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\\ Über den

Befruchtungs- und Teiiungsvorgang
des fierischen Eies

unter dem Einflufs äufserer Agentien.

Von

Dr. Oscar Hartwig, und Dr. Richard Hertwig,

0. ö, Professor der Anatomie au der
üniTersität Jena,
0, Professor der Zoologie an der
Universität München.

Mit 7 lithograpliis^eheii Tafeln.

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Untersuchungen

zur

lorpliologie und Physiologie der Zelle

von

T^r Oscar Hertwiff, und Dr. Richard Hertwig,

jjr. UbOd.1 o Professor der Zoologie nn der Universität

0. Professor der Anatomie an der UmTersittit o. Professor

Jena,

Heft 5.
Über den

Befruchtungs- und Teilungsvorgang
des tierischen Eies

unter dem Einflufs äufserer Agentien.

Mit 7 lithograpMsohen Tafeln.

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Uber den

Befruchtungs- und Teilungsvorgang
des tierischen Eies

unter dem Einflufs äufserer Agentien.

Von

Dr. Oscar Hertwig, und Dr. Richard Hertwig,

0. B. Professor der Anatomie an der n. Professor der Zoologie an der

UniTersitiit Jena, Universität München.

BIBLIOTHEEK

Lab. voor Med.
Anat. en Embr
Janskerkhcl \'

Mit 7 litliogTapliischeii Tafeln.

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Bei unseren seit einer Reihe von Jahren begonnenen Unter
suchungen über die Befruchtungs- und Teilungsvorgänge tierischer
Eier hatten wir oftmals Gelegenheit, zu beobachten, in wie hohem
Grade diese Vorgänge durch äußere Einflüsse beherrscht werden.
Bereits im Jahre 1875 wurde bei der Darstellung des Befruchtungs-
prozesses bemerkt, daß anstatt eines einzigen Samenfadens zuweilen
zwei, drei und mehr in wahrscheinlich pathologisch veränderte
Eier anormaler Weise eindringen.
Fol konstatierte darauf diese
Thatsache ebenfalls und knüpfte an sie die Hypothese an, daß
durch Eindringen von zwei, drei und mehreren Samenfäden Zwei-,
Drei- und Vielfachbildungen erzeugt werden. Zu wiederholten
Malen sind wir auf diesen Gegenstand zurückgekommen, einge-
hender jedoch im letzten Heft dieser Untersuchungen, wo es uns
gelang, den experimentellen Beweis zu liefern, daß die Bastard-
befruchtung besser gelingt, wenn sich das Eimaterial in einem
etwas geschwächten Zustand befindet. Hierbei wurde die Schwä-
chung der zu bastardierenden Eier durch längeres Verweilen der-
selben in Meerwasser vor Ausführung der Befruchtung hervor-
gerufen.

Infolge dieser mehrfachen Anregungen befestigte sich in uns
der Plan, die Einwirkung äußerer Agentien auf den Befruchtungs-
und Teilungsvorgang der Seeigeleier einer methodischen Unter-
suchung zu unterwerfen. Schon während unseres Aufenthaltes in
Sorrent in den Osterferien 1884 gingen wir an die Ausführung
des Planes, indem wir in den letzten Tagen vor unserer Abreise
den Verlauf der Befruchtung unter der Einwirkung des Chloroforms
verfolgten und hierbei schon eine Reihe interessanter Störungen
ermittelten. Da eine erschöpfendere Behandlung der Frage da-
mals von uns wegen der Kürze der Zeit nicht vorgenommen wer-

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den konnte, betrachteten wir die Experimente mit Chloroform nur
als vorläufige Ermittelungen und nahmen uns eine methodische
und eingehendere Prüfung des vorliegenden Untersuchungsgebietes
für die Zukunft vor.

Hierzu bot ein sechswöchentlicher Aufenthalt an der Riviera
di Ponente in den Osterferien 1885 die passende Gelegenheit.
Als Station benutzten wir das in der Nähe von Genua gelegene
Nervi, dessen klippenreiche Küste uns ein geeigneter Aufenthalt
für Echinodermen zu sein schien. Leider sahen wir uns in dieser
Beziehung zum Teil getäuscht. Zwar kam der am Mittelmeer so
gemeine Strongylocentrotus lividus in großen Mengen vor und konnte
täglich leicht beschafft werden; dagegen war es nicht möglich,
noch anderer Seeigelarten, welche wir in Spezia und Sorrent er-
halten hatten, habhaft zu werden. Zum Teil hatte dies wohl darin
seinen Grund, daß es in Nervi an einer Fischerbevölkerung fehlt,
vielleicht auch darin, daß der Golf von Genua, wie man annimmt,
weniger reich an Tieren ist. Uns war dieser Mangel anderer See-
igelarten um so unangenehmer, als wir auch Experimente in Bezug
auf die Bastardierung geplant hatten, einen Wechsel des Ortes
aber wegen äußerer uns behindernder Verhältnisse nicht vorneh-
men konnten, wie es sonst wohl geschehen wäre.

So konnten wir nur einen Teil unseres Planes zur Ausfüh-
rung bringen, indem wir die Eier von Strongylocentrotus lividus
vor, -während und nach der Befruchtung erstens der Einwirkung ver-
schiedener chemischer Agentien, zweitens der Einwirkung erhöhter
Temperatur, drittens mechanischen Insulten unterwarfen. Im An-
schluß daran wurde auch die Frage geprüft, inwieweit sich das
Sperma durch äußere Agentien beeinflussen läßt und ob hierdurch
der Befruchtungsprozeß abgeändert wird.

Vor unserer Abreise hatten wir uns zur Vornahme etwaiger
Experimente mit einer kleinen Sammlung von Giften versehen,
welche wir zum Teil der Freundlichkeit der Herren Kollegen
Preyee
und Krukenberg verdankten. Dieselbe bestand aus Chloro-
form, Chloralhydrat, Morphium hydrochloricum, Cocain, Strych-
nium nitricum, Chinium sulfuricum, Nicotin, Blausäure in Wasser
gelöst, ferner aus Helleborin, Veratrin, Coniin, Piperin, Curarin.
Aus Mangel an Zeit mußten wir uns auf die acht zuerst ange-
führten Stoffe beschränken, wie wir auch aus demselben Grunde
den Einfluß von verschiedenen Gasarten, von Sauerstoff, Kohlen-
säure, Wasserstoff, Schwefelwasserstoff nicht prüfen konnten, obwohl

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wir uns vor unserer Abreise auch für derartige Untersuchungen
vorbereitet hatten.

Die freie Zeit am Meere benutzten wir hauptsächlich zur
Untersuchung der Vorgänge am lebenden Objekte; um aber später
noch Gelegenheit zu haben, in die feineren Veränderungen am
Kern, die ein zeitraubendes Studium verlangten, eindringen zu
können, konservierten wir verschiedene Serien von Eiern; wir
töteten sie in Pikrinessigsäure ab und hoben sie nach sorgfältiger
Auswaschung der Säure in 75 "/o Alkohol in kleinen Reagens-
röhrchen auf. Während des Sommers wurde das Material all-
mählich verarbeitet. Es wurde teils mit Lithionkarmin, teils nach
der
geenacher\'schen Methode mit Boraxkarmin in der Weise
gefärbt, daß die Eier erst 24 Stunden in den Farbstoff eingelegt
und dann in 75^7
ü Alkohol, dem f—1 Prozent Salzsäure zuge-
setzt war, ausgezogen wurden; dann wurde es in Damaralack ein-
geschlossen. Um gute Präparate zu erhalten, muß man beachten,
daß die Übertragung der Eier aus einem Medium in das andere
allmählich erfolgt und daher am besten in Uhrschälchen vorge-
nommen wird. Aus absolutem Alkohol bringt man die Objekte
am besten in eine Mischung von Nelkenöl und Alkohol zu gleichen
Teilen und läßt den Alkohol verdunsten. Da bei feuchtem Wetter
der absolute Alkohol leicht Wasser anzieht und dabei das Nelkenöl
milchig getrübt wird, ist es zweckmäßig, die Uhrschälchen mit Prä-
paraten unter eine Glasglocke zu setzen und ein Gefäß mit kon-
zentrierter Schwefelsäure hinzuzufügen. Der zum Einschluß ver-
wandte Damaralack muß sehr verdünnt sein. Wenn der Einschluß
in Glycerin gewählt wird, ist ebenso in schonender Weise zu
verfahren. Die Kernfiguren treten dann viel deutlicher hervor, als
wenn die Verdrängung der einen Zusatzflüssigkeit durch die andere
plötzlich erfolgt.

Vielfach ist es zweckmäßig, die Präparate in Nelkenöl zu
untersuchen, da dieses noch wirksamer als Damaralack aufhellt.
Man gewinnt hierbei noch einen weiteren Vorteil. Nelkenöl macht
das Protoplasma bei längerer Einwirkung brüchig und spröde.
i Beim Zerklopfen zersplittert die Masse des Eies in kleine Stücke,
^ und kann man bei vorsichtigem Verfahren die Kerne und Spindeln
mehr oder minder vollständig isolieren. Für die Untersuchung
. feiner Strukturverhältnisse ist das Verfahren von Bedeutung.

Die erzielten Resultate besprechen wir in drei Kapiteln nach
der Art der Agentien, durch welche die Geschlechtsprodukte be-
einflußt worden sind. Das erste handelt über den Einfluß chemi-

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scher Stoffe, das zweite über den Einfluß der Wärme und das
dritte über den Einfluß mechanischer Erschütterung.

Erstes Kapitel.

Beeinflussung der Gresehleelitsprodukte durch chemische

Agentien.

Mit acht verschiedenen Stoffen wurden Versuche vorgenommen:
mit Chloroform, Chloralhydrat, Morphium hydrochloricum, Cocain,
Nikotin, Strychnium nitricum, mit Blausäure und Chinium sulfuri-
cum. Wir ließen dieselben erstens auf die Geschlechtsprodukte
vor der Vornahme der Befruchtung einwirken und zwar entweder
allein auf die Eier oder allein auf das Sperma. Zweitens unter-
warfen wir die Eier kurz nach dem Zusatz des Sperma\'s, bevor
noch die inneren Befruchtungsvorgänge abgelaufen waren, dem
Einfluß von chemischen Stoff\'en; drittens suchten wir den Verlauf
des Teilungsprozesses durch einige der angeführten Mittel zu be-
einflussen. Demnach gliedert sich das erste Kapitel in drei
Abschnitte, von denen der erste in zwei weitere Abteilungen
zerfällt.

I. Abschnitt,

Beemflussung der Geschleehtsprodukte dureii ehemische
Agentien vor der Befruchtung.

a, Der Eier.

1. Beeinflussung der Eier durch Nikotin.

Von einer konzentrierten Nikotinlösung (Nikotinextrakt) wur-
den verschiedene Mischungen bereitet, indem je ein Tropfen ent-
weder zu 100 oder 200, 300, 400, 600, 1000 Gramm Meerwasser
hinzugefügt wurde. Die unbefruchteten Eier wurden in Uhrschäl-
chen mit diesen Lösungen übertragen und nach 5 oder 10 oder
15 oder mehr Minuten herausgenommen, in frisches und reines
Meerwasser gebracht und befruchtet. Mit diesen Mischungen
wurde eine größere Anzahl von Experimenten vorgenommen, deren
Ergebnisse wir aus dem geführten Tagebuch mitteilen.

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1. Versuch. Sonntag den 5. April. 1 Tropfen Nikotin-
extrakt auf 100 Wasser.

a. Die Eier verweilten in der Nikotinlösung von 10 Uhr 25 M.
bis 10 Uhr 30 M.

Bei Zusatz des Samens hob sich sofort überall die Eihaut
ab. -Alsbald bildeten sich an jedem Ei mehrere Befruchtungs-
hügel aus hyalinem Protoplasma, zuerst breit, später sich ver-
schmälernd und in eine feine Spitze auslaufend. Nach 10 Minuten
waren zahlreiche deutlich ausgeprägte Spermastrahlungen in jedem
Ei entstanden. Um Uhr zeigten die Eier an ihrer Oberfläche
mehrere unregelmäßige Furchen und Gruben und zerfielen durch
fortschreitende Vertiefung derselben in viele kleinere und größere,
oft noch zusammenhängende Teilstücke. In den größeren liegen
häufig mehrere Strahlungen, die in dem auch sonst normal aus-
sehenden Protoplasma deutlich ausgeprägt sind.

Boen hat in seiner Arbeit über Amphibien diesen Modus der
Eizerklüftung als Barockfurchung bezeichnet; wir werden uns im
Folgenden hierfür des Namens Knospenfurchung bedienen. Normal-
gefurchte Eier konnten bei diesem Experiment nicht aufgefunden
werden.

b. Von 3 Partien Eier verweilte ein Teil in der Nikotinlösung
von 10 Uhr 25 M. bis 10 Uhr 35 M., ein anderer bis 10 Uhr
40 M., ein dritter bis 10 Uhr 45 M.

Das Resultat ist in den 3 Proben ein ähnliches. Die Eihaut
war überall scharf abgehoben. Es wurden an jedem Ei viele Be-
fruchtungskegel und bald darauf viele Spermastrahlungen gesehen.
Um 2 Uhr erfolgte unregelmäßige.Knospenfurchung. Die in Ruhe-
zustand befindhchen Kerne fielen durch ihre besondere Größe auf.
Am Montag sind Blastulae entstanden, die sich teils im Wasser
flimmernd fortbewegen, teils matt flimmernd am Boden des Uhr-
schälchens liegen bleiben. Sie sind insofern abnorm gestaltet,
als an Stelle des Gallertkerns sich eine trübe, mit glänzenden
Körnchen erfüllte Masse gebildet hat. Die Larven gewinnen hier-
durch eine kompaktere Beschaffenheit, daher wir uns zur Bezeich-
nung derselben des Namens Stereoblastulae bedienen wollen.
Einige Eier des Versuchsmaterials sind zerfallen.

c. Die Eier verweilten in der Nikotinlösung von 10 Uhr
25 M. bis 11 Uhr. Jetzt hob sich die Eihaut nur sehr schwach
ab. Viele Befruchtungskegel wurden gebildet, zahlreiche und
ziemlich deutliche Strahlungen entstanden. Um 2 Uhr waren die

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Eier meist noch kugelig und zeigten teils viele Strahlungen teils
viele bläschenförmige Kerne. Einige Eier zeigten Knospenfurchung.
Am Montag war das Versuchsmaterial abgestorben und zerfallen.

d. Die Eier verweilten in der Nikotinlösung von 10 Uhr 25 M,
bis 11 Uhr 15 M.

Die Eihaut war zwar vom Dotter nicht abgehoben, war- aber
als deutlich doppelt kontouriertes Gebilde vorhanden. Sehr viele
Spermatozoen dringen ein. An ihrer Eintrittsstelle erheben sich
ganz kleine Befruchtungshügel. Um 2 ühr ist die ganze Eiober-
fläche dicht bedeckt mit Spermastrahlungen, in welchen bläschen-
förmige Kerne zu sehen sind. Am Montag ist das Versuchs-
material gleichfalls abgestorben und zerfallen.

2. Versuch. Montag den 6. April. 1 Tropfen Nikotinextrakt
auf 100 Wasser. Die Eier verweilen von 10 ühr 15 M. bis 10 Uhr
20 M. in der Nikotinlösung. Bei Zusatz sehr verdünnter
Samenflüssigkeit hebt sich überall die Eihaut ab. Viele Samen-
fäden dringen ein und umgeben sich mit Strahlung. Um Uhr
beginnt die Knospenfurchung, wobei 8 bis 16 Teilstücke entstehen.
Am Dienstag den 7. April finden sich teils frei im Wasser herum-
schwimmende, teils auf dem Boden des ührschälchens liegende
Stereoblastulae.

Am folgenden Tag hat sich die Mehrzahl nur wenig verändert,
einige haben reichlichere Gallerte entwickelt, einige sind zu Gas-
trulae geworden. Am 9. April sind unter den Larven einzelne
Plutei zu sehen. Der größte Teil aber verharrt noch auf dem
Stadium der abnormen Blastula- und Gastrulabildung.

3. Versuch, Dienstag den 7. April. 1 Tropfen Nikotin-
extrakt auf 100 Wasser. Die Eier verweilen von 2 Uhr 30 M.
bis 2 Uhr 40 M. in der Nikotinlösung. Bei Zusatz von stark
verdünnter Samenflüssigkeit hebt sich die Eihaut sofort ab. Viele,
erst breite, später sich zuspitzende Befruchtungshügel entstehen.
Nach einer Viertelstunde erkennt man den Grad der Polyspermie
an den stark ausgeprägten Spermastrahlungen. Um 4 ühr 45 M,
beginnt die Knospenfurchung, durch welche das Ei in 8 bis 20
ziemlich gleichzeitig entstehende Teilstöcke zerfällt.

Am 8. April sind Stereobl^tulae entwickelt, die teils noch
in die Eihaut eingeschlossen sind, theils frei herumflimmern. An
der Oberfläche von manchen derselben hängen abgelöste kleine
gekörnte Zellen.

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Am Freitag den 10. April hat sich im Innern der Blastulae
mehr Gallerte entwickelt; hier und da sind auch Kalknadeln und
eine Gastrula-Einstülpung entstanden.

Am 12. April lebt noch der größte Teil der abnormen Larven
und wird zu weiterer Untersuchung abgetötet und konserviert.

4 Versuch. Montag den 6. April. 1 Tropfen Nikotin-
extrakt auf 200 Wasser. Die Eier verweilen von 10 Uhr 35 bis
10 Uhr 40 M. in der Nikotinlösung.

Ein Teil des Materials wird normal befruchtet. Der andere
Teil zeigt einen geringen Grad von Polyspermie. In zahl-
reichen Fällen kommt es zur Entwicklung eines einfachen Tetrasters.
Um 12 Uhr sieht man außer normalen Zweiteilungen viele Vier-
teilungen , einige Sechsteilungen und Eier in Knospenfurchung.
Am 7. April sind aus dem Versuchsmaterial teils normale Blas-
tulae, teils wenige Stereoblastulae hervorgegangen. Die ersteren
sind an den nächsten Tagen zu Plutei geworden, während letztere
noch auf dem Blastula- oder Gastrulastadium verharren, dabei
aber unter reichlicher Ausscheidung von Gallerte an Größe zuge-
nommen haben.

5. Versuch. Montag den 6. April. 1 Tropfen Nikotinextrakt
auf 300 Wasser. Die Eier verweilen von 2 Uhr 40 M. bis 2 Uhr
50 M. zum Teil bis 2 Uhr 55 M. in der Nikotinlösung.

Es entstehen nach Abhebung der Eihaut mehrere Befruchtungs-
kegel. Um 4 Uhr 50 M. sind 4 bis 8 Strahlungen in der Eirinde
zu sehen. Um 5 Uhr 15 M. beginnen die Eier durch Knospen-
furchung in 6 bis 10 ungleich große unregelmäßige Stücke zu
zerfallen. Noch nach 5 Tagen sind die aus dieser Zucht hervor-
gegangenen Larven große in Wasser herumflimmernde Gallert-
kugeln (Blastulae), einige haben eine Gastrulaeinstülpung erhalten.

Da sich die Tagebuchnotizen nur auf die am lebenden Ei
wahrgenommenen Vorgänge beziehen, es aber wichtig erschien,
auch in die feineren
Veränderungen am Eikern und an den ein-
gedrungenen Samenfäden Einblick zu gewinnen, wurden noch
3 Serien von Eiern, die mit Nikotin vor der Befruchtung behandelt
worden waren, in Pikrinessigsäure zu genauerer histologischer
Untersuchung eingelegt. In der 1. Serie waren die Eier während
5 Minuten in eine Nikotinlösung (1 : 200) gebracht, in der 2. Serie
waren sie in derselben Lösung 8 bis 14 Minuten belassen worden.
In beiden Serien wurden die Eier in 5 Intervallen nach 20, 45,
75, 105, 130 Minuten nach vorgenommener Befruchtung abgetötejt.

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In der dritten Serie waren die Eier mit einer Nikotinlösung
(1:400) behandelt und in 7 Intervallen nach 15, 35, 50, 70,
90, 105, 130 Minuten nach der Befruchtung konserviert worden.

Die am lebenden und konservierten Material erhaltenen Er-
gebnisse fassen wir in übersichtlicher Weise zusammen.

Eine Einwirkung des Nikotins auf die Zellsubstanz macht sich
bei stärkeren Lösungen wie 1:100 schon nach 3 bis 5 Minuten, bei
schwachen Lösungen (1 : 1000) erst nach 10 bis 15 Minuten
geltend und äußert sich in einer Störung des Befruchtungsvor-
ganges. Der Grad der Störung ist ein verschieden großer je nach
der Stärke der Nikotinlösung und der Zeit ihrer Einwirkung,
welche man ziemlich ausdehnen kann. Denn man kann Eier in
der Nikotinlösung (1 : 100) eine Stunde liegen lassen, ohne daß
sie abgetötet werden, wennschon ihre Lebenskraft erheblich verän-
dert wird, wie sich im weiteren Verlaufe ihrer Entwickelung her-
ausstellt.

Bei Anwendung des Nikotins wie eines jeden anderen Mittels
darf übrigens keine gleichmäßige Einwirkung auf das Eimaterial,
etwa wie bei einer chemischen Reaktion erwartet werden. Nament-
lich ist bei schwacher Einwirkung des Nikotins der Erfolg ein-
sehr ungleichmäßiger. ^Während bei einem Teil der Eier der Be-
fruchtungsvorgang gestört ist, verläuft er bei dem anderen Teil
in gewöhnlicher Weise. Es ist dies ein neuer Beweis für die Er-
scheinung, welche schon in dem vorausgehenden Heft dieser Unter-
suchungen bemerkt worden ist, daß die aus dem Ovarium frisch
entleerten Eier durchaus kein gleichartiges Material darstellen,
daß von Anfang an individuelle Verschiedenheiten existieren, daß
einige Eier ein größeres, andere ein geringeres Widerstandsver-
mögen gegen schädigende Einflüsse besitzen.

Bei schwacher Nikotineinwirkung, welche man erreicht, wenn
man Eier 5 Minuten in einer Lösung 1 : 200 bis 1 : 500 oder
10 Minuten in einer Lösung 1 : 1000 liegen läßt, scheint der Be-
fruchtungsvorgang zuerst normal zu verlaufen und es bedarf ge-
nauer Prüfung der Eier, um zu erkennen, daß bei einem Teil anor-
male Erscheinungen hervorgerufen worden sind. An allen schwach
nikotinisierten Eiern hebt sich sofort bei Zusatz des Samens die
Dotterhaut in üblicher Weise ringsum vom Dotter weit ab. Bei
einem Teil der Eier ist nur ein einziges Spermatozoon einge-
drungen, bei einem mehr oder minder großen Prozentsatz dage-
gen, bei welchem die Dotterhaut gleichfalls weit absteht, haben
sich gleichzeitig zwei, drei oder vier in das Ei eingebohrt. In

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den ersten 5 Minuten nach erfolgtem Spermazusatz erkennt man
bei sorgfältiger Durchmusterung der Eier die anomale Befruch-
tung an dem Auftreten von 2 oder mehreren Befruchtungshügeln.
Dieselben können sich nahe bei einander oder an ganz entfernten
Punkten der Eioberfläche bilden. Später, d. h. nach 10 bis 20
Minuten, wo die Befruchtungshügel wieder in die Dottersubstanz
eingezogen worden sind, wird die Überfruchtung durch die An-
zahl der um die eingedrungenen Spermatozoenköpfe erscheinenden
Strahlungen angedeutet. Die Strahlenbildung erfolgt bei den
schwach nikotinisierten Eiern genau in derselben Weise und in
derselben Stärke wie bei frischem Eimaterial. Überhaupt ist, ab-
gesehen von der bei einem Teil der Eier hervorgerufenen Über-
fruchtung, zunächst keine Störung der weiteren Entwicklung
festzustellen. Bei Eindringen eines Spermatozoons tritt die Ko-
pulation des Ei- und Spermakerns, die Umwandlung des Fur-
chungskerns in die Spindel und die Eifurchung in normaler Weise
und zur normalen Zeit ein. Bei den überfruchteten Eiern aber
sind die abweichenden weiteren Entwicklungsvorgänge, die später
auf Grund des mit Reagentien behandelten Materials ausführlicher
dargestellt werden sollen, in erster Linie auf die größere Anzahl
der eingedrungenen Samenfäden zurückzuführen.

Bei Einwirkung einer stärkeren Nikotinlösung (1 : 100. 5 Mi-
nuten) oder einer schwächeren während längerer Zeit (1 : 500.
1 : 1000. 15—20 Minuten) wird eine größere Störung hervorgeru-
fen. Es äußert sich dies erstens darin, daß bei Zusatz des Sa-
mens nur ganz vereinzelte Eier in normaler Weise durch einen
Samenfaden befruchtet werden, und zweitens darin, daß die Über-
fruchtung eine hochgradigere wird, indem jetzt anstatt zweier oder
dreier Spermatozoen zahlreichere eindringen. Man kann so den
Grad der Überfruchtung successive steigern. Hierbei
scheint es ziemlich gleichgültig zu sein, ob man bei den stärker
nikotinisierten Eiern eine schwächere oder stärkere Spermalösung
anwendet. Denn als wir in zwei Uhrschälchen in gleicher Weise
mit Nikotin behandelte Eier gleichzeitig mit einer stärkeren und
einer um das Zehnfache verdünnten Spermalösung versetzten, war in
den beiden Versuchen kein Unterschied im Hinblick auf die An-
zahl der eingedrungenen Samenfäden zu konstatieren. Dieselbe
scheint vielmehr lediglich zu der Nikotineinwirkung in Beziehung
zu stehen.

Die Veränderungen, welche durch verschieden lang anhaltende
Einwirkung des Nikotin\'s erzeugt werden, wollen wir an einer

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Versuchsreihe erläutern, die mit einer Lösung (1:100) vorge-
nommen wurde. Schon nach fünf Minuten Einwirkung wurden nur
ganz vereinzelte Eier in normaler Weise befruchtet, wie sich bei
Eintritt des Teilungsstadiums am leichtesten und sichersten er-
kennen ließ. Die Eihaut wurde überall, auch bei den überfruch-
teten Eiern, vom Dotter in normaler Weise ringsum weit abge-
hoben. Meist drangen 3—5 Samenfäden in ein Ei ein. Die bei
ihrem Eindringen entstehenden Befruchtungshügel waren auffallend
breit und groß und daher besonders leicht wahrzunehmen. All-
mählich verschmälerten und verlängerten sie sich und zogen sich
in eine feine Spitze, wie beim normalen Vorgang, aus.

Ahnlich waren die Erscheinungen bei einer Nikotinisierung,
die 10, 15 und selbst 20 Minuten dauerte, nur daß jetzt überall
Überfruchtung erfolgte und die Anzahl der eingedrungenen Sa-
menfäden noch stieg.

Nach 35 Minuten begann sich die Eihaut bei Zusatz des Sa-
mens nicht mehr in normaler Weise abzuheben. Die Abhebung
erfolgte sehr langsam und es bildete sich zwischen Membran und
Dotteroberfläche nur ein schmaler Spaltraum aus. Nach 50 Mi-
nuten blieb die Eihaut dem Dotter ganz aufliegen, setzte sich aber
von ihm als doppelt kontourierte Membran deutlich ab. Die Zahl
der eingedrungenen Spermatozoen war noch gestiegen. An ihren
Eintrittsstellen bildeten sich noch Befruchtungshügel, aber von
kleineren Dimensionen aus. Das Protoplasma reagierte noch auf
die eingedrungenen Spermatozoen durch Strahlenbildung. Lifolge-
dessen war bei der großen Anzahl der eingedrungenen Samen-
fäden nach einiger Zeit die ganze Dotteroberfläche ringsum mit
Spermastrahlungen dicht bedeckt.

Noch längere Einwirkung des Nikotins wurde nicht versucht,
so daß der Zeitpunkt, von welchem an der Zusatz des Sperma
keinen Erfolg mehr hat, nicht näher bestimmt werden kann.

Über die Vorgänge, welche sich nach der Befruchtung im In-
nern des Eies abspielen, gewinnen wir genauere Einblicke durch
Untersuchung des konservierten Materials. 15 bis 20 Minuten
nach der Befruchtung ist in der Regel die Verbindung des Eikerns
mit einem oder mehreren der eingedrungenen Spermatozoen er-
folgt. Sind nur 2 oder 3 Spermatozoen in den Dotter eingedrun-
gen, so wandern sie fast stets insgesamt auf den Eikern zu und
lagern sich seiner Oberfläche an, bald dicht bei einander, bald an
entgegengesetzten Punkten. In dem Falle, daß zwei Samenfäden

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von entgegengesetzten Punkten ihre Wanderung begonnen und sich
an entgegengesetzten Stellen mit dem Eikern verbunden haben,
veranlassen sie denselben, eine eiförmige Gestalt anzunehmen und
kommen selbst an die beiden Pole des Ovals zu liegen. Bei Über-
fruchtung durch eine größere Anzahl von Spermatozoen erreichen
diese niemals alle den Anschluß an den Eikern. Taf. I, Fig. 1 u. 2.
Entweder fügt sich ihm nur ein einziges oder deren zwei oder
drei an, während die übrigen in einiger Entfernung vom Eikern
ihre Wanderung einstellen und von einem Strahlenkranz umgeben
selbständig weitere Metamorphosen durchmachen. Im Allgemeinen
läßt sich hier beobachten, daß, je stärker der Grad der Über-
fruchtung ist, eine um so größere Anzahl von Spermakernen eine
ganz oberflächliche Lage in der Dotterrinde beibehält. Zuweilen
sind sie in derselben ziemlich gleichmäßig verteilt, zuweilen zu
einzelnen Gruppen zusammengerückt.

Die Lage des befruchteten Eikerns ist an den überfruch-
teten Eiern eine abnorme. Während unter regulären Verhält-
nissen der Eikern, auch wenn er von Anfang an exzentrisch
gelegen ist, nach der Befruchtung durch einen Spermakern eine
zentrale Stellung im Dotter einnimmt und sich mit einer immer
mehr sich ausdehnenden und schließlich die Oberfläche errei-
chenden Strahlenbildung umgiebt, zeigt er nach Überfruchtung in
den meisten Fällen eine exzentrische Lage und behält dieselbe
für die Folgezeit auch bei. Taf. I, Fig. 1 u. 2. Er wird nicht
ringsum von einer sich vergrößernden Strahlung eingehüllt, son-
dern läßt so viele einzelne und kleine Strahlungen, als sich ihm
Spermakerne verbunden haben, erkennen.

Nach der Kopulation der Kerne vollziehen sich im Innern der
überfruchteten Eier während 50 bis 60 Minuten nur unbedeutende
Veränderungen. Dieselben äußern sich einmal darin, daß die chro-
matische Substanz der Spermakerne, welche eine Zeit lang dem
Eikern höckerartig aufsitzen, in das Innere desselben aufgenom-
men wird. Daher zeigt der Furchungskern so viel rundliche
Flecke von Chromatin, als Spermakerne die Kopulation vollzogen
haben. Taf. I, Fig. 3.

Später, am Ende des uns jetzt beschäftigenden Stadiums, be-
ginnt sich die in den Eikern aufgenommene chromatische Substanz
mehr in Fäden und Strängen auszubreiten. (Taf. I, Fig. 4).

Eine zweite Veränderung besteht in einer Größenzunahme
der Kerne und zwar sowohl des Furchungskerns als auch der

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nicht zur Kopulation gelangten Spermakerne. Die Größenzunahme
beruht wohl hauptsächlich auf einer Aufnahme von Kernsaft aus
dem Eidotter, infolgedessen namentlich die Spermakerne ihre
ursprüngliche Konsistenz einbüßen und schon im frischen Zustand
als wasserhelle, von Dotter Strahlung umgebene Bläschen leicht
wahrgenommen werden können. Nach Reagentienbehandlung und
Färbung mit Boraxkarmin lassen sie sich weniger intensiv als auf
dem früheren Stadium tingieren.

Eine dritte Veränderung endlich bildet sich erst beim Über-
gang zum zweiten Stadium aus. Der zu einer größeren Blase an-
gewachsene Furchungskern nimmt eine unregelmäßige Beschaffen-
heit seiner Oberfläche an, er zieht sich in mehrere Höcker oder
oft ziemlich spitz auslaufende Zipfel aus, Fig. 4. An der Spitze
derselben ließ sich häufig ein glänzendes Körnchen wahrnehmen,
welches den Mittelpunkt einer Strahlenbildung abgiebt. Hier und
da scheinen sich einzelne Spermakerne dem Furchungskern noch
nachträglich zu nähern und in ihn aufgenommen zu werden, wie
wir aus vereinzelten Befunden, in denen ein Spermakern dem
Furchungskern auf einem vorgerückten Stadium noch äußerlich
angelagert war, glauben schließen zu dürfen.

Im zweiten Stadium, welches die Veränderungen vom Un-
deutlichwerden des Eikerns bis zum Beginn der Teilung umfaßt,
entstehen die verschiedenartigsten Kernfiguren, je nachdem sich
mit dem Eikern zwei oder mehr Spermakerne verbunden haben
und je nachdem außer ihnen noch isolierte Spermakerne im Dot-
ter vorhanden gewesen sind.

Um uns ein übersichtliches Bild von den zahlreichen ver-
schiedenen Fällen zu verschafi"en, teilen wir dieselben in 3 Gruppen.

1. Gruppe. 2 Spermatozoen dringen in das Ei ein und ver-
binden sich mit dem Eikern.

2. Gruppe. 2 und mehr Spermatozoen dringen in das Ei ein;
von ihnen verbindet sich aber nur ein einziges mit dem Eikern,
während die übrigen sich für sich allein weiter umbilden.

3. Gruppe. Von zahlreichen in das Ei gedrungenen Samen-
fäden verbinden sich 2, 3 und mehr mit dem Eikern, während
der Rest sich für sich allein weiter umbildet.

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Erste Gruppe.

Die Kopulation zweier Spermakerne mit dem Eikern führt
zur Entstehung eines Tet
rasters, wie er schon von Fol beschrie-
ben worden ist. An vier in regelmäßig
en Abständen voneinander
befindlichen Punkten des stark~vergrößeften FÜrchungskerns treten
vier Strahlensysteme auf (Fig. 6) und ist die Kernoberfläche in
kurze Zipfel ausgezogen. Die chromatische Substanz beginnt sich
in Form gewundener Fäden gleichmäßig im Kernraum auszubrei-
ten. Dann verschwindet — wir beschreiben verschiedene konser-
vierte Objekte in der Reihenfolge, welche sich aus ihrer feineren
Struktur als selbstverständlich ergiebt (Fig. 7) — die Kernmem-
bran , so daß nunmehr ein Haufen gewundener Nucleinfäden im
Zentrum von vier Strahlungen eingeschlossen ist. Daraus ent-
wickelt sich der typische Tetraster. Wie an zahlreichen Präpa-
raten mit Deutlichkeit gesehen werden konnte, sind die Mittel-
punkte der Strahlungen durch vier Kernspindeln, die in einer
Ebene liegen (Fig. 8), untereinander verbunden. Die chromatische
Substanz hat, wenn wir die 4 zu einem Quadrat verbundenen
Spindeln von der Fläche erblicken, die Form eines Kreuzes mit
4 gleichen Schenkeln angenommen. Die Kreuzform ist aus dem
chromatischen Fadenwerk hervorgegangen, weil sich einzelne ge-
krümmte kurze Chromatinstäbchen der Mitte einer jeden Spindel
angelagert und sich so in gleichmäßiger Weise auf die 4 Spindeln
zu verteilen begonnen haben. Dann teilt sich die Kernplatte einer
jeden Spindel in der üWichen Weise in zwei Tochterplatten; diese
wandern nach den Spindelenden hin, deren je zwei in einem At-
traktionszentrum zusammenstoßen, und verbinden sich je zwei, um
einen neuen bläscheoförmigen Kern zu bilden. So erhält man
(Fig. 5) aus den 8 Tochterkernplatten der 4 Spindeln, da_sich
diejeniger^der Nachba,rspind.eln_jmm

vigr_hößjk.erige Kerne,» deren Lage im alfgemeinen mit der I.age
der vier Attraktionszentren zusammenfällt.

An derartigen Objekten haben wir den Theilungsvorgang beim
Studium des frischen Materials genau verfolgen können. Es bil-
den sich gleichzeitig auf der Eioberfläche vier Furchen, die zwi-
schen den 4 Kernen einschneiden. Die vier Quadranten bleiben
eine Zeit lang im Mittelpunkt des Eies durch vier Stiele unter-
einander in Verbindung, bis auch diese einreißen. In Vierteilung
begrifi"ene Eier findet man zu derselben Zeit, wo die normal be-
fruchteten sich iu 2 Stücke zu teilen beginnen, da die Tetraster-

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bildung nicht mehr Zeit als die einfache Spindelbildung für sich
beansprucht. Beide Arten halten auch in ihrer weiteren Entwick-
lung gleichen Schritt. Wenn hier die Vierteilung, erfolgt dort die
Achtteilung und so weiter.

Eine ziemlich häufige Modifikation der Tetrasterbildung ist
uns noch aufgestoßen, von welcher wir aber nicht anzugeben im
Stande sind, durch welche Ursachen sie bedingt ist, ob durch ver-
spätete Annäherung des zweiten Spermakerns oder durch eine be-
sondere Stellung desselben oder durch irgend ein anderes Moment.

An dem vergrößerten Keimkern, der in drei Zipfel ausgezogen
ist, treten anstatt vier nur drei Strahlenbildungen auf, dagegen
nimmt man in einiger Entfernung von dem Triaster noch eine
isolierte Strahlung im Dotter wahr (Taf. I Fig. 9). Zwei Chro-
matinflecke, die an manchen Objekten im Kern aufgefunden wurden,
könnte man wohl als Anzeigen betrachten, daß eine Befruchtung
durch zwei Spermatozoen stattgefunden habe. An einem Präparat
eines etwas weiter vorgerückten Stadiums ist das Chromatin in Fäden
im Kernraum verteilt. Dann schwindet die Kernmembran. Zwi-
schen den vier Strahlenzentren sind jetzt mit aller Deutlichkeit an
gelungenen Präparaten die Spindelfasern wahrzunehmen. (Fig. 10).
Die Lage der Spindeln aber differiert von der Lage in der typi-
schen Tetrasterform. Denn nur drei Spindeln sind untereinander
zu einem Dreieck verbunden und umschließen den zwischen ihnen
zentral gelegenen Haufen von Chromatinfäden, die vierte Spindel
hat sich zwischen der isolierten Strahlung und einer Strahlung des
Triasters entwickelt. Während also im regulären Tetraster die
beiden Enden der vier Spindeln gegenseitig verbunden sind, liegt
hier ein Spindelende mit einer Strahlung frei im Dotter, in einer
andern Strahlung stoßen 3, in der dritten und vierten je 2 Spin-
delenden zusammen. Diese ganze Gestaltung übt nun auch ihren
Einfluß auf die Verteilung der Chromatinfäden aus. Dieselben ord-
nen sich in drei Kernplatten an, die in den Äquator der drei zu
einem Triaster verbundenen Spindeln zu liegen kommen, während
die vierte Spindel frei von Chromatinkörnchen zu bleiben scheint.
Solche waren wenigstens an zahlreichen gut gelungenen Tink-
tionspräparaten bei der stärksten Vergrößerung nicht wahrzu-
nehmen. Auf dem nächsten Stadium spalten sich die drei Kern-
platten in je 2, welche nach den 3 Attraktionszentren auseinander-
rücken. (Fig. 16.) An konserviertem Material haben wir die weitere
Umbildung dieser eigentümlichen Kernteilungsform nicht verfolgen
können. Doch haben wir mehrfach im frischem Zustand Eikerne

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mit 3 Attraktionszentren und benachbarter vierter Strahlung auf-
gefunden und durch fortgesetzte Beobachtung feststellen können,
daß Vierteilungen eintraten und zwar Vierteilungen, bei denen die
eine Teilungsebene senkrecht zur anderen stand.

Zweite Gruppe.

An die Besprechung der Tetraster- und Triaster schließen wir
einige seltnere Befunde an, welche dadurch hervorgerufen werden,
daß zwar zwei oder drei Samenfäden in den Dotter eindringen,
indessen nur einer von ihnen sich mit dem Eikern verbindet. Als-
dann entwickelt sich aus diesem eine einfache typische Spindel,
die aber meistens exzentrisch und zuweilen ganz oberflächlich im
Dotter gelegen ist. Die Spermatozoen, die nicht zur Kopulation
mit dem Eikern gelangt sind, gehen selbständig weitere Meta-
morphosen ein. Sie vergrößern sich, indem sie sich aus dem
Dotter mit Kernsaft durchtränken. Daß die Vergrößerung nicht
auf einer Vermehrung des Chromatins allein beruht, können wir wohl
daraus schließen, daß an den Tinktionspräparaten sich die Sperma-
kerne weniger intensiv als unmittelbar nach der Befruchtung färben.
In vielen Fällen findet die Ansammlung von Kernsaft in der Weise
statt, daß sich eine Vacuole bildet, in welche die chromatische
Substanz wie ein Nucleolus eingeschlossen ist. Taf. I Fig. 6". Noch
etwas später beginnt sich die Spermastrahlung zu verdoppeln. So
entsteht eine Bildung, welche wir als Samendoppelstern oder als
Spermaamphiaster bezeichnen und vom Amphiaster des Furchungs-
kernes eine Zeit lang durch ihre geringere Größe sofort unter-
scheiden können.

