uns wohnte Gretchen,
Doch Die ist todt jetzund - -
Marie, der bring\' ich cin \'.Yaehsherz,
Heil du racine Herzenswund\'.
•/Heil du mein krankes Herzc —
Ich will aueh spüt und friih
Inbriinstiglich beten und singen :
Gclobt seist du, Marie!"
III.
Der kranke Sohn und die Mutter
Die schliefen im Kiimmerlcin;
Da kam die Muttcr-Gottes
Ganz lcise geschritten hercin.
Sic bcugtc sich über den Kranken,
Und legte ihre Hand
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-----------------------------------------e
Ganz leise auf sein llcrze,
Umi liichelte mild mid schwand.
Die Mutter Bchaut Alles im Traume,
Und tiat noch Mchr gcschaut;
Sic crwachtc aus dom Schlnmraer,
Die llundc bcllten so laut.
Da lag dahingostrccket
Ihr Sohn, und Der war todt;
Es spiclt\' auf den bleichen Wangen
Das lichte Morgenroth.
Die Mattel fnltct\' die Hinde,
Ihr war, sie wn.iste nicht wie;
Andachtig sang sie leise:
\'Gelobt scist du, Marie!"
r
i
•?--
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-\'r-
AUS DER HARZREISE.
<•»»«)
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Prolog.
Schwarze Eöcke, seidne Strnmpfe ,
Weisse, hotliche Mauschctteu,
Snufte Reden, Embraösicrcn —
Ach, wcmi sic uur Herzen batten!
Herzen in der Brust, und Liebe,
Warme Iacbe in dein Herzen —
Ach, mich tüdtet ihr Gesinge
Von erlogucn Liebesschmerzeu.
Aut\' die Berge will ich steigen,
Wo die trommen Hutten stcheu,
Wo die Brust sich frei erschliesset,
Uud die beien Lüfle wehen.
Auf die Berge will ich steigeu ,
Wo die duukelu Tannen ragen,
Biiclic rauschen, Vögcl gingen,
Und die stolzen Wolken jagen.
Lebct wobl, ihr glatten biile!
Glattc Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigeu ,
Lachend auf euch nicderschuueu.
IIeine\'s Kuch der Lïtder.
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VU;.\'
Auf dem Hardenberge.
Steiget iiuf, Uu alten Triitiinu!
Ocfl\'ne dich, du Hcrzensthor!
Licdenvonne, Wehmuthsthrüncn
Stromen wnnderbar hcrvor.
Duren die Tanuen will ich schweifen,
Wo die niuntre Quelle springt,
Wo die stolzen Hirsche wandel»,
Wo die liebe Drosscl singt.
Auf die lierge will ich gteigen,
Auf die >i-lii\'iiit\'«-ii Felsenhühu,
Wo ilie grauen Schlossruincn
In dein Morgenlichte stehu.
Dorien Bete\' ich ,-till mich uieder
Und gedenke alter Zeit,
Alter bliiheuder Geschlechter
Und versunkner Herrlichkeit.
Gras bedeckt jetzt den Tuinicrnlatz,
Wo gekiünpft iler stolzc Jlaun ,
Der die Besten übenvundeu
Und des Kampfcs Preis gcwanii.
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Enlieu rankt au dein Balkone,
Wo die schone Dauie stand,
Die den stolzen L\'eberwindcr
Mit den Augen übenvand.
Ach! den Sieger und die Siegrin
Hut bcsiegt des Todes Hand —
Jener diirre Senseuritter
Streckt uus Alle in den Saud.
Berg-Idylle.
I.
Auf dein Berge steht die Hiitte,
Wo der alte Bergmauu wohut;
Horten rauscht die griine Taiine,
Und erglanzt der goldne Mond.
In der Hütte steht ein Lehnstuhl,
Ausgcschnitzelt wunderlich;
Der diiruuf sitzt, Oer ist glüeklich,
Und der Glückliche bin ich!
Auf dein Schemel sitzt die Kleine,
Stützt den Arm auf meinen Schoss;
J-
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Aeiigk\'in wie zwei blaue Sterne,
Miuidlciii wie die I\'urpurros\'.
I\'ml die lieben bluueu Sterne
Schaun mich au so hiniinclgross;
Und sic legt den Liljenlinger
Schalkhaft auf die Purpurros\'.
Ncin, es sieht uus nicht die Mutter,
Dcnn sie spinut mit grossem Fleias,
Und der Vater spielt die Zither,
Und er siugt die alte Weis\'.
Und die Kleine ilüstert leise,
Leise , init gcdampftcm I.nut;
Manches wichtige Geheimniss
Hat sie inir sehüu anvertraut.
\'Aber seit die Muhme todt ist,
Konncn wir ja nicht iiiehr gehu
Naeh dein Schiitzeuhof zu Goslar,
Duiten ist es gar zu schuil.
"llicr dagegen ist es ciusani,
Auf der kuiten Hergeshüh\',
Und des Winters siud wir giiuzlich
Wie begrabeu in deui Sehuee.
"Und ich liiu ein banges Müdcheu,
Und ich lïircht\' mich wit ein Kind
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Vor den büsen BergetgeUteru,
Die des Nachts geschiiftig sind."
Plützlich schwcigt die liebe Kleine,
Wie voni eigueu Wort erschreekt,
I ml lic l.ut mït beiden Ilandchcii
Ihrc Aeugelein bedeckt.
Uauter rauscht die Taiuie draussen,
Und das Spinarad schnnrrt uiul brummt,
Umi die Zither kliugt dazwuchen,
Umi die alte Weise summt:
• Kürcht dieh nicht, dn liebes Kindenen,
Ver der bösen Geister Macht!
Tag und Nacht, du liebes Kindenen,
Halten Engleiu bei dir Wacht!"
II.
Tannenbaum , rait griincn Fingern-,
Pocht ans nicdre Feusterlcin,
Und der Mond , der stille I.auscher,
Wirft sein gold nes Licht herciu.
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Vater, Mutter, schnarclien leise
In dem nahen Schlafgctnach;
Doch wir Heide, selis; schwatzcnd,
1 [alten uns einamlcr wach.
»Dass dn gar zu o ft gcbctet,
Das zn glauben wird mir sehwer,
Jencs Zuckcn deincr Lippen,
Koninit v.ohl nicht vom 13etcn her.
• Jencs büsc, kaltc Zoeken,
Das ersehreekt micli jcdesmal,
Doch die dunklc Angst beschwichtigt
Deincr Augcn frommcr Strabl.
• Auch bczweifl\' ich, dass dn glanbest,
Was so rechter Glan.be hcisst, —
Glaubst wohl nicht an Gott den Vater,
An den Sohn nnd heil\'gen Gcist ?"
Ach, mcin Kindchen, schon als Knabc,
Als ich sass anf Muttcrs Schoss,
Glanbtc ich an Gott den Vater,
Der da waltet gut und gross!
Der die schone Erd\' erschnflfen,
Und die schonen Mcnschcn drauf,
Der den Sonncn, Monden, Sternen
Vorgczeichnet ihren Laaf.
P
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Als ich grüsser winde, Kiudchcii,
Noch Viel mehr bcgritt\' ich schon,
Ich begrilï nnd ward vernünftig ,
Umi ich glnubt\' nuch an den Soha;
Au den liebcn Sohn, der Hebend
Uns die Liebe oflenbart,
Und zum Loline, wie gcbriiiicblicli,
Von deni Volk gekreuzigt ward.
Jetzo , da ich ausgewachsen ,
Viel gelescn, viel gereist,
Schwillt nicin Herz, und ganz von Herzcii
Glaub\' ich an den heil\'gen Geist.
Dieser that die grossten Wuudcr,
Und viel grössre thut er noch;
Er zerbrach die Zwingherruburgcn,
Und zerbrach des Knechtes Joch.
Altc Todeswunden heilt er,
Und erneut das alte Recht;
Alle Meu8chcn, gleichgeborcn,
Siud ein adligcs Geslecht.
Er verscheucht die bösen Ncbel
Und das dunkle Hirngespinst,
Das uns Lieb\' nnd Lust verleidct,
Tng umi Nacht uns nngcgiïnst.
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Tauseud Hitter, iroUgewappnet,
Hat der heil\'ge Geist erwiib.lt,
Seinen Willen zu erfüllen;
Und er hat sie muthbeseelt.
Ihrc theurcn Schwertcr blitzcu,
Ihre giiten Hanncr wehn!
Ei, Ju müchtcst wohl, mcin Kimlclien
Solche stolzc Uit ter sehu?
Nun, so schau mich an, mein Kindenen,
Kiisse mich, und schauc dreigt;
Deun ich selber biu eiu solcher
Hitter von dem heil\'gcu Geist.
II.
Still versteekt der Mond sich draussen
Hinterm grüncn Tanncnbauni,
Und im Ziminer nnsre Lampc
Flackcrt matt und leuchtct kaam.
Aber mcinc binnen Sternc
Strahlen auf in hellerm Licht,
Und es glühn die Purnurrüslein,
Und das liebe Miidchen spricht:
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" Kleiites Völkcheii, Wichtcliniinncheü,
Stehleu unscr Brod und Speek,
Abends liegt es noch im Kasten,
Und des Morgens ist es weg.
«Kleines Vólkcheu, nnsre Saline
N\'a.-cht es voii der Mileh, und liisst
Unbcdcckt die Schüsscl stehen,
Und die Katze siiuft den Rest.
»Und die Katz\' ist eine Hcxc,
Deun sie schleicht bei Nacht und Stunn
Drüben nach dein Geisterberge,
Nach dem altverfallnen Thurm.
"Dort hat cinst ciu Schloss gestanden,
Voller Lust und Waflcnglanz;
Blanke Bitter, Franu und Knappen
Schwangen sicli im Fackeltanz.
»Da verwünschte Schloss und Leute
Ei ui\' bösv Zauberin;
Nur die Trümmer blieben stehen,
Und die Killen nisteu drin.
«Doch die sel\'ge Muhme sagte:
Wenn man spricht Jas rechte Wort,
Niichtlich zu der rechten Stundc,
Drüben au dem rechten Ort,
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»So vcrwandeln sicli die Trüimncr
Wieder in cin helles Schloss,
Und es tauzen «ieder lustig
Ritter, Frauu mul Knappentross;
"Und «er jencs Wort gesprochen,
Hem gehören Schloss und Leut\',
Pauken und Trompeten huld\'gen
Seiner jmigcn llerrlichkeit."
Also blühcn Miirchcnbildcr
Aus des Mundes Röselcin,
Und die Augen giessen drilbcr
Ihren blauen Stcmenschein.
Ihrc goldnen Haarc wickelt
Mir die Kleine um die Hand\',
Gicbt deu Fiugeru hübsehe Namen,
Lacht und küs9t, und sehneigt ani End\'.
Und im stillein Zimmer Alles
Blickt midi au so wohlvcrtraut;
Tisch und Schrank, mir ist, als hütt ich
Sic schon frühcr mal geschaut.
Freuudlich ernsthaft schwatzt die Wanduhr,
Und die Zithcr, hörbar kaum,
Fangt vou selbcr an zu klingen,
Und ich sitzc wie im Traum.
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•v----------------------------------------------------------------Ö
Jctzo ist die rechte Stundc,
Und es ist der rechte Ort;
Ja, ich glaubc, vou den Iiippen
Glcitet mir das rechte Wort.
Siehst du, Kiudchcn, wie schon damnicrt
Und erbebt die Mitternacht!
Bach und Tannen brausen lanter,
Und der alte Berg crwacht.
Zitlicrklang und Zwcrgcnlieder
Tonen aus des Bcrges Spart,
Und es spriesst, wie\'n toller Frühling,
Drans hervor ein Blumemvald; —
Blumen, kiihne Wundcrblumcu,
Bliittcr, breit uud fabclhaft,
Duftig buut und hastig regsam,
Wie gcdrangt von Lcidcnschal\'t.
Roscn, wild wie rothc Flammen,
Spriihn aus dem Gewühl hervor;
Lfljen, wie krystallnc Pfeiler,
Scliiessen himmclhoch empor.
Uud die Stcrne, gross wie Sounen,
Sehaun herab init Sehnsuchtgluth;
In der Inljen Riescnkelche
Striimct ihre Stralenfluth.
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Doch wir selber, licbcs Kindchcii,
Siml verwandelt noch viel mchr;
Fackelglanz und Gold and Seide
Schininicrn lustig urn uns her.
Du, du wurdest mi Prinzcssin,
Dicse Hütte mid zum Schloss,
Und da jubclu und da tanzcu
Ritter, Fraun und Kuappentross.
Aber ioh, ich hab\' erworbeu
Dich und Alles, Schloss und Leut\';
Pauken und Trompeten huld\'gen
Meiner jungeu Herrlichkeit!
Der Hirtenknabe.
Kcinig ist der Hirtenknabe,
Griiuer llügel ist sein Throu;
Ucbcr scincm Haupt die Sonuc
Ist die grosse, goldne Kron\'.
Ihm zu Fiissen liegen Schafe,
Weichc Schnieichlcr, rothbekreuzt;
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2] a
-----------------------------------e
Kavalierc sind die Kiilber,
Und sie wandein stolzgcspreizt.
Hofschaus2>ieler sind die Bücklciu;
Und die Vogel und die Küh\',
Mit den Floten, nat den Glöcklein,
Sind die Kaumiermusici.
Und Das kliugt und singt so lieblich,
Und so lieblich rauschcn drein
Wasserfall and Tannenbaume ,
Und der Koiiig schluniincrt eiu.
Unterdesseu muss regieren
Der Minister, jener Hund,
Dessen knurriges Gebelle
Wiederhallet in der Rund\'.
Schliifrig lallt der jongt König:
\' Das Regieren ist so schwer;
Ach, ieh wollt\', dass ich zu IIuu-r
Schon bei meinel Kon\'giu wiir\'\'
«In den Armen meinel Kön\'gin
Kuht meiu Künigshaupt so weieh,
Und in ihren schonen Augen
Liegt mein uueriuesslich Heich !"
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©---------------------------------------------------------e
Auf dein Broeken.
Heller wird es schon im Osteu
Dureh der Sciiiui\' kleiues Glimmen,
Weit und breit die Bergesgipfel
In dein Ncbelmeere schwiinmcn.
lliitt\' ich Sicbenmeilensticfeln,
Lief ich niit der Haat des Windes
Ueber jene Mcrgesgipfel
Mach dein Hans des liebes Kindes
Vou deiu Bettchen, \\vo sie schlumuiert,
Züg\' ich leise die Gardiueu ,
Leise küsst\' ich ihre Stiruc ,
Leise ihres Munds Bubincn.
I ml iini-h leiser wullt\' ich llüsteru
In die kleinen Liljeuohrcu :
Denk im Trauin, dass wir mis lieben,
Und dass wir uns nie verloren.
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i I 5
-$
Die Ilse.
k-h bin die 1\'rinzessiu Ilse,
IJnd woline im Ilsensteiu;
Koiiini niit nach meinem Schlosse,
Wir wollen selig seiu.
Dein llnupt will ich benutzen
Jlit ïneiner klaren Well\',
Du solist dcine Schmerzeu vergessen,
Du sorgeukraukci\' Gesell !
In nieineu «cissen Armen,
An meiner treinen Brust,
Da solist du liegen umi triiumen
Von alter Mürchcnlust.
Ich will dieli kussen und henen ,
Wie ich geherzt und geküsst
Den lieben Kaiser Heinrich,
Der umi gestorbeu ist.
Es bleiben todt diu Todteu ,
Und uur der Lebendige lebt;
Und ich bin schöu und blühcud,
Mein lachendes Herzc bebt.
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©-
Konim i» niein Schloss herunter,
In niein krystallenes Schloss,
Dort tanzen die Friiuleiu und Bitter,
Es jubelt der Knappentross.
Es ramenen die Beidenen Schleppen,
Es klirreu die Eisensporu,
Die Zwerge trompeteu uud pauken,
Und liedelu und blasen das Horn.
Doch dieh soll niein Arm umsehlingen,
Wie er Kaiser Ucinrich unischlang; —
Icli hielt ihm zu die ühren,
Wenn die Trompet\' crklang.
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DIE NÜRDSEE.
(!••*— i»a«.>
Buni\'a SacA </« /.ie.A\'r.
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cv\'
EKSTER CYKLUS.
_______:_____
i
i.
