-ocr page 1-
V
DOÖv
w\\v») \\o(pj-
=2
fSsK
ZÜR
ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
VON
C. K. H O F F M A. N N.
(Fortsetzung der 1881 [AfaltturA;. Verh. der Koninkl. Akademie van
Wetens, te Amsterdam] veröffentlichten Abhandlung.)
VeröfltDiliebt durch die Kunigliche Akademie vod Wissenschaften zu Amslerdam.
MIT VIER TAFELN.
BIBLIOTHEEK DER
RIJKSUNIVERSITEIT
UTRECHT
r&l MO
AMSTERDAM,
J O HANNES MULLER.
1882.
^m
^JDOOS 9
-ocr page 2-
\'
-
,
.
\'
•/ !
.
.
\'.
.
\'
*
----1
-ocr page 3-
\\
4%V-
ZÜR
ONTOGENIE DER KNOCHEMSCHE>
VON
C. K. H O F F M A. N N.
(Fortsetzung der 1881 [Natuurk. Verh. der Koninkl. Akademie van
Wetens, te Amsterdam] veröffenilichten Abhandlung.)
Veröffenliiebl durch die Künigliclie Akademie von Wissenschaften zu Amsterdam.
MIT VIER TAFELN.
>Mla
AMSTERDAM,
JOHANKES MULLE It.
1882.
BIBLIOTHEEK DER
RUKSUNIVERSITEIT
UTRECHT
A06000005722552B
2552
-ocr page 4-
-ocr page 5-
ZTJR
ONTOGENIE DER KNOCHENFI8CHE.
von
C. E. HOFFMANN.
(Fortsetzung der 1881 (Natuurk. Verh. der Koninkl. Akademie der Wetens,
te Amsterdam) veröffentlichten Abhandlung.)
(FORT8ETZ. VON VII. DlE LeISTUNOEN DER KEIMBLATTER\\
Die jetzt folgenden Untersuchungen sind tast alle Entwickelungsstadien der
Bachforelle entnommen, namentlich gilt dies von allen Querschnittserien.
Für das Studium der Entwickelungsgeschichte der Knochenfische sind in sehr
vielen Beziehungen am meisten die Eier der Bachforelle und des Salmens zu
empfehlen, denn erstens haben wir es hier mit sehr grossen Eiern zu thun,
so dass sich Schnittserien von Embryonen bequemer anfertigen lassen, und zwei-
tens, und das ist nicht der geringste Vortheil, schreitet die Entwickelung hier
sehr langsam fort. Doch sind Untersuchungen über die Entwickelungsvor-
giinge bei den Knochenfischen, verglichen mit denen bei den Knorpelfischen
mit grossen Schwierigkeiten verknüpft wegen der ausserordentlichen Kleinheit
der zelligen Elemente und wegen der geringen Unterschiede, welche zwischen
den Zeilen der verschiedenen Keimbliitter bestehen, so dass man immer mit sehr
starken Vergrösserungen arbeiten muss.
Wir haben aber bei den Knochenfischen mit noch einem Nachtheil zu kiim-
pfen und zwar mit dem, dass es ausserst schwierig ist, Ei und Embryo so
Al
NATCÜRK. VEBH. DER KON IN KI.. AKADK.MIi:. DEEL XXIII.
-ocr page 6-
C.K. HOKFilAXX. Zur Ontogetüe der Khochenfische
Taf 1.
i»p\\b . |j
C K-HoNhiaim fel.
PWM Trap inxpr
• A.J W«ndel ïvilps.
VKRH.KON AKAl). DL. XXIU.
-ocr page 7-
2
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
zu hftrten, dass beide einen mögliehst gleichen Hilrtungsgrad besitzen; gewöhn-
lich ist die Hartwig des grossen Parablast viel starker als die des Embryo, und
dus eben macht es so schwierig feine Querschnitte zu bekommen. Dazu kommt
noch, dass der Embryo in den früheren Entwiekclungsstadien in einem Halb-
kreis urn den Parablast herumliegt, so dass es fast nicht möglich ist von einem
und demselben Embryo eine vollstiindigc Schnittserie zu maehen und dies gilt
in einem noch viel höheron Grade von verticalen Sehnittscrien.
Obgleich ich mir einige Tausende frisch befruchteter Salm- und Forellen-
eier hatte kommen lassen, ergab es sich doch aufs neue, wie ungemein schwie-
rig die Vcrsendung frisch befruchteter Knochenfischeier ist.
Die Salmeier waren alle todt als sie ankamen, von den Forelleneiern war
noch eine kleine Zahl ara Leben, diese aber gingen alle wahrend der ersten
vierzehn Tage zu Qrunde, so dass meine Untcrsuchungen über verschiedene
Punkte wahrend der früheren Entwickelungsphasen sehr lückenhaft geblie-
ben sind ; ich hoffc indess diese Lücken bei gunstiger Gclegenheit spiiter auszu-
f iillen.
Die jetzigen Untcrsuchungen handeln zu allererst von den Leistungen der
Keimblfttter. In der vorigen Mittheilung habe ich schon nachgewiesen, dass
die Chorda in ihrem vorderen Theil ein Product des Entoderms ist und dass
ihre Entwickelung in der Richtung von hinten nach vorne zu fortschrcitet.
Erneuerte Untersuchungen habcn das in dieser Hinsieht schon früher mitgetheilte
vollkommen bestiitigt. Aehnliches wurdc zum Theil auch schon von OeLLACHEE *
beobachtet, wie aus folgendem Satze hervorgeht: „Sp&ter scliiebt sich die
Chorda vor und erreicht auch die Rcgion, welche als die der künftigen Kicmen-
höhle bezeiehnet werden muss." Gleichzeitig aber mit dicsem Wachsthum der
Chorda nach vorne zu findet auch ein solchos nach hinten statt. Ist es
schon ziemlich schwierig die Entwickelung der Chorda in ihrem vorderen Theil
zu studiren, so gilt dies noch mehr für den Imiteren Theil, denn wahrend im
vorderen Theil des Embryo die Keimbliitter sich unschwer nachweisen las-
sen, verwachsen dioselben dagegen am hinteren Theil vollstandig mit einander
und legen sich cille Organe und Gewebe hier unmittelbar an, ohnc dass es vor-
* J. Oellacuek, Zur Entwickelungsgeschichtc der Knockenfische nach Beobachtungcn am Bach-
forellenti; in: Zeitschrift für wm. Zoölogie. Bd. XXIII. 1873.
-ocr page 8-
C.K.HOKFMANN, Zur Onto^enie der Knochenfische
Taf. IF.
fe i
i.
—-—
____
2
drm
Mi
y ..
\\._-~-------r~-                               
iii pa
______•••. ^_ ~
!°) \', OCR?
•" :.«i.
ó
;*$&&
***
«•nt p*r
h. ónd
1 *^>«nt
A J Hendel iculpa
VKRH KOI AKAU.nU.X2UU.
-ocr page 9-
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                                        3
her zu einer Bildung von Keimblattern kornuit, wie ich dies ebenfalls für den
hinteren Theil des Embryo des Huhnes angegeben habe *.
Von grosser Bedeutung wird es jetzt sein, die Stelle genau zu bestimmen,
von weielier aus die Entwickelung der Chorda aus dein Entoderm nach vorne
zu fortselireitet. Bei den Knorpclfischen ist es der Blastoporus, der «patere Ca-
nalis neurenterieus, welcher diesen Ort bezeichnet, wie ieh dies schon frtther
initgetheilt habe f. Dasselbe gilt naeh KowalevsKY § und KüPFFER ** für
die Tunicaten und auch bei Amphioxm schreitet die Chorda-Entwickelung von
hinten naeh vorne zu fort, wie auch aus den trefflichen Untersuehungen von
Hatschek ff hervorgeht. Er sagt von derselben: „Man sieht diss sich dors il
vom Darme in der Gegend der Urseginonte ein Strang abgrenzt, der anlangs
nicht bis in das Vorderende des Körpers, sondern uur bis au das Vorderend»\'
des ersten Ursegmentes reicht und erst alliniihlich naeh vorn hin auswachst."
Wie in dieser Hinsicht die Amphibicn, die Reptilien und die Ganoiden sich
verhalten, wissen wir bis jetzt noch nicht. Ergiebt es sich, dass hier dasselbe
stattfindet, wie wir wohl erwarten dürfou, so geht daraus gleichzeitig hervor,
dass bei den Knochenfischen diejonige Stelle, an welcher die Chorda aus dein
Entoderm sich anzulegen anfangt, auch gleichzeitig der entspricht, wo der
Canalis neurenterieus zu suchen sein wird, falls er vorhanden ist; und falls er
bei den Knochenfischen fehlt, dass dann doch diese Stelle der gleichnamigen
bei Amphioxus, den Selachii, etc. entsprechen dürfte.
Denn es fragt sich wirklich sehr, ob es möglich ist, dass bei den Knochen-
fischen cin Canalis neurenterieus vorkommt, besonders wenn man bedenkt, dasa
wie wir gleich sehen werden und dies auch schon langst bekannt ist, bei dieser
Abtheilung der Wirbelthiere das Nervensystem sich solide anlegt, das Entoderm
anfangs dem Parablast unmittelbar auf liegt, und der Darm sich hier erst ziemlich
spat zu bilden anfangt. Der einzige, welcher bisjetzt über den Canalis neurenterieus
bei den Knochenfischen etwas mitgetheilt bat, ist Kowalevsky §§. Diese
* C. K. Hofkmann, Zur Entwickelungsgeschichte der Chorda dorsalis; in: TetUchrift zu Hexle\'s
50 jahrigem Doctor•julilaenm.
f C. K. Hoffmann, Contribution a 1\'histoire du développement des Plagiostomes; iu: Archkts
Néerland.
ï. XV, p. 97. 1881.
$ Kowalevsky, Weitere Studiën über die Entwickeluug der eiufachen Ascidieu; in: Arch\'n j\'ür
mikr. Anatomie.
B. VII, p. 101. 1871.
♦* C. Kupffek, Die Stamraverwandtschaft zwischen Ascidien und AVirbelthieren, in: Archk für
mikrosk. Anatomie.
Bd, VI. p. 115. 1870.
ff B. Hatschek, Studiën über Entwickeluug des Amphioxus. 1881.
§§ Kowalevsky, 1. c.
-ocr page 10-
C.K.HOFFMAXN, Ziir Ontü$c*ni« der KhochenQsche.
I\'M\'. III.
\'* IL Hoffmann «1*1
F\' V.\' II. Trap itn(n
A I Wrndel »«ulp3
VEKH.KOX AKAI). Dl. XXIII.
-ocr page 11-
4
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFI8CHE.
Mittheilung ist aber sehr knapp, denn er sagt nur „Das Lumen des sich sehr
spat schliesscnden Darmcanals geht in das Lumen des Nervenrohrs über." Bis
jetzt habe ich bei den Knochenfischen noch keinen Canalis neurentericus finden
können, doch sind meine Untersuchungen in dieser Beziehung noch zu lücken-
haft, um ein bestimmtes Urtheil darüber abgeben zu dürfen.
Bevor ich zur Beschreibung der weiteren Leistungen der Keimblatter
übergehe, muss ich erst noch eine meiner früheren Angaben in einer Beziehung
corrigiren; es betriüt dies niiinlich die Angabe, dass der Forellen-Embryo nach
beendeter Umwachsung 18U° umschliesst. Wahrend ich für die anderen un-
tersuchten Knochcnfischembryonen dieses Maass aufrecht erhalten muss, ist
es für den Forollcnembryo zu gross. Dass der Embryo der Forelle nach
beendigter Umwachsung nicht 180° umschliesst, sondern nur 145°—15f)o, geht,
wie ich glaube, aus folgenden zwei Grimden hervor. Zuerst kommt kurz
vor dem Schluss mehrmals eine Abweichung vom Parallelismus vor. Ich habe
zahlreiche Embryoncn darauf\' untersucht und gefunden, dass bei
einigen am Schlicssungsakte der Rand keinen Kreis, sondern eine
langausgedehnte Ellipse bildet (vergl. Holzschnitt Fig. 1), bei an-
deren dagegen, und zwar bei der Mehrzahl bleibt der Rand, auch
am Ende der Schliessung, immer noch kreisförmig (vergl. Holz-
schnitt Fig. 2).
Der zweite hier anzuführende Grund, der mir von grösserer
Bedeutung scheint, indem er constant vorhanden, ist folgender:
Wie wir schon früher gesehen haben, befindet sich bei allen Kno-
lp\' \' chenfischen bei der Ausbreitung des Archiblast, unterhalb des
Mittelfeldes, eine Furchungshöhle und flacht sich beim Embryo
der Forelle der Archiblast bei ihrer beginnenden Ausbreitung nicht
gleichmassig ab, sondern ist auf der einen Seite von vorneherein
dicker, und mit dieser Verdickung ist gleichzeitig die Embryonal-
anlage gegeben. Diese bildet das spütere Kopfende, welches hier
natürlich nicht im Keimpol, sondern um einige Grade unterhalb dcsselbcn steht.
Bei der weiteren Bildung des Embryo geht die Umwachsung in allseitig gleich-
m&ssiger Weise fort, und wird der Rand sich selbst parallel vorgeschoben.
Am Schlussc der Umwachsung kann der Embryo der Forelle also nicht volle
]80<> erreichen, denn sein Kopfende steht nicht im, sondern einige Grade
unterhalb des Keimpoles, und ausserdem kann zuweilen am Ende des Schlies-
sungsaktes am Schliessungsrande eine kleine Abweichung vom Parallelismus
-ocr page 12-
CK.HOFFMANN. Zup ülUn<
«ie der Knoehenfürhe
Taf. IV
(MCllrffm.nn M
VKRIl. BOM. AEAD. DL. XXBL
~-~m
* J Hfnd.1 «rulp.
-ocr page 13-
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                                 5
stattfinden. Bei den übrigen Knochenfischen, die ieh Gelegenheit hatte zu un-
tersuchen, flacht sich dagegen der Arehiblast anfangs gleichmiissig ab und tritt
erst nachher, — wenn aueh bei den verschiedenen Knochenfischen in verschie-
denen Stadiën der Umwachsung — die Embryonalanlage auf. Erst findet also
Bewegung der Zellenmasse vom Keimpol aus allseitig in der Richtung der
Meridiane statt, in der zweiten Phase folgt dann Beweguug der Zeilen im
Randwulste von einer Halftc desselben zur andoren hin in aequatorialer (dem
Aequator paralleler) Richtung. Der Hauptmoment, durch welchen beim Forel-
lenembryo das Kopfende der Embryonalanlage resp. des Embryo nicht im
Keimpol stehen kann, fallt hier also fort, und dies erkltirt meiner Meinung
nach auch den Grund, weshalb bei der Forelle am Sehhissc der Umwachsung
der Embryo nicht vollstandig 180°, sondern nur 145°—150°, bei den übrigen
erwiihnten Knochenfischen dagegen wohl 180° misst.
Die zweite Leistung des unteren Keimblattes ist die Bildung des Dar mes.
Für den Augenblick werde ich mich nur auf die allgemeinc Bildung des Darm-
rohrs beschranken, die mehr detaillirten Vorgjingo gedenke ich spater zu be-
schreiben. Das Entoderm besteht, wie wir wissen, aus einer einzigen Schicht
spindelförmiger Zeilen, die anfangs und auch noch in spateren Entwickelungs-
stadicn lateralwiirts nicht so weit als das Mesoderm reicht, so dass jederseits
das Mesoderm für eine kleine Strecke nicht dem Entoderm, sondern unmittelbar
dem Parablast aufliegt (Taf. III, Fig. 1). Es ist vielleicht am bequemsten bei
der Bildung des Darmes drei Partien zu unterscheiden, namlich den Kopfdarm,
den Rumpfdarm und den Schwanzdarm, die aber, wie leicht begreiflich ist, un-
merkbar in einander übergehen. So ausgezoichnet auch die spiitere TJnterschei-
dung des Darmtractus in Vorder-, Mittel- und Enddarm ist, so lasst sich diese
doch beim jungen Embryo nicht anwenden. Der Kopfdarm stellt einen platten,
breiten Sack dar, welcher sehr bald an mehreren Stellen nach ausson durch-
bricht, wodurch die Kiemenspalten gebildet werden. Ich komme darauf spilter
noch ausführlicher zurück und will hier blos hervorheben, dass, wenn der
Kopfdarm bei der Kiemenspaltenbildung nach aussen durchbricht, dieser Durch-
bruch einzig der Grundschicht gilt, wahrend sich die Deckschicht noch con-
tinuirlich über die Kiemenspalten hin fortsetzt.
Die Bildung des Darmrohrs fiingt im vorderen Theil des Embryo an und
schreitet so allmahlich nach hinten zu fort. Die orsten Veriinderungen, welche
man an dem Entoderm beobachtet, und welche auf die alsbald eintretendo Bil*
^ung des Darmrohrs hinweisen, bestehen hierin, dass die das untere Keimblatt
-ocr page 14-
6
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
•nnf ballonden Zeilen auf eine bedentende Streckc jederseits der longitudinalen
Axe, anstatt ihre frühere spindelfiïrmige Gestalt beizubehalten, cylinderförmig
werden, wie ich dies sehon früher angogeben und auch abgebildet habe (vergl.
Taf\'. YIT, Fig. 7). Dabei scheinen die Zeilen aber immer in einer einzigen
Schieht angeordnet zu bleiben. Verfolgt man an guten Querschnitten diese bi-
lateral anftretende Umbildung der spindelfönnigen L\'ntodermzellen ineylindiische
nach hinten, dann ergiebt «ich, dass dieselbe sich viel wcitcr nach hinten fort-
setzt als der Kopfdarm reicht (Taf. II, Fig. 5); in spiitern Entwiekelungsstadien
kehren die so in Cylinderform umgebildeten Entodermzelleu dann wieder zu
ihrer früheren Gestalt zurück. Diese Ersclioinung doutet walirschcinlich wohl
darauf hin, dass ursprün<;lich der Kopfdarm viel weiter nach hinten reichte,
als jetzt der Fall ist, und dadurch konnte auch gleichzeitig die Zalil der Kie-
menspalten eine viel grössere sein, als jetzt möglich ist. Ontogenetisch kehrt
also die Neigung eir.en früheren Zustand zu wiederholen — hier nlso den Be-
sitz eines sehr weit nach hinten reichenden Kopfdarms — nur noch in der
Umbildung der spindelfönnigen Entodermzcllen jederseits der Axe in cylindii-
sche zurück, urn sich aber bald wieder zu verlieren.
Nachdem also die Zeilen des Entoderms im vorderen Thcil des Embryo
die erwahnto Form angenommen haben, fangen sie bald darauf an jederseits
eine Falte zu bilden (Taf. I, Fig. 1 u. 2). Die einander zugekchrten Kander
dieser Falten wachsen einander entgegen, dabei bussen die Zeilen, je mehr sie
der Medianlinie sich nahern, urn so mehr ihre angenommenecylindrischeCestalt
ein, urn endlich wieder vollstandig spindelförmig zu werden. Schliesslich er-
reichen die Rander der Falten einander in der Medianlinie (Taf. I, Fig. 4),
verwachsen mit einander und schnüren so den Kopfdarm ab. Die immer nur
aus einer Zellschicht bestehenden Wande des Kopfdarms liegen einander fast
unmittclbar an, so dass ein Darmlumen anfangs nicht existirt.
Der sehon breite Koj)fdarm wird min durch fortwiihrendes Wachsthum immer
breiter, es bilden sich mehrere seitliche Ausbuchtungen, derer Wande schliess-
lich unmittclbar der Grundschicht anliegen, mit dieser sich verbinden, dann nach
aussen durchbrechcn und so die sehon erwiihnten Kiemenspalten bilden, über
welehc hin sich die Deekschicht fortsetzt (Taf. I, Fig. 7, Taf. II, Fig. 1). Die
Kiemenspaltbildung schreitet von vorne nach hinten fort; über die Zahl der
Kiemenspalten werde ich spatcr berichten. Ganz cigenthümlich verhult sich
der Kopfdarm in der Gegend der Ohrblase. Die Faltenbildung, durch welche
er sich anlegt, erscheint hier zuerst. Wiihrend aber an dem übrigen
Theil des Kopfdarms das durch Abfaltung entstandene Stück, seine ventrale
Xage beibehalt, bemerkt man dagegen, dass hier der Kopfdarm jederseits eine
-ocr page 15-
7
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
Ausstülpung nach oben schickt and zwar so, daas diesel be der Ohrblasc fast
unmittelbar anliegt (Taf. I, Fig. 3). Diesc Anastfllpungen rücken in einem spiite-
ren Entwicklungsstadium, wenn hinter Uwen die Kiemenspaltbildong bereits ange-
fangen hat, vor die Ohrblase, immer mehr nacb der Rückenflache steigend. Hier
w&chst ihnenjederseits eine Einstülpung der Grundschicht entgegen (Taf. I, Fig. 8),
mit welcher sic endlich sieh verlüthen, um dann nach aussen durchzubrechen.
(Taf. I, Fig. (> and 7 und Holzschnitt Fig. 3).
Fir 3.
Diese an der Rückenflache liegende Dureh-
bruchstelle des Kopfdarm.es, über welche liin
sieh die Deckschicht ebenfalls fortsetzt, ist wohl
ohne Zweifel ein embryonales Spritzloch. Dass
man es hier wirklich mit einem Spritzloch zu
thun hat, geht, wie mir scheint, wohl am
bestimmtesten aus seiner Lage in Beziehung zu
den Nerven hervor, denn es ergiebt sieh, dass
dasselbe zwischen den Anlagen des Nervus trige-
minus und facialis und zwar unmittelbar vor dera
letztgenannten Nerven liegt. Das embryonale
Spritzloch hat abcr nur eine sehr vorüberge-
hende Existcnz, denn sehr bald versehwindet es
wieder, was mit der Vergrüsserung der Ohrblase
nach vorn zusammenrallt.
Der Kopfdarm setzt sieh nach hinten zu all-
miihlich in den Rumpfdarm fort. Deraelbe bil-
det sieh auf ganz ahnliehe Weise wie der Kopf-
darm, nur mit dem Unterschiede, dass die bei-
Embryo der Bachforelle. Verg. — •
ff.o. üeruchsorgan.
a.b. Augeublase.