Zwischen den beiden Strahlungen geht allmählich der Sperma-
kern aus der kugeligen in eine spindelige Form über. Die bei
diesem Prozeß zur Beobachtung kommenden Bilder sind ver-
schieden, je nachdem eine Vacuolenbildung stattgefunden hat oder
nicht. In
letzterem Falle entsteht eine kleine zuerst nicht faserig
difl\'erenzierte, homogene Spindel, die aus zwei Substanzen zusammen-
gesetzt ist, aus einer achromatischen, welche die beiden Spitzen
der Spindel bildet, und aus Chromatin, welches das Mittelstück
darstellt. Taf. I Fig. 17 und 18. Auf späteren Stadien kann sich
der Unterschied zwischen den aus dem Furchungskern und den
aus Spermakernen abstammenden Spindeln vollständig verwischen.
Es entwickelt sich ein Bündel achromatischer Fäden, die mit ihren
Enden in den Mittelpunkten der beiden Strahlungen zusammen-

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stoßen. Aus dem chromatischen Mittelstück bilden sich die Chro-
matinfäden hervor.

Im andern Falle, wo es zur Bildung einer Vacuole gekommen
ist, nimmt dieselbe zwischen den beiden Strahlungen eine ovale
Form an. Die oben als Nucleolus beschriebene Substanz löst sich
auf in Fäden und Körnchen, die zum Teil chromatisch sind (Fig. 11
a und b). Dann beginnen die Kontouren der längsgestreckten
Vacuole zu verschwinden; die achromatischen Teile wandeln sich
hierbei in ein Bündel von Spindelfasern um, deren Mitte die
chromatischen Körnchen anliegen (Fig. 11 c und d).

Dritte Gruppe.

Kernfiguren von sehr verschiedenartigem und kompliziertem
Aussehen entstehen, wenn eine größere Anzahl, etwa 5—10 Sper-
matozoen, in das Ei eingedrungen ist. Hier ist wieder der ein-
fachste Fall der, daß sich zwei Spermakerne mit dem Eikern ver-
binden, 3—5 aber isoliert oder in Gruppen vereint im Dotter
liegen. Es entwickelt sich alsdann gewöhnlich exzentrisch in der
Eirinde die uns schon bekannte Triaster- und Tetrasterform. Die
isolierten Spermakerne gestalten sich zu kleinen Spindeln um, wie
sie schon oben beschrieben worden sind, und rufen an ihren bei-
den Enden im Dotter (eine Strahlenbildung hervor (Taf. I Fig. 18).

Es ist nun von Interesse zu sehen und für das Verständnis
der entstehenden Kernfiguren von Wichtigkeit, daß die einzelnen
Spermaamphiaster das Bestreben haben, sich mit ihren Enden
untereinander oder mit dem Spindelkomplex, welcher aus dem
überfruchteten Eikern abstammt, in Verbindung zu setzen und so
immer komplizierter werdende Figuren zu erzeugen. Zum Bei-
spiel ist in Figur 18 die eine Strahlung eines Spermaamphiasters
mit einer Strahlung eines Triasters zusammengeflossen. In einem
anderen Fall haben sich in derselben Weise zwei Spermaam-
phiaster mit dem Tetraster verbunden.

In einem dritten Präparat sahen wir eine reguläre Tetraster-
bildung und in einiger Entfernung von ihr ganz an der Oberfläche
des Eies zwei Spermaamphiaster in der Weise zusammen ver-
bunden, daß sie eine Strahlung gemeinsam haben. Die Aneinan-
derlagerung der Kerne ist also nicht nur auf das Anfangsstadium
der Befruchtung beschränkt, sondern setzt sich auch dann noch
fort, wenn bereits die faserige Differenzierung der Kernsubstanz
begonnen hat. Es können aber auch die Samenspindeln bis zum
Eintritt der Teilung für sich isoliert bleiben und gleichen sie dann

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in den Veränderungen, die sie erleiden, und in ihrem Aussehen
vollkommen den aus einem befruchteten- Kern hervorgehenden
Spindeln, wie es durch Fig. 19 illustriert wird. Neben einem
Triaster, dessen Kernplatten nach den drei Polen auseinander-
gerückt sind, lassen sich vier isoherte Samenspindeln im Dotter
ziemlich gleichmäßig verteilt nachweisen. Alle stehen sie genau
in derselben Phase der Umbildung, indem ihre Kernplatten sich
gespalten haben und wie beim Triaster in der Nähe der beiden
Pole liegen.

Komplizierter werden die Figuren, wenn gleich von Anfang an
mehr als zwei Spermakerne sich an den Eikern angelegt haben. Letz-
terer schwillt allmählich zu einem außergewöhnlichen Umfang an.
An zahlreichen Stellen der Blase, die gewöhnlich zu kleinen Spitzen
ausgebuchtet sind, entwickeln sich nach einiger Zeit Strahlungen.
Dann ordnet sich die chromatische Substanz im Innern der Blase
zu kleinen Fäden an, während an ihrer Oberfläche zwischen den
Strahlungen zahlreiche Spindeln deutlich werden, die anfänglich
nur von achromatischen Fäden gebildet werden. Ein derartiges
Präparat ist in Fig. 13 abgebildet. Um einen zentral in Kernsaft
eingebetteten Haufen chromatischer Fäden konnten wir bei Ein-
stellung des Mikroskops auf verschiedene Ebenen sechs Strah-
lungen, von welchen eine etwas abseits liegt, bemerken. Dieselben
hängen wenigstens durch sieben Spindeln untereinander zusammen.

Charakteristische und schärfer gezeichnete Figuren entstehen
nach Verlauf von zwei bis drei Stunden. Es hat sich alsdann die
chromatische Substanz in der bekannten Weise auf die einzel-
nen Spindeln verteilt, wodurch Zahl und Lage derselben besser
zu bestimmen ist. Ferner haben sich jetzt auch in den stark
überfruchteten Eiern alle Spermakerne, mögen sie sich der aus
dem Eikern entstandenen Kernfigur angeschlossen oder unterein-
ander verbunden haben oder isoliert geblieben sein, in typische
Spindeln umgewandelt. Hiermit ist zugleich auch der Höhepunkt
in der Mannigfaltigkeit wunderbarer Kernformen erreicht. Seltener
findet man in derartigen Eiern ein einziges Aggregat zahlreicher
Spindeln, häufiger deren zwei oder drei, zuweilen auch daneben
einzelne isoliert gebhebene Spindeln.

Einige der zahlreichen von uns angefertigten Präparate mögen
hier eine nähere Beschreibung finden.

Fig. 12 a, b zeigt uns eine relativ einfache Spindelanhäufung,
welche man bei Einstellung des Mikroskops auf zwei Ebenen, b
und a, klar übersieht. Bei höherer Einstellung (Fig. 12\'\') nimmt

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man drei Spindeln wahr, welche zu einem Triaster verbunden sind.
Mit zwei Strahlungen desselben hängen noch zwei andere Spindeln
zusammen; die eine geht von der Strahlung 1 aus, und wendet sich
schräg nach abwärts, um mit ihrer zweiten Spitze in der etwas
tiefer gelegenen Strahlung 2 (Fig. 12^) zu enden. Die andere
Spindel ist genau vertikal gestellt und reicht von der Strahlung
3 nach der erst bei tieferer Einstellung des Mikroskops sichtbar
werdenden Strahlung 4. Zwischen 2 und 4 liegt abermals eine
Spindel in schräger Richtung, und endlich ragt von der Strah-
lung 4 noch eine Spindel etwas tiefer herab zu der isolierten Strah-
lung 5. In der Mitte jeder Spindel findet sich chromatische Sub-
stanz als ein Streifen lebhaft fingierter Körnchen, während die
chromatische Substanz der einen vertikal gestellten Spindel als
ein Kreis roter Körnchen erscheint.

Einen zweiten Fall veranschaulicht Taf. II Fig. 20 und ^ .

Vier Strahlungen liegen in etwas größerer Entfernung von
einander in einer Ebene und sind durch fünf Spindeln, deren jede
in ihrer Mitte eine Zone chromatischer Substanz zeigt, verbunden,
und zwar so, daß vier Spindeln die Seite eines Rhombus bilden,
während die fünfte sich quer zwischen den am meisten genährten
Ecken des Rhombus ausspannt. Mit dieser Figur sind drei wei-
tere Spindeln verbunden; eine Spindel, welche von der mit 1 be-
zeichneten Strahlung in schräger Richtung nach abwärts bis zu
Punkt (2) reicht, eine Spindel, welche von 1 aus in vertikaler
Richtung sich aufwärts bis zu Punkt 3 Tafel II, Fig. 20" erstreckt,
und eine dritte Spindel, die von 3 beginnend horizontal liegt und
nur bei höherer Einstellung des Mikroskopes zu sehen ist.

In seltenen Fällen können die Spindeln, anstatt nach verschie-
denen Richtungen den Eiraum zu durchsetzen, auch dichter zu-
sammengedrängt sein und eine kompakte und zuweilen sehr regel-
mäßige Figur erzeugen. Ein interessantes Beispiel liefert uns
Taf. I Fig. 14. Die Summe der Kernspindeln stellt hier etwa
eine plattgedrückte Kugel dar, deren beide Pole wir als x und y
bezeichnen wollen und durch je eine Strahlung bezeichnet sehen.
Am Pol
x, den wir allein erblicken, da das Mikroskop auf die
obere Fläche der Kugel eingestellt ist , treffen sechs Spindeln mit
ihren Spitzen zusammen und reichen von hier, indem sie wie die
Speichen eines Rades divergieren, mit ihren entgegengesetzten
Spitzen an sechs Strahlungen heran, die in regelmäßigen Abstän-
den den Äquator der Kugel umgrenzen. Diese sechs äquatorialen
Strahlungen sind durch sechs Spindeln zu einem Ring vereinigt.

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Dieselbe Anordnung wiederholt sich auf der uns abgewandten
Seite der plattgedrückten Kugel, denn auch hier reichen von den
sechs äquatorialen Strahlungen sechs Spindeln in radiärer Rich-
tung zu der dem Beobachter abgewandten Polstrahlung y. End-
lich sind noch die beiden Polstrahlungen x und y direkt durch
eine vertikal gestellte Spindel verbunden, deren Kernplatte als ein
Kreis von sechs Chromatinkörnchen sichtbar und etwa im Zentrum
der kugeligen Figur gelegen ist. Es beläuft sich demnach in
unserer Figur die Summe aller mit ihren Enden verknüpften Spin-
deln auf 19. Dabei stossen in den beiden Polstrahlungen sieben
Spindelenden, in den sechs Äquatorialstrahlungen dagegen je vier
Spindelenden zusammen.

Der Kernteilungsprozeß verläuft bei den so komplizierten Fi-
guren genau in derselben Weise wie beim Triaster und Tetraster,
wie wir an der Abbildung 15 a und b erläutern wollen. Die Kern-
figur besteht hier aus 13 Spindeln. Den höchsten Punkt bezeichnet
die Strahlung 1, von welcher sich in radiärer Richtung vier Spin-
deln zu den ein wenig tiefer gelegenen Strahlungen 2—5 begeben.
Diese letzteren stehen noch in direkter Verbindung durch die in
einem Halbkreis angeordneten Spindeln. Von Strahlung 1 führt
außerdem eine genau vertikal gestellte Spindel zu der Strahlung 6,
welche wieder den Mittelpunkt für einen tiefer gelegenen Teil der
Kernfigur abgiebt. Denn erstens sehen wir von ihm wieder, wie
von Punkt 1 sich drei Spindeln in radiärer und etwas aufstei-
gender Richtung mit den etwas höher gelegenen Strahlungen 3,
4 und 5 verbinden. Zweitens erstreckt sich von hier eine Spindel
in entgegengesetzter Richtung zu der in der andern Eihälfte gele-
genen Strahlung 7, von welcher noch unter rechtem Winkel eine
Spindel zu der Strahlung 8 abgeht. Die in den vorhergehenden
Abbildungen beschriebenen einfachen Zonen chromatischer Sub-
stanz haben sich gespalten und sind nach den Spindelenden aus-
einander gerückt. Auf diese Weise sammeln sich in der Umge-
bung der einzelnen Strahlungen, die gleichsam einzelne Attrak-
tionszentren darstellen, da in ihnen eine abwechselnde Anzahl von
Spindelenden zusammenstößt, auch eine wechselnde Menge von
Streifen chromatischer Substanz. Zu den Attraktionszentren 5
und 6 mit ihren fünf Spindelenden rücken fünf Streifen chroma-
tischer Substanz und schließen zu einem Kreis zusammen. Die
Attraktionszentren 3 und 4 vereinigen je vier Streifen zu einem
Halbring. In 5 und 7 sind zwei Körnchenstreifen vorhanden, wäh-
rend nach Strahlung 8 nur ein Streifen gerückt ist. Die Folge

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ist, daß die einzelnen aus der Teilung hervorgehenden Tochter-
kerne sehr ungleiche Mengen chromatischer Substanz empfangen.
Denn die Tochterkerne entstehen an den einzelnen Attraktions-
zentren, mit denen sie an Zahl übereinstimmen, aus der sich da-
selbst ansammelnden chromatischen Substanz. Man sieht daselbst
wie Fig. 20 zeigt, einzelne Haufen kleiner Bläschen auftauchen, die
sich vergrößern und schließlich zu einem einfachen, bläschenför-
migen ovalen oder kugeligen Kern verschmelzen. Die zuerst auf-
tretenden Haufen kleiner Bläschen stehen noch eine Zeitlang durch
achromatische Spindelfäden, die aber bald schwinden, in Zusammen-
hang. In den Beispielen Fig. 14 und Fig. 15 würden mithin acht
Tochterkerne, hier und dort aber in einer etwas abweichenden Weise
entstehen müssen.

Wie schon gesagt, ist es bei den stark überfruchteten Eiern
eine häufig zu beobachtende Erscheinung, daß sich im Dotter
mehrere getrennte Komplexe von Spindeln entwickeln. Zum Beleg
diene Fig. 21 a, b. In derselben treffen wir ein größeres exzentrisch
gelegenes Aggregat von 10 Spindeln, welche wir bei Einstellung
des Mikroskops auf zwei Ebenen überschauen können. In der
einen Ebene (b) liegen fünf Spindeln, die zu einem Rhombus in der
schon Taf. II Fig. 20 beschriebenen Weise verknüpft sind. Von
der Strahlung 1 gehen nun in divergierender Richtung zwei Spin-
deln schräg aufwärts zu den bei einer etwas höheren Einstellung
des Mikroskops (a) sichtbar werdenden Strahlungen 5 und 6. Indem
von ihnen wieder zwei horizontal gelegene Spindeln ausgehen und
sich in der Strahlung 7 treffen, entsteht ein zweiter etwas höher
gelegener Rhombus. Beide Rhomben hängen, abgesehen von der
ihnen gemeinsamen Strahlung 1, auch noch dadurch zusammen, daß
sich zwischen die Strahlungen 2 und 3 des tieferen und die Strah-
lungen 5 und 6 des höheren Rhombus zwei vertikal gerichtete
Spindeln einschieben.

Etwas abseits von dem beschriebenen Spindelkomplex liegt
1) eine einfache Spindel, deren chromatische Substanz bereits in
zwei Streifen gespalten ist, 2) eine wie es schien, ganz isolierte
und in ihrer Entstehung uns unklar gebliebene Strahlung, 3) ein
Tetraster mit noch nicht scharf entwickelter Spindelbildung und
einer zentral gelegenen noch nicht deutlich in einzelne Streifen
gesonderten Ansammlung chromatischer Körnchen.

Über den weiteren Verlauf der Befruchtung bei den stark
nikotinisierten Eiern ist jetzt noch folgendes zu berichten. Wenn
sich die mehr oder minder zahlreichen Tochterkerne aus den Spin-

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delaggregaten hervorgebildet haben, was im allgemeinen nach drei
Stunden geschehen ist, so macht sich an den Eiern auch äußerlich
der Eintritt des Zerklüftungsprozesses bemerklich. Es entwickeln
sich zahlreiche, wohl zur Anzahl der Tochterkerne in Beziehung
stehende Furchen auf der Oberfläche. Indem dieselben tiefer ein-
schneiden, wird die Eioberfläche mit größeren und kleineren hervor-
gewölbten Höckern oder Knospen bedeckt, in denen je nach ihrer
Größe ein oder mehrere Kerne eingeschlossen sind. Es können so
ziemlich unregelmäßige Figuren entstehen. Die Knospen beginnen
sich an ihrer Basis einzuschnüren und bleiben dann gewöhnlich
noch einige Zeit durch Stiele im Zentrum des Teilungskörpers im
Zusammenhang stehen. Dann isolieren sich die kleineren Knospen,
die größeren beginnen kleinere Knospen zu treiben und dann auch
zu zerfallen, so daß gewöhnlich eine halbe Stunde, nachdem sich
die erste Furchenbildung gezeigt hat, das ganze Ei in zahlreiche
Stücke von verschiedener Größe zerfallen ist. Die größeren davon
enthalten oft mehrere Kerne. Wir nennen diesen für die Viel-
befruchtung charakteristischen Prozeß, weil sich gleichzeitig viele
und unregelmäßige Knospen bilden und zur Teilung führen, die
Knospenfurchung.

2. Beeinflussung der Eier durch Morphium hydro-

chloricum.

Im Verhältnis zu den übrigen verwandten Stoff"en haben Mor-
phiumlösungen einen auö"allend geringen Einfluß auf die Eier.
Lösungen unter 0.1§ rufen auch bei längerer Einwirkung keine nen-
nenswerten Veränderungen hervor, und selbst bei Lösungen von
0.1g und 0.2^ bedarf es einer stundenlangen Dauer, ehe man mit
Sicherheit Abnormitäten in den Befruchtungsvorgängen feststellen
kann. Da nun bei mehrstündigem Liegen der Eier die Einflüsse
sich geltend machen, welche auch beim Verweilen in reinem Meer-
wasser unausbleiblich sind, und man somit es nicht mehr mit der
Einwirkung des chemischen Stoffs allein zu thun hat, haben wir
hauptsächlich mit konzentrierteren Lösungen von 0.4 und 0.6^
experimentiert. Über die letztgenannte Konzentration hinauszu-
gehen verbietet sich von selbst, da die in der Wärme bereitete
Lösung dann anfängt, beim Erkalten Krystalle abzusetzen.

Unter dem Einfluß des Morphiums verlieren die Strahlungs-
erscheinungen im Inneren des Eies an Intensität und auch die Be-
fruchtungskegel bleiben klein, so daß es nicht leicht fällt, schon
kurz nach der Befruchtung festzustellen, ob in normaler Weise nur

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ein Spermatozoon oder ob zwei und mehr derselben eingedrungen
sind. Zur Entscheidung dieser Frage haben wir daher vielfach die
Beschaffenheit der späteren Entwicklungsstadien benutzt. Treten
direkte Vierteilungen auf, zu einer Zeit, wo normalerweise die
Eier erst zweigeteilt sein sollten, so kann man bei der Anwendung
von Morphium, da dasselbe den Teilungsvorgang normal befruch-
teter Eier an und für sich nicht verändert, mit ziemlicher Sicher-
heit den Schluß ziehen, daß zwei oder drei Spermatozoen einge-
drungen sind. Knospenfurchung ist ein Hinweis auf ausgesprochene
Polyspermie. Auch die Bildung von Stereoblastulae und stark ver-
zögerte Gastrulation können als Fingerzeige benützt werden, wenn
sie auch nicht in gleichem Maaße beweiskräftig sind.

Versuche mit 0.1^ und 0.2^ Lösung.

Über die Versuche mit schwächeren Lösungen wollen wir kurz
im Zusammenhang berichten. Während der ersten zwei Stunden
der Einwirkung werden die Eier normal befruchtet, erst nach zwei-
stündiger Behandlung beginnen allmählich Befruchtungen mit mehr
als einem Spermatozoon aufzutreten. Nach dreistündiger Mor-
phiumwirkung mehren sich die Fälle von Polyspermie, doch giebt
es selbst nach sechs Stunden noch Eier, welche normal befruchtet
werden.

Versuche mit 0.4^ Morphiumlösung.

Während der ersten Stunde der Einwirkung ist so gut wie
gar keine Veränderung der Eizellen zu konstatieren; erst von da
ab kann man eine erhebliche Zahl von Eiern nachweisen, bei denen
zwei oder mehr Spermatozoen eingedrungen sind. Immerhin kann
man erst bei fünfstündiger Morphiumbehandlung mit einiger Sicher-
heit darauf rechnen, daß alle Eier von mehr als einem Sperma-
tozoon befruchtet werden. Auf die Bildung der Dotterhaut hat
eine 0.4^ Morphiumlösung keinen Einfluß, dieselbe unterbleibt erst
zu einer Zeit, wo es auch beim Liegenlassen der Eier in Wasser
der Fall sein würde.

Zum Beweis des Gesagten besprechen wir zwei Versuchsreihen
genauer.

1. Versuchsreihe mit 0.4§ Morphiumlösung.

Am 3. April früh 7 Uhr, 15 Min. wurden frisch aus dem Eier-
stocke entleerte Eier in eine 0.4^ Morphiumlösung gebracht. Bei
einer Einwirkungsdauer von 50 Minuten traten nur äußerst wenig
Abnormitäten auf; bei zwei Eiern konnten doppelte Befruchtungs-

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kegel, bei einem anderen im weiteren Verlauf deutliche Doppel-
strahlungen erkannt werden. Nach Verlauf von zwei Stunden waren
sämmtliche Eier in Teilung begriffen, einige wenige zerfielen sofort
in vier Teilstücke, die meisten waren zweigeteilt.

Ganz ähnliche Resultate wurden erzielt, als die Eier um 8 Uhr
45 Min. zur Befruchtung aus dem Morphium herausgenommen
wurden, nachdem sie Stunden in der Lösung gelegen hatten.
Ein geringer Unterschied wurde erst auf dem Stadium der Teilung
bemerkbar, indem die Zahl der Vierteilungen sich als größer
erwies und bei einigen auch die Anzeichen unregelmäßiger Knospung
auftraten.

Eine wesentliche Veränderung ergab sich, als ein neuer Ver-
such um 9 Uhr 45 Min. mit Material, welches 2| Stunden in Mor-
phium gelegen hatte, ausgeführt wurde. Schon gleich zu Anfang
konnten an einigen Eiern doppelte Befruchtungskegel nachgewiesen
werden. Als später die Strahlung deutlich wurde, mehrten sich
die Eier mit unzweifelhafter Polyspermie. Demgemäß fielen auch
die Bilder auf dem Teilungsstadium aus. Wohl der zehnte Teil
zerfiel unmittelbar in vier Stücke, dazwischen waren wenige un-
regelmäßige Knospenteilungen. Um 2 Uhr, also vier Stunden nach
der Befruchtung, waren alle Eier entweder vier- oder achtgeteilt.

Der vierte Versuch mit dem gleichen Ausgangsmaterial wurde
um 11 Uhr nach fast vierstündiger Einwirkung des Morphiums aus-
geführt. Die Membran wurde noch sehr deutlich abgehoben, aber
sehr viele Eier zeigten gleich von Anfang an Polyspermie. Um
12| Uhr, nicht ganz zwei Stunden nach Vornahme der Befruch-
tung, war die Hälfte der Eier in Vierteilung und nur ein Viertel
in normaler Zweiteilung begriffen. Der Rest bestand aus den ver-
schiedensten Teilungsformen, welche zu einem Zerfall des Eies in
eine große Anzahl Stücke führten. Bei manchen lag ein großes
Stück auf der einen Seite, kleine knospenartige Teile auf der
anderen Seite.

Bei dem fünften Versuch, welchen wir um 12 Uhr nach fast
fünfstündiger Morphiumwirkung vornahmen, hob sich die Eihaut
noch immer in normaler Weise ab, aber fast überall trat Poly-
spermie ein. Bei der Teilung waren normale Zweiteilungen spär-
lich, auch die Zahl der Vierteilungen war geringer geworden und
betrug nur ein Drittel der Eier, dagegen hatten sich die unregel-
mäßigen Teilungsformen sehr vermehrt. Ein Rest von Eiern war bei
den Versuchen übrig geblieben und wurde bis zum folgenden Tag
in der Morphiumlösung belassen. Um 9 Uhr 15 M. (genau nach 26

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Stunden) wurde mit ihnen noch eine letzte Befruchtung aus-
geführt. Überall trat Polyspermie ein, bei einigen Eiern wurde die
Dotterhaut nicht mehr abgehoben, bei den meisten trat dieser
Prozeß indessen immer noch, wenn auch sehr verlangsamt ein. Bei
einem Teil der letzteren war die Dotterhaut durch einen ziemlich
weiten Zwischenraum von der Eioberfläche getrennt, bei anderen
war sie nur wenig abgelöst. Am Abend waren die meisten Eier
todt; die überlebenden gaben ein sehr mannigfaltiges Bild. Einige
Eier waren nicht abgefurcht, enthielten aber im Innern große
blasige Kerne, andere zeigten auf der einen Seite abgeschnürte
Zellstücke, während der Best eine vielkernige Protoplasmakugel
war, noch andere unterlagen einer unregelmäßigen superfiziellen
Furchung. Im großen und ganzen gewann man den Eindruck,
daß die abgestorbenen Eier die genannten Teilungserscheinungen
ebenfalls durchgemacht hatten und daß die überlebenden bald
absterben würden.

2. Versuchsreihe mit 0.4^ Morphiumlösung.

Eine zweite Versuchsreihe mit der 0.4^ Morphiumlösung am
6. April ergab im wesentlichen gleiche Resultate. Die Eier wur-
den 11 Uhr 30 Min. in die Morphiumlösung entleert und succes-
sive befruchtet um

1) 12 Uhr nach Stunde,

2) 12 Uhr 40 Min. nach 1 Stunde u. 10 Min.,

3) 1 Uhr 20 Min. nach fast 2 Stunden,

4) 2 Uhr 40 Min. nach 3 Stunden u. 10 Min.,

5) 4 Uhr 20 Min. nach fast 5 Stunden.

Wir können die ersten vier Versuche gemeinsam besprechen;
sie wurden sämmtlich erst auf dem Teilungsstadium untersucht.
In allen überwogen die Zweiteilungen, doch waren schon beim
ersten Versuch Vierteilungen vorhanden. Ihre Zahl vermehrte
sich proportional der Dauer der Morphiumeinwirkung und erreichte
bei dem um 2 Uhr 40 M. befruchteten Eiquantum etwa ein Drittel.

Am folgenden Tag (7. April) Abends war das Blastulstadium
erreicht. Die meisten Blastulae waren normal und zeigten die
ersten Spuren der Gastrulation, einige enthielten wenige Körner
im Innern, andere waren ganz vollgepfropft, und waren somit typi-
sche Stereoblastulae. Am folgenden Tag war bei ersteren die Gas-
trula fertig gestellt, und auch die pathologischen Formen schickten
sich an, die Gastrulaeinstülpung zu bilden.

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Ganz anders verhielt sich das um 4 ühr 20 M. befruchtete Ei-
material. Hier trat nirgends normale Teilung ein; lange verharrten
die Eier auf einem Zustand, wo ein einziger Kern mit zahlreichen
Strahlungen vorhanden ist. Später wurden sie in 4, 5 und mehr
knospenartig zusammenhängende Stücke eingeschnürt. Tags dar-
auf hatten nur wenige Blastulae ein normales Ansehen; meist er-
blickte man Blastulae, deren Furchungshöhle zum Teil oder ganz
mit glänzenden Körnchen erfüllt war. Die Gestalt derselben war un-
regelmäßig, vielfach eingebuchtet, hie und da sogar tief gelappt.

Am zweiten Tag waren die normal entwickelten Blastulae zu
Gastrulae geworden; die unregelmäßigen Formen besassen nur
ausnahmsweise einen Anfang der Gastrulaeinstülpung. Meist
schwammen sie langsam herum mit anhängenden und sich ablö-
senden Zellfetzen. Einige waren geplatzt. Viele waren klein, offen-
bar weil sie Verluste am Körpermaße erlitten hatten. Die kleinen
klebten öfters zusammen, als ob sie aus Teilung eines größeren
Körpers hervorgegangen wären.

Versuche mit 0.6^ Morphiumlösung.

Die meisten Versuchsreihen wurden mit 0.6^ Morphiumlösung
angesetzt. Denn es stellte sich heraus, daß selbst dieser außer-
gewöhnliche Grad der Konzentration noch von den Eiern vertragen
wurde. Da die Einwirkung rascher eintrat, waren die üblen Neben-
einflüße des langen Liegens im Wasser nicht zu befürchten.

1. Versuchsreihe.

Die erste Versuchsreihe wurde am 4. April um 8| ühr ange-
setzt und die erste Befruchtung nach einer halben Stunde vor-
genommen. Dieselbe schien überall eine ganz normale zu sein,
wenigstens haben wir nirgends das Eindringen von mehr als einem
Spermatozoon nachweisen können. Immerhin sprach der weitere
Verlauf der Entwicklung dafür, daß hie und da Dispermie ein-
getreten war. Denn bei der Teilung wurden einige Eier direkt in
vier Stücke erlegt, andere ergaben Knospungsfiguren.

Bei der Befruchtung um 9f Uhr (nach einstündiger Morphium-
wirkung) war die Polyspermie in vielen Fällen ganz unzweifelhaft.
Wir konnten dabei eine interessante Beobachtung machen. Zwi-
schen der Oberfläche des Eies und der wenn auch etwas verlang-
samt so doch deutlich und weit abgehobenen Eimembran fanden
sich bei mehreren Eiern freibewegliche Spermatozoen. Sie schlän-
gelten sich auf der Oberfläche des Eies hin und her, vermochten
aber nicht in dieselbe einzudringen. Wir haben sie lange Zeit

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unter dem Mikroskop beobachtet und feststellen können, daß ihre
Bewegungen nach einiger Zeit schwächer wurden und endlich ganz
aufhörten.

Nach Verlauf von zwei Stunden war das Teilungsstadium
erreicht; die Hälfte der Eier zerfiel direkt in 4, die andere Hälfte
in 2 Stücke. Spärlich war die Zahl der Knospungsfiguren.

Bei den beiden folgenden Befruchtungen, welche um 10^ und
11:1^ vorgenommen wurden, waren im Ganzen keine größeren Ab-
weichungen im Vergleich zu dem vorher erwähnten Versuch nach-
zuweisen. Die Zahl der Vierteilungen schien sogar eine geringere
zu sein; dafür hatten freilich die Knospungsfiguren zugenommen.

Die nächste und zugleich letzte Befruchtung wurde erst nach
weiteren zwei Stunden ausgeführt. Die Eier hatten nunmehr
Stunden in 0.6§ Morphiumlösung gelegen. Die Dotterhaut
wurde nicht mehr in normaler Weise gebildet; sie hob sich bla-
senartig hier und dort ab, war aber schließlich ringsum voll-
kommen abgelöst. Überall drangen viele Spermatozoen ein, was
zur Folge hatte, daß zur normalen Zeit nirgends Teilung eintrat.
Nach Stunden war meist noch der Eikern als große Blase, im
weiteren Umkreis von vielen Spermastrahlungen umgeben, sicht-
bar. Selten war er in Spindelbildung übergegangen, ein Zeichen,
daß eine Verschmelzung von Ei- und Sperma-Kern sich vollzogen
hatte. Erst nach einer weiteren Stunde traten Furchungserschei-
nungen ein. Stets war an einem Pol das Ei intakt, am anderen
schnürten sich dagegen knospenförmige Stücke in sehr mannig-
facher Weise ab.

Die letzterwähnte Partie kam nicht zur Weiterentwicklung;
alle übrigen ergaben dagegen gute Resultate. Nach zwei Tagen
(am 6. April) war die Gastrulation bei einem Teil vollzogen, andere
Eier waren noch Stereoblastulae. Auch hier mehrte sich die Zahl
der Stereoblastulae in den einzelnen Partien proportional der Zeit-
dauer der Morphiumwirkung.

2. Versuchsreihe.

Am 5. April Nachmittags 4.30 wurden neue Eier in 0,6^
Morphiumlösung gelegt. Die erste Partie wurde schon nach einer
Viertelstunde befruchtet. In vielen Eiern ließ sich Doppelstrah-
lung erkennen, später (6| Uhr) zeigte nur die Hälfte des Mate-
riales normale Zweiteilung, der Rest vorwiegend Vierteilung und
auch Knospungsfiguren. Nach ITstündiger Entwicklung fanden
sich fast nur Blastulae mit normalem Aussehen, bei denen die

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Mesenchymbildung noch nicht begonnen hatte; wenige Blastulae
hatten kleine Haufen von Körnern in ihrer Furchungshöhle.

Bei der um 5 Uhr (also nach halbstündiger Morphiumwirkung)
vorgenommenen Befruchtung war ebenfalls bei vielen Eiern Di-
spermie zu bemerken. Nach Hstündiger Entwicklung befand sich,
ein Drittel in Zweiteilung, ein anderes Drittel in Vierteilung, der
Rest zeigte Knospung. Nach 17 Stunden waren die meisten Eier
zu normalen Blastulae geworden, wenige enthielten im Inneren
Körnerhaufen.

Um 5 Uhr 15 Min. befruchtete Eier ließen hie und da
schon drei Spermastrahlungen im Inneren des Eies erkennen. Am
folgenden Tag waren wesentlich weniger normale Blastulae vor-
handen; einige Blastulae waren sogar ganz von Körnchen voll-
gepfropft.

Die zwei weiteren Befruchtungen um 5.45 und 6 Uhr wurden
mit verdünntem Sperma ausgeführt. Trotzdem drangen 2 oder 3
oder viele Spermatozoen in die Eier ein. Namentlich bei der
6 Uhr-Portion war die Polyspermie ganz überwiegend. Bei ihr
waren daher am folgenden Tag nur wenige normale Blastulae zu
sehen, freilich auch wenige Stereoblastulae, die meisten Larven
hatten im Inneren Körnerhaufen von wechselnden Dimensionen. Unter
den Stereoblastulae hatten einige große Kugeln in ihrem Inneren.

Bei allen Versuchen gelang die Weiterentwicklung; die nor-
malen Blastulae wurden zu Gastrulae, auch die Blastulae mit ge-
ringer Köl neranhäufung erfuhren die Einstülpung, nur die Stereo-
blastulae blieben unverändert.

3. Versuchsreihe.

Eine dritte Versuchsreihe wurde am 6. April 11 Uhr 30 Min.
begonnen und die erste Befruchtung abermals nach einer Viertel-
stunde vorgenommen. Auf die Erscheinungen bei der Befruchtung
konnte nicht geachtet werden, zur Beurteilung wurde das Ver-
halten bei der Teilung benutzt. Hierbei ergab sich, daß ein Viertel
der Eier einer Vierteilung unterlag, die meisten übrigen in normaler
Weise sich zweiteilten, wenigeEierKnospungsfiguren lieferten. Nach
24 Stunden waren fast alle zu normalen Blastulae, nach weiteren
24 Stunden zu normalen Gastrulae geworden. Wenige Blastulae
enthielten Körnerhaufen in der Furchungshöhle, noch weniger
waren davon ganz angefüllt. Diese hatten 48 Stunden nach der
Befruchtung noch keine Gastrulae gebildet. Am 10. April fanden
sich fast nur normale Plutei.

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Bei einer zweiten Partie, welche eine halbe Stunde in der
Morphiumlösung gelegen hatte, teilte ein Drittel der Eier sich sofort
in vier Stücke. Später waren keine Unterschiede zur ersten Partie
erkennbar.

Beim folgenden Versuch wurde die Einwirkungsdauer des
Morphium auf 1 Stunde 10 Min. ausgedehnt (11.30 — 12.40). Die
Zahl der Vierteilungen steigerte sich bis zur Hälfte, auch die Kno-
spungsfiguren hatten zugenommen, der Rest (fast bestand aus
Zweiteilungen. Abends 6 Uhr hatten alle Eier ein sehr gleich-
förmiges und regelmäßiges Aussehen, sie ließen sich von normalen
Morulae nicht unterscheiden. Auch am folgenden Tag waren die
meisten Larvenformen ganz normal, einige enthielten Körnerhaufen
in der Furchungshöhle, wenige waren davon ganz erfüllt. Am
dritten Tag war über die Hälfte in die vollständige Gastrulaform
übergeführt, die übrigen waren Blastulae mit mehr oder minder
stark entwickeltem Körnerinhalt und zeigten fast sämtlich die
Anfänge der Gastrulation. Am 12. April schwammen viele Plutei
frei herum, viele Larven lagen am Boden und waren noch
Gastrulae, deren Furchungshöhle mit Körnern erfüllt war.
Immerhin hatte auch bei ihnen die Umwandlung in den Pluteus
begonnen.

Eine vierte Befruchtung wurde 1 Uhr 20 Min. ausgeführt mit
Eiern, welche somit fast zwei Stunden in Morphium gelegen hatten.
Über die Hälfte erlitt Vierteilung, auch die Zahl der Knospungs-
figuren war ansehnlich, so daß auf die normalen Zweiteilungen nur
ein Drittel kam. Auch hier hatten die abgefurchten Eier ein
gutes Aussehen, und waren unter ihnen am folgenden Tage wenige
Blastulae, bei denen Körnerhaufen in der Furchungshöhle lagen.
Am dritten Tag war bei der Hälfte die Gastrula ausgebildet, bei
der anderen Hälfte wurde die Einstülpung angelegt. Hier waren
dann die Furchungshöhlen mit Körnerhaufen erfüllt.

Im Vergleich zu den bisher besprochenen Entwicklungsreihen
ergab die nächst folgende erhebliche Unterschiede. Sie wurde 2.10
angesetzt, nachdem die Eier von 11.30 an, d. h. 2 Stunden 40 Min,
im Morphium gelegen hatten. Die Zweiteilung trat ganz zurück,
auch die Zahl der Vierteilungen war nicht groß; um so mehr über-
wogen die Knospungen. Abends waren die Eier zwar abgefurcht,
die einzelnen Furchungskugeln aber sehr ungleich groß. Tags
darauf waren viele Larven unregelmäßig eingeschnürt; fast alle
enthielten Körnerhaufen im Inneren, wenn auch nur wenige prall
erfüllt waren. Viele von ihnen starben ab, bevor das Gastrula-

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Stadium eingetreten war, einige erreichten sehr spät das^Gastrula-
stadium, einige wurden rechtzeitig zu Gastrulae umgebildet.1 fAm
15, April war nur ein kleiner Teil noch vorhanden, und diese ent-
hielten in ihrer Furchungshöhle Körnerhaufen; nur zum Teil waren
sie zu Plutei geworden, andere waren über das Gastrulastadium
nicht hinausgekommen.

Die längste Einwirkungsdauer des Morphium bei der vorlie-
genden Versuchsreihe war drei Stunden, von 11.30—2,40. Lange
Zeit blieb der Eikern bestehen, umgeben von vielen Spermastrah-
lungen ; dann trat Knospenfurchung ein; äußerst wenige Eier
teilten sich in vier Stücke.

3, Beeinflussung der Eier durch Strychninlösungen.

Die Strychninbehandlung ruft bei den Eiern der Seeigel Er-
scheinungen hervor, welche in wichtigen Punkten von denen sich
unterscheiden, welche im Verlauf der Morphiumeinwirkung erzielt
werden. Die Strahlungsfiguren sind nicht allein nicht herab-
gesetzt, sondern sogar verstärkt, die Befruchtungskegel ragen auf-
fallend stark über die Eioberfläche hervor und entspringen mit
breiter Basis aus dem Dotter, so daß es leichter als sonst fällt,
die Zahl der eingedrungenen Spermatozoen zu bestimmen.

Ferner treten die Veränderungen sehr rasch ein. Bei stär-
keren Lösungen genügten schon fünf Minuten, vielleicht könnte
man die Zeitdauer sogar noch geringer bemessen, bei schwächeren
Lösungen war schon eine Einwirkung von 20 Minuten ausreichend.
Dabei kann man die Konzentration der Lösungen sehr gering
nehmen, indem schon eine 0,005g Strychninlösung bei 10 Minuten
einen merküchen, bei 20 Minuten sogar einen ganz erheblichen
Einfluß hat. Wir besprechen die Einwirkungen der einzelnen Lö-
sungen getrennt,

1) Versuche mit 0.005§ Strychninlösung.