K r ö n u n g.
lhr Tiicler! lhr ineine gaten Lieder!
Auf, auf! and mupaet euch!
I.asst die Trompeten klingen,
l ml hubt mii\' auf tien Sehild
Die* jnnge Madehen,
üas jetzt mdn ganzes Herz
Hehcrrscheu soll, als Kiinigin.
Heil >lii\'! du juuge Künigiu!
Von der Sonne droben
Reiss\' fich das strahltnd rotbe Gold ,
Und webe) draai ein DUdem
Kür dei u gewei htes lluupt.
®--------__----------------.-----------------------------------------$>
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—-------------------------------------------------------------8i
Voii der flattenid blauseidnen Hinunclsdeckc,
Worin die Xachtdiamauten blitzen,
Sclnieid\' ich cin kostbar Stück,
IJHd hiing" es dir als Krónungsmantel
Urn deine küniglichc Schulter.
Ich gebe dir eineu Hofstaat
Von iteifgeputtten Sonetten,
Stolzcn Terzinen and hüflicheu Stauzeu;
Ais Liiufer dicne dir mein Witz,
Als Hofnarr mcine Phantasie,
Als Hcrold, die lachende Thriinc im Wappen,
Diene dir meiu Humor.
Aber ich selber, Kónigin,
Irh kniee vor dir onder,
L\'nd hnld\'gend, auf rothcm Sammetkissen,
leberreiche ich dir
Das bisehen Verstand,
Das niir aus Mitleid noch gelassen hut
Deine Vorgangerin im Keich.
II.
Abenddammerung.
Am blussen Meercsstrande
Sass ich gcdankenbeküniniert und einsum.
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©----------------------------------------------------------®
Die Sonne neigte sich tiefer, uud wart\'
Glührothc Streifen iiuf das Wasser,
Uud die weisseu, weiten Wellen,
Von der Khith gedraagt,
Schaumtcn and rauschteii naher uud ufiher —
Ein seltsam Geninseh, oin 1\'liisteni uud Pfeifen,
Ein Lachen and Marmeln, Scufzen and Sausen,
Dazwischen ein wiegenliedlieiinliches Siugen —
Mir war, als hort\' ich verschollnc Sagen,
Uralte, liebliche Marenen,
Die ich eiust als Kuabe
Von Nachbarskindern veruahm ,
Weun wil am Sommcrabeiid
Auf den Treppcusteincu der llansthür
Zum stillen Erzahleii niederkauerten
Mit kleinen, horchenden Herzeu
Uud neugierklugen Augeii;
Wiihrend die grossen Madchen
Neben duftendeu Blumcntüpfen
Gegenüber am Feustcr sassen ,
Kosengesichter
Liichelud uud mondbeglanzt.
III.
Sonnenuntergang.
Die gliihend rothc Souue steigt
Hinab ins weitaufschauernde,
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U22
Silbergraue Weiteeer;
Luftgebilde, rosig angehaacht,
Wallen Uur uach; and gegeuüber,
Aus herbstlich düinmcriidcu Wolkenschleiern,
Eiu traurig todtblasses Antlitz ,
Briclit hervoi\' der Mond ,
Und bister ihin , Lichtfüukchen,
Nebelwcit, schiminern die Sterne.
Kiust ani Iliinniel glanzteu,
Ehlii\'h vereint,
Luiin, die Góttiu, uud Sol, der Gutt,
Und es wimiiicltcu uni sic her die Sterne,
Die kleinen, unsehiildigen Kinder.
Doch bóse Zangen rischelten Zwiespalt,
Und est trenute sich feindlich
Das liohc, leuchteude Ehpaar,
Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,
Ergeht sich dort oben der Sonuciigott,
üb seiner llerrlichkeit
Angebetet und vielbesuugen
Von stolzen, glückgehörteteu Mcuschen.
Abcr des Nachts
Am Himmel wandelt Luna,
Die arme Mutter,
Mit ihren yerwaislen Sternenkiudern
Und sie glanzt in stiller Wehmuth,
Uud lieheude Müdchen und sanfte Dichter
Weihen ihr Thriineii und Iiieder.
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Die weichc Luiia! Weiblich gênant,
Liebt sie noch immer den schijnen Gcinahl.
Ocgen Abend, zitternd uud bleicli,
I.:iui-i-lil sie hcrvor aus leichtcm Gewülk,
Und sehaut nach dem Scheidenden schmerzlich,
Uud miichte ihm iingstlich rufen: «kouim!
Komin! die Kinder verlangen nach dir —"
Aber der trotzige Sounengotl,
Bei dein Aublick der Gattin erglülit er
In doppeltem Purpur,
Vor Zoru und Schmerz,
Und uuerbittlicb eilt er hinab,
In seiu Hutlienkaltes Wittwerbett.
*        *
Büse, zischelnde Zungen
Brachten also Schmerz uud Verderben
Selbst über cwige Götter.
Uud die armen Götter, obeu am 11 in mul
Wandeln sie, qualvoll,
Trostlos unendliche Bahueu,
Uud könncn nicht sterbeu,
Und schleppen mit sich
Ihr strahlendes Elend
Ich aber, der Meusch,
Der Niedrig-gepflanzte, der Tod-beglürkte,
Ich klage nicht liiuger.
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224
IV.
Die Nacht am Strande.
Stemlos und kalt ist die Nacht,
Es giihnt das Meer;
llud iiber dein Meer, platt auf dem Baucli,
Liegt der ungestaltete Nordwind,
Und hcimlich, mit iichzend gcdümnfter Stimnie,
Wie\'n störrigcr Griesgram, der gut gelaunt wird,
Schwatzt er ius Wasser hinein ,
Und crzühlt viel\' tolle Geschichteu,
Ricseumiirchen, todschlaglauuig,
Uralte Sagen aus Norweg,
Und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er
Beschwórungslicder der Eddu,
Auch Kunensprüchc,
So dunkcltrotzig und zaubergcwaltig,
Uass die «cissen Meerkinder
Hoch aufspringen und jauchzen ,
Ueberrauth-bcrauscht.
Derwei len, am llachen Gcstadc,
Ucbcr den lluthbefeuchteten Sand
Sclneitet ein Fremdling, mit einem Herzeu,
Das wilder noch als Wind und Wellen.
Wo er hintritt,
Snriihen Fuuken, und knistern die Muscheln;
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Und er hiillt sich fest in den grauen Mantel,
Und schrcitet rasch durch die wehendc Nacht;
Sicher geleitet vom kleinen Lichte,
Da» kickend nud lieblich schiinmert
Aus einsamer Fischerhütte.
Vater und Bruder sind auf der See,
Und mutterseelalleüi blieb duit
In der Hütte die Fischertocliter,
Die wunderschüne Fischertocliter.
Am Heerdc sitzt sie,
Und horcht auf des Wasserkessels
AhuungsUsses heimliches Sumnien,
Und schüttet kuisteriides Ueisig ins Fcuer,
Und bliist hinein,
Das» die flackernd rothen Lichter
Zauberlicblich wiederstrahlen
Auf das blühende Antlitz,
Auf die zarte, weisse Schultcr,
Die riihrend hervorlauseht
Aus dein groben, graueu Hemde,
Und auf die kleine, sorgsame Hand,
Die das Unterróckcheu (ester bindet
Dm die feiue Hüfte.
Aber plötzlich, die Thür springt auf,
Und es tritt herein der niichtigc Fremdling;
Liebesicher ruht sein Auge
Auf dem weisten, schlankeu Müdcheu,
Da» schauernd vor ihm steht,
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Glcich eiuer crschrockenen Lilje;
Und er wirft den Mantel zur Krde,
Und lucht i:ud spricht:
«Siehst du, ïnein Kind, ich halte Wort,
Und ich koinme, und init mir kornuit
Die alte Zeit, wo die Götter des Hinmiels
Niederstiegen zu Töchtem der Menscheu,
Und die Tüchter der Meuschcu umarinten,
Und 111 ït iliiR\'ii zeugten
Sceptertrageude Köuigsgeschlechter
Und Helden, Wonder der Welt.
Doch stauue, meiu Kind, uicht langer
Ob ïneiner Göttlichkcit,
Umi ich hitte dich, koche mir Thee init Hum,
Deun dr (Missen nar\'s kalt,
Und bei soldier Nachtluft
Friet-uu auch «ir, wir ewigeu Götter,
Und kriegen wir leicht den gottlichsten Schimpten
Und einen unsterulicheu Hitsten.
V.
Poseidon.
Die Sonnenlichter spielten
Ueber das weithiuroUende Meer;
Fern nuf der Khede gliinzte das Schift",
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227
J)ns niicli /.ui\' Heimath tragen sollte;
Aber es fehlte an gutetn Fahrwind,
(j nd ich sass noch ruhig auf wcisscr Düne
Am einsumeu Strand.
Uiid icli las das Lied voiii Odysseus,
Das alte, das cwig junge Lied,
Aus dessen uiccrdurchruusclitcu Blatteru
Mir freudig eutgcgeiistieg
Der Atheni der Götter,
Uud der leuehteinle Meiisclieut\'riihliiig,
Und der blühende tlimmcl vou Hellas.
Meiu edles Hen begleitete treulieh
Den Sohu des Laertes, in Irrfalirt nnd Drangsal,
Setzt\' sieh mit ilini, seeleubeküminert,
Au gastliche llerde,
Wo Königiniieu Purpur spinnen,
Uud half ihm liigen und gliieklich entrinnen
Aus Riesenliöhlen und Nyniphenamieu,
Folgte ihm uach iu kiininerisehe Nacht,
Uud iu Sturm uud Schiffbruch,
Uud duldete mit ihm unsiigliches Elend.
Seufzend sprach ich : Du böser Poscidon,
Dein Zorn ist furchtbar,
Uud inir selber baugt
Ob der eignen Heinikehr.
Kaum spraeh ich die Worte,
Da schüuuite das Meer,
Und aus den weisseu Wellen sticg
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Das schilfbekranzte Huupt des Mecrgotts,
Und hiilinisch rief er:
•Fürchte ilich nicht, Poctleiu!
Ich will nicht im geringstcn gcfahrdeu
Dein arnies Schiffcheu,
Uud nicht dein liebes I.eben betiugst\'gcn
Jlit allzu bedcnklichrm Schaukeln.
Deun du, Püetlein hast niu inich erziirut,
Du hast mir kein einziges Thünncheii verletzt
An Priainos\' heiliger Feste,
Kein einziges Hiirchen hast du versengt
Am Aug\' meines Sohns Polyphemos,
Und dich hat nicmals ratheud beschützt
Die Göttin der Klugheid, Pallas Athene."
Also lief Poseidou
Und tauchte zuriick ius Meer;
Und über den grobcn Seemaunswitz
Lachten unter dein Wasser
Amphitiite, das plumpe Fischweib,
Und die diimmeu Tüchtcr des Nercus.
VI.
Erklarung.
Heraiigediimniert kam der Abcnd,
Wilder toste die Fluth,
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Und icli sass am Strand, nnd schautc zu
Dem wcissen Tanz der Wellen,
Und meiiic Brust schwoll aut\' wie das Meer,
Und sehnend ergriff mich ein tiefes Heimweh
Nach dir, du holdes Bild,
Das iiberall mich umschwebt,
Und iiberall mich ruft,
Ueberall, iiberall,
lm Sausen des Windes, im Brauseu des Meercs,
Und im Seufzen der eigenen Brust.
Mit leichtem Rohr schrieb ich in den Sand:
"Agnes, ich liebe dich !"
Doch biise Wellen ergossen sich
Ueber das siisse Bekenntniss,
Und liischten es aus.
Zerbrechliches Kohr, zerstiebender Sand,
Zertliessendc Wellen, euch tran\' ich nicht mehr!
Der Hiinmel wird dankier, mein llerz wird wilder,
Und mit stalker Hand, atis Norweg\'s Wiildem ,
Keiss\' ich die hóehste Tanne,
Und tauche sie ein
In des Aetua\'s gliihenden Schlund, und mit soloher
Feuergetriinkten Ricsenfeder
Schreib\' ich au die dunkle Hiinmelsdccke
«Agues, ich liebe dich!"
Jedwcdc Nacht lodert alsdan n
Dort oben die ewigc Flammenschrift,
Und alle nachwachsenden Enkelgeschlechter
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Leseu jaoehsend die HimmeUworte;
Agncs, icli liebe dich!"
VII.
Nachts in der Kajüte.
Das Meer luit seint\' l\'erlen,
Der Iliiiiinel hat seine Sterue,
Aber nu in Hcrz, nicht Her/.,
Mcin Hen hat seine Tiiebe.
Gross ist das Meer und der Hiinmel,
iiueli grüsser ist meiii Her/,
Und schoner als Perlen und Sterne
Leuchtet mul strahlt mcine Liebe
Du kleines, jDoges Madcheu,
Koi..... an niein grogaes Hen;
Mein Hen and das Meer und der lummel
Vergehli vnr lauter Liebe.
* *
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Ü.S1
---------------------------------------------------g,
Au die bhiuc Himnielsdeckc,
W o die schonen Sterne blinken,
Mocht\' ich pressen ineine Lippen,
Pressen wild and stürmisch treinen.
Jene Sterne siud die Augen
Meiner Liebsten, tausendfültig
Schiininerii sie and grüssen tïcundlich
Aus der bliiuen Hiimnelsdecke.
Nacli der blaucii Himmelsdecke,
Ntich den Angeu der Geliebten ,
Heb\' ich andachtsvoll die Arme,
Und ich bitte und ich flehe:
Molde Angen, Gnadeulirhtci\',
O, bcseligt ineine Seele,
Lasst inich sterben mul erwerben
Enen mul euren ganzen I liimnel!
* *
*
Aus den Hiiniuelsaugeu droben
Kallen zitternd goldue Fanken
Durch die Nacht, und meine Seele
Dehnt sich liebeweit und weiter.
O, ihr lliininelsaugcii droben!
Weint euch aus in meine Seele,
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2:i2
Dass vuil lichten Stcrueiithraiicu
Ucberlliesset meiue Seele.
Eingcwiegt von Meereswellen
Und von triiumenden Gedauken,
Lieg\' ieh still in der Kajiite,
In dem duukcln \\\\ inkelbette.
Durch die offue Luke schau\' ich
Proben hoch die hellen Sternc,
Die geliebten, sussen Augen
Mciner sussen Vielgeliebten.
Die geliebten , sussen A ugen
Wachen über ineinem Haupte,
L\'nil sie blinken und sie winken
Aus dei\' blanen Himinelsdecke.
Narh der blaueu Hiinmelsdecke
Schau\' ich selig lange Stundeu ,
Bis ei u weisser Nebelschleier
Mir rerhüllt die liebcu Augen.
* *
*
An die brctterne Schitl\'swam! ,
\\Vi> meiu triiumeudes Haupt liegt,
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838
a--------------------------------------------------------------------
Branden die Wellen, die wilden Wellen;
Sie rauschen und murmeln
Mir heimlieh ins Ohr:
" Bethörter Geselle!
Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit,
Und die Sterne droben sind festgcnagclt
Mit golduen Niigeln, —
Vcrgeblichcs Sehnen, vcrgebliehcs Seufzen ,
Das Beste vviire, die schliefest cin."
* *
*
Es triiurate mir von einer weiten Heide,
Weit übcrdeckt von stillcin, weissem Schnee,
Und unterm weissen Schnee lag ich begraben
I ml schlief den eiusam kalteu Todesschlaf.
Doch droben aus dcm dunkeln Himmel schaiitcn
llcruntcr nuf mcin Grab die Sternenaugen,
Die sussen Augen! und sic gliinzten sicgliaft
Und ruhig heiter, aber voller Liebe.
VIII.
S t u r m.
Es wiithet der Storm ,
Und er peitscht die Wellen,
Hvink\'s Huch \'Ier f.irltr.
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284
©------------------------------------------------------------------------g.
Und die Wellu, wuthschaumend und bünmeml,
Thürmen sich auf, und es wogen lebendig
Die weisaen Wasserberge,
Und dus Schiffleiu eiklimnil sie,
Hastig mühsam,
Und plützlich stürzt es hinab
In sehwarze, weitgiihnende Fluthabgründe —
O Meer!
Jlutter der Schönheit, der Schanmentsticgenen!
Grossmutter der Liebc! schone meiner!