/. Linseuciiutülpuug.
ohrb. Ohrblüschen.
emb. \\jt. Embryonales Spritzlocli.
den Falten, durch welche sieh der Rumpfdarm
anlegt, der Mittellinie jederseits viel niiher lie
gen, als bei dem Kopfdarm der Fall ist; dadureh
ist denn auch der Rumpfdarm viel weniger breit
als der Kopfdarm. Was voni letztgenannten
gesagt ist, gilt auch vorn Rumpfdarm, dass
namlich anfangs ein Lumen nicht vorhanden ist, indem die Wande einander
unmittelbar anliegen (vergl. Taf. II, Fig. 2).
Verfolgt man nun die Bildung des Rumpfdarms allmlihlich nach hinten, so
ergiebt sieh, dass die Falten, welche die Bildung des Darmrohrs einleiten, fort-
wahrend einander niiher rücken, und dadureh wird auch der Darm immer
schmaler. Gleichzeitig bemerkt man dann, dass die spindelförmigen Entoderm-
-ocr page 16-
8
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
zeilen anfangs ihre eigene Gestalt beibehalten und erst spiiter, wenn sich der
Darm schon langst abgefaltet hat, gleichzeitig mit der Bildung eines Darmlu-
mens auch ihre Umbildung in cylinderförmige Zeilen anfangt. Der Schwanz-
darm verhalt sich vollstandig sowie der hintere Theil des Rumpfdarms, und der
einzige Unterschied mit dem Rumpfdarm ist wohl der, dass ein Darmlumen
hier zuerst auftritt. Ich muss hier aber hinzufügen, dass diese Bildung des
Schwanzdarmes nur so lange dauert, als der Schwanz noch nicht abgefaltet ist;
ist einmal dies Stadium erreicht, dann tritt auch ein anderer Entwickelungs-
modus für der Schwanzdarm ein, wie ich dies am Ende dieses Capitels, gleich-
zeitig mit dem Wachsthum den anderer Organe am hinteren Körperende aus-
führlicher angeben werde.
Sehr frühzeitig legt sich auch schon die Leber an. Die erste Bildung der-
selben zeigt Taf. II, Fig. 3. Man sieht hier namlich, wie der Rumpfdarm in
seinem vorderen Theil (die spatere vordere Partie des Mitteldarms) nach rechts
einen blinddarmförmigen Fortsatz abschickt, der in den Parablast vordringend,
das Entoderm desselben an dieser Stelle natürlich vor sich austreiben muss. Dabei
bemerkt man dann, wie die Kntodermzellen des Parablast hier wieder ihre spin-
delförmige Gestalt einbüssen und zu hohen Cylinderzellen umgebildet werden.
Mit der Bildung dieses blinddarmförmigen Fortsatzes rückt dann der Körperdarm
selbst etwas aus seiner ursprünglichen Lage, denn anfanglich gerade unter der
Chorda gelegen, trifft man ihn in diesem Stadium rechts neben der Chorda an.
Diese anfanglich nur schwach entwickelte blinddarmförmige Ausstülpung wtichst
nun auf der rechten Seite, und nur auf dieser zu einem breiten platten Sack
an, dem ebenso wie dem Darme selbst ein Lumen fast vollstandig fehlt (vergl. Taf.
II, Fig. 4), und der erst spater, wenn die Kildung der sogenannten Lebercy-
linder cintritt, sich abzuschnürcn anfangt. Wie das Darmrohr, so besteht auch
die Leberausstülpung nur aus einer einzigen Schicht cylindiïscher Zeilen.
Die dritte Leistung des unteren Keimblattes ist die Bildung des Endo
thelium des Herzens; diesen Vorgang werde ich am Ende dieses Capitels gemein-
schaftlich mit der Anlage des Herzens selbst beschreiben.
Die früheren Autoren, wie von Bakk, Vogï, Leueüüullkt, Kupffer u. A.
haben die Bildung des Darmrohrs nicht an Qucrschnitten studirt, es ist also
leicht begreiflich, dass sie in diesen Process keine klare Einsicht gewonnen
haben.
Der erste, weieher die Anlage des Darmes mittelst dieser Methode genauer
-ocr page 17-
9
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
untersucht hat, ist. Obllacher *. Ich kann mioh aber mit den Resultaten
seiner Untersucliungen nicht vereinigen. Das Darmdrüsenblatt ist nach Oel-
lachek zwei bis dreischichtig. Diese Mehrsehichtigkeit des unteren Keimblat*
tes, sagt er, ist eine der vielen Ausnahmen vom allgemeinen Entwiekelungstypus
der Wirbelthiere, welche die Entwickelungsgeschichte der Knochenfisehe. d. h.
wenigstens der Forelle auszeiclinen. An guten Querschnitten überzeugt man sich
aber, dass das Entoderm auch bei den Knochenfischcn immer nur einscbichtig ist.
Das Darmdrüsenblatt soll sicli weiter nach Oellacheii zuerst als solide
Wucherung in das mittlere Keimblatt einsenken, um dieses endlieh zu durch-
brecheu und bis an die Epidermis vorzudringen. Diese Wucherung wird nach
ihm spater hohl und stellt die Kiemenhöhle dar. In der Schwanz redend ist das
Entoderm, wie er sagt, im Ganzen nur einschichtig, nur in der Mitte ist es
zweischichtig und umschliessen seine beiden Schichten wie eine sehmalc halb-
mondförmige Spalte. Diese Spalte welche durch eine Umstülpung des mittloren
Theiles des hinteren Ende des Darmdrüsenblattes nach unten und vorn und
durch ein geringes Auseinandcrweichen beider Lamellen bedingt scheint, stellt
nichts andere als den Enddann dar.
Ueber die Bildung des Koptdarmes und der Kiemenspalten giebt Oellachek
folgendes an. Die erste Anlage der Kiemenhöhle zeigt sich nach ihm als eine
nach oben sich bildende Vorragung des Darmdrüsenblattes, die aber im An-
i\'ange, wie die Ohren- und Augenblase, ein solides Gebilde ist. das eine Höhle
erst sehr lange Zeit nach dem Auftreten der Kiemenspalten bekommt. Diese nach
oben sich bildende Vorragung ist nun die erste Anlage des embryonalen Spritz*
loches, ihre Bedeutung hat aber Oellachek nicht gekannt. Er sagt weiter,
dass die Kiemenhöhle durch eine solide faltenartige Ausstülpung des Darmdrü-
senblattos repraesentirt wird und dass die erste Kiemenspalte in der vorderen
Ohrgegend entsteht. Ueber dio Bildung der Kiemenspalten sagt er folgendes:
„Durch das Auseinauderklaffen der oberen Enden der beiden Zellreihen des Kie-
menhöhlenfortsatzes des Darmdrüsenblattes unter dem Horublatte ist die erste
Anlage einer Kiemenspalte eiugeleitet, dieselbe ist somit noch eine sehr enge
seichte Spalte, welche von einer Einsenkung der Epidermis bekleidet wird und
also durchaus nicht das den Embryo umgebende Medium in directen Contact
mit dem Darmdrüsenblatte treten lasst. Eine Kiemenhöhle existirt überhaupt
noch nicht, vielmehr bleiben die spatern Wande derselben noch lange in gegen-
3eitiger Berührung und weichen nur nach und nach immer weiter aus einander,
* Oellachek, Beitriige zur Entwickelungsgeschichte der Knochenfisehe nach Beobachtungen nm
Bachforellenei; in: ZeiUchrift für tem. Zoölogie. Bd. XXIII. 1873.
A2
JUTUUKK. VBHU. DEH KONINKL. AKAÜEMIB. UJS1SI. XXIII.
-ocr page 18-
10
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
indem die Spalte von aussen nach innen weiter vordringt. Hierbei wachst die
Epidermis immer weiter in die Spalte hinein, so dass also in derselben i!orn-
blatt nnd Darmdrüsenblatt mit ibren Fliichen in ausgedehnte Berührung kom-
men." Wir baben aber gesehen, dass die Kiemenspaltbildung auf einer ganz
anderen Art vor sich geht und dass die Deckschicht sich an derselben gar nicht
betheiligt, sondern einfach über die Kiemenspalten sich hin fortsetzt. So weit
mir bekannt, ist Oellacher der einzige gewescn, welcher die Bildung des Darm-
rohrs bei den Knochenfischen an Querschnitten studirt hat.
Ueber die Anlage der Leber finde ich nur etwas bei Balfour und auch bei
Oellacher angegeben. Balfour * sagt darüber „The liver, in the earliest
stage in which I have met it in the Trout, is a solid ventral diverticulum of
the intestine, which in the region of the liver is itself without a lumen."
Oellaciier\'s f Mittheilung ist mir nur aus dem zool. Jahresb. 1879. (p. 1009)
bekannt, wo über die Anlage der Leber folgendes gesagt wird: .Die Leber wird
als solide Wucherung der Zeilen des Mitteldarms gebildet, sie liegt rechts neben
dem Darmc auf den Dotter."
Vergleichon wir jetzt die Bildung des Darmes bei den Knochenfischen mit
der bei den Knorpelfischen, so findet man, dass der Process bei beiden vollkomen
auf derselben Weise verlauft. Eben als bei den letzteren fand ich dass bei
den Knocbenfischen, die freien Kerne des Parablast an der Bildung des Darmes
sich nicht betheiligen. Bei beiden findet man, dass dieselben überall dort sehr
stark angehiiuft sind, wo rege Zellbildung stattfindet. Wabrend aber bei den
Knorpelfischen der mittlere Theil des Darmrohrs sich erst sehr spat schliesst,
indem dasselbe hier, wie Balfour sagt „remain till late in embryonic live as
the umbilical or vitelline canal, connecting the yolk-sack with the alimentary
cavity," bildet dagegen bei den Knochenfischen der Darm vom Anfang seiner
Bildung an, ein überall geschlossenes Ilohr, das mit dem Nahrungsdotter an kei-
ner Stelle in offener Verbindung steht. Aehnlich lauten auch in dieser Bezie-
hung die kurzen Angaben von Balfour, denn er sagt: „So far as I have been
to make out, all communication between the yolk-sack and the alimentary tract
is completely obliterated very early."
Es ergiebt sich also aus dem Mitgetheilten, dass die Knochenfische sich in
der Bildung ihres Darmes vollkommen den Knorpelfischen anschliessen, bei bei-
den wird das Darmrohr, durch Bildung zweier laterale Falten angelegt, die nach
* Balfour, A Treatise on Comperntive. Embryologie. 1880.
f J. Oellacher, BeitrSge zur Entwickelungsgesohiohte der Backforelle; in: Bericht naturw. med.
Vtrein in Innsbruck,
p. 141. 1879.
-ocr page 19-
11
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
einander wachsond, schliesslich den Darm abschnüren, wie dies auf ahnlicher
Weise bei den Vögeln und Reptilien (Sauriern, Schlangen) statt findet.
Auch die Bildung der Kiemenspalten findet bei den Knochenfischen in ganz
ahnlicher Weise als bei den Knorpelfischen statt, wie aus Balfour\'s * Anga-
ben von den letztgenannten hervorgeht, indem er sagt: „the outgrowth from
the throat raeets the passive external skin, coalesces with it, and then, by the
dissolution of the wall separating the lumen of the throat from the exterior, a
free cominunication from the throat outwards is effected. Thus it happens that
the walls lining the clefts are enterily formed of hypoblast."
Wir haben gesehen, dass die Knochenfische sich voll3tiindig so verhaken.
Schliesslich will ich noch erwahnen, dass die Anlage des embryonalen Spritz-
loches auch von Kupffer f gesehen und (vom Hecht) abgebildet ist (Taf. IV,
Fig. 43). Ihre wahre Bedeutung hat er aber verkannt, denn er bat dieselbe
als eine sehr frühe Entwickelungsstufe des Herzens beschrieben, ich werde
darauf spater bei der Anlage des Herzens noch ausführlicher zurückkommen.
Die Leistungen des oberen Keimblattes.
Die Anlage des Centralnervensystems; Grundschicht und Deckschicht.
Ueber die Anlage des Centralnervensystems verdanken wir Kupffer § die
ersten genaueren Untersuchungen, seine vortrefflichen Angaben sind spater durch
Götte ** noch ausführlicher und eingehender geschildert, sodass ich über
die Bildung des in Rede stehenden Organes sehr wenig neues mitzutheilen
habe. Die llesultate meiner Untersuchungen stimmen mit den des letztge-
nanuten Beobachters in den meisten Punkten überein, wenigstens gilt dies für
die Anlage des Nervensystems und die Bedeutung der Grund- und Deckschicht;
dagegen muss ich, was seine Angaben über die Sinnesplatten betrifft, von ihm
abweichen.
*  F. M. Balfour, A Moiiograph on the Dvivelopmeut of Elasm. Fishes.
f C. Kupffer, Die Entwickelung des Herings im Ei; in: Jahretb. der CommUsion zur xcmentch.
Untersuchung der DeuUchen Meere in Kiel fiir die Jahre
1874, 1875, 1876. Bel. IV, V, VI.
*  0. Kupffer, Beobachtungen über die Entwickelung der Kuochenfische; in: Archiv f. mikrosk.
Anatomie.
B. IV, 1868.
f A. Götte, B^itriige zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. III. Ueber die Entwickelung
des Central-Nervensystems der Teleostier; in: Archiv für mikrosk. Anatoiaie. Bd. XV, p. 189. 1878.
*
-ocr page 20-
12
ZÜR ONTÜGENIE DER KNOCHENPISCHE.
Schon in ein ziemücli frülies Entwickelungsstadium, langt die obere Zellen-
schicht des Archiblast, wie wir dies schon früher gesehen haben, sich zu ein
eigenea Htiutchen, die „Deckschicht" wie Götte sie bezeichnet hat, zu differen-
tiren, and diese Deckschicht nimmt weder an der Bildung des Centralnerven-
h\'ystems, noch an der der Sinnesorgane einigen Antheil, wie der eben genannte
Forscher dies gleichfalls schon nachgewiesen hat. Ich kann dies vollstiindig be-
stiitigen und habe ebenfalls schon angegeben, dass auch bei dem Durchbruch
der Kiemenspalten, die Deckschicht daran sich nicht betheiligt.
Nachdem die einseitige Verdickung, das Embryonalschild: Kupffer, sich
gebildet hat, schreitet die Concentration innerhalb des Schildes weiter gegen der
Meridian fort, der die Axe des Schildes bildet. Indem nun die Zeilen des oberen
Keimblattes immer mehr in der Richtung der Axe auf einander rücken, und
die Zeilen des Mesoderms zur Seite driingen, ist die niichste Erscheinung, welche
den weiteren Fortschritt einleitet, das Auftreten eines kielartigen Vorsprungs
an der uuteren, dem Parablast zugewandte Fliiche des Embryonalschildes, wo-
durch an der Dotterkugel eine Furche eingedrückt wird. Dioser Kiel ist zuerst
von Kupffer * genau an dem Ei von Gasterosteus, Spinachia und Go-
b i u s beschrieben; er bcsteht aber nur aus den Zeilen des oberen Keimblattes.
So bald sich derselbe vollstandig ausgebildet hat, trifft man unter ihm nur das
einschichtige Entoderm an, und jederseits neben ihm liegt das Mesoderm als
einpaarigcs Blatt, wenigstens gilt dies ftir den vorderen und mittleron Theil der
Embryonalanlage, wahrend dagegen im hinteren Theil die Keimbliitter noch con-
tinuirlich zusammenhilngen. Noch bevor sich aber der Kiel vollstandig ausge-
bildet hat, sieht man auf ihrer Oberfliiche eine axiale Furche und an Durch-
schnittpraeparaten bemerkt man, dass die Deckschicht von jener darunter liegenden
Furche abgehoben erscheint, wie dies auch schon von Götte angegeben ist und
ich auf Taf. II, Fig. 8 ebenfalls abgebildet habe. Die Ausbildung dieser axialen
Furche ist leicht begreiflich, wenn man bedenkt, dass die Zeilen des Ektoderms
von beiden Seiten nach der Medianebene zu, gegen einander stauen und dadurch
die erste Anlage des Centralnervensystems der Teleostei, als eine breite, schild-
förmige Verdickung des oberen Keimblattes, Axenplatte: Götte, erscheinen muss,
der anfangs in der Medianebene eingedrückt ist und dadurch unvollstandig in
zwei Halften, Medullarplatten: Götte, gesondert wird; zwischen diesen beiden,
wenn auch wenig seitlichen Verdickungen verlauft dann die oben erwahnte Furche,
die aber sehr bald wieder, gleichzeitig mit dem Schwinden der beiden Medullar-
platten verstreicht, was mit der vollstandigen Ausbildung des Kieles zusammen-
KUPKFEE, 1. C.
-ocr page 21-
13
ZCJR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
fallt. Die nach beiden Seiten in der Medianebene stauenden Zellenmassen de»
Ektoderms machen es auch weiter sehr erkliirlich, wie es bei den Knochen-
fischen nicht zu der Bildung eincr Medullarrinne kommen kann, sondern wie
das Nervensystem hier anfangs erst vollstiindig solide erscheinen muss und erst
spiiter auf einer von der bei den anderen Wirbelthieren etwas abweichenden
Weise, sich ein Medullarcanal bilden muss.
Alle Zeilen des Ektoderms rücken so allmiihlig, unter Zurücklassung einer
einfachen Zellenlage, als Grundschicht der Oberhaut, in den Kiel zusammen.
Erst dann wenn die Chorda sich anzulegen anfilngt, beginnt der Ektodermkiel
mehr und mehr die Gestalt des spiiteren Nervensystems anzunehmen und be-
ginnt auch seine Abschnürung von der Oberhaut, unter glcichzeitiger Abrun-
dung seiner Oberfliiche und erst viel spiiter fangt die Bildung der senkrcchten
Spalte in seinem Innern an. Diese Spaltbildung soheint auf einer theilweise
stattfindenden Auflösung der sich in der Mittellinie befindlichen Zeilen zu be-
ruhen. was, wie ich glaube, aus folgenden Beobachtungen hervorgeht. Untersucht
man Querschnittserien von Embryonen aus verschiedenen i ntwickelungsstadien,
welche man vorher entweder mit Boraxearmin, oder mit Pikrocarmin oder mit
Alauncarmin gefarbt hat, so bemerkt man, dass in den frühercu Entwiekelungs-
stadien die Zellenkerne des Centralnorvensystetns überall gleiohmiissig gefarbt
werden, und dass auch das Protoplasma der Zeilen selbst mehr oder weniger
tingirt ist. In etwas spiltern Entwickelungsstadien sieht man dagegen, dass der
binnenste Theil des Centralnervensystems, dort, wo sich bald die senkrechte
Spalte zeigen wird, die Farbstof nicht aufgenommen hat und dadurch von den
umgebenden Partien sich unterscheidet. Bei Anwendung sehr starker Ver-
grösserungen bemerkt man hier eiue iiusserst feinkörnige, sehr schwer zu ver-
stehende und zu beschreibende Masse und in noch spiltern Entwickelungsstadien,
macht sich hier zuerst die in Rede stehende Spalt sichtbar, die überall von
rauhen, zackigen Randern begrenzt wird. Auch dann, wenn bei Anwendung
kleinerer Vergrösserungen die Spalt deutlich sichtbar ist, sind ihre Riinder noch
rauh und erst in viel spiiteren Entwickelungsstadien fangen dieselben an glatt
zu werden. Dies Alles weisst wie ich glaube wohl darauf hin, dass die Spaltbil*
dung durch Auflösung einiger in der Mittellinie gelegenen zelligen Elemente entsteht.
Dass man hier wirklich mit einer Auflösung einiger zelligen Elementen
zu thun hat, wodurch allmahlich die Spalte entsteht, geht, wie ich glaube noch
aus einem anderen Umstand hervor, nilmlich aus der Bildung den hinteren
Rückenmarkswurzeln. Wie wir gleich nilher sehen werden, fangen sich nilmlich.
die obersten Zeilen des Rückenmarks schon in einem frühen Entwickelungssta-
dium, zu einer Art kamm oder Leiste umzubilden, dem „neural orest" von
-ocr page 22-
14
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE
Marshall und Balfour bei den Elasmobranchii homolog, aus welchem spiiter
die hinteren Wurzeln der Spinalnerven auswachsen, und dieser Nervenkamm
ist schon viel früher sichtbar als die Spalte in dem centralen Nervensystem.
Alle diese Erscbeinungen sind schwer zu deuten, wenn man die Bildung der
senkrechten Spalte im Innern des centralen Nervensystems aus dem geloekerten
Zusammenhang der engvurbundenen, aber nach ihrer Entstehung doch aus ein-
anderzuhaltenden Seitenhalftcn des Kiels erklaren wil], wie dies von Götte
geschehen ist. "Wie wir nachher bei der Entwickelung der Sinnesorgane sehen
werden, liegen auch die Augenblasen sich anfangs solide an und das Hohlwerden
derselben halt gleichen Schritt mit dem des vorderen Theiles des Centralnerven-
system (dem Vorderhirn) aus welchem sich ihren Ursprüng nehmen. Der Pro-
cess verliiuft bei den Augenblasen vollstjindig in iihnlicher "Weise als in dem
Centralnervensystem und bei den erstgenannten lasst sich die Spaltenbildung
wohl schwerlich aus einem geloekerten Zusammenhang der eng verbundenden
Seitenhjilften erklaren.
Karl Ernst von Baer * verdanken wir die ersten ausführlicheren Mitthei-
lungen über die Entwickelung des Centralnervensystems bei den Knochenfischen.
Er beschreibt die Bildung einer Medullarfurche und deren Tieferwerden als eine
Folge des sich Erheben der beiderseits der Furche liegenden Rückenwülste. Mit
dem schmaler und höherwerden der Rückenwülste wird die Medullarrinne fast
zu einem Rohr geschlossen. Ein zartes Hautchen soll nach ihm die noch ofl\'one
Rinne überziehen; unter dem Hautchen sollen dann die Rander der Rücken-
wülste verschmelzcn und so die Medullarrinne zu einem Rohre geschlossen werden.
C. Voot f schildert den Vorgang fast in ganz übereinstimmender Weise
mit von Baer, namentlich das Auftreten der Rückenwülste und das erste Er-
schcinen der Furche. Von dieser sagt er, dass sie erst flach sei und allmilhlich
sich verenge und vertiefe. Wenn die Furche bereits tief und schmal erscheint,
hat auch Vogt eine Haut brückenartig darüber gespant gesehen und erklart die
Erscheinung derselben abweichend von von Baer folgendermassen: zweierlei
Zeilen setzen die gesammte Keimhaut, die Embryonalanlage mit inbegriffen,
zusammen, epidermoidale Zeilen von Charakter des Plattenepithels, ohne Kerne,
und zweitens embryonale Zeilen, kaum halb so gross, wie jene, nicht abge-
plattet und mit deutlichem Kern, aber ohne Kernkörperchen. Anfanglich sind
beiderlei Zeilen gleichmassig in der ganzen Keimhaut vertheilt, die ersteren in
* K. E. von Baer, Untersuchungcn über die Entwickelungsgeschiohte der Thiere. 1885.
f C. Voot, Embryologie des Salmones. 1842.