Bei einem ersten Versuch ergab sich, daß schon eine Ein-
wirkung von 10 Minuten eine starke Polyspermie zur Folge hatte.
Es ließ sich das sofort am Anfang konstatieren und fand später
in der Beobachtung, daß fast nur Vierteilungen und Knospen-
furchungen eintraten, seine Bestätigung; zum Teil hatte die Poly-
spermie in der besonderen Beschafifenheit der Eizellen ihren
Grund, Denn als diese, ohne vorher der Strychninwirkung unter-
legen zu haben, befruchtet wurden, wurde die Eimembran ver-
langsamt abgehoben, ein Zeichen, daß das Material gelitten hatte.
Demgemäß stellte es sich bei einem zweiten Versuch mit einem an-

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deren Tier heraus, daß selbst bei 20 Minuten langer Dauer höchstens
ein Drittel der Eier von mehr als einem Spermatozoon befruchtet
wurde.

2. Versuche mit 0.0075§ Strychninlösung.

Die geringfügige Verstärkung der Lösung von 0.025^ hatte
schon wesentlich andere Resultate zur Folge. Es wurden Ein-
wirkungsdauern von 10, 15 und 20 Minuten gewählt. Sow^ohl die
Untersuchung des frischen Materials als auch die Behandlung mit
Reagentien führten zu dem Resultat, daß nur ein kleiner Teil Eier
von einem Spermatozoen, der Rest dagegen von mehreren, meist
2, selten 3—5 Spermatozoen befruchtet worden war. Proportional
der Einwirkungsdauer nahm die Zahl der monospermen Eier ab,
die Zahl der polyspermen zu. Als Teilung eintrat, zerfiel daher
auch die Hälfte der Eier in vier Stücke, die andere Hälfte war
von Zweiteilungen und Knospungsfiguren gebildet. Das relative
Verhältnis beider zu einander war nun derart, daß bei der Ein-
wirkungsdauer von 10 Minuten die Zweiteilungen, bei der Einwir-
kungsdauer von 20 Minuten die Knospungsfiguren überwogen.

Die Eier der drei Serien wurderi gemeinsam weiter kultiviert
und entwickelten sich zu einem Gemisch von Blastulae, Stereo-
blastulae und Übergangsformen beider. Die Mehrzahl erreichte
das Pluteusstadium, wenn auch viele zuvor abstarben.

3) Versuche mit 0.01g Strychninlösung.

1. Versuch. Bei einer Einwirkungsdauer von fünf Minuten
konnte keine Polyspermie nachgewiesen werden, weder durch eine
Vermehrung der Strahlungen noch der Befruchtungskegel. Tags
darauf waren die meisten Blastulae normal, wenige enthielten in
der Furchungshöhle Körnerhaufen. Am dritten Tag der Entwick-
lung war nur ein Drittel der Eier zu normalen Gastrulae gewor-
den, alle übrigen Larven besaßen die Furchungshöhle mit Körner-
haufen angefüllt, zum Teil waren sie schon zu Gastrulae geworden,
zum Teil waren sie erst ira Begriff, die Einstülpung zu bilden. Am
siebenten Tag waren noch keine Pluteusformen erkennbar. Wenn
auch die Larven Spicula und einen Ösophagus besassen, so waren
sie doch meist noch kugelig und zeigten eine übermäßige Mesen-
chymentwicklung.

Das Gesagte gilt auch von einer zweiten Partie Eier, welche
10 Minuten im Strychnin gelegen hatte. Nur konnte bei der-
selben in einigen Fällen das Eindringen von mehreren Sperma-
tozoen an der Vermehrung der Spermastrahlungen erkannt werden.

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Eine dritte Partie Eier blieb 20 Min. in der 0.01| Strychnin-
lösung liegen, ehe sie befruchtet wurde. Hier war gleich von
Anfang an bei einigen Eiern die Vielbefruchtung unzweifelhaft, indem
sie 2-3 Befruchtungskegel besaßen; noch sicherer war die weite
Verbreitung der Polyspermie später an den Spermastrahlungen zu
erkennen. Tags darauf waren fast nur Stereoblastulae vorhanden,
welche erst am dritten Tag der Entwicklung teilweise anfingen die
Gastrula zu bilden, während andere zerplatzten und zu Grunde
gingen. Am 17. Tage lebten nur noch wenige Larven als kugelige
Stereoblastulae oder als leidlich normal aussehende Plutei.

Die letzte Partie Eier war eine halbe Stunde lang der Strych-
ninwirkung ausgesetzt worden; daher zeigte denn ein jedes Ei
nach der Befruchtung gleich auf den ersten Blick mehr als einen
Befruchtungshügel; an einigen zählten wir sechs; später traten
in jedem Ei mehrere Spermastrahlungen auf. Die Blastulae, welche
aus dieser Entwicklung stammten, hatten fast alle ein schlechtes
Aussehen und starben in großer Anzahl bald ab. Einige von
ihnen, obwohl im Inneren vollgepfropft von Körnchen, bildeten am
dritten Tage das Gastrulasäckchen aus und nahmen am siebenten
Tage die Pluteusgestalt an.

2. Versuch. Eier, welche von einem anderen Weibchen
stammten, wurden an dem gleichen Tag (11. April) 10 und 15 Mi-
nuten der Behandlung mit Strychnin ausgesetzt und beide Partien,
da sie keine größeren Unterschiede ergaben, in dasselbe Schälchen
vereint. Unter den Teilungen waren viele Vierteilungen und Kno-
spungsfiguren. Am Tag darauf hatten alle Blastulae ein gutes
Aussehen, doch waren sie nur zu einem Drittel normal, ein zweites
Drittel hatte eine ganz von Körnchen erfüllte Furchungshöhle, bei
einem dritten Drittel war das nur teilweise der Fall. Am 14. April
schwamm ein Teil der Larven frei im Wasser herum, ein anderer
Teil lag nach wie vor am Boden. Der erstere bestand aus Ga-
strulae, welche in Umbildung zu Plutei begriffen waren, und aus
Stereoblastulae, bei denen die Einstülpung sich entwickelte. Am
Boden befanden sich Stereoblastulae von zerfetztem Aussehen, die
von losgelösten Zellhaufen bedeckt waren. Am 18. April endlich
schwärmten viele Plutei im Wasser, einige davon mit doppelter Spitze
und mit im Übermaß entwickelten Stacheln. Die Stereoblastulae hatten
sich, so weit sie nicht abgestorben waren, in Gastrulae verwandelt.

4) Versuche mit 0.025§ Strychninlösung.

Obwohl die Strychninlösung nur fünf Minuten auf das Eimate-
rial einwirkte, waren doch die Eier in hohem Maße alteriert. Als

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die Befruchtung vorgenommen wurde (11. April 3 Uhr 20 Min.),
hob sich zwar die Dottermembran rasch ab, allein es trat wohl
überall Polyspermie ein. An vielen Eiern waren 2—3 Befruch-
tungskegel zu sehen, später traten im Inneren
4 und mehr Sperma-
strahlungen auf. Die inneren Befruchtungsvorgänge waren meist
nach Verlauf von 1| Stunden noch nicht abgelaufen. Neben den
Spermastrahlungen war der Eikern zumeist noch zu sehen, oder
er fing erst an in Beziehung zu den Spermakernen zu treten.
Am 12. April schwammen im Wasser fast nur Stereoblastulae von
gutem Aussehen herum. In den folgenden Tagen starben aber die
meisten derselben ab, die übrigen waren in der Bildung der Ga-
strula mehr oder minder vorgeschritten.

5. Versuche mit O.H Strychninlösung.

Die ersten orientierenden Versuche über die Strychninwirkung
wurden mit 0.1^ und 0.25^ Strychninlösung gemacht und zwar
bei einer Einwirkungsdauer von 5 Minuten, 10 Minuten und 20
Minuten.

Eier, welche am 7. April Nachmittags mit 0.1^ Strych-
ninlösung 5 Minuten lang behandelt worden waren, zeigten bei
der Befruchtung sofort starke Polyspermie; fast ein jedes besaß
mehrere außerordentlich breite Befruchtungshügel, später sehr
deutlich mehrere Spermastrahlungen, dabei wurde die Eimembran
rasch abgehoben. Nach zwei Stunden, als Teilung eintrat, war
nur ein Drittel in Zwei- oder Vierteilung begriffen, sonst waren
nur Knospungsfiguren zu sehen. Am folgenden Tag waren nur
Stereoblastulae in der Zucht vorhanden, zum Teil schwammen die-
selben frei herum und hatten eine glatte Oberfläche, zum Teil
lagen sie mit unregelmäßig höckeriger Gestalt am Boden. Am
zweiten und dritten Tag schwamm eine große Anzahl leidlich
aussehender Blastulae im Wasser herum; nur ein Viertel lag am
Boden. Am 14. April (sieben Tage nach der Befruchtung) waren
immer noch die Blastulae in überwiegender Zahl; manche waren
ganz klein, weil sie wahrscheinlich einen Teil ihres Zellmaterials
ausgestoßen hatten. Gering war die Zahl der Gastrulae, noch ge-
ringer die der Plutei.

Nach einer 10 Minuten dauernden Behandlung mit Strychnin
wurde bei der Befruchtung die Eihaut etwas verlangsamt abge-
hoben. Polyspermie trat ein wie bei
der beschriebenen Partie; die
Spermastrahlungen im Innern der Eizellen waren deutlich aus-
geprägt. Reguläre Teilungen erfolgten gar nicht mehr, sondern

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unregelmäßige Knospungen. Am folgenden Tage lagen alle Bla-
stulae noch am Boden, ihr Inneres war von Körnerhaufen erfüllt,
ihre Gestalt sehr unregelmäßig. Am Tag darauf besserten sich
die Verhältnisse, indem etwa drei Viertel eine leidlich normale
Gestalt angenommen hatten und frei im Wasser schwammen. Für
die späteren Stadien gilt alles, was auf der vorigen Seite von den
fünf Minuten lang behandelten Eiern gesagt wurde.

Bei Eiern, welche 20 Minuten lang in der Strychninlösung
verweilt hatten, war rücksichtlich der Befruchtungserscheinungen
nichts besonderes zu erwähnen. Die Eihaut wurde noch, wenn
auch verlangsamt, gebildet. Aber bei der Teilung ergaben sich
Unterschiede, indem die Eier in höchst unregelmäßiger Weise durch
oberflächliche Furchen in größere und kleinere im Innern zusammen-
hängende Stücke zerlegt wurden. Nur ein Teil der Larven ver-
mochte am Tag darauf die Eihaut zu verlassen, bei der Hälfte
blieb der Embryo als ein Haufe von kleineren und größeren Zell-
kugeln in der Eihaut liegen. Eine weitere Entwicklung trat
nicht ein.

Alle diese Erscheinungen steigerten sich bei einer Einwirkungs-
dauer des Strychnins von 45 Minuten. Jetzt wurde auch die
Eihaut nicht mehr ordentlich abgehoben und war nur durch einen
schmalen Spalt vom Ei getrennt. Die Strahlungsfiguren dagegen
waren noch deutlich. Die Eier zerfielen in große und kleine Teilstücke
mit mächtigen Kernen, aber die so gebildeten Embryonen verließen
die Eihülle nicht mehr. Nach l^stündiger Einwirkung des Rea-
gens unterblieb die Membranbildung vollständig.

6) Versuche mit 0.25^ Strychninlösung.

Schon bei einer 5 Minuten lang dauernden Behandlung mit
0.25^ Strychnin war bei der Befruchtung eine Verlangsamung in
der Abhebung der Eimembran zu konstatieren. Das Ei bedeckte
sich mit vielen großen Befruchtungshügeln, denen dann auch viele
sehr deutliche Spermastrahlungen entsprachen. Zweiteilungen waren
nicht zu beobachten, Vierteilungen nur in geringer Zahl, und so
wurde die Hauptmasse der Eier durch Knospenfurchung in Bla-
stulae übergeführt. Diese hatten am folgenden Tag ein zerfetztes
Außere, flimmerten zwar, vermochten sich aber nicht über den
Boden zu erheben und frei herum zu schwimmen. Meist gingen sie
bald zu Grunde, wenige lebten noch am zweiten Tag.

Über die Resultate, welche bei einer 10 Minuten langen Be-
handlung erzielt wurden, kann ich mit wenigen W^orten hinweg-

3

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gehen, da sie im Vergleich zu dem Vorigen nur eine geringe
Steigerung der Einwirkung des Giftes boten. Wurde nun die Ein-
wirkungsdauer noch weiter auf 25 Minuten und darüber gesteigert,
so unterblieb die Bildung der Eimembran hie und da ganz. Die
Strahlungsfiguren im Inneren des Eies wurden undeutlich. Immer
seltener wurden die Fälle, in denen das Ei durch Knospung in un-
regelmäßige Stücke zerlegt wurde; immer mehr wurde es dagegen
zur Regel, daß die Eier abstarben, bevor noch Andeutungen einer
Furchung eingetreten waren. Nach einstündiger Einwirkung unter-
blieb schließlich auch die Bildung der Dotterhaut.

4. Beeinflussung der Eier durch Chloralhydrat.

Zu den Versuchen wurden Lösungen von 0,1 und 0,2 und 0,5^
Chloralhydrat im Meerwasser angewandt. Die erstere Lösung rief
bei kurzer Anwendung keine sichtbaren Veränderungen in der Ei-
zelle hervor. Denn als Eier von 4 Uhr 15 Min. bis 4 Uhr 25 Min.
in eine 0,1 ^Lösung gebracht worden waren, wurden sie in nor-
maler Weise befruchtet und teilten sich um 6 Uhr 10 Min. Das
Gleiche trat ein, als die Einwirkung noch um 10 Minuten ver-
längert wurde. (4 Uhr 15 bis 4 Uhr 35 Min.)

Auch eine 0,2§Chlorallösung wirkte nicht bei kurz be-
messener Zeitdauer. Eier, welche in derselben 10 Minuten (4 Uhr 15
bis 4 Uhr 25 Min.) verweilten, zeigten reguläre Zweiteilung. Wenn
die Lösung aber länger als 10 Minuten wirkte, so wurden Störungen
hervorgerufen, wie die folgenden 3 Versuche lehrten.

1. Versuch. Die Eier verweilten von 11 Uhr 5 bis 11 Uhr
17 Min. in Chloralhydrat. Als nun Sperma hinzugefügt wurde,
erfolgte bei den meisten normale Befruchtung; nur in eine kleine
Anzahl drangen mehrere Samenfäden ein und veranlaßten unregel-
mäßige Furchung.

2. Versuch. Eine Anzahl Eier war drei und eine halbe
Stunde in der Chlorallösung belassen worden. Trotzdem reagier-
ten dieselben noch bei Zusatz von Sperma dadurch, daß sich die
Eihaut abhob. Indessen trat überall Polyspermie ein. Denn um
4 Uhr zeigten sich in jedem Ei auf das deutlichste viele Sperma-
kerne. Dieselben hatten an Größe zugenommen und waren bläschen-
förmig geworden. Zwischen ihnen war meistentheils der größere
Eikern noch sichtbar, doch nur kurze Zeit. Um 4 Uhr 30 Min.
war er geschwunden, wahrscheinlich weil Umbildung zur Kern-
spindel eingetreten war.

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3. Versuch. In einem dritten Versuch ließen wir das Chloral
von 11 Uhr 5 bis 3 Uhr 40 Min., also vier und eine halbe Stunde
auf die Eier einwirken. Unter dem Mikroskop untersucht, noch
ehe der Samen zugesetzt wurde, zeigten sich Veränderungen im
Dotter. Derselbe war etwas grobkörnig geworden. Trotzdem hob
sich bei der Befruchtung noch die Eihaut ab. Auch hier gab sich
die Überfruchtung später auf das deutlichste dadurch zu erkennen,
daß um 4 Uhr 30 Min. im Dotter viele bläschenförmige Sperma-
kerne sichtbar wurden.

Zahlreichere Versuche wurden mit einer Chlorallösung
von 0,51, deren Wirkung eine viel intensivere war, angestellt.
Wir teilen hierüber 3 Versuche mit.

1. Versuch. Am 1. April wurde eine größere Quantität Eier
in eine 0,5 ^ige Lösung von Chloralhydrat gebracht. Nach ver-
schiedener Dauer der Einwirkung wurden kleinere Portionen heraus-
genommen und befruchtet. Als nach 5 Minuten Samen hinzuge-
fügt wurde, hob sich bei allen Eiern die Dotterhaut ab; doch war
jetzt überall Polyspermie eingetreten (Tafel II, Fig. 1), welche
man gleich von Anfang an den zahlreichen Befruchtungshügeln
erkennen konnte. Infolge des Chloraleinflusses entwickelte sich
indessen keine Spur von Strahlung in der Umgebung der ein-
gedrungenen Samenfadenköpfe, auch war die ganze Weiterentwick-
lung eine außerordentlich verlangsamte. Denn selbst nach einer
Stunde war der Eikern noch unverändert und deutlich zu sehen,
ohne mit den Spermakernen verschmolzen zu sein (Tafel II, Fig. 2).
Diese hatten währenddem an Größe zugenommen und sich durch
Aufnahme von Flüssigkeit in Bläschen umgewandelt. Noch später
verschwanden der Eikern und die Spermabläschen, und an ihrer
Statt waren im Dotter zahlreiche, in verschiedener Weise angeord-
nete Strahlungen wahrzunehmen. Um 2 Uhr entwickelten sich
gleichzeitig zahlreiche Einschnürungen und Höcker (Tafel II, Fig. 3),
durch welche sich das Ei langsam und in unregelmäßiger W^eise
in viele kleine und größere Teilstücke nach dem Typus der Knospen-
furchung auflöste.

Andere Eiportionen wurden nach 10, 20, 30, 40 und 50 Mi-
nuten aus der Lösung genommen und befruchtet. Auch jetzt noch
hob sich in allen diesen Fällen die Eihaut unter Eindringen vieler
Samenfäden vom Dotter ab. Desgleichen vollzogen sich die wei-
teren Veränderungen in der vorhin beschriebenen Weise, so daß
etwa um 3 Uhr 50 Min. die Knospung erfolgte.

Wenn die Chloralwirkung noch längere Zeit dauerte, wurden

3*

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die Befruchtungserscheinungen etwas abgeändert. Bei einem Ei-
quantum, welches von 11 Uhr 20 bis 2 Uhr 30 Min. in Chloral
blieb, hob sich bei der Befruchtung die Eihaut nicht mehr ab;
gleichwohl waren viele Spermatozoen eingedrungen, sowie auch um
4 Uhr 50 Min, viele Spermakerne aus ihnen entstanden waren.
Erst als die Eier 4 Stunden in Chloral verweilt hatten, waren sie
nicht mehr befruchtungsfähig und wahrscheinlich abgestorben oder
wenigstens im Absterben begriffen, da das Eiplasma sich verändert
zeigte und grobkörnig geworden war.

Die von so zahlreichen Spermatozoen befruchteten Eier haben
sich in einzelnen Exemplaren noch sieben Tage lang weiter züch-
ten lassen. Am 2. April wurden in den Versuchsschälchen flim-
mernde Blastulae in großer Anzahl nachgewiesen; doch wichen sie
von normalen Blastulae ab. Die Kugeloberfläche bestand aus einer
einfachen Lage hoher flimmernder Cylinderzellen; anstatt mit Gallerte
aber war das Innere mit größeren und kleineren kugeligen und
glänzenden Körpern, welche wie Detritus aussahen, angefüllt. In
dieser Weise waren viele Larven noch am folgenden Tage unver-
ändert erhalten und flimmerten im Wasser herum. Bei anderen
hatte sich die Zellschicht an einem Pole verdickt und etwas pig-
mentiert, am entgegengesetzten Pole abgeplattet, womit die Ein-
leitung zur Gastrulation gegeben war, da die verdickte Stelle sich
später einstülpte. Am 4. April zeigten sich zu unserer Über-
raschung im Wasser einige Pluteusformen mit Kalkskelet und
braunen Pigmentflecken; teils sahen sie ziemlich normal aus, teils
waren sie verkrüppelt. Zwischen ihnen flimmerten immer noch
Blastulae herum, welche gegen früher nur die eine Veränderung
erkennen ließen, daß auf ihrer Oberfläche mehrere braune Pigment-
punkte entstanden waren. Andere und zwar nicht wenige Larven
waren abgestorben und zerfallen. Am 7. April, wo wir das Zucht-
glas zum letzten Mal durchmusterten, waren noch Plutei am Leben.

2. Versuch. Am Sonntag, den 5, April, wurden Eier von
10 Uhr 25 bis 10 Uhr 50 Min. in Chloral gebracht und dann be-
fruchtet. Es bildeten sich unter Abhebung der Eihaut viele Be-
fruchtungshügel. Strahlung konnte im Innern des Dotters nicht
gesehen werden. Um 2| Uhr erfolgte Knospenfurchung in viele
kleinere und größere Stücke. Am folgenden Tage waren zahlreiche
in der oben beschriebenen Weise abnorm gestaltete flimmernde
Blastulae entstanden. Am Abend begann schon bei einzelnen
die Gastrulation. Am Dienstag und noch mehr am Mittwoch
schwammen viele Gastrulae, welche Gallerte und Kalknadeln auszu-

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scheiden begonnen hatten, in dem Wasser herum. Währenddem
waren einzelne Larven, welche sich am Grund des ührschälchens
angesammelt hatten, zerfallen.

3. Versuch. Am Dienstag den 7. April wurde ein Versuch
in der Weise ausgeführt, daß nach einer Chloraleinwirkung von
10 Minuten den Eiern außerordentlich stark verdünnte Samenflüssig-
keit zugesetzt wurde. Die Eihaut wurde überall abgehoben. Viele
breite Befruchtungshügel entstanden, üm 3 ühr 35 Min. erkannte
man im Dotter die zahlreichen Spermakerne als kleine, helle Flecke,
aber noch ohne Spur von Strahlung in ihrer ümgebung. Dieselbe
machte sich erst eine Viertelstunde später bemerkbar, üm 5 ühr
begann der Knospungsprozeß, aber in einer noch unregelmäßigeren
Weise als bei Eiern, die zum Vergleich gleichzeitig mit Nicotin be-
handelt worden waren. Trotzdem kam es am folgenden Tag zur
Entstehung von Blastulae, deren manche in hohem Grade patho-
logisch verändert waren. Denn den Flimmerkugeln hingen auf
ihrer Oberfläche viele aus dem Verbände der übrigen ausgeschie-
dene Zellen und Zellenhaufen an, sowie auch im Innern der Kugel
Detritus angesammelt war. Am Freitag lebten noch die mißgebil-
deten Larven, aus denen zum Teil Gastrulae geworden waren, und
wurden von da nicht weiter gezüchtet.

5. Beeinflussung der Eier durch Chloroform.

Wie schon in der Einleitung hervorgehoben wurde, ist das
Chloroform dasjenige Mittel gewesen, welches den Anstoß zu der
vorliegenden Arbeit gegeben hat. Mit ihm hatten wir bereits
schon während eines Aufenthaltes in Sorrent einige Versuche vor-
genommen. Eier wurden in einem ührschälchen mit Meerwasser
unter einer Glasglocke während fünf bis zehn oder fünfzehn Minu-
ten der Einwirkung von Chloroformdämpfen ausgesetzt, befruchtet
und darauf aus dem nach Chloroform riechenden Wasser in reines
Meerwasser übertragen. Bei geringeren Graden der Chloroform-
wirkung hob sich von den Eiern die Dotterhaut ab, doch waren
gewöhnlich zahlreichere Samenfäden eingedrungen, die im Dotter
Strahlung hervorriefen und dadurch kenntlich wurden. Bei etwas
stärkerer Chloroformierung war die Polyspermie eine beträcht-
lichere. Nach einiger Zeit hatte sich der Eikern oft bedeutend
vergrößert, wie es auch bei längerer ChloralWirkung der Fall war,
und waren die Spermakerne zu ziemlich großen oberflächlich ge-
legenen Bläschen geworden. Wenn die Chloroformwirkung zu stark
war bei Anwendung während 15 bis 20 Minuten, starben die Eier

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ab, wobei das Protoplasma eine eigenthümliche, glasige Beschaffen-
heit annahm. Bei Eiern, die im Stadium des Absterbens waren,
haben wir bei Zusatz der Samenflüssigkeit oftmals eine nicht un-
interessante Erscheinung beobachtet. Sie reagierten noch auf den
Zusatz des Samens, indem sich die Eihaut abhob; alsbald aber
begann der Dotter seine Beschaffenheit zu verändern, sich in einen
Haufen von größeren und kleineren Kügelchen umzuwandeln und
so zu zerfallen. Durch die Abhebung der Membran war der Pro-
zeß des Absterbens unmittelbar veranlaßt worden.

In Nervi wollten wir die Versuche wieder aufnehmen, unter-
ließen es aber bald, weil das Chloroform in seiner Handhabung
weniger bequem und in seiner Wirkung weniger gleichmäßig war
als Chloral, Nicotin und mehrere andere Mittel. Hierbei wurden
wir aber auf eine neue Erscheinung aufmerksam gemacht. Wir
suchten die Eier mit Chloroformwasser anstatt durch Dämpfe zu
narcotisieren. Zu dem Zwecke schüttelten wir Meerwasser mit
Chloroform, ließen sich das schwerere Chloroform absetzen und
gössen nach mehreren Stunden die darüber stehende Flüssigkeit
ab. Wenn nun Eier in diese gebracht wurden, so hob sich eine
Membran augenblicklich vom Dotter weit ab, der sonst seine nor-
male Beschaffenheit beibehielt. Wahrscheinlich wird diese Erschei-
nung dadurch veranlaßt, daß die im Wasser fein verteilten Chloro-
formteilchen, wenn sie mit der Oberfläche des Protoplasma in Be-
rührung kommen, momentan einen heftigen Reiz auf dieselbe aus-
üben, ohne ein Absterben zu veranlassen, da sie nur einzelne
Punkte treffen. Die anderen Mittel wirken als Lösung auf die
ganze Oberfläche gleichmäßig und allmählich ein, da sie nur in
starker Verdünnung angewandt werden können. Bei stärkerer
Concentration töten sie sofort ab. Das angeführte Experiment ist
deswegen von Interesse, weil es lehrt, daß eine Abhebung von
einer Membran nicht bloß durch den normalen physiologischen
Reiz eines befruchtenden Samenfadens, sondern auch durch passende
chemische Reize hervorgerufen werden kann.

Weiter versuchten wir die mit Chloroformwasser behandelten
Eier, bei welchen die Membran abgehoben war, durch Znsatz von
Samen zu befruchten. Ein Erfolg trat nirgends ein. Kein Samen-
faden drang in den Dotter ein. Aus dieser Thatsache läßt sich
der Schluß ziehen, daß die Membran, wenn einmal abgehoben, dem
Eindringen der Samenfäden ein Hindernis entgegensetzt.

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6. Beeinflussung der Eier durch Cocain.

Da in den letzten Jahren das Cocain von den Pharmakologen
und Ärzten als ein in hohem Grade betäubendes und die Nerven-
erregbarkeit herabsetzendes Alkaloid erkannt worden ist, hatten
wir dasselbe, besonders durch Herrn Professor
Binz veranlaßt,
auch in das Auge gefaßt und verwandten es zu unseren Experi-
menten in Lösungen von 0,025, 0,05 und 0,1^. Vom Chloralhy-
drat war es in seiner Wirkung etwas verschieden.

1) Lösung von 0,025§ Cocain.

Am 11. April wurde eine Partie Eier von 3 Uhr 20 Min. bis
3 Uhr 25 Min., eine andere Partie 15 Minuten lang in die Cocain-
lösung gebracht. Im ersteren Falle hob sich die Eihaut sofort ab,
mehrfach ließ sich Überfruchtung konstatieren, indem hie und da
2 bis 4 Befruchtungshügel bei der Durchmusterung mit starker
Vergrößerung nachzuweisen waren. In den meisten Eiern waren
um 5 Uhr mehr als 4 Strahlungen, zuweilen deren 8 bis 10 vor-
handen, und so erfolgte denn auch später nur in einer geringen
Anzahl von Fällen reguläre Zweiteilung, meist aber Knospung in
mehr als 4 Stücke.

Im zweiten Falle, bei der Einwirkung von 15 Minuten, wurde
die Eihaut nur wenig und in Falten abgehoben (Tafel II, Fig. 11)
und zwar zuerst und am meisten an denjenigen Stellen, an welchen
sich ein Samenfaden eingebohrt hatte. In Folge der Polyspermie
kam es später zu unregelmäßiger Knospenbildung.

Lösung von 0,05^ Cocain.

Nach Einwirkung von nur 5 Minuten drangen in die meisten
Eier unter Abhebung der Eihaut 2, 3 und mehr Samenfäden ein.
Nach kurzer Zeit wurde um die Spermakerne auch deutlich aus-
geprägte Strahlung sichtbar. Schon um 3 Uhr 45 Min. trat Zell-
vermehrung ein. Nur wenige Zwei- und Vierteilungen wurden be-
merkt, das gewöhnliche war Knospung in 5, 6 (Tafel II, Fig. 23),
8 und mehr Stücke. Der weitere Verlauf der Entwicklung ge-
staltete sich nicht ungünstig. Denn nach 2 Tagen waren Blastulae
mit oft reichlicher Gallertausscheidung entstanden, zum Teil waren
sie auch in Umwandlung zu Gastrulae begriffen. Am fünften Tage
hatte die Gallertausscheidung bei vielen noch zugenommen. Die
weitere Entwicklung wurde nicht verfolgt.

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Lösung von 0,1Cocain.

Als Eier 10 Minuten (Mittwoch, 8. April, 4 Uhr 5 bis 4 Uhr
15 Min.) in der Lösung geblieben waren, hob sich die Eihaut beim
Samenzusatz noch ab und es trat unter Bildung mehrerer Befruch-
tungshügel Polyspermie ein, die nach einer Viertelstunde sich am
leichtesten konstatieren ließ, da viele deutliche Strahlungen um die
Spermakerne entstanden waren. Um Uhr begann der größte
Teil der Eier Knospen zu treiben, während nur einzelne sich in
zwei oder gleich in vier Stücke teilten.

Bei Einwirkung der Lösung während 15 Minuten wurde die
Eihaut infolge der Befruchtung schwach oder gar nicht abge-
hoben. Die Polyspermie führte nach derselben Zeit wie oben zur
Vielknospung.

An diesen 2 Zuchten wurde die Entwicklung eine Woche lang
verfolgt. Am Ende derselben standen die meisten Larven noch
auf dem Blastulastadium mit mehr oder minder reichlicher Gallert-
ausscheidung.

7. Beeinflussung derEier durch Chinium sulfuric um.

Es ist bekannt, daß Chinin auf niedere Organismen in viel
höherem Grade giftig wirkt, als auf höhere Thiere und daß schon
eine dünne Lösung von 0,02 ^ Infusorien z.
B. rasch abtötet. Des-
gleichen ist nach den Untersuchungen von
Binz Chinin ein sehr
starkes Gift für Lymphkörperchen. Auch auf die Eizellen wirken
schon schwache Lösungen von 0,005g giftig ein und rufen, wenn
auch nicht den sofortigen Tod, so doch Störungen in dem Ent-
wicklungsprozeß hervor. Die Experimente wurden mit einer Lö-
sung von 0,05 und mit einer Lösung von 0,005^ angestellt.

1) Lösung von 0,05^ Chinium sulfuricum.

Am Freitag den 3. April wurden Eier in die Chininlösung ge-
bracht und teils nach 5 Minuten, teils nach 10 oder 15 oder 20
Minuten herausgenommen und befruchtet.

a) Befruchtung nach 5 Minuten.

Überall hebt sich in normaler Weise die Eihaut ab. Meisten-
teils war die Befruchtung eine einfache; in einen kleineren Teil der
Eier waren 2 und mehr Samenfäden eingedrungen. Nach Stunden
sah man daher hauptsächlich Amphiaster in den Eiern entwickelt,

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zwischen ihnen noch ziemlich zahlreiche Tetraster und ab und zu
auch Eier mit 5 und mehr Strahlungen. Am folgenden Tage zeigte
sich an vielen Objekten keine nachträgliche Schädigung durch
Chinin. Es waren viele typische, im Wasser flimmernde Blastulae
mit Gallertkern und eingewanderten Mesenchymzellen entstanden,
doch fanden sich auch auf dem Boden des ührgläschens eine
Anzahl pathologischer, von Überfruchtung herrührender Blastulae.

b) Befruchtung nach 10 Minuten.

Bald war die Eihaut vollständig, bald nur wenig und in ein-
zelnen Fällen gar nicht abgehoben. Mit wenigen Ausnahmen war
jetzt Polyspermie eingetreten. 1| Stunden nach der Befruchtung
sah man daher in den Eiern teils mehr als 2, teils sehr viele
Strahlungen. Nicht selten waren derartige Befunde, daß etwas ex-
centrisch im Dotter der Eikern mit 3 bis 4 Strahlungen an seiner
Oberfläche lag und außerdem noch in der Dotterrinde zahlreiche
isolierte, von Strahlung umgebene Spermakerne vorkamen, welche
sich vergrößert und bläschenförmige Beschaö\'enheit angenommen
hatten. Die aus dieser Befruchtung am folgenden Tage entstan-
denen Blastulae waren pathologisch, insofern sich in ihrem Innern
glänzende Körner etc. angesammelt hatten und zuweilen auch ihrer
Oberfläche einzelne Körner oder abgelöste Zellen anhingen.

c) Befruchtung nach 15 Minuten.

Bei der Mehrzahl der Eier hob sich die Dotter haut nicht mehr
ab, und in den wenigen Fällen, wo es geschah, nur schwach. Es
erfolgte hochgradige Polyspermie. Nach einiger Zeit sah man
gewöhnlich den Eikern in nicht unerheblicher Weise vergrößert
und von mehreren Strahlungen umgeben, außerdem noch 4 bis 8
isolierte Strahlungen, von denen eine jede einen Spermakern um-
schloß, welcher durch Aufnahme von Flüssigkeit bläschenförmige
Beschaffenheit angenommen hatte.

d) Befruchtung nach 20 Minuten.

Nirgends entwickelte sich jetzt bei der Befruchtung eine ab-
stehende Eihülle. Nach 3 Stunden wieder untersucht waren viele
Eier mit deutlichen Spermastrahlungen (Taf. II, Fig. 5) ganz dicht
erfüllt, worauf es, allerdings zu sehr verschiedenen Zeiten, zur
Knospung kam. Je später dieselbe eintrat, in welchem Falle wohl
die Chininwirkung am intensivsten gewesen war, um so mehr wur-
den die absonderlichsten Figuren hervorgerufen (Taf. II, Fig. 4),

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Die von vielen Kernen durchsetzten Eier streckten sich und nah-
men die Form von unregelmäßigen Knollen an, die mit kleineren
und größeren Höckern, in denen ein oder 2 Kerne lagen, bedeckt
waren. Manche Höcker hingen mit der Hauptmasse nur durch
einen dünnen Stiel zusammen. Am folgenden Tag waren die mei-
sten Eier zerfallen, wenige hatten sich zu hochgradig pathologisch
veränderten Blastulae weiter entwickelt.

2) Lösung von 0,005^ Chinium sulfuricum.

Wenn dieselbe nur während 5 Minuten einwirkte, entstanden
nach zwei Stunden hauptsächlich normale Zweiteilungen, eine
ziemlich beträchtliche Menge von Vierteilungen (wir schätzten die-
selben etwa auf 10 {}) und eine kleine Anzahl von unregelmäßigen
Formen. Bei Einwirkung während einer halben Stunde beobachteten
wir nur wenig Zweiteilungen, dagegen die Anzahl der Vierteilungen
und der in Knospung begriffenen Eier vermehrt. An den folgen-
den Tagen entwickelten sich in den Zuchtgläsern aus diesem Ma-
terial noch normale Blastulae und Gastrulae neben pathologischen
Formen, denen abgelöste Zellen oberflächlich anklebten, oder deren
Inneres mit Körnermaterial erfüllt war. Manche davon hatten
durch einen Riß in der Zellenmembran die Körnermasse ausge-
worfen und sich so in flimmernde unregelmäßige Zellscheiben um-
gestaltet.

Bei Eiern, welche 1 Stunde 15 Minuten in der schwachen
Chininlösung gelegen hatten, wurde die Dotterhaut bei der Be-
fruchtung immer noch abgehoben, doch erfolgte jetzt überall Poly-
spermie und Vielstrahlung. Die meisten so entstehenden Blastulae
waren hochgradig verändert. Nach 6 stündigem Aufenthalt in der
Lösung fand sich kein einziges Ei mehr mit abstehender Dotter-
haut. Nur in wenigen Eiern wurden später mehrfache Strahlungen
beobachtet, in die übrigen war entweder kein Samenfaden einge-
drungen oder er hatte, wenn es der Fall war, keine Reaktion mehr
von Seiten des Dotters bewirkt. Am andern Tage war auch keine
Zerklüftung eingetreten.

b, Beeinflussung der Samenfäden durcli chemische Agentien
vor der Befruchtung,

Um einen klaren Einblick in die Art und Weise, wie der Be-
fruchtungsvorgang durch chemische Stoffe beeinflußt werden kann,
zu gewinnen, mußten noch Versuche in Bezug auf die Samenfäden

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vorgenommen werden. Wir haben daher dieselben, ehe sie zur
Befruchtung verwandt wurden, der Einwirkung von verschiedenen
Mitteln, wie Nicotin, Chloralhydrat, Strychnin, Chinin, Morphium
ausgesetzt. Um die Wirkung zu beurteilen, hat man bei den
Spermatozoen ein gutes Zeichen daran, ob die Bewegung des con-
traktilen Fadens verändert wird.

1. Beeinflussung der Samenfäden durch Nicotin.

Da bei Anwendung der schwachen Nicotinlösung, welche sich
bei den Eiern schon so wirksam erwies, die Spermatozoen nicht
zu reagieren schienen, wurde gleich mit einer 10 mal stärkeren
Lösung, in welcher Eier bald absterben, experimentiert. Hierbei
ergab sich eine große Widerstandsfähigkeit der Samenfäden gegen
dies Mittel. Denn selbst Sperma, welches in die stark nach Nicotin
riechende Lösung um 11 Uhr 25 Min. gebracht worden war, zeigte um
11 Uhr 40 Min. die lebhafteste tumultuarische Bewegung. Auch um
12Uhr schien dieselbe nicht an Intensität verloren zuhaben. Die Be-
fruchtungsfähigkeit war noch eine vollständige. Um 1 Uhr beweg-
ten sich die Samenfäden noch durcheinander, hatten aber in ihrer
Fähigkeit zu befruchten etwas gelitten, doch nur in einer vor-
übergehenden Weise. Als nämlich Sperma zu Eiern, die sich in
frischem Meerwasser befanden, zugesetzt wurde, schien in der
ersten Zeit keine Befruchtung einzutreten, indem zwar die Samen-
fäden sich an die Oberfläche der Eier ansetzten, aber nicht ein-
drangen, wie denn auch die Abhebung der Eihaut nicht erfolgte.
Nach zehn Minuten indessen mußte durch die Wirkung des reinen
Meerwassers die Schädigung durch Nicotin beseitigt sein, da sich
jetzt die Eihaut fast überall abhob. Um 1 Uhr 45 Min. war das
gesamte Eimaterial vollständig und in normaler Weise befruchtet.
Die Entwicklung ließ keine Störung erkennen; um 3 Uhr 25 Min,
erfolgte überall die Zweiteilung.

2. Beeinflussung der Samenfäden durch Chloral-
hydrat.

In einer viel energischeren Weise, als das Nicotin, wirkt
Chloralhydrat ein. Als in eine 0,5^ Lösung um 10 Uhr 10 Min.
Sperma gebracht wurde, war die Bewegung schon nach 5 Minuten
aufgehoben. Dieselbe kehrte jetzt indessen sehr rasch und lebhaft
wieder, wenn reines Meerwasser zugesetzt wurde. Auch befruch-
teten die durch den vorübergehenden Aufenthalt in 0,5 § Chloral
gelähmten Samenfäden, wenn sie zu Eiern zugefügt wurden, fast

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ebenso bald als frischer Samen, wegen der in frischem Wasser
rasch erfolgenden Beseitigung der Chloralwirkung,

Bei längerer Chloralwirkung wurde die hervorgerufene Läh-
mung eine stärkere und hielt längere Zeit auch nach Entfernung
des schädigenden Mittels an. Sperma, welches um 10 Uhr 40 Min.
(nach einer halben Stunde) aus der Chlorallösung herausgenommen
wurde, blieb auch in reinem Wasser noch mehrere Minuten unbe-
weglich. Erst allmählich begann bei einzelnen Spermatozoen die
schlängelnde Bewegung des Fadens und wurde dann rasch eine
recht lebhafte. Auch die befruchtende Wirkung war jetzt für
längere Zeit als bei der Einwirkung von 5 Minuten aufgehoben.
Als um 10 Uhr 45 Min. Sperma, das 35 Minuten in der Chloral-
mischung war, zu Eiern hinzugefügt wurde, war selbst nach 10 Mi-
nuten (10 Uhr 55 Min.) bei keinem Ei die Dotterhaut abgehoben;
es war mithin keine Befruchtung erfolgt, obwohl sich schon viele
Spermatozoen wieder berwegten, auch den Eiern aufsaßen und
besondere Bewegungen ausführten. Doch trat später noch überall
Befruchtung ein. Als um 11 Uhr 20 Min. das Versuchsmaterial
wieder kontroliert wurde, zeigte sich die Dotterhaut fast bei allen
Eiern abgehoben und war Strahlung im Ei sichtbar. Relativ wenige
Eier waren noch unbefruchtet. Um 1 Uhr begann sich das Ma-
terial zu teilen, wobei ganz vereinzelte Vierteilungen sichtbar
wurden. In Bezug auf letztere wird man aber wohl annehmen
müssen, daß die abweichende Teilungsform durch eine Schädigung
des Eies bedingt gewesen ist.