Schou ilattert, leichenwittcrnd
Die weisse, gcspenstige Mówe,
t uil wctzt au dein Mastbanm den Schnabel,
Und lcchzt voll Frassbegicr nacli duin Her/.en,
Das vom Rnlim deiner Tochtcr ertönt,
I\'ml das dein Enkel, der kleine Schalk,
Zuni Spielzeug irwahlt.
Vcrgebens mein Bitten und Flehn!
Mein Kufen verhallt im tosendeu Sturni,
lm Schlachtlürm der Winde.
E» braust nud pfeift und prasselt und heult,
Wie ein Tollhaus von Tonen I
Und zwiochendurch hor\' ich vcrnehmbar
Lockende Harfeulante,
Sehnsuchtwilden Gesaug,
Scelenschmelzcnd uud seelcnzcrreissend,
Und ich erkcnne die Stirame.
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235
--------------------------------------------------g.
Kern au schottischer Felseuküste,
Wo da9 grauc Schlosslein liinausragt
Uebcr die brandende Sce ,
Dort, am hochgewiïlbten Feuster,
Steht eine schone, kranke Frau,
Zartdurchsichtig und marmorblass,
Und sie spiert die Harfe und siugt,
Und der Wind durchwühlt ihre langen doeken,
Und triigt ihr dunkles Lied
Uebcr das weitc, stiirraciide .Meer.
IX.
Meeresstille.
Meeresstille! Ihre Stralilcn
Wirft die Sonne auf das Wasser,
Und im ivogenden Gesclimeide
Zieht das Schiff die grüneu Fnrcheu.
Bei dein Steuer liegt der Bootsniami
Auf dem Baueh, und schnarchet lcise.
Bei dem Mastbaum, scgelflickcnd,
Kauert der betheerte Scliiffsjung*.
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23fi
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Hinterm Schmutzc seiner Wangen
Spriiht es roth, wchmüthig zuckt es
Um das breite Maul, and schmerzlich
Schaun die grossen, schonen Augen.
Deun der Kapitün steht vor ihni,
Tobt und ilucht und schilt ihn: «Spitzbub\',
Spitzbub\'! einen Mering hast du
Aus der Tonne mir gcstohlen!"
Meeresstille! Aus den Wellen
Tancht hervor eiu kluges Fischlein,
Würint das Kopfchen an der Sonue,
Pliitschert lustig mit dem Schwiinzchcn.
Doch die Möwc, aus den Lüften,
Schiesst heruntcr auf das Fischlein ,
Und den raschen Kaub im Schnabel
Schwingt sie sich hinauf ins Blaue.
X.
Seegespenst.
Ich aber lag am Rande des Sohiffcs,
Und schaute, triiumenden Auges,
Hinab in das spiegclklarc. Wasser,
g,-----------------------------------------------------------------------------------?J
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*j,---------------------------------------------------------------------— ©
Uud schautc tiefer und tiefer —
Bis ticf im Meeresgrunde,
Aufuugs wie diiininernde Nebe),
Jedoch allmhhlig farbenbestimmter,
Kirchenkuppcl uud Thiiriue sich zeigten,
Uud endlich, souneuklar, cine gauze Stadt,
Alterthümlicli uiederliindisch ,
Uud menscheubelebt.
Bedachtige Mauner, schwarzbemiintelt,
Mit weisseu Halskrausen uud Ehrcuketteu
Und laugeu Degen uud langen Gesichtern,
Sehreiten über den wimmeludeu Marktplatz
Nach dein treppenhohen Hathhaus,
Wo steinerue Kaiserbilder
Wacht halten mit Scepter und Schwcrt.
Unfernc, vor langen Hauserreihn,
Wo spicgelblauke Fenster
Und pyramidi8ch beschnitteue Linden,
Wandein seideurauschende Jungferu,
Schlanke Leibcheu, die Blumcugesichter
Sittsam umschlossen von schwarzen Miitzchcii,
Und hervorquellendem Goldhaar.
Buute Gesellen, in spauischer Tracht,
Stolzieren vorübcr uud nickeu.
Bejahrte Frauen,
I n brauneu, verschollneu Gewiindcrn ,
Gesaugbuch und Roseukranz in der Hand,
Kilen, trippelnden Schritts,
Nach dcm grossen Dorue,
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2:!8
Getriebeu von Glopkengeliiute
Und rauschendcm Orgeltoii.
Mich selbst ergreift des fernen Klaugs
Geliciiiinissvollcr Schaucr!
Uncndliches Schncn, ticfe Wehmuth
Beschleicht inein Her/.,
Mein kaum geheiltes Herz;
tS.il ist, als würden seine Wundeii
Vun lieben Lippen aufgeküsst,
L\'nd tliatcn wieder binten, —
Hcisse, rothe Tropfen,
J)ie lang und langsom niederfalln
Aut\' eiu altcs Hans, dort unten
In der tiefeu Sleerstadt,
Auf cin altes hochgegiebeltcs Haus,
Ras melancholisch ïiicnschenlcer ist,
Nur dass am untern Penster
Kin Miidchen sitzt,
Den Kopf auf den Arm gestiitzt,
Wie cin armes, vergessenes Kind —
Und ieh kenne dich, armes, vergessenes Kind.\'
So tief, meertief also
Verstecktest du dich vor mir
Aus kindischer Laune,
Und konntest nicht inehr hcrauf,
Und sassest fremd unter fremdeu Lcutcn,
Jabrliundcrte lang,
Derweilen ich, die Seele voll Gram,
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2.VJ
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Auf dei\' ganzen Erde dich suchte,
Und immer dich suchte,
Du Immergeliehte,
Du Liingstverlorene,
Du Endlichgcfundene —
Ich hab\' dich gefunden und scliaue wieder
Deiu süsses Gesicht,
Die klugen, treuen Augcn,
Das liebe Liicheln —
Und uiinmer will ich dich wieder verlussen,
Und ich komme liinab zu dir,
Und mit ausgebreiteten Armen
Stürz\' ich hinab au dein Herz —
Abcr zur rechten Zeit noch
Ergriff mich bcim Fuss der Kapitan,
Und zog mich vom Schiffsrand,
Und rief, iirgerlich lachend:
"Doktor, sind Sie des Teufels?"
IX.
Reinigung.
Bleib\' du in deiner Meerestiefe,
Wahnsinniger Traum,
Der du einst so manche Nacht
Mein Herz mit falschem Glück geqnalt hast,
Und jetzt als Seegespenst
©
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240
Sogar am hellen Tag mich bedrohest —
Bleib\' du dort unten in Ewigkcit,
Und ich werfc noch zu dir hiuab
All\' ineine Schmerzen und Simden,
Und die Schellenkappe der Thorhcit,
Die su lange mein Haupt umklingelt,
Und die kalte, gleissende Schlaugenhaut
Der Heuchelei,
Die inir so lang\' die Seele umwunden,
Die kranke Seele,
Die gottverlüuguende, engelvcrliiugnende,
Uuselige Seele —
Hoiho! Hoiho! Da kommt der Wind!
Die Scgel auf! Sie flatteru und schwelln!
L\'eber die stillverderblichc i\'lache
Ëilet das Schiff,
Und es jauchzt die befrcite Seele
XII.
Pr ie den.
llocli am Hiinmel stand die Souue,
Von weisseu Wolken umwogt;
Das Meer war still,
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241
Und siiinenil lag ich am Steuer des Schiffes,
Traumcriscli sinuend, — umi, halb ini Wachen
Uud halb hu Schlummer, schnute ich Christus,
Den Heilaud der Welt.
lm wallend wcisseu Gewande
Waudelt\' er riesengross
Ueber Land und Meer;
Es ragtc sein Haupt in den llinuncl,
Die Ilaude streekte er segnend
Ueber Land und Meer;
Und als ein Herz in der Urust
Trug er die Sonne,
Die rothe, tlammende Sonne;
Und das rothe, Kammende Sonncnhciz
Goss seine Gnadcnstrahleu
Und sein holdes, liebseliges Licht,
Erleuchtcud uud warmend,
Ueber Laud und Meer.
Glockeukliinge zogen feierlich
Hiu uud her, zogen wie Schwaue,
An rJosenbiindern, das gleitende Schiff,
Und zogen es spiclend ans griine Ufer,
Wo Meiischen vvohnen, in hochgelhürmter,
Kagender Stadt.
O Friedeuswunder! Wie still die Stadt!
Es ruhte das dumpfe Gerausch
Oer schwatzenden, schwiïlen Gewerbe,
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(Jud durch die reineu, halleuden Stressen
Wandeltcn Menschen, weissgeklcidctc,
Palmzweig-tragende,
Und wo sich Zwei begegnetcu,
Suiiii sie sich an, verstandnissinnig,
Und schaucrnd, in Liebe und siisser Entsaguug,
Küssten sie sich auf die Stirnc,
Und schauten hinauf
Nach des Ileilaiuls Sonnenlieiv.cn,
Das 1\'reudig vcrsöhnend sein rothes Blut
Hi muiters trahlte,
Und drienialsclig sprachen sie:
«Gclobt sei Jesus Christ!"
* *
*
Hattest du doch dies Trauinbild crsouucn,
Was giibest du drum,
Geliebtester!
Der du in Kopf und Lenden so schwach,
Und im Glauben so stark bist,
Und die Dreifaltigkeit chrest in Einfalt,
Und den Mops und das Kreuz und die Pfote
Der hoheu Gönnerin tiiglich küssest,
Und dich hinaufgefrïiinmclt hast
Zum Itofrath umi dann zum Iustitzrath,
Und endlich zum Rathe bei der Kegierung,
In der frommen Stadt,
Wo der Sand und der Glauben bliiht,
Und der heiligen Sprea geduldiges Wasser
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-----------------------------------------------------g)
Die Seele» wiischt und dcu Thee verdünnt —
Hattest du doch dies Trauinbild crsonnen,
Geliebtester!
Dn triïgest es höheren Ortes ziun Markt,
Dein wciches , blinzelndcs Aiitlitz
Verschwamnic ganz in Anducht und Demuth,
Und die Hocherlauchte,
Vcrzückt und wonnebcbend,
Siiukc betcud mit dir aufs Knie,
Und ihr Augc, selig strahlend,
Verhiesse dir eine Gehaltzulagc
Vou hundert Thalern Preussiseh Kourant,
Und du stammeltest handefaltcud:
«Gelobt sei Jesus Christ!"
«
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rv-
Z WEIT ER CYKLUS.
i.
Mee rgruss
Thalatta! Thalatta !
Sei mir gegriisst, du ewiges Meer!
Sei mir gegriisst zehiitauscndmal
Aus jauchzeudem Herzcn,
Wie cinst dich begriissten
Zehntauscnd Grieclienlierzen
Ungliickbckainufende, heimathverlangende,
Wcltberühmte Grieclienlierzen.
Es wogteii die 1\'lntheu,
Sic wogten und brausteu ,
Die Sonne goss eilig herunter
é----------------------------------------------------®
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24S
Die spielenden Rosenlichter,
Die aufgeschcuchtcn Miiwenzügc
Flatterten fort, lautschreiend,
Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,
Umi weithiu erscholl es wie Siegesruf:
«Thalatta! Thalatta!"
Sci mir gegrüsst, du ewiges Meer,
Wie Sprache der Heimath rauscht mir dein Wasser,
Wie Triiume der Kindheit seh\' ich es (limmeni
Auf deinem wogenden Wellengebiet,
Und alte Erinnrung erzühlt mir aufs Ncue
Von all\' dem lieben, herrlichcn Spielzcng,
Von all\' den blinkeuden Weihnachtsgaben ,
Von all\' den rothen Korallenbiiumen,
Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,
Die du geheimnissvoll bewahrst,
Dort unten im klaren Krystallhaus.
O! wie hab\' ich geschmachtet in üder Fremdc\'
Gleich eiuer welken Blume
In des Botanikers blecherner Kapsel,
Dag mir das Hcrz in der Brust.
Mir ist, als sass ich wintcrlange,
Ein Krauker, in dunkler Krankenstube,
Und uun verlass\' ich sic plützlich,
Und blendend strahlt mir entgegen
Der smaragdene Friihling, der sonnengeweckte,
Und es rauscheu die weissen Blüthcnbiuime,
Und die jungen Blumen schaucn in ich an,
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24 fi
Mit bunten, duftemlen Augeu,
Und ea duftct mul sunuiit mul athnict mul lacht,
liiid iin blauen llinuncl singcu die Vüglein —
Thalatta! Thalatta!
Uu tapfercs Rückzugherz!
Wie oft, wie bitteroft
Bedraugten dicb des Nordens Barbarinnen!
Aus grassen, siegeuden A ugen
Sehossen sic brennendc Pfcile;
Mit krnmmgeschliffenen Worten
Drohten sic mir die Brust zii spuiten;
Mit Keilschriftbillcts zcrschlugen sie mir
Das arme, betaubte Gehirn —•
Vergebens hielt ich de» Schild entgegen,
Die Pfeile zischten, die Iliebe krachten,
Und von des Nordeus Barbarinnen
Ward ich gedriiiigt bis aus Meer —
l\'uil frei aufathmciid begrüss\' ich das Meer,
Das liebc, rctteude Meer,
Thalatta ! Thalatta !
II.
Gewitte r.
Dunipf liegt auf dein Meer das Gewitter,
1 ml iliirch die schwnrze VVolkeuwand
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Zuckt iler zackige Wetterstrahl,
Rasch aufleuchtend und rasch verschwindend,
Wie ciu Witz aus dein llauptc Kronion\'s.
Ueber das wiiste, wogeudc Wasser
Weithiu rollen die Donner,
Und springen die weissen Wellenrosse,
Die Boreas selber gczcugt
Mit des Erichthon\'s reizenden Stuten,
Und es flattert angstlich das Seegevögcl,
Wie Schattenleichen am Styx,
Die Charon abwies vom niichtlicheu Kahn.
Annes, lustiges Schifttein,
Das dort dahintanzt den schlimmsten Tanz !
Aeolus schickt ihm die flinksten Gesellen,
Die wild aufspielcn zuin fröblichen Reigen;
Der Eiue pfcift, der Andre bliist,
Der Dritte strcicht den dumpfen Brummbass —
Und der schwankende Seeman steht am Stener
Und schaut bestandig naeh der Boussole,
Der zittcrnden Seele des Schiffes,
Und hebt die Hiinde flehend zuin 11iniinel:
«O rctte mich, Kastor, reisiger Held,
Und du, Kiinipfer der I\'aust, Polydenkes!"
III.
Der Schiffbrüchige.
Uoffnung und Liebe! Alles zcrtriiinmcrt!
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ffi-------------------------------------------------,---------------------
Umi ich sclber, glcich cincr Leidie,
J)ie grollend ausgeworfen das Mcsr,
Lieg\' ich am Strande ,
Am oden, kahlcn Strande.
Vor rair woget die Wasserwiistc,
Hintcr mir liegt nur Knimncr nnd Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken ,
Die formlos granen Töchter der Luft,
Die aus dein Meer, iu Nebeleiniern,
Das Wasser schópfen,
Und es iniilisain schleppen und schleppen,
Und es wieder verschüttcn ins Meer,
Ein triibes, lansiwcilVes Geschaft,
Und nutzlos, wie mcin eignes Leben,
Die Wogen murmeln, die Mowen srlirillcu,
Altc Erinurungen wehen mich an,
Vergesseiie Traunie, crloschenc Bilder,
Qualvoll süsse, tauchen hervor.
Es lebt ein Weib iin Norden,
Ein schiines Weib, kiiniglich scliüu
Die schlanke Zypiesscngestalt
Umschlicsst ein lüstern weisses Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht
Von dem rlechtengekrönten Haupt sich ergicssend,
Ringelt sich triiumcrisch süss
Um das süsse, blasse Antlitz;
Und aus dem sussen, blasseu Antlitz,
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£49
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Gross umi gcwaltig, strahlt cin Auge,
Wie einc schwarze Sonne.
O, du schwarze Sonnc, wie oft,
Entzückcnd oft, trank ich aus dir
Die wilden Hegeistrungsflammen,
Und stand , nnd taumelte, feuerbcrauscht —
Dann schwebte ein tanbcnmildcs Lachcln
Um die hochgcschürztcn, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürztcn , stolzen Lippen,
Hauchtcn Worte, siïss wie Mondlicht
Und zart wie der Duft der Rosc —
Und mcine Seelc erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himniel!
Sclnveigt, ihr Wogen und Möwe 1!