-ocr page 23-
15
ZDR ONTOGENIE DEB KNOCHENFISCHE.
mehrfacher Lage zu oberst, die anderen darunter; dann sammeln sich aber die>
embryonalen Zeilen, unter der Epidermis zusammenrückend, zur Embryonalan-
lage (bande primitive) und aus diesen entstanden dann die Rückenwülste. Die
Epidermis soll anfanglich die Erhöhungen und Vertiefungen folgen, aber wenn
die \\Vül8te sich starker erhoben haben, lost sich die dadurch gezerrte Epider-
mis vom Bodem der Furche ab und spanut sich als freie Decke darüber hin,
den obern Riindern der Rückenwülste aufrührend. Unter der Epidermis sollen
dann die Rückenwülste zur Vereinigung streben, was aber erst spater stattfin*
det. Auch Lereboullet * schliesst sich im Allgemeinen die Ansichten von
VON Baer und Voot an. Von der Forello sagt er: „peu de temps après Ie
soulèvement de 1\'embryon en forme de cylindre, la région dorsale de cc cylindre
se déprimo en goutière dans toute sa longueur. Cette goutière (sillon dorsale) est
plus profundc dans la partie moyenne que vers les éxtremités; elle s\'élargit en
avant. Le sillon dorsale commence a se fermer dans la region cèphalique, cette
fermeture a lieu par le rapprochement des carönes, et se fait d\'avant en arrière.
Plus tard la mêmc opération se produit d\'arriöre en avant dans la région
postérieure der corps, et peu t\\ peu la région supérieure du cylindre einbryon-
naire est changée en tube dans toute sa longueur."
Es war Kupffer f, dem wir die wichtige Entdeckung verdanken, dass die
Anlage des Centralnervensystems der Knochenfischo (Gasterosteus Gobio)
nur im ersten Anfange als eine mit einer medianen Furche versehene Verdickuug
des oberen Keimblattes den entsprechenden Anlagen der höheren Wirbelthiere
ahnlich sei; nach dem Schwunde dieser Furche aber sich in Form eines soli-
den, nach unten kielformig vorspringenden Stranges darstelle, dessen Aushöh-
lung erst spater erfolge. Es ist die mulderförmige Einsenkung der OberHache
des Embryonalschildes im Verlaufe der Mittellinie, welche Kupffer zuerst rich-
tig aufgefasst hat und welche von der früheren Autoren als „Rückenfurche: von
Baeb, „sillon dorsale:" Vogt, Lereboullet, bezeichnet ist, die aber mit der
Rückenlurche bei den übrigen Wirbelthieren nicht ideutificirt wrerden darf. Erst
viel spater, in einem Stadium das mit der Linsenbildung zusammenfallt, bemerkt
man dass, das Hornblatt wie Kupffer es beschreibt, erst am Vorderhirn, dann
gleichmiissig nach hinten fortschreitend, von dem Medullarstrange an der obern
Mittellinie sich ganz lost und nun unter dein als Epidermis erhobenen Blatte eine
Furche sich bildet, die von oben her in den Strang eindringt. Die Furchen*
* Lereboullet, Resumé d\'un travail d\'embryogenie comparée, sur le développement du Brochet,
de la Perche et de 1\'Écrevisse; in: Anu. de» Sc. nat. IV Serie. Zool. T. I. 1854.
t C. Kupffeb, 1. o.
-ocr page 24-
16
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISUHE.
bildung füingt aber im Centrum un, wie wir gesehen haben, doch lasst sich dies
nur an feinen Querschnittcn nachweisen und dazu eigneten sich die von Kup-
ffer untersuchten kleinen Knochenfiseheier nicht. Der erste, welcher diese
Angaben von Kupfker bestiitigt hat, war Götte * und kurz nachher folgte
eine Bhnliche Bestittigunu: von Schaprixgkr f „Der canalis centralis medullae
spinalis bildet sich also bei der Forellen, wie Schaprinoer angiebt, nicht wie
bei den Saugethieren, Vögeln und Amphibicn durch Yerschluss der Rücken-
furche und überhaupt nicht dadurch, dass sich in der Anlage des Centralnerven-
systems von aussen eine Furche einsenkt, sondern durch einem im lnnern
dieser Anlage aut\'tretenden Spaltungsprocess." Ganz iihnlich lauten die Mit-
theilungen von Weil §. Auch er giebt an, dass das Centralnervensystem an-
fangs solide ist und erst spiiter hohl wird, und was die Bildung des Central*
canals selbst anbelangt, so bestiitigt er die Angaben von Schaprlnger, dass
derselbe sich durch einen im lnnern der Anlage auftretenden Spaltungsproces
bilde. Besonders werthvoll sind diese Mittheilungen, indem die Resultate an
Querschnittcn gewonnen sind.
Was schon von Oellacher\'s ** auslührliche Mitheilungen bei der Bildung
der Keimblatter angeführt ist, gilt ebenfalls von seinen Angaben über die Bil-
dung des Ccntralnervensystems, dass sic niimlich nicht leicht in kurzen Worten
wieder zu geben sind.
Die erste Sonderung am Forellenkeim besteht nach ihm in der Bildung des
oberfliichlichen, aus abgeplatteten Zeilen zusammengesotzten Hornblattes, oder
der künftigen Epidermis, die Schicht, welche ich in Nachfolgung von Götte
als Deckschicht bezeichnet habe und die jedenfalls wohl nicht als Hornblntt
oder Epidermis aufgefasst werden darf, indem sie sich an keinerlei Bildung
bethei ligt.
Dann beginnt nach Oellacher die Scheidung eines zweiten Blattes unterhalb
des Hornblattes von einer unteren noch weiteren Differenzirung harrenden Zol-
lenmasse, das Sinnesblatt: Oellacher. Auf Querschnitten bemerkt man dann,
dass die Zeilen der oberen Lagen, mit Ausnahme derer hart unter dem Horn-
* A. Götte, Zur Entwickelungsgeschichte der Wirl>elthiere; in: Ceiitralbl. für die medic. Wis»,
1869. NO. 24.
f Schaprinoer, Ueber die Bildung des Medullnrrohrs bei den Knochenfischen; in: Sitzb. der K.K.
Akad. der Win. zu Wien.
Bd. 64, III Abth. 1871.
$ Weil, Beitritge zur Kenntniss der Entwickelung der Knochenfische, Sitzb. Akad. Wien. Bd. 65,
lil Abth. 1872.
** J. Oellacher, Beitriige zur Entwickelung der Knochenfische nach Besbachtungen am BachforeN
leneie; in: Zeiüchr. /. wiss. Zoölogie, Bd. XXIII. 1878.
-ocr page 25-
!7
ZÜR ONTOGENIB DER KNOCHENFISCHE.
blatte, rundlich polygonal sind. Beide Lagen grenzen sich nuf beiden Flügeln
durch einen ziemlich deutlichen Contour ab, die jedoch in der Mitte feldt. Hier
*erscheinen die Zeilen der oberen Lagen concentrisch angeordnet und gehen die
melir liinglichen Formen der oberen Lagen successive in die rundlich polygonale
der unteren über. Diese Bildung uennt Oellachek „Axenstrang, indem hier
die Zeilen des Sinnesblattes mit dem der unteren noch undiffereneirten Zellmasse
so vermischt sind, dass eine genaue Scheidung zwischen beiden nicht müglich
ist. Es ist nun die rundliche polygonale Zellenmasse, welche nach Oellachkr
die Anlage für das mittlere oder motorische und für das untere oder l)arnidrii-
senblatt darstellt.
In einein weiteren Stadium, erscheint wie Oellachek angiebt, der Embryo-
nalschild bedeutend vergrössert, er hat sich nach vorn und nach den Seiten hin
ausgodehnt und wird etwas breiter als lang. Nach rückwarts ist er stuiupf zu-
gespitzt und endet in eine kleine knopfïöïmige Ansehwellung, die Schwanzknospe.
Der Embryonalschild ist durch eine seichte Rinne rings uni die vonlere Peri-
pherie der Schwanzknospe von dieser ausserlich getreniit. Von dieser Rinne aus
zog eine zweite wenig tiefere über die Oberflache des Embryonalschildes hin
nach vorn bis über die Mitte desselben, wo sic unmerklieh ausliiuft. Diese Rinne,
theilt den Embryonalscliild, so weit sie reicht, in zwei seitliche symmetrische
Hülftcn. Die Furche halt er für eine Folge des sich entwickelenden Kieles, da
sie in eben dem Maass tiofer wird, als der Kiel selbst sich nach unten ver-
langert.
Der Kiel ist nach Oellacher der Ausdruck des nach unten, gegeu den Dotter
vorspringenden Axenstranges. Letztgenannter beginnt ani hinteren Leibesende
des Embryo, in der Schwanzknospe, hier grenzt er zuerst wahrscheinlich direct
an das Hornblatt, ein Sinnesblatt liess sich wenigstens nicht nachweisen. An
der Grenze von Schwanzknospe und Embryonalschild tritt links und rechts voin
Axenstrang das Sinnesblatt auf, das sich aber ohne deutliche Grenze in den
letztereu verliert. Das Sinnesblatt wird links und rechts vum Axenstrange immer
machtiger und das Centrum des concentrisch geschichteten Axenstranges rückt
immer weiter herab. Dies ist am ausgepragtesten ungefahr in der Gegeild der
vorderen Halfte der Rückenfurche und hier spricht sich das Herabgedrangtwer-
den des Axenstranges auch durch ein sehr starkes Vorspringen desselben gegeu
den Dotter aus.
In dem Stadium, welches Oellacher als das des biruförmigen Embryonal-
schildes bezeichnet, springt der Kiel mehr vor und wird nach vorn über das
Bereich des Axenstranges hinaus verlangert; damit Hand in Hand geilt eine
Vertiefung und Verlangerung der Rückenfurche nach vorn. lm hinteren Bereiche
A3
NATUÜRK. VËRH DER KONINKL. AKADEMIE. DBEL XXIII.
-ocr page 26-
18
ZUR ONTOGENIE DEK KNOUHENFISCHE.
des Axenstranges ist die Rückenfurche verstrichen and dnfür trifft man eine
Vordiekung des Sinnesl)lattes ttber dem Axenstrange an, indem eine mehrfache
Lage von platten Zeilen urn die oberen Hiilfte desselben auftritt, auch im Be-
reiche des vorderen Theils der Rückenfurche sieht man das Sinnesblatt in der
Mitte verdiokt.
An dem Axenstrang selbst unterscheidet Oellacheb den Kopftheil, im Ge-
gensatz zum Rumpf- and Schwanztheil, erstgenannter stellt nach ihm die solide
Anlage des Gehirns vor. Es folgt dann spiiter die Scheidung des Axenstranges
in einen oberen dem Sinnesblatte angehörigen and in eincn unteren Theil, der
eine rundlich viereckige, in der Axe gelegene Zellgruppe darstellt und ein Ge-
bilde des mittleren Blattes repraesentirt, die Chorda dorsalis. Der obere Theil
aber stellt der Mcdullarstrang dar, von dem aus rechts und links das Siunes-
blatt sich verschmachtigend auslüuft. Das spiltere Hohlwerden des Centralner-
vensystems scheint dann inich Oellacher durch Auflösung der centralen Zellen-
masse vor sich zu gehcn wie aus folgenden Satz bervorgeht: „Hierbei scheint,
wie hiiufigo zerrissene Ausfüllungsinassen des spiiteren Medullarrohrs zeigen, eine
Masse von Zeilen im Innern des Medullarstranges zu Grunde zu gehen, eine
Erscheinung, der wir öfter beim Hohlwerden solider Anlagen im Verlaufe der
Entwickelung bei der Forelle begegnen." Wenn ich mich auch, was dem letzt-
genannten Satz betrifft, mit Oellacher einvorstandcn erkliiren kann, so muss
ich doch bedeutend von ihm abweichen, was seine Angaben über den Axen-
strang angeht, wie aus dem früher mitgetheilten genügend hervorgeht.
Romiti * dessen Arbeit ich indessen nur aus dem Referat von Waldeyer
kenne, kommt zu dem Schluss, dass die Entwickelung des Centralnervensystoms
bei den Knochenfischen, nicht so wesentliche Differenzen von dem Vorgange bei
den iibrigen Vertebraten zeige, wie man es nach den hervorgehenden Arbeiten
angenommen. Denn bei der Forelle gehe das Hornblatt in Forra einer EinstüN
pung in die Bildung des Rückenmarks ein und liefere dessen Epithel. Die Lich-
tung entstehe dann durch Auseinanderweichen beider Lagen der eingestülpten
und nachher abgeschnürten Falte des Hornblattes.
Dao-ei-en giebt van Bambeke f wieder an: „Sur les coupes transversales on
distingue, sous la membrane enveloppante Ie cordon médullaire qui, soit dit en
passant, est d\'abord plein, comme cela s\'observe chez les poissons osseux en
général."
* Romitj, Studi di Erabryologia. Rivista clinica di Bologna. 1878.
t Ch. van Bambeke, Recherches sur l\'embryologie des poissons osseux; in: Mémoires couronné* et
Mémoires des Savants étrangers publiés par l\'Acad. royale et Belgique.
XL. 1876.
-ocr page 27-
1!»
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
Ungefahr zu denselben Resultaten als Romiti ist Calberla * gelangt ohne
dass er indessen die Untersuchungen Romiti\'s kannte. Als Untersuehungsmate-
rial haben ihm die Lophobranchier (Syngnathus) gedient, spiiter hat er
auch Lachs- und Forellenembryonen untersucht und ist hier, was die Bildung
des Centralnervensystems angeht, zu denselben Sehlüssen als bei den Lopho
branchiern gekommen.
Nachdem die Embryonalanlage bei Syngnathus die Biscuitfonn erreicht hat
und die Rüekenf\'urche erschiencn ist, findet man nach ihm die Embryonalanlage
mit einer einfaehen Lage grosser fast quadratischer Zeilen bedeckt; untcr der
Mitte der Rückenhirche finflen sieh unter der eben angeführten Zellsohicht, Zel-
len, die in Form und Grosse der ersteren völlig gleiehen und die mit denselben
an der tief\'sten Stellen der Rückenfurche zusammenstossen. Diese Zeilen im In-
nern der Embryonalanlagen sind in zwei sieh berührende, senkreeht gegen die
Rüekenfurehe, der Langsaxe der Embiyonalanlage folgcnde Lagen angeordnet,
deren Berührungsfliichen aut\' Quersehnitten das Bild einer geraden oder gezackten
Linie darboten. Diese Zeilen, die den die Oberflache der Embryonalanlage be-
deckenden Zeilen in Form und Grosse gleiehen, stehen durch die Art ihrer
Anordnung in Uebereinstimmung mit den letztgenannten Zeilen, man darf\' nach
ihm deshalb annehmen, dass sie den letzteren zugehóren sei es uun, dass Zeilen
der oberfliichlichen Schicht sieh in die Tiefe eingesenkt, oder dass die daselbst
befindlichen Zeilen durch Zelltheilung sieh von den den Boden der Rückenfurche
bildenden Zeilen abgetrennt haben. In einem etwas spiiteren Stadium, wenn eine
scharfe Sonderung der Keimbliitter sieh erkennen lSsst, bildet das Ektoderm
einen soliden Strang mit einem nach unten gerichteten scharfen Kiel, der fast
überall voin Mesoderm in ein oder mehrfacher Zellenlage bekleitet, das Ento-
derm in den Dotter hineindrangt. Die in dem soliden, von der inneren Schicht
des Ektoderm gebildeten Kiel befindlichen zwei Zellenreihen, die mit der iiusse-
ren Schicht desselben Keimblattes zusammenhiingen, zeigen auf Quersehnitten,
von nur urn ein weniges uiteren Embryonen, eine sehr regelmiissige Anordnung
in zwei Reihen, deren Berührungsfliichen wie oben erwahnt, im Durchsehnitt-
bild eine gerade oder zickzackförmige Linie geben, die jetzt bis nahe an die
untere Grenze des Ektodermkieles herabreicht. Diese beiden Zellschichten stehen
mit den an Boden der Rückenfurche befindlichen Zeilen der iiusseren Schicht
des Ektoderm in Zusammenhang. Aus ihrer Form und Grosse schliesst Cal-
berla auf ihre Abstammung von den Zeilen der iiusseren Schicht des Ekto-
* C. Calberla, Zur Entwickelung des Medullnrrohre und der Chordn dorsidis dei ïeleostier und
Petromyzontenj in: Morph. Jahrb. Bd. III, p. 226. 1877.
-ocr page 28-
20
ZUR ONTOGENIB DER KNOCHENFISCHE
derm, sie waren also den den Boden der Rückenfurche begrenzenden Zeilen
gleichwertig.
Duroh die Art ihrer Anordnung theilen diese Zellschichten, gerade wie die
Medullarrinne der höhoren Wirbelthicre, die Medullarrohranlage in zwei Theile.
Befande sich zwischen diesen beiden Zellschichten ein Raum, auf Querschnitten
als eine Spalt bemerkbar, so ware diese nach dem Verfasser unbedingt als ein
Theil der Rückenfurche anzusehen. Hier berühren sich aber diese beiden Zell-
schichten, so dass zwischen ihnen kein Lumen vorhanden ist. Wenn etwa im
Verlaufe der Entwickelung diese beiden Zellschichten wieder aus einander wei-
chen, so kaun man dann nach Calbebla mit Recht sagen, dass das entstan-
dene Lumen der Rückenfurche entspricht. Es ist nun der Ektodermkiol, welcher
nach ihm die erste Anlage des Medullarrohres darstellt. Die Anlage des Rücken-
marks hangt bald nur duroh eine schmale Leiste mit der oben die EmbryonaL
anlage bedeckenden Ektodermschicht zusammen. Mit dem Beginn oder der Voll-
endung der Abschnürung des Darmrohrs, beginnt an den oft erwiihnten zwei
Zellenreilien im Innern der Rückcnmarksanlage eine Veranderung. Man bemerkt
auf Schnittcn wie die, den untersten Theil der frühcr beschriebenen Linie durch
ihre aneinanderstossende Seiten bildenden Zeilen auseinanderzuwcichen be-
ginnen. Anfanglich sind daran nur zwei bis drei Zeilen betheiligt, bald aber
greift diese Spaltung weiter nach oben. Die Spaltung erfolgt nach Calbebla
ohne Verflüssigung oder zu Grunde gehen von Zeilen. Das in der Bildung be-
gi\'iffene Lumen ist meist mit kriimlicher oder durchscheinender Masse ausgefüllt,
welcher Substanz, wie Calbebla annimmt, wohl von einer beim Auseinander-
weichen der Zeilen exsudirten eiweisshaltigen Flüssigkeit stammt, die durch die
Hiirtungsflüssigkeit in diesen Zustand übergeführt wurde.
Bis jetzt sind diese Beobachtungen von Calbebla wenigstens für die Knochen-
fische, von keinem der spatern Autoren bestiltigt. Schon Kupffeb * sagt in
seiner Entwickelungsgeschichte des Herings: „ich muss aber hinzufügen dass
mich die Durchschnittbilder von Calbebla nicht ganz überzeugen. Die Ent-
scheidung liegt in Fig. 1. Der geehrte Autor zeichnet dort eine an die Deckschicht
sich anschliessende Doppelreihe von Zeilen, die eine Strecke weit in die Axe
dei\' Embryonalanlage hineinreicht, mit dunkleren Contouren als die umgebenden
Zeilen, aber in Ubereinstimmung mit den Zeilen der Deckschicht. Die Herkunft
dieser Zeilen von der die Oberflache bedeckenden Zeilen, finde ich in Fig. 1 nun
gar nicht bestatigt. Denke ich mir die dunkleren Contouren weg, so stimmen die
* C. Kupkfer, Die Entwickelung des Herings im Ei j in: Jahresb. der Comm. znr wmemch. Unters»
der deuüchen Meere in Kiel filr die Jahre
1874, 1875, 1876. IV, V, VI Jahrg.
-ocr page 29-
21
ZUR ONTÜGENIE DER KNOCHENFISCHE.
fraglichen Zeilen mit denen der Umgebung in Form und Grosse durchaus übereiu.
Weshalb sie aber dunkler in der Zeichnung begrenzt worden sind, das erhellt
aus dem Text nicht. Sonach scheint mir die Sache noch nicht spruch rei f zu sein."
Auch Götte bestreitet die Angaben von CALBEBLA selir ausführlicli und
fasst die Bildung des Centralnervensystems bei den Knochenfischen in folgenden
Worte zusaramen:
1)  Die Grundlage des Centralnervensystems der Forelle ist das obere Keim-
blatt, in welches das Ektoderm nach der Bildung des Entodenns sich direct
verwandelt; eine axiale Verschmelzung jenes Keimblattes mit der anliegenden
Schicht des Entodenns oder dem sich alsbald entwickelnden mittleren Keim-
blatte findet zu keiner Zeit statt.
2)  Die erste Sonderung am Forellenkeime überhaupt ist die Bildung der hiiu-
tigen Deckschicht auf der Oberflüche des Ektoderms, welcbe aber an den An-
lagen des Centralnervensystems und der Sinnesorgane, insoweit sie sich von
der Oberhaut ablösen, sich nicht betheiligt und zuletzt in der Oborhaut un-
kentlich aufgeht.
3)  Die erste Anlage des Centralnervensystems der Teleostier erscheint als eine
breite, schildförmige Verdickung des oberen Keimblattes, — Axenplatte, — welche
anfangs durch de:i vorragenden Theil des Entodenns, bez. des mittleren Keim-
blattes (Axenstrang) in der Medianebene eingedriickt und verdünnt und da-
durch unvollkommen in zwei Hiilften (Modullarplatten) gesondert wird.