3. Beeinflussung der Samenfäden durch Chinin.

Wie Chloralhydrat, so wirkt auch Chinin in sehr intensiver
Weise auf die Spermatozoen ein. Wir wandten die 0,05 ^ Lösung
an, welche wir auch bei der Untersuchung der Eier benutzt hatten.
Dieselbe hatte schon nach 5 Minuten eine erhebliche Verlang-
samung der Bewegung der Samenfäden zur Folge; proportional der
Einwirkungsdauer des Reagens wurden die Bewegungen schwächer,
bis sie nach 35 Minuten vollkommen aufhörten. Eine um diese Zeit
vorgenommene Befruchtung war anfangs gänzlich resultatlos. Da
aber hierbei die Spermatozoen aus der Chininlösung in frisches
Wasser gebracht worden waren, lebten sie allmählich wieder auf;
10 Minuten nach dem durch die Befruchtung herbeigeführten
Wasserwechsel waren sie noch gänzlich unbeweglich, nach weiteren
20 Minuten fingen sie an, schwache Bewegungen
zu zeigen; auch tra-
ten hie und da vereinzelte Befruchtungen ein; immerhin waren auch

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um 12 ühr noch die meisten Eier unbefruchtet und erst um 1 ühr
war die Gesamtheit der Eier successive befruchtet. Ob stärkere
Lösungen des Chinins dauernd die Lebensthätigkeit der Spermato-
zoen vernichten, haben wir nicht untersucht.

4. Beeinflussung der Spermatozoen durch Strychnin.

Wenn man Sperma in 0,011 Strychnin überträgt, so leidet
dasselbe anfänglich gar nicht. Nach 3 Stunden verlangsamte sich
die Bewegung etwas, doch fällt diese Erscheinung nicht sehr in
die Wagschale, da Sperma, welches längere Zeit im reinen Meer-
wasser gelegen hat, ebenfalls eine Einbuße an Lebensenergie er-
fährt. Wichtig ist, daß diese schwach beweglichen Spermatozoen
immer noch vollkommene Befruchtung der Eier bewirkten. Die so
befruchteten Eier entwickelten sich fast sämtlich normal weiter;
wenn hier und da direkte Vierteilungen auftraten, so läßt sich
das wohl schwerlich als Folge der Reagentienbehandlung, welche
die Spermatozoen erfahren haben, betrachten.

5. Beeinflussung der Spermatozoen durch Morphium.

Morphium scheint auf die Spermatozoen ohne jeden Einfluß
zu sein. Noch nach mehr als 1 Stunde lebten sie in einer 0,5^
Lösung unverändert weiter. Eine nach
f stündiger Einwirkungs-
dauer vorgenommene Befruchtung ergab eine normale Entwicklung;
nur äußerst spärlich führte sie zu Vierteilungen.

II. Abschnitt.

über den Einflufs von ehemischen Agentien auf den Verlauf

der Befruchtung.

Sowie bei normaler Befruchtung das Spermatozoon in das
Innere der Eizelle eingedrungen ist, spielen sich daselbst eine
Reihe von Vorgängen ab, welche für das Verständnis der Befruch-
tung wichtiger sind als alle vorangegangenen Erscheinungen. Der
Kern des Spermatozoons und der Kern der Eizelle, Spermakern
und Eikern, anfänglich weit voneinander getrennt, kommen ein-
ander immer näher und verschmelzen schließlich im Centrum des
Eies zum Furchungskern. Beim Seeigel ei dauert der gesamte

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Prozeß etwa eine Viertelstunde, bei einigen Eiern etwas weniger,
bei anderen etwas mehr, je nachdem der Ort, wo das Spermato-
zoon eingedrungen ist, dem Eikern mehr entfernt oder genähert liegt.

Darin, daß 2 kleine Körper in einer relativ ansehnlichen
Substanzmasse stets einander finden und noch dazu in einer so
kurzen Zeit, spricht sich eine wunderbare Gesetzmäßigkeit aus;
es müssen in den für den Befruchtungsakt wichtigen Teilen be-
stimmte Kräfte wirksam sein, welche diese Gesetzmäßigkeit garan-
tieren, deren Ermittelung nur auf experimentellem Weg herbei-
geführt werden kann. Von vornherein sind drei Möglichkeiten
gegeben: 1) Die Geschlechtskerne sind allein Sitz der regulatori-
schen Kräfte, indem sie aktiv, vermöge ihrer sexuellen Differenz,
aufeinander zuwandern. 2) Die Kerne werden passiv von dem
Protoplasma bewegt; die durch Aufnahme des Spermakerns aus-
gelösten Kontraktionen desselben treiben beide Kerne im Centrum
einander zu. 3) Kerne und Protoplasma sind beide beteiligt, letz-
teres ist zwar vorwiegend in Aktivität, indessen besitzen die an
und für sich passiv bewegten Kerne einen bestimmenden Einfluß
auf die Art der Plasmakontraktionen.

Um die hier aufgeworfenen Fragen, wenn auch nicht zu ent-
scheiden, so doch der Entscheidung näher zu führen, haben wir
versucht, durch chemische Einwirkungen die inneren Befruchtungs-
vorgänge monospermer Eier abzuändern. Es galt uns dabei noch
über einen zweiten Punkt Gewißheit zu erlangen, ob es nämlich
möglich ist, die Vereinigung der Geschlechtskerne und damit den
wichtigsten Teil der Befruchtungsvorgänge zu verhindern. Im be-
jahenden Fall mußte es von Interesse sein zu verfolgen, was dann
aus den Kernen und den Eiern wird, welchen die normale Er-
ledigung ihrer Functionen unmöglich gemacht worden war.

Zwei Umstände lenkten unsere Aufmerksamkèit auf die An-
wendung bestimmter Reagentien, des Chinins und des Chlor als;
einmal hatten wir bei den Untersuchungen über die durch Reagen-
tien veranlaßten abnormen FurchungsVorgänge und polysperme Be-
fruchtungen wahrgenommen, daß beide Substanzen in hohem
Grade
die Strahlungserscheinungen im Protoplasma herabsetzen,
zweitens war für uns die Thatsache bestimmend, daß die Strah-
lung um den Spermakern bei den inneren
Befruchtungserscheinungen
so sehr in den Vordergrund tritt.

Wir haben nun mit der von uns am meisten benutzten 0,5 §
Chlorallösung in folgender Weise experimentiert. Eine größere
Menge frischer Eier wurde befruchtet; davon wurde die erste

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Partie nach einer Minute herausgenommen und auf 10 Minuten in
die Chlorallösung gebracht, eine zweite Partie wurde nach 1| Mi-
nuten, eine dritte nach 5, eine vierte nach 15 Minuten in die
Chlorallösung übertragen, um daselbst ebenfalls 10 Minuten zu ver-
bleiben. Nur die letzte Partie wurde über 10 Minuten, fast eine
Viertelstunde lang im Chloral belassen. Wie auch sonst, wurde
nach der Behandlung das Reagens durch wiederholte Erneuerung
des Seewassers möglichst vollständig entfernt.

Da die einzelnen Serien zu sehr verschiedenartigen Resultaten
geführt haben, werden wir den Entwicklungsgang einer jeden ge-
trennt schildern.

1. Versuch. Vornahme der ChloraLbehandlung
1 Minute nach Besamung der Eier.

Die Eier wurden früh 9 Uhr 50 Min. befruchtet, nach
einer Minute in Chloral übertragen und eine kleine Anzahl sofort
untersucht. Die Eimembran war überall abgehoben, dagegen keine
Strahlung zu sehen, auch entwickelte sich dieselbe nicht in der
Folgezeit; sämmtliche außerhalb des Eies und in den Eihüllen
befindlichen Spermatozoen waren vollkommen bewegungslos. Auch
als nach 10 Minuten das Chloral ausgewaschen wurde, trat lange
Zeit über keine Strahlung auf.

Die ersten Eier wurden zur nachträglichen Untersuchung
10 Uhr 20 Min., also ^ Stunde nach vorgenommener Besamung
in Picrinessigsäure eingelegt. Im frischen Zustand erschienen sie,
wenn wir von der Eimembran absehen, wie unbefruchtete Eier, in-
dem sie nur den Eikern erkennen ließen. Nach der Behandlung
mit Picrinessigsäure und der Färbung in Boraxkarmin trat dazu
noch der Spermakern hervor, als ein ganz oberflächlich gelegener
roter kleiner Körper, der nur wenig größer war als der Kopf
eines Spermatozoons und sich außerdem von diesem dadurch unter-
schied, daß er kugelig sich abgerundet hatte (Tafel III, Fig. 14).
Im Umkreis des Spermakerns war weder eine Anhäufung homo-
genen Protoplasmas, noch auch die geringste Spur von Strahlung
zu bemerken. Der Eikern hatte seine normale bläschenförmige
Gestalt verloren und hatte ein geschrumpftes Aussehen, als ob
Flüssigkeit aus ihm ausgetreten wäre. Seine Kontur war zwar
scharf gezeichnet, aber unregelmäßig ausgebuchtet; seine Lage war
excentrisch mehr oder minder der Oberfläche genähert, bald in
der Nachbarschaft des Spermakerns, bald weit von ihm entfernt.

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Offenbar hatte somit die Befruchtung seit der Einlage in
Chloral auch nicht den geringsten Fortschritt gemacht.

Für die richtige Beurteilung der späteren Studien ist es
wichtig festzustellen, ob und wie viel Eier von mehr als einem
Spermatozoon befruchtet worden sind; wir haben daher etwa 200
Eier genau durchgeprüft und kein einziges doppelt befruchtetes
vorgefunden. An einigen wenigen konnten wir überhaupt den
Spermakern nicht finden. Bei seiner oberflächlichen Lage ist er
überhaupt um diese Zeit schwieriger nachzuweisen als auf späteren
Stadien. So wäre es denn möglich, daß einige wenige disperme
Eier vorhanden gewesen, aber nicht zur Beobachtung gekommen
sind, weil der zweite Spermakern in Folge ungünstiger Lagerung
übersehen wurde.

Während bei der Untersuchung im frischen Zustand die Eier
um 10 Uhr 45 Min. (fast eine Stunde nach der Besamung) keine
Veränderung aufwiesen, konnten solche an dem in Reagentien kon-
servierten Material deutlich wahrgenommen werden (Taf. III, Fig. 15).
Die Spermakerne waren größer geworden; die homogene Beschaffen-
heit hatte einem fein gekörnelten Ansehen Platz gemacht; ferner
machte sich zum Teil wenigstens ein heller Hof im Umkreis be-
merkbar, als ob sich eine geringe Spur Flüssigkeit zwischen Kern
und Protoplasma angesammelt hätte. Unter etwa 60 Eizellen fan-
den sich 2 doppelt befruchtete, beidesmal war der eine Sperma-
kern etwas kleiner als der andere. Der Eikern hatte sich nicht
verändert, auch das gegenseitige Lageverhältnis beider Kerne war
das nämliche geblieben.

Während der folgenden halben Stunde machen die Verände-
rungen des Spermakerns nach der soeben besprochenen Richtung
weitere Fortschritte. Namentlich wird die Flüssigkeitsansammlung
im Umkreis eine bedeutendere, so daß er schon im lebenden Ei
11 Uhr 20 Min. m Stunden nach Befruchtung) als ein Bläschen
auffällt, welches meist etwa halb so groß ist wie der Eikern. In
einigen Fällen ist der Durchmesser geringer, in anderen Fällen
wieder größer, je nachdem die Veränderungen einen langsameren
oder rascheren Fortgang genommen haben (Tafel III, Fig. 16). Bei
Reagentienbehandlung gleicht der Spermakern den Kernen, wie sie
ab und zu bei Rhizopoden vorgefunden werden, z. B. bei Arcella
vulgaris, er ist ein Bläschen mit einfachem, rundem Nucleolus ge-
worden, nur mit dem Unterschied, daß letzterer, der eigentliche
Spermakern, deutlich und gleichmäßig granuliert ist. Das ge-
körnelte Aussehen ist nun sehr wahrscheinlich nur der Ausdruck

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einer netzförmigen oder fadenförmigen Struktur, wie sie in der
Neuzeit wiederholt für das Innere von Kernen beschrieben worden
ist, eine Annahme, zu welcher wir namentlich durch die Verände-
rungen auf späteren Stadien bestimmt werden.

Mit der Grössenzunahme hat die Intensität der Färbung ab-
genommen, als ob dasselbe Quantum färbbarer Substanz nun auf
einen größeren Raum verteilt wäre. Immerhin ist der Körper
noch intensiver gefärbt als das Protoplasma und die geformten Be-
standteile des Eikerns.

Von Wichtigkeit sind feine Verbindungsfäden, welche zwischen
dem nucleolusartigen Körper und dem umgebenden Protoplasma
vorhanden sind und die Flüssigkeitsschicht durchsetzen. Hie und
da treten solche Fäden vom Nucleolus herüber, stets äußerst zart
und vollkommen farblos. Da sie infolgedessen schwierig zu er-
kennen sind, läßt sich über die Art ihrer Bildung nicht viel sagen;
von Anfang scheint nur ein Faden da zu sein, mit Hilfe dessen der
Spermakern an der Wandung seiner Kernblase befestigt ist,
ähnlich einer gestielten Beere. Am schönsten haben wir den Fa-
den bei dem Spermakern-eines Eies gesehen, welches schon auf
vorgerückterem Entwicklungsstadium stand. Wir erblicken in ihm
dasselbe Element, welches wir früher einmal schon bei der nor-
malen Befruchtung besprochen haben. Dort geht immer dem
Spermakern die Strahlung voraus, sie schien um das Ende eines
homogenen farblosen Fortsatzes gruppiert zu sein, welcher von der
in Karmin rotgefärbten Hauptmasse des Kerns entspringt.

Damals sprachen wir uns schon für die Ansicht aus, daß im
Spermakern 2 Substanzen seien, eine farblose schwierig nachweis-
bare und eine in Karmin stark sich imbibierende. In dieser Ansicht
sind wir durch obige Befunde weiterhin bestärkt worden, noch
mehr freilich durch eine Reihe anderer Beobachtungen, auf welche
wir bei der Besprechung der späteren Stadien und der folgenden
Serien noch einmal zurückkommen werden.

Der Eikern hat inzwischen wieder die Gestalt eines prall ge-
füllten Bläschens angenommen. Das Kerngerüst, eine farblose, fein-
körnige, in Fäden angeordnete Masse, ist dadurch wieder deutlicher
geworden; in ihm liegt fast stets ein homogener rundlicher Kör-
per, ein aus achromatischer Substanz bestehender Nucleolus. Die Kon-
tur ist fast in allen Fällen scharf gezeichnet Von Ei zu Ei ver-
glichen zeigen die Kerne verschiedene Durchmesser, einige sind nicht
unerheblich größer als im reifen unbefruchteten Ei, so daß man
den Eindruck gewinnt, als wäre die Menge des Kernsafts, nachdem

4

v

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sie vorübergehend eine Verminderung erfahren hatte, wieder ge-
wachsen.

Die Veränderungen des Eikerns sind bis zu einem gewissen
Grad unabhängig von den Veränderungen des Spermakerns. Er-
sterer kann in seiner Entwicklung zurück sein, wenn der zuge-
hörige Spermakern schon namhafte Fortschritte gemacht hat, und
umgekehrt. Auch das Lageverhältniss beider Teile hat keinen Ein-
fluß. Ob sie sich dicht bei einander befinden oder weit getrennt
sind, ist für das Maß der inneren Umwandlungen bedeutungslos.

Schließlich sind noch einige Ausnahmen zu verzeichnen. Aeußerst
selten sind die Fälle, wo Ei und Spermakern einander getroffen
haben und zur Verschmelzung dicht aneinander gefügt sind, we-
niger selten sind andere Fälle, wo der Eikern anfängt, seine Mem-
bran zu verlieren, und wo im Kerngerüst die ersten chromatischen
Körnchen sichtbar werden.

Die Zahl der Doppelbefruchtungen wurde an mehreren Prä-
paraten bestimmt. In einem derselben waren etwa 60 Eizellen
vorhanden, davon vier doppelt befruchtet, in den anderen war etwa
das gleiche Verhältnis. Bei den dispermen Eizellen hatten mei-
stens die zwei Spermakerne gleiches Aussehen.

Die bisher beschriebenen Veränderungen der beiden Kerne
sind nicht sehr auffälliger Natur, indem selbst die bläschenförmige
Umbildung des Spermakerns wenigstens ein Analogen findet bei
den Eiern, welche noch vor der Bildung der Richtungskörper be-
fruchtet werden. Von jetzt ab werden wir uns mit höchst über-
raschenden und interessanten Metamorphosen zu beschäftigen haben,
welche nur schwierig und unter Anwendung von Reagentien zu er-
kennen sind.

Um 12 Uhr hatte die Untersuchung im frischen Zustand er-
geben, daß bei den meisten Eiern kein Kern gesehen werden konnte
und nur noch bei wenigen die beschriebenen zwei Kernbläschen
erhalten waren. Auch die Anwendung von Pikrinsäure genügte
vielfach zum Kernnachweis nicht, oder es wurden zwei getrennte
undeutliche Kerne sichtbar oder zwei Kerne in Kopulation. Strah-
lung war nicht zu erkennen. Wir ließen die im Gange befindlichen
Umwandlungen etwas weiter gedeihen und töteten um 12 Uhr 20 Min.
eine größere Portion ab. Diese gefärbt und in Nelkenöl untersucht
ergab eine Fülle verschiedener Bilder, welche sich aber, wie aus
dem folgenden hervorgehen wird, zum größten Teil mit Leichtig-
keit als verschiedene Stadien einer Umbildungsreihe deuten lassen.
Wie es auch sonst zu sein pflegt und auch für die folgenden Se-

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rien berücksichtigt werden muß, sind durch die Reagentienbehand-
lung die einzelnen Eier verschieden betroffen, so daß die einen
sich rascher, die anderen langsamer entwickeln. Bei der Schilde-
rung werden wir Ei- und Spermakern getrennt besprechen und mit
ersterem beginnen, da er früher als der Spermakern der Metamor-
phose unterliegt und schon chromatische Schlingen erkennen läßt,
wo dieser noch Bläschenform bewahrt.

Die erste Veränderung des Eikerns ist das Aufhören einer
scharfen Umgrenzung und seine Reduktion in einen Körnerhaufen,
der zum Theil achromatisch, zum Teil chromatisch ist. Die chro-
matische Substanz ist dabei in feinen Fäden angeordnet, welche
nach Art der Fadenschlingen bei Kernteilung nicht selten ü-förmig
gebogen oder auch schwach geschlängelt sind.

Eine zweite Kernform wollen wir im folgenden die Fächer-
form nennen. Mit ihr beginnt die Umwandlung der achromatischen
Substanz in feine Fäden, eine Anordnung, welche sich während der
folgenden Stadien konstant erhält. Die Fäden, im wesentlichen
alle untereinander von gleicher Größe, strahlen von einem Punkt
nach einer Seite aus und bilden so ein Büschel, welches je nach
der größeren oder geringeren Divergenz der Elemente die Gestalt
einer Halbkugel oder eines Kegels annimmt; im Flächenbild gleicht
das Ganze einem Fächer, welcher teilweise oder ganz aus-
gebreitet ist und in dem die einzelnen Spangen den Kernfäden
entsprechen würden (cfr. auch Tafel V, Fig. 17—19, welche einer
anderen Serie entnommen sind). Von einem seiner Enden aus ge-
sehen zeigt der Kern ein strahliges Gefüge; bei einer bestimmten
Einstellung des Mikroskops sieht man einen Stern achromatischer
Fäden; verändert man ein wenig die Einstellung, dann tauchen je
nach der Seite, von welcher man auf den Kern sieht, höher oder
tiefer die chromatischen Schleifen und Körner auf (Tafel HI, Fig. 17)
in Form einer Anhäufung, die eine rundliche, gegen die Umgebung
aber nur undeutlich abgesetzte Figur bildet. Da das gleiche Bild,
wenn auch weniger klar, bei halb seitlichen Ansichten zu Stande
kommt, so begegnet man ihm viel häufiger als dem zuerst be-
schriebenen, welches aber für das Verständnis der Figur von
größerer Bedeutung ist.

Die chromatischen Schlingen, welche nicht selten ganz kurz
sind und dann wie Körner aussehen, scheinen in bestimmten Lage-
beziehungen zu den achromatischen Fäden zu stehen, derart, daß
jedem Faden ein chromatisches Element entspricht, welches meist
dem Ende desselben wie ein Stecknadelkopf aufsitzt und nur

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selten den mittleren Partien angefügt ist. Im ersteren Falle lie-
gen die Fäden weiter auseinander, im letzteren sind sie mehr zu-
sammengedrängt.

Der fächerförmige Eikern geht nunmehr in eine Form über,
welche wir den Pseudotetraster nennen wollen. Der Pseudotetra-
ster hat wie der ächte Tetraster vier Ecken, unterscheidet sich
aber von ihm dadurch, daß die letzteren nicht durch Spindeln
miteinander verbunden sind. Von jeder Ecke aus geht ein Bündel
divergierender achromatischer Fasern in der Richtung nach der
Mitte des Kernes zu. Die vier Bündel müssen somit zusammen-
stoßen und in der mittleren Kernpartie eine wirre Anordnung ge-
winnen, indem sie sich ineinanderschieben (Taf. III, Fig. 13).

Ein weiterer Unterschied zum normalen Tetraster ist in der
Anordnung der Chromatinschlingen gegeben; diese sind ebenfalls
etwas wirr durcheinander gewunden, so daß es nicht zur Bildung
von vier Kernplatten kommt.

Hie und da haben wir nun Zwischenformen zwischen Fächer-
form und Pseudotetraster aufgefunden. Denselben zufolge scheint
der Punkt, von welchem die achromatischen Fäden des Fächers
ausstrahlen, einen Pol zu bilden; an der Peripherie der Fächer-
figur treten dann neue Pole auf, an welchen die faserige Struktur
zunächst noch undeutlich ist, gleichzeitig vollzieht sich eine Um-
gruppierung der Chromatinschlingen. Ein solches Zwischen Stadium
ist in Fig. 18, Tafel HI abgebildet.

Im Protoplasma, welches den Eikern umgiebt, ist auf dem ge-
schilderten Stadium Strahlung selten nachzuweisen; wir haben sie
nur einige Male an den Ecken des Tetrasters ganz schwach ent-
wickelt gesehen.

Wir kommen nun zu den Veränderungen des Spermakerns.
Derselbe hat vielfach noch die Gestalt eines Rhizopodenkerns und
ist ein Bläschen mit relativ großem Nucleolus; das schon früher
hervorgehobene körnige Aussehen desselben ist deutlicher gewor-
den und läßt sich jetzt darauf zurückführen, daß der Kern aus
einem Faden besteht, welcher in vielfache Windungen gelegt ist.
Namentlich lieferten für diese Ansicht Kerne, welche durch Zer-
trümmern des in Nelkenöl spröde gewordenen Dottermaterials iso-
liert und für sich dargestellt worden waren, hübsche Beweise. Der
Kernfaden ragte hier eine ganze Strecke weit über die Oberfläche
frei hervor und ließ sich auch in die Windungen des Knäuels
hinein verfolgen (Tafel III, Fig. 20 u. 21). An den hervorragenden
Stücken konnte man ferner eine Struktur erkennen, welche au den

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Kernfaden in den Speichelzellen der Chironomus-Larven erinnert.
Der Faden ist bei Anwendung eines engen Diaphragmas gekörnelt;
benutzt man aber den Abbe\'schen Beleuchtungsapparat und schaltet
die Diaphragmen aus, so daß man vorwiegend ein Farbenbild er-
hält, so zeigt das Präparat einen Faden von roten aneinander ge-
reihten Körnchen, Es ist daher außerordentlich wahrscheinlich,
daß der Faden aus achromatischer Substanz besteht, in welche
chromatische Körnchen in unregelmäßigen Abständen eingelagert
sind. Sind die Windungen des Fadens noch mehr, gelockert, so
verliert sich das Bild eines Nucleolus und der Faden ist in der
Kernblase in viele mäandrische Windungen gelegt, so daß das Lu-
men derselben nach allen Richtungen hin durchzogen wird.

An den Spermakernen ist häufig, wenn auch nicht immer gleich
deutlich Strahlung zu erkennen; bei einigen geht dieselbe nur von
einem Punkt aus; bei anderen hat sich zur ersten noch eine zweite
gesellt, welche jener genau gegenübersteht; endlich giebt es
auch bläschenförmige Kerne mit drei Strahlungen, wobei dann das
dritte Attraktionscentrum von den ersten beiden nahezu gleich
weit entfernt auf einer der freien Seiten liegt.

Meist haben sich nun, wenn die zweite und dritte Strahlung
aufgetreten sind, Form und Struktur des Kerns verändert (Tafel III,
Fig. 12, 18, 19). Den Strahlungen entsprechend ist er ausgezogen,
zu einem Oval, wenn zwei Attraktionscentren vorhanden sind, zu
einem Dreieck, wenn sich deren drei ausgebildet haben. Die
Flüssigkeitsansammlung ist auch geringer geworden oder ganz ge-
schwunden und es beginnt die Sonderung der chromatischen und
achromatischen Teile, daran erkennbar, daß in einer undeutlich
faserig körnigen, aber ungefärbten Masse intensiv rot gefärbte
Körner oder gebogene Fäden sichtbar werden.

Wiederholt haben wir beobachtet, daß schon der dreistrahlige
Kern deutlich faserig difierenziert ist; die chromatischen Schlingen
sind dann zu einem kleinen kugeligen Körper zusammengedrängt;
von den drei Kernecken gehen farblose Fäden aus, welche diver-
gieren und so drei kegelförmige Figuren erzeugen, welche mit der
Basis dem Chromatinhaufen aufgesetzt sind.

Mit ziemlicher Sicherheit können wir weiter behaupten, daß der
dreistrahlige Kern mit der Zeit zu einem vierstrahligen wird. Wir
haben nämlich wiederholt dreistrahlige Kerne gefunden, bei denen
ein viertes Attraktionscentrum schwach entwickelt war (Fig. 19), Das-
selbe lag merkwürdiger Weise in einiger Entfernung vom Kern im
Protoplasma. Es scheint somit von außen an ihn heranzutreten.

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Die Entwicklung einer vierten Strahlung führt den Kern in
eine weitere Form über, welche wir der Aehnlichkeit mit einem
Ordensstern halber das Ordenssternstadium nennen wollen.
Das Chromatin ist auch hier wieder zu einem gekörnelten kuge-
ligen Haufen zusammengedrängt, auf demselben sitzen aber nun-
mehr vier faserig differenzierte achromatische Kegel auf, meist so
angeordnet, daß sie gemeinsam ein Kreuz bilden. Meistens sind die
einzelnen Kegel oder die Flügel des Kreuzes von ungleicher Länge,
wodurch die Anordnung der Teile eine unregelmäßige wird. Die
Figur ist deswegen von besonderem Interesse, weil wir sie auch
bei den später zu besprechenden Versuchsreihen wieder gefunden
haben.

Außer der soeben geschilderten scheint es noch eine zweite
Art und Weise zu geben, in welcher der bläschenförmige Sperma-
kern in die Ordenssternfigur übergeführt wird. Häufig hat der
nucleolus-artige Körper seine homogene Beschaffenheit beibehalten
oder ist nur schwach granuliert; im Farbenbild (Tafel III, Fig. 12ai)
ist er intensiv gefärbt, zeigt aber 1, 2 oder 3 kleine Ausschnitte
in seiner Peripherie, welche nichts anderes sind, als die basalen
Enden von achromatischen Aufsätzen, welche in entsprechender
Zahl vorkommen. Die achromatischen Aufsätze sind spitz zu-
laufende Kegel von verschiedener Gestalt, entweder kurz und breit,
oder schmal und lang. Die Spitzen rühren an das die Kernvacuole
umgebende Protoplasma (Fig. 12a2). Da die Substanz äußerst
zart und durchsichtig ist, kann sie nur mit Anwendung der größten
Sorgfalt wahrgenommen werden: man muß Oelimmersion bei vor-
trefflicher Beleuchtung und ein enges Diaphragma benutzen. Würde
man annehmen, daß die homogenen Aufsätze sich in faserige Ke-
gel verwandeln, so würde man ebenfalls eine Ordenssternfigur er-
halten. Übergangsformen findet man genügend, wie die Figuren
12 b, c, d lehren.

Der Unterschied zwischen den beiden Arten der Umwandlung
würde darin zu suchen sein, daß im ersten Fall sich die gesamte,
aus achromatischen und chromatischen Teilen zusammengesetzte
Substanz erst in einen Faden aufrollt und dann erst die Sonde-
rung in achromatische Fäden und chromatische Körnchen erfolgt,
während im zweiten Falle die Aufrollung des Fadens unterbleibt und
die achromatischen Teile aus dem homogen bleibenden Nucleolus
hervorwachsen. Die häufig zu beobachtende körnige Beschaffenheit
des letzteren ist übrigens ein Beweis, daß zwischen beiden Arten
der Umbildung keine scharfen Grenzen existieren.

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Wir haben hier eine Anzahl von Formen geschildert, welche
sich zwanglos in eine zusammenhängende Entwicklungsreihe ein-
fügen lassen. Wir müssen aber dazu bemerken, daß sehr häufig
auch undeutliche Bilder zur Beobachtung kommen, wo der Sperma-
kern wie ein unregelmäßiger Haufen chromatischer und achroma-
tischer Körnchen aussieht, daß ferner wir häufig uns vergeblich
bemüht haben, an hochgradig differenzierten Kernen Strahlung zu
erkennen. In solchen Fällen ist es schwer, Spermakern und Ei-
kern zu unterscheiden und ferner schwer zu bestimmen, ob die
Kernfiguren nicht gut genug conserviert sind, oder ob ein der Beob-
achtung ungünstiges Zwischenstadium vorliegt, oder ob der Kern
hier einen anderen Weg der Differenzierung eingeschlagen hat.
Jedenfalls handelte es sich aber auch hier um eine Umbildung
des Kerns in dnen faserigen Körper.

Zum Schluß der Besprechung des in Rede stehenden Entwick-
lungsstadiums sei noch hervorgehoben, daß man äußerst selten beide
Kerne in Vereinigung findet. Wahrscheinlich waren hier dieselben
gleich von Anfang an nur durch einen geringen Zwischenraum ge-
trennt. Entweder sind die Kerne nur äusserlich aneinander
gefügt oder vollkommen verschmolzen. In letzterem Fall entsteht
ein Körper mit mehreren vorspringenden Ecken. Von den Ecken
gehen achromatische Fasern aus; im Innern liegen unregelmäßig
verteilte chromatische Schlingen.

Um 1 Uhr, somit 3 Stunden 10 Minuten nach der Befruch-
tung, wurde eine weitere Portion Eier abgetötet. Die Untersuchung
im frischen Zustand hatte keinerlei Veränderungen im Aussehen
der Eier ergeben, gleichwohl war fast überall eine Weiterentwick-
lung eingetreten, wie durch die Reagentienbehandlung erkannt
wurde.

Sofern die Eier nicht infolge verlangsamter Entwicklung noch
auf einem Stadium sich befanden, welches mit dem eben besproche-
nen identisch ist, war es nicht mehr möglich, Ei und Spermakern
voneinander zu unterscheiden, da beide eine äußerst ähnliche
Gestalt angenommen hatten. Beide waren etwas abgeplattet und
hatten von der Fläche gesehen die Form eines ungleichseitigen
Dreiecks mit abgerundeten Ecken. Jede Ecke war in einiger Ent-
fernung umgeben von einem Kranz chromatischer Stäbchen, deren
Anordnung man am besten überblickte, wenn der Kern gleichsam
auf der Kante stand und man auf eine der Ecken von oben herab-

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schaute (Tafel III, Fig. 22, Tafel IV, Fig. 1). Der Stäbchenkranz
umgiebt eine helle kreisförmige oder elliptische Stelle; alle chro-
matischen Stäbchen sind so orientiert, daß sie mit dem einen
Ende dem Mittelpunkt der hellen Stelle zu-, mit dem anderen von
demselben abgewandt sind. Im Farbenbild liefern sie daher einen
äußerst zierlichen rotgefärbten Stern. Von einem Stäbchenkranz
zum anderen verlaufen feine achromatische Fäden den Rändern
des Dreiecks parallel. Eine Ecke war reicher an chromatischen
Stäbchen als die anderen, die vom Stäbchenkranz umgebene helle
Stelle war langgestreckt, als ob sie sich in zwei Partien teilen
wollte. In der That finden sich auch viereckige Figuren, bei denen
zwei Ecken einander sehr genähert und nur durch ganz kurze
achromatische Fäden verbunden sind. Wir glauben nun nicht, daß
die eine dieser Figuren aus der anderen entstanden ist, sondern
daß beides coordinierte Entwicklungsstadien sind, daß die Kerne
die Tendenz haben, viereckige Figuren zu bilden, daß aber zwei
Ecken einander meist genähert und zwar häufig bis zur Vereini-
gung genähert sind. Ungenügende Entwicklung einer der gleich-
sam im Entwicklungsplan vorgesehenen vier Ecken kann noch in
anderer Weise bewirkt werden, wenn nämlich die achromatische
Figur zwar ein ungleichseitiges Viereck ist, die vierte Ecke aber
keine chromatischen Stäbchen enthält (Tafel III, Fig. 22).

Als Übergangsformen zu den soeben besprochenen Kernfiguren
betrachten wir nun eine Reihe von Kernen, welche ein unregel-
mäßiges Ansehen haben und von denen man nur sagen kann, daß
sie aus achromatischen Fasern und ungenügend orientierten chro-
matischen Stäbchen bestehen ; anstatt einer Besprechung verweisen
wir auf Figur 19.

Wesentlich häufiger als auf den früheren Stadien findet man beide
Kerne vollkommen vereinigt. Die Figuren, welche in diesen Fällen
entstehen, bilden ein vollkommenes Pendant zu dem, was wir von
den getrennten Kernen schon kennen gelernt haben; ich schildere
sie im Anschluß an einige Abbildungen und in der Reihenfolge,
wie sie offenbar sich aneinander fügen.

In Figur 6b, Tafel IV sehen wir einen dreistrahligen Kern vor
uns. Von drei Punkten ausstrahlend, treffen die achromatischen
Fasern aufeinander längs dreier Linien, die durch die Lagerung der
chromatischen Körnchen gekennzeichnet sind. Es kommt so zur
Bildung einer in drei Schenkel ausgezogenen Mittelplatte, deren
Deutlichkeit aber dadurch beeinträchtigt wird, daß hie und da noch
chromatische Körner und Schleifen unregelmäßig zerstreut liegen.

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Kerne mit endständigen Chromatinrosetten sind in Fig. 6a,
Tafel IV und Fig. 23, Tafel III dargestellt; dieselben unterscheiden
sich durch die Anzahl der Ecken, welche das eine Mal 3, das an-
dere Mal 4 beträgt.

Drittens heben wir noch eine Figur hervor, welche sich vermit-
telnd zwischen die an erster und zweiter Stelle genannten Bilder
einschiebt. Die Mittelplatte ist nicht mehr vorhanden, die Chro-
matinrosetten noch nicht entwickelt. Immerhin zeigen die etwas
wirr durcheinander gekreuzten Chromatinstäbchen schon die Ten-
denz, sich zu Rosetten anzuordnen (Tafel III, Fig. 24).

Bei der Annahme, daß es sich hier um kopulierte Kerne han-
delt, stützen wir uns auf zwei Punkte; erstens war es trotz sorg-
fältigster Untersuchung nicht möglich, noch einen weiteren Kern
nachzuweisen, zweitens war die Masse des Chromatins so bedeu-
tend, wie sie in einem isoliert gebliebenen Sexualkern niemals
beobachtet wird. Namentlich fällt das Gesagte an den Chromatin-
rosetten auf, bei denen nicht nur der periphere Kranz von Stäb-
chen zu sehen ist, sondern auch die centrale Partie von gefärbten
Körnchen eingenommen wird.

Sehr eigenthümUch ist während der geschilderten Periode die
Protoplasmastrahlung. In einigen Fällen haben wir überhaupt
keine Protoplasmastrahlung wahrgenommen, lassen es aber unent-
schieden, ob dieselbe fehlte oder so schwach entwickelt war, daß
sie an Canadabalsampräparaten nicht mehr wahrgenommen werden
konnte. Meistenteils war sie, wenn auch nur mit der größten Auf-
merksamkeit, nachzuweisen.

Man muß zweierlei Arten der Strahlungsfiguren unterscheiden,
erstens Figuren, welche im Anschluß an die Kernpole sich ent-
wickelt haben, zweitens Figuren, welche scheinbar unabhängig vom
Kern frei im Protoplasma liegen. In Eiern, bei welchen keine
Strahlung an den Kernenden entwickelt ist, begegnet man meisten-
teils reinen Protoplasmastrahlungen, welche sogar äußerst deutlich
ausgeprägt sein können; sie sind stets in Mehrzahl, zwei oder drei
vorhanden, bald durch einen geringen, bald durch einen ansehn-
lichen Zwischenraum vom Kern getrennt, sie können in demselben
Ei von verschiedener Intensität sein, wie z. B. in Fig. 24, Tafel III
und Fig. 2, Tafel IV eine starke und zwei schwache Strahlungen
zu sehen sind; niemals läßt sich im Mittelpunkt ein Körper erken-
nen, welcher als Attraktionscentrum hätte wirken können; jede Strah-
lung besteht nur aus einer kleinen lichten Stelle homogenen Protoplas-
mas, um welche die Körnchen in radiären Reihen gruppiert sind.

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Bei den Kernen, deren Chromatin entweder in die centralen
Partien zusammengedrängt oder an den Polen in Rosettenform an-
geordnet ist, sind die Kernpole fast stets Mittelpunkte von mehr
oder minder stark ausgeprägter Strahlung; daneben können reine
Protoplasmastrahlungen fortbestehen oder, was häufiger der Fall
ist, gänzlich fehlen.

Zu dem hier Mitgeteilten haben wir noch zu bemerken, daß
zwischen, den Eiern, bei welchen die Kerne getrennt sind, und denen,
wo die Kopulation sich vollzogen hat, kein Unterschied in Bezug
auf das Auftreten von reinen Protoplasma- und von Kernstrahlungen
besteht. Die Unterschiede scheinen nur davon abzuhängen, in
welchem Entwicklungszustand das Protoplasma und die Kerne sich
befinden, gleichgültig ob dieselben sich vereinigt haben oder nicht.
Manche Bilder weisen darauf hin, daß die Strahlungen
zunächst im Protoplasma entstehen und dann an
die Kerne herantreten. Der Spermakern hat z. B.
anfänglich nur zwei Strahlungen; dann findet man
zweistrahlige Kerne, in deren Umkreis ferner noch
eine Protoplasmastrahlung liegt, weiterhin drei-
strahl ige Kerne mit einer im Protoplasma liegenden
vierten Strahlung (TafelIII, Fig. 19), endlich vierstrah-
lige Kerne.

Die Eier mit faserig differenzierten Kernen mögen etwa die
Hälfte des um 1 Uhr eingelegten Materials ausmachen, die andere
Hälfte besteht aus Eiern, bei welchen bei der angewandten Kon-
servierungsmethode es äußerst schwer ist, die feinere Struktur zu
ermitteln. Viele liefern so undeutliche Bilder, daß erst durch das
Studium anschließender Stadien ein Verständnis gewonnen werden
kann. Ist man aber einmal so weit gelangt, so ergiebt es sich
auch hier wieder von selbst, in welcher Weise man die einzelnen
Bilder genetisch zu verknüpfen hat.