Vorüber ist Alles, Gliick und Hoffnung,
HofTnung und Liebc! Ich liege am Boden,
Ein öder, schiffbriichiger Mann,
Und driicke mein glühendes Autlitz
In den feuchten Sand.
IV.
Untergang der Sonne.
Die schone Sonne
Ist ruhig hinabgestiegcn ins Meer;
"einr\'s linch der Lir.der.                                            17
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aso
Die wogenJen Wasser sind schon gefarbt
Von der dunkeln Nacht,
Xur uoch die Abendröthe
Uebcrstreut sie mit goldnen Lichtem,
Und die rauschende Fluthgcwalt
Driingt ans Ufer die weisseu Wellen,
Die lustig uud hastig hüpfen,
Wie wollige Liimmerheerden,
Die Abends der singende Hirtenjunge
Nach Hause treibt.
«Wie sehöa ist die Sonne!"
So sprach nach langem Sehweigen der Freund,
Der mit mir am Straude wandelte,
Und scherzend halb uud hall) wehmüthig
Versichcrt* er mir: die Sonnc sei
Einc schüne Frau, die den alten Meergott
Aus Convcnienz geheirathet;
Des Tages über wandlc sie freudig
Am hoheu Himmcl, purpurgcputzt
Und diamantenblitzend,
l)nd allgeliebt und allbcwundert
Von allen Weltkreaturen,
Und alle Weltkreaturen erfreueud
Mit ihres Blickes Licht und Wiirme;
Aber des Abends, trostloa gezwungen,
Kehre sie wieder zuriick
lu das nassc Hans, in die ödeu Arme
Des greisen Gemahls.
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26]
"Glaub mir\'s," — setztc hinzu der Freuud,
L\'ud lachte und seufzte und lachte wieder —
«Die fiihren dort unten die ziirtlichste £he!
Eutwedcr sie schlafen, oder sie zanken sich,
Dass hoch aufbraust hier oben das Meer
Uud der Schiffer ira Wclleugcriiusch es hiirt,
Wie der Alte sein Weib aasschilt:
«Runde Metze des Weltalls!
Strahlenbuhlende !
Den ganzen Tag glühst du fiir Andre,
Und Nachts, für mieh, bist du frostig uud miide!"
Nach solcher Gardinenpredigt,
Versteht sich! bricht dann aus in Thriiuen
Die stolzc Sonue uud klagt ihr Elend,
Uud klagt so jammerlang, dass der Mecrgott
Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Betr, springt,
Und schnell nach der Meeresflache heraufschwimnit,
Urn Luft und Besinnung zu schopfen.
»So sah ich ihn selbst verflossene Nacht
Bis an die Brust dem Meer euttaucheu.
Er trug eine Jacke von gclbern Flanell,
Und eine liljcnweisse Schlafmiitz\',
Und cin abgewelktes Gesicht."
V.
Der Gesang der Okeaniden.
Abeudlich blasser wird es am Meer,
Und eiusam, mit seiner eiusamen Seele,
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«---------------------------------------------e
Sitzt dort cin Mann auf dem lcahlcn Strand,
Und schaut todtkalten Blickcs hinauf
Naeh der wetten, todtkalten Himnielswiilbung,
Und schaut auf das wcite, wogcndc Meer —
Und iiber das wcite, wogende Meer,
Lüftcsegler, ziehn seine Seufzcr,
Und kehren zuriick, triibsclig,
Und hatten vcrschlossen gefunden das Hcrz,
Worin sie ankern wolltcn —
Und er stóhnt so laut, dass die weissen Mówcn,
A ufgescheucht aus den snndigen Ncstcrn,
Ihn licrdenwcis\' umflattern,
Und er spricht zu ihnen die lachenden Wortc:
«Schwarzbeinigte Viigel,
Mit «cissen Flügeln , Mcer-iiberftatterndc,
Mit krammen Schniibeln Sccwasscr-saufcnde,
Und thranigtcs Robbenlleisch-frcsscnde,
Eu\'r Lebcn ist bitter wie eure Nahrung!
Ich aber, der Gliiekliche, koste nur Süsses!
Ich koste den sussen Duft der Rosé,
lier Mondschein-gcfiitterten Nachtigallbrant!
Ich koste noch siisseres Zuckerbackwcrk,
Gcfiillt mit gcschlagener Saline;
Und das Allcrsüsseste kost\' ich,
SÜ93C Licbe und süsses Geliebtsein.
«Sic liebt mich! Sic liebt mich ! die holde Jungfran!
Jetzt stcht sie daheim am Erker des ITauses,
l\'nd schaut in die Dümmruug hinaus auf die Landstrass\',
Und horcht und sehnt sich nach mir — wahrhaftig!
------------.-----------------------------------------------------------------------01
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o----------------------------------------------------------®
Vcrgebeus spiiht sie umiier und sie seufzet,
I ml seufzend steigt sie hinab iu den Garteu,
Uud wandelt iu Duft und Moudschein,
Uud spricht mit deu Bluuieu, erzalilet ihueu,
Wie ich, der Geliebte, so lieblich biu
Uud so liebenswiirdig — wahrhaftig!
Nachher im Bette, im Schlafe , im Traum,
Umgaukelt sie selig meiu theures Bild,
Sogar des Morgeus, beiui Friihstiick,
Auf dem glanzenden Buttcrbrote,
Sieht sie uieiu liithelndes Autlitz,
Uud sie frisst es auf vor Liebe — wahrhaftig !"
Also prahlt er uud prahlt er,
Uud zwischeudreiu scbrilleu die Müwen ,
Wie kaltes, ironisches Kicheru.
Die Düinrarungsnebel steigeu heraut\';
Aus violettein Gewülk, uuheiuilich,
Schaut hervor der grasgelbe Mond!
Hoch aufrauscheu die Meereswogen,
Und tief aus hoch aufrauscheiidem Meer,
Wehmütig wie flüsternder Windzng,
Tont der Gesang der Okeaniden,
Der schöneu, mitleidigen Wasserfraun,
Vor allera vernehmbar die liebliche Stirame
Der silberfüssigeu Peleus-Gattiu,
Uud sie seufzeu und singen:
«O Thor, du Thor, du prahlender Thor !
Du Kummergcqualter!
Dahiugemordet siud all\' deinc Hoffuungeu,
©----------------------------------------------------------$
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©----------------------------------------------------------g
Die tündelndeu Kinder des Herzeus,
Und, ach 1 dein Ilerz, Niobeu gleich,
Vcrstcinert vor Gram!
In deincm Haupte wird\'s Nacht,
Und es toeken hiudurch die lilitze des Wahnsimis,
Und du prahlst vor Schmerzeu !
O Thor, du Thor, du prahlender Thor!
Halsstarrig bist du wie dein Ahnhcrr,
Der hohe Titane, der himmlisches Fcucr
Den Gottern stahl und deu Mcnschen gab,
Und Geier-gequiilet, Felsen-gefesselt,
Olymp-auf trotzte und trotzte und stöhnte,
Dass «ir es horten fan tiefen Meer,
Und zu ihm kamen mit Trostgesang.
O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
Du aber bist ohumiichtiger noch,
Und es ware vernuftig, du ehrtest die Götter,
Und triigest geduldig die Last des Elends,
Und triigest geduldig so lange, so lange,
Bis Atlas selbst die Geduld verliert,
Und die schwere Welt von den Schultern abwirft
In die ewige Nacht."
So scholl der Gcsang der Okeaniden,
Der schonen, mitlcidigen Wasserfraun,
Bis lautere Wogen ihn überrauschten —
Hinter die Wolken zog sich der Mond,
Es gahnte die Nacht,
Und ich sass noch lange im Duukeln und weintc.
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n-----------------------------------------------------------------«
VI.
Die Götter Griechenlands.
Vollblühender Mond ! In ileiiiem Liclit,
Wie fliesseudcs Gold, crglünzt das Weer;
Wie Tagesklarheit, doch daninirig verzaubert,
Liegt\'s über der weiten Strandesllache;
1 ii.l am hellblaun, slernlosen Himinel
Scliweben die weissen Wolken,
Wie kolossale Gütterbilder
Von leuchtendcm Marmor.
Ncin, nimmermehr, Das siud kcinc Wolken!
Das sind sie sclber, die Glitter von Hellas,
Die einst so freudig die Welt bcherrschtcn,
Doch jetzt, verdringt und verstorben,
Als ungeheure Gespenster dahiuziehn
Ara mitterniichtlichen Himinel.
Staunend und seltsam geblendet, betracht\' ich
Das luftige Pantheon,
Die feierlich stummen, graunhaft bcwegten
Riescngestalten.
Der dort ist Kronion, der Himmelskönig,
Schneeweiss sind die Locken des Haupts,
Die berühinten , Olympos-erscliiittcmden Locken;
Er halt in der Hand den erloschenen Blitz,
Q
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©-------------------------------------------------------
Iu seineui Autlitz liegt Uugliick umi Gram,
Uud doch noch immer der alte Stolz.
Das waren bessere Zcitcii, o Zeus,
Als du dich himmlisch ergótztest
Au Kuabeu uud Nymphen uud Hekatoinben!
Doch auch die Gótter regiereu nicht ewig,
Die juugcu verdriingen die alteu,
Wie du eiust selber deu greisen Vater
Uud deiue Titaueii-Oehme verdriiugt hast,
Jupitcr Parricida!
Auch dich erkeun\' ich, stolze Juuo!
Trotz all deiuer cifersüchtigcn Augst,
Hat doch eine Andre das Scepter gewonnen,
Und du bist uich mehr die Himnielskün\'gin,
Und dein grosses Aug\' ist erstarrt,
Uud dcine Liljcuanne siud kraftlos,
Und nimmermehr trifft deiue Kache
Die gottbefruchtetc Juuglrau
Und deu wunderthiitigen Gottessohn.
Auch dieh erkenu\' ich, Pallas Athene!
Mit Schild uud Weisheit konutest du nicht
Abwehreu das Gütterverderben ?
Auch dich erkenu\' ich, auch dich, Aphrodite,
Einst die goldene! jetzt die silberne!
Zwar schmückt dich noch immer des Giirtels Licbreiz,
Doch graut uiir heimlich vor deiner Schönheit,
Und wollt\' mich beglücken deiu gütiger Leib,
Wie andre Heldeu, ich stürbe vor Angst —
Als Leichengüttin erscheinst du mir,
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Venus Libitina!
Nicht mehr uiit Liebe blickt nach dir,
Dort, der schrecklichc Arcs.
Es schaut so traurig Phöbu» Apollo,
Der Jiingliiig. Es schweigt seiue Lei\'r,
Die so freudig eiklungeu beim Güttermahl.
Noch traurigcr schaut Hephaistos,
Uud wahrlich! der Hinkende, uimmermehr
1\'iillt er Hebeu ins Amt,
Uud scheukt geschaftig in der Vcrsaiumlung
Den lieblicheu Nektar. — Uud langst ist erloschen
Das unausloschliche Gottergelachter.
Ich hab\' euch uieinals geliebt, ihr Götter!
Deun widerwiirtig sind mir die Griecheu,
Und gar die Romer sind mir verhasst.
Doch heil\'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
Durchströmt mein Herz,
Wenu ich euch jetzt da drobcn schauc,
Verlassene Götter,
Todte, nachtwandelude Schatten,
Nebelschwachc, die der Wind verscheucht —
Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
Die Götter sind, die euch besiegteu,
Die ncueu, herrschenden, tristen Götter,
Die Schadeufrohen im Schafspelz der Demuth —
O, da fasst raich eiu düsterer Groll,
Und brecheu mocht\' ich die ueueu Tempel,
Und kampfen für euch, ihr alten Götter,
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258
Fiir cuch und cu\'r gutes, ainbrosischcs Recht,
Uud vor curcu hohcu Altiiren,
Den wiedergebauten , den opferdampfcndeD,
Miicht\' ich sclber knieën und beten,
Und flehend die Arme erheben —
Denn immerhin, ihr alten Gütter,
Habt ihr\'s aucli ehmals in Kampten der Menschen
Stets mit der Partei der Siegcr gehalten,
So ist doch der Meusch grossnnith\'ger als ihr,
Uud in Gütterkiimpfeu halt\' icli es jetzt
Mit der Partei der besiegten Gütter.
* *
*
Also sprach ich, uud sichtbar errötheten
Drobcn die blasscn AVolkengcstalten,
Und schauten mich an wie Sterbende,
Schraerzenverkliirt, uud schwanden plützlich;
Der Mond verbarg sich cben
Hinter Gcwölk, das duukler hcranzog;
Hoch aufrauschte das Meer,
Und siegreich tratcu hervor ain Himmcl
Die cwigen Stcrue.
VII.
Pr ag en.
Am Meer, am wüsteu, nachtlichcu Meer
Steht ein JUngliug-Mann ,
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25!)
Die Brust voll Wehmuth, das Ilaupt voll Zweifel,
Und mit diistern Lippen fragt er die Wogen :
"O lost mir das Rathscl des Lebens,
Das qualvoll uralte Riithsel,
Worüber schon manche Hiiuptcr gegrübelt,
Iliiupter in Hicroglypheumiitzen,
Hnupter in Turban und schwarzem Barett,
Periickenhaupter und tauseud andre
Arme, schwitzen.le Mcnschcnhiiuptcr —
Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
Woher ist er kommen? Wo gcht er hin?
Wer wohut dort oben auf goldcnen Sternen?"
Es murmelu die Wogen ^ihr cw\'ges Gemurmel,
Es wchet der Wind, es flieheu die Wolken,
Es blinkrn die Sterne glcichgültig und kalt,
Und ein Narr wartet auf Antwort.
VIII.
Der Pliönix.
Es kornuit ein Vogel geflogen aus Westen,
Er flicgt gen Osten,
Nach der üstlichen Gartenheimath,
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260
©------------------------------------------------------------------------------s
Wo Spexereien duften und wachseu,
Uud Filmen rauschen und Bronnen kühleu —
Uud iliegend siugt der Wundcrvugel:
«Sic liebt ihn! sie licbt ihn!
Sie triigt sein Bilduiss lm kleinen Henen,
Uud triigt es suss uud heimlich verborgen,
Uud weiss es sclbst nicht!
Aber im ïraume steht er vor ihr,
Sie bittet uud weiut und kiisst seine Hünde,
Uud ruft seiueu Namen,
Uud rufend erwacht sie uud liegt erschrockeu,
Uud reibt sich verwundert die schöueu Augeu —
Sie liebt ihu! sie liebt ihn!"
* *
An den Mastbaum gelebnt, auf dem hoheu Verdcck,
Stand ich uud hürt\' ich des Vogels Gesaug.
Wie schwarzgrüue Rosse uiit silberueu MUIincu,
Sprangen die weissgekrüuselteu Wellen;
Wie Schwanenzüge schiftten vorüber
Mit schimmernden Segeln die Helgolander,
Die keckeu Nomadeu der Nordsee!
Ueber mir, in dem enigen Blau,
1\'lattertc weisses Gewölk
Uud prangte die ewige Sonne,
Die Kose des Himmels , die feuerbliihende,
Die freudvoll im Meer sich bespiegeltc; —
$--------------------------------!------è
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2fil
Und Himmcl «ml Meer nnd mein eigcnes Hcrz
Ertönten im Nachhall i
»Sie liebt ihn! sic licbt ihn!"
IX.
Die grauen Nachmittagswolkcn
Scnkcii sich tiefer hinab auf das Meer,
Das ihnen dunkcl entgegensteigt,
Dnd zwischcudureh jagt das SchifF.
Scekrank sitz\' ieli noch immer am Mattbaum,
Und mache Bctraclitmigeii über mich sclber,
Uraltc, aschgrane Bctrachtnngcn ,
Die schon der Vater Loth gemocht,
Als er des Guten z« Viel genossen,
Und sich nachher so übel bcfand.