4)  Die schildförmige Axenplatte zicht sich alsbald von beiden Seiten zu einem
medianen, nach unten vorragenden Kiel zusammen, indem die in der Median-
ebene gegen einander gestauten bciderseitigen Zellenmassen nach unten ausweichen
und die Axenplatte so gewissermassen in derselben Richtung eine geschlossene
Falte schlilgt, was auch durch die vergiingliche oberflachliche Furche angedeu-
tct wird. Indem aber der anfangs unkenntliche Faltenraum in dem sich von
dem übrigen Keimblatte oder der Oberhaut abschnürendeu Kiele in Ges tal t
einer Spalte erscheint und so diese solide Anlage des Centralnervensystems in
eine röhrenförmige verwandelt, ergibt sich deren Uebereinstimmung mit derje-
nigen der übrigen Vertebrata: die offene Medullarfurche der letzteren ist bei
den Teleostiern in eine geschlossene Falte verwandelt, deren Blatter erst nach
der Abschnürung von der Oberhaut auseinandertreten.
Die Bildung der von Götte als Medullarplatten bezeichneten Seitenhalften
der Anlage des Centralnervensystems, beruht wohl nicht darauf, dass die letztere
anfangs durch den vorragenden Axentheil des Entoderms eingedrückt wird,
sondern ist höchstwahrscheinlich nur der Stauung der Zeilen der Ektoderms von
beiden Seiten nach der Medianebene zuzuschreiben.
-ocr page 30-
22
ZUR ONTOGENIE DEh KNOCHENFISUHE.
Ich stimme mit Gütte vollstandig ein, wenn er sagt: „die Deckschicht senkt
sich nicht in die solide kielförmige Anlage des Centralnervensystems ein, son-
dern bleibt über derselben liegen", sie erseheint über der oberHachlichen axialen
Furche bisweilen abgehoben, wie wir das oben gesehen haben. Dagegen kann
ich mich nicht mit ihm vereinigen, was seino Angabe betrifFt über die nachher
eintretende Bildung der Spalte, wodurch die solide Anlage des Centralnervensy-
stems in eine röhrenförmige verwandelt wird.
Ueber den Keil und die Bildung des Centralnervensystems giebt Kupffek *
in seinen Untersnchungen über die Entwickelungsgesohichte des Herings fol-
gendes an: Der Keil erstreckt sich über die halbe Liinge des Embryo nach hinten.
Ungefahr in derselben Strccke, die der Lange des Kieles entspricht, ist die Ober-
f liiche des Embryo in der Mittellinie muldenförmig eingesenkt und die Tiefe der
Einsenkung halt mit der Entwickelung des Kieles einigermaassen Schritt. Diese
als Rückenfurche zu bezeichnende Muldc hat nur temporaren Bestand, schliesst
sich aber nicht nach Art der Medullarfurche der Batrachier, Vogel und Sauge-
thiere durch Erhebung und Aneinanderlage ihren Rander zum Centralcanal des
Markrohres, sondern sie verstreicht wieder, indem sioh ihr Boden allmühlich
erhebt und an der Stelle der Furche der gewölbt und solide Markstrang tritt.
Diese eigenartige Rückenfurche der Teleostier reicht an den Eiern derjenigen
Fische, an dencn ich beobachtet habe, nicht über die ganze Liinge des Embryo.
So verhult sie sich auch am Heringsei. Das hintere Ende des Embryo bleibt
stets convex und somit wird das hintere Ende des Rückenmarks hohl, ohne dass
dem Hohlwerden die Bildung einer Rückenfurche vorausgegangen ware, ein
Grund mehr dafür, die in Rede stenende Furche nicht der Medullarfurche der
höheren Vertebraten homolog zu achten."
Der letzte Autor, den ich zu crwahnen habe, ist His f. Ueber die Anlage
des Centralnervensy8teines theilt er folgendes mit: „wenn der Embryo aus dem
hinteren T\'heil des Randwulstes schleifenartig gegen die Schcibenmitle hervor-
tritt, als eine kleeblattförmig umgrenzte Erhebung, umschliesst diese Erhebung
eine von wulstigen Rilndern umgebene brei te Grube, die Medullargrube. Eine
tiefeinschneidende Medianfurche (Primitivfurche) theilt die Medullargrube in zwei
H&lften, deren jede durch eine Parallelfurche von dem anstossenden Rücken-
wulst geschieden ist. Nach rückwarts verlieren sowohl die Medullargrube als
die Rückenwülste ihre scharfen Grenzen, jene flacht sich ab, diese schliessen
* C. KUPFKER, 1. C.
f W. Hïs, Untersuchungen über die Bildung des Knochenfiscuembryo (Salinen); in: Archiv fiir
Juut. wtd Eulwickelutiffiff.
1878. p. 180.
-ocr page 31-
23
ZÜR ÜNTOGENIE DER KNOCHFNFISCHE.
sich dem Randwulste an." Er beschreibt weiter mehrere 0.050 mm. dicko
Schnitten vollstiindiger Reihenfolgen entnommen und sagt dann: nach all
diesem ist es klar, dass die ersten Anfange embryonaler Formung auch beim
Knochenfischkeim als Faltungen sich einleiten. Vom hinteren Scheibenrande
aus bildet sich gegen die Mitte eine im Bogen sich krümmende Falte, deren
Riinder von beiden Seiten her sich entgegenrücken und spater auch sich verei-
nigen. Der Vorgang verwickelt sich weiterhin dadurch, dass innerhalb des von
den zwei Faltenschenkeln umschlossenen Gebietes secundüro Ein- und Ausbie-
gungen entstehen und das mit den langsvcrlaufenden Falten quere sich combi-
niren, deren Ausbildung in der Folge die specielle Gliederung des Gehirns be-
herrscht."
Damit treten nach His denn auch die Darstellungen der alteren Embryolo-
gen eines von von Baer und C. Voot wieder in ihr Recht, welche eine Zeit
lang durch die gegentheiligen Angaben von Kupffeb, Schapringer, Weil und
Oellacher in den Hintergrund gedrangt worden waren und mit vollem Recht
haben nach ihm daher auch Romiti, Götte und Calberla die Einheit dadurch
wieder herzustellen gesucht, dass sie die stattfindenden Vorgango auf eine Ein-
faltung des Ektoderms bezogen habcn. Die Abweichung von den sonst be-
kannten Verhaltnissen besteht nach IIis cben darin, dass die beiden Schenkel
der sich bildenden Falte, anstatt zum Rohr mit offener Lichtung sich einzurol-
len, sich völlig vertikal stellen, und bis zur völligen Verdrangung eines zwischen-
raumes an einander anlegen. Jene secundare Furche, welche allo Beobachter
gesehen haben ist der Zugang zu der tiefen, die beiden Halften der Medullar-
platte von einander trennenden Spalte.
Ich vermag Hls in seinen Angaben nicht beizustimmen; ich habe an mehreren Se-
rien von Querschnitten, die nicht mehr als 0.015 m.m. dick sind, niemals die von
His beschriebenen Furchen und Falten gesehen, ausgenommen die über der Mitte
des Fmbryonalschildes verlaufende axiale Furche, die aber wie wir gesehen, ha-
ben sehr seicht ist und sich nicht im Innern des Embryonalschildes fortsetzt.
Ist dieselbe aber einmal verstrichen, dann habe ich auch an den feinsten und
besten Querschnitten niemals die Spur einer anderen Furche oder Falte ge-
sehen, sondern ich fand, dass die Zeilen des Embryonalschildes unterhalb der
früheren axialen Furche, vollkommen so aneinander schliessen als an allen an-
dern Orten.
Ausserhalb bei den Knochenfischen, kommt auch eine solide Anlage des Cen-
tralnervensystems bei den Petromyzonten und unter den Ganoiden bei Le-
-ocr page 32-
24                               ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
pidosteus vor. Von Petromyzon hat Calberla * die Entwickelungsge*
Bchichte des Centralnervensystems in iihnlicher "Weise beschrieben als er für
die Knochenfische mitgetheilt hat und diese Untersuehungen von Calberla sind
nachher durehaus von Scott f besttitigt. Ueberdiesen Gegenstand sagt Balfour §
„although my own sections do not clearly shew an involution of the outer layer
of epiblast cells, the testimony of tliese two observers must no doubt bc accepted
on this point." Dagegen giebt er bcstimmt vom Lepidosteus an „Along the
axial line there is a solid keel-like thickening of the nervous layer of the epi-
dennis, which projects towardfl the hypoblast. This thickening is the medullary
cord; an there is no evidence of the epidcrniic layer being at this or any sub-
sequent period coneemed in its formation." Aueh spater besttitigt er ** noch
wieder diese Angabe.
Schliesslich will ich noch erwtihnen, dass Balfour die beiden Schichten, welche
ich in Nachfolgung von Gütte als „üeckschicht" und „Grundschicht" bezeichnet
habe, mit dem Namen „epidermic" und „nervous stratum" belegt.
Der zuerst von Kupffer genau beschriebene Ektodermkeil liisst sich an den
kleinen, pelluciden Fischeiern (F i era s f er, Scorpaena, Julis, He lias is
u. A.) ganz prachtvol] nachweisen. Derselbe eistreckt sich aber wie dies auch
von Kupffer angegeben ist, nicht über der ganzen Lange des Embryo aus,
sondern bleibt auf den vorderen Dreivierteln der Embryonalanlage beschrankt,
oft reicht er selbst so weit nicht und streckt sich nicht auf dem hinteren Drittel
des Embryo aus. So weit als der Kiel sich erstreckt, reicht auch nur die axiale
Furche auf dem Embryonalschild, wie dies ebenfalls von Kupffer angegeben
ist, und die Angabe von Calberla ff ist mir also nicht ganz deutlich, wenn er
bei Embryonen von Syngnathus acus angiebt, dass die ^Ruckenfurche" an
der Embryonalanlage vom Kopfende bis zum Schwanzende reicht; es hat schon
Kupffer §§ darauf aufmerksam gemachf. Aber auch His *** Angabe ist mir in
* Balfour, 1. c.
f W. B. Scott, Beitriige zur Entwickelungsgeschichte der Petromyzonten; in: Morphol. Jahrb. Bd
VII, p. 101. 1881.
§ F. M. Balfour, A treatise on comperative Embryology. Vol. II. 1881.
•* F. M Balfour and\'W. K. Parker, On the Structure and Developmentof Lepidosteus; in
Proc. of the royal Society. 1881. N" 217
ft Calberla, 1 c.
§§ Kupffer (Entw. des Herings) 1. c.
*•• Hi8, 1. c.
-ocr page 33-
25
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
dieser Beziehung niche vollstamlig klar, wenn er sagt, „dass beim Embryo des
Salmens die kurze, kleeblattförmige Embryonalanlage beim ersten Erscheineu
eine breite, tiefe Grube (Medullargrube) mit einer Primitivrinne zeigt." Lachs-
Embryonen habe ich nicht untersuchen kunnen, aber weder bei der Forelle,
noch bei einem der anderen untersuchten Knochenfische habe ich diese Ansrabe
von His bestiitigen können.
Die Leistungen dks mittleren Keimblattes.
Wir haben das Mesoderm als ein jederseits neben dem Ektodermkeil gelegenes,
also bilaterales Zellenblatt verlassen, welches am hinteren Ende des Embryo mit
den Zeilen der beiden anderen Keimbliitter continuirlich zu einem Haufen voll-
standig indifferenter Zeilen zusammeuhiingt and nach vorne zu allmahlich dunner
und dunner wird, urn schliesslieh vollstilndig zu verschwinden. Die ersten Verilnde-
rungen, welche man an den Zeilen des Mesoderms wahrnimmt, bestehen darin, dass
sie sich in zwei Schichten oder Bliitter anzuordnen anfangen, dies gilt zunachst
für die lateralen Theile des Mesoderms, wahrend dagegen mehr medianwiirts
eine solche deutliche Schichtung anfangs fehlt und erst etwas spiiter anftritt.
Mit dieser Spaltung der Zeilen des Mesoderms in zwei Bliitter, von welchen das
eine dem Ektoderm anliegt und die Hautfaserplatte (Somatopleure: Balfour),
das andere, dem Entoderm anliegend die Darmfaserplatte (Splanchnopleure: Bal-
four) vorstellt, gruppiren sich auch diese Zeilen zu einschichtigon Bliittern
(vergl. hierzu Taf. III, Fig. 1) und die Spalte zwischen den beiden Bliittern
bildet die primiire Leibeshöhle. Man kann aber von einem solchen Raum bei
den Knochenfischen kaum reden, denn im Rumpfe liegen die beiden Bliitter anfangs
unmittelbar einander an; allein im Kopf liisst sich eine, wenn auch nur wenig
entwickelte Leibeshöhle nachweisen (Taf. III, Fig. 3) und dieselbe entsteht bei
den Knochenfischen wie bei den Knorpelfischen hier zuerst.
Die niichsten Veriinderungen bestehen dann darin, dass die beiden Mesoderm-
bliitter in ihren proximalen Theilen durch eine Reihe von querverlaufonden
Linien in eine Anzahl viereckiger Felder abgegliedert werden, und die Folge
davon ist natürlich, dass jedes Mesodermblatt in zwei Partien getheilt wird,
einen proximalen Theil, welcher dem Centralnervensystem anliegt und Urwirbel
oder Vertebralplatte (Somite: Balfour) heisst und einen distalen Theil, der
Seitenplatte genannt wird. In diesem Stadium hangen beide Partien noch con-
tinuirlich zusammen und die (primiire) Leibeshöhle (Coelom) — eine nur sehr
dunne Spalte — erstreckt sich ununterbrochen in den Urwirbel (Taf. II, Fig,
A4
NATÜDKK. VERH. DEK KONINKL. AKADEMIK. DEEL XXIII.
-ocr page 34-
26
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.
5). Wir wissen aber, dass nur die Spalte in den Seitenplatten die spatere wahre
Leibesliöhle (oder das secundiire Coelom) wird.
Durch eine Reihe longitudinal verlaufender Spiiltchen werden dann zunachst
die Urwirbel von den Seitenplatten abgegliedert. Dieselben bilden cylindrische
Körper, die Wande derselben bestehen aus cylinderförmigen, hohen Zeilen, welche
nur in einer einzigen Schicht angeordnet sind, gerade wie wir dies von den
Seitenplatten angegcben haben. Die Höhlung der Urwirbel, ein Theil also der
ursprünglichen allgemeinen (primarcn) Leibesliöhle (Coelom) ist wie alle Höhlun-
gen der Knochenfische sehr gering entwickelt. Am besten lassen sich die Ver-
haltnisse der Urwirbel an senkrechten Liingsschnitten und Horizontalschnitten
studiren. Taf. II, Fig. 6 ist ein Theil eines senkrechten Liingsschnittes durch
einen Embryo mit 24 Urwirbeln, Taf. II, Fig. 7 ein Horizontalschnitt durch einen
Embryo aus einem selben Entwickelungsstadium. Winzig klein sind die Höhlen
der Urwirbel bei den Knochenfischen verglichen mit den colossalen Urwirbel-
höhlen bei den Selachii. Weniger geeignet für das Studium der Urwirbel bei den
Knochenfischen sind die Querschnittc. Die Urwirbel stehen nilmlich nicht recht-
sondern schiefwinklig auf der Chorda; fertigt man nun eine Serie senkrechter
Querschnitte an, so bekommt man natürlich von dem wahren Verhültniss der
Urwirbel nie ein getreues Bild. Man muss also die Schnitte cbcnfalls in schrager
Richtung schneiden um die Urwirbelhöhle in der Schnittrichtung zu bekommen.
Taf. III, Fig. 2 stellt einen solchen Querschnitt vor, ebenfalls durch einen Embryo
mit 24 Urwirbeln genommen.
"Wie die Urwirbel im Kopfe sich verhalten, wage ich für den Augenblick
nicht zu entscheiden, nur so viel kann ich angeben, dass auch bei den Kno-
chenfischen im Kopftheil des Embryo unzwcifelhaft Urwirbel auftreten. Ich
werde versuchen spiiter ihre Verhaltnisse etwas genauer zu studiren, ob es mir
aber wirklich gelingcn wird, ihre weiteren Veranderungen festzustellen, kommt
mir für den Augenblick höchst fraglich vor. Dies Thema ist wohl eines der schwie-
rigsten in der ganzen Embryologie, und die Knochenfische, bei welchen man um
ihre Entwickelung zu studiren, doch schon mit solchen grossen Schwierigkeiten
zu kampfen hat, scheinen mir für diese Frage wohl sehr wenig geeignet. In
dieser Beziehung haben die verdienstvollen Untersuchungen von van Wijhe *
für die Knorpelfische schon so manches aufgeklart.
* J. VV. van Wijhe, Ueber die Mesodermsegmente und die Entwickelung der Nerven des Sela-
chierkopfes; in: Verhatidl. der Koninkl. Akademie v. Wetmtch. Amsterdam 1883.
-ocr page 35-
ZüR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                              27
Bei den Knochenfischen liegen also anfangs Seitenplatteu und Urwirbel voll-
standig neben einander und die Höhle in den Seitenplatten, die wirkliche Lei-
beshöhle oder das wahre oder secundare Coelom, die im Rumpfe immer höchst
gering entwickelt ist, erreicht im Kopfe bei Embryonen z. B. mit 24—30 Ur-
wirbeln einen verhiiltnissmassig grossen Umfang. Betrachten wir zuerst die
Veranderungen, welche in den Seitenplatten des Kopfes auftreten. Indem das
Entoderm unmittelbar dem Parablast aufliegt, liegen natürlich auch die Sei-
tenplatten ganz oberhalb desselben. Sobald sich nun der Kopfdarm anzulegen
beginnt, bemerkt man, dass gleichzeitig die Splanchnopleure jederseits einen Fort-
satz unter den kaum abgefalteten Seitenrand des Kopfdarmes abschickt (Taf. I,
Fig. 2). Die Wande dieses Fortsatzes oder dieser ventralen Ausstülpung der
Splanchnopleure umschliessen eine kleine Höhle, die, wie leicht begreiflich,
eine unmittelbare Fortsetzung der von den Seitenplatten umschlossenen wahren
Leibeshöhle ist. Indem nun die Seitenrander des allmahlich mehr und mehr sich
abschnürenden Kopfdarmes gleichzeitig laterahvarts wachsen und bald seitliche
Ausbuchtungen abschicken, wodurch, wie wir gesehen haben, schliesslich die
Bildung der Kiomenspalten zu Stande kommt, stulpen sic natürlich die Splanch-
nopleure vor sich aus, und verdriingen durch dieses Verfahren die oberhalb des
Darmes gelegene Leibeshöhle, die von jetzt an immer mehr und mehr in den in-
mittelst sich stets vergrössernden ventralen Ausstülpungen der Splanchnopleure,
unterhalb des Kopfdarmes ihren Platz nimmt. Bevor die beiden in Rede stehen-
den Ausstülpungen der Splanchnopleure einander in der Mittellinie begegnen, be-
theiligen sie sich erst an der Anlage des Herzens, wie wir gleich am Ende
dieses Kapitels niiher sehen werden. So bald sich das Herz gebildet hat, legen
sich die Wande der Splanchnopleure wieder unmittelbar einander und der Herz-
wand an und es folgt jetzt ein Stadium in der Entwickelung, in welchem die
Leibeshöhle im Kopfe verschwunden ist.
Etwas anders, aber in Grossen und Ganzen doch sehr ahnlich, verhalten sich
die Seitenplatten in den übrigen Theilen des Embryo, im Rumpf und Schwanz.
Wir wissen aber, dass der Darm sich hier durch seine viel geringere Breite
vom Kopfdarm unterscheidet. Sobald sich der Darm hier abgefaltet hat, rücken die
Seitenplatten, die bis jetzt neben den Urwirbeln gelagert waren, unter denselben,
um so jederseits neben dem Darm ihren Platz einzunehmen. Gleichzeitig mit
diesem Vorgang tritt dann für die Seitenplatte eine neue Leistung auf, indem
sich namlich von der Somatopleure aus der Segmentalgang anzulegen anfiingt.
Deiselbe ist eine Ausstülpung der Somatopleure (Taf. IV, Fig. 3), der bald nach
ihrer Anlage sich vollstandig abschnürt. Die Wande des Segmentalganges liegen
fast unmittelbar einander an, oder umschliessen ein, auch bei sehr starker Ver-
*
-ocr page 36-
28
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.
grösserung kaum sichtbares Spaltchen, die unmittelbare Fortsetzung der auch
im Rumpfe kaum entwickelten wahren oder secundaren Leibeshöhle. Das trichter-
förmige Ende, mit welchem der Segmentalgang nach vorne anfangt, liegt unmit-
telbar hinter dem hinteren Ende des Leberfortsatzes.
Ueber das Verhalten des Mesoderms am Schwanzende des Embryo sieho
gleich unten.
Erst nachdem wir eine bessere Kenntniss über die Bildung der Keimblatter
erlangt hatten, Hessen sich die Leistungen des mittleren Kcimblattes in etwas
praciserer Weise feststellen. Ich worde also die Angaben der frühercn Autoren
nicht erwahnen, sondern fange mit Oellacher * an, dem wir zum Theil schon
sehr verdienstvolle und genaue Untersuchungen, über das Mesoderm verdanken.
Das mittlere Keimblatt zcigt nach ihm zunachst einen medialen dickeren an
seiner dicksten Stelle vierschichtigen und einen lateralen dünneren, bloss zwei-
schichtigen Theil. Beide Theile gehen in einander über, und zwar unter stumpfen
abgerundeten Winkeln. Was aber vom dickeren, medialen Theil auf den bloss
zweischichtigen lateralen sich fortsetzt, das sind nach Oellacher einzig und
allein die obere und untere Reihe langlicher Zeilen; alle jene rundlich-polygo-
nalen Zeilen, welche früher zwischen den beiden Cylinderzellenreihen lagen,
scheinen sich mehr medianwiirts zurückgezogen zu haben. Mit dieser Verande-
rung ist die Bildung dor Urwirbelplatten fertig, die beiden dickeren, medialen
Theile des mittleren Keimblattes sind es, wie Oellacher angiebt, die sich der
Quere nach in Urwirbel spalten, die beiden Cylinderzellenreihen links und
rechts, welche allein nach ihm die lateralen Theile des mittleren Blattes aus-
machen, nennt er ihrer niichsten Bildung der Peritonealhöhle wegen, vorlaufig
„Poritonealplatten", wobei er jedoch bemerkt, dass sie in dorselben Bcziehung
zur Pericardialhöhle stehen und ihr Name daher für einen gewissen Theil der
beiden Platten in „Pericardialplatten" umzuwandeln sein wird. Die Höhle in den
Urwirbeln scheint Oellacher nicht gesehen zu haben.