Mit ziemlicher Bestimmtheit können wir uns dahin äußern,
daß Geschlechtskerne mit ausgebildeten Chromatinrosetten nicht
kopulieren, sondern ein jeder für sich nach der Anzahl ihrer Ecken
in Tochterkerne zerfallen. Wenn dabei benachbarte Ecken einander
sehr genähert sind, so liefern sie einen gemeinschaftlichen Kern;
wenigstens glauben wir das daraus schließen zu sollen, daß wir nie-
mals vier Kerne, sondern jederseits nur drei oder sogar nur zwei vor-
fanden, während die rosettenförmigen Kerne drei oder vier Pole besaßen.

Im Verlauf des Teilungsprozesses tritt eine höchst eigentüm-
liche dendritische oder hirschgeweihartige Figur im Protoplasma

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auf (Tafel IV, Fig. 3, 4,10); zwischen den einzelnen Kernen span-
nen sich faserig aussehende körnchenfreie Protoplasmastränge aus,
welche sich nach der Eiperipherie hin verästeln und hier mit deut-
lichen Strahlungen enden. An dem konservierten Material ist die
Struktur äußerst verschwommen, so daß wir sie in den meisten
Abbildungen weggelassen und nur in zwei Figuren so genau, als
es möglich war, dargestellt haben. Wir waren aber schon bei der
Beobachtung im lebenden Zustand auf sie aufmerksam geworden
und hatten von einem frisch in Pikrinessigsäure abgetöteten Ei
während der ersten Momente der Reagentienbehandlung, wo das
Objekt noch seine volle Durchsichtigkeit besaß, eine in Figur 4
wiedergegebene Skizze entworfen, ohne daß wir freilich damals
gewußt hätten, in welcher Weise sich die Figur aus früheren Sta-
dien entwickelt. Aus dieser Skizze und ferner aus dem Ergebniß,
zu welchem wir bei der Untersuchung konservierter Eier gelangt
sind, entnehmen wir, daß die dendritische Figur eine einheitliche
ist und daß in ihr die Teilprodukte des Spermakerns und des Ei-
kerns eingebettet sind, daß diese somit durch die Protoplasma-
struktur in Beziehung zu einander gebracht sind. Letzteres ist
deswegen von Wichtigkeit, als hierin vielleicht eine wechselseitige
Beeinflussung beider zum Ausdruck kommt. Die Äste der dendri-
tischen Figur scheinen nicht untereinander zu anastomosieren, ab-
gesehen von den Stellen, wo früher die Mutterkerne lagen und die
anfängliche meist dreieckige Gestalt derselben eine Masche von
entsprechender Form bedingt.

Was nun die einzelnen Kernteilungsstadien anlangt, so sind
die wichtigsten derselben folgende: 1) Die Formen beider Kerne
sind noch an einer undeutlich faserigen drei- oder viereckigen
Stelle im Protoplasma zu erkennen; wo die Chromatinrosetten lagen,
finden sich Haufen kleiner Kernbläschen, welche sich nicht mehr
färben und von der gekörnelten Umgebung daher kaum zu unter-
scheiden sind (Tafel IV, Fig. 3). Es ist dieses das undeutlichste
Bild, welches überhaupt während der besprochenen Prozesse
beobachtet wird. 2) Die Kernbläschen sind teilweise untereinander
zusammengeflossen, so daß man entweder Gruppen von Kernbläs-
chen oder schon bläschenförmige Kerne vor sich sieht, von denen
letztere durch ihre gelappte Beschaffenheit und durch ihre innere
Abteilung in einzelne Stücke den abgelaufenen Verschmelzungs-
prozeß noch bezeugen (Fig. 7 u. 8). 3) Es sind abgerundete kuge-
lige oder gelappte Kerne vorhanden (Fig. 4 u. 10).

Man kann schon auf diesem Stadium zahlreiche Bilder

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aachweisen, welche uns zum Schluß berechtigen, daß der Vereini-
gungsprozeß noch über das bisher geschilderte Maß hinaus sich
verfolgen läßt, daß die aus verschmolzenen Bläschen entstandenen
zwei oder drei Tochterkerne noch weiter untereinander verschmel-
zen und somit wieder einen einzigen Kern liefern, welcher ent-
weder dem Spermakern oder dem Eikern entspricht. Wir ver-
weisen hier zunächst auf die Figuren 7, 8. 12, 13 und 15, da wir
auf dem folgenden Stadium diese rückgängige Umwandlung der
Kerne noch genauer verfolgen werden.

Wo frühzeitig eine Kopulation der Geschlechtskerne stattge-
funden und zur Bildung eines einheitlichen Kernes geführt hat,
scheint die Weiterentwicklung in ganz analoger Weise abzulaufen,
wie wir sie hier für die nicht konjugierten Kerne geschildert haben.
Wir schließen das aus dem in Fig. 6 c, Tafel IV abgebildeten Prä-
parat. In dem Ei war ein großer Kern vorhanden, derselbe war
dreifach gekerbt und zeigte auch im Innern eine Abteilung
in drei Stücke. Nach Analogie mit den nicht konjugierten Ker-
nen schließen wir, daß hier eine Dreiteilung mit Wiedervereinigung
der Teilstücke stattgefunden hat. Wir machen zugleich darauf
aufmerksam, daß hier ein Fall vorliegt, wo ein zweites Spermato-
zoon eingedrungen ist. Wir haben derartige Fälle häufiger beob-
achtet (z. B. auch in Fig. 19, Tafel III) und dabei das zweite Sper-
matozoon stets in der Entwicklung zurück gefunden.

Die Mannigfaltigkeit der Bilder, welche das besprochene Ent-
wicklungsstadium liefert, wird noch weiter dadurch erhöht, daß
einige wenn auch äußerst spärliche Eier sich in Teilung befinden.
Die Teilung verläuft als Knospenfurchung unter Bildung von gänz-
lich pathologischen Kernspindeln. Wir werden sie genauer beim
folgenden Stadium besprechen.

Der Eest des gesamten um 9 Uhr 50 Min. befruchteten Ei-
materials wurde um 3 Uhr nach 5 stündiger Entwicklung abgetötet,
weil schon die Untersuchung im lebenden Zustand deutliche Proto-
plasmastrahlung und bei den meisten Eiern außerdem knospen-
förmige Teilung ergab.

Hatten wir schon bisher verfolgen können, daß in gleichem
Maß, als die Entwicklung fortschreitet, auch die Mannigfaltigkeit
der Bilder zunimmt, so gilt dieses ganz besonders von dem zu
besprechenden letzten Stadium. Bedingt ist die Verschiedenartig-
keit in erster Linie durch den verschiedenen Rhythmus, welchen
die einzelnen Zellen einhalten. Bei allen unseren Untersuchungen,
auch bei denen über Bastardbefruchtung, hat sich herausgestellt.

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daß die Gleichmäßigkeit, welche die Eier bei normaler Befruchtung
zeigen, sofort aufhört, wenn man abnorme Verhältnisse einführt,
weil dann die Reaktionsfähigkeit der Zellen eine ganz verschiedene
ist. Ein Teil wird durch Reagentien stärker, ein anderer schwä-
cher gelähmt; viele erreichen daher ein Entwicklungsstadium,
welches für andere schon früh abgelaufen ist, erst nach langer
Zeit. Das hat nun aber wieder zur Folge, daß dieses Stadium
unter Umständen andere Charaktere annimmt, weil die Verände-
rungen im Kern und im Protoplasma nicht in gleichem Maße be-
hindert werden.

In zweiter Linie trägt zur größeren Komplikation der Erschei-
nungen der Umstand bei, daß bei einigen Eiern die Kopulation
der Kerne eingetreten, bei anderen unterblieben ist, daß bei eini-
gen jener Vorgang sich früher, bei anderen später vollzogen hat.
Dabei spielen Zufälligkeiten eine große Rolle, ob das Spermatozoon
in der Nachbarschaft des Eikerns eingedrungen war oder nicht.

Naturgemäß hätten wir nun die Eier in zwei Gruppen ein-
zuteilen: 1. in solche, bei welchen eine Weiterentwicklung ohne
Kopulation der Kerne eingetreten ist, und 2. in solche, welche
diesen die Befruchtung abschließenden Vorgang durchgemacht
haben. Hier ergiebt sich aber sofort die Schwierigkeit, daß man
einem in Teilung begriffenen Ei nur in seltenen Fällen und auch
dann nicht einmal mit vollkommener Sicherheit ansehen kann, ob
es der einen oder anderen Kategorie angehört. Wir werden daher
in folgender Weise verfahren; wir werden zunächst bei der Schil-
derung die Eier behandeln, bei denen eine größere oder geringere
Sicherheit vorliegt, daß die Kopulation der Kerne unterblieben ist,
und dann aus der Fülle anderweitiger Entwicklungsstadien einige
besonders interessante zur Vervollständigung der Schilderung her-
ausgreifen.

Zunächst haben wir noch die Stadien zu berücksichtigen, welche
schon bei dem zuletzt behandelten Material vorhanden waren und
die zu Gunsten der Ansicht sprechen, daß nach der Teilung eine
Rekonstruktion von Ei- und Spermakern sich vollzieht. Solche
Eier, zum Teil noch aus dem vorigen Stadium stammend, sind in
der Reihenfolge, wie sie sich aller Voraussicht nach aneinander
schließen müssen, in den Figuren 3, 4, 7, 8, 10, 12, 13 und 15,
Tafel IV abgebildet. Ueberall sind in denselben die Teilprodukte eines
jeden Kerns einander genähert und zu einer Gruppe vereint. Man
begegnet nun Gruppen jederseits von drei Kernen oder drei Aggrega-
ten von Kernbläschen, Gruppen, wo die eine aus drei, die andere aus

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zwei Elementen besteht, Gruppen von jederseits nur zwei Kernen,
endlich jederseits nur einem einzigen Kern oder einem einzigen
Haufen von Kernbläschen. Die Distanzen zwischen den Kernen
einer Gruppe sind wechselnd, in den Figuren 3 und 4 ziemlich
bedeutend, in anderen Figuren so gering, daß die Kerne einander
fast berühren. Wo zwei Kerne in einer Gruppe vorhanden sind,
kann man zweifelhaft sein, ob hier nicht gleich von Anfang an
zwei Kernenden so benachbart waren, daß bei der Umbildung die
Kernbläschen untereinander verschmelzen mußten. Es wäre auch
denkbar, daß eine Kernecke rudimentär entwickelt war. Wir sehen
z. B. in Figur 8 auf einer Seite die dritte Ecke ganz schwach
durch ein minimales Kernbläschen vertreten, auf der anderen Seite
sie ganz fehlen. Die Aufstellung dieser Unterschiede ist jedoch
für die prinzipielle Seite der Frage von keiner Bedeutung. Wir
wissen, daß beim Eikern und Spermakern ursprünglich vier Ecken
oder Attraktionscentren entwickelt sind; ob diese nun früher
oder später eine Verminderung durch Vereinigung erfahren haben,
ist gleichgültig.

Der Verschmelzungsprozeß der Teilprodukte wird nun am
sichersten durch die Fälle bewiesen, wo jederseits nur ein Kern zu
sehen ist. Derselbe ist dann häufig gelappt oder sogar aus größeren
oder kleineren Kernbläschen zusammengesetzt; aus der Anwesen-
heit von Kernbläschen kann man aber mit ziemUcher Bestimmtheit
die frühere Anwesenheit eines Teilungsprozesses erschUeßen.

Als weiter vorgeschrittene Fälle von Vereinigung betrachten
wir die Eier, wo zwei glatt konturierte Kerne von gleicher Größe
und Struktur nebeneinander vorkommen (Fig. 15). Der Kern ist
denn auch keine Vacuole mehr, sondern ein fein granulierter, in
Karmin aber immer noch schwach sich färbender Körper. Er
ist von einer Zone undeutlich strahlig angeordneten Protoplasma\'s
umgeben und wird zum Ausgangspunkt weiterer Veränderungen
welche nun erst zu dauernder Kern- und Zellteilung führen. Zu-
nächst reihen sich hier Eier an, bei denen die beiden Kerne in
chromatischer Metamorphose begriffen sind (Taf. IV, Fig. 14).
Durch Aufnahme von Flüssigkeit haben sie an Größe zugenommen;
dadurch ist wieder das reticuläre oder faserige Gefüge der achro-
matischen Kernsubstanz deutlich geworden, und im Reticulum lie-
gen feine, aber scharf umschriebene chromatische Körnchen oder
Fadenschlingen. Einige Eier haben uns erkennen lassen, daß beide
Kerne nicht notwendigerweise durchaus gleichzeitig sich verän-
dern müssen, daß der eine weit vorgeschritten sein und sogar seine

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scharfe Umgrenzung verloren haben kann, während der andere in
der Entwicklung zurück ist. In einem Falle (Fig. 16) haben wir an
jedem Kerne eine deutliche Strahlung aufgefunden, vielleicht ist
sie auch sonst vorhanden gewesen und nur der Undeutlichkeit we-
gen übersehen worden.

Die Strahlung ist deswegen von Wichtigkeit, weil durch ihre
Anwesenheit Anknüpfungspunkte an eine Reihe weiterer Kernfor-
men geboten werden, zunächst an Kernformen, die auf\'s neue
die schon von früher her bekannte Fächerform uns vor Augen
führen. Dieselbe kam früher nur dem Eikern zu, ist aber jetzt
bei beiden Kernen vorhanden und zugleich viel kräftiger ausge-
bildet, indem sowohl die von einem Punkt ausstrahlenden Fasern
als auch die Schlingen viel reichlicher sind. Letztere sind manch-
mal in eine größere und eine kleinere Gruppe verteilt entweder
bei einem oder bei beiden Kernen der Eizelle (Fig. 17 u. 18). Auch
der Büschel achromatischer Fasern kann dann in entsprechender
Weise eine Zweiteilung zeigen, die nun ihrerseits wieder sehr ver-
schieden ausgesprochen ist, manchmal nur darin, daß das Aus-
strahlungszentrum etwas in die Länge gezogen ist, während es ein
anderes Mal zur Bildung von zwei völlig getrennten Strahlenkegeln
kommt. In Figur 18 sind die zwei zusammengehörigen Strahlen-
kegel auf der einen Seite dicht bei einander, auf der anderen Seite
durch einen kleinen Zwischenraum getrennt; in Figur 9 sind die
Zwischenräume beiderseits ziemlich beträchtlich. So scheint ein
jeder Fächer durch eine Längsspaltung in zwei Teile zu zerfallen
und diese wiederum scheinen sich zu bläschenförmigen Kernen um-
zuwandeln; darauf deuten Figuren hin, wo sich zwei größere und
zwei kleinere Kerne vorfinden (Fig. 19). Das Protoplasma ist hier
entweder ungefurcht oder, wie in Figur 11, in drei oder vier frei-
lich noch zusammenhängende Stücke abgeteilt.

Da die Unvollständigkeit des Teilungsprozesses wohl nur als
eine Folge der durch Chloral bewirkten Protoplasmalähmung ge-
deutet werden kann, so scheint es den mitgeteilten Untersuchungen
zufolge möglich zu sein, daß Eier, bei denen eine Verschmelzung
der Geschlechtskerne ausgeblieben ist, gleichwohl sich furchen.

Wir haben jetzt noch die Eier zu berücksichtigen, bei denen
es nicht hat festgestellt werden können, ob eine Verschmelzung
der Kerne eingetreten war oder nicht. Dieselben zeigen eine Man-
nigfaltigkeit des Baues, daß man fast jedes Ei getrennt beschrei-
ben müßte; wir beschränken uns daher auf die ganz kurze Be-
schreibung einiger weniger erläuternder Beispiele.

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1. Ei ungeteilt; 1 großer Kern, 2 kleine Kerne; alle 3 Kerne
undeutlich konturiert, undeutlich gefasert mit ausgeprägten Chro-
matinschlingen; mit einfacher Plasmastrahlung.

Derartige Eier scheinen öfters vorzukommen cfr. Fig. 7 Taf. V.

2. Ei ungeteilt, 1 großer zentraler Kern mit einem kleinen
anhängenden Kern, beide undeutlich konturiert, in einiger Ent-
fernung 2 weitere Kerne,

3. Ei ungeteilt, an 3 voneinander entfernten Punkten An-
häufungen von chromatischen Schlingen, eine jede mit einem
Monaster ausgerüstet und in Zusammenhang mit achromati-
schen Fäden; die 1, Anhäufung bildet eine pentagonale Figur,
die 2. Anhäufung besteht aus einem kleineren und einem größeren
Komplex, die beide durch Vermittelung des Kegels farbloser Fasern
zusammenhängen; die 3. Anhäufung besteht ebenfalls aus 2 Kom-
plexen, die aber, wie es scheint, nicht mehr in Verbindung stehen.

4. Drei ungleich große, unvollkommen getrennte Teilstücke
mit 3 großen und 3 kleinen Kernen.

Die vier hier kurz besprochenen Eier lassen sich vielleicht
aus dem 3strahligen Kern ableiten, welcher nach der Verschmel-
zung von Ei- und Spermakern sich entwickelt hat. Man müßte
annehmen, daß von den aus der Teilung des Triasters resultie-
renden Kernen ein jeder die Fächerform angenommen hat und daß
vom Fächer sich eine kleinere Portion ablöste; so würden dann
3 große und 3 kleinere Kerne das Endresultat bilden.

5. Ei ungeteilt: ein einfacher undeutlich konturierter Kern,
an einem Ende in einen zungenförmigen Fortsatz ausgezogen;
Kernsubstanz aus chromatischen Fäden gebildet.

6. Ei ungeteilt; 4 größere und 1 kleinerer Kern.

7. Ei in 8 mehr oder minder deutlich abgesetzte Höcker er-
hoben; im ganzen sind 8 Kerne vorhanden; einer davon ist sehr
groß und vierlappig; 4 sind von mittlerer Größe, 3 Kerne sind
wesenthch kleiner. (Taf. V, Fig. 6).

Dazu kommen dann noch Eier mit äußerst undeutlichen Kernfigu-
ren, bei denen hie und da im Protoplasma zerstreute Kerne, Haufen
von Kernbläschen, Aggregate von chromatischen Schlingen sichtbar
werden.

2. Behandlung mit 0.5 "/o Chlorallösung
Minuten nach der Besamung.

Um 11 Uhr wurde eine neue Partie Eier befruchtet und
Minuten später der Chloralwirkung auf 10 Minuten ausgesetzt.
Von dem Material wurden 5 Portionen eingelegt:

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die erste um 11 Uhr 35 Miu.,
die zweite „ 12 „ 0 „
die dritte „ 1 „ 30 „
die vierte „ 3 „ 15 „
die fünfte „ 4 „ 25 „
Über die ersten beiden Portionen können wir summarisch be-
richten, da sie an früher Beschriebenes erinnern. Der Eikern ist
fast gar nicht verändert, nur etwas geschrumpft, der Spermakern
liegt ziemlich oberflächlich und ist bei der ersten Portion wenig
größer als der Kopf eines Spermatozoon, bei der zweiten Portion
ist er bald wie bei der ersten, bald ist "er etwas gewachsen und
dann gekörnelt und nicht so stark gefärbt. Seine Gestalt ist ent-
weder abgerundet oder in kleine Fortsätze erhoben. Strahlung fehlt.

In der zweiten Portion liegen beide Kerne ab und zu nahe
bei einander; äußerst selten war die Vereinigung vollzogen. Der
einfache Furchungskern erinnerte dann in seinem Aussehen an
den Eikern, unterschied sich aber von ihm dadurch, daß das grobe
Reticulum desselben ersetzt war durch eine fein gekörnelte Masse,
welche durch einen lichteren Saum von der Umgrenzung des Kerns
getrennt blieb. Gar nicht selten waren in der zweiten Portion^
Eier, bei denen 2 Spermatozoen eingedrungen waren.

Auf dem 3. Stadium sind die Veränderungen an Ei- und Sperma-
kern in vollem Gang. Der erstere hat stets seine Umgrenzung ver-
loren; wenn er trotzdem vom Protoplasma durch Zertrümmern
der Eizelle leicht getrennt werden kann, so hat das seinen Grund
darin, daß in seinem Umkreis meist ein heller Hof sich ausgebildet
hat. Außerdem hat sich aber auch die innere Struktur verändert,
indem die Sonderung in chromatische und achromatische Substan-
zen sich vollzogen hat. (Taf. V Fig. 2). Die letztere sieht ent-
weder fein granuliert aus, oder sie hat die Struktur eines (oder
mehrerer?) in Windungen gelegten Fadens, oder sie besteht aus
einer großen Menge gerader und feiner Stäbchen, welche ihrerseits
wiederum wirr durcheinander liegen können oder die ersten Spu-
ren polarer Anordnung zeigen. Ist dann nur ein Pol vorhanden
oder derselbe deutlicher ausgeprägt als die übrigen, so entstehen
Bilder, welche an die oben beschriebene Fächerform erinnern.
Äußerst selten sind 4strahlige Kerne, daß sie aber vorkommen,
beweist Fig. 3 Taf. V.

Die chromatischen Teile sind meist Körnchen, bei denen es
schwer fällt zu, entscheiden, ob sie in den achromatischen Fäden
eingeschlossen sind oder neben ihnen liegen. Letzteres ist nun

5

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sicher der Fall, wenn —- wahrscheinlich durch Verschmelzung der
Körnchen — U- oder S-förmige Fadenschhngen sich gebildet
haben.

Der Spermakern ist in jedem Ei, welches daraufhin geprüft
wurde, vom Eikern zu unterscheiden, w^enn auch sein Aussehen
wechselt. Gewöhnlich erscheint er unter dem Bild eines in einer
Kernvacuole eingeschlossenen Nucleolus (Taf. V Fig. 1 u. 2).
An letzterem kann man dann sehr häufig eine linsenförmige achro-
matische Partie unzweifelhaft erkennen. Nächstdem am. häufigsten
sind die Zustände, wo ira Umkreis die ersten Spuren einer achro-
matischen Struktur wahrnehmbar werden, wie sie in der Figur 1
in verschiedenen Ausbildungsgraden abgebildet sind. Der chro-
matische Kernteil ist dann entweder ein noch homogener, runder
Körper, oder er ist schon in körniger Umwandlung begriffen.
Äußerst selten zu beobachten und offenbar außer aller genetischen
Beziehung zu den bisher besprochenen Zuständen ist die Auflö-
sung des Spermakernes in einen aus chromatischen und achroma-
tischen Teilen bestehenden Faden. Ebenfalls selten sind 4strah-
lige Spermakerne (Ordenssternform), was mit den beim Eikern
gemachten Erfahrungen übereinstimmt.

Die nächste Portion Eier wurde um 3 Uhr 15 Minuten ein-
gelegt, als sich bei einem Teil schon Knospungsfurchungen be-
merkbar machten. Die meisten Eier waren noch ungeteilt und
zeigten im Innern undeutliche helle, durch die Kerne veranlaßte
Flecke oder dendritische Figuren. Das Intervall von If Stunden
war leider etwas groß bemessen, so daß es schwer fällt, die Bilder,
welche sich bei Reagentienbehandlung ergaben, mit den früher
erhaltenen in Zusammenhang zu bringen.

Nach der Anzahl der Kerne wollen wir die Eier in 3 Grup-
pen besprechen: 1. Eier mit 1 Kern, 2. Eier mit 2 Kernen, 3. Eier
mit mehr als 2 Kernen.

Wo nur 1 Kern vorhanden ist, kann es nicht zweifelhaft sein,
daß eine Verschmelzung der Geschlechtskerne stattgefunden hat.
Der konjugierte Kern ist dann meist polygonal und faserig diffe-
renziert, die achromatischen Fasern aber nur selten in deutlicher
und regelmäßiger Weise nach den Polen orientiert; die chroma-
tischen Teile sind als mehr oder minder ausgesprochene Schlin-
gen unregelmäßig im Kern verteilt, oder, was das Seltenere ist, in
Körnchengruppen vereinigt. Außerdem finden sich aber auch
Eier mit einfachem, bläschenförmigem Kern, dessen Inneres
von einem Netzwerk durchsetzt ist. Das Netzwerk ist schwach

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oder gar nicht gefärbt, im letzteren Falle ist die Färbung durch
Körnchen bedingt, welche in das achromatische Gerüst eingebettet
sind. Man kann nun zweifelhaft sein, wie man diese Befunde
deuten soll, ob man annehmen soll, daß die blasenförmigen Kerne
hier im Begriff stehen, sich faserig zu differenzieren, oder ob die-
selben umgekehrt aus faserig differenzierten durch Rückbildung
hervorgegangen sind. Uns ist das erstere wahrscheinlicher.

Auf die gleichen Schwierigkeiten stößt man bei Betrachtung
der zweikernigen Eier. Vielleicht mit wenigen Ausnahmen kön-
nen wir es für sicher halten, daß die beiden Kerne den Ei- und
Spermakern vorstellen; sie sind entweder unregelmäßig faserig
differenziert (Taf. V Fig. 8) und dann chromatisch, oder sie sind
Kernblasen mit einem Reticulum, in welchem einige wenige, gar
keine oder eine größere Zahl von Chromatinkörnchen eingebettet
sind (Fig. 9). Zwischen Faserkernen und achromatischen Kern-
blasen findet man alle Übergangsformen, nicht selten derart, daß
bei einem der beiden Kerne die Umwandlung vollzogen ist, beim
anderen noch nicht begonnen hat oder erst im Beginne steht. In
einer früheren vorläufigen Mitteilung hatten wir die Verhältnisse
so gedeutet, daß die faserig differenzierten Kerne aus direkter
Umbildung von Ei- und Spermakern entstanden seien und
daß die bläschenförmigen Kerne ein späteres Stadium dar-
stellen, welches sich aus jenen durch regressive Metamorphose
hervorgebildet habe. Jetzt ist uns die umgekehrte Reihenfolge
wahrscheinlicher, namentlich im Anbetracht des Umstandes, daß
seit dem 3. Stadium ein längerer Zeitraum verflossen war und
es nicht anzunehmen ist, daß die Kerne fast 2 Stunden lang auf
dem dort schon angelegten faserigen Zustand verharrt hätten.
Wir halten es demnach für wahrscheinlicher, daß, wie bei der
vorigen Serie, so auch hier eine Teilung von Ei- und Spermaker-
nen sich inzwischen vollzogen hat, und daß die bläschenförmigen
Kerne aus Rekonstruktion der Ei- und Spermakerne hervorgegan-
gen sind, um sich von neuem nunmehr zu teilen und zu dem
Zweck die faserige Metamorphose einzuleiten. Durch diese An-
nahme würde es möglich sein, die Ergebnisse der 2. Serie auf
die der ersten und, wie wir gleich hinzusetzen können, auch der
übrigen Serien zurückzuführen. Die Annahme findet auch darin
eine Stütze, daß wir einmal ein Ei gefunden haben, welches die
Fig. 5 Taf. V ergab: eine Gruppe von 3 kleinen Kernen und
einen Haufen Kernbläschen. Es ist dasselbe Bild, welches wir schon
von der Teilung der rosettenförmigen Kerne her kennen.

b*

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Bei einigen der 1- und 2-kernigen Eier, auf welche sich vor-
stehende Schilderung bezieht, war noch ein zweites Spermatozoon ein-
gedrungen ; dann fand sich noch ein weiterer, durch seine Beschaf-
fenheit kenntlicher Spermakern vor. Derselbe war in einigen Fäl-
len ein chromatischer Körper mit achromatischem Fortsatz oder
er besaß die Ordenssternform.

In die 3. Kategorie gehören Eier mit 3, seltener mit 4 Ker-
nen (Taf. V Fig. 10). Der 3kernige Zustand scheint immer aus
einem 2kernigen hervorgegangen zu sein. Häufig findet man näm-
lich 2 Kerne, den einen kleiner, den anderen größer (Taf. V
Fig.9(^); letzterer ist dann eingekerbt, als ob er sich in 2 Kerne
teilen wollte. Ich habe vergebens darüber Klarheit zu erhalten
gesucht, ob hier einer der Geschlechtskerne ungeteilt geblieben
ist, während der andere sich geteilt hat, oder ob der konjugierte
Kern erst in 2 Kerne von ungleicher Größe zerfallen ist, von denen
nun der größere sich abermals teilt.

Unsicherheit in der Deutung der Bilder herrscht auch bei den
Präparaten, welche das letzte Material der in Rede stehenden
Serie uns geliefert hat. Dasselbe war um 4 Uhr 25 Minuten, also
1 Stunde 10 Min. später und somit 5| Stunde nach der Befruch-
tung eingelegt worden. Ein Teil der Eier war noch rund, ein
anderer Teil durch Furchen eingeschnürt. Vielfach war auch jetzt
nur 1 Kern vorhanden, dieser durch Einschnürungen in Lappen
zerlegt, oder es fanden sich 2 und mehr Kerne von ähnlicher ge-
lappter Form (Tafel V Fig. 11 u. 12). Ferner kommen chro-
matisch-faserig differenzierte Kerne vor. Im Farbenbild betrachtet,
sah man Fadenschlingen, die wurmförmige, weit durch das Ei sich
hinziehende Figuren erzeugten; dazu kamen bei Anwendung eines
engeren Diaphragmas achromatische Fasern, welche ganz wirr
angeordnet sein konnten. Ab und zu war aber die Anordnung
eine regelmäßige, dann entstanden fächerförmige Figuren.

3. Versuch. Vornahme der Chloralbehandlung 5
Minuten nach der Befruchtung.

Von den um 11 Uhr befruchteten Eiern war eine Portion 5
Minuten nach der Besamung einer 10 Minuten dauernden Chlo-
ralbehandlung unterworfen worden. Die Strahlung um den Sperma-
kern hatte sich noch nicht ausgebildet und trat auch in der Folge-
zeit nicht auf. Vorübergehend nahm das Protoplasma ein flecki-
ges Aussehen an, als ob die Eier absterben wollten, doch ver-

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schwand dasselbe wieder. Die Eier wurden in folgenden Zwi-
schenräumen abgetödtet:

1. Portion um 11 Uhr 35 Min.

2. Portion um 12 Uhr

3. Portion um 2 Uhr 5 Min.

4. Portion um 4 Uhr 25 Min.

Zur Charakteristik der ersten beiden Portionen bedarf es
nur weniger Worte. Strahlung war auch nach der Reagentienbe-
handlung nicht nachweisbar; die Vereinigung beider Kerne hatte
sich nur in äußerst wenigen Fällen vollzogen, zu denen die in
Figur 15 (Tafel V) abgebildeten Kerne gehören. Der erstere,
aus Portion 1 entstammend, läßt noch die Substanz des Sperma-
kerns als eine granulierte, matt rötliche Masse durch einen hellen
Hof von der Substanz des Eikerns getrennt erkennen, welch letz-
tere ein farbloses Reticulum bildet. Bei der 2. Figur, welche der
2. Portion angehört, sind beiderlei Substanzen zu einem feinkör-
nigen Haufen zusammengeflossen, welcher jedoch das Lumen der
Kernblase nicht erfüllt und nach der einen Seite eine helle Rand-
partie frei läßt.

Bei den Eiern, wo die Befruchtung noch durch die Chloral-
behandlung hatte verhindert werden können, war der Spermakern
ein gekörnelter, in zackige Fortsätze ausgezogener Körper, der
Eikern ein prall gefülltes oder schwach kollabiertes, häufig nur
undeutlich konturiertes Bläschen mit retikulärer Anordnung der
Kernsubstanz. Sehr häufig war der homogene rundliche Körper,
der wie ein farbloser kleiner Nucleolus neben dem Reticulum liegt
trotz aller
Aufmerksamkeit nicht zu sehen. Die Abstände zwi-
schen beiden Kernen waren meist ziemlich bedeutend, Doppelbe-
fruchtungen waren selten aufzufinden.

Eine Fülle von Bildern heferte die dritte Portion. Obwohl die-
selbe über zwei Stunden nach der zweiten Portion abgetötet war,
ließ sich der Zusammenhang mit derselben ohne Schwierigkeit her-
stellen, was zum Teil dadurch bedingt ist, daß einige Eier in dieser
Zeit sich sehr langsam entwickelt haben, während andere ein schnel-
leres Tempo eingehalten haben.

Über die Beobachtung der Eier im lebenden Zustand haben
wir in unserem Tagebuch bemerkt, daß sie häufig merkwürdige den-
dritische Figuren, deren Enden mit Strahlung versehen waren, zeig-
ten; daß manche in ihrer Grundanordnung an die Hantelfigur er-
innerten, daß einige Eier sich unregelmäßig einzuschnüren begannen.

Die Schilderung der Kernveränderungen ist im wesenthchen

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dadurch erleichtert, daß sie in vielen Stücken denen gleichen, welche
wir von dér ersten Serie beschriehen haben, nur ist zweierlei her-
vorzuheben: daß zu den dort besprochenen noch eine Reihe wei-
terer Formen hinzukommt, und daß im allgemeinen der Sperma-
kern in seinen Veränderungen noch mehr hinter dem Eikern zu-
rückbleibt.

Eikerne mit farblosem Reticulum und mit Kernmembran sind
nirgends mehr vorhanden, wohl aber begegnet man noch hie und
da den undeutlich konturierten Körnerhaufen, in denen intensiv
rot gefärbte Schlingen und Stäbchen liegen. Wiederholt haben wir
sehr typisch entwickelte Fächerkerne gesehen (Tafel V, Fig. 16, 17,
18, 19). In Figur 17 divergieren die achromatischen Fächerspangen
so sehr, daß ihre Enden eine gekrümmte Fläche bilden, welche
weit größer ist als eine Halbkugel; diese Figur war zum Studium
besonders geeignet, namentlich um zu zeigen, daß dem Ende einer
jeden achromatischen Spange ein intensiv rot gefärbtes Korn oder
Stäbchen ansitzt. Figur 18 ist dadurch von Interesse, daß sie uns
die beginnende Umbildung des Fächers zeigt, indem an einer um-
schriebenen Stelle der Kernoberfläche einige achromatische Fäden
sich erheben, welche nach der entgegengesetzten Seite convergieren.
So wird ein Teil des Fächers zu einer Spindel ergänzt. Die Um-
bildung der Fächerform ist noch weiter gediehen in Figur 20, in
welcher alle achromatischen Fäden sich über die chromatischen Teile
hinaus verlängert und gruppenweise untereinander convergierend im
Ganzen drei Spindeln erzeugt haben. Endhch kommen wir zu Fig. 21,
welche die Fächerform gar nicht mehr erkennen läßt, welche aus
vier in einem Zentrum vereinten Spindeln besteht, auf deren Fa-
sern unregelmäßig verteilte chromatische Stäbchen sitzen. Ob nun
hieraus durch Konzentration der achromatischen und chromatischen
Teile der in Figur 22 abgebildete Kern entsteht, wagen wir mit
Sicherheit nicht zu entscheiden, er könnte ja auch mit Umgehung
der Fächerform direkt aus einer faserigen Umbildung des Eikerns
entstanden sein, etwa aus einem Kern, wie wir ihn in Figur 16
kennen gelernt haben.

So wären wir zu einem vierpoligen Eikern gelangt, welcher weiter-
hin durch Verteilung des Chromatins an die Pole in die uns schon be-
kannte Rosettenform übergeführt wird. Verschiedene Stadien dieser
Umlagerung sind in den Figuren 23—25 Tafel V dargestellt; in
Figur 23 ist noch kein Pol
durch Anhäufung von Chromatin ausgezeich-
net, in Fig. 24 sind zwei, in Fig. 25 vier mit Chromatin versehene
Pole; überall fehlt aber noch die regelmäßige rosettenförmige Grup-

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pierung der Stäbchen, welche erst in den Figuren 26—31 er-
reicht wird. Unter diesen wiederum zeichnet sich ganz besonders
Figur 30 durch die äußerst klare und regelmäßige Anordnung
der chromatischen und achromatischen Teile aus. Wenn wir die-
selbe analysieren, so haben wir zwei gekreuzte Spindeln, von denen
die eine tiefer gelegen ist als die andere. Die Enden beider sind
wiederum durch achromatische Fäden verbunden, welche einen
schwach gebogenen Verlauf einhalten und bei der Lage der Spin-
deln in verschiedenem Niveau entweder auf- oder absteigen. Mit
diesem aufsteigenden Verlauf hängt es zusammen, daß man die
Chromatinrosetten nicht, wie man bei der Lage der Spindeln er-
warten sollte, ganz seitlich, sondern nur in halber Profilstellung
erblickt.

Die übrigen Figuren sind nicht so klar wie die geschilderte.
Wenn die Pole z. B. nicht zwei und zwei einander scharf gegen-
übergestellt sind, gewinnen die Verbindungsfasern benachbarter
Pole das Übergewicht über die gekreuzten Fasern (Fig. 26, 27),
Oder ein Pol ist schwach ausgebildet (Fig. 31), so daß dann ein
Übergang
zu den früher geschilderten dreieckigen Figuren angebahnt
wird. Umgekehrt kann es aber auch vorkommen, daß die Über-
sichtlichkeit der Anordnung durch Ausbildung einer größeren An-
zahl von Polen gestört wird. Figur 32 zeigt fünf, Figur 33 sogar
sechs Pole.

Vielfach hat auch die Deutlichkeit des Pseudotetrasters da-
durch gelitten, daß die ersten Veränderungen an ihm sich voll-
zogen haben, welche zur Teilung führen. Die Stäbchen sehen
dann wie verquollen aus oder sind sogar zu einem runden Körper-
chen zusammengeflossen. Zugleich ist ihre Imbibitionsfähigkeit ge-
ringer geworden, so daß dann die Ecken des Tetrasters nur als
undeutlich rote Flecke erkannt werden können (Fig. 29).

Die Veränderungen, welche inzwischen der Spermakern er-
fahren hat, haben nicht mit den Veränderungen des Eikerns gleichen
Schritt gehalten. Vielfach ist noch der aus dem Spermatozoenkopf
hervorgegangene homogene, rundliche Körper von Chromatin zu
sehen und im Umkreis desselben nur die erste Vorbereitung zu
faseriger Dififerenzierung (wir verweisen auf die analogen Bilder
der vorigen Serie, Tafel V Fig. 1). Undeutliche Streifung mar-
kiert rings um ihn herum ein viereckiges Feld, nach dessen einem
Ende ein achromatischer Fortsatz vom Chromatinkörper ausgeht.
Weiterhin begegnet man Figuren, wo die faserige Diff"erenzierung
schon entwickelt ist, der Chromatinkörper aber noch homogen ist,

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endlicli solchen, wo auch der letztere sich verändert und in einen
Körnerhaufen umgebildet hat. So kommen wir zu der typischen
Ordenssternfigur des Spermakerns. Bei derselben ist uns aber auf-
gefallen , daß von den früher beschriebenen Schenkeln meist
einer schwach entwickelt ist oder sogar ganz fehlt, so daß ein Drei-
strahler an Stelle eines Vierstrahlers resultiert. Die Erscheinung
ist um so auffälliger, als der Eikern stets vier Pole, ab und zu
sogar mehr als vier Pole besitzt.

Wie sehr nun der Spermakern in seinen Metamorphosen hinter
dem Eikern zurückgeblieben ist, geht vor allem daraus hervor, daß
wir nirgends bei ihm das Rosettenstadium vollkommen ausgebildet
fanden. Höchstens waren, wie z. B. in der Figur 32 (Tafel V),
die Anfänge zur ümlagerung des Chromatins festzustellen, indem
die zentrale Chromatinmasse sich in Stäbchen gesondert und ent-
sprechend den Kernecken, in Fortsätze ausgezogen hatte, oder indem
einzelne Stäbchen mehr oder minder weit nach den Ecken vor-
gerückt waren.

Was wir bisher kennen gelernt haben, bietet im wesentlichen
nichts Neues im Vergleich zu den Verhältnissen, welche wir bei
der ersten Serie geschildert haben. Neu aber ist bei dem uns be-
schäftigenden Stadium, daß hie und da, wenn auch in seltenen
Fällen, die beiden faserig difierenzierten Kerne in Beziehung zu
einander getreten sind, um, wenn benachbarte Lagerung es ermög-
lichte, eine einheitliche Figur zu erzeugen. Diese Vereinigung ist
in drei verschiedenen Abstufungen in den Figuren 28 und 29 der
Tafel V und Figur 4 der Tafel VI abgebildet. In der letzteren
Figur liegen beide Kerne noch auseinander, aber vom Eikern geht
ein undeutliches Streifensystem aus, welches mit dem Spermakern
in Verbindung steht. In Figur 28 und 29 stoßen der drei-
polige Spermakern und der vierpohge Eikern in einem Pole zu-
sammen. Figur 6 der Tafel VI zeigt uns endlich eine Vereini-
gung beider Kerne zur Bildung einer einheithchen Figur. Wir sehen
einen großen Kern mit 6 Ecken vor uns, jede Ecke, durch die
Chromatinrosette ausgezeichnet, sendet zu benachbarten Ecken
achromatische Fasern und ist zugleich Ausgangspunkt einer
schwachen Protoplasmastrahlung. Die Größe des Kerns und die
Abwesenheit eines besonderen Spermakerns stellt die Deutung außer
Zweifel, daß hier ein kombinierter Kern vorliegt, welcher wahr-
scheinlich dadurch entstanden ist, daß beide Kerne mit ein oder
zwei Ecken sich vereinigt und eine einheitliche Anordnung der
achromatischen Fäden gewonnen haben.