Mitunter denk\' ich anch alter Geschichten:
Wie kreuzbezeichnete Pilger der Vorzeit
Auf stürmischer Meerfahrt das trostreichc Bildniss
Der heiligen Jnngfrau gliiubig kiissten;
Wie kranke Ritter, in solcher Seenoth,
Den lieben Handschuh ilircr Dame
An die Lippen pressten, gleich getrüstet —
ïch aber sitze nnd kaïic verdriesslich
Einen alten Hering, den salzigen Tróster
1« Katzcniammer nnd Hnndetriibsal\'
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262
Untcrdesseu kiinipft das Schiff
Mit der wilden, wogeuden Fluth;
Wie\'n bnumendes Schlachtross, stellt es sich jetzt
Anf das Hiutertheil, dass das Steuer kracht,
Jetzt stiirzt es kopfübcr wieder hiuab
In den heulenden Wasserschlund,
Daun wieder, wie sorglos liebematt,
Denkt es sich hinzulegen
An den schwarzen Busen der Kiesenwelle,
Die machtig heranbraust,
Uud plützlich, cin wüster Meerwasserfall,
In weissem Gekrausel zusammcnstürzt
Uud mich selbst mit Schaum bedeckt.
Dieses Schwanken uud Schwcben und Schaukei»
Ist uuertriiglich!
Vergebeus spiiht inein Auge uud sucht
Die deutsche Kuste. Doch, ach! uur Wasser,
Und abermals Wasser, bewegtes Wasser!
Wie der Wiutcrwandcrer/Mes Abcnds sich sehnt
Nach eiuer warmen, innigen Tasse Thee,
So sehnt sich jetzt mein Hcrz nach dir,
Mein dcutsches Vaterland!
Mag immerhin dein süsser Boden bedeckt sein
Mit Wahnsiun, Husaren, schlechten Versen
Und laulig diinucu ïraktütcheu;
Mogen immerhin dciuc Zebras
Mit Kosen sich masten, statt mit Disteln;
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868
Mögeu inimerhiu deinc noblen Affeu
Iu müssigem Putz sich vornehm spreitzen,
I m! sich besscr düuken, als all das andre
Bauausisch schwerhiiiwandelnde Hornvich ;
Mag immerhin deine Schneckcnversammlung
Sich für uusterblich halten,
Weil sie so laugsam dahinkriecht,
Und mag sie tiiglich Stimmcn sammeln,
Ob den Maden des Kiiscs der Kiise gehort?
Und noch lange Zeit in Berathung ziehen,
Wie man die agyptischen Schafe veredie,
Damit ihre Wollc sich bessre
Und der Hirt sie scheren kunne wie Andre,
Ohn\' Untcrschied —
Immerhin, mag Thorheit und Unrecht
Dich gauz bedecken, o Deutschland!
Ich schne inich dennoch nach dir:
Deun wenigstens bist du doch festes Land.
X.
lm Hafen.
Glücklich der Manu, der den Hafen erreicht hat,
Und hinter sich Hess dass Meer und die Stürme,
Und jetzo warm und ruhig sitzt
lm guten Rathskellcr zu Breinen.
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204
Wie doch die Welt so traulieh und lieblich
lm Rómerglas sich wieder9picgclt,
Und wie der wogende Mikrokosmus
Sonnig hinabflicsst ins durstige Herz!
Alles crblick\' ich im Glas,
Altc und neue Viilkergeschichte,
Turken und Griechcn, Hegel und Gans,
Citroncnwnlder und Wachtparaden,
Berlin und Schilda und Tunis und Hamburg,
Vor Allem aber das Bild der Gelicbten,
Das Engelköpfchen auf Rheinweingoldgrund.
O, wie schön! wie schim bist du, Gcliebte!
Du bist wie eine Rosé!
Nicht wie die Rosc von Schiras,
Die Hafis-besungene Nachtigallbraut;
iNicht wie die Rosé von Saron,
Die heiligrothc , pro]>hetengefcierte; —
Du bist wie die Ros\' im Rathskeller zn Hremen!
Das ist die Rosé der Rosen ,
Je alter sie wird, je lieblicher bliiht sie,
Und ihr himmlischer Duft, er hat mich bescligt,
Er hat mich begcistert, er hat. mich berauscht,
Und hielt mich nicht fest, am Schopfe fest,
Der Rathskellermcislcr von Brcmen,
Ich wiirc gcpurzelt!
Der brave Manu! wir turnen beisammen
Und tranken wie Briider,
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265
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Wit sprachen von hohen heiralichen Dingen ,
Wir seufzten und naken uns in die Arme,
Und er hat mich bekehrt zum Glauben der Liebe,—
Ich trank auf das Wohl mciner bittersten ï\'einde,
Und allen schlechten Poëten vergab ich,
Wie einst mir selbev vergebcn soll werden,
Ich weiute vor Andacht, und cndlich
Erschlossen sich mir die Pfortcn des Heils,
Wo die zwölf Apostel, die heil\'gen Stückfasser,
Schweigeud pred\'geu, und doch so verstandlich
Für alle Völker.
Das si ml Miinnei\'!
Unschcinbar von aussen, in hólzernen Rücklein,
Sind sie von innen schoner und leuclitender
Denn all\' die stolzen leviten des Tempels
Und des Herodes Trabanteu und Höflinge,
Die goldgeschmückten , die purpurgekleideteu —
Hab\' ich doch immer gesagt,
Nicht unter ganz gemeinen Leuten,
Nein, in der allerbesten Gesellschaft
Lebte bestiindig der König des Himmels!
Hallelujah! Wie lieblich nmwcheu mich
Die Palmen vou Beth-El!
Wie duften die Myrrhen von Hebron!
Wie rauscht der Jordan und taumelt vor Frcude I —
Auch meine unsterbliche Seele taumelt,
Und ich taumle mit ihr, und taumelnd
Heink\'s Buch tlrr Lieder.                                                             
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266
Bringt mich die Treppe hinauf, ans Tagslicht,
Oer brave Rathskellermeister von Bremcn.
Du braver Rathskellermeiater von Bremen!
Siehst du, :iuf den Diichern der Hiiuscr sitzcu
Die Engel und sind betrunken und singen;
Die gliihende Soune dort oben
Ist nnr eine rothe, betrunkene Nasc,
Die Nase des Weltgeists;
Und um die rothe Weltgcistnasc
Dreht sich die ganzc, betrunkene Welt.
Xt
E p i 1 o g.
Wie auf dem Felde die Weizenhalmen,
So wachsen und wogen im Menschengcist
Die Gedanken.
Aber die zarten Gedanken der Liebe
Sind wie lustig dazwischenblühende
Roth\' und blaue Blumen.
Roth\' und blaue Blumen I
Der mürrische Schnitter verwirft euch als nntzlos,
Hölzerne Flegel zerdreschen euch höhnend,
Sogar der hablose Wanderer,
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287
----------------------------------------------------------------------3,
Den cu\'r Anblick ergötzt und erquickt,
Schiittelt das Haupt,
Uud ncnnt euch schünes Unkrnut.
Aber die liindliche Jungfrau,
Die Kranzewinderin,
Verehrt euch uud püiickt euch,
Und schmückt rait euch die schüncn Locken,
Und also geziert eilt sic zum Tanzplatz,
Wo Pfeifen und Geigen licblich ertönen,
Oder znr stillen Buche,
Wo die Stimme des Liebsten noch lieblichcr tont,
Als Pfeifen uud Geigeu.
9
«1
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ANIIANG AELTERER GEDICHTE.
(•816—1824).
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Zu den „Traumbildern."
Deutschland.
Ein Trnuiu.
(1816).
Sohn der Thorhcit! triiume immer,
Wenu dir\'s Herz im Busen schwillt;
Doch im Leben suche nimmer
Deines Traumes Ebcnbild!
Eiust stand ich iu schonen Tageu
Auf dem höchsten Berg am Rhein;
Deutschlands Gauen vor mir lagen,
Blühend heil im Sonnenschein.
Unten murmelten die Wogen
Milde Zaubcrmelodein;
Süsse Ahnungsschauer zogen
Schmeichelnd in mein Herz hinein.
Lausch\' ioh jetzt beim Sang der Wogen,
Klingt viel andre Melodei:
Schoner Traum ist liiugst verflogen,
Schoner Wahu brach langst entzwei.
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©----------------------------------------------------------------8
Schau\' ich jetzt von meinem Berge
In das dcutsche Laad hiuab,
Seh\' ich nur ein Vülklein Zwerge
Kriechend auf der Rieseu Grab.
Muttersöhncheu gehu in Seidc,
Neunen sich des Volkes Kern,
Schurken tragen Ehrgeschmeide,
Süldner brüsten sich als Herrn.
Nur ein Spottbild auf die Ahneu
Ist das Volk im deutschen Klcid;
Deun die alten Köcke mahncn
Schmerzlich an die alte Zeit,
Wo die Sitte und die Tugeud
Prunklos gingen Hand in Hand,
Mn mit Ehrfurchtscheu die Jugend
Vor dein Greisenalter stand;
Wo kein Jüngling seinem Madchen
Modeseufzer vorgelügt;
Wo kein witziges Despötchen
Mciueid in System gefiigt;
Wo ein Handschlag inehr als Eide
Und Notarienakte war,
Wo ein Manu im Eisenkleide,
Und ein Herz im Manue war. —\'
55---------------------------------------------------------è
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87a
Uusre Gartenbeete hegen
Tausend BIn men wunderfein ,
Schwelgend in des Bodens Segen,
l.iiul umspielt vum Sonncnschein.
Doch die allerschönstc Blume
Bliihet unsren Beeten nie,
Sie, die einst im Alterthume
Selbst auf starrem Fels gedieh;
Die auf kuiter Bergesfeste
Manner mit der Eisenhaud
Pflegten als der Blumen beste —
Gastlichkeit wird sie genannt.
Müder Wandrer, steige nimmer
Nach der hohen Burg hinau;
Statt der gastlich warmen Zimmer,
Kalte Wande dich empfahn.
Von dem Wartthurm blast kein Wachter,
Keine Fallbrück\' rollt herab;
Denn der Burgberr und der Wachter
Schlummem langst im kiihlen Grab.
Iu den duukeln Sargen ruhen
Auch die Frauen iiiiuuchold;
Wahrlich hegen solche Truhen
Reichern Schatz denn Perl\' und Gold.
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274
s?-------------------------------------------------------------------------------—»
Heimlich schauern da die Liifte
Wie von Minnesiingerhauch;
Duim in dicse heil\'gen Grüftc
Sticg die fronime Minne auch.
Zwar auch unsre Damen preis" ich,
Deun sie Muiten wie der Mai,
Licbeu auch, uii.1 üben fleissig
Tanzen, Sticken, Malerei.
Singen auch in sussen Reimen
Von der alten Lieb\' und Treu,
Frcilich zweifelnd im Geheimen,
Ob das Miirchen möglich sei.
Unsre Mütter cinst erkannten,
Sinnig, wie die Einfalt pflegt,
Dass den schünsten der Demanten
Nur der Mensch im Busen tragt.
Ganz nicht aus der Art geschlagen
Sind die klugen Tüchterlein;
Denn die Fraun in uusren Tagen
Lieben auch die Edelsteiu\'!
Aberglauben, Trug und Lüge
Herrschen — Lcben ohne Rciz;
Und die schone Jordansperle
Hat verfalscht des Romers Geiz. —
©-
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2 75
Fort, ihr Bilder schönrer Tage,
Weicht zurück iu cure Nacht!
Weckt nicht melir die citlc Klagc
lim die Zcit, die uns versagt!
Zu den „Liedorn."
I.
Bic da bist so schün und rein,
Wunnevolles Magedein,
Deinem Dienste ganz allein
Mocht\' ich wohl mein Leben weihn.
Deine sussen Aeugelein
Glanzen mild wie Mondesschein;
Helle Rosenlichtcr streun
Deine rothen Wangeleiu.
Und aus deinem Mündchen klein
Bliukt\'s hervor wie Perlenrcihn;
Boch den schünsteu Edclstein
Hegt dein stiller Busenschreiu.
Froinme Minne mag es sein,
Was mir drang nu Herz hincin,
Als ich weiland schaute dein,
Wunnevolles Magedein I
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276
II.
Einsam klag\' ich meine Leideu
Iin vertrauteu Schoss der Nacht;
Kruin.\' Menscheu inuss ich meiden ,
Flieheu schen, wo Freude lacht.
Einsam fliessen meine Thranen,
Fliessen immer, fliessen still;
Doch des Hcrzcns brennend Sehnen
Keine Thraue lüschen will.
Einst, ein lachend muntrer Knabe,
Spielt\' ich manches schone Spiel,
Freute mich der Lebensgabe,
Wusste uie von Schinerzgefiihl.
Denn die Welt war nur ein Garten,
Wo viel\' bunte Blumcn blühn,
Wo meiu Tagwerk Blumen-warten,
Roscn, Veilchen und Jasmin.
Triiumend süss auf grüner Ane
Sach ich Büchlein fliessen mild;
Wenn ich jctzt in Büchlein schaue,
Zeigt sioh in ir ein bleichcs Bild.
Biu ein bleicher Manu geworden,
Scit meiu Auge si e gesehn;
Heimlich wch ist mir geworden,
Wundersam ist mir geschehn.
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277
Tief im Herzen hegt\' ich lange
Englcin stiller Friedensruh;
Diesc flohen zitternd, bange ,
Ihrer Sternenheiraat zn.
Schwarze Nacht mein Aug\' umdüstert,
Schatten drohen feindlich griinm;
Und im Busen heimlich flüstert
Eiue eigen fremde Stimm\'.
Fremde Schmerzen, fremde Leiden
Steigen auf tnit wilder Wuth,
Und in meinen Eingeweiden
Zehret eine fremde Gluth.
Aber dass in meinem Herzen
Flammen wühlen sonder Rnh,
Dass ich sterbe hin vor Schmerzen —
Minne, sieh I T)aa thatcst du !
III.
Jedweder Gesellc, sein Miidcl am Arm,
Durchwandelt die Lindenrcihn;
Ich abcr, ich wandie, daas Gott erbarm\'!
Ganz mutterseel-allein.
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278
<$-----------------------------------------------------------------------------------
Mein Hen winl beengt, mein Augc wird trüb,
Wcun ein Andrer mit Licbchen sich frcut.
Denn ich babe auch ein süsses Licb,
Doch wohnt sic gar ferne and weit.
So manches .Talir getragen ich hab\',
Ich trage nicht langer die Pcin,
Ich schuürc mein Bündleiu und greife den Stab,
Und wandr\' in die Welt hiuein.
Und wandre fort manch hundert Stund\',
Bis ich komm\' an die grosse Stadt;
Sic prangt an eines Stromes Mund,
Drei keckliche Thiirmc sie hat.
Da schwindet bald ineiu Liebesharm ,
Da harret Freudc mein;
Da kann ich wandein, Feinsliebchen am Arm ,
Durch die duftigen Lindenrcihn.
IV.
Wenn ich bei meiner Liebsten bin,
Dann geht das Hcrz mir auf;
Dann bin ieh rcich in mcinem Sinn
Und biet\' die Welt zu Knul\'.
I
9----------------------------------------------------------@
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279
Doch wcnn ich wieder scheiden mnss
Aus ihrem Schwancnarm,
Dami sehwindet all racin l\'ebcrfluss,
Und ich bin bettelarm.
Ich wollte, meinc Lieder
Das «aren Bliimlcin :
Ich schicke sic zu richen
Der Herzallerliebsten mein.
Ich wollte, raeine Lieder
Das waren Küsse fein :
Ich schickt\' sie heimlich alle
Nach Liebchens Wiingelein.
Ich wollte, meine Lieder
Das wiiren Erbsen klein:
Ich kocht\' eine Erbseusuppe,
Die solltte köstlich sein.
VI
Tn Vaters Garten heimlich steht
Ein Bliimchen, traurig nnd bleich;
Der Winter zicht fort, der Frühling weht,
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280
Blcieh Bliimchen bleibt immer so bleich.
Die bleiche Blume schaut
Wie cine kranke Braut.
Zu mir bleich Bliimchen leisc spricht:
«Lieb Briiderchen, pflücke mich!"
Zu Bliimchen sprcch\' ich: Das thu\' irli nicht,
Ich pflücke nimmermchr dich.
Ich such\' mit Müh" and Noth
Die Blume purpurroth.
Bleich Bliimchen spricht: «Sneb hin, such lier
Bis au deinen kiihlen Tod,
Du suchst umsonst, findst nimmermchr
Die Blume purpurroth.
Mich aber pfliicken thu,
Ich bin so krank wie du."
So lispelt bleich Bliimchen nnd bittet schr —
Da zag\' ich und pfliick\' ich es schucll.
Und plötzlich blutct mein Herze nicht mchr,
Mein innercs Auge wird heil.