Im Kopfe nennt er den medialen Theil des mittlern Keimblattes „Kopfplat-
ten" und giebt an, dass auch in der Gegend der Augenknospen das mittlere
Keimblatt ebenfalls die Scheidung in Kopfplatten und doppeltschichtige Perito-
nealplatten zeigt. Vollstandig richtig hat Oellacher schon angegeben, dass
die Höhlen in den Seitenplatten des Kopfes, die Pericardialhöhlen, wie er die-
* Oellacheb, 1. o.
-ocr page 37-
ZÜB ONTOGENIE DER KNOCHENP1SCHE.                               29
selben nennt, sich eher als die des Rumpfes, Peritonealhöhlen seine bilden: „die
Spaltung — sagt er — im lateralen Theil des mittleren Keimblattes schreitet
viel rascher nach vorn als nach rückwiirts."
Dagegen begreife ich nicht, was Oellachee, unter seiner „grossen intermcdiiiren
Zellmasse" versteht, welche, wie er sagt, „anfangs" zwischen den Peritoneal-
platten und den Urwirbeln liegt, spater unter den Urwirbeln sich einschiebt
und einen dreieckigen Raum zwischen unterer ausserer Flache der Urwirbel,
unterer innerer der Peritonealplatten und oberer des Darmdrüsenblattes ausfüllt
und aus welche spater rechts und links eine rundliche Zellmasse hervoigeht,
welche als wahrer Darmfaserplatte „sensu verbi penitiori" das Stroma für die
Urniere und den Darm liefert *. So weit mir bekannt, ist Oellacher der ein-
zige, dem wir genauere Mittheilungen über die Leistungen des mittleren Keim-
blattes bei den Knochenfischen zu verdanken haben.
Verglcichen wir jetzt die Resultate, welche Balfour f bei seinen Untersu-
chungen iiber die Entwickelungsgeschichte der Knorpelfische erhalten hat, mit denc-n,
welche wir bei den Knochenfischen gefunden haben, so ergiebt sich fast in jeder
Beziehung eine vollkommene Uebereinstimmung. Die Lage des Mesoderms als
eine bilaterale Zellmasse jederseits des das untere Keimblatt unmittelbar be-
rührenden Ektodermkeiles, die Spaltung desselben in zwei einschichtige Bliit-
ter: die Darmfaserplatte (Splanchnopleure: Balfour) und die Hautfaserplatte
(Somatopleure: Balfour), die Bildung von Urwirbelplatten und Seitenplatten,
das Auftreten der primaren Leibeshöhle im Kopf, bevor dieselbe im Rumpfe
vorhanden ist, der Zusammenhang der Keimblatter am hinteren Embryonal-
ende, die spatere Trennung der Urwirbelplatten von den Seitenplatten und die
gleich zu beschreibende Anlage des Herzens, verlaufen bei Knorpelfischen und
bei Knochenfischen in vollstandig übereinstimmender Weise. Nur sind bei den
letztgenannten alle Höhlungen sehr klein, wahrend dieselben dagegen bei den
erstgenannten verhaltnissmassig sehr gross sind.
Die weiteren Veranderungen der Urwirbel- und Seitenplatten hoffe ich spater
zu beschreiben, für den Augenblick will ich mich nur auf die ersten und allge-
meinen Leistungen der Keimblatter beschranken. Nur noch ein Wort über die
erste Anlage des Segmentalganges (Urnierengang), auf ihre weiteren Verande-
* J. Oeliacheb, 1. o. p. 76.
t T. M. Balfouk, Elasm. fishes.
-ocr page 38-
30
ZDR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
rungen komme ich spater zurück. Schon 1867 hat Rosenberg * in ganz
ausgezeiehneter Weise die Entwickelung der Teleostier-Niere, besonders nach
Untersuchungen an Hecht-Embryonen studirt. Nach ihm bildet sich der Segmen-
tal- od. Urnierengang (WoLFF\'scher Gang: Rosenberg) durch Abschnürung einer
ausgebuchteten Partie der Hautfaserplatte und ist nach ihm mit Recht in weiterer
Instanz vom mittleren Keimblatte abzuleiten. Seine Untersuchungen wurden spa-
ter von Oellacher f bei der Bachforelle bestatigt. Von derselben sagt er „die
obere Peritonealplatte erscheint zunachst links nabe ihrer Umschlagsstelle in die
untere Peritonealplatte nach oben ausgebaucht und diese Ausbauchung ist an ihrer
Basis gegen ihr eigenes Lumen beiderseits eingeknickt. Die obere Peritoneal-
platte mit ihrer Ausbauchung hat ganz die Form eines griechischen 12. Der
ausgebauchte Theil der oberen Peritonealplatte ist etwas dicker als der übrige
Theil derselben, er springt gegen die untere Flache der Urwirbel sowie gegen
die aussere der intermediaren Zellmasse vor und scheint beide einzudrücken.
Es ist kein Zweifel, dass diese Ausbauchung der oberen Peritonealplatte, deren
aussere und innere Umbiegungsstelle in den medialen und lateralen Theil der
ersteren schon fast bis zur Berührung genahert sind, in Begriffe steht sich ab-
zuschnüren. Wie die successiven Durchschnitte durch die vordere Rumpfgegend
zeigten, ist diese Ausbauchung nichts anderes als der Durchschnitt einer longi-
tudinalen Falte, der oberen Peritonealplatte, die nach ihrer völligen Abschnü»
rung ein Rohr darstellt, das den Urnierengang bildet." Auch Götte § giebt
von der Bachforelle an, dass der Urnierengang sich in seinem grossen ïheile
vom Parietalblatte abschnürt. Vergleichen wir jetzt die Entwickelungsgeschichte
des Urnierenganges bei den Knochenfischen mit der bei den Knorpelfischen, so
stossen wir hier auf einige Unterschiede. Balfour ** beschreibt die Anlage
des Segmentalganges bei den Elasmobranchii folgenderweise: „the first traces of
the urinary system become visible at about the time of the appearance of the
thirt visceral cleft. At about this period the somatopleure and splanchnopleure
become more or less fused together at the level of the dorsal Aorta and thus
each of the original plates of mesoblast becomes divided into a vertebral plate
and lateral plate. The mass of cells resulting irom this fusion corresponds with
"Waldever\'s intermeditate cell-mass in the Fowl. From this cell-mass a solid
knob grows ontwarde towards the epiblast. It is mainly, if not enterily, deri-
* A. Rosenberg, Untersuchungcu über die Entwickelung der Teleosteer-Niere. Dia*, inaug. Dorp. 1867-
f J. Oellacher, 1. c.
§ A. Götte, Entwickelungsge8chichte der Unke, p. 826.
** T. M. Balfour, 1. o.
-ocr page 39-
ZUE ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.                             31
ved from the somatic layer of the mesoblast. From this knob there grows
backwards a solid rod of cells, which kups in very close contact with the epi-
blast and is the comraencement of the segmental duet."
Wenn für die Bildung des Urnierenganges bei den übrigen Abtheilungen der
Wirbelthiere die Angaben der verschiedenen Autoren noch nicht in jeder Be-
ziehuug einstimmig sind, so kommen sie doch in der Hauptsache darin mit ein-
ander überein, dass bei allen der Urnierengang ein Product des Mesoderms und
zwar der Somatopleurenplatte desselben ist.
Nachdem wir also in grossen und allgemeinen Zügen die Leistungen der
Keimbliitter betrachtet haben, mussen wir jetzt noch einen Augenblick beim
Wachsthum am hinteren Ende des Embryo stillstehen. Das Schwanzende pro-
minirt als rundlicher Knopf und besteht durchaus aus indifferenten Zeilen, und
ein solcher Endhügel, an dem noch keine Differcnzirung stattgefunden hat er-
halt sich nicht allein wahrend der Dotterumwachsung, sondern auch bei dem
ferneren Langen wachsthum. Diesen Endhügel hat Oellacher als „Schwanz-
knospe", His als „Randknospe", Kupffer als „Endknospe", Balfour als „cau-
dal prominence" bezeichnet. Es scheint nun, dass an diesem Endhügel, den
ich mit Kupffer als Endknospe bezeichnen werde, die indifferenten Zeilen sich
nicht erst in Keimblatter sondern und aus so gesonderten Keimblattern die
verschiedenen Organanlagen hervorgehen lassen, sondern dass der Process der
Keimbhitterbildung hier übersprungen wird und dass die im vorderen Theil des
Embryo aus deutlich differenzirten Keimblattern angelegten Organe bei ihrem
weiteren "Wachsthum am hinteren Embryonalende unmittelbar aus den indiffe-
renten Zeilen der Endknospe sich herausbilden. Betrachten wir zuerst dieChorda.
Wir haben gesehen, dass sie aus dem unteren Keimblatte ihren Ursprung nimmt
und als ein rein entodermales Product von hinten nach vorne zu fortwachst. Den
Punkt, wo sie sich anzulegen anfangt genauer zu bestimmen, vermag ich für den
Augenblick nicht, indem mir die dazu erforderlichen Stadiën fehlen, doch kommt
es mir höchst wahrscheinlich vor, dass diese Stelle mit dem terminalen Ende des
Ektodermkeils zusammenfallt. Bei alteren Embryonen, sowohl bei solchen bei
denen sich der Schwan^ noch nicht abgefaltet hat, als bei denjenigen bei welchen
dies schon stattgefunden hat, habe ich indessen den Wachsthumsprocess nach
hinten etwas genauer zu studiren versucht. Taf. IV, Fig. 7 stellt einen Theil
eines senkrechten Langsschnittes vor, der gerade durch die Axe geht und einem
Embryo mit 24—26 Urwirbeln entnommen ist. Vorn ist die Chorda scharf
-ocr page 40-
32
ZUR 0NT0GEN1E DER KNO0HENFI8CHE.
und deutlich von dem Entoderm getrennt, iihnliches gilt von Chorda und Cen-
tralnervensystem. Verfolgt man nun die Chorda nach hinten, so bemerkt man, •
dass die Grenze zwisehen ihr und dem Entoderm immer undeutlicher wird und
endlich beide zusammenfliessen.
Je mehr man nach hinten kommt, um so mehr verlieren die Chordazellen
ihren eigenthümlichen Character. Wiihrend also Chorda und Entoderm am hin-
teren Embryonalendc schon sehr frühzeitig verschmelzen, oder besser gesagt, die
Chorda nach vorn zu noch eine ziemliche Strecke weit in continuirlichem Zu-
8ammenhang mit dem Entoderm bleibt, sieht man dagegen, dass die Grenze
zwisehen Chorda und Ektoderm (Centralnervensystem) sich viel weiter nach hin-
ten fortsetzt. Erst dann, wenn die Chorda schon so vollstandig mit dem Ento-
derm verschmolzen ist, dass beide nicht mehr von einander zu unterscheiden
sind, wird auch die Grenze zwisehen ihr und dem Centralnervensystem undeut-
licher, um endlich vollstiindig zu verschwinden, was aber erst völlig in der
Endknospe stattfindet. Dabei zeigt dann die Chorda dieselbe Eigenthümlichkeit,
wodurch sic sich auch in ihrer Anlage nach vorn zu auszeichnet, dass sie an-
fangs namlich viel dicker, breiter und grösser, als spiiter der Fall ist. Die
Chorda ist also ein Product des Entoderms, ihre Bildung fangt am hinteren.
Theil des Embryo an und ihre Entwickelung schreitet allmahlich nach vorn zu
fort; dabei bleibt dann die Chorda noch eine Zeit lang mit dem Entoderm
in continuirlichem Zusammenhang und schnürt sich erst spiiter vollstandig vom
unteren Keimblatt ab. Bei der Forelle beginnt aber die Entwickelung der
Chorda schon lange bevor der Parablast bis zum Aequator umwachsen ist.
Indem nun die Chorda nach vorn zu immer weiter sich anzulegen anfangt,
strebt das hinten Ende des Embryo immer mehr den, dem Keimpol gegenüber-
liegenden Pol zu erreichen, und derselbe wird, wie wir wissen, nach hinten von
der Endknospe begrenzt. Hand in Hand damit wiichst auch die mit dem un-
teren Keimblatt in ihrer Anlage continuirlich zusammenhangende Chorda nach
hinten und auch hier schnürt sie sich erst spater vom Entoderm ab. In
bestimmten Entwickelungsstadien findet man also im vorderen Theil des Em-
bryo noch keine Chorda, dann fangt ein Theil an, wo die Chorda in ihrer
Anlage begriffen mit dem Entoderm zusammenhiingt, darauf ein Theil, in welchem
die Chorda sich schon vollstandig vom Entoderm abgeschnürt hat, dann wie-
der ein Theil, in welchem die Chorda auf s neue mit dem unteren Keimblatte
wieder continuirlich zusammenhangt und dieser führt dann allmahlich in die
Endknospe über, die nur noch aus indifferenten Zeilen besteht.
Wiihrend also "im vorderen Theil des Embryo die Keimblatter scharf von
einander gesondert sind, wahrend sich hier nachweisen lasst, dass die Chorda
-ocr page 41-
ZUB ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                                        33
durcb Proliferation der Zeilen des Entoderms entsteht, uud vorher das Ektoderin
(Centralnervensystem) unmittelbar oberhalb des einschichtigen Entoderms lag,
sieht man dagegen, dass am hinteren Ende des Embryo die Keimbliitter sicb nicht
erst sondern, dass nicht erst das Ektoderm unmittelbar über dem einschichtigen
Entoderm liegt, sondern dass der proliferirende Entodermstrnng, aus welchem
spater die Chorda sich abgliedert, unmittelbar nach hinten gleich weiter wiichst
und je mehr man nach hinten kommt urn so weniger durch deutliche Grenze
von Ektoderm und Mesoderm gesondert ist, bis schliesslich in der Endknospo
jede Scheidung fehlt und man hier nur einen Haufen indifferenter Zeilen
antrifft.
Hat sich die Chorda von dem unteren Keimblatt gelost, darm bildet sich hier
nachher, auf die oben beschriebene Weise, durch Abfaltung der Darm, aber
diese Art der Darmbildung dauert nur so lange, als das Schwanzende des Em-
bryo noch nicht abgefaltet ist. Ist einmal dies Stadium erreicht, dann tritt auch
für den Darm ein etwas anderer Entwickelungsmodus ein, indem dann das Lu-
men des Darmrohrs in einen anfangs soliden Strang weiter wiichst (unteren
Theil der Endknospe), dabei gruppiren sich dann die Zeilen des Darmrohrs
bald in einschichtiger Lage und die Rückenwand des so gebildeten Darmrohrs
bleibt noch eine Zeit lang mit der Anlage der Chorda in continuirlichem Zusam-
menhang (vergl. Taf. IV, Fig. 4).
Schon eine Strecke weit vor der Endknospe horen die Urwirbel auf, das Mesoderm
bildet hier jederseits der mit dem Entoderm zusammenhangenden Chorda ein schart\'
von Entoderm und Ektoderm getrenntes, dickes Zellenblatt, je mehr man nach
hinten kommt, um so weniger scharf werden die eben genannten Grenzen, zuerst flies-
sen die Seitenflachen der Chorda mit dem unteren Theil der Mesodermstrange zu-
sammen, dann verwachsen allmilhlich die Seitcnfliichen des soliden Nervensystemes
mit dem obefen Tbeil der Mesodermstrange und endlich findet man nur einen Haufen
indifferenter Zeilen, was, wie wir wissen, in der Endknospe der Fall ist. Nur
die Grundschicht (inclusivo Deckschicht natürlich) bleibt an den lateralen Flachen
des hinteren Embryonalendes am langsten von den Mesodermstriingen getrennt,
wahrend eine vollstiindige Verschmelzung mit der oberen Fltlche des Centraluer-
vensystems schon viel früher eintritt, aber auch dies hort schliesslich auf. Es
wiederholen sich also hier ungeführ ühnliche Erscheinungen, wie ich dies für
das hintere Ende bei Vogelembryonen .beschrieben habe *, und auch hier
unterscheiden sich die Zeilen der Grundschicht am hinteren Ende des Embryo,
* C. K. Hoffmann, Ueber die Entwickelungsgesohiehte der Chorda dorsalis.
A 5
KA.TUUKK. VKitII. DER XON1NKL. AK.ADhJlIK. DEEL XXIIÏ.
-ocr page 42-
34                                       ZÜK ONTOGENIE DEK KNOCHENFISCHE.
durch ihre eigenthümliche hohe Gestalt, was man auch in der Hornschicht bei
Embryonen von Vögeln und Reptilien in ahnlicher Weise antrifft.
Bevor wir das Kapitel über die Leistungen der Keimblatter verlassen, müs-
sen wir erst noch von zwei Organen etwas mittheilen, und zwar von der
Allantoisblase und von der Anlage des Herzens. Ueber die erstere kann ich
für den Augenblick nur sehr wenig mittheilen. Bekanntlich wurde dieselbe
zuerst von Kupffer * beschrieben und als solche bezeichnet. Spatere Beo-
bachter haben ihre Existenz theils wieder angezweifelt, theils direct geleug-
net, letzteres z. B. geschah von Rosenberg f. Üie Hlase ist nacb Kuppfer
gut wahrzunehmen an den Eiern von Gasterosteus aculeatus, Spina*
chia vulsraris, Clupea harengus, Esox lucius, Perca fluviatilis,
Acerina cernua, Cyprinus brama, weniger deutlich bei den Gobius-
Arten. Van Bambeke § bestatigt ihr Vorkommen bei Leuciscus rutilus.
Ich selbst fand dieselbe beim Hering und Hecht, bei Sc o r pa en a, Julis,
Crenilabrus, Heliasis, Fierasfer, Blennius, mehreren Gobius-Arten
und bei zahlreichen anderen Knochenfischembryonen, die im Golfe von Neapel
und bei Messina pelagisch gefischt wurden, die ich aber nicht naher determini-
ren konnte. Ihre Existenz steht also, wie ich glaube, wohl ausser Zweifel. Ihre
Anlage und Rückbildung habe ich bis jetzt noch nicht weiter studirt, so dass
ich auch über ihre Bedeutung nichts zu sagen im Stande bin. Obgleich ich
durchaus nicht zweifle, dass sie auch bei der Forelle vorkommt, habe ich
dies indessen noch nicht untersucht, finde jedoch bei Kupffer ** angegeben,
dass .1. Meyer (der praktische Fischztichter) sehr bestimmt die Blasé an einem
Lachs-Embryo zeichnet. Auch Henneguy ff bestatigt ihr Vorkommen bei
Spin ach ia, und von der Forelle sagt er: „Sur des oeufs de Truite dont Ie
blastoderm avait recouvert un peu plus de la moitié du globe vitellin j\'ai trouvé
a la partie postérieure de 1\'embryon, au-dessus du point oü s\'arrete la corde
* Kupffer, Untersuchungen über die Entwickelung des Hara- und Geschlechtssystems. 8. Die
Allantois der Knochenfische; in: Archiv für microat. Anatom., Bd. II, p. 478, 1866.
f ROSENBERG, 1. C.
$ Van Bambeke, 1. c.
** Kupffer, 1. c. (Entw. des Herings).
tt L. T. Henneody, Note sur quelques faits relatifs aux premiers phénomèues du développement
des poissons osseux; in: Extrait du Buil. de la Société phüomatique de Paria. 1880.
-ocr page 43-
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
35
dorsale, une petite vesicule tapissée par des cellules cylindriques. Cette vesicule
me paraït être identique a celle que Kupffer a décrite sous Ie nom d\'allantoïcb
chez 1\'Epinoche." Genauere Angaben über die Anlage und Entwickelung die-
ser höchst eigenthümlichen Blasé hoffe ich spater zu geben.
Etwas mehr kann ich über die Entwickelung des Herzens raittheilen. Für
den Augenblick beschranke ich mich auch hier wieder nur auf die erste Ent-
wickelung desselben. Die erste Anlage des Herzens bestebt in der Bildung
eines Endothelium, welches ein Product des Entoderms ist. Sobald niimlich
die Splanchnopleuren unterhalb des schon gebildeten und abgefaiteten Kopfdar-
mes einander in der Mittellinie fast erreicbt liaben, fiingt die Bildung des Herz-
endothelium au. Man bemerkt niimlich, dass in diesem Stadium der Entwickc-
lung zwischen den beiden Splanchnopleuren ein ïïaufen Zeilen entsteht, die in
Form und Gestalt so vollstandig denen des Entoderms des Nahrungsdotters glei-
chen und mit dicsen zum Theil auch noch in einer so innigen Berührung sind,
dass es nach meiner Meinung wohl nicht zweifelhaft ist, dass dieselben durch
Proliferation der hier gelegenen Zeilen des Entoderms des Parablastes entstanden
sind, besondcrs auch da die cylindrisohen Zeilen der Splanchnopleuren überall
Bcharf begrenzt sind und nirgends eine Spur vou Zusammenhang mit dieseu
Endothelzellen zeigen (vergl. Taf. II, Fig. 9).
In einem nur etwas spatern Entwickelungsstadium gruppiren sich diese Eu-
dothelzellen zu einer Art Röhre oder plattgedrückten, schlauchförmigen Cannl
(Taf. III, Fig. 4), dessen Lumen bald an Grosse zunimmt. Indem nun be-
sonders der Breitedurchmesser dieser Röhre wachst und gleichzeitig auch dio
Splanchnopleuren beiderseits immer mehr sich in der Mittellinie zu vercinigeu
suchen, mussen natürlich die Seitenrander dieser Endothelröhre die Splanchnu-
pleure jederseits vor sich einstülpen (Taf. IV, Fig. 6) und so wird dieselbe al!-
mahlich von der Splanchnopleure jerlerseits umlagert. Wie gesagt, wachsci
die Splanchnopleuren aber immer mehr nach einander zu, erreichen schliesslicii
einander, um dann mit einander zu verschmelzen. Ist dies Stadium erreicht, so i*t
zu gleicher Zeit uatürlich auch das Endothelialrohr vollstandig von den Splauchno-
pleuren umwachsen und dieser von den Splanchnopleuren herstammende Ueberzng
bildet das Myocardium. Das Herz besteht also aus zwei Schichten, einer ausseren
oder der spa teren musculösen Herzwand, welche von den Splanchnopleuren des
Mesoderms herrührt und einer inneren Schicht, der endothelialen Bekleidung, dio
von dem Entoderm des Parablast stammt. Dasselbe liegt, wie wohl nicht wei-
-ocr page 44-
36                                   ZÜE ONTOGENIE DEK KNOCHKNFISCHE.
ter erörtert zu werden braucht, in der durcli die Verschmelzung des linken und
rechten secundaren Coeloms entstandenen unpaarigeu Leibeshöhle, die man hier
als Pericardialhöhle bezeichnen kann. Kaum aber ist dies Stadium erreicht, so
verschwindet, die Pericardialhöhle, d. h. der vordere Theil des secundaren un-
paarigen Coeloms, indem sich die Zeilen, welche die in Rede stehende Höhle
begrenzen einander und dem jetzt gebildeten Herzen unmittelbar anzulegen an-
fangen. Erst in einem viel spateren Entwickeiungsstadium wird die Pericardial-
höhle wieder deutlich sichtbar.