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Strahlungsfiguren sind übrigens nicht nur bei konjugierten
Kernen vorhanden, sondern schon viel früher. Da sie schwach
ausgeprägt sind und somit leicht übersehen werden können, läßt
sich über ihre Verbreitung nichts Sicheres aussagen. Ganz beson-
ders ist uns aufgefallen, daß, wie bei der ersten Serie, die Strah-
lungszentren häufig in einiger Entfernung vom Kern liegen. Nament-
lich haben wir wiederholt gesehen, daß symmetrisch zum Sperma-
kern zwei Protoplasmastrahlungen vorhanden sind. Indessen lehren
die Figuren 29 und 30, daß auch die Kernecken mit Strahlung aus-
gerüstet sein können, die dann deutlicher beim Spermakern als
beim Eikern ist.

Schon im Vorstehenden haben wir einen Fall kennen gelernt,
bei dem es zu einer Vereinigung von Eikern und Spermakern gekom-
men ist. Wahrscheinlich waren hier beide Kerne, ein jeder für
sich, metamorphosiert worden, ehe sie sich zusammengelegt hatten.
Wie wir von der Beschreibung des früheren Stadiums wissen, kann
aber schon viel früher die Kemvereinigung erfolgt sein. Dann
entwickeln sich Bilder, wie sie in Figur 34 dargestellt sind, ein
vieleckiger Kern in faseriger Umbildung mit chromatischen Fäden
und mit mehreren Ecken, die in konische Erhebungen ausgezogen sind.

Seltener als die Eier mit faserigen Kernen sind Exemplare,
bei denen die Entwicklung weiter vorgeschritten und die Kernteilung
und sogar schon die Kernrekonstruktion eingetreten sind. Teilung
kommt sowohl bei kopulierten, als auCh bei getrennt gebliebenen
Kernen vor. Im letzteren Falle entstehen Bilder, wie sie auf
Tafel VI, Fig. 1—3 dargestellt sind, von denen die ersteren bei-
den der Erläuterung nicht bedürfen. In Figur 3 haben wir rekon-
struierte Kerne vor uns, welche nun von neuem anfangen, die Tei-
lung vorzubereiten, indem beiderlei Kernsubstanzen sich gesondert
haben und die achromatische Substanz wirr angeordnete Fäden,
die chromatische S- und U-förmige Schleifen und Schhngen ge-
bildet hat.

Die analogen Veränderungen, nur mit dem Unterschied, daß
ein konjugierter Kern vorliegt, erläutern auf derselben Tafel die
Figuren 5, 7 und 8. In Figur 5 ist ein mit 8 Polen ausgerüsteter
Kern in 8 Gruppen von Kernbläschen zerfallen, welche aber noch
in ganz auffälliger Weise durch unregelmäßig faserige Streifen zu
einer einheitlichen Figur vereinigt werden. Figur 8 stellt einen
rekonstruierten Kern dar, bei welchem sich die ersten Anfänge der
Sonderung in chromatische und achromatische Teile bemerkbar
machen. In Figur 7 ordnen sich schon die achromatischen Fäden

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nach unbestimmt ausgesprochenen Polen, wodurch auch die Lage-
rung der chromatischen Stäbchen bestimmt wird.

Schon während der geschilderten Vorgänge hatten Kontrak-
tionen des Protoplasma zu unbedeutenden Gestaltveränderungen
der Eizelle geführt; von
4 Uhr ab beginnen Furchungserscheinungen
aufzutreten, welche im Laufe der nächsten Stunde wenigstens einen
großen Teil der Eier in Teilstücke von ungleicher Größe zerlegen,
die aber fast stets noch durch Plasmabrücken zusammenhängen.
Obwohl wir zahlreiche Eizellen auf das genaueste studiert und so-
gar abgezeichnet haben — einige davon liegen den
Figuren 9—11
auf Tafel VI zu Grunde ist es uns nicht geglückt, einen Zu-
sammenhang in die einzelnen Formen zu bringen, und begnügen
wir uns daher, das Wichtigste, was uns im allgemeinen aufgefallen

ist, hervorzuheben.

Was zunächst die Teilung anlangt, so haben wir schon be-
merkt, daß sie eine unvollkommene und äußerst ungleichmäßige
ist. Einmal schwankt die Zahl der Teilstücke von 2 bis 10 —
dazu kommen noch gänzlich ungeteilte Eier —, außerdem sind aber
auch die Teilstücke variabel; in einem 7-geteilten Ei z. B. sind
5 kleine und 1 mittelgroßes Stück neben einem die Hälfte des
Eies repräsentierenden großen Teilstück vorhanden.

Zwischen der Zahl der Kerne und der Zahl der protoplasma-
tischen Teilstücke herrscht keine Proportionalität. Eier ohne jede
Einfurchung der Oberfläche können 4 Kerne enthalten, während bei
Eiern, welche in Zweiteilung begriffen sind, der Kern nur als un-
geteilte lappige Masse auf der Grenze der Teilstücke liegt. Damit
hängt es zusammen, daß Teile des Eies sich ohne Kern absclmüren
können; wir beobachteten einmal sogar ein vollkommen losgelöstes
Stück ohne das geringste Quantum von Kernsubstanz. Ein solches
Stück würde im weiteren Verlauf sicherlich nicht lebensfähig ge-
blieben, sondern zerfallen sein, woraus sich wohl das Auftreten des
krümeligen Inhalts bei den früher besprochenen Stereoblastulae er-
klärt.

Überall hat uns die ganz unverhältnismäßige Massenzimahme
der Kernsubstanz, speziell der chromatischen überrascht, selbst
bei Eiern, wo nur 1 Kern vorhanden war. Es scheint, daß bei der
durch Chloral bedingten Herabminderung der Geschwindigkeit in
allen Entwicklungsprozessen die Fähigkeit der Kernsubstanz, durch
Assimilation sich zu vergrößern, gar nicht oder doch nur wenig
alteriert worden ist, so daß vielleicht die gleiche Menge Kern-
substanz in ungeteilten Eiern vorhanden ist, wie sie den normal

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entwickelten Eiern zukommt, welche sich in einem entsprechenden
Zeitabschnitt schon auf einem vorgerückten Morulastadium befinden.

Wenn wir auf die Figuren der Kerne achten, so sind gut
ausgebildete Spindeln äußerst selten; wo sie vorkommen, sind sie
meist ganz auffällig groß, vielfach größer als die in Fig. 9 Taf. VI
abgebildete, und außerordentlich reich an dicht aneinander gefügten
Spindelfasern und dementsprechend auch reich an Chromatinstäb-
chen, welche eine ansehnliche Kernplatte erzeugen und nicht selten
den Charakter von Schlingen annehmen. Gegen das Protoplasma
sind die Spindeln scharf abgesetzt, was vielleicht darin seinen Grund
hat, daß die Strahlung im Protoplasma sehr schwach ist. Die
Spindeln sind entweder einzeln oder zu Komplexen vereint, indem
3 oder mehr mit ihren Enden zusammenhängen und ab und zu
ganz unentwirrbare Massen erzeugen.

Um so häufiger sind Halbspindeln oder, wie wir sie früher
genannt haben, fächerförmige Kerne. An ihnen fällt die Massen-
zunahme der Kernsubstanzen ganz besonders auf; man vergleiche
nur in dieser Hinsicht die Fig. 9 und 10 auf Taf. VI und Fig. 14 auf
Taf. V. Die achromatischen Fasern sind so massenhaft, daß sie
eine von einem Punkt ausstrahlende Schraffierung veranlassen;
diese endet an einem dicken Polster chromatischer Kernsubstanz.
Sieht man zufällig auf das Ende der Halbspindel herab, so löst
sich das Polster in eine Menge wurmförmig gekrümmter Chromatin-
stäbchen von nahezu gleicher Länge auf (Fig. 9).

Auch Kerne mit polständigen Chromatinrosetten kommen vor.
Das in Fig. 11 (Taf. VI) dargestellte Ei zeigt 4 Kerne, an denen die
rosettenförmige Anordnung in der Entwicklung begriffen ist. Das Ei
ist auch insofern von Interesse, als es Plasmastrahlungen, unab-
hängig von Kernenden, wie wir sie wiederholt beschrieben haben,
enthält. Wir sind versucht, in diesem Falle die 4 Kerne aus Tei-
lung der unverschmolzcnen Geschlechtskerne abzuleiten.

Ebenfalls nicht selten sind wurmförmige Kerne, d. h. Kerne,
welche abgerundete, höckerige, längliche Körper bilden, welche sich
sogar etwas verästeln können. Die Substanz ist hier faserig dif-
ferenziert in achromatische Fäden von wirrer Anordnung, in welche
hie und da Haufen chromatischer Schlingen eingebettet sind.

Es ist selbstverständlich, daß dazwischen auch Eier mit ruhen-
den bläschenförmigen Kernen vorkommen; sehr häufig sind fast
sämmtliche Kerne eines Eies bläschenförmig und nur durch Größe
von einander unterschieden. Endlich ist es auch selbstverständ-
lich, daß Übergangsformen zwischen faserigen und bläschen-

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förmigen Kernen wahrgenommen werden; das sind dann Kerne,
in deren farblosem Reticulum chromatische Körner und Fäden
auftreten.

III. Behandlung der Eier mit Chloral 15 Minuten
nach der Besamung.

Die letzte Portion Eier wurde der Einwirkung des Chlorais
ausgesetzt, nachdem sie schon eine Viertelstunde vorher besamt
worden waren. Die Einwirkungsdauer wurde zufällig etwas mehr
ausgedehnt als gewöhnlich und erstreckte sich fast auf eine Viertel-
stunde.

Als die Chloralbehandlung begann, war natürlich die Sperma-
strahlung schon stark entwickelt und hielt auch noch 15 Minuten
lang an, dann aber bildete sie sich allmählich zurück und war nur
noch in Resten zu erkennen, als das erste Quantum zur Unter-
suchung um 11 Uhr 35 Minuten, also 35 Minuten nach der Be-
samung abgetötet wurde. Bei der Untersuchung ergab sich folgen-
des Resultat: Fast überall war die Vereinigung von Ei und
Spermakern vollzogen, doch so, daß die Substanzen beider noch
deutlich unterschieden werden konnten. Der Eikern bildete ein
ganz farbloses Bläschen, auf dessen einer Seite die matt rosa ge-
färbte, schwach granulierte Substanz des Spermakerns eingelagert
war. Sie hatte offenbar durch Flüssigkeitsaufnahme schon an Vo-
lumen beträchtlich zugenommen und erschien wie eine halbmond-
förmige Verdickung der Wandung des Kerns eingebettet, so daß
dieser an einen Siegelring erinnerte. Das Reticulum des Eikerns
selbst war bei einigen Eiern auf eine beschränkte Stelle zusammen-
gedrängt und durch einen hellen Zwischenraum von der Sperma-
masse getrennt; das homogene Körperchen (Nucleolus) war noch
erhalten. An dem Ende, wo der Spermakern dem Eikern einge-
lagert war, fand sich eine Anhäufung homogenen Protoplasmas und
um dieselbe herum waren die Protoplasmakörnchen unregelmäßig
streifig angeordnet (Tafel VI, Fig. 13 u. 14). So entstanden zwei
Strahlenbüschel, welche links und rechts mit ihren Spitzen an die
Kernoberfläche stoßen, da wo die Substanz des Eikerns und die
des Spermakerns aneinander grenzen. Ab und zu war die Ver-
einigung beider Kerne schon seit längerer Zeit vollzogen und dann
war auch die homogene Protoplasmaansammlung
geschwunden; in
Folge dessen war die ganze Seite des Furchungskerns, in welcher
der Spermakern eingebettet lag, gleichmäßig von einer deutlichen
Strahlung umgeben. Die Anhäufung homogenen Protoplasmas er-

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klärt sicli aus der Betrachtung der äußerst seltenen Fälle, in denen
die Kopulation der beiden Kerne sich noch nicht vollzogen hatte
(Tafel VI, Fig. 12). Der Spermakern lag dann als eine granu-
lierte, matt rosa gefärbte Kugel nahe dem Eikern inmitten einer
Straße homogenen Protoplasmas, die an diesen heranführte. Auch
hier waren die Protoplasmakörnchen in Reihen gestellt, welche
links und rechts von der homogenen Straße deutlich nach dem Ei-
kern zu konvergierende Büschel erzeugten.

Denselben gleichförmigen Charakter ergaben Eier, welche
I Stunde später abgetötet worden waren. Die Kopulation der
Kerne war weiter vorgeschritten, so daß man keinen Unterschied
zwischen der Substanz des Eikerns und des Spermakerns mehr
machen konnte. Fast ausnahmslos enthielt das Ei ein rings scharf
umschriebenes Kernbläschen, dessen feste Bestandteile fast ganz
konzentriert waren auf eine rundliche granulierte, in Karmin sich
nicht mehr färbende Masse, welche das Innere des Bläschens etwa
zur Hälfte erfüllte und neben der sich das homogene Korn noch
diskret erhalten hatte. Seltener sind mehrere granulierte Anhäu-
fungen in einer Kernblase zu sehen. Im Piotoplasma sind keine
Reste von strahliger Anordnung erhalten.

Als Ausnahmen haben wir auch hier wieder einige Eier zu
verzeichnen, bei denen Eikern und Spermakern sich getrennt er-
halten hatten. Man kann sich von denselben eine Vorstellung bil-
den, wenn man sich die Figur 12 auf Tafel VI der Protoplasma-
strahlung entkleidet denkt.

Im Gegensatz zu dem bisher Beschriebenen bietet die folgende
Eiportion, welche um 2 Uhr 30 Min. (nach 3i Stunden) abgetötet
worden war, eine Fülle von Bildern, zwischen denen aber unzweifel-
haft ein genetischer Zusammenhang herrscht. Sehr häufig sind Eier,
bei denen ein einziger rosettenförmiger Kern besteht; derselbe ist
im Prinzip ebenso gebaut, wie die rosettenförmigen Ei- und Sperma-
kerne, welche wir auf den vorigen beiden Stadien schon kennen
gelernt haben; nur ist der Kern größer, die Zahl seiner Ecken be-
deutender. Gewöhnlich sind 8 Ecken vorhanden, welche unter-
einander durch achromatische Fäden verbunden und von einem
Kranz chromatischer Stäbchen umgeben sind. Die Zahl der Stäb-
chen innerhalb eines Kranzes ist in diesen Fällen ziemlich gleich
für alle Ecken (Taf. VI, Fig. 19 u. 21). Wo nun aber Kerne
mit 5, 6 oder 7 Ecken gegeben sind, sind 2 oder auch nur 1 in-
sofern stärker ausgebildet, als dann eine besonders große Zahl
von gefärbten Stäbchen die betreffende Ecke umlagert (Fig. 22).

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Ziehen wir diese Verhältnisse in Betracht und berücksichtigen wir
ferner, daß Ei- und Sperraakern gewöhnlich 4-eckige Rosettenkerne
entwickeln, wenn sie an der Vereinigung verhindert werden, so
werden wir zur Annahme geführt, daß in allen diesen Fällen zwar
eine Vereinigung der Geschlechtskerne stattgefunden hat, aber mit
mehr oder minder vollständiger Durchdringung der Substanzen,
Wenn 7 Kernecken vorhanden sind, enthält wahrscheinlich nur die
eine, stärker entwickelte Ecke männliche und weibliche Chroma-
tinteile. Demgemäß müßten wir für die 6-eckigen Figuren eine
etwas fortgeschrittene, für die 8-eckigen eine weniger innige Ver-
einigung der Kernsubstanzen annehmen. Im letzteren Falle würde
der Zusammenhang von Ei- und Spermakern nur durch die achro-
matischen Bestandteile des Kerns vermittelt werden. Da für die
Befruchtung das Verhalten der Kerne allein von Bedeutung ist,
so könnte man hier von einer unvollkommenen — oder um einen
trefflich gewählten Ausdruck PPLtJGER\'s zu benutzen — von einer
fraktionierten Befruchtung sprechen.

In welcher Weise sich um diese Zeit das Protoplasma durch
Strahlung beteiligt, haben wir nicht mit genügender Sicherheit
ermitteln können. Im lebenden Zustand zeigten die Eier die früher
besprochenen dendritischen Figuren, über die wir in unseren No-
tizen aufgezeichnet haben, daß sie in ihrer Grundanordnung an
die Hantel erinnern; am eingelegten Material haben wir wieder-
holt sehr deutlich 3 Strahlungen erkennen können; die am stärk-
sten entwickelte Strahlung war um eines der Kernenden orientiert,
die schwächeren lagen auf der anderen Seite und in einiger Ent-
fernung vom Kern, entweder getrennt voneinander (Taf. VI Fig. 16
u. 18) oder durch eine schmale Brücke untereinander verbunden.
Es scheint aber auch vorzukommen, daß alle Kernecken von schwa-
cher Strahlung umgeben sind, (Taf. V Fig. 22).

Wir haben nun nach Kernen gesucht, welche das Rosetten-
stadium vorbereiten, und haben dabei allerdings einige derartige,
wenn auch seltene Formen vorgefunden und 2 davon in den Fi-
guren 16 und 20 (Taf. VI) abgebildet. Die Figur 20 stellt nur
einen Teil des Kernes dar, weil bei Abbildung der übrigen Par-
tieen die Zeichnung wirr und unverständlich geworden wäre. Man
sieht das Chromatin zwischen 3 Kernpolen zu einer Art Mittel-
platte zusammengedrängt, welche in 3 Schenkel ausgezogen ist.
In Figur 16 dagegen ist die Verlagerung der Chromatinstäbchen
nach den Kernpolen schon im Gange. Letztere Zeichnung ist auch
aus einem weiteren Grunde von Interesse, insofern nämlich an dem

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konibiüiei\'teu Keru man ziemlich deutlich noch 2 Teile unterschei-
den kann, von denen der eine unzweifelhaft dem Sperma-, der an-
dere dem Eikern entspricht. Beide haben einen gemeinsamen Pol,
weshalb der gesammte Kern 7-eckig ist.

An die rosettenförmigen Kerne schließen sich mehrere
auf Kernteilung hinweisende Figuren an. Die Kontur des Kerns
ist noch in ganz undeutlichen Umrissen erhalten, auch sind noch
die letzten Reste von faserigen Streifen zu sehen, welche nach
den — meist 8 — Kernecken hinstreben; diese selbst sind daran
zu erkennen, daß entweder undeutliche rothe Flecke oder 2, 3
und mehr Kernbläschen hier liegen. (Taf. VI Fig. 25 und 27).
Wie aus der Spindel 2 Gruppen von Kernbläschen entstehen, so
hat sich hier deren eine ganze Anzahl entwickelt.

Am häufigsten aber sind Eier, bei denen unzweifelhaft eine
Rekonstruktion des geteilten Furchungskerns im Gange ist. In
einer polygonalen Kerngruppe sind einige Ecken noch von Grup-
pen kleiner Keriibläschen eingenommen, während in anderen ein
einheitlicher oder nur schwach gelappter Kern liegt (Taf. VI
Fig. 26); oder die polygonale Figur ist verwischt, man findet an
einem Punkt des Eies mehrere (4, 5 oder 6) granulierte Kerne,
zum Teil bis zur Verschmelzung genähert (Taf. VII Fig. 4 u. 5),
oder es ist nur ein einziger granulierter Kern vorhanden, dessen
Oberfläche aber gelappt ist (Fig. 6 u. 7), so daß man eine Zu-
sammensetzung aus 4, 5 oder 6 Stücken erkennen kann.

Gewöhnlich sind derartige Kerne so fein granuliert, daß man
ihre Konturen vom umgebenden Protoplasma kaum unterscheiden
kann; allein sie können auch mehr den Charakter von Bläschen
besitzen, in welchen die Kernsubstanz ein lockeres Netzwerk bil-
det (Taf. VI Fig. 8); das Netz selbst ist meist farblos, enthält
aber chromatische Körnchen. Die Sonderung in achromatische und
chromatische Teile ist weiter gediehen in Figur 9, wo letztere
schon den Charakter von Schlingen annehmen. Hier schließen sich
endlich die Kernfiguren 10 und 11 an; der Kern ist nicht mehr
scharf konturiert;
seine Form ist oval oder langgestreckt; sein In-
halt unregelmäßig gefasert, und in demselben sind hie und da
Gruppen chromaiischer Schlingen eingebettet.

Was wir bis jetzt kennen gelernt haben, sind Ausbildungs-
stufen von Eiern, bei denen eine Kopulation der Kerne sich voll-
zogen hatte. Nun waren aber einige wenige Eier auf früheren
Stadien nachgewiesen worden, wo beide Kerne, wenn auch nahe bei
einander liegend, so doch immerhin getrennt geblieben waren. Von

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solchen Eiern leiten sich die wenigen Exemplare ab, bei denen
Ei- und Spermakern getrennt in die Rosettenform übergeführt wor-
den sind, wie es Figur 17 auf Tafel VI erkennen läßt.

Ungefähr 4 und 5 Stunden nach der Besamung (3 Uhr 13 M.
u. 4 Uhr 30 M.) wurden die letzten Eier abgetötet; sie waren
meist in Knospenfurchung begriffen und enthielten meist 2 oder
mehr Kerne. Diese hatten fast nirgends Spindelform angenom-
men, entweder waren sie bläschenförmig (Fig. 23 Tafel VI) oder
sie waren langgestreckt mit faserig differenziertem Inhalt und chro-
matischen Schlingen. Fächerförmige Kerne waren ebenfalls selten.

Behandlung besamter Eier mit einer O.Oö^/o Chinin-
lösung.

Wir habeil nur einen einzigen Versuch gemacht, indem wir
Eier, welche um 11 Uhr besamt worden waren, 1 Minute später
mit einer 0.05 Chininlösung 10 Minuten lang behandelten. Das
eingelegte Material ist leider verloren gegangen und müssen wir
uns hier auf die kurzen Notizen beschränken, welche wir bei Beob-
achtung der lebenden Eier gemacht haben. Danach ist während
der ersten Stunde keine Strahlung zu sehen und bildet sich der
Spermakern ohne zu kopulieren in ein Bläschen um. Dann aber
scheint Befruchtung einzutreten; denn um 1 Uhr waren die mei-
sten Eier auf dem normalen Hantelstadium angelangt, viele 2-,
einige sogar 4-geteilt. Nach weiteren 3| Stunden (4 Uhr 30)
waren alle Eier geteilt, einige in 4, die meisten in 8 Teilstücke.
Die Entwicklung war nur insofern unregelmäßig, als die Teilstücke
von ungleicher Größe waren.

Über das Verhalten der Spermatozoen in unreifen
oder unvollkommen reifen Eiern,

Bei unseren vielfältigen Versuchen ist es sehr häufig vorge-
kommen, daß hie und da im Material Eier enthalten waren, welche
noch ihr Keimbläschen besaßen oder in der Eireife begriffen wa-
ren, und so war es auch der Fall bei den Eiern, welche erst be-
samt und dann der Chloralwirkung ausgesetzt worden waren. Da-
bei hat sich denn herausgestellt, daß die Spermatozoen sich ganz
verschieden verhalten, ob sie vor der Chloralbehandlung in ein
reifes oder unreifes Ei eingedrungen sind.

Überall wo das Ei noch nicht vollkommen gereift ist, tritt

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Polyspermie ein. Eier, welche^ noch das Keimbläschen besitzen,
sind manchmal vollgepfropft von Spermatozoen, deren Zahl bis zu
30 betragen kann, welche dann nesterweise zusammenlagen. Man
erkennt von ihnen nur die Köpfe, welche in ihrer 3-eckigen, nach
einer Seite zugespitzten Gestalt an Pfeilspitzen erinnern. So findet
man sie noch nach Stunden gänzlich unverändert vor, nicht ein-
mal üben sie auf das umgebende Protoplasma einen eine Strah-
lung erregenden Reiz aus.

Ein einziges Mal und zwar unter den Eiern, welche ^ Stunde
nach der Besamung mit Chloral behandelt worden waren, sind
wir einem Ei begegnet, welches im Begriff stand, den ersten Rich-
tungskörper zu bilden (Taf. VII Fig. 2). Seit der Chloralbehand-
lung waren 4 Stunden verflossen; infolgedessen war Strahlung
schon wieder vorhanden, wenn auch nicht stark ausgeprägt und
zwar an 2 Enden einer homogenen 3-eckigen Figur, in welcher
wir die durch Chloral modifizierte Richtungsspindel erblicken; das
Chromatin der Spindel war in Form kleiner Stäbchen an verschie-
denen Stellen abgelagert. Zahlreiche Spermatozoen, 3-eckige rot
gefärbte Körperchen, — in der Figur sind sie nur zum Teil dar-
gestellt — durchsetzten das Innere und bildeten kleine Gruppen,
indem sie mit Vorliebe das spitze Ende nach einem gemeinsamen
Zentrum richteten. Obwohl sie selbst trotz ihres langen Aufent-
halts im Ei unverändert waren, hatten sie doch Einfluß auf das
Protoplasma schon gewonnen, welches geringe Spuren von Strah-
lung an den spitzen Enden der Spermakerne erkennen ließ.

Ein Stoflaustausch zwischen Eiprotoplasma und Spermakernen
wird erst bemerkbar, wenn der erste Richtungskörper gebildet
worden ist; wir haben 4 solcher Eier aufgefunden und eines davon,
welches etwa 4 Stunden zuvor der Chloralbehandlung unterworfen
worden war, in Figur 1 Tafel VII abgebildet. Der Richtungs-
körper liegt in einer Vertiefung der Eioberfläche, darunter ein
bläschenförmiger Kern, welcher sich unter dem Einfluß der Chloral-
behandlung offenbar aus dem Rest der Richtungsspindel entwickelt
hatte. Da in ihm noch die Bestandteile für den Kern des zwei-
ten Richtungskörpers enthalten sind, ist er größer als der Eikern;
auch das homogene Korn (achromatischer Nucleolus) ist etwa dop-
pelt so groß als das entsprechende Korn des reifen Eies. Ungefähr
20 Spermakerne sind außerdem vorhanden; sie haben aber — ähn-
lich, wie es bei den Eiern von Asteracanthion undNephelis geschieht
— sich zu Bläschen mit farblosem Reticulum und wenigen chromati-
schen Körnchen umgewandelt. Dagegen ist eine faserige Umbildung

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Bicht eingetreten, obwohl die Zeit, welche seit dem Eintritt der
Befruchtung verflossen ist, hierfür lange ausgereicht hätte.

Daß das Eindringen zahlreicher Spermatozoen an und für
sich kein Grund ist, eine faserige Differenzierung der Spermakerne
zu verhüten, würde schon aus den früher mitgeteilten Untersu-
chungen hervorgehen, es wird aber außerdem noch durch das Ei
bewiesen, welches möglichst naturgetreu in Figur 3 Tafel VII
abgebildet ist. In ihm sind 6 an Tetraster erinnernde Figuren
zu sehen, von denen wir bisher nur wissen, daß sie aus Umwand-
lung von nicht konjugierten Ei- oder Spermakernen sich ent-
wickeln. Da im Ei nur 1 Eikern vorhanden ist, müssen die übrigen
Körper aus Spermakernen hervorgegangen sein; an einem Pole
sind mehrere größere und kleinere Höcker zu sehen, wie sie bei
mechanischen Verletzungen des Eies zu entstehen pflegen, und so
deuten wir die Verhältnisse in folgender Weise; es liegt ein reifes
Ei vor uns, welches aber infolge von mechanischen Insulten ver-
letzt und demgemäß von mehreren Spermatozoen befruchtet wor-
den ist. Die Chloralbehandlung verhinderte die Kopulation der
Kerne und veranlaßte, daß Ei- und Spermakerne den selbständigen
Entwicklungsgang einschlugen, den wir oben kennen gelernt haben.
Es würde sich verlohnen, die Richtigkeit dieser Deutung zu er-
proben, indem man künstlich die hier vorausgesetzten zufällig
entstandenen Verhältnisse erzeugte, was ja keinerlei Schwierigkei-
ten bereiten würde.

II. Absclinitt.

Beeinflussung der Eier durch ehemiselie Agentien nach Ablauf
der Befruchtung während der Vorbereitungsstadien
zur Furchung.

Als wir durch die oben mitgeteilten Versuche ermittelt hatten,
dass man durch verschiedene chemische Gifte die Geschlechtspro-
dukte, ohne sie abzutöten, schädigen und dadurch zu anormaler
Entwicklung veranlassen kann, warfen wir die Frage auf, ob der
durch die Befruchtung angeregte Teilungsprozeß in ähnlicher
Weise abgeändert und in seinem Wesen modifiziert werden
könne. Nach dieser Richtung konnten wir indessen wegen der
fehlenden Muße nur mit 6 Stoffen, mit Nikotin, Strychnin und
Morphium, mit Chinium sulfuricum, Chloralhydrat und mit Cocain

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Experimente anstellen, die zu einem verschiedenen Ergebnis
führten.

I.Beeinflussung der in der Vorbereitung zurTeilung
begriffenen Eier durch Nikotin.

Während Nikotin das unbefruchtete Ei auch in stärkster
Verdünnung schädigt, wurde bei Anwendung derselben Lösungen
auf befruchtete Eier keine Störung hervorgerufen, wie folgende
zwei v^ersuche lehren.

1. Versuch. Am Dienstag den 7 April 2 Uhr 15 Minuten
wurden Eier befruchtet, um
4 Uhr 15 Minuten begannen sie sich
zu teilen. Eine Partie derselben war um 3 Uhr 10 Minuten bis
3 Uhr 20 Minuten in die Nikotinlösung (1:100) gebracht und dann
wieder mit frischem Meerwasser ausgewaschen worden. An den
Eiern war keine Veränderung bemerkbar. Die Protoplasmastrah-
lungen um den Kern erhielten sich in derselben Deutlichkeit wie
früher. Es trat gleichfalls um 4 Uhr 15 Minuten die erste Tei-
lung ein und um 5 Uhr 30 Minuten schloß sich daran die Vier-
teilung.

2. Versuch. Am 15. April wurden Eier um 9 Uhr be-
fruchtet. Nach ein und einer halben Stunde befanden sie sich
auf dem Hantelstadium und wurden jetzt während 45 Minuten in
die Nikotinlösung gebracht. Um 12 Uhr 45 Minuten erfolgte
überall normale Teilung. Am andern Tage hatten sich normale,
auf der Oberfläche des Wassers schwimmende Blastulae entwickelt.

Aus beiden Versuchen geht hervor, daß durch die vorüber-
gehende Anwendung von Nikotin der Teilungsmodus als solcher
nicht umgeändert werden kann, dagegen wird er, wie wenigstens
der 2 Versuch andeutet, bei längerer Einwirkung verlangsamt.
Vielleicht hängt diese geringe Reaction befruchteter Eier damit
zusammen, daß das Nikotin durch die nach der Befruchtung ge-
bildete Eihülle schwerer eindringt.

2. Beeinflussung der in Vorbereitung zur Teilung
begriffenen Eier durch Strychnin.

Wie das Nikotin so hat auch Strychnin auf die in Teilung
begriff\'enen Eier einen äußerst geringen Einfluß. Wir wandten eine
0 Ol Ä Lösung 10 Minuten auf Eier an, welche eine Stunde vor-
her befruchtet worden waren. Um 12 Uhr (3 Stunden nach der
Befruchtung) untersucht, waren fast alle zweigeteilt, wenige waren
viergeteilt. Auch die weitere Entwicklung war zunächst noch im

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großen und ganzen eine normale; am folgenden Tage wurde das
Blastulastadium, am dritten das Gastrulastadium durchlaufen.
Nur bei wenigen Eiern fand sich in der Furchungshöhle die auf
eine gestörte Entwicklung hindeutende Körnchenanhäufung vor.
Am 3. Tag war zwar das Kalkskelet schon angelegt, die Form des
Pluteus aber noch nicht erreicht, das erste Anzeichen einer etwas
intensiver gestörten Entwicklung. Weitere Versuche haben wir
nicht angestellt.

3. Beeinflussung der in Vorbereitung zur Teilung
begriffenen Eier durch Morphium.

Da Morphium die Spermatozoen fast gar nicht und die un-
befruchteten Eier nur bei sehr energischer Behandlung verändert,
so war auch von den Experimenten mit befruchteten Eiern wenig
zu erwarten. In der That hat sich auch eine große Indifferenz
herausgestellt, wie aus folgenden 2 Versuchen hervorgeht.

1. Versuchsreihe. Eine größere Quantität Eier wurde
am 5. April früh 10 Uhr 30 Minuten befruchtet und in 3 Partien
geteilt, die erste verblieb als Kontrollpartie im Meerwasser, die
zweite Partie übertrugen wir um 1 Uhr 30 Minuten, als die Teilung
in 4 Stücke begann, auf 1 Stunde in eine 0,6^ Morphiumlösung und
wuschen dann tüchtig mit frischem Meerwasser aus, die dritte
Partie ließen wir sich in 0,1 § Morphiumlösung entwickeln.

Bei beiden mit Morphium behandelten Partien verlief die
Furchung normal, nur im Verhältnis zu dem im Wasser befind-
lichen Teil der Eier verlangsamt; auch fiel es auf, daß die Zellen
größer waren und daß die zwischen Dntterhaut und Embryo be-
findliche Flüssigkeit eine bräunliche Färbung annahm. Ganz ab-
norm waren dagegen am folgenden Tage in beiden mit Morphium
behandelten Portionen die Blastulae. Die sonst kuglige Gestalt
war linsenförmig abgeplattet; die Furchungshöhle war ganz mini-
mal; die normalerweise kubischen und äußerst zahlreichen Bla-
stodermzellen waren spärlicher und zu laugen pyramidenförmigen
Körpern ausgezogen, deren breite Basen die Oberfläche der Bla-
stula bilden halfen, während die abgestutzten verjüngten Enden die
Furchungshöhle begrenzten.

Während die im Meerwasser sich entwickelnden Eier noch am
6. April Abends die Gastrulaeinstülpung bildeten und Tags darauf
schon das Pluteusstadium erreichten, schwammen die mit Mor-
phium behandelten Blastulae zwar lebhaft herum, rückten aber
in der Entwicklung nur langsam vor. Das am 7. April ange-

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legte Gastrulasäckchen blieb lange Zeit klein, die Gallertbildung
war verlangsamt; in der Gallerte lagen spärliche rundliche Körper.
Die Eier, welche in der 0,1 g Morphiumlösung verbheben waren,
starben in diesem Zustande allmählich ab, das gleiche Schicksal
teilten Eier, welche nach 48 stündiger Behandlung am 7. April aus
der 0,1 fi Morphiumlösung in Meerwasser übertragen worden waren.
Nur die aus der 0,6 ^ Morphiumlösung stammenden Larven lebten
noch nach 6 Tagen am 11. April; obwohl das Gastrulasäckchen
sich allmählich vergrößert hatte, waren sie doch nicht fähig ge-
wesen die Pluteusform auszubilden.

2. Versuchsreihe. Eier, welche am 15. April früh 9 ühr
befruchtet wurden, dienten ebenfalls zu einem Doppelversuch; ein
Teil wurde um 10 ühr 30 Minuten lang mit 0,5 g Morphiumlösung
behandelt, bei einem andern Teil wurde die Konzentration auf
0,4^ herabgesetzt, die Einwirkungsdauer auf 1 Stunde vA-längert.

Die Teilung trat erst um 12 ühr, also etwas verlangsamt ein,
war aber im großen und ganzen normal, direkte Vierteilungen
und anvollständige Teilungen waren selten. In analoger Weise ver-
lief die spätere Entwicklung; das Pluteus- und Gastrulastadium
traten etwas später als normal ein, waren aber regulär ausgebil-
det, nur daß die Gallertausscheidung auffallend gering war. Letz-
teres gab bei dem 1 Stunde lang mit Morphium behandelten Ma-
terial den Plutei ein geschrumpftes Ansehen.

4. Beeinflussung der in Vorbereitung zur Teilung

begriffenen Eier durch Chinium sulfuricum.

Da wir bei Anwendung einer 0,05 % Chininlösung überraschende
und interessante Erscheinungen entdeckten, so beschränkten wir
uns nicht auf die Beobachtung während des Lebens, sondern nah-
men nachträglich noch an conserviertem Material üntersuchungen
vor, die uns genaue Einbhcke in die eigentümlichen Kernverände-
run\'gen im Innern der Eier gewährten. Wir teilen hierüber zwei
Üntersuchungsreihen mit, von welchen sich die erste allein auf
lebendes Material bezieht.

1. Versuch, üm 8 Ühr 35 Minuten befruchtete Eier be-
fanden sich um 9 ühr 40 Minuten im Vorbereitungsstadium zur
Teilung.

Das Eimaterial wurde nun in 5 Portionen geteilt. Eine der-
selben wurde in reinem Meerwasser belassen und begann sich um
10 Uhr 35 Minuten, also 2 Stunden nach der Befruchtung zu

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teilen; die 4 anderen Portionen wurden in verschiedener Weise
der Einwirkung einer 0,05-g- Chininlösung unterworfen.

Portion a. Die Eier wurden um 9 Uhr 40 Minuten

10 Minuten lang in die Chininlösung übertragen und dann in
reines Meerwasser zurück versetzt. Bei sofort vorgenommener mi-
kroskopischer Untersuchung war jetzt die Eistruktur im wesent-
lichen verändert. In den Raum zwischen Dotter und Eihaut war
etwas von dem Farbstoff, welcher den Eiern ihr gelbrötliches Aus-
sehen verleiht, ausgetreten. Die um den Kern ursprünglich vor-
handene und scharf ausgeprägte strahlige Anordnung des Proto-
plasma hatte sich rückgebildet. Um 11 Uhr begannen sich indessen
die Eier wieder zu erholen. Das strahlige Gefüge des Protoplasma
um den Kern bildete sich von neuem aus. An vielen Objekten
zeigte sich das Hantelstadium. Um 11 Uhr 5 Minuten, also eine
halbe Stunde später als bei dem unbehandelt gebliebenen Eimate-
rial konnten schon vereinzelte in normaler Weise ablaufende Zwei-
teilungen beobachtet werden.

Bei anderen Eiern war die Störung eine intensivere. Anstatt
sich in 2 Zellen zu teilen, schnürten sie sich, wie namentlich um

11 Uhr 45 Minuten häufig zu sehen war, in vier unregelmäßige
Stücke ein, die gewöhnlich noch eine Zeitlang durch dickere Stiele
in Zusammenhang bheben.

Portion b. Die Eier der zweiten Portion wurden von 9 Uhr
40 Minuten bis 10 Uhr der Chininwirkung ausgesetzt und wieder
in reines Wasser übertragen. Nachdem die Strahlenbildung durch
das Reagens aufgehoben war, kehrte sie erst nach 70 Minuten an
den beiden Polen des ovalen Kerns wieder. Hier und da entstan-
den statt des gewöhnlichen Amphiasters deutliche Tetrasterbil-
dungen. Um 11 Uhr 20 Minuten kam es zur Teilung, wobei die
Eier teils in 2, teils in 4 Stücke zerfielen, die häufig noch längere
Zeit in Zusammenhang blieben.

Portion c. Bei einer dritten Portion wurde die Einwirkung
des Chinin auf eine halbe Stunde ausgedehnt (von 9 Uhr 40 Minu-
ten bis 10 Uhr 10 Minuten). Es hatte dies zur Folge, daß die
Strahlung im Protoplasma auf noch längere Zeit unterdrückt wurde.
Denn sie begann jetzt erst um 11 Uhr 30 Minuten wieder hervorzu-
treten. Es entstanden vereinzelte Amphiaster und zahlreichere
Tetraster. Noch weiter war das Teilungsstadium hinausgerückt.
Denn erst um 12 Uhr 30 Minuten waren einzelne Eier zweigeteilt.
Die größere Anzahl dagegen schnürte sich in 4 Stücke ein. Der
weitere Entwicklungsgang wurde immer mehr unregelmäßig, indem

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die Teilprodukte sehr ungleiche Größe erhielten. Der häufigste
Fall war der, daß sich neben 4 großen noch 4 kleinere Zellen vor-
fanden. Im Übrigen war durch die Chininbehandlung das Ei-
material dauernd geschädigt worden; die sich entwickelnden Bla-
stulae waren monströs und es wurde am zweiten und dritten Tage
die Zahl der absterbenden und zerfallenden Eier immer größer.

Portion d. Eine vierte Partie Eier wurde in die Chinin-
lösung erst
übertragen, als der Amphiaster schon vollständig aus-
gebildet war (also kurze Zeit vorher, ehe die Teilung hätte erfol-
..en müssen), und nur 5 Minuten in ihr belassen (von 10 Uhr
30 Minuten bis 10 Uhr 35 Minuten). Nur wenige der schon am
weitesten vorgeschrittenen Eier teilten sich oder schnürten sich
wenigstens zur Hälfte ein. Bei dem größten Teil bildete sich die
Strahlung zurück. Um 3 Uhr war auch an diesen Eiern ein nach-
träglicher Zerfall in einzelne ungleich große Stücke eingetreten,
von denen zuweilen eines 4 bis 6 Strahlungen enthalten konnte.