Iu meine wundc Brust
Kommt stille Engellust.
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281
VII.
Obcn , wo die Sternc gliihen
Mussen uus die Freuden blühen ,
Die uns unten sind versagt;
In des ïodes kalteu Armen
Kann das Leben crst erwarmcii,
Und das Licht der Nacht enttagt.
Zu den „Romanzen."
i.
Die Weihe.
Einsam in der Waldkapelle,
Vor dem Bild der Himmelsjungfrau,
Lag ein frommer bleieher Kuabe
Dcmuthsvoll dahingesuuken.
• O Madonna! lass mich ewig
Hier auf dicser Schwelle knieën,
Wollest nimmer mich verstossen
In die Welt, so kalt und sündig.
«O Madonna! sonnig wallen
Deines Hauntes Strahlenlockcn,
Süsses Liicheln mild umsnielct
Deiues Mundes heil\'ge Koscn.
Hüine\'s Jiuch iler Liedtr
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•2H2
,iO Madonna! deine Augcn
Leuchten niir wie Sternenliehter;
Lebensschil\'tlein treibet irre,
Sternlcin leiten cwig sicher.
»0 Madonna! sondcr Wanken
Trng ieh deine Schinerzennrufung,
Krommer Minne blind vertrauend,
Nur in deinen Glutheu gliihend.
»0 Madonna! hor mich hcntc,
Gnadenvolle, wunderreiche,
Spende nur ein Huldeszeichcn,
Nur ein leises Huldeszeicheu!"
Da thüt\'sich ein Bchauerlich Wunder beknnden,
Wald and Kapell\' aind auf einmal verschwunden,
Knabe nicht wusste, wie ihm geschehn ,
Hat Alles auf einmal umwandelt gesehu.
I"ml stauuend stand er iin Bohmucken Saaie,
Da sass Madonna, doch ohne Strahlen;
Sie hat sich verwandelt in liebliche Maid,
Und grüsset und liichelt mit kindlicher Freud\'.
Und sieli! voin blonden Lockenhaupte,
Sie selber sieh eine Locke raubte,
Und sprach zuin Kuabeu mit himmlischcm Ton:
«Niniiii hin deiuen besten Erdenlohu!"
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883
Sprich nun, «er beüeugt die Wcilie P
Sahst du nicht die Farben wogen
Flamniig ku der Himinelsbliiue?
Meuschen nennen\'s Regenbogen.
Engleiu steigen auf mul nicder,
Schlagen rauschend mit den Schwingeii,
Flüstem wundersaine Licder,
Süsser Harmonieën Klingen.
kuabe hat es wohl verstanden,
Was mit Schnsuchtsgluth ihn ziehet
Kort und fort naeh jcnen Landen,
Wo die Myrte ewig bliihet.
II.
Standenen eines Mauren.
Meiner schiafenden Zuleima
Kimit aufs Hcrz , ihr Thriinentropt\'en ;
Uaun wird ja das süsse Herzchen
Sehnauchtsvoll Men Abdul klonten.
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284
Meiner schlafenden Zuleima
Spielt iims Ohi\', ihr Seufzer triibe;
Dann triiumt ja das blonde Künfchen
Heimlich süss von Abdul\'s Liebe.
Meiner schlafenden Zuleima
Ström aul\'s Handchen, Herzblutqucllc;
Dann triigt ja ihr süsses Handchen
Abdul\'s Herzblot, roth und helle.
Ach! der Schmerz ist stumm geboren,
Ohne Zuugc in dcm Mande,
Hat nar Thriineii, hat uur Seufzer,
Und uur Blut aus Herzeuswunde.
III.
Die Lchrc.
Mntter zum Bieneleiu:
"Hüt dich vor Kerzenschcin!"
Doch was die Mutter snricht,
Bienelein achtet nicht;
Schwirret ums Licht In-mm,
Schwirret niit Suin-suin-sum,
Hort nicht die Mutter schrein:
"Bieneleiu! Bieneleiu!"
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285
\'r—-------------------------------------------------------------
Jungcs Blut, tollcs Hint,
Treibt in die Flammengluth,
Treibt in die Flamm\' liinein, —
" Bicnclciu! Bicnelein!"
\'S flackort nun lichterroth,
Flamme gab Flammentod. —
•Hut dieh vor Magdelein,
Söhnelein! Söhnelein!
IV.
Traum und Leben.
Es glühte der Tag, es gliihte mein Hens,
Still trog ich mit mir herum den Schmerz.
Und als die Nacht kam, schlich ich fort
Zur bliiheudcn Rosc am stillen Ort.
Ich nahte mich leise und stmmii wie das Grab,
Nnr Thrauen rollten die Wangen hiuab ;
Ich schaut\' in den Kelch der Hose hinein,
V*a glomm\'s hervor, wie ein gUihcndcr Schein.
Und frcudig eutsehlicf ich beim Rosenbaiim ;
Da trieb sein Spiel ein neckender Traum.
leb sah ein rosiges Miidcbenbild,
"en Busen ein rosiges Micdcr umhüllt.
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281
Sic gab mir wa* Hilbsclies, recht goldig und weirh;
Ich trug\'s in eili goldcnes Hiuischen sogleich.
lm Hiiuseheu «la geht es gar wunderlieh buut,
Da ilrcht sieb ein Völkchen in zierlicher Rund\'.
Da tanzen zwölf Tiiuzcr, olm\' Rah\' und Rast,
Sie liaben sieb fest bei den Handen gefasst ;
Und wenn ein Tanz zn enden hcgauii,
So langt ein andrer von vorne au.
Und es sumnit mir ins Ohr die Tnnzmusik:
"Die sehünste der Stundeu kebrt nimmer zuriirk;
Dein gauzes Lcbcn war nur ein Tranin,
Und diese Stunde ein Traum im Traum,"
Der Traum «ar aus, der Morgen graut,
Mein Augc sehncll nach der Rosé scbaut, —
O wch! statt des glühenden Füuklcins steekt
lm Kelebe der Rosc ein kaltes Insekt.
Zu den „Sonetten."
-------
An den Hofrath Georg S(artorius)
in Göttingen.
Stolz und gebietend ist des Leibes Haltung,
Doch Sanftmuth sieht man nm die Lippen scliweben,
&
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:>K7
Das Auge blitzt, umi alle Muskeln biben,
Doch bleibt im Keilen ruliige Kntfaltung.
So stchst da auf ilcm Lclirstuhl, von Verwaltuug
Der Staateu sprechend, unJ vom kingen Streben
Der kabinette, umi vom Völkerleben ,
Und von Gcrniauieiis Spaltung mul Restaltung.
Aus dein Gedachtniss liselit mir nie dein Hild!
In unsrer Zeit der Solbstsucht und der Kohcit
Krquiekt eiu solehcs Hild von edler Hoheit.
Doeli was du inir, recht vaterlich und mild,
Zuiu llerzcn spraehst in stiller, trauter Stunde,
Das trag" ich treu im tiefen Ilcrzeiisgrnnde.
An J. B. B(ousseau).
Dein r\'reuudc9gruss kount\' mir die Brast crsehliesseu,
Die du uk Ie Ilerzcnskainincr mir entriegeln ;
Icli bin umfiichelt wie von Zanberfliigelu,
llud licimatlielie Hilder mieh begrüsscu.
Den alten Rheinstrom seh\' ich wieder fliessen ,
In scincm Blau sich Berg und Burgen spiegelu,
Goldtraubcn wiukcu von den Kebcnhügelu,
Die Winzer klettern und die Blumen spricssen.
O, könnt\' ich hin zu dir, zu dir, Getreuer,
Der du noch an mir hiingst, so wie sich scliliugt
Der grünc Epheu um ein morsch Geiniiuer.
O, könnt\' ich hin zu dir, und lcise lausehcii
Bei deiueni Lied, derweil Rothkehlchen singt
Und still des Rheines Wogen mieh uiiirauschcn.
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An Pranz von Z.
Es ziehi mich nach Nordland cin gohlncr Stern ;
Adc, mein Hruder! denk niein in der Fern\'!
Hleib tren, bleib tien der Poesie,
Verlass das süsse Briiutchcu nie!
Bcwahr in der Hrust, wie eineu Hort,
Das 1iebe, schone deutschc Wort! —
Und kommst du mal nach dem Norderstrand,
So lausehe uur am Norderstrand;
Und lausehe, bis fem sich cin Klingen erhebt
Und über die feiernden Fluthen schwebt.
Dann mag\'s wohl sein, dass entgegen dir zicht
Des wohlbekannten Slingers Lied.
Dann greif anch du iu dein Saitcnspiel
Und gicb mir süsscr Kunden viel:
Wie\'s dir, mein trautcr Slinger, ergeht,
Und wie\'s meinen Lieben alleu ergeht,
Und wie\'s ergeht der schonen iVIaid,
Die so manches Jüuglingsherz erfreut,
Und in manches gesendet viel Glnth hincin,
Die blühendc Kosc am bliibcndcn Rhcin!
Und auch vom Vaterland Kunde gieb:
Ob\'s noch das Land der treuen\' Licb\',
Ob der alte Gott noch in Dcutschland wohnt,
Und Niemand mehr dem liósen frohnt.
Und wie dein süsses Lied erklingt
Und heitcre Miirchen hinüber bringt,
Wohl iibcr die Wogen zum fernen Strand,
So freut sich der Siingcr im Norderland.
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289
"i---------------------------------------------------------&
Das projektierte Denkmal Goethe\'s
7.11 Vrankfiirt nni Main.
Iliirt zn, ihr deutsclum Marnier, Miidehcn, Francu,
Und saminelt Snbskribcnten niiverdrossen!
Frankfurt\'s iiewohiicr liabcn jetzt bcschlosscn,
Ein Ehrendeiiknial Goetheii zn crbaucn.
Znr Messzcit wird der fremde Kriimer schaucn," —
So denken 9Ïe, — "dass wir des Manna Genossen,
Dass uuserm liodeu solche liluin\' cntsprosscn,
Und blindliiigs wird man mis ini Handel tranen."
O , lasst dem Dichter seine Ijorberreiser,
Ihr Handelshenn! Ilchaltet ener Geld.
Ein Denkmal hat sieli Goetbe selbst gesetzt.
In Windel» war er cinst ench nah; doch jetzt
Trcniit eueh von ©octhe chic gan/c Welt,
Ench, die ein Fliisslein trennt vom Snchscnhiiiiser.
Bamberg und Würzburg.
In beider Weichbild lliesst der Gunden Qnelle ,
Und tausend Wnndcr taglich dort geschehen.
Umlagert sieht man dort von Kranken stvhen
Den Fiirotcn, der da heilet anf der Stelle.
Er spricht: -Steht anf und geilt!" Und flink und schnelle
Sieht man die Lalimen 3elbst von hinnen gehen.
Er spricht; .Schaut anf und schet!" Und es schen
Sogar die Blindgcbornen klar und helle.
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290
V
Kin .Tiingling uaht, von Wassersiicht getricben,
l\'ml fldit: -»Ililf Wundcrthiiter, ïiieineni Leibe!"
I n.1 segnend spricht der Fürat; Gch hin and scbreibe!"
111 Hamberg and in Würzburg macht\'i Spektakel,
Min Handlang Gebhardt\'s rufet laut: "Mirakel!" —
Meun Pramen hat der .riiimlhig sehon geschrieben
„Das Bild."
Trnuerspicl von Freiherrn K. v. Houwald.
Lcuing-T)a Vinci\'l Nathau mul Galotti,
Schiller-Kaphacl\'s Wallcnstein umi Posa,
Egmont and Fanst von Goethe-Huonarotti,
Hii\' nimm zuiu Muster, Ilcmwald-Spinarosa!
„Ancassin und Hïcolette,"
ODER
„Die Liobo aus der guten alten Zoit,"
An J. P. Koreff.
Haat eiuen bunten Teppiclt anagebreitet,
Worauf gestickt sind leuchtcnde Figuren.
Ba ist der Kampf feindseliger Naturen,
Der halbe Mond, der init dem Kieuze streitet.
Trompetentnseh 1 Die Scltlaebt wird vorbcreitct;
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-2\'.i 1
----------------------------------------------------------------------M
lm Kerker sclimachtcn, die sich Treue srhwnren ;
Schalmeien klingen auf Provencer Fluren;
Auf dein Bazar Karthago\'s Sultan schreitet.
I\'Yeundlich ergiitzt die bnnte Herrlichkeit:
Wit irren wie in marchenhafter Wfldnias,
His Lieb\' and Licht bestegen Hass and Nacht.
Dn, Meister, kaantest der Kontraste Maeht,
Und gabst in schlechter nener Zeit das Bilduiss
Von Liebe aus der gaten alten Zcit!
Die Nacht auf dem Drachenfels.
An Fritz v. B.
Uin Mitternacht war schon die Burg ersticgen,
Der Holzstoss flammtc auf am ï\'uss der Manen,
Und wie die Banenen lustig niederkaueru,
Eneholl das Lied von Deutsehlauds heil\'gen Siegen.
Wir traukeu Deutsehlauds Wohl aus Rheinweinkriigen,
Wir sahu den Burggeist auf dem Thurnie lauern ,
Viel\' duukle Rittcrschatten uus umschnuern,
Viel\' Nebelfraun bei mis vorüberiliegen.
Und aus den Thürmen steigt eiu tiefes Acchzen ,
Es klirrt und rasselt, und die Eiilen krachzen;
Dazwischen heult des Nordsturms Wuthgebrause. —
Sieh uuii, mcin Vreund 1 so eine Nacht durehwacht\' irh
Auf hohem Drachenfels, doch leider bracht\' ieh
Den Schimpten und den Ilusten mit naeh Hause.
®
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2H2
©----------------------------------------------------------$
An Fritz St(einmann).
1115 Stainbiirli.
Die Schlechteu sicgcn, untcrgcliu die Waekeru ,
Statt Myrtcn lobt man uur die dürren Pappeln,
Worin die Abcndwindc tuchtig rnppcln,
Statt stiller Oluth lobt man uur belles Flackcrn.
Vcrgcbens wirst du den Parnass beackevn,
l\'iiil Hild aul\' Mild umi Hluin\' anl\' Mliime stapeln,
Vergebens wirst du dich zu Todc zappeln,
Vcrstebst du\'s nicht, noeb vor dem Ki zu gaekern.
Aucli musst du wie ein Kampfstier dich behiirnen,
Und Schutz- mul Trutz-Kritikcn schreiben lemen,
Und krüftig oft in die Posaunc sehmettern.
Auch schreibe nicht für Nachwelt, schreib für Póbd,
Der Knallcffekt sei deiner Dichtung Hebei, —
Und bald wird dich die Galerie vergiittern.
An Sie.
Pie rot hun IJlumcn hier und auch die bleichen,
Die cinst geblüht aus blut\'gen Herzenswunden,
Die hab\' ich nun zuni schmucken Strauss verbanden,
Und will ion dir, du schone Hcrriu, reienen.
Niinm huhlrcich ihn die trencn Sangeskundcn ;
Ich kann ja nicht aus dicsem Lcben weichen,
Olm\' rückzulasscn dir cin T.ieheszcichen —
&---------------------------------------------------------
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Gedenke uiein, wenn icli ilcu Tod gcfunilcii!
Doch nie, o Herrin, solist du mich beklagen;
lieneidenswerth war selbst mciu Schmerzculebeu —
Denn licbeud durft\' ich dich im Ilerzen tragen.
Und gróssres Heil noch soll niir bald geschehen:
Mit Geisterschutz dart\' ich dein Haupt umschweben
Und Friedcnsgrüssc in dein Herze nehen.
,,Zum: Lyrischen Intermezzo.\'
i.
Schone, helle, goldne Sterue,
Grüsst die Liebste in der Ferne,
Sagt, dass ich noch immer sei
Herzekrank und bleicli und treu.
II
Du solist mich Hebend iinischliessen,
Geliebtcs, schönes Weib!
Umschling mich mit Armen und Füssen
Und mit dem geschineidigcn Leib.
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2U4
----------------------------------------------------------------3)
Gewaltig hat um fan gen,
Dmwnnden, umschlungen schon
Die allerschonste der Schlangen
Den glücklichsten Laokoon.
III.
Ich glaub\' niclit an den lummel ,
Wovon das Pfiifllein spiicht;
Ich glaub\' nnr an dein Auge,
Das ist mein Hinnnclslicht.