Eng verknüpft mit der Frage tiber die erste Anlage des llerzens ist die über
die Entstehung des Blutes. Die Beantwortung derselben ist, wie Kölliker sagt,
eine der schwierigsten der ganzen Embryologie, und auch ich mache in kcinem
Falie Anspruch darauf, dieselbe gelost zu haben. Die Knochenfische sind indes-
sen in Beziehung zu diesem schwierigen Thema von sehr grosser Bedeutung.
Allererst glaube ich, dart\' man wohl fragen, spielen die freien Kerne des Pa-
rablast bei der Blutbildung eine Rolle oder nicht? Denn liesse sich wirklich
nachweisen, dass dieselben die Ursprungsstiitte der Blutkürperchen waren, dann
würde dadurch ein höchst merkwürdiges Licht auf die Blutbildung geworfen,
indem dann gleichzeitig mit der Theilung der Eizelle in Archiblast und Parablast,
in Bildungsdotter und Nahrungsdotter, das erste Blutkürperchen geboren würde.
Mit vollkommener Bestimmtheit zu sagen, dass die freien Keme des Parablast
sich durchaus nicht an der Blutbildung betheiligen, wage ich nicht, es sprechen
aber alle Beobachtungcn und alle Wieoretischcn Gründe dagegen und keine da
für. Sehen wir erst wie die freien Kerne des Parablast bei der weiteren Ent-
wickelung des Embryo sich verhalten. Dass sie nicht an der Bildung der Keim-
bliitter sich betheiligen, dass aus ihnen nicht das Entoderm entsteht, wie dies
von Kupffer u. A. angegeben ist, haben wir schon früher gesehen. Auch dann,
wenn das Entoderm sich schon deutlich als eigenes Blatt abgesondert und der
Darm sich schon vollstandig gebildet hat, triflft man immer noch die freien
Kerne in sehr grosser Zahl, besonders unterhalb der Embryonalanlage resp. des
Embryo an. Am zahlreichsten und dichtesten zusammengehiluft liegen sie unter
der Endknospe, dort also wo fortwahrend eine sehr rege Zellcnbildung statt-
findet, sie sind wie in früheren Entwickclungsstadien durch ihre eigenthümliche
Form und ausserordentliche Grosse auffallend zu unterscheiden. Hat sich das Herz
gebildet, fangt es zu pulsiren an, und zeigen sich schon die ersten Blutkörper-
chen im Kreislauf, so bemerkt man auch nicht die geringsten Veranderungen an
diesen freien Kernen, weder was ihre Anzahl, noch was ihre Grosse betrifft.
-ocr page 45-
37
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
Uebergangsstadien, welche man doch antreffen müsste, wenn sich aus denselben
die Blutkörperchen bildeten, habe ich nie gesehen, und doch müsste es nicht
schwierig sein dieselben zu finden, falls wirklich die freien Kerne in die Blut-
körperchen sich umbildeten, besonders wenn man bedenkt, dass die letzteren,
verglichen mit der betriiehtlichen Grosse der freion Kerne des Nahrungsdotters,
sehr klein sind. Bei ausgeschlüpften Forellcn-Embryonen, bei welchen bekannt*
lich die Blutkörperchen schon in sehr grosser Zahl vorhanden sind, trifFt man
immer noch die freien Kerne im Nahrungsdotter an, und so weit es erlaubt
ist, aus einer Schatzung auf ihre Anzahl zu schliessen, scheint dieselbe nicht
vermindert.
Das endliche Schicksal der freien Kerne habe ich noch nicht studirt, sodass
ich darüber noch nichts mittheilen kann. Aus dem oben mitgetheilten geht aber
hervor, es spreche nichts zu Gunsten der Annahme, dass die freien Kerne des
Nahrungsdotters die Bildungsstlitte der Blutkörperchen sind, oder dass die Blut-
körperchen sich aus denselben entwickeln. Aber es sind mehrere Gründe,
welche gegen eine solche Annahme sprechen.
In seiner Entwickelungsgeschichte des Herings theilt Kupffer die sehr inte-
ressante Beobachtung mit, dass bei jungen Heringen, auch nachdom der Dotter
vollstündig resorbirt war, keine Spur von Blutkörperchen, d. h. weder gefarbte,
noch farblose Körperchen sich in dem wasserklaren Serum fanden.
In der zoologischen Station in Neapel habe ich ebenfalls mehrere Male Em-
bryonen von Scorpaena, Julis und Fierasfer gezüchtet, bis zu dem Sta-
dium, in welchem der Nahrungsdotter fast vollstilndig verschwunden war, ohne
dass sich auch hier eine Spur von Blutkörperchen nachweisen Hess; es gelang
mir aber nicht, dieselben so lange am Leben zu erhalten, bis der Nahrungsdotter
vollstündig aufgezehrt war, so dass für diese wichtige Frage die Mittheilungen
von Kupffer von viel grösserem Gewicht als die meinigen sind. Wenn man
nun weiter bedenkt, dass Amphioxus und die Siiugethiere keinen Nahrungs-
dotter haben, dass also hier die Bildung des Blutes auf einer ganz anderen
"Weise als bei den mit einem Nahrungsdotter verschenen Vögeln, Reptilien,
Knorpel- und Knochenfischen vor sich gehen muss, um für den Augenblick die
Amphibien, Ganoiden und Cyclostomen ausser Acht zu lassen, dann glaube ich,
wie gesagt, dass auch nicht ein Grund zu Gunsten der Annahme anzuführen
ist, dass die Blutkörperchen sich aus den freien Kernen des Parablast entwickeln,
sondern dass wohl das Gegentheil daraus hervorgeht.
"Welchen Werth haben dann, darf man fragen, die freien Kerne des Nahrungs-
dotters, welche ist ihre physiologische, welche ihre morphologische Bedeutung?
Ueber die erstere kann ich nur das wiederholen, was ich darüber schon früher
-ocr page 46-
38
ZÜR ONTOGENJE DER KNOCHENFISOHE.
gesagt habe, das namlich höchstwahrscheinlich die an diesen freien Kernen
so überaus reiche Protoplasmaschieht des Nahrungsdotters als die Werkstiitte
zu betrachten ist, welche die Bestandtheile des Nahrungsdotters, des Parablast,
assimilirt, urn sie den Zeilen des Archiblast, des Bildungsdotters und dem aus
ihm entwickelten Embryo in einer für die Ernahrung geeigneteren Form zu über-
mitteln. Die morphologische Bedeutung scheint mir einfach diese zu sein: bei
den Knochenfischen ist in dem Nahrungsdotter die Zelltheilung weggefallen,
es ist einfach zu Kerntheilung gekommen, anstatt dass der Nahrungsdotter sicn
in eine grosse Zahl kleinerer Zeilen getheilt bat, wird er einfach in eine grosse,
vielkemige Zelle
umgewandelt. Zur Stütze dieser Ansicht branche ich einfach
an die Entwickelungsgeschichte von Lepidosteus zu erinnern, von welcher
Balfour und Parker * sagen: „The Segmentation is complete, though very
unequal, the lower pole being very slightly divided into segments, and its
constituent parts subsequently fusing together to form an unsegmentcd mass of
yolk, like the yolk-mass of Teleostei."
Wenn also die freien Keme von der Blutbildung ausgeschlossen sind, woher
stammen die Blutkörperchen dann ? Auf dieser Frage glaube ich nun folgende
Antwort gehen zu können: die Blutzellen entstehen aus dem Endothelium des
Herzens. Man findet namlich, dass in dem Entwickelungsstadium, in welchem
sich die ersten Blutkörperchen im Kreislauf zeigen, die Wande des EndotheU
rohrs nicht mehr wie in einem früheren Entwickelungsstadium scharf begrenzt
sind, sondern man sielit die abgeplattcten, im Querschnitt stark spindelförmig
erscheinenden Endothelzellen nach dem Lumen des Herzens zu, Sprossen trei-
ben, welche allmiihlig, nachdem sie eine runde Gestalt angenommen haben,
abgeschnürt werden, in die Herzliöhle gelangen und so die ersten Blutzellen
bilden (Taf. III, Fig. 6). Demnach sind also die ersten Blutzellen nichts an-
deres als Theilungsproducte der Endothelzellen. In einem wieder etwas sptiteru
Entwickelungsstadium, wenn im Kreislauf schon eine grosse Anzahl von Blut-
körperchen vorhanden sind, findet man die endotheliale Auskleidung des Her-
zens wieder vollkommen glatt.
Was von den früheren Autoren über die Anlage und Entwickelung des Her-
zens mitgetheilt ist, können wir mit Stillschweigen überegehen. Erst nach-
* F. M. Balfour and W. N. Pakker. On the Structure and Development of Lepidosteus.
Jroc. royal Society N. 217. 1881.
-ocr page 47-
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.                                39
dem wir eine genauere Kenntniss der Keimblatter bei den Knochenfischen be-
sitzen, Hessen sich auch über die Bildung des Herzens, wobl einen der schwie-
rigsten Theile in der Entwickelungsgeschichte der Knochenfische, pracisere An-
gabon erwarten. Auch ist es nur mittelst der Querschnittmethode möglich, dass
man über diesen schwierigen Punkt Klarheit schaffen kann. Ich habe demnach
nur zwei Autoren zu erwalinen, namlich Oellacher * und Küpffer f. Der
erstgenannte sagt über die Entwickelung des Herzens bei der Bachforelle folgendes:
„lm Bereiche des Kopfendes der Chorda tritt unter dem Darm eine breite Masse
polygonaler Zeilen auf. Diese Zellmasso erfüllt den Raum zwischen Darm und
Dotter einerseits und zwischen den medialen Umbeugungsstellen der linken und
rechten oberen in die betreffenden unteren Pericardialplatten anderseits, sie stellt
die solide Anlage des Herzens dar. Nach unten convex gegen den Dotter vor-
springend, wird sie oben von der unteren convexen Flache des Darmes einge-
drückt und stellt also eine convex-concave Masse dar. Nach aussen setzt sich
diese Zellmasse unter der unteren Pericardialplatte in einfacher Lage auf dem
Dotter fort, erreicht aber mit ihrem peripheren Ende die Mitte diescr Platte
nicht." Oellacher halt es für das wahrscheinlichste, dass jene Zellmasse aus
den Kopfplatten herausgewachsen sei und zwar von vorn aussen und oben nach
hinten, unten und innen. Anfangs reichen nach ihm die Pericardialplatten nur
unmittelbar vor dem Herzen bis fast ganz an die Medianebene, in wenig spatern
Stadiën sollen dann nach ihm die Pericardialplatten der linken und rechten
Seite an dieser Stelle mit einander verschmelzen, sodass die beiden seitlichen
Höhlen hier unter einander communiciren. Hierbei erhalt aber auch die vor-
dere Flache der Herzmasse einen vollstandigen Ueberzug von den Pericardial-
platten, der sich nach vorn zu oben auf die untere Flache des Darmdrüsen-
blattes, unten auf den Dotter fortsetzt. Die Verschmelzung der Pericardial-
platten in der Mittellinie schreitet dann nach Oellacher\'s Mittheilungen immer
wei ter fort, sodass die paarigen Höhlen vor dem Herzen in immer grösserer
Ausdehnung in einander fliessen und eine unpaarige Höhle bilden. Schliesslich
stellt nach ihm die Pericardialhöhle auch in ihrem hinteren Abschnitte eine
unpaarige Höhle dar und die Herzmasse hat daher jetzt auch hinten einen
Ueberzug von der Pericardialplatte. Nachdem das Herz seine solide Anlage
erhalten hat, geht in ihr eine Lockerung der Zeilen vor sich, von derjedoch der
peripherische Theil derselben nicht berührt wird. Die peripherischen Zeilen
bleiben oben an der unteren Darmwand haften.
* Oellacher, 1. c.
f Küpffeb, 1. o. (Entw. des Ilcrings).
-ocr page 48-
40
ZÜR 0NTOGENIE DER KN0CHENFI3CHE.
Endlich bleibt noch eine Schicht von Zeilen der primitiven Herzanlage nach
Oellacher\'s Mittheilung auf dem Dotter liegen, stösst links und rechts an die
Bekleidungsschicht der Umbieguugsstellen der Pericardialplatten und setzt sich
unterhalb der letzteren auf dem Dotter eine kleine Strecke weit fort."
Wenn ich mich auch in mancher Beziehung Oellacher nicht anschliessen
kann, wie aus dem oben Mitgetheilten genügend hervorgeht, so sind seine Au-
gaben doch viel mehr der Wahrheit getreu als die Mittheilungen von KüPFFER.
„Nach dem, so sagt Kupffer, was ich vom Ei des Hechtes und Herings sehe
und nachtraglich auch beim Stiohling crkannt habe, vollzieht sich die Bildung
des Herzens ganz übereinstimmend mit der beim Kaninchen, nach Heksen\'s
schonen Beobachtungen. Man könnte seine Fig. 3 (der Taf. I, Archiv f. Ohrenh.,
Bd. VI) geradezu für den Hecht substituiren, wenn man die Herzanlagen
naher an den Stamm des Embryo heranrückt und die seitlichen Ausstülpungen
der Vorderdarmanlage verkürzt.
Für die ersten Anfange liisst sich nichts erreichen bei Untersuchung eines
Eies in Profillage des Embryo. Dagegen sieht man die Hauptsache ganz gut,
wenn man genügend durchsichtige Fischeier so wendet, dass der Embryo oben
liegt und die Partie des Rumpfes gleich hinter der Gehörblase in die Axe des
Mikroskop\'s föllt. Das erste ist die Bildung der Pericardialhöhlen, durch Spal-
tung im Mesoderm. Indem diese Hohlriiume Flüssigkeit aufnehmen, erscheinen
sie sehr deutlich jederseits vom Rumpf als zwei helle Felder von rechteckiger
Begrenzung. Die beiden Wande dieser Raume (Haut- und Darmfaserplatte) be-
nennt man zweckmassig mit Oellacher als obere und untere Pericardialplatte.
In wenigen Stunden sieht man dann innerhalb dieser Pericardialhöhlen zwei
erst engere, dann sich erweiternde Schlauche entstehen, deren hintere Enden
bis hinter das Gehörbliischen und hart an den vordersten Urwirbel reichen,
wahrend die vorderen Enden sich in der Gegend der Grenze von Mittel- und
Hinterhirn unter den Embryo schieben. Beide Schlauche convergiren also gleich
anfanglich nach vom. Man kann deutlich bemerken, dass jeder Schlauch eine
nach oben geschlossene, nach unten und medialwarts offene Rinne ist, entstan-
den durch Einstülpung der betrachtlioh verdickten unteren Pericardialplatte
nach oben, in die Pericardialhöhle hinein. Dieser eingestülpte Theil der Platte,
das Muskelrohr des Herzens, enthalt innerhalb der Lichtung eine zweite viel
dunnere, die erstere zunachst nicht tangirende Einstülpung, das Endothelrohr.
In das letztere, das wie das erstere zunachst nach unten und medialwarts
offen ist, sieht man Zeilen einwandern, die durch Faden unter einander zu-
sammenhangen. Man kann die Fortbewegung derselben verfolgen. Es sind
dies nicht etwa Blutzellen. Zur Erlauterung des Mitgetheilten verweist Kupffer.
-ocr page 49-
41
ZQR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
dann nach einer Zeichnung, welche einen Schnitt eines Hechtembryo aus dem
11. Tage vorstellt, und durchaus, wie er sagt, die Anschauung bestiitigt, welche
er sich aus der unmittelbaren Beobachtung von Embryonen in situ gebildet hat,
und mit genügender Sicherheit anzunehuien gestattet, dass Hie Aneinanderlage-
rung und der Verschluss beider rinnenförmigen Schltiuche sich nach der Weise
vollziehen wird, die wir jetzt vom Kaninchen kennen.
Die ganze Beschreibung, welche Küpffer von der Bildung des Herzens
giebt, so wie seine beigefügte Abbildung des Hechtembryo, haben aber mit der
wirklichen Anlage des Herzens nichts zu thun, sondern stellen uns einfach die
Anlage des embryonalen Spritzloches vor, deren Bedeutung aber Kupffer ver-
kannt hat. Welche Bedeutung die Schichten haben, die Kupffer mit en, ed
und iip bezeichnet, weiss ich nicht, aber es ist meiner Meinung nach wohl
nicht zweifelhaft, dass die von hohen Cylinderzellen gebildete paarige Ausstül*
pung ms, die paarige Anlage des embryonalen Spiraculum vorstellt.
Das Herz wird nicht, wie Kupffer angiebt, bei den Knochenfischen paarig an-
gelegt, sondern wohl wie bei den Selachiern unpaarig; es bildet sich erst dann,
wenn der Kopfdarm sich schon vollstiindig abgeschnürt hat, und nicht, wie aus
Kupffer\'s Abbildung hervorgeht, wenn von einer Darmanlage noch keine Spur
vorhanden ist.
Vergleichen wir die Anlage des Herzens bei den Knochenfischen mit der bei
den Knorpelfischen, so finden wir auch hier wieder vollkommene Uebereinstimmung,
wie aus Balfoür\'s Untersuchungen hervorgeht. Das Herz wird einfach angelegt,
bei den Plagiostomen, wie wir durch Balfour * wissen, bei den Ganoiden, wie
aus Salensky\'s f Mittheilungen sich ergiebt, bei den Knochenfischen, wie aus
Oellacher\'s§ Untersuchungen, so wie aus den meinigen hervorgeht und ahn-
liches hat Götte ** für die Amphibien angegeben. Dagegen liegen noch keine
genaueren Angaben fiber die Bildung des Herzens bei den Cyclostomen vor. —
"Wie sich die Reptilien in dieser Bcziehung verhalten, wissen wir noch nicht.
Bei den Vögeln und Saugethieren dagegen wird das Herz doppelt angelegt, wie
* F. M. Balfour, Developm. of Elasmob. Fishes, 1878 und A. Treatise of Comparat. Embryol. 1880.
f Salensky, Recherches sur Ie développemcnt du Sterlet (Acipenser ruthenus); in: Archw de Bi-
ologie.
T. II, p. 233. 1881.
$ J. Oellacher, 1. c. (Zeittchrtft f. tcisê. Zool. Bd. XXIII).
** A. Götte, Entwiokelungsgeschichte der Unke. 1875.
A 6
KATUURK. VERH. DEK KONINKL. AKADKMIE. UEEL XXIII.
-ocr page 50-
42
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.
die Untersuchungen von Gassek *, Götte f, Heksen § und Külliker** gelehrt
haben. Bei den Amniuten wird das Herz angelegt, nachdem der Kopfdarm sich
schon abgefaltet hat, bei den Anamnia noch bevor sieh derselbe zu bilden an-
fangt, wenigstens gilt die» für die Vogel und die Siiugethiere, für die Reptilien
liegen noch keine Angaben vor.
Weniger bestimmt als die Mittheilungen der verschiedenen Autoren über die
Anlage des Herzens selbst sind die über die Bildung des Endothel desselben.
Bei den Plagiostomen sagt BALFOUB von demselben: „the cavity of the heart
is circumscribed by a more or less complete epithelioid (endothelial) layer of
Hattened cells, connected with the splanchnic wall of the heart by protoplasma-
tic processes. The origin of this lining layer I could not certainly determine,
but its connection with the splanchnic mesoblast suggests that it is probably a
derivative of this." Und an derselben Stelle sagt er vom Huhn: „From obser-
vations on the developmo.nt of heart in the Fowl, I have been able to satisfy
myself, that the epithelioid lining of the heart is derived from the splanchnic
mesoblast. Wenn the cavity of the heart is being formed by the separation of
the splanchnic mesoblast from the hypoblast, a layer of the former remaius in
close to the hypoblast, but connected with the main mass of the splanchnic
mesoblast by protoplasmatic processes." Balfour neigt sich also mehr zu der
Meinung hin, dass das Endothel des Herzens ein Product des Mesoderms ist.
Dagegen scheint Götte, wenn ich ihn wohl verstehe, bei der Unke das Endo-
thel vom unteren Keimblatt abzuleiten, denn er sagt: „die eigentliche Herzhöhle
ist in der Lücke zu suchen, welche zvvischen dem sich hebenden Darmblattboden
der Schlundhöhle und der von den Kiemenbögcn gleiehsam herabhangenden Sei-
tenplatte, genauer gcsagt deren Visceralblatte entsteht. Wahrend diese beiden
Bliitter auseinanderweichen, lost sich eine lockere, nicht zusammenhangende
Schicht vom Darmblatte ab, um vielleicht in Verbindung mit einigen vom
Visceralblatte stammenden Bildungszellen eine zarte, zunachst blos untere und
* E. Gasser, Ueber die Entstehung des Herzens beim Huhn; in: Archiv f. mikrotk. Anatomie
Bd. XIV, p. 459. 1877.
t A. GÖTTE, 1. C.
§ v. Hensen , Beobachtungen über die Befruchtung und Entwickelung des Kaninchens und
Meerschweinchens. Zeitschrift für Anat. und Enttcicklg. Bd. I, p. 1876.
** A. Kölliker, Entwickclungsgescliiclitu des Menschen und der Thiere. 1879. Aufl.
-ocr page 51-
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                               43
seitliohe Auskleidung der primitivcn Herzhöhle zu bilden. Aehnliehes gilt auch
von Hensen\'s Mittheilung über die Alliage der Herzens beim Kaninehen, wenn
er sagt: „in dem sonst ungetheilten Mcsoblast sieht man eine Spalte, welche
offenbar zuni Coelom gebörig, die erste Spur des Pcrieardialraumes ist. Darunter
liegen ein Paar Zeilen des Gefössblattes, welche das Endothel des Herzens be-
stimmt eind. Sehr bald erweitert sieh die (primitivc) Pericardialhöhle and darauf
gestalten sich die darunter liegenden Endothelien zn einem Canal mit im Durch-
schnitt runder Oeffnnng." Bei Gasser und Kölliker finde ich über die Anlage
der endothelialen Auskleidungsmembran des Herzens keine bestimmten Angaben,
ob dieselbe ein Product des Mesoderms oder des Entoderms ist.