2. Versuch. Die Eier wurden um 9 Uhr befruchtet und,
als sie sich auf dem Hantelstadium befanden, um 10 Uhr 30 Mi-
nuten auf 20 Minuten in eine Chininlösung von 0,05^ gebracht.
Um 12 Uhr waren in den meisten Eiern sehr deutlich vielstrah-
lige Figuren zu beobachten. Ein Teil des Materials wurde hierauf
zum Zweck genauerer Untersuchung in Pikrinessigsäure eingelegt.
- Eine Stunde später begann hier und da der Teilungsprozeß.
Einige Eier schnürten sich in 4 Stücke ein. Andere waren auf
ihrer Oberfläche mit zahlreichen Knospen bedeckt. Abermals
wurde ein Teil des Materials konserviert.

Um 3 Uhr waren fast alle Eier in unregelmäßige Haufen
kleiner Zellen zerfallen. Hier und da zeigte ein Ei auch nur
mehrere Einschnürungen auf seiner Oberfläche.

An dem in zwei Intervallen eingelegten Material ließ sich nach-
träglich über die am Kern vor sich gehenden Veränderungen noch

folgendes feststellen.

Die Kernspindeln, welche bei Zusatz der Chinin-
lösung sich in
Vorbereitung zur Teilung befanden,
hatten sich vollständig zurückgebildet und an ihrer
Stelle waren eine Stunde später ganz abweichende Kernfiguren
entstanden. Wir beschreiben hier einige derselben, wie sie sich
im Entwicklungsgang
wohl aneinander anreihen müssen, denn die
um 12 Uhr eingelegten Objekte befanden sich nicht auf dem
gleichen Entwicklungsstadium.

An manchen Objekten beobachteten wir im Dotter einen Hau-

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fen verschieden großer Kern Wäschen, in welchen das Chroniatin
in einem Netzwerk angeordnet war (Taf. III, Fig. 6), Von Strah-
lung war nichts zu sehen. Die Kernbläschen werden sich aus den
Chromatinkörnern der Spindel in ähnliclier Weise hervorgebildet
haben, wie es bei Entstehung der Tochterkerne geschieht, wo auch
erst jederseits von der Teilungsebene nach eben vollendeter Fur-
chung je ein Haufen zusammengedrängter Kernvacuolen erscheint.
Daraus entwickelt sich dann, so schließen wir aus unserer Unter-
suchung des konservierten Materials weiter, ein ziemlich großer
blasenförmiger Kern mit einem Netzwerk achromatischer Fäden,
denen chromatische Substanz angelagert war (Taf. III, Fig. 2).
An vier Stellen seiner Oberfläche waren gewöhnlich 4 Strahlungen,
entweder nur schwach angedeutet oder stark entwickelt. An die-
sen Stellen war in der Regel die Kernoberfläche in kleine Höcker
ausgezogen und undeutlich begrenzt. Darauf verwandelte sich der
vierstrahlige Kern in einen Haufen von Spindeln, welche zwischen
den 4 Strahlungen in einer etwas verschiedenen Weise angeordnet
sind (Tafel III, Fig. 4). Die Umwandlung geschieht in der Art,
daß die Umrandung des Kerns verschwindet und die Chromatin-
fädchen frei zwischen die Strahlungen zu liegen kommen. Dann
werden zwischen den Strahlungen Spindelfasern auf der Oberfläche
des Haufens von Chromatinfädchen sichtbar. Auf einem noch
weiter vorgerückten Stadium verteilen sich die Chromatinteile in
typischer Weise auf die einzelnen Spindeln und stellen so im Äqua-
tor derselben je eine Kernplatte dar; hierdurch kommen folgende,
voneinander etwas abweichende und zuweilen sehr regelmäßige
Kernfiguren zu stände.

Der häufigste Befund ist, daß die vier Strahlungen etwas weiter
auseinander gerückt und durch fünf typische Spindeln verbunden
sind (Taf. III, Fig. 3). Vier derselben umgrenzen zusammen einen Rhom-
bus, in dessen Ecken sich die vier Strahlungen befinden und je
2 Spindelspitzen zusammenstoßen. Die fünfte Spindel verbindet
2 entgegengesetzte Ecken des Rhombus, liegt also innerhalb des-
selben. Hierbei sind auch die Kernplatten zu einer charakteristi-
schen, (durch beistehende Zeichnung X wieder gegebenen) Figur ver-
bunden, welche besonders im Farbenbild deutlich erkannt wird.
Je zwei Kernplatten zweier in der Begrenzung des Vierecks ge-
legenen Spindeln stoßen unter einem stumpfen Winkel zusammen,
dessen Spitze nach der Mitte der Figur gerichtet ist. Die Spitzen
der zwei nach entgegengesetzten Richtungen geöffneten Winkel
werden durch die fünfte Kernplatte verbunden.

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Abweichungen von dieser gewöhnlichen Form kommen nicht
selten vor und bestehen darin, daß eine Strahlung von den drei
übrigen etwas weiter entfernt liegt (Taf. III, Fig. 1). Dann sind
die drei Strahlungen durch drei Spindeln zu einem Triaster ver-
einigt. Im Mittelpunkt des so gebildeten gleichschenkeligen Drei-
ecks stoßen die 3 Kernplatten zusammen, wieder eine regelmäßige
Figur erzeugend. Die vierte abseits liegende Strahlung hängt
durch eine einzige Spindel mit einer Strahlung des Triasters zu-
sammen.

Als ein Übergang zwischen den beiden soeben beschrie-
benen Befunden läßt sich wohl Tafel III, Fig. 5 betrachten.
Hier geht von der mehr isoliert gelegenen Strahlung noch eine
zweite, aber schwach und unvollständig ausgebildete Spindel, deren
Kernplatte nur aus sehr wenigen und kleinen Chromatinkörnchen
besteht, nach einer zweiten Strahlung des Triasters.

Daran schließen sich die Stadien, die zur Teilung führen.
Die Kernplatten der 4 oder 5 Spindeln weichen auseinander und
wandern nach den in den Strahlungen gelegenen 4 Attraktionszen-
tren. Hier tauchen in regelmäßigen Abständen von einander
vier Kerne auf (Taf. II, Fig. 21), die durch die Verschmelzung
von 2 respektive 3 Kernplatten hervorgegangen sind und zuweilen
noch durch einen körnchenfreien Dotterstreifen verbunden sind.
St)äter rücken die Kerne mehr auseinander nach der Oberfläche
des Dotters und veranlassen in manchen Fällen den Dotter, sich in
unregelmäßiger Weise einzuschnüren, so daß ebenso viel Höcker
als Kerne gebildet werden.. Zu einer vollständigen Teilung in 4
Stücke kommt es in der Regel nicht.

Hervorzuheben ist auch noch, daß infolge der Chininein-
wirkung sich im Dotter größere und kleinere glänzende Kugeln,
die vielleicht aus Fett bestehen, ausgeschieden und namentlich im
Zentrum, sowie in Streifen zwischen den Kernen angesammelt

haben (Taf. II, Fig. 21).

Die 4 Kerne schicken sich bald darauf wieder zur Teilung an,
indem an zwei entgegengesetzten Polen Strahlen entstehen. Jeder
Kern gestaltet sich zu einer typischen Spindel um, welche häufig
parallel zur Oberfläche des Eies in der Dotterrinde eingelagert ist.
(Taf. II, Fig. 22). Dabei vertiefen sich die schon früher erwähn-
ten Einschnürungen langsam und jede Spindel kommt in einen
Höcker oder eine Knospe zu liegen (Fig. 22). Entweder wird die
Trennung jetzt schon eine ziemlich vollständige oder es treten die
4 Spindeln, indem ihre Kernplatten in 2 Hälften auseinanderweichen

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(Taf. II, Fig. 24) in Teilung ein, ehe die Furchen weit in das
Dotterinnere gedrungen sind. Dies hat zur Folge, daß sich die
4 ersten Höcker, noch ehe sie von einander getrennt sind, aber-
mals einzuschnüren beginnen, ein Modus der Zellenvermehrung,
für welchen wir den Kamen Knospenfurchung eingeführt haben.

5. Beeinflussung der in Vorbereitung zur Teilung
begriffenen Eier durch Chloral.

In einer im ganzen ähnlichen Weise wie Chinium sulfuricum
wirkt Chloral auf den Entwicklungsgang befruchteter Eier störend
ein, wie wir sowohl an frischem als auch an konserviertem Mate-
rial haben feststellen können. Wir geben zunächst auch hier
wieder das Protokoll aus unserem Tagebuch von 3 Versuchen, von
denen der letzte das Material zur Konservierung geliefert hat.

1. Versuchsreihe. Am Donnerstag den 2. April wurden
Eier um 9 Uhr 20 Minuten befruchtet, um 10 Uhr 30 Minuten
standen sie auf dem Hantelstadium, um 11 Uhr teilten sie sich.
Sie wurden, als sie auf dem Hantelstadium angelangt waren, in
4 Partien geteilt und verschieden lange Zeit mit einer 0,5^
Lösung von Chloralhydrat behandelt.

Portion a. Nach viertelstündiger Behandlung mit Chloral
(10 Uhr 30 Minuten bis 10 Uhr 45 Minuten) wurden die Eier in
frisches Meerwasser zurückversetzt. Die Hantelfigur war nur noch
als eine körnchenfreie Stelle im Dotter angedeutet, da die Strah-
lung fast ganz geschwunden war.

Portion b. Die Chloralwirkung.währte eine halbe Stunde
und veranlaßte dieselben Veränderungen wie oben. In beiden
Partien begannen sich die Eier um 2i Uhr in unregelmäßiger
Weise zu zerklüften, wobei ähnliche Bilder entstanden, wie sie bei
der Überfruchtung als Knospenfurchung beschrieben wurden. Auf
der Oberfläche des Dotters entwickelten sich größere und kleinere
Knospen, die längere Zeit miteinander verbunden blieben und
sich durch weitere Einschnürungen vermehrten und schließlich in
größere und kleinere Teilkugeln zerfielen. Die Kernteilung eilte
den Veränderungen im Protoplasma voraus. Denn in den größeren
Stücken konnten wir um 3 Uhr 15 Minuten zuweilen 4—6 schwach
ausgeprägte Strahlungen wahrnehmen. Um 5 Uhr ist der Furch-
ungsprozeß so weit fortgeschritten, daß der Dotter trotz des
gestörten Entwicklungsganges in lauter kleine ziemlich regel-
mäßige Furchungskugeln zerfallen ist, von welchen die kleineren
sich mehr im Zentrum der Morula anhäufen.

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Am folgenden Tag war ein kleinerer Teil des Eiquantums ab-
gestorben und zerfallen. Der größere Teil hatte sich in Blastulae
umgebildet, deren Inneres mit Körnern und Kugeln anstatt mit
Gallerte ausgefüllt war. Zwischen ihnen schwammen einige ganz
kleine Flimmerkugeln oder unregelmäßige Fragmente von solchen
herum, die in der Weise entstanden waren, daß aus den Blastulae
die im Inneren enthaltene abnorme Körnermasse durch einen
Riß der
Zellenhaut ausgeflossen war. Am dritten Tage hatten sich
die pathologischen Blastulae noch etwas weiter entwickelt. An
einer Stelle hatte sich die Zellenmembran verdickt und Pigment-
körnchen aufgenommen. Hier und da begann sich diese Stelle in\'s
Innere einzusenken, mit welchem Prozeß die Einleitung zur Ga-
strulation gegeben war.

Portion c. Eine einstündige Behandlung der Eier mit
Chloral (10 Uhr 30 Minuten bis 11 Uhr 30 Minuten) rief ähnliche
Erscheinungen wie oben, nur in einem noch höherem Grade her-
vor. Es bildeten sich unregelmäßigere Knospen und in größerer An-
zahl. Die Eier waren stärker geschädigt, was sich auch darin zeigte,
daß das Protoplasma bei der Teilung fast gar keine Strahlung er-
kennen ließ und daß am folgenden Tage fast alle Eier zerfallen
waren. Die noch überlebenden Larven waren arg verstümmelt.
Unter ihnen sah man einzelne flimmernde Zellmembranen, die etwas
zusammen gekrümmt waren. Sie sind wohl in der Weise entstan-
den, daß einzelne Blastulae geplatzt sind und den in ihrem Inneren
eingeschlossenen körnigen Detritus nach außen entleert haben.
Der letztere stellt wohl den Teil des Protoplasma der Eizelle dar,
welcher infolge der Chloralbehandlung geschädigt und abgestor-
ben ist, und welcher während der Knospenfurchung vom lebenden
Protoplasma eliminiert und im Zentrum der Blastula angesammelt

wurde.

Portion d. Die Chloralbehandlung wurde Stunden (von
10 Uhr 30 Minuten bis 4 Uhr) fortgesetzt. Die Eier hatten jetzt
ihre Entwicklungsfähigkeit eingebüßt, auch waren sie in ihrer
inneren Struktur verändert, indem sie grobkörnig geworden
waren.

2. Versuch. Die Eier wurden um 2 Uhr 15 Minuten be-
fruchtet und um 3 Uhr 10 Minuten bis 3 Uhr 20 Minuten in
0,5 § Chloral gebracht. Die Strahlung erlosch allmählich. Der
Kern war um 4 Uhr noch sichtbar, eine Viertelstunde später war
er undeutlicher geworden und um 5 Uhr 20 als besonderes
Gebilde im frischen Zustande verschwunden. Um 8 Uhr

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zerfielen die Eier durch Knospenfurchung in zahlreiche
Stücke. Am anderen Tage waren unregelmäßige Larvenformen
entstanden, manche waren nur Haufen von epithelartig zusammen-
geordneten flimmernden Zellen. Dem Haufen lagen innerhalb der
Eihülle noch größere und kleinere aus dem Verbände der übrigen
ausgeschiedene Zellen locker an. An den folgenden Tagen starben
viele Larven ab; einige indessen ließen sich eine Woche lang am
Leben erhalten und flimmerten in Massen als Blastulae herum, die
im Iimeren einen Gallertkern entwickelt hatten und hier und da
mit braunen Pigmentflecken bedeckt waren.

3. Versuch. Die Eier wurden um 12 ühr befruchtet und
von 1 ühr 7 Minuten bis 1 Uhr 17 Minuten in Chloral gebracht.
Das Material wurde zur Untersuchung konserviert und auf 3 ver-
schiedenen Stadien um 2 ühr, um 3 Uhr und 4 Uhr in Pikrin-
essigsäure eingelegt.

üm 2 Uhr ist in den Eiern die Strahlung verschwunden;
nach Färbung mit Boraxkarmin sieht man im Dotter eine helle,
körnchenfreie Stelle, in welcher sich der in seiner normalen Ent-
wicklung gehemmte Kern zu einem Haufen chromatischer Körn-
chen zurückgebildet hat (Taf. HI, Fig. 9). Aus demselben ist nach
einer Stunde eine größere Anzahl dicht zusammengedrängter Kern-
vacuolen hervorgegangen (Taf. III, Fig. 7a und b). Ab und zu
können dieselben auch im Dotter auf 2 oder 3 Stellen zerstreut
sein. Hiermit ist der Beginn einer neuen Entwicklungsrichtung in
der Eizelle eingeleitet. An dem Haufen der Kernvacuolen, welche in
den meisten Fällen zu einem mit Höckern bedeckten Bläschen zu-
sammengeflossen sind, treten 4 Strahlungen auf (Taf, III, Fig. 8)
wie bei den mit Chinin behandelten Eiern, nur mit dem Unter-
schiede, daß die Strahlungen nie eine größere Ausdehnung er-
reichen, sondern stets auf die nächste Umgebung des Kerns be-
schränkt bleiben. Zwischen den Strahlungen verschwindet alsdann
die blasenartige Beschaö\'enheit des Kerns und es kommt jetzt die
chromatische Substanz frei in den Dotter zu liegen (Taf. III, Fig. 10),
Hier ordnet sie sich zu fünf, je in der Mitte zwischen zwei Strahlun-
gen gelegenen Kernplatten an, welche zu der charakteristischen Figur,
die wir schon für die mit Chinin behandelten Eier beschrieben
haben, vereinigt sind (Taf, III, Fig. 11). Doch sind die Kern-
figuren an diesen Praeparaten viel kleiner und undeutlicher, da-
her wir auch die Spindelfasern zwischen den 4 Strahlungen nicht
klar unterscheiden konnten. Aus dem Tetraster bilden sich
später vier Kerne hervor.

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Zu dieser Zeit liann man auf der Oberfläche des Dotters durch
Einschnürungen
4 Höcker entsprechend den vier Kernen ent-
stehen sehen. Noch ehe indessen die Höcker sich als Knospen
abschnüren, treten die 4 Kerne bereits in ein neues Teilungsstadium
ein, indem sie sich in Kernspindeln umwandeln. Im allgemeinen
läßt sich die Regel feststellen, daß allen Kernveränderungen die
Zerklüftung des Protoplasma nur langsam nachfolgt. Die vier
Spindeln können sich schon zu 8 Kernen zerteilt haben und diese
abermals in Spindelbildung übergegangen sein, ohne daß sich der
Zusammenhang zwischen den vier zuerst entstandenen Protoplasma-
höckern gelöst hat (Taf. II, Fig. 25). Nur ist die Einschnürung
zwischen ihnen größer geworden und sie selbst haben sich mittler-
weile mit secundären und tertiären Einschnürungen bedeckt, in
welche die an Zahl vermehrten Spindeln oder Kerne eingebettet
sind. So zeigt zum Beispiel das in Fig. 25 dargestellte Ei zahl-
reiche noch verbundene größere und kleinere Knospen, in welchen
8 Spindeln gezählt werden konnten.

6. Beeinflussung der in Vorbereitung zur Teilung
begriffenen Eier durch Cocain.

Durch die mit Chinin und Chloralhydrat erhaltenen Resultate
veranlaßt, nahmen wir auch eine Prüfung mit Cocain vor. Am
15. April wurden Eier um 9 Uhr befruchtet und, als sie sich um
10 Uhr 30 Minuten auf dem Hantelstadium befanden, für 20 Mi-
nuten in eine 0,05^ Lösung von Cocain gebracht. Das Ergebniß
war ein ähnliches wie das durch Chinin und Chloralhydrat erhaltene.
Denn gegen 12 Uhr begannen sich viele Eier zu vierteilen. Es
sind also auch hier durch die Cocainwirkung die 2 Attraktions-
zentren des Amphiasters in 4 Zentren zerlegt worden. Aus den
4 Tcilstücken waren um 3 Uhr kleine Zellenhaufen hervorgegangen.
Auch an den folgenden Tagen schritt die Entwicklung weiter
vor und führte allmählich zur Bildung etwas anormal beschaf-
fener Blastulae und Gastrulae. Dabei starben in den Zucht-
gläsern immer viele Larven ab. Auch war der ganze Entwick-
lungsprozeß im Vergleich zu Eiern, die nicht mit Reagentien be-
handelt worden sind, außerordentlich verlangsamt.

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Zweites Kapitel.

Beeinflussung der Gresehlechtsprodukte durch thermische
Veränderungen.

Da das Protoplasma durcli Abkühlung und Erwärmung, wie
namentlich das Studium der Protoplasmaströmung an geeigneten
Objekten gelehrt hat, in seinen Lebensäußerungen in sehr auf-
fälliger Weise beeinflußt wird, so lag es nahe bei den von uns
vorgenommenen Untersuchungsreihen auch zu prüfen, ob der Be-
fruchtungsvorgang durch thermische Einflüsse modifiziert werden
könne. In Anbetracht der karg zugemessenen Zeit experimentierten
wir nur nach einer Richtung, indem wir von einer Herabsetzung
der Temperatur durch Kältemischungen Abstand nahmen. Den
Einfluß einer erhöhten Temperatur auf die Eier prüften wir da-
gegen in einer zweifachen Weise, erstens indem wir bei konstanter
Temperatur die Dauer der Einwirkung variierten, zweitens indem
wir bei gleicher Dauer der Einwirkung verschiedene Temperatur-
grade benutzten.

In ersterem Fall wurde ein größeres Eiquantum in ein mit
Meerwasser gefülltes Reagensröhrchen gebracht und in Wasser ge-
taucht, das auf 31 Grad Celsius erwärmt war und gleichmäßig
auf dieser Temperatur erhalten wurde. Nach 10, 15, 30, 45, 60
Minuten etc. wurde ein Teil der im Reagensröhrchen erwärmten
Eier mit einer Glasröhre herausgenommen und im Uhrschälchen
befruchtet. Die eintretenden Veränderungen wurden teils am leben-
den Objekt, teils an todtem Material untersucht, welches zum
Zweck genaueren Studiums konserviert worden war.

Im anderen Falle experimentierten wir in der Weise, daß wir
in Wasser von 44" Celsius Wärme Eier in einem Reagens-
röhrchen während 5 Minuten erwärmten und dann befruchteten.
Mit anderen Portionen von Eiern verfuhren wir genau ebenso,
nachdem sich das Wasser auf 42, 41, 40 etc. bis zu 30® Celsius
abgekühlt hatte.

Erste Versuchsreihe.

Eier in Wasser von Sl^ Celsius während verschieden langer

Zeit erwärmt.

a. Eier 10 Minuten auf 31" Celsius erwärmt.

Wenn die Eier nur während 10 Minuten einer Erwärmung
von 31 Celsius ausgesetzt wurden, so schien zunächst der Be-

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fruchtungsvorgang in normaler Weise zu verlaufen. Die Dotter-
haut wurde überall rasch und scharf abgehoben. Man sah nur
einen kleinen Befruchtungshügel gebildet werden. Indessen lehrte
der weitere Verlauf, sowie die Untersuchung mit Reagentien, daß
schon durch die kurze Erwärmung nicht unerhebliche Verände-
rungen gesetzt worden waren. Ein Teil der Eier wurde eine
Viertelstunde nach Vornahme der Befruchtung abgetötet, eine
zweite Portion 1^4 Stunde darauf. In ein drittes Gläschen wurden
Eier gesammelt, die später in verschiedenen Zeitintervallen in Pik-
rinessigsäure gebracht worden waren.

Bei Reagentienbehandlung überzeugt man sich nach Färbung
mit Boraxkarmin auf das unzweideutigste, dass für gewöhnlich
eine Befruchtung durch ein Spermatozoon und nur ausnahmsweise
eine solche durch deren zwei stattgefunden hat. Aber der normale
Weiterverlauf ist gleichsam gehemmt, ohne daß das Ei selbst ab-
gestorben wäre. Während normalerweise eine Viertelstunde nach
der Befruchtung schon die Kopulation der beiden geschlechtlich
differenzierten Kerne im Zentrum des Eies vor sich geht, findet
man sie jetzt meist noch in weiter Entfernung voneinander. Der
Spermakern liegt ganz oberflächlich in der Dotterrinde, von einer
nur schwach angedeuteten Strahlung umgeben, die Lage des Ei-
kerns scheint sich nicht verändert zu haben und ist, wie im un-
befruchteten Ei, bald eine zentrale, bald eine periphere.

Der lähmungsartige Zustand, in welchen wir die Eizellen
versetzt sehen, ist von längerer Dauer. Selbst IV4 Stunde
nach geschehener Befruchtung ist in weitaus den meisten Fäl-
len noch keine Kopulation der Kerne erfolgt. In der Regel
bietet sich folgender Befund dar. Der Eikern ist jetzt mehr
nach der Mitte des Eies gerückt. Um ihn ist eine körnchenfreie,
häufig oval gestaltete Stelle im Dotter entstanden (Taf. II, Fig. 6);
neben ihm oder in einiger Entfernung von ihm, doch fast stets
im Bereich des körnchenfreien Protoplasma befindet sich der Sperma-
kern, welcher gegen früher um ein mehrfaches an Größe zuge-
nommen hat, aber auch dementsprechend sich weniger intensiv
mit Karmin färbt. Häufig hat sich um ihn ein kleiner, scharf
konturierter mit Flüssigkeit erfüllter Raum gebildet.

Wenn Ei- und Spermakern aneinander gerückt sind, treten
in ersterem (Taf. II, Fig. 8) chromatische Körnchen, die für ge-
wöhnlich nicht deutlich gemacht werden können, in streifenartiger
Anordnung hervor, während der größte Teil des Kerngerüstes
achromatisch ist.

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Die in einer Vacuole (Taf. II, Fig. 8) eingeschlossene Sub-
stanz des Spermakerns läßt eine körnige und fadenartige Be-
schaffenheit erkennen und scheint auch aus chromatischen und
achromatischen Teilen zusammengesetzt zu sein.

Dies führt zum Verständnis einiger Eier, bei welchen schon
weiter gehende Veränderungen an den Kernen eingetreten sind.
In ihnen ist der Eikern als kugliger Körper verschwunden, an
seiner Statt wird ein Streifen chromatischer, hufeisenförmig ge-
krümmter Fäden und in ihrer unmittelbaren Nähe der vergrößerte
Spermakern, sowie zwischen beiden eine Dotterstrahlung wahr-
genommen (Taf. II, Fig. 9). In einem Falle (Fig. 10) war neben
der ersten in einiger Entfernung noch eine zweite Strahlung zu
sehen.

Daran schließt sich alsdann wohl der folgende Befund an,
daß beide Kerne als solche sich verändert haben. In Fig. 13,
Taf. II sieht man neben einer gut ausgebildeten Dotterstrahlung
jederseits zwei Ansammlungen chromatischer Substanz. Die eine
besteht aus feinen Fäden und Schlingen und ist aus dem Eikern
hervorgegangen, die andere kann wohl nur vom Spermakern ab-
stammen, sie ist ein unregelmäßiges Klürapchen von Chromatin,
das nach der Dotterstrahlung zu in mehrere Zacken ausgezogen ist.

Eine dritte Portion von Eiern, die noch später nach der Be-
fruchtung abgetötet worden war, zeigte ein Gemisch vei\'schiedener
Zustände. In einigen Fällen waren Ei- und Spermakern immer
noch vorhanden; letzterer war dabei zu einem ziemlich umfang-
reichen Bläschen mit einer darin gelegenen Chromatinkugel vergrößert.
In anderen Fällen fanden sich an ihrer Stelle zwei Haufen von
Chromatinkörnchen nahe bei einander in eine zuweilen ausged(^hnte
Strahlung des Dotters eingehüllt. Beide Kerne hatten also be-
gonnen, sich in Fäden zu differenzieren, ohne daß vorher eine
Verschmelzung zwischen ihnen stattgefunden hätte.

Erst Stunde nach Vornahme der Befruchtung sahen wir
bei Untersuchung des frischen Materials vereinzelte Eier im Be-
ginn der Teilung. Dieselbe verlief selten ganz normal. Häufig
lag die Teilungsspindel etwas exzentrisch. Die Teilungsstücke
wurden von ungleicher Größe. Ab und zu beobachteten wir auch
Eier, welche gleich in 4 Stücke zerlegt wurden.

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b. Eier 20 Minuten auf Sl» Celsius erwärmt.

Wenn die Erwärmung der Eier auf 25*\' Eeaumur 20 Minuten
dauerte, so wurde beim Zusatz von Samen eine noch größere
Überfruchtung als im vorher dargestellten Fall hervorgerufen. Um
den Grad der Überfruchtung richtig abschätzen zu können, sind
wir in der Weise verfahren, daß wir an Kanadabalsampräparaten
an einer Summe neben einander gelegener Eier die Anzahl der ein-
gedrungenen Spermatozoen bei starker Vergrößerung bestimmt und
daraus das Mittel gezogen haben. Das Resultat zweier Zählungen
stellen wir in 2 Tabellen zusammen.

I. Tabelle.

II. Tabelle.

Ei

1

mit

1 Spermakern,

Ei 1

mit 3 Spermakernen.

11

2

11

1

Ii

„ 2

„ 2

ii

11

3

11

3

Ii

„ 3

ii 2

11

11

4

11

2

ii

ii 4

„ 1

11

11

5

11

3

ii

ii 5

„ 3

11

n

6

11

3

ii

„ 6

„ 2

11

11

7

11

1

ii

„ 7

ii 2

11

11

8

11

2

Ii

i, 8

„ 1

11 ■

11

9

11

1

11

ii 9

„ 3

11

11

10

11

1

11

„ 10

i, 1

Ii

11

11

11

2

11

10 Eier mit 20 Spermakernen,

11

12

n

1

11

11

13

Ii

2

i>

13 Eier mit 23 Spermakernen.

Es war demnach jetzt nur der kleinere Teil der Eier einfach
befruchtet worden, in dem größeren Teil waren entweder zwei oder
drei Spermatozoen nachzuweisen. In ganz vereinzelten Fällen
ließen sich auch 4 oder selbst 5 Spermakerne im Dotter auffinden.

In Tabelle I sind 23 Spermatozoen in 13 Eier und in Tabelle
II deren 20 in 10 Eier eingedrungen. Bei gleichmäßiger Vertei-
lung der Spermakerne würden auf jedes Ei etwa 2 kommen.

Die Eier waren zum Zweck genauerer Untersuchung in 3 Por-
tionen abgetötet worden, eine Portion | Stunde nach Befruchtung,
eine zweite Portion Stunde und eine dritte Portion noch später.

Nach einer Viertelstunde liegt der Eikern meist peripher, die
eingedrungenen Spermatozoen befinden sich durchschnittlich noch

7

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in der Dotterrinde und vom Eikern weit entfernt und haben im
Protoplasma gar keine oder nur eine wenig auffällige Strahlen-
bildung hervorgerufen.

Nach Stunde ist der Eikern als solcher bei einem kleineren
Teil der Eier unsichtbar geworden; wo er noch vorhanden ist, findet
er sich mehr im Innern des Dotters (Taf. II, Fig. 7) und ist von einer
größeren körnchenfreien Protoplasmamenge umschlossen, in deren
Bereich auch die eingedrungenen Spermakerne gewöhnlich vom Ei-
kern ein wenig entfernt liegen. Einzelne können auch noch in der
Dotterrinde verweilen. An Größe haben sie um ein mehrfaches
zugenommen.

An den Eiern, deren Eikern nicht mehr sichtbar ist, sind Strah-
lungen in der verschiedensten Weise gebildet und meist exzentrisch
gelegen, wie wir an 3 Beispielen erläutern wollen. In Fig. 14, Taf. II
ist eine nierenförmige, ziemlich ausgedehnte Strahlung, in deren Mitte
achromatische Fäden liegen. Außerhalb der Strahlung an ent-
gegengesetzten Seiten derselben sind zwei Spermakerne, deren
chromatische Substanz in einen Faden ausgezogen ist, von welchem
sich Körnchen abzulösen scheinen. In einem anderen Präparat
(Taf. II, Fig. 16) findet sich exzentrisch im Ei ein Triaster, drei
durch Spindeln verbundene Strahlungen und in der Mitte derselben
ein Streifen chromatischer Körnchen. Im dritten Ei sind an 2
getrennten Stellen der Dotterrinde Kernfiguren in Entwicklung
begriffen. An einer Stelle ist eine ziemlich wohl entwickelte Spin-
del zu sehen, an der anderen Stelle eine Doppelstrahlung mit einem
Haufen Chromatinkörnchen und nahe dabei ein in körnigem Zer-
fall begriffener Spermakern.

Die dritte Portion der konservierten Eier bietet uns eben-
falls ein Gemisch verschiedenartiger Bilder dar. Bald ist der
Eikern noch erhalten und von mehr oder weniger zahlreichen Sper-
makernen umgeben (Taf. II, Fig. 12), bald ist er nicht mehr sichtbar,
und unregelmäßige, kleine Haufen chromatischer Substanz finden
sich an einer oder an mehreren Stellen im Dotter in einer körnchen-
freien Umgebung; bald sind ein oder mehrere Strahlungen ent-
standen mit unregelmäßig verteilten Chromatinkörnchen. In einem
Präparat waren 5 Strahlungen vorhanden mit einer zentralen in
3 Spitzen ausgezogenen Ansammlung gedrängt zusammenliegender
Chromatinkörnchen.

2i Stunde nach der Befruchtung beginnt hier und da die
Teilung in etwas gestörter Weise. Andere Eier zeigen im Innern

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verwickelte Mehrfachstrahlungen auch im lebenden Zustand und
später unregelmäßige Einschnürungen der Oberfläche.

c. Eier 45 Minuten auf 31" Celsius erwärmt.

Bei Zusatz des Sperma hebt sich die Eihaut noch sofort ab,
Befruchtungshügel bilden sich nicht mehr oder nur in einer wenig
auffälligen Weise. Infolge der länger andauernden Erwärmung ist
ein noch höherer Grad der Überfruchtang als in dem vorher-
gehenden Versuch erzielt worden, wie sich aus beifolgender Tabelle
von Eiern ergiebt, die teils teils | teils
Befruchtung abgetötet wurden.

t Stunde nach der

Ei 1 mit 5 Spermakernen.

5\'

>j

«

3

»

3

4

5

15

4

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II

5

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11

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55

3

n

13

55

5

n

14

55

2

»

15

55

4

15 Eier mit 56 Spermakernen.

Normal befruchtete Eier sind bei länger fortgesetzter Erwär-
mung nicht mehr anzutreffen, selten sind zweifach befruchtete, die
meisten enthalten 3 bis 4 Spermakerne, nicht wenige auch deren
fünf. In 15 Eier sind zusammen 56 Samenfäden eingedrungen.
Bei gleichmäßiger Verteilung der Spermakerne würden etwa 3 bis
4 auf jedes Ei kommen. Entweder finden sie sich eine Viertel-
stunde nach der Befruchtung über die ganze Eioberfläche verteilt,
oder sie sind dicht bei einander eingedrungen und sind dann in
einen oder zwei Haufen zusammengedrängt. Zu einer stärker aus-
geprägten Strahlenbildung, zu einer Furchung oder auch nur zu
einer unregelmäßigen Zerklüftung kam es bei diesem Material

7*

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nicht mehr. An Eiern, die 6 Stunden nach der Befruchtung zu
späterer Untersuchung abgetötet wurden, hatten sich indessen an
den Kernen noch einige wahrnehmbare Veränderungen vollzogen.
Der Eikern war in der größeren Anzahl der Objekte geschwunden.
Im Dotter fanden sich mehrere 2, 3 bis 4 meist oberflächlich und in
einer kleinen körnchenfreien Stelle zusammenliegende Chromatin-
flecke, die von vergrößerten Spermaköpfen abzuleiten sind, oder es
kamen unregelmäßig gestaltete, zuweilen länglich ausgezogene
Chromatinflecke zerstreut in der Dotterrinde vor. Am lebenden
Material nahm man dementsprechend körnchenfreie Stellen in der
Doterrinde wahr, die auch eine schwach angedeutete strahlige An-
ordnung des Protoplasma zeigten.

d. Eier 1 Stunde auf 31" Celsius erwärmt.

Das Resultat war ziemlich das gleiche, wie im vorausgehen-
den Fall. Beim Zählen der eingedrungenen Spermatozoen an den
mit Boraxkarmin gefärbten Eiern war der Umstand störend, daß
sich infolge der länger andauernden Erwärmung im Dotter eine
kleine Anzahl von kugligen Körnchen gebildet hatte, welche etwa
die Größe von Spermakernen besaßen und sich auch färbten. In-
dessen war eine Unterscheidung möglich, indem 1) die Färbung
der Spermakerne, was im Farbenbild noch besser hervortritt, eine
intensivere ist und 2) die Spermakerne nie so kuglig wie die in
Rede stehenden Dottergebilde sind. Wir zählten

Ei 1

mit

6 Spermakernen.

Ei

1 mit

2 Spermake

» 2

»

5

55

55

2 55

3

5?

„ 3

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55

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55

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12 Eier mit 48 Spermakernen

55

13 „

5

55

55

14 ,5

3

55

55

15 „

2

55

58 Ports- auf S, 101

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Transport 58 Spermakerne
Ei 16 mit 8 „
„ 17 „ 5 „
»
18 „2
,, 19 „ 4 ,,

» 20 „ 4 _

20 Eier mit 81 Spermakernen.

Die meisten Eier enthalten jetzt 3, 4 oder 5 Spermatozoen, doch
finden sich auch solche, in welche 7 oder 8 eingedrungen sind.
Bei 2 Zählungen ergab sich, daß einmal in 12 Eiern 48 Sperma-
kerne, das andere Mal in 20 Eiern 81 Spermakerne nachzuweisen
waren. Im Durchschnitt kamen also hier auf jedes Ei 4 Sperma-
tozoen. Dieselben fanden sich am häufigsten zerstreut und ober-
flächlich in einem kleinen hellen Hof, selten in größerer Anzahl
um den exzentrisch gelegenen Eikern gruppiert in einer körnchen-
freien Zone. Nach 5 und einer halben Stunde war gewöhnlich
der Eikern verschwunden und es fanden sich im Dotter eine oder
mehrere Strahlungen zentral oder superfiziell. In ihnen lagen 2,
3 oder 4 zu Gruppen vereinte Spermakerne (Taf. II, Fig. 19).
Einen Rest des Eikerns möchten wir in einem sich vom Dotter
etwas absetzenden, sich nicht färbenden Haufen körniger Substanz
sehen, der zuweilen von Spermakernen umschlossen in einer Strah-
lung angetroffen wurde.

In anderen Fällen waren die Spermakerne im Dotter isoliert
und zerstreut.

Teilungen wurden auch an diesem Material nicht beobachtet.

e. Eier Stunden auf 31« Celsius erwärmt.

Die Eier waren noch nicht abgestorben, aber in ihrer Lebens-
energie in noch höherem Grade, als im vorausgehenden Fall ge-
schädigt, wie sich aus dem Verlauf der Befruchtung schließen ließ.
Es drangen wieder mehrere Spermatozoen und zwar am häufigsten 3
bis 4 in ein Ei ein. Es erfolgte aber keine Reaktion von Seiten
des Protoplasma; um die Spermakerne bildete sich keine Strah-
lung, kein körnchenfreier Hof, weder am Anfang des Eindringens,
noch im weiteren Verlauf. Die Spermakerne blieben in der Ei-
rinde eingeschlossen, so daß eine Verschmelzung oder Anlagerung
an den Eikern nicht eintrat; ferner vergrößerten sie sich nicht
durch Imbibition mit Kernsaft. Es bieten daher Eier, die man
I Stunde und solche, die man 5 Stunden nach der Befruchtung ab-
getötet hat, einen wenig verschiedenen Anblick dar. Bei letzteren

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waren nur die Spermakerne im Durchschnitt ein wenig mehr von
der Eioberfläche entfernt. Bei vorgenommener Zählung fand sich:
Ei 1 mit 6 Spermakernen
„ 2 „ 4
5> 3 „ 3 „
" 4 „ 2 „

» ^ JJ 2 „

)) 6 „ 4 „
JJ 7 „ 4 „
» 8 „ 4
JJ 9 „ 3 „
j, 10 „ 3

In 10 Eiern konnten also 35 Spermakerne gezählt werden. Das
Mittel ergiebt 3 bis 4 Spermakerne in einer Eizelle. Gegen die
Serie d wäre eine geringe Abnahme im Grade der Überfruchtung
zu konstatieren.

Zweite Versuchsreihe.

Eier, 5 Minuten in Wasser von verschieden hoher Temperatur

erwärmt.

Wasser von 55« Celsius bewirkt rasche Abtötung der Eier.
Wenn dieselben nur während 5 Minuten darin erwärmt werden, so
bedecken sie sich schon auf ihrer ganzen Oberfläche mit hervor-
quellenden Eiweißtropfen und verändern total ihr Aussehen und ihr
inneres Gefüge.

Von diesem Stadium ausgehend haben wir sich das Wasser
allmählich abkühlen lassen und bei 14 verschiedenen Temperatur-
graden Reagensröhrchen mit Eiern während 5 Minuten erwärmt.
Sofort nach der Herausnahme wurde das Eiquantum im Uhr-
schälchen befruchtet, die jetzt eintretenden Veränderungen wurden
an einer kleinen Probe, die auf einem Objektträger mit einem
Deckgläschen vorsichtig bedeckt wurde, bei starker Vergrößerung
verfolgt und in\'s Tagebuch notiert. Da diese Versuchsserie
nicht in Pikrinessigsäure konserviert wurde, konnte ein genaueres
Studium der inneren Vorgänge hier nicht Platz greifen. Wir be-
schränken uns daher darauf, die Tagebuchnotizen mitzuteilen.

Erster Versuch.

Ein Röhrchen mit Eiern wurde während 5 Minuten in Wasser
von 50 Grad Celsius erwärmt. Aus dem Dotter waren jetzt

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keine Eiweißtropfen mehr ausgetreten. Bei Vornahme der Befruch-
tung bewegten sich die Spermatozoen mit Lebhaftigkeit im Wasser,
schienen aber in das Ei nicht einzudringen, da die Dotterhaut sich
nicht abhob und kein Befruchtungshügel gebildet wurde.