Ich glaub\' nicht an den llengott ,
Wovon das l\'fiifHein sprioht;
Ich glaub\' nnr an dein Hens,
\'Neu andein Gott hab\' ich nicht.
Ich glaub\' nicht an den Hijsen,
An IIöll und Hólleiischiiierz;
Ich glaub\' uur an dein Auge,
Umi au dein boses Herz.
IV.
Ich kanii es nicht vergessen,
Gcliebtes, holdes Weib,
Dass ich dich einst besessen,
Die Seela und den Leib.
«
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---------------------------------------------------------------------@
Den Leib mocht\' ich noch habcn,
Den Lei», so zart umi jung;
Die Scclc küiiut ihr bcgniben,
Hab\' selber Seclc gcnung.
Ich will meinc Seclc zerschncidcn,
Und hauchcn die Halfte dir eiu,
l.\'nd will dich unischlingcn, wir mussen
Gauz Leib und Seclc sein.
V.
Freundscliat\'t, Licbe, Stein der Wcisen.
Diese Prcie hort\' ich jircisen,
Und ich pries und suchtc sic,
Abcr, ach! ich fand sic nie.
VI.
Es schancn die Blumcn alic
Zur leuchtenden Sonne hinauf;
Es nchmen die Strume alle
Zum Icuchtcudcn Meere den Lauf.
Es llattem die Lieder alle
Zu meinem leuchtenden I.ieb —
Nehmt mit meinc Thriincn und Scufzer
Ihr Lieder, wehmüthig mul triib !
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2»6
ö-------------------------\'----------------------------e
Zur „H cimkch r."
Du Ijilje meiner Liebe,.
Du stehst so trimmend am Bach,
Und schaart hiuein so trübe,
Uiid liiisterst «Web." und «Ach !"
/Geil\' fort niit deinem Gckosc!
lch weiss es, du falscher Manu,
Dass mcine Kousiue, die Kosc,
Dein falsches Hens gewaun."
Jl.
lu den Klissen welche Liige!
Welche Wounc in dem Schein!
Ach, wie süss ist das ttetrügeu,
Siïsser das Bctrogensein!
Liebchen , wie du dich auch wehrest,
Weiss ich doch, was du erlaubrt!
Glaubcn will ich, was du scbwörest,
Seliwörcn will ich, was du glauust.
&
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8»7
-3>
III.
Zu der Lauheit und der Flauheit
Deiner Seclc passte nicht
Mcincr Liebe wilde Rauheit,
Die sich Halm durch Felsen briclit.
Du, du liebtest die (\'hausséen
In der Liebe, und ich schau\'
Dich am Ariu des Gatten gehen,
fine brave, schwangre 1\'rau.
IV.
O, mein gniidiges Friiulein, crlaubt
Mir krankcn Sohn der Musen ,
Dass schluniuicrud ruhe mein Siingcrhaupt
Auf Eurein Scliwancnbuseu!
"Mein Herr! wie kunnen Sie es wagen,
Mir so was in Gescllschaft zu sagen?"
V.
Hast du die Lippen mir wund gekiisst,
So küsse sie wieder Heil,
Und wenn du bis Abend nicht fertig bist,
So hat es auch keine Eil\'.
ItllNK\'s Hvrh ,lfr I.irUrr.                                                           ?0
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298
«
©•
Du hast ja noch die ganzc Nacht,
Dn Herzallerliebstc mcin!
Man kann in solch einer ganzen Nacht
Viel kussen und selig sein.
VI.
Als sie mich umsrhlang mit ztirtlichem Pressen,
Da ist meine Seelc gen llimmel gedogen !
Ich liess sic fliegen, nnd hab\' unterdessen
Pen Nektar von ihren Lippen gesogen.
VII.
Ja, Freund, hier unter den landen
Kannst du dein Herz erbaun,
Hier kannst du beisammen finden
Die allcrschönsten Fraun.
Sie bliihn so hold und minnig
Tm farbigen Scidengewand!
Kin Dichter hat sie sinnig
Wandelnde Blumcn genannt.
Welcli schone Federhüte!
Welch schone Tiirkenshawls!
Welch schone Wangenbliithe!
Welch schoner Schwanenhale!
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sog
-}-------------------------------------------------------------------------©
vm.
Schone, wirthschaftliche Dame,
Ilaus and Hof ist wohlbcstellt,
Wohlversorgt ist Stall iind Keiler,
Wohlbeackert ist das Feld.
Jeder Winkel in dem Gartcn
Ist gereutet und geputzt,
Und das Stroh, das ausgedroschen,
Wird fiir Betten noch bcnotzt.
Doch dein Herz und deine Lippen,
Schone Dame, liegen brach,
Und zur Ilalfte uur benutzet
Ist dein trautes Schlafgcmach
IX.
Blamicr mich nicht, mcin schüncs Kind
Und griiss mich nicht miter den Linden;
Wcnn wir nachher zu Hause sind,
Wird sich schon Alles finden.
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300
ffi---------------------------------------------------------------(.
X.
Himmliacb war\'s, wcnn ich bedwang
Mcine sündige Begier;
Aber nenn\'s mir nicht gelang,
Hatt\' ich doch ein gross Plaisir.
An Edo m!
Ein Jahrtausend schon und liinger
Dulden «ir uns brüderlich;
Du, du duldcst, dass ich athine,
Dass du rasest, dulde ich.
Manchmal uur, in dunkeln Zciten,
Ward dir wunderlich zu Muth,
Und die licbefrommcu Tiitzchcn
Farbtcst du mit meiucm Blut.
Jctzt wird unsre Frcundschaft fester,
Und noch taglich nimmt sic en;
Dcnn ich selbst begann zu raseu,
Und ich werde fast wie du!
£.
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101
©-----------------------------------------------------------------------------------------g>
Mit einem Exomplar des „Rabbi von
Bacharach."
Brich aus in lautcu Klagen,
Dn diistres Martyrerlied,
Das ich so lang getragcn
lm flamnieustillen Geniüth!
Es dringt in alle Ohrcn,
Und durch die Ohren ius Herz;
Ich habe gewaltig beschworcn
Den tausendjiihrigen Schinerz.
Es weinen die Grossen uud Kleinen ,
Sogar die kalten Herm,
Die Fraucn uud Blumen weinen,
Es weinen am llimmel die Stem\'.
Uud alle die Thrineu fliesseu
Nach Siiden iin stillen Verein,
Sic lliesscn uud ergiessen
Sich all\' iu den Jurdan hiuein.
«
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-ocr page 315-
UEBERSETZUNGEN
Al S
LORD BYRON\'S WERKEN.
(1820.)
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©-
V O R IJ E M E RKÏÏNG.
Die Uebersetzung der crsten Scène aus "Manfred"
und des »Gut\' Nacht" aus «Childe Harold" entstaud
erst voriges Jahr uud moge als Probe dienen, wie
icli einige euglische Dichter ins Deutsche zu über-
tragcu gedenke. Die Lieder «Lebewohl" uud »An
Juez" sind weit frühcr — und /.war in unreifer,
fehlerliaftcr Form — ïïbeisetzt, und worden aus
bloss zufülligen Griiuden liier abgedruckt.
Bkklin, den 20. November 1831.
H. HEINB.
B-
-ocr page 317-
Manfred.
Erster Aufzug.
Erster Auftritt.
Eiue gothijchc Halle. — Mitternaclit. — Manfred allcin.
MANFRED.
Ich musa die Ampel wieder fiilleu, dennoch
Brennt sic so lange nicht, als ich muss wachen.
MeinSchlaf—wenu ich auchschlaf\'—ut ilochkeinSchlaf,
Nur ein fortdaucrud Briiteu in Gcdauken,
Die ich nicht bannen kann. lm Herzen pocht mir\'s
Gleich wie ein Wecker, und niein Aug\' erschliesst
Sich nur, cinwiirts zu. sehaun. Und dennoch leb\' ich,
Und trage Menscheuform und Meuschenautlitz.
Doch Kuinmer sollt\' des Weisen Lchrer sein;
Der Schmerz macht weisc, und wer\'s Meute weiss,
Den schmerzt am meisten aucii die bittre Wahrheit:
Dass der Erkcnutnissbuum kein Baum des Lebens!
Nun hab\' ieh jede Wissenschaft durchgrübelt,
Auch Weltweisheit, die Kriifte der Natur
Krforscht, und fiihl\' iui Herzen die Gewalt,
Die solche dienstbar machen köunt\' mir selber.
Doch frommt es nicht. —Den Meuschen thatich Gutes,
Und mir geschah auch Gntes, selbst von Meuschen.
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306
Sr----------------------------------------------------------------------->
Doch frommt Das nicht. — Ich batte mcine Fednde,
lch sank vor Kciiiem, Jlancher sank vor mir.
Doch frommt es nicht. — Deun Gutes, Hüscs, Lcben,
Macht, Leidenschaft, wie ich\'s bei Andern sehe,
Das war bei mir wie Regen auf den Saud,
Seit jener grausen Stuud\'. Ich fürchte Nichts,
Mich quiilt der Fluch, dass ich Nichts fürchten kami,
Kein starkres Pochen fiihl\', von lloffiiung, Wiïnschen,
Sehn8ucht nach eiucm Wescn dieser Erde.
Mein Werk begiun\'!
Geheimnissvolle Miichte!
Uu Geister dicses unbegrenzten Weltalls!
Ihr, die ich stcts gesucht in Licht und Duukel!
ilir, die den Erdball riugs uinwcbt, und luftig
lm llauche wohnt; ihr, die als Liebliugspliitze
Euch ausgesucht die stcilsten Bcrgesgipfel;
Ihr, die iu Erd- und Meerabgründeu hauset, —
Euch ruf\' ich her kraft de» geschriebnen Zaubers,
Der euch mir unlerjocht. Steigt auf! Erscheint!
(Pause.)
Sic zogeru. — leli bcschwör\' euch bei dem W\'orte
Des Gcistcroberliaunts, bei diesem Zeichcn,
Das euch erzittern macht, beim Willen Dessen,
Der nimmer stirbt, — steigt auf! Erscheint!
(Pause.)
Sie zögern. — Geister in der Erd\' und Luft!
Ihr sollt nicht snotteu meiuer. Ich beschwör\' euch
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-----------------------------------------------------------------------S)
Hei noch viel iiiiicht\'grcr Macht, beiin Talisman ,
Den ausgeheckt einst der verdammte Stem,
Der nun, ein Trümmerbrand zerstórter Welt,
Wie eine Huil\' im ew\'g\'U Kauine wandelt;
Beiin grausen Fluch, der meine Seel\' belastet,
Bei dem Gedauken, der stets in inir lebt,
Und um luich lebt, beschwür\' ich ench. Erscheint\'
(Ein Stern wirdgichthar im dmikcln lïiiitcrgrunde der Hallc
Kr bleibt stehu. Man hürt eine Stinime siugen.)
ERSTEK GEIST.
Meusch! Aul\' deines Wortes Sc hall
Stormt\' ich aus der Wolkenhsll\',
Die der Diiinmrung Hauch gebildet,
Die das Abcudlicht vergüldet
Mit karmiu und Himmclbliiu\',
Dass sie inir ein Lusthaus sei.
Zwar sollt\' ich gchorchen Dimmer,
Dcnuoch ritt ich auf dem Schimiiicr
Eines Stcrulcins zu dir her;
Mensch! erfiillt sei dein Bcgehr.
ZVt\'F.ITER GEIST.
Moutblanc ist der König der Berge,
Die krüutcn schun laagst scinc Ilüb\';
Auf dein Kelsenthron sitzend, im Wolkentalar,
Empling er die Kron\' vou Schnee.
N
•<s
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808
Wie\'n Gurt umschnallt scine Hiift\' ein Wald,
Seine Hand ilic Lawine hiilt;
Doch vor ilt\'in Kali niuss der donncrndc Ball
Still stehn , wenn\'s inir gcfiillt.
Des Gletschers ruhlos kaltc Mass\'
Sinkt tiefer Tag fiir Tag;
Doch ich bin\'s, der sie sinken lass\',
Uiid auch sie hemmen mag
Ich bin der Gcist des Berges hier,
Wollt\' ich\'s, er beugte sich,
Erzittcrnd bis zum Mark e schier, —
Dnd du, was riefst du mich?
DRITTEU GEIST.
In dem bliiulichen Meergrond,
Wo der Wellenkampf schweigt,
Wo ein Fremdling der Wind ist,
Umi die Meerschlangc krcucht,
Wo die Nixe ihr Griinhaar
Mit Mnschcln durchschliugt, —
Wie weuu Sturm auf der Meerfliich\',
Scholl dein Spiuch, der mich zwingt.
In mcin stilles Korallhaus
Erdróhntc er schwer;
Deun der Wassergeist biu ich —
Sjirich aus dein Begehr!
VIERTER QKIST.
Wo der Erdschüttrer schlummert
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309
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Auf Kissen von Glttth,
Wo die Fechstrüm\' aufwiilzen
Die kochende Kluth,
Wo die Wurzel der Aiidcs
Die Erde durchwebt,
Also tief wie ihr Gipfel
Zum Hiromel aufstrebt,
Dort liess ich die Heimat,
Dein Ruf riss mich fort, —
Bin Knecht deines Sprnches,
Mein Herr ist dein Wort.
FÜNFTER OEIST.
Mein Ross ist Wind, rnit Geissclhicb
Treib\' ich das Sturmgewühl;
Das Wetter, das dahiiitcn blieb,
Ist noch vou Blitzcu schwül.
Mich hat gal schnell, über Land und Wcll\',
Bin Windstoss hergebracht;
Die Flott\', die ich traf, die segelt brav,
Doch sinkt sic noch heute Nacht.
SECHSTER GEIST.
Mein Wohnhaus ist der Schatten süsser Nacht j
Was quiilst du mich ans Licht mit Zaubermacht?
SIEBENTER GEIST.
Vor Erdbeginn behorrschte ich
-----------------------------------------------$
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310
Den Stern, der nun beherrschet dien.
Das war cin Erdball, hübsch bclebt,
Wie keincr je die Sonn\' umschwebt.
Sein Lauf war sehön gcregelt, kaum
Trug schönern Stern der Himmelsranm.
Da kam die Stnnde — und er ward
Ein Flammenball unförm\'ger Art,
Ein Schweifstern, der sieh pfadlos sehlingt,
Und Mcnschen schreckt und Unheil bringt,
Der nie eimattend rollt und schweift,
Und irrend ohuc Laufbabu laaft,
Ein Tollbild, das da oben brennt,
Ein Ungeheu\'r am Firmament!
Und du, dem dies ein Schicksalstern,
Wurm , dem ich hohnvoll dien\' als Hcrrn,
Du zwangst mich (mit der kurzen Macht,
Die dich am End\' mir eigen macht,)
Auf kurz liicher, wo zitternd gar
Hier diesc schwache Geisterschar
Mit eincm Ding, wie du bist, schwatzt—
Du, Sohn des Staubs, was willst du jetzt?
DIE SIEBEN GEISTER.
Erd\', Weltmecr, Luft und Nacht, Gebirg und Wind
Und auch dein Stern umstehn als Geister dich,
Und harren deines Winkes, Menschenkind, —
Was will von uns der Sohn des Staubes ? — sprich
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Sll
---------------------------------------------------------------®
MANFRED.
Icli will vergessen —
ERSTF.R GF.IST.
Was — und wie — warnm ?
MANFRED.
Was in mir ist, will ich vergessen, leset\'s
In mir — ihr kennt\'s und ich kann\'s nimmer sagen.
GEIST.
Nnr was wir haben, kunnen wir dir geben,
Verlangc Gegenstiinde, Herrsehaft, Weltmacht,
Ganz oder nnr ein Theil, verlang ein Zcichen,
Das dir die Elemente dienstbar macht,
Die wir regieren, Jedcs, all Dergleichen
Sei dein.
MANFRED.
Vergessen, Selbstvergessenheit —
Künnt ihr nicht schaffen Dies ans dnnklen Reichen
Ihr, die mir prahlcrisch so Vieles bietet?
QEtST.
In unsrer Macht steht s nicht; es seie denn —
Du stiirbest jetzt.
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MANFREn.
Wird mir\'s der Tod gewahren V
GEIST.
Wir sind unsterblich und vergessen nicht;
Wir leben ewig, and Vergangnes ist nns
Mitsammt der Zukunft gegemviirtig. Sichst du?