Ueber die Mittheilungen der alteren Autoren wie K. E. von Baer, Lere-
bouillet, Voot und Aubert, in Beziehung zu der Frage, wie die ersten Blut-
körperchcn entstehen, werde ich nicht niiher eingehen, sondern fange mit Kupffer *
an. Kupffer hat die Blutbildung an Eiern von Gaste rosten 8 und S pi-
na ch ia genauer studirt, doch batten wir in der Zeit, aus welcher seine Un-
tersuchungen herrühren, noch keine klare Yorstcllung über die Bildung der
Keimbliitter bei den Knochenfischen.
In einer schon von Aubert f angegebenen Zeit sah Kupffer die bereits von
dem ebengenannten Forscher beschriebenon, kleinen, runden, stark lichtbrechen-
den kerniihnlichen Körperchen auftretcn, aus denen, wie er bestiitigt, sowohl
die Blutkörperchen als auch die Pigmontzollen der Haut entstehen. Am Anfang,
sagt er, sind sic ganz gleichmtissig und dann fangen die einen an, kleine Spitzen
zu treiben, platten sich dabei et was ah, werden alliniihlich sternförmig, verlieren
den Glanz, lassen ihre Kerne dann hervortreten und entwickeln noch vor dem
Ausschiüpfen Pigment. Die anderen bewahren ihre erste Beschaffenheit, bis sie
in Circulation gesetzt werden. Dann beginnt allmahlieh die Röthung, die Ge-
staltveriinderung, wodurch sie sich den entwickelten niihern, tritt nicht gleich-
zeitig, sondern spiiter ein. Bei Gasterosteus und Spinachia liegen die
beiderlei Gebilde (Blutzellen und Pigmentzellen) zwischen dem mittleren und
dem dritten Blatte auf beiden Dotterhiilften, die Vermehrung erfolgt dann leb-
hafter auf der rechten. Nach dem Schluss des Dotterloches verschwindet der
Kranz besonderer Zeilen, den der Keimsaura bis zuletzt um das Dotterloch ge-
* Kupffer, 1. c. (Jrchiv f. mikrotk. Anat. Bd. IV).
t Aubert.
*
-ocr page 52-
44
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHEN FISCHE.
bildet hat und zwar zum Theil durch Momente, die wir hier nicht weiter zu
besprechen haben, zum Theil aber auch durch Zerstreuung. Dasselbe gilt von dem
den Embryo umgebenden Embryonalsaume. Von dem letztern lagert sich nahm-
lich eine tiefere Lage zwischen dem mittleren Keimblatte und dem dritten, um
bald in dem zwischen beiden Bliittern sich befindenden Raum sich zu zerstreuen.
Spater werden sie undeutlicher und stehen weiter von der Schlussstelle des
Dotterloches ab als vorher. Hierbei erfolgt zugleich eine eigenthümliche Vermeh-
rung, die namentlich bei Spinachia gut zu sehen ist, aber auch bei Gas te-
ros teus wahrgenommen wurde und es sind nun die so zerstreuten und ver-
mehrten Zeilen, aus welchen, wie Aubebt bereits bemerkt, die Pigmentzellen
und Blutkörperchen werden.
Die Mittheilung Kupffeb\'s, dass beim Hering-Embryo, auch nachdem der
Dotter schon verschwunden ist, noch keine Blutkörperchen in der Circulation sich
befinden, wurde schon erwahnt.
Nach Gensch* bildet den Mutterboden für die Blutkörperchen der (Knochen-)
Fische, die auf dem Dottersack entstehen, jene Schicht, die Kupffeb neuerdings
als secundares Entoderm bezeichnet (Zool. Anz. 1879), d. h. die tiefste, unmit-
telbar dem Dotter aufliegende Zellenschicht, aus welcher Kupffeb auch das
Darmepithel der Fische hervorgehen lasst. Dies secundiire Entoderm bildet nach
Gensch hier auf dem Dottersack keine zusammenhangende epithelartige Schicht
von Zeilen, sondern eine granulirte Substanz, in welche grosse, plasmodienartige
Zeilen mit einem oder mehreren Kernen eingebettet sind. Diese Zeilen von
ausserst variabler Form hangen durch Auslaufer mit einander zusammen. Von
diesen grossen, platten, eigenartigen Gebilden schnüren sich nach ihm die ersten
Blutkörperchen ab, als bedeutend kleinere rundliche Gebilde. Gensch lasst dem-
nach die Blutkörperchen aus den freien Kernen des Parablast ihren Ursprung
nehmen, denn es ist wohl nicht zweifelhaft, dass die von ihm beschriebenen
grossen, plasmodienartigen Zeilen den in Rede stehenden freien Kernen des Pa-
rablast entsprechen. Bei den Knorpelfischen lasst auch Balfoüb die Blutkör-
perchen aus den freien Kernen des Nahrungsdotters entstehen.
Eine sehr eingehende Arbeit über die Blutbildung bei den Vögeln verdanken
wir Disse f, welcher auch sehr ausführlich die auf diese Frage bezügliche
Literatur behandelt. Das Resultat seiner Untersuchungen ist folgendes: „das
* H. Gensch, Die Blutbildung auf dem Dottersack bei Knochenfischen. Vorl. Mitth; in: Archio
für mikroak. Anat.
Bd. XIX, p. 144. 1881.
f J. DisaE, Die Entstelmng des Blutes und der ersten Gefasse m Hühnerei; in: Archiv für mi»
krotk. Anat.
Bd. XVI, p. 545. 1879.
-ocr page 53-
45
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
Blut entsteht weder aus Dotterelementen des Keimwalls, wie Hls will, noch
aus Furchungszellen, die von der Keimhühle her in den Keimwall einge-
wandert sind, wie Götte angegeben hat. Auch trilt nicht im Keimwall, son-
dern auf dem Keimwall, im peripherischen Theil des Mesoblasten die Blut-und
Gefassbildung ein; es entstehen nur im mittleren Keimblatt, keineswegs unab-
hangig von demselben die Blutkörperchen and die ersten Gefasse."
Köllikeh * behandelt in seinem priichtigen Handbuch ebenfalls sehr ausführlich
die Blutbildung und die erste Gefassanlage beim Hühnerembryo. Die letzteren
entstehen nach ihm als solide Strange im Mesoderma der Area vasculosa. Die
Blutzellen selbst entstehen in sogenannten Blutinseln, integrirenden Theilen der
Gefasse, die man sich, wie er angiebt, am besten als verschiedenartiggestaltete,
meist rundliche, lilnglichrundc oder strangförmige Verdickungen der Gcfiisswand
denken kann. Anfangs ganz und gar aus denselben Zeilen gebildet, wie die
primitive Gefasswand, entwickelt sich bald eine Differenzirung in der Art, dass
die Blutheerde da wo sie dem Gefassl urnen zugewendet sind, etwas plattere
Zeilen erhalten, die den Endotholzellen der Gefasswand gleichen, wiihrend sie
im Innern und sonst mehr aus runden Zeilen bestehen. Die Bildung derBlut-
zellen selbst geht dann nach Kölliker in ungemein einfacher Weise vor sich.
Anfangs den übrigen Zeilen der Gefassanlagen ganz gleich, rund, kernhaltig,
mit dunklen Körnchen, werden dieselben erst blasser und dann intensiver ge-
farbt, wobei sie nach und nach auch die Körnchen verlieren.
Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich also, dass besonders über die Blutbildung
die Ansichten der verschiedenen Autoren sehr weit auseinander gehen. Viel-
leicht werden wir auch hier mehr übereinstimmende Resultate erhalten, wenn
wir erst über die Anlage der endothelialen Herzauskleidung bei den verschiede-
nen Wirbelthierabtheilungen genauere Einsicht gewonnen haben.
VIII. Ueber die Anlage des peripherischen Nervensystems und der
SlNNESORGANE.
In diesem Kapitel werde ich nur die allererste Anlage des peripherischen Ner-
vensystems und der Sinnesorgane besprechen, indem ich spater eine ausführ»
* A. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. 1879.
-ocr page 54-
40
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
lichere Beschreibung der Entwickelung der Sinnesorgane geben und auch versu-
chen werde, dasselbe für das peripherische Nervensystem zu thun.
Gehort schon die Untersuehung über die Anlage des peripherischen Nerven-
systems beim Wirbelthiere im Allgemeinen zu den schwierigen Problemen, so
gilt dies besonders für die Knochenfische. Wahrend bei den übrigen WirbeU
thieren das Centralnervensystem durch Bildung einer Medullarfurche sich anlegt,
deren aufsteigende Riinder allmiihlich uiehr und mehr nach einander zuwachsen
und so schliesslich den Halbcanal in eine vollstandig geschlossene Röhre urn-
bilden, welche sich dann von dem übrigbleibenden Theil des Ektoderms, den
man als „Hornblatt" bezeichnen kann, trennt; haben wir dagegen bei den
Knochenfischen gesehen, dass hier das Centralnervensystem sich solide anlegt
und sich erst viel spater von der Grundschicht der Oberhaut abzuschnüren
anfiingt.
Nachdem Balfour * zucrst nachgewiesen hat, dass bei den Knorpelfischen
nicht allein die hintern resp. obern Wurzeln der Spinalnerven als zellige Aus-
wüchse des Rückenmarkes an dessen ventraler o. vorderer Fliiche ihren Ur-
sprung nehmen und diese Angabe von Balfour auch für Reprasentantcn an-
derer Wirbelthierabtheilungen von mehreren Seiten Bestiitigung erhalten hat,
Hess es sich a priori erwarten, dass jihnliche Befunde höchstwahrscheinlich auch
für die Knochenfische gelten dürften, wie dies denn auch wirklich der Fall ist.
Schon bei ziemlich jungen Forellen-Embryonen und zwar bei solchen mit
10—12 Urwirbeln, bemerkt man in cinem Entwickelungsstadium, in wclchem
der Darm noch nicht einmal angefangcn hat sich abzufalten und das Rücken-
mark noch vollstandig solide ist, das3 die unmittelbar unter der Grundschicht
der Oberhaut gelegenen Zeilen des Rückenmarks durch eine ausserst feine Li-
nie, die uur bei Anwendung sehr starker Vergrösserung deutlich zu seheu ist
von den darunter gelegenen Zeilen desselben sich etwas abgcgliedert haben und
nach beiden Seiten in eine continuirliche, lateralwiirts etwas angeschwollene
Leiste oder Kamm sich verlangern. Von diesem Kamm, dem „neural crest"
von Marshall und Balfour bei den Knorpelfischen, wachsen nun (Taf. II,
Fig. 5 ; Taf. IV, Fig. 9) an allen denjenigen Stellen, wo ein Nervenpaar sich an-
legen wird, jederseits Fortsatze heraus, die unmittelbar der Seitenwand des Rücken-
marks anliegend, sich nach untcn verlangern. Diese Auswüchse stellen uns
die Anlagen der dorsalen Rückenmarksnerven vor. Wahrend sie immer mehr
ventralwarts sich verlangern, lost sich gleichzeitig ihre Verbindung mit der dor-
* F. M. Balfour, On the devclopment of the spinal nerves in Elasmobranch; in: Philo». Trantac~
iions.
Vol. CLXVI. 1876. Und auch: Developm. Elasmob. Fishes.
-ocr page 55-
47
ZDR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
salen Fliiche der Rfickenmarks, denn in einem spatern Entwickelungsstadium
bemerkt man, dass sie nicht mehr von dem Gipfel des Rückenmarks ausgehen,
sondern dass sie nur bis zum oberen Ende der Seitenfliielien desselben reichen.
Ebenso wie bei den Knorpelfischen sind also auch hier die dorsalen Wurzeln der
Rückenmarksnerven naehher nicht mehr mit ihrem proximalen Ende, sondern durch
ihre mediale Seite mit dem Rückenmark verblinden. Auf der Höhe des oberen
Randes der Chorda schwillt die dorsale Wnrzel zu einer Verdickung, dem Gang-
lion spinale an (Taf. III, Fig. 5). Die weitere Entwickelung dieser "Wurzeln
habe ich bisjetzt nicht verfolgt. Bedoutend spiiter als die oberen Wurzeln
werden die unteren angelegt; sie entstehen als kleine, aber deutlich conische
Auswüchse der ventralen Fliiche oder der ventralen Hörner des Rückenmarks
und erst in dem Stadium, in welchem die oberen "Wurzeln zu dem erwahnten
Ganglion spinale anschwellen, war ich im Stande, die untern od. ventralen
Wurzeln deutlich zu erkennen (vergl. Taf. IV, Fig. 9).
Noch schwieriger als die Untersuchung der ersten Anlage der dorsalen Wur-
zeln der Rückenmarksnerven ist die derjenigen der Ilirnnerven. Fttr den Augen-
blick kann ich nur soviel angeben, dass die dorsalen Wurzeln des N. acces-
sorio-vagus, glossopharyngeus, acustico-facialis, trigeminus und olfactorius, aus
der oberen Fliiche des Gehirns heraustreten; wie die ventralen Wurzeln sich
verhalten, weiss ich bis jetzt gar nicht, und habe darüber auch noch keine wei-
teren Untersuchungen angestellt.
Von allen Gehirnnerven legt sich der Acustico-facialis am frühesten an. In
einem Stadium der Entwickelung, in welchem sich der vordcre Theil des Cen-
tralnervensystems noch nicht einmal von der Grundschicht der Oberhaut abge-
schnürt hat, zeigt sich die Anlage dieses in Rede stellenden Nerven schon als
ein ganz colossaler Auswuchs der oberen Flache des Gehirns (vergl. Taf. III,
Fig. 3). Verfolgt man an Querschnittserien diesen Auswuchs nach vorn und
hinten, 80 bemerkt man, dass er nach beiden Seiten wieder allmahlich in das
Gehirn übergeht. Es ist als ob mit der Umbildung des Ektodermkeiles in das
Gehirn sich auch gleichzeitig die Anlage des Nervus acustico-facialis differen-
tirte, als ob, so zu sagen, der Acustico-facialis sich unmittelbar aus den obe-
ren Seitentheilen des Ektodermkeiles abgliederte und nicht so sehr aus der dor-
salen Flache des Gehirns herauswüchse, denn er ist, wie gesagt, vorhanden, bevor
das Gehirn sich von der Oberhaut abgeschnürt hat. Und dass dieser Aus-
wuchs wirklich die Anlage des Acustico-facialis vorstellt, geht, wie ich glaube,
wohl aus dem Umstande hervor, dass man unmittelbar (lateralwarts) neben ihm
-ocr page 56-
48
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
die Zeilen der Grundschicht etwas verdickt antrifft, eine Verdickung die uns die
erste Anlage des Gehörblaschens vorstellt. In einem etwas spatern Entwicke-
lungsstadium, wenn das Gehirn seine definitive Gestalt angenommen hat, ist
auch die Anlage des Acustico-facialis vorn und hinten deutlicher und scharfer
begrenzt, nimmt dabei gleichzeitig eine etwas andere Gestalt an, indem ihr
Breite-Durchmesser merkbar kürzer geworden ist. Die Anlage des Gehörbla-
schens rückt Hand in Hand damit jederseits etwas mehr der Medianebene zu.
Dann folgt eine Spaltung dieser gemeinschaftlichen Acustico-facialis-Anlage in
zwei Theile, die aber an ihrer Wurzel mit einander und mit der dorsalen Flache
des Gehirns in continuirlicher Verbindung bleiben. Der eine nach vorn wach-
sende Theil bildet von jetzt an den Nervus facialis, der andere Theil wachst
nach hinten, umfasst den hinteren Theil des Gehörblaschens polsterartig (Taf. IV,
Fig. 1), und bildet den Acusticus.
Gleichzeitig ist das Gehörbliischen selbst deutlicher zur Entwickelung gekom-
men. Dasselbe entsteht durch eiue Einstülpung der vorher etwas verdickten
Grundschicht, über welche hin die Decksehicht continuirlich sich fortsetzt und
schnürt sich erst spiiter vollstiindig ab. Wir sehen demnach, dass der Acus-
tico-facialis sich anlegt, bevor das Gehörblaschen deutlich zur Entwickelung ge-
kommen ist, und dasselbe findet auch mit der Anlage des Geruchsorgans statt.
Schon ziemlich frühzeitig ist der Nervus olfactorius vorhanden, noch lange bevor
das Geruchsorgan angelegt wird. Derselbe ist ebenfalls im Anfang ein sehr mach-
tiger Auswuchs der dorsalen Gehirnflache. Ob er aber wirklich aus dieser
herauswüchst, odcr auch hier gleichzeitig mit der Umgestaltung des Ektoderm-
keiles zum Gehirn aus dessen oberen lateralen Theilen sich differenzirt, kann
ich noch nicht mit Gewissheit sageu. Nur soviel ist sicher, dass erst dann,
wenn der Olfactorius schon eine ziemliche Strecke weit nach unten gewach-
sen ist, das Geruchsorgan selbst angelegt wird. Dasselbe besteht anfangs in
einer soliden Proliferation der Zeilen der Grundschicht der Oberhaut, über wel-
cher hin die Decksehicht sich ebenfalls continuirlich fortsetzt (Vergl. Taf. IV,
Fig. 2), und erst in einem viel spatern Stadium der Entwickelung stulpt
diese Verdickung sich etwas nach innen ein, um so das Nasengrübchen zu
bilden.
Die Augenblasen sind ebenso wie das Gehirn anfangs vollkommen solide.
Bei ihrer Anlage liegen sie am oberen Ende der Seitenflache des Gehirns
(vergl. Holzschnitt Fig. 4), spiiter wenn sie anfangen hohl zu werden, (Taf.
IV, Fig. 8) rücken sie allmahlich mehr ventralwarts, aber auch dann, wenn
sich schon deutlich in denselben eine Höhle nachweisen lasst, liegen sie
noch viel mehr der dorsalen als der ventralen Gehirnflache genahert. Haben
-ocr page 57-
49
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
sich die Augenstiele deutlich gesondert, dann bemerkt man, dass dieselben
auch anfangs von dem unteren Drit-
tel der Seitenflache des Gehirns ab-                               F«g *•
gehen und erst dann, wenn die von
der Grundschicht der Oberhaut aus-
Oberhaut
gehende Linseneinstülpung beginnt,
sind die Augenstiele vollstandig nach
der ventralen Flache des Gehirns
gerückt.
Augen-
blaten.
Auch die übrigen Hirnnerven,
n&mlich der Accessorio-vagus und
Trigeminus zeichnen sich bei ihrer
Anlage durch ihre sehr bedeutende
Grosse aus und es ist gerade der ganz
colo8sale Umfang der hinteren Wur-
zeln fast aller Hirnnerven, welcher
es sehr unwahrscheinlich macht, dass
dieselben als unmittelbare Auswüchse
280
aus dem dorsalen Theil des Gehirns                          Vergr,
ihren Ursprung nehmen sollen; ware
dies wirklich der Fall, dann müsste man dieselben doch erst als kleinere, spater
als grössere Auswüchse zur Ansicht bekommen. Bis jetzt habe ich dies nicht
gesehen, wohl aber das Gegentheil, und das eben macht es am wahrscheinlichsten,
dass die oberen Wurzeln der Hirnnerven mit der Umgestaltung des Ektoderm-
keils in das Gehirn, gleichzeitig aus den oberen Seitentheilen des Ektodermkeils
sich unmittelbar herausbilden.
Indem ich demniichst ausführlicher die EntwickelungSgeschichte der Sinnes-
organe behandeln werde, kommt es mir am geeignetsten vor, die Literatur-
angabe bis dahin zu verschieben. Hier will ich allein die Mittheiling von
Götte * über die Sinnesplatte der Teleostier besprechen. Götte weicht namlich
in seinen Angaben über die Entwickelung der Sinnesorgane bedeutend von den
herrschenden Ansichten ab.
Die Hauptergebnisse seiner Untersuchungeu über die Sinnesplatte des Forellen-
embryo fasst er folgenderweise zusammen:
1) Eiue schildfórmige Verdickung des Ektoderms, die Axenplatte, ist dis ge-
* A. Götte, Beitriige zur EntwickelungSgeschichte der Wirbelthiere. IV. Ueber die Sinnesplatte der
Teleostierj in: Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. XV, p. 157, 1879.
A7
NATUUllK. VKHll, DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL XXIII.
-ocr page 58-
50
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
meinsame Anlage des Central nervensystems und der Empfindungsapparate der
drei hüheren Sinnesorgane.
2)  In Folge ihrer Zusammenziehung von beiden Seiten gegen die Medianebene
sondert sie sich in ihrer ganzen Lange alsbald in drei Theile, einen unpaaren
medianen Kiel und demselben angeschlossene flache Seitentheile. Sie sind im
Kopfe stiirker entwickelt als im Rumpfe.
3)  lm Rumpfe ziehen sich die Seitentheile successiv in den Kiel zusammen
bis sie ganz in ihn aufgenommen sind, worauf dieser allein die Anlage des
Rückenmarks darstellt. Dieser Yorgang erfolgt im grössten Theil des Rumpfes
unmerklich und ohne jede bestimmte Abgrenzung der Seitentheile gegen den
Kiel; hinter dem Kopf aber verwandein sich dieselben jederseits in ein durch
zwei Furchen begrenztes Polster, welches darauf ganz in den Kiel hineingezo
gen wird.
4)  Diese Bildung wohlumschriebener Seitenpolster der Axenplatte setzt sich
continuirlich in den Kopf fort, wo dieselben als Sinnesplatten zum grössten Theil
in die von der kielförmigen Anlage des Hirns gesondert bleibende Anlage der
höheren Sinnesorgane übergehen und nur zwischen Ohr und Auge ahnlich wie
die homologen Theile des Rumpfes in das Rückenmark, so in das Hirn einbe-
zogen werden.
5)  lm hinteren Abschnitte des Kopfes schnürt sich die Sinnesplatte jederseits
vom Hirn und von der Oberhaut völlig ab und bildet so das Gehörblaschen, davor
wird sie auf einer gewissen Strecke unter abnehmender Sonderung wieder spur-
lo8 in das Hirn aufgenommen; in der vorderen Kopfhalfte reicht sie bei zu-
nehmender Machtigkeit am Hirn tiefer hinab, und indem sie sich von der
Oberhaut völlig lost, schnürt sie sich vom Hirn nur bis zu ihrem vorderen Ende
ab, welches den Zusammenhang mit dem erstern dauernd erhalt, — daraus wird
die horizontal liegende Augenblase mit ihrem vorderen Stiel (Sehnerv). Vordem
Auge trennt sich die Sinnesplatte wieder vollstandig vom vorderen Hirnende
ab, um neben demselben in voller Continuitat mit der Oberhaut zu bleiben und
so die Anlagen der Nasengruben zu bilden.
6)  Die Empfindungsapparate der drei höheren Sinnesorgane haben also als
Erzeugnisse einer gemeinsamen Grundlage, der Sinnesplatte, einen gleichwerthigen
Ursprung.
"Wenn ich mich auch mit diesen Angaben von Götte nicht vereinigen kann,
so haben dieselben doch jedenfalls den "Werth, dass sie uns zuerst mit der ganz
colossalen Anlage des N. acustico-facialis und olfactorius bekannt gemacht ha-
ben. Die Abbildungen welche er gegeben hat, sind vollstandig naturgetreu,
seine Interpretation aber ist nicht die richtige. Von den durch ihn beschriebenen
-ocr page 59-
51
ZUR ÜNTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
drei Paaren von Sinaesplatten stellt das hintere Paar nicht die Anlagc des
Gehörblaschens, des künftigen Gehörorgans dar, sondern nur die Alliage des zit
diesem Sinnesorgane gehörenden Nerven. Was Götte z. B. auf Taf. VIII, Fig. 27
als Ohranlage (sp\') crklart, ist nicht die Anlage des Gehörblaschens, sondern
die des N. acustico-facialis; was er als „Aussensaum der Axenplatte" bezeich-
net (s), ist dagegen die wirklichc Anlage des Gehörblaschens. Er hat also die
Anlage des Sinnesnerven mit der des Sinnosorganes verwechselt. Und ahnliches
gilt auch von dem dritten Paar der Sinnesplatten: was Götte als Nasenanlage
bezeichnet (sj)\'"), ist nicht die der Nase selbst, sondern des zu diesem Sinnes-
organ gehörenden Nerven, nahmlich des N. olfactorius.
Die Knochenfische verhalten sich, was die Anlage ihrer Sinnesorgane betrifft,
den übrigen Wirbelthicren vollkommen ahnlich; auch bei ihnen entstehen die
Anlagen des Gehör- und des Geruchs-Organs aus der Oberhaut und wie wir
hier gesehen haben, aus der Grundschicht der Oberhaut.
Dass wir Balfour die Mittheilung verdanken, die oberen (hinteren) und un-
teren (vorderen) Wurzeln der Spinalnerven wachsen unmittelbar aus der oberen
resp. unteren Flache des Rückenraarkes hervor, habe ich schon früher erwahnt.
Vollstandig unabhangig von Balfour war Hensen * in seinen ausgezeichneten
Untersuchungen über die Entwickelung des Kaninchens und Meerschweinchens
zu ahnlichen Resultaten gekommen, nur hat er dieselben nicht so scharf formu-
lirt, was schon aus diesem einzigen Grund leicht begreiflich ist, dass das Ma-
terial, an welchem Hensen seine Untersuchungen angestellt hat, für diese höchst
schwierige Frage viel ungünstigere Objectc bietet als die Knorpelfische.
Auf die Mittheilung von Balfouu folgte schon sehr bald eine Bestlitigung
seiner Angaben bei Vogelembryonen von Marshall f. Auch hier entstehen
von den Spinalnerven zuerst die hintern Wurzeln aus dem dorsalen Theil des
Medullarrohrs, sie sind, wie er mittheilt, untereinander an ihrer Basis durch eine
continuirliche Zellenleiste (Neural crest) verbunden; in einiger Entfernung von
ihrem Ursprung vei\'dicken sie sich zu einem Ganglion spinale. Die vorderen
Wurzeln erscheinen spatcr als schmale Auswüchse aus der Vorderseite des Me-
* von Hensen, Beobachtungen übev die Befruchtung und Entwickelung des Kaninchens umi
Meerschweinchens in: Zeitschrift für Anat. und Entwicklg. Bd. I, 1876, p. 218 und p. 353.
f A. Milnes Marshall, On the enrly stages of development of the nervs in Bh\\U in: Jour», of
uinat. and Pliys.
T. XI, p. 491, 1877.
-ocr page 60-
52                               ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
dullarrohrs. Und von den Hirnnerven theilt Marshall mit, dass sie aus der
Decke des Nachhirns in ahnlicher Weisc wie die hinteren Wurzeln der Spinal-
nerven hervorwachsen. Weder Balfour noch Marshall war es damals ge-
lungen die Entwickelung der vorderen "Wurzeln an den Hirnnerven zu verfolgen.
Aueh Kölliker * giebt an, dass beim Hühncrembryo die sensiblen Wurzeln
der Spinalnerven aus der donaten Fliiche des Rückenmarks herauswaehsen, we-
niger bestimmt iiussert er sieh für die in Rede stehenden Wurzeln beim Sau-
gethier (Kaninchen). Einmal angelegt wachsen naeh Kölliker beim Hühnehen
die sensiblen Wurzeln zwischen den Urwirbeln und dem Mark nacli derBauch-
seite und differenziren sich in einen neben dem Mark gelegenen dickeren Theil,
das Spinalganglion, und einen mit dem Marke verbundenen dünneren Abschnitt,
die sensible Wurzel, welche allmiihlich mehr an die Seite der dorsalen Rüeken-
fliiche des Marks gelangt. Uebcr die Anlage der motorisehen Wurzeln spricht
Kölliker sich nicht aus.
Marshall hat spater seine Untersuchungen über dasselbe Thema in zwei
Abhandlungen noch ausführlicher ausgearbeitet. In der ersten hat er nachge-
wicsen f, dass beim Hühnehen die Nn. olfactorius, oculomotorius, trigeminus,
acustico-facialis, glosso-pharyngeus und vagus, wie die hinteren Wurzeln der
Spinalnerven aus der oberen Fliiche des Centralnervensystems, — für die in
Rede stellenden Nerven natürlich des Gehirns — herauswaehsen: er sagt. „The
cranial nerves and the posterior roots of the spinal nerves arise as outgrouths
of the continuous longitudinal neural ridge."
In der zweiten Abhandlung § hat er dann nochmals die Entwickelung der Nn.
oculomotorius, trigeminus und facialis, so wie die Vcrhaltnisse der Kopfnerven
zu den Kopfhöhlen (Head cavities) studirt und dabei immer scharfer die schon
früher erhaltenen Resultate praecisirt.
Der letzte Autor, den ich zu erwiilmen habe, ist VAN Wijhe **, der nicht
allein aufs Neue die Angaben von Balfour und Marshall bestatigt hat,
dass die Nn. oculomotorius, trigeminus, acustico-facialis, glosso-pharyngeus und
accessorio-vagus unmittelbar aus der oberen Flache des Gehirns herauswaehsen,
sondern dem wir auch die höchst wichtige Mittheilung verdanken, dass die Nn.
* A. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1879.
f A. Milnes Marshall, The Development of the Cranial Nervous in the Chick; in: Quarterly
Journ. of Microsc. Science.
T. XVIII, p. 10. 1878.
§ A. Milnes Marshall, The Morphology of the Vertebrate Olfactory Organ j in: Quarterly Journal
of Microsc. Science.
T. XIX. 1879.
•• Van Wijhe, 1. o.
-ocr page 61-
53
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
abducens und trochlearis sicli ebenso wie die ventralen Wurzeln der Spinalnerven
verhalten und aus der ventralen Flache des Gehirns herauswachsen.
Anders dagegen beschreibt His * die Anlage des peripherischen Nervensystems.
Als Untersuchung8material dienten ihm sowohl Embryonen des Hühnehens als des
Frosches, Salmen und der Katze. Die von Marshall und Balfour als „Neural
ridge" bezeichnete Zellenlage nennt His „Zwischenstrang." Beim Hühnchen
liisst er diesen Zwischenstrang weder aus dem Medullarrohr, noch aus dem
Hornblatt seinen Ursprung nehmen, sondern aus einem zwischen diesen gele-
genen Substanzstreifen, weieher sich schon vor Eintritt des Verschlusses des
Nervenrohres in mehr oder minder deutlicher Weise abgrenzt. Nach His son-
dert sieh demnach von Anfang an das Ektoderm in drei besondere Anlagen, in die
Medullarplatte, in die beiden Zwischenstrangplatten und in das Hornblatt. Auch
bei den Plagiostomen und dem Salinen, so wie beim Frosch soll der Zwischen-
strang oder die Zwischenplatte nicht aus der Medullarplatte, sondern aus dem
an dicse angrenzenden und ihre Verbindung mit dem Hornblatte vermittelenden
Ektodermstreifen hervorgehen.
Geoenbaur f ist in seinen classischon Untersuchungen über das Kopfskelet
der Selachier zum Resultat gekommen, dass durch die Beziehungen des durch
die Nerven segmentirten hinteren Abschnittcs des Craniums zur Wirbelsiiule,
für den vorderen, die Ethmoidal- und einen Theil dor Orbital-Rogion umfassenden
Abschnitts, ein Gegensatz zum hinteren entsteht, von dem er durch den Man-
gcl der Chorda dorsalis sich ebenso sehr unterscheidet, wie durch die hier aus-
tretondon Nerven, Opticus und Olfactorius, welche keinerlei Vergleichungen mit
Spinalnerven zulassen. Für diesen vorderen, innen mit der Sattelgrube beginnen-
den Abschnitt ist also die Genese aus eincr Concrescenz von Wirbeln nicht nur
nicht nachweisbar, sondern es ist auch eine solche Entstehung dieses Abschnit-
tes nicht einmal entfernt zu vermuthen. Demnach unterscheidet Geoenbaur also
am Cranium den hinteren als vertebralen und den vorderen als praevertebralen
oder facialen Theil. "Wenn man nun aber bedenkt, dass auch der Nervus ol-
• W. His, Ueber die Anfange dos peripherischen Nervensystemes; in: Archiv für Anat. und Ent-
wickl. Anat. Abth.
1879, p. 456.
f C. Geuenbaub, Untersuchungen zur vergl. Anatomie der Wirbelthiere 111. Heft. Das Kopfscelet
«Ier Selachior u. s. w. 1872.
-ocr page 62-
54                               ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
factorius, wie sich entwickelungsgeschiehtlich nachweisen lasst, ebenso gut wie
die hinteren Wurzeln der anderen Hirn- und Rückenmarksnerven aus der dor-
salen Flache der Geliirns herauswachsen, und auch bei den Knochenfischen sich
nachweisen lasst, dass die Augenblasen (inclusive die Augennerven) bei ihrem
Entstehen hoch an der Seitenflache des Gehirns ihren Ursprung nehmen (was
bei den Knochenfischen darum so schön sich nachweisen lasst, weil hier eine
Kopfbeuge nicht besteht), um erst allmahlich, wie die anderen oberen Wurzeln
der Hirnnerven, ihre ursprüngliche Verbindung mit dem oberen lateralen Theil
des Gehirns aufzugeben, und schliesslich von der Basis des Gehirns abzutreten,
dann liegt, wie ich glaube, der Gedanke nahe anzunehmen, dass auch ursprüng-
lich der praevertebrale oder faciale Theil des Craniums aus einer Concrescenz
von Wirbeln entstandcn ist, wenn es auch nicht möglich ist, ihre Anzahl auch
nur annahernd zu bestimmen, denn wir wissen, dass die ventralen Wurzeln
dieser Nerven nicht bekannt sind und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass
sich dieselben je nachweisen lassen.
Mit der eigenthümlichen Umbildung, welche die beiden ersten Gehirnnerven
erfahren haben, bildeten sich wahrscheinlich auch ihre ventralen Wurzeln zu-
rück, ihre hohe Verwandtschaft mit den übrigen peripherischen Nerven bleibt
aber fortbestehen in der Art und Weise wie sie eben als die hinteren Wurzeln
der übrigen Gehirnnerven aus der oberen Flache des Gehirns ihren Ursprung
nehmen.
Dass der Nervus olfactorius so wie die hintern Wurzeln der übrigen Hirn-
nerven aus der hintern resp. obern Flache des Gehirns herauswachst, wurde
schon von Milnes Marshall * nicht allein für die Knochenfischc (Salinen,
Forelle), sondern auch für die Haie, Amphibien (Axolotl, Frosch), Reptilien
(Eidechse, Schildkröte) und ebenfalls beim Hühnchen nachgewiesen. Bei allen
eben erwahnten Repraesentanten zeigt nach ihm der in Bede stenende Nerv
folgende Verhaltnisse: 1) the olfactory nerves appear very early; 2) they are
at first connected with the forebrain and not with the cerebral hemispheres;
3) they are solid, and agree completely in histological charakters with the other
cranial nerves; 4) an olfactory lobe, wenn present at all, does not appear till
an exceedingly late period of development."
* A. Milnes Mabsuall, The Morphology of the Vertebrate Olfactory Organ; in: Qnarterly Jour--
xal of Microtc. Science.
T. XIX, 1879, p. 800.
-ocr page 63-
55
ZUR ONTOGENIE DER KNOUHENFISCHE.
Marshall weist dann auch auf die grosse Verwandtschaft hin, welche der
Nervus olfactorius zeigt „in histologieal charakters and in general anatomical re-
lations with the other cranial nerves."
Der nSchste Abschnitt wird zu nachst die Entwickelungsgeschichte der Sin-
nesorgane behandeln.
Leiden, Mai 1882.
-ocr page 64-
ERKLARUNG DER ABBILDUNGEN.
TAFEL I.
Fig. 1. Querschnitt durch den vorderen Theil eines Embryo der Bachforelle, urn die
etste Anlage des Kopfdarms zu zeigen. Der Schnitt ist etwas hinter der Ohrblase ge-
v         280
nommen. Vergr. ——.
Fig. 2. Querschnitt desselben Embryo, unmittelbar hinter der Ohrblase genomraen.
Vergr. ?|-0.
Fig. 3. Querschnitt durch die Gegend der Ohrblase, um die erste Anlage der Spritz-
lochfalte zu zeigen. Vergr. rir.
Fig. 4. Querschnitt durch den Kopfdara eines alteren Embryo. Der Kopfdarm ist
280
fast abgeschnürt. Vergr. ——-.
Fig. 5. Querschnitt durch das nach aussen durchbrochene Spritzloch eines viel iilte-
220
ren Embryo. Vergr. ™ Der Schnitt geht unmittelbar vor der Ohrblase.
Fig. 6. Langsschnitt durch das nach aussen durchbrochene Spritzloch eines Embryo
aus demselben Entwickelungsstadium als Fig. 5. Vergr. -_.
Fig. 7. Querschnitt durch den Kopfdarm, um die noch nicht nach aussen durch-
brochene Kiemenausstülpung zu zeigen. Vergr. . Der Schnitt geht durch die Ohrblas>e.
-ocr page 65-
ZUR ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.                                 57
Fig. 8. Querschnitt durch den Kopfdarm, om die noch nicht nach aussen durcb
280
brochene Spitzlochausstülpung zu zeigen. Vergr. zzz. Der Schnitt geht unmittelbar
vor der Ohrblase
Guitige Bezeichnung für alle Figuren.
a. c.    Nervus acusticus.
ch,    Chorda.
c. k.    Centralkanal.
d.    Deckschicht.
ent.    Entoderra.
emb. sp.    Embryonales Spritzloch.
geh.    Gehirn.
g.    Grundschicht.
Kf.d.    Kopfdarm
mes.    Mesoderm.
o. b.    Ohrblase.
som.    Somatopleure.
spl.    Splanchnopleare.
TAFEL II.
Fig. 1. Querschnitt darch den Kopfdarm eines Embryo der Bachforelle um den
280
Durchbruch der Kiemenspalten zu zeigen. Vergr. -^-.
280
Fig. 2. Querschnitt durch den vorderen Theil des Körperdarms. Vergr. -° .
Fig. 3. Querschnitt aus derselben Schnittserie, mehr nach hiaten genommen and
Fig. 4 ebenftills aus derselben Schnittserie, aber noch mehr nach hinten genommen um
die Anlage der Leber zu zeigen. Vergr. r^-.
Fig. 5. Querschnitt aus dem mittleren Theil eines Embryo mit 12—14 Urwirbeln.
Vergr. *2.
Fig. 6. Senkrechter Lüngsschnitt durch die Urwirbel eines Embryo mit 20—22
JQrt
Urwirbeln. Vergr. ".
Fig. 7. Morizontalschnitt durch drei Urwirbel eines Embryo aus demselben Entwicke*
lungsstadium. Vergr. .
A 8
NATUUEK. VBEH. DER KONINKL. AKAÜEMIK. DEEL XXIII.
-ocr page 66-
58                                    ZUE ONTOGENIE DER KflOCHENFISCHE.
Fig. 8. Theil eines senkrechten Qnerschnittes durch die Anlage des Centralnerven»
systems eines sehr jnngen Embryo. Vergleich S. 12. Vergr. zzs.
Fig. 9. Senkrecbter Querschnitt durch die früheste Anlag des llerzens. Sehr stark
vergrössert.
Für alle Figuren guitige Bezeichung.
ch.    Chorda.
c. k.    Centralkanal.
en.    Centralnervensystem.
d.    Deckschicht.
drm.    Darm.
ent.    Entoderm.
ent. par.    Entoderm des Parablast.
g.    Grundscbicbt.
h. end.    Endothel des llerzens.
I.    Leber.
kpf. (kdp)    Kopfdarm.
ms.    Medulln Spinalis.
som.    Somatopleure.
spl.    Splanchnopleure.
u. h.    Urwirbelhöle.
uw.    Urwirbel.
TAFEL III.
Fig. 1. Querschnitt durch den mittleren Theil eines Embryo aus einem Stadium, in
280
welchem sich noch keine Urwirbel angelegt bubeu. Vergr. -__.
280
Fig. 2. Querschnitt durch den mittleren Theil eines Embryo mit 24 Urwirbeln.Vergr.rr .
Fig. 3. Querschnitt durch die Anlage des Nervus Acustico-facialis aus einem sehr frühen
280
Entwickelungsstadium. Vergr.-----
Fig. 4. Querschnitt durch eine sehr frühe Anlage des Herzens. Der Schnitt geht unmit-
280
ittelbar vor der Ohrblase. Vergr. ZZT,
Fig. 5. Querschnitt durch den mittleren Theil eines Uiteren Embryo, urn die weitere
280
ïtwickelung der oberen Wurzeln der Spinalnerven zu zeigen. Vergr. —-.
Fig. 6. Querschnitt durch das eben angelegte Her/.. Sehr stark vergr. Siehe S. 35.
-ocr page 67-
59
ZÜK ONTOGENIE DER KNOCHENFISCHE.
Für alle Figuren guitige Bezeichnung.
acust./ac.    Anlage des N. acustico-facialis.
bl.    Blutkörpercben.
ch.    Ohorda.
ck.    Centralkaual.
d.    Deckschicbt der Oberhaut
drw.    Dorsale Warzeln der Spinaluerven.
ent.    Entoderni.
end. h.    Endothelium des Herzens.
ent. pur.    Entoderui des Parablast.
g     Grnndschicht der Oberhaut.
geh.    tiehirn.
gs.    Gr.nglioii Spinale.
kpd.    Kopfdariu.
nis.    Medalla Spinalis.
m.w.lu(mgoc.)    Musk"hvand des Herzens (Myocardium).
o. b.    ühr:)lii>chen.
ph.    Pericardialhöhlü.
som. Souiatopleure.
«pi. Splmichnopleure.
uw.    Ur-.virbel.
TAFEL IV.
Fig. 1. Qnerschnitt dnreh die Anltige des Gehörblaschens and des N. acasticus.
Vergr. ^?.
Fig. 2. Qnerschnitt dnrch die Anlage des Geruchsorgans und des Nervus olfactorina.
Vergr. ?*2.
280
Fisf. 3. Qnerschnitt dnrch die Anlage des Urnierengangs. Vergr. S22:.
Fig. 4. Querschnitt durch die Anlage des hinteren Ende der Chorda eines Embryo,
bei deni der Schwanz noch nicht abgefaltet ist. Vergr. , .
Fig. 5. Qnerschnitt durch die Anlage des hinteren Ende der Chorda eines Embryo,
bei dem der Schwanz schon abgefaltet ist. Vergr.
Fig. ♦>. Querschnitt dnrch die Anlage des Herzens. Vergr. .
Fig. 7. Axialer Lüngsschnitt dnrch das hintere Ende eines Embryo mit 24 Urwirbeln.
,r          280
Vergr. _°v.
-ocr page 68-
60
ZÜR ONTOGENIE DER KNOCHENPISCHE.
Fig. 8.    Querschnitt darch die Anlage der Augenblasen bei einem Embryo ruit 10
Urwirbeln. Vergr. l8^.
Fig. 9.    Querschnitt durch die Anlage der ventralen Wnrzeln der Spinalnerren.
Vergr. IJ2.
Fig. 10.    Querschnitt durch die Anlage der dorsalen Wnrzeln der Spiualnerven.
Vergr. «2.
Für alle Figuren guitige Bezeichnung.
ab.     Augenblasen.
ac,    N. acnsticus.
du
    Chorda.
ck.(mk.)    Centralkanal.
d.    Deckschicht.
drm.    Darm.
drw.    Dorsale Wurzel der Spinalnerven.
ent.    Entoderni.
ent\', par.    Entoderm des Nahrungsdotters (Parablast)
ekt.    Ektoderm.
geh.    Gehirn,
ij. o.    Geruchsorgan.
g.    Grundschicht.
hr.    Herz.
hr.end.    Endothel des Herzens.
kpf.    Kopfdarm.
m.c.mk.    Siehe ck.
ms.    Medulla Spinalis.
met.    Mesoderm.
olf.    Nervu8 olfactorius.
O. h.     Olirbliischen.
Bom,    Somatopleure.
spl.    Splanchnopleure.
tr.    Weit nach vorn sich erstreckende Anlage des N. trigeminus.
ug.    Urnierengang.
uw.    Urwirbel.
vt. w.    Ventrale Wurzel der Spinalnerven.
DRUCKFEHLEB.
Seite. Zeile.
13. 3u. 4 von unten: 1. »hinteren Wureeln der Rückenmarksnerven," st. ,hinteren Rückenmarkswurzeln."
46. V von unten: 1. «dorsalen Wureeln der Rückenmarksnerven," st. „dorsalen Rückenmarksnerven."