MANFRF.D.
Ihr höhnt mich; doch die Macht, die euch hieherzwang ,
Gab euch in meine Hand. Hühnt nicht, ihr Knechte!
Die Seel\', der Geist, der promethe\'sche Funken,
Die Klamme meines Iicbcns ist so leuchtend,
Durchglühnd und weithinblitzend wie die eure,
Giebt der Nichts nach, obgleicli in Staub gekleidct.
Gcbt Antwort! sonst beweis\' ich, wcr ich biu.
GEIST.
Die alte Antwort gniigt; die beste Antwort
Sind deine eignen Wort\'.
MAXFRÏT).
Erkliir die Rede.
GEIST.
Wenn, wie du sagst, dein Wescn unserm gleicht,
So hattest du sclion Antwort, als wir sagten :
Was Tod die Mensehen neunen, bleibt uns fremd.
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318
•31
MANFKKD.
So ï\'ief ich euch umsonst aus curen Reichen,
Ihr könnt nicht oder wollt nicht helfen.
OEIST.
Sprich!
Was wir verniügen, bieten wir, dein sci\'s;
Gesinn dich, eh\' du uns entliisst, frag nochmals, —
Macht, Herrschaft, Kraft, Vevliingrnng deiner Tage —
MANFRED.
Vertlucht! was habc ich zu thun niit Tagen?
Sie sind mir jetzt schon allzu lang, — fort\' fort!
OEIST.
Geraach! sind wir mal hier, kann\'s doch dir nutzen.
Besinn dich, giebt\'s deun gar Nichts, das wir küiinten
Nicht ganz unwerth in deinen Augcn machen?
MAXFRF.D.
Ncin, Nichts; dochbleibt, — ich mocht\' wohl, eh\' wir
(scheiden,
Euch schaun von Angesicht zu Angesicht.
Ich höre eure Stimmen, siiss und schmachtciul
Wie Harfentöue auf dem Wasser, immer
Steht leuchtend vor mir jener klare Stern;
e------------------------------------------$
Hkine\'s /inch tier L\'tetier.                                                             21
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314
Doch anders Nichts. Kommt, niiher, wie ihr scid,
Koniint all\', kommt einzeln, iii gcwohnten Formeu.
GKIST.
Wir trage keine Ponnen, ausser die
Des Elements, wovon wir Seel\' iind (Jrgeitt;
Wiihl die Gestalt, worin wir kommen sollen.
MA.NFKED.
Ich wiihlen\' Giebt\'s ja keine Form auf Erden,
Die hüsslich oder reizend wiir\' für micli.
Eur Miichtigster mag wiihlen 9ich ein Antlitz,
Das ilun das beste dunkt. Erscheiu!
SIEBENTEH GEIST.
(Krsi-hi.-iiit in der Gestalt eines schonen Wuibcs.)
Sieh her.\'
MANrKEO.
O Gott! Wenn\'s so sein soll, und du kein Wahnbild
Und auch kein Blendwcrk bist, so könut\'ich den noch
Kecht glücklich sein, — umarmeu will ich dich,
Wir wollen wieder —
(die Gestalt rerschw-indet).
\'s Her* ist mir zermalmet.
(Manfred stürzt besimiuitKslos nieder.)
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815
BINB STIMMK (Bpriclit loljrenden Ziiiil>ci-I>;uin:)
Wenii der Mond im Wasser schwimmt,
Und im Gras der Gliihwurni blinkt,
Wenn am Grab das Dunstbild glimmt,
l"iid im Sunipf das Inlicht winkt,
Wenn Sternschnuppen nicderschiesscii,
Und sich Eulcn kriichzend griisscn,
Wenn, umschattct von den Höliu,
Baum und Uliitter stille stehn:
Uann konimt meine Seel\' auf dicli,
Und mein Zaubcr reget sich.
Schlüfst dn auch :nit Augen zu,
Pindet doch dein Geist nicht Ruh\',
Schatten drohn , die nie verbleiclicn,
Und Gedankcn , die nicht wcichen;
Von geheimcr Macht umrauscht,
Bist du nimmer unbelauscht;
Bist wie leichentuchumhaiigt,
W7ie von Wolken eingezwhngt:
Solist jetzt lcben immerfort
Hier in diescin Zauberwort.
Siehst inich zwar nicht sichtbarlicli,
Dennoeh fühlt dein Auge mich
Als ein Ding, das unsichtbar
Nah dir ist, und nahe war;
Und weun\'s dir daun heimlich graust,
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Umi du hastig rückwarts schaust,
Sichst du stauncnd, dass ich uur
Bin der Schatten deiuer Spur,
Und verschweigen muss dein Jlund
Jeue Macht, die dir ward kund.
Und ein Zaubcrsang und Spruch
Hat dein Haupt gctauft rait Fluch ;
Und ein Luftgeist voller List
Legt dir Schlingen, wo du bist;
In dem Wind horst du ein Wort,
Das dir scheucht die Freude fort;
Und die Nacht, so still und hehr,
Gönnt dir Uuhc ninimermchr;
Und des Tagcs Sonnenschein,
Soll dir unertriiglich sein.
Aus deinen Thriincn, fnlsch und schlau,
Kocht\' ich ein tódliches Gebrau;
Aus deincs Herzcus schwarzem Quell
Presst\' ich des schwarzen Blutes Wcll\';
Aus deincs Lachelns Fait\' ich zog
Die Schlang\', die dort sich ringelnd bog;
Aus deincm Mand nahin ich den Reiz,
Den Hauch des allcrschlimmsten Leids;
Ich priift\' manch Gift, das mir belcannt,
Doch deins am giftigsten ich fand.
Bei deincs Schlangenliichelns Mund,
Eiskaltem Hcrzen, Arglistschlund ,
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Bei deinem Aug\', scheinheilig gut,
Bei Deiner Seel\' verschlossncr Wuth,
Bei deiner Kunst, womit du gar
Dein Her/ t\'ur meuschlich gabest dar,
Bei deiner Lust au fremdem Leid,
Bei deiner Kainsülmlichkcit,
Uierbei veriluch\' ich dicli, Gesell;
Sei sclber deine eigne IIóH\'!
l\'nd auf dein Haupt giess\' ich den Saft,
Der dir ciu soleli Yerliiiugniss schafft;
Schlafeu nicht imd sterben nicht
Güunt dein Schicksal dir, du Wicht;
Solist den Tod stets nahe schnun,
Freudig zwar und doeh mit Grauu.
Sieh! der Zauber schon umringt dich,
Klauglos seine Kett\' umschlingt dich;
Auf deiu Herz uud Hiru zugleicb
Kam der Spruch — verwelk, verbleich.
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Leb e w o hl!
Uefreundet waren weiland ilirc llt>rzeii,
Doch Lasterzunyen kunnen WahrHeit schwarzen ;
Und die Beslandiglteit wohnt nur dort oben ;
Und dornig ist das Leben, und die Jugend
Ist eitel ; ünd cntzweit sein mit Geliebten,
Das k hui wie Walinsinnschmerz im Hirne toben.
Doch me land sich ein MitUer diesen Beiden,
Uer heilen wollte ihrer Herzen Leiden.
Genuber standen sich die Schmerzyestalten,
Wie Klippen, die des Blitzes Strahl gespalten.
Kin wilder, winter ^trom flicsst jetzl dazwischen;
Doch aller Klemente zorn\'ge Schar
Verman wohl nimmer ganzlich zu vcrwischen
Die holde Sjiur von Dem, was einstens war.
iAus Coleridge\'s >C h r i i t a be 1.")
Lebe wohl, und sei\'s auf immer!
Sei\'s aut\' immer, lebe wohl!
Doch, Vcrsöhnungslosc, nimmer
Oir meiu Herze zürnen soll.
Kónnt\' ich üffucu dir dies Herze>
Wo dei» Raapt oft angeschmiegt
Jeue süssc Ruh gefuudeu,
Die dich nie in Schlaf mehr wiegt!
Könntest du ilurchschaun dies Hene
Und sein innerstes Gcfiihl!
Dann erst sühst du: es so grausam
Fortzustossen, war zu Viel.
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SI»
Mag sein, dnss die Welt dich preisc,
IJ ml die That init Freuden seh\', —
Muss niclit sclbst ein Lob dich kriinken.
Das erkauft mit frcmden Weli ?
Mag sein, dass viel Schuld ich trage;
War kein andrer Arm im Laad,
Mir die Todeswund\' zu schlagen,
Als der einst mich lieb umwaiid?
Pennoen tiiusche dich nicht sclbcr.
Langsam welkt die Liebe blcss,
I\'ud man rcisst so raschen Bruches
Nicht ein Herz vom Hemen los.
Immer soll dein Herz noch schlagen,
Meins auch, blut\' es noch so selir;
Immer lebt der Sehmerzgedanke i
Wieder sehn wir nns nicht mehr ! V
Solche Worte schmerzen bittrer,
Als wenn man uni Todte klagt;
Jeder Morgen soll uns finden
lm venvittwet\' Bett envacht.
Suchst du Trost, wenu\'s eiste Lallen
Unsres Mügdlcins dich begrüsst:
Willst du lehren «Vater" rufen
Sie, die Vnttrs Huid vermisst?
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Wenii, umarmt von ihren Hiindchcn,
Dich ihr süsser Kuss entzUckt,
Denke sein, der tern dich liebet,
Den du liebend einst bcgliickt!
Weini du scluiust, dass ihr Gesiehtlcin
Meinen Zu:ni iilmlich sei,
Zuckt vielleicht in deinein Henen
Ein Gefiihl, das niir nocli treil.
Alle meine Fchltritt\' keunst du,
All meiu Wahnsinn 1\'remd dir blieb;
All meiu Hoffen, «o du gchn inagst,
Welkt, — docli geht\'s mit dir, mcin Lieb.
Jed\' Gefiihl haat du erschüttert;
Selbst meiu £tolz, sonst felscufest,
Beugt sich dir, — von dir \\erlasscn,
Meine Seel\' niich jetzt verliisst.
Doch was lielfeu eitel Wortc, —
Kommt ja gar von mir das Wort!
Nur entziigclte Gcdankcn
Brechen dureli des Willens Pfurt\'.
Lcbe wolil! icli bin geschleudert
Fort von alleu Lieben mein,
Herzkrauk, einsam uud zermalmct, —
Tödlieher kann Tod nicht sein!
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A n I n e z.
iChilde Haroltl. Erstcr Gelang.)
O, lachle nicht ob manen linstcrn 13 ra uu u,
Das Wiederliicheln «rird mir gar zu schwcr,
Doch Thïiincii mógen nic dein Aug\' bethauen,
Umsonst geweinte Thrinen nimmermehr.
0,\'fonehe nicht von jenem Sohmerz die Kunde,
Der uagend 1\'reud\' und Jagend mir zerfrisst.
Enthülle nicht die tiefgeheiinc Wande,
Die du BOgal in lieilen machtlus bist.
Es ist kein Liebesweh, es ist kein Hanen,
Es ist kein Schuicrz getiiuschter Huliinbegier,
Was stets inicli treibt, das Liebste zu verlasscn.
Was mir die Gcgenwart vcrekelt schier.
Es ist kein Veberdruss, der mich erdrücket
Bei Allem, was ich hor\' and selr uu 1 fiihl\'.
Deun keine Schöuheit giebt\'s, die mich cutziicket,
Kaum noch crgötzt inicli deiner Augen Spiel.
Es ist die diistre Gluth, die stets getragen
In tiefer Binst der ew\'ge Waudersmann,
Der nirgeudwo sich kanu ein Grab erjageu,
Und doch im Grab uur Kuhc linden kaun.
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Welch Elcnd kann sich selbst enttliehn? Vergebens
Durchjag\' ieh rastlos jcJcs fcrnste Land,
üml stets verfolget mich der Tod des Lebens,
Der Teufel, der "Gednuke" wird genaunt.
Doch Andre seh\' ieh, die sich lustig tnucheu
In jenes I\'reudenmccr, dem ieh entwich;
O móge nic ihr schoner Traum verrauchen ,
l\'nd Keiner mog\' envachen so, wie ieh!
Noch mnnchcu Himinelsstrich muss ieh durchcilen ,
Verdammt, noch manches Mal zuriick IU sehn ;
Nur e i n Bewusstsein kann mir Trost ertheilen :
Was anch gescheli\', das Schlimmst\' ist mir geschehn
Was ist deun diesel Schlimmste? Lass die scharl\'en ,
Die scharfen Stachelfrageu lassc fort!
O liichle nur, — doch such nicht in eutlarvcu
Ein Milnnerherz, zu schauu die Hiille dort.
Gut\' Nacht!
(Childc llnrold. Krater Gcsang.)
Leb wohl! leb wohl! im blauen Meer
Vcrbleicht die Heimat dort.
Der Nachtwind seul\'zt, wir ruderu schwer,
Scheu (liegt die Möwe fort.
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Wir segeln jener Sonne zu,
Die untertaucht mit Pracht ;
Leb wohl, du schone Sonn\' und du,
Meiu Vaterlaud, — gut\' Nacht!
Aufs Neu\' steigt bald die Sonn\' heran,
Gebarend Tageslicht;
Nur Luft und Meer begrüss\' icli dann,
Doch meine Heimat nicht.
Meiu gutes Schloss liegt wüst uud leer,
Mein Herd steht ode dort,
Das Unkraut rankt dort wild omber,
Meiu Hund heult an der Pfort\'.
Komm her, komm her, mein Page klein,
Was weinst du, armee Kind?
Fiirchtst du der Wogen wildes Driiun,
Macht zittern dich der Wind?
Wiseh uur vom Aug\' die Thriine heil,
Das Schiff ist fest get\'ügt,
Kaum Hiegt der beste Palk so schnell,
Wie unser Schiftlein lliegt.
"Lass brausen Fluth, lass heulen Wind,
Mich schreckt nicht Wind, uicht Flnth;
Sir Childe, viel audre Ding\' es sind,
Wesshalb ich sehlimmgemuth.
Deun ich verliess den Vatcr mein,
Und auch die Mutter trant;
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Mir blieb kein Freund, als du allein,
Und der dort oben schaut.
"Lang segnete nieiu Vater mich,
Doch klagte er nicht schr.
Doch Matter weint wohl bitterlich,
Bis dass ich wiederkehr\'." —
Still, still, meiii Jiub, dich zieret hold
lm Auge solche Thriin\',
Hatt\' ich dein schuldlos Hens, man sollt\'
Auch meins nicht broeken schn.
Komm her, koimn her, mein Schlossdienstmanu,
Was liat dich bleich gemachtP
Fürchtet du, Frauzmann kam\' lieran,
Durchfróstelt dich die Nacht?
«Glaubst du, ich zittre für den LeibP
Sir Childc, bin nicht so bang!
Docli denkt er an sein ternes Weib,
Wird bleich des Trcucu Wang\'\'
•Am Secraud, wo dein Stammschloss ragt,
Da wohnt mir Weib und Kind;
Wcnn nun der Uub\' nach Vater t\'ragt,
Was sagt sie ihin geschuind?"
Still, still, mein wackrer Schlossdienstmanu,
Man ehre deinen Schmerz;
Doch ich bin leichtrer Art, uud kanu
Bntfliehn, als sei\'s ein Scherz.
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Ich traue Weibesscufzcru nicht!
Ein frischer Buhlertross
Wird trockncn jcncs Auge licht,
Das jüngst uoch überfloss.
Mich quiilet kein\' Eriiineniiig süss,
Kein Storm, der uühcr rollt;
Mich (|iiiilt uur, dass ich Nichts vcrliess ,
Wesshalb ich weincn sollt\'.
Und nun snhwimm\' ich auf weitem Meer,
Bin einsam in der Welt: —
Suilt\' ich urn Andre weineu sehr,
Da mir kein Thriinlein fiiüt?
Mein llund heult nor, bis nenc Speis\'
Ein neuer Herr ihm reicht;
Kehr\' ich zurück und nah\' ihm leis —
Zerfleischt er mich viellcicht.
Mit dir, mein Schift", durchsegl\'ich frei
Das wilde Meergebraus;
Trag mich, nach welchem Land es sei,
Nar trag mich nicht nach Haus !
Sei mir willkommen, Meer und Luft!
Und ist die Fahrt vollbracht,
Sei mir willkommen, Wald und Kluft!
Mein Vaterland, — gut\' Nacht!
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