Zweiter Versuch.
Erwärmung der Eier während 5 Minuten bei 47" Celsius.
Infolge derselben hatten sich keine Eiweißtropfen gebildet. Bei
Zusatz von Sperma wurde die Dotterhaut nicht abgehoben und kein
Befruchtungshügel hervorgerufen. Indessen bedeckten sich noch
jetzt nachträglich einige Eier mit Eiweißtropfen und wurden in
ihrem inneren Gefüge verändert. ^

Dritter Versuch.
Erwärmung der Eier bei 45" Celsius 5 Minuten. Das Re-
sultat dasselbe wie oben. Auch jetzt fand eine nachträgliche Ver-
quellung bei einer kleinen Anzahl von Eiern nach Vornahme des
Spermazusatzes statt.

Vierter und fünfter Versuch.
Erwärmung bei 42 resp. bei 41" Celsius 5 Minuten. Eier
ohne Verquellung. Dotterhaut nicht abgehoben.

Sechster Versuch.
Erwärmung bei 39" Celsius 5 Minuten. Jetzt wurde bei
einem Teil der Eier die Eihaut ein wenig abgehoben, was als Folge
des Eindringens von einem oder mehreren Spermatozoen aufgefaßt
werden muß. Weitere Veränderungen konnten indessen nicht wahr-
genommen werden. Am anderen Tage waren die Eier in Zerfall
begriffen ohne Anzeichen einer stattgefundenen Entwicklung.

Siebenter Versuch,
Erwärmung bei 37" Celsius 5 Minuten, Die Eihaut hob
sich bei einigen Eiern deutlich, bei andern weniger deutlich ab
Zahlreiche Befruchtungshügel, deren zuweilen zehn gezählt werden
konnten, bedeckten die Oberfläche des Dotters an verschiedenen
Funkten, Sie waren breit und hoch und wurden langsam unter
Veränderung ihrer Form wieder in den Dotter aufgenommen.

Achter und neunter Versuch,
Erwärmung bei 36 resp. 55" Celsius 5 Minuten. Die Ei-
haut hob sich überall wie bei normaler Befruchtung ab und es

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bildeten sich fast an jedem Ei mehrere breite und hohe Befruch-
tungshügel. Indessen erfolgte keine normale Weiterentwicklung.
Weder bildeten sich Strahlungen im Dotter, noch kam es zur Tei-
lung. Am anderen Tag waren die Objekte abgestorben und zer-
fallen.

Zehnter und elfter Versuch.

Erwärmung bei 34 resp. 32" Celsius. Es erfolgte Abhebung
der Eihaut. Ein oder zwei Befruchtungshügel waren nachweisbar.
Die Eier entwickelten sich zum Teil in unregelmäßiger Weise weiter.
Nach 4 Stunden beobachteten wir spärliche Zweiteilungen, wobei
die Teilstücke häufig von sehr ungleicher Größe waren, bei anderen
waren mehrere höckerartige Knospen entstanden; der größte Teil
der Eier zeigte im Innern nur undeutliche Strahlung, Hantel-
figuren, Tetraster oder Triaster oder ließ den Kern als eine ver-
waschene helle Stelle erkennen. Am anderen Tag fanden sich
unter einer größeren Zahl zerfallener Eier nicht wenige normal ent-
wickelte Blastulae vor; andere waren mißgebildet zu Flimmerlarven,
in deren Innerem sich anstatt Gallerte kleinere und größere glän-
zende Kügelchen vorfanden.

Zwölfter Versuch.

Erwärmung bei 31« Celsius während 5 Minuten. Die Be-
fruchtung erfolgte anscheinend normal. Nach einigen Stunden
teilten sich die Eier in 2, seltener in 4 oder 3 oder 6 Stücke. Die
Strahlung vor und während der Teilungsstadien war schwächer als
normal. Am andern Tag schwammen meist normal gebildete Bla-
stulae in den Zuchtgläsern herum. Eine geringe Anzahl von
Flimmerlarven war monströs entwickelt.

Fassen wir das Ergebnis aus dieser Versuchsserie zusammen,
so ist dasselbe im allgemeinen ein ähnliches, wie dasjenige der
ersten Serie. Wie dort verlängerte Wärmewirkung, so wirkt hier
kurz vorübergehende Wärme, je intensiver dieselbe ist, um so mehr
störend auf den Befruchtungsvorgang ein. Bei Temperaturen bis
zu 310 Celsius, wenn sie nur während 5 Minuten einwirken, ist
der Befruchtungsvorgang normal. Bei 32 bis 36" Celsius erfolgt
Überfruchtung in steigender Progression mit Abhebung der Eihaut.
Bei 37® Celsius ist die Überfruchtung eine sehr beträchtliche,
wobei zugleich infolge beginnender Wärmestarre des Protoplasma
die Eihaut sich ein wenig abzuheben beginnt. Bei 39 bis 47 « Celsius
scheint Befruchtung auszubleiben, da sich die Eihaut nicht mehr

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abhebt und keine Befruchtungshügel entstehen. Bei höheren Tem-
peraturen beginnt der Dotter zu vorquellen und in seiner Struktur
in wahrnehmbarer Weise geschädigt zu werden.

Drittes Kapitel.

Beeinflussung der Gfeschleelitsprodukte durch mechanische

Insulte.

Es ist eine bekannte Erscheinung, daß die Protoplasmabe-
wegung verlangsamt oder vorübergehend, wenn nicht dauernd auf-
gehoben wird, wenn eine Zelle erschüttert oder gequetscht, oder
in irgend einer anderen Weise mechanisch verletzt wird. Um nun
auch in dieser Weise die Befruchtungserscheinungen zu beeinflus-
sen, wurde eine größere Quantität Eier in einem mit Meerwasser
halb gefüllten Reagensröhrchen zwanzig bis dreißig Minuten lang
sehr heftig geschüttelt, so daß sich die Flüssigkeit milchig trübte,
weil sich die Grallerthüllen von der Dotterhaut ablösten. Infolge
der heftigen Erschütterungen wurden einige Eier verletzt, indem
die Dotterhaut hie und da platzte und protoplasmatischer Inhalt
aus dem Riß austrat. Das entleerte Protoplasma nahm gewöhn-
lich sofort Kugelgestalt an und war entweder mit der Eizelle
durch einen breiten Stiel verbunden oder bildete einen selbstän-
digen, bald größeren, bald kleineren kugeligen Körper für sich.
Zuweilen war auch der Eikern in das ausgetretene Protoplasma
mit hineingeraten. Der weitaus größte Teil der Eier aber blieb
bei der angegebenen Behandlung, da die Hülle ziemlich fest und
elastisch ist, vollkommen unverletzt, abgesehen von der Abstrei-
fung der Gallerte.

Was geschieht nun, wenn ein derartiges Eimaterial sofort
nach stattgehabter Erschütterung befruchtet wird?

^ Wir untersuchten diese Frage sowohl am lebenden Objekt,
als auch an Eiern, die auf 3 verschiedenen Stadien in Pikrines-
sigsäure eingelegt worden waren. Ein Teil war 20 Minuten, ein
zweiter 1 Stunde und ein dritter | Stunde nach der Befruchtung
abgetötet worden.

Es verdient gleich am Anfang hervorgehoben zu werden, daß
trotz der hochgradigen Erschütterung bei dem größten Teil der

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Eier normale Befruchtung erfolgte. Die Eihaut hob sich scharf
ab, nur ein Samenfaden drang in den Dotter ein und umgab sich
mit einer ausgeprägten Strahlenbildung; in der normalen Zeit
erfolgte die Kopulation der Kerne, die Spindelbildung und Tei-
lung. Nur darin unterschieden sich die Eier von solchen, die
nicht geschüttelt worden waren, daß ihrer Eihaut keine Samen-
fäden aufsaßen, weil die Gallerte abgelöst war.

Bei einem kleineren Teil indessen und namentlich bei allen
den Eiern, welche infolge des Schütteins eine Verletzung erlitten
hatten, zeigten sich pathologische Erscheinungen. Dieselben las-
sen sich in zwei Gruppen sondern, je nachdem die Samenfäden
in größerer Anzahl 1) in ein Ei oder 2) in einen abgesprengten
kernlosen Teil eines Eies eingedrungen waren.

1) Eier mit mehr als 1 Samenfaden.

In solche Eier, welche durch das Schütteln gelitten hatten,
was sich schon äußerlich dadurch bemerkbar machen konnte, daß
sich durch einen Riß in der Umhüllung Protoplasmateile abgelöst
hatten, drangen zwei, drei und mehr Spermatozoen von verschie-
denen Stellen aus ein. Bei ihrem Eintritt hob sich die Dotterhaut
nur wenig oder gar nicht vom Protoplasma ab. Es bildeten sich
Spermakerne, die von einer ausgeprägten Strahlung umhüllt waren
und in verschiedener Zahl mit dem Eikern kopulierten. Je nach-
dem entstanden mannichfache Kernformen, welche den durch Ni-
kotinbehandlung hervorgerufenen entsprachen. So fanden wir öf-
ters einen wohl durch das Eindringen zweier Samenfäden her-
vorgerufenen Tetraster. Vier den Ecken eines Quadrats entspre-
chende Strahlungen sind durch 4 Spindeln verbunden und um-
schließen 2 Streifen von Chromatinkörnchen, die ein Kreuz dar-
stellen, dessen Schenkel mit ihren Enden auf die Mitte je einer
Spindel treffen.

Eine modifizierte Form der Vierstrahlung, die wir auch schon
bei anderer Gelegenheit (Tafel I Figur 10) beschrieben haben,
ist uns auch hier wieder begegnet. Es stoßen drei Spindeln in 3
Strahlungen zusammen. Die in ihrer Mitte verteilten Chromatin-
körnchen bilden die Form eines Y. Eine vierte Spindel geht von
einer Strahlung des Triasters noch zu einer isoliert gelegenen
Strahlung und ist in ihrer Mitte auch wieder mit Chromatinkörn-
chen versehen.

Auch komplizierter gebaute Kernfiguren kamen zur Beobach-
tung. In einem Falle war mit einem Tetraster noch eine fünfte

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Strahlung verbunden. Außerdem fanden sich im Dotter noch drei
isolierte Spermakerne, welche an Größe bedeutend zugenommen
hatten. Sie stellten mit Kernsaft gefüllte, ovale Bläschen dar, in
deren Mitte ein rot gefärbter Chromatinkörper, gleichsam ein
Nucleolus, eingeschlossen war. An den beiden Polen des Ovals
waren 2 Strahlensysteme entstanden. Aus jedem eingedrungenen
Spermatozoon war somit auf einem weiter vorgerückten Stadium
ein Spermaamphiaster hervorgegangen.

Wenn 2 Stunden nach der Befruchtung die Teilung beginnt,
kann man wieder die verschiedensten Zustände beobachten, Eier,
die anstatt in zwei gleich in 4, 5 oder 6 Stücke zerfallen, oder
die sich auf ihrer Oberfläche mit kleineren und größeren Körpern
bedecken, welche sich erst successive selbständig machen.

Übrigens ist es keineswegs eine Notwendigkeit, daß, wenn
ein Ei verletzt ist, nun auch mehrere Samenfäden eindringen.
Nicht selten haben wir auch Eier gesehen, die, obwohl ihrer Ober-
fläche ein hervorgequollener Protoplasmahöcker aufsaß, im Innern
nur eine Spermastrahlung oder auf einem späteren Stadium nur
eine Spindel zeigten. Es kann ein Ei sogar sehr bedeutende
Substanzverluste erlitten haben und auf die Hälfte oder ein Drittel
seines Volums reduziert worden sein, ohne deshalb, wenn es durch
ein Spermatozoon allein befruchtet worden ist, seine normale Ent-
wicklungsfähigkeit eingebüßt zu haben. So haben wir Zwerg-
eier sich regulär teilen und sich zu außerordentlich
kleinen Gastrulae umbilden sehen.

2) Abgesprengte Teile eines Eies.

Bei der Untersuchung des Einflusses, welchen mechanische
Mittel auf die Eier ausüben, haben wir auch die interessante Er-
scheinung kennen gelernt, daß abgesprengte kernlose Protoplasma-
teile des Eies in Meerwasser noch eine gewisse Lebensfähigkeit
geraume Zeit bewahren und daß die Spermatozoen sich in diesel-
ben nicht minder als in die intakten Eier einbohren. Wenn man
zehn Minuten nach Vornahme der Befruchtung sein Augenmerk
auch auf die Eifragmente richtet, so wird man in ihnen je nach
ihrer Größe 1, 2 oder mehr sehr deutlich ausgeprägte Strahlun-
gen Taf. II Fig. 17 beobachten können. In einem Falle zählten
wir deren sieben. Dieselben erhielten sich in der Weise längere
Zeit. Die Eifragmente hatten sich dabei mit einer zarten, dem
Protoplasma dicht aufliegenden Hülle umgeben. Bei Untersuchung

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mit Reagentien und an Tinktionspräparaten läßt sich in jeder
Strahlung ein kleiner Spermakern nachweisen.

Nach einer und weiterhin noch nach 1| Stunden haben
die Spermastrahlungen Veränderungen erfahren. Sie haben
sich in kleine Doppelstrahlungen umgewandelt. Weiteren Auf-
schluß geben Tinktionspräparate. Die Spermakerne, welche sich
ein wenig vergrößert haben, sind oval oder spindelig geworden
und zeigen an beiden Enden eine kleine Spitze aus einer sich in
Karmin nicht färbenden Substanz, welche wie die Polsubstanz bei
der Kernteilung die Mitte je einer der Doppelstrahlungen ein-
nimmt (Taf. II Fig. 15). Außer diesen im Plasma regellos ver-
teilten Amphiastern, deren wir in einem Fall drei zählten, können
neben ihnen auch noch isolierte Strahlungen (Fig. 15 a) vorkom-
men, die dadurch bemerkenswert sind, daß in ihnen sich keine
färbbaren Körper oder kernartigen Bestandteile nachweisen lassen.

Nach Ablauf von bis 2 Stunden ist an den Spermaamphi-
astern noch eine faserige Metamorphose eingetreten, zu deren Illu-
stration Taf. II Fig. 18 diene. Sie zeigt uns vier aus wenigen
achromatischen Fasern zusammengesetzte Spindeln, von welchen
eine mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Sehaxe des Beobachters
gestellt ist. In der Mitte jeder Faserspindel liegt die färbbare
Substanz als ein einziges, größeres, rundliches oder ovales Korn.

Was später aus diesen befruchteten Eifragmenten ohne Eikern
wird, ist nicht weiter verfolgt worden. Wahrscheinlich werden sie
nach einiger Zeit absterben und zerfallen.

Anmorkung: Der Schluß der Arbeit, bestehend aus einem allgemeinen
Teil, folgt im nächsten Heft.

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Tafelerklärung.

Für Tafel III—VI gelten folgende Bezeichnungen :

ß Chloralbehandlung 1 Minute nach Besamung
y „ H Minuten „ „

ö ,, 5 „ ,, »

s „15 „ „ ,,

Die beigefügten Zahlen beziehen sich auf die Zeit, welche zwi-
schen Besamung und Konservierung des Materials verflossen war.
ß\' abgetötet nach 30 Min. y\' 35 Min. ö» 35 Min. £» 35 Min.

60 „ 60

ß-,

ß\'

ß\'
ßö

ß\'

185 „ 210
325 „ 240—300

„ 55

60

>!

„ 90

>>

150

f!

„ 150

»

255

))

„ 190

))

y^ 325

>>

„ 360

t)

Tafel I.

j\'ig. 1 — 5. Eier von Strongylocentrotus lividus, die in einer
Nicotinlösung (1 Tropfen Extrakt auf 200 Wasser) 10 Minuten ge-
legen, mit Samen befruchtet und darauf in verschiedenen Intervallen
abgetötet worden sind. Bei Vergrößerung F. Oc. 1 (Zeiß) gezeichnet
und etwas verkleinert.

F i g. 1 und 2. Die Eier wurden 15 Minuten nach Vornahme
der Befruchtung abgetötet,

Fig. 3. Das Ei wurde 40 Minuten nach Vornahme der Be-
fruchtung abgetötet.

Fig, 4. Eine Stunde, 20 Minuten nach der Befruchtung ab-
getötet.

Fig. 5. Zwei Stunden 10 Minuten nach der Befruchtung ab-
getötet.

pig. 6_10. Kernfiguren von Eiern, die in einer Nikotinlösung

(1 Tropfen Extrakt auf 400 "Wasser) 15 Minuten gelegen, befruchtet
und nach 1 Stunde 30 Minuten abgetötet worden sind. Bei Ver-
größerung F. Oc. 2 (Zeiß) gezeichnet.

Fig. 11. Spermakerne überfruchteter Eier, «, e, rf, die in
einer Nikotinlösung (1 Tropfen Extrakt auf 100 Wasser) gelegen ha-

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ben, befruchtet und nach Ablauf mehrerer Stunden abgetötet worden
sind, in Umbildung zu Spermaspindeln. Bei Vergrößerung. 1./18.
Homogene Immersion. Oc. (Zeiß) gezeichnet.

Fig. 12. Kernfiguren von einem Ei, das 5 Minuten in einer
ISTikotinlösung (1 Tropfen Extrakt auf 200 Wasser) gelegen hat, be-
fruchtet und nach 2 Stunden abgetötet worden ist. Bei Vergrößerung
F.
Oc. 2 (Zeiß) gezeichnet.

Fig. 13. Mehrfach befruchteter Kern, der sich zur Umbildung
in einen Spindelkomplex anschickt.

Fig. 14. Kernfigur eines Eies, das 10 Minuten in einer Niko-
Einlösung (l : 200) gelegen hat, befruchtet und nach 3 Stunden 10 Mi-
nuten abgetötet worden ist. Bei Vergrößerung F. Oc. ®
(Zeii) ge-
zeichnet.

Fig. 15. Kernfigur eines Eies, das wie oben behandelt und
nach 3 Stunden abgetötet worden ist. Bei Vergrößerung F. Oc. ^
(Zeiß) gezeichnet.

Fig. 16 — 18. Kernfiguren von Eiern, die 15 Minuten in einer
Nikotinlösung (1 : 400) gelegen haben, befruchtet und nach 2 Stunden
45 Minuten abgetötet worden sind. Bei Vergrößerung F. Oc. ® (Zeiß)
gezeichnet und etwas verkleinert.

Fig. 19. Kernfiguren eines Eies, das in einer Nikotinlösung (1 : 100)
gelegen hat. Sie bestehen aus einem Spindelkomplex und 5 einzelnen
in Teilung begriffenen Spermaspindeln.

Fig. 20. Kernfiguren eines Eies, das in einer Nikotinlösung
(1 : 200) 10 Minuten gelegen hat, befruchtet und nach 3 Stunden
10 Minuten abgetötet worden ist. Bei Vergrößerung F. Oc. ® (Zeiß)
gezeichnet.

Fig. 21. Kernfiguren eines Eies, das wie oben behandelt wor-
den ist. Bei Vergrößerung F. Oc. (Zeiß) gezeichnet und etwas ver-
kleinert.

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Tafel II.

Die meisten Figuren sind bei Vergrößerung F Oc. (Zeiß) ge-
zeichnet und etwas verkleinert. Fig. 8, 9, 10, 12, 13, 14 sind bei
tV Vergrößerung Homogene Imm. Oc. (Zeiß) gezeichnet.

Fig. 1. Ein Ei, das 35 Minuten in einer 0,51 Chlorallösung
gelegen hat, einige Minuten nach der Befruchtung.

Fig. 2. Ein Ei, das 50 Minuten in einer Chlorallösung
gelegen hat, 2 Stunden nach der Befruchtung.

Fig. 3. Ein Ei, das 5 Minuten in einer 0,5^ Chlorallösung ge-
legen hat, 4 Stunden nach der Befruchtung.

Fig. 4. Ein Ei, das 20 Minuten in einer 0,05g^ Chininlösung
gelegen hat, 6 Stunden nach Vornahme der Befruchtung.

Fig. 5. Ein Ei, das 20 Minuten in einer 0,05^ Chininlösung
gelegen hat, 3 Stunden nach der Befruchtung.

Fig. 6. Ein Ei, das 10 Minuten in Wasser von 31 ^ Celsius
erwärmt wurde, 1|- Stunde nach der Befruchtung.

Fig. 7. Ein Ei, das 20 Minuten in Wasser von 31 Celsius
erwärmt wurde, Stunde nach der Befruchtung.

Fig. 8 — 10. Spermakerne und Eikerne von Eiern, die 10 Mi-
nuten in Wasser von Celsius erwärmt wurden, 2 Stunden nach
der Befruchtung.

Fig. 11. Stück eines Eies, das 15 Minuten in einer 0,025^
Kokainlösung gelegen hat, kurze Zeit nach Vornahme der Befruchtung.

Fig. 12. Kerne eines Eies, das 20 Minuten in Wasser von
31 " Celsius erwärmt wurde, 2 Stunden nach der Befruchtung.

Fig. 13. Kernfiguren eines Eies, das 10 Minuten in Wasser von
31 " Celsius erwärmt wurde, 2 Stunden nach der Befruchtung.

Fig. 14. Kernfiguren eines Eies, das 20 Minuten in Wasser von
31 " Celsius erwärmt wurde, Stunde nach der Befruchtung.

Fig. 15. Stück eines Eies, das durch heftiges Schütteln abge-
sprengt und darauf befruchtet worden ist, 2 Stunden nach Vornahme
der Befruchtung.

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Fig. 16, Kernfigur eines Eies, das 20 Minuten lang auf Sl*»
Celsius erwärmt wurde, Stunde nach der Befruchtung.

Fig, 17. Kleinstes Stück eines Eies, das durch heftiges Schüt-
teln abgesprengt und darauf befruchtet worden ist. 20 Minuten nach
der Befruchtung.

Fig. 18. Stück eines Eies, das durch heftiges Schütteln abge-
sprengt und darauf befruchtet worden ist, 2 Stunden nach Vornahme
der Befruchtung.

Fig. 19. Kerne eines Eies, das längere Zeit in Wasser von
31 " Celsius erwärmt wurde, mehrere Stunden nach der Befruchtung,

Fig. 20a und b. Kernfigur eines Eies, das 10 Minuten in einer
Nikotinlösung (1 : 200) gelegen hat, 2 Stunden nach Vornahme der
Befruchtung abgetötet.

Fig. 21 u. 22, Eier, die 1|- Stunden nach der Befruchtung in
0,05-^ Chininlösung 20 Minuten gelegen haben, nach 2 Stunden 10
Minuten abgetötet.

Fig. 23. Ei, das in einer 0,05-g^ Kokainlösung 5 Minuten gele-
gen, 1 Stunde 40 Minuten nach Vornahme der Befruchtung.

Fig. 24. Ein Ei, das Stunde nach der Befruchtung in einer
0,05^ Chininlösung 20 Minuten gelegen hat, nach 2 Stunden 10 Mi-
nuten abgetötet.

Fig. 25. Ein Ei, das 1 Stunde nach der Befruchtung, 10 Mi-
nuten in einer 0,5 Chlorallösung gelegen hat, nach 3 Stunden ab-
getötet.

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Tafel in.

Die Figuren 2, 3, 4 sind bei Vergrößerung Homogene Immersion
Oc. 2| (Zeiß), die Figuren 1, 5—10 bei Vergrößerung F. Oc. ®
(Zeiß) gezeichnet.

Fig. 1 — 6. Kernfiguren von Eiern, die Stunde nach Vor-
nahme der Befruchtung 20 Minuten in einer 0,05 « Chininlösung ge-
legen haben und nach Herausnahme aus der Chininlösung teils na^ch
1 Stunde, teils nach 2 Stunden abgetötet worden sind.

Fig. 7 — 11. Kernfiguren von Eiern, die 1 Stunde nach Vor-
nahme der Befruchtung 10 Minuten in einer 0,5 f Chlorallösung ge-
legen haben und nach Herausnahme aus derselben, teils nach |, teils
nach 2, teils nach 3 Stunden abgetötet worden sind.

Fig. 12. Verschiedene Umbildungsstadien des Spermakerns bis
zur Ordensternfigur.
ß

Fig. 13 — 24 sind bei Vergrößerung ^ homog. Imm. Oc. II
(Zeiß) gezeichnet.

Fig. 13. Vierpoliger Eikern stark vergrößert. Tubus auf 200 mm
verlängert,
ß

Fig. 14—16. Zusammengehörige Ei- und Spermakerne ver-
schiedener Eier in ihren natürlichen Abständen gezeichnet. Fig. 14. jS\'.
Fig. 15.
ß^. Fig. 16. ßK

Fig. 17. Hälfte eines Eies ß Eikern (o) in Fächerform vom
Fächerende aus gesehen, Spermakern
(sp) bläschenförmig mit 2 Strah-
lungen.

Fig. 18. Desgl. Eikern (fälschlich sp bezeichnet) in der Um-
bildung von der Fächerform zur 4 strahligen Gestalt, Spermakern
(fälschlich
o bezeichnet) 3 strahlig.

1

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Fig. 19. Desgl. Eikern in vierstrahliger Form; 2 Sperma-
kerne, davon einer mit 3 polständigen Plasmastrahlungen und einer
vierten in einiger Entfernung gelegenen Strahlung.

Fig. 20 und 21. Umbildung eines Spermakerns in einen in
Windungen gelegten Kernfaden; derselbe schien in Fig. 20 in ein-
zelne U-förmig gekrümmte Teile zerlegt zu sein.
ß*.

Fig. 22. Hälfte eines Eies ß^; Eikern und Spermakern in
E,osettenform mit polaren Strahlungen.

Fig. 23 und 24. Hälfte eines Eies ß-\'^; 1 Kern wahrscheinlich
aus Vereinigung von Ei- und Spermakern entstanden, Strahlungen im
Protoplasma unabhängig vom Kern.

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Tafel IV.

Alle Figuren auf Tafel IV—VII sind bei Vergrößerung Homo-
gene Imm. Oc. 2 (Zeiß) gezeichnet.

Fig. 1. 2 Kosettenkerne (Ei- und Spermakern), der eine mit 3,
der andere mit 4 Ecken, von denen 2 einander genähert sind, aus
einer Eizelle des Stadium 5
ß.

Fig. 2, Ei mit 2 Kernen, welche in Umbildung zur Eosetten-
form begriffen sind. Im Protoplasma sind 4 Strahlungen zu sehen,
von denen 3 von den Kernen unabhängig sind, die vierte im An-
schluß an einen Kern (Spermakern ?) sich entwickelt hat. 5
ß.

Fig. 3. Ei mit dendritischer Protoplasmafigur, in welcher 2
aus je 3 Kernhaufen bestehende Gruppen eingebettet sind. Endäste
der Figur mit Strahlung versehen. Stadium 5
ß,

Fig. 4. Ein ähnliches Ei mit 2 das eine Mal aus 2, das an-
dere Mal aus 3 Kernen bestehenden Gruppen; nach einer am Meere
verfertigten Skizze gezeichnet. Stadium 5
ß.

Fig. 5. Konjugierte Kerne, a in Umbildung zur Eosettenform
begriffen, im Protoplasma 2 symmetrische Strahlungen,
b Konjugation
noch nicht zum Abschluß gelangt, Stadium 5
ß.

Fig. 6. Konjugierte Kerne, « 4 polige Eosettenform mit Strah-
lungen an den Polen,
b Vorstadium zur 3 poligen Eosettenform, Chro-
matin zu einer unregelmäßigen Kernplatte angeordnet,
c Kern granu-
liert, anscheinend im Begriff durch Einschnürung in 3 Teile zu zer-
fallen. Bei Ei c war ein zweiter Spermakern nachweisbar.

Fig. 7 und 8. Die durch Teilung des Spermakerns und des Ei-
kerns entstandenen Kerne sind im Begriff von neuem zu verschmelzen,
in Figur 7 sind so je ein größerer und ein kleinerer Kern entstanden,
in Fig. 8 sind auf der einen Seite 2, auf der andern Seite 3 Kerne.

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Fig. 9. Die rekonstruierten, zur Fächerform differenzierten
Kerne haben je ein kleineres Stuck abgespalten. Stad. 6
ß.

Fig. 10. Zweimal zwei Kerne aus Teilung und partieller Wieder-
vereinigung von Spermakern und Eikern entstanden. Stad. 6
ß.

Fig. 11. Die rekonstruierten Kerne haben sich in ein großes
und ein kleines Stück geteilt. Stad. 6
ß.

Fig. 12 und 13. Eikern und Spermakern in Eekonstruktion
begriffen. Stad. 5 j3 und 6
ß.

Fig. 14. Eekonstruierter Ei- und Spermakern in chromatischer
Metamorphose. Stad. 6/3.

Fig. 15. Eekonstruierter Ei- und Spermakern. Stad. 5 ß.

Fig. 16. Eekonstruierter Ei- und Spermakern in chromatischer
Metamorphose mit beginnender Strahlung. 6
ß.

Fig. 17 und 18. Ei- und Spermakern rekonstruiert und in
Fächerform übergeführt; jeder Fächer in mehr oder minder vorge-
schrittener Teilung. Stad. 6
ß.

Fig. 19. Die aus der Teilung hervorgegangenen Kerne. Stad. 6ß.

F i g. 20. Ei mit Geschlechtskernen, welche in die Eosettenform
ubergeführt sind, der eine zweipolig mit unvollkommen entwickeltem
dritten Pol, der andere 3 polig. Stad. 5
ß.

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Tafel V.

Fig. 1. Verschiedene Umwandlangsformen der Spermakerne.
Stadium
y

Flg. 2. 3 Eikerne mit den zugehörigen Spermakernen in Umbil-
dung. Stad.
y 3.

Fig. 3. Ei- und Spermakerne in Pseudotetraster verwandelt.

Stad.

F i g. 4. Aus Konjugation hervorgegangene Furchungskerne.
ö dreilappig ohne achromatische Faserung,
b und c polyedrisch faserig
differenziert. Stad.
y

Fig. 5. Ei- und Spermakerne geteilt in Kernbläschen, welche
nunmehr in Rekonstruktion begriffen sind. Stad. y^.

Fig. 6. Unvollkommen abgefurchtes Ei aus Stad. ß^.

Fig. 7. 2 mit 3 chromatisch differenzierten Kernen ausgerüs-
tete Eier zur Häjfte dargestellt. Stad. ß^.

F i g. 8. 2 aus einem Ei stammende faserig differenzierte Kerne
(wahrscheinlich aus Rekonstruktion von Ei- und Spermakern hervor-
gegangen),
y

Fig. 9. "Wahrscheinlich rekonstruierte Ei- und Spermakerne in
chromatischer Umbildung begriffen; bei
c und d zeigt 1 Kern begin-
nende Abschnürung.

Fig, 10. 3 Kerne entweder aus einem konjugierten Kern durch
Teilung hervorgegangen oder dadurch, daß einer der beiden nicht kon-
jugierten Kerne sich geteilt hat.

Flg. 11 wie Fig. 8. y ^

Fig. 12, 13, 14. Eier in Knospenteilung begriffen, Stad. yS;
in Fig. 12 sind nur die Kerne mit umgebendem Protoplasma dar-
gestellt.

Fig. 15. Konjugierter Kern, a Substanz des Spermakerns noch
für sich zu erkennen,
b Substanz beider Kerne verschmolzen, ö®.

Fig. 16—34. Kerne aus Stadium

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Fig. 16. Spermakern in Ordenssternfigur, Eikern im Anfang der
faserigen Umbildung.

Fig. 17 — 20. Eikern in Fäclierform, welche in den Figuren
18 und 20 die Umbildung zur Spindel erkennen läßt. Fig. 18 Sstrah-
liger Spermakern.

Fig. 21 und 22. Eikern in Pseudotetrasterform mit zentraler
Chromatinanhäufung.

j-ig. 23—25. Chromatin des Eikerns in Umlagerung zur Ro-
settenform.

Fig. 26 — 30. 4 strahlige Rosettenform des Eikerns. Sperma-
kerne 3 strahlig, beginnen in Fig. 28 und 29 mit dem Eikern in Yer-
bindung zu treten. Fig. 30 stärker vergrößert. Oo. 3.

Fig. 31. Rosettenförmiger Eikern, bei dem ein Pol schwach
entwickelt ist. Spermakern 3 strahlig.

Fig. 32. Rosettenförmiger Eikern, bei dem eine Ecke mehr als
normal entwickelt ist; yierstrahliger Sprmakern, bei dem die Chro-
matinumlagerung zur Rosettenform beginnt.

Fig. 33, Rosettenförmiger Eikern mit 6 Ecken.

Fig. 34. Kern aus Konjugation hervorgegangen, undeutlich fa-
serig differenziert.

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Taf. T:

Hg. 0.

Fig. /.

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Tafel VI.

Eikern und Spermakern in Rekonstruktion. Stad. S

Die rekonstruierten beiden Kerne in chromatischer Me-
Stadium

Eikern in Rosettenform und Spermakern in Ordens-
sternform treten zu einander in Beziehung, ö

Fig. 5, 8 Gruppen von Kernbläschen hervorgegangen aus einem
rosettenförmigen konjugierten Kern, d

Fig. 6. 6 strahliger rosettenförmiger Furchungskern.

Fig. 7 u. 8. Rekonstruierter Furchungskern in chromatischer
Umbildung, d 3.

Fig. 9 —11. Kernteilungen, in Figur 9 auch Protoplasmatei-
lung. S*.

Fig. 12 — 27. Serie s.

Fig. 12. Spermakern und Eikern sind noch nicht vereinigt. £ \'

Fig. 13 und 14. Spermakern und Eikern in mehr oder minder
inniger Konjugation, e^.

Fig. 15. Konjugierte Kerne, bei denen sich die Substanzen von
Ei- und Spermakern nicht mehr unterscheiden lassen, s^.

Fig. 16. Eikern und Spermakern fast ganz zu einem 7 poligen
Kern vereinigt und faserig differenziert. Chromatin in Umlagerung
zur Rosettenform begriffen, 2 schwächere Strahlungen in einiger Ent-
fernung vom Kern, eine stärkere an einem Kernpol.
s

Fig. 17. Eikern und Spermakern getrennt in die Rosettenform
übergeführt, s ä.

Fig. 18. Konjugierter Kern in Rosettenform, eine Strahlung auf
der einen, eine Doppelstrahlung auf der anderen Seite, s^.

Fig. 19. Achtstrahliger Rosettenkern,

Fig. 20. Stück eines konjugierten Kerns, bei dem das Chroma-
tin noch nicht in die Rosettenform übergegangen ist.

Fig. 1.
I\'ig. 2.
Fig. 3.
tamorphose.
Fig. 4.

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Pig. 21. Achtstrahliger Bosettenkern, bei dem je 2 Ecken fast
zur Vereinigung genähert sind.

Fig. 22, Fünfstrahliger Rosettenkern mit Strahlung an den
Polen,
s ä.

Fig, 23, Ei in Teilung mit 5 ungleich großen, schwach chro-
matischen Kernen,

F i g. 24, Ei fast zweigeteilt, 2 faserig differenzierte Kerne, da-
von einer in Fächertorm, e\'^.

Fig. 25, Sechs Haufen von Kernbläschen aus Teilung eines
rosettenförmigen Kerns entstanden,

Fig, 26. Beginnende Verschmelzung der Kernbläschen, welche
aus der Teilung eines rosettenförmigen Kerns entstanden sind. e^.

Fig. 27. Acht mehr oder minder ansehnliche Haufen von
Kernbläschen aus der Teilung eines Rosettenkerns hervorgegangen,
e

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Tafel Vli.

K . . ßi^htungekörpers polyspem

befruchtet und dann mit Chloral behandelt. Stad. ö^.

Fig. 2. Ei auf dem Stadium der Eichtungsspindel vor Bildun-
des ersten Eichtungskörpers polysperm befruchtet und dann chloralit
siert.

Fig. 3. Ein wahrscheinlich mechanisch verletztes und infolge
dessen polysperm befruchtetes, cbloralisiertes Ei.

Fig. 4 und 5. Furchungskern nach der Teilung des Rosetten-
terns in Rekonstruktion begriffen,

Fig. 6 und 7. Rekonstruierter, aber noch höckerig einge-
schnürter Furchungskern. e

Fig. 8-11. Verschiedene Stadien de.- chromatischen Meta-
morphose des rekonstruierten Furchungskerns. £3.

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Proramann\'sche Bnohdraokerei (Hermann Pohle) in Jöm».

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Viertes Kapitel.

Beurteilung der Beobachtungen.

Als wir vor eimgen Jahren die experimentellen Untersuchungen
Uber die Teilung und Befruchtung des Eies begannen, wurL
wir von dem Gesichtspunkt geleitet, daß hier Prozesse vorliegen
welche mit gi^ßer Gesetzmäßigkeit ablaufen, trotzdem aber
nkt
so sehr befestigt smd, daß sie nicht durch äußere Einflüsse ab-
geändert werden könnten. So war denn zu hoffen, daß man in
der Erkenntnis dieser Prozesse weiter gelangen würde, wenn man
durch Einfuhrung bestimmter äußerer Faktoren ihren Verlauf
modifizierte und die dadurch gesetzten Veränderungen einem ge-
nauen Studmm unterwürfe. Es war zu hoffen, daß man von der
Quahtat der abändernden Eingriffe einen Rückschluß würde machen

vT" Gesetzmäßigkeit der normat

Vorgange gewährleisten.

eingeschlagene Weg ist langwierig und wird erst
allmählich zu festen Resultaten führen, vielfach wird er zunächst nur
die Zahl der unverstandenen Erscheinungen vermehren und Beob-
achtungen fördern, welche jetzt noch wie Curiosa erscheinen und

ZJ2T sie überhaupt einmal

Bedeutung gewmnen werden. Daß daneben aber schon j tzt viele
wi htige und sichere Ergebnisse gefördert werden können, welche
Irrtum iche Ansichten beseitigen und durch neue, besser begründe
verdrängen werden, glauben wir durch unsere früheren Unter-
uchungen gezeigt zu haben und hoffen es auch durch die hier
neu mitgeteilten Beobachtungen zu beweisen.

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Wir haben lange geschwankt, ob es zweckmäßig sei, bei der
Ausarbeitung des allgemeinen Teils uns auf eine übersichtliche
Zusammenstellung der
vYichtigsten von unsgewonnenen Beobachtungen
zu beschränken, oder ob wir den Versuch machen sollten, zugleich
auch die Frage nach den bei der Befruchtung und Teilung wirk-
samen Kräften zu erörtern. Obwohl wir nun uns vollkommen be-
wußt sind, wie wenig Angriffspunkte der kausalen Beurteilung ge-
geben sind, und unsere Untersuchung nur als eine erste Rekognos-
zierung auf einem weiten und dunklen Gebiet betrachten, haben
wir uns gleichwohl zu dem an zweiter Stelle genannten Ver-
fahren entschlossen, hauptsächlich wegen des heuristischen Wertes,
welchen dasselbe besitzt. Für den weiteren Fortgang der be-
gonnenen experimentellen Studien ist schon viel gewonnen, wenn
es gelingt, die Fragestellung bestimmter zu fassen und neue Gesichts-
punkte zur Anstellung weiterer Versuche zu entwickeln. Dazu
wird man aber erst gelangen, wenn man anfängt den Vorrat an
Beobachtungen und Experimenten, so klein derselbe auch sein
mag, auf seine Beweiskraft zu prüfen und kritisch zu sichten.
Wir selbst sind auf eine ganze Reihe wichtiger experimentell zu
lösender Frage erst geführt worden, als wir untersuchten, inwie-
weit die angestellten Experimente geeignet sind, um eine klarere
Erkennung der dem Protoplasma und dem Kern zukommenden
Eigenschaften anzubahnen.

Die Experimente; welche wir im speziellen Teil mitgeteilt
haben, sind angestellt worden, um durch chemische, thermische und
mechanische Eingriffe den normalen Verlauf von 3 Prozessen ab-
zuändern: 1. den Verlauf der äußeren Befruchtungserscheinungen
oder sagen wir kurz der Besamung, 2. den Verlauf der inneren
Befruchtungserscheinungen und 3. den Verlauf der Teilung. Der
allgemeine Teil gliedert sich demgemäß ebenfalls in 3 Abschnitte,
zu dem dann noch ein vierter hinzukommt, welcher die Wirkungs-
weise der angewandten Agentien im allgemeinen behandelt. Um
nämlich die von uns künstlich erzeugten Modifikationen der Be-
fruchtung und Teilung richtig beurteilen zu können, muß man sich
zuvor darüber Klarheit verschafien, wie überhaupt die chemischen,
thermischen und mechanischen Eingriffe auf Protoplasma und
Kern wirken.

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1. Abschnitt.

Über die Ein Wirkungsweise der angewandten

Agentien.

Um die Einwirkungsweise von Agentien auf die Geschlechts-
produkte zu verstehen, haben wir dieselben in verschiedener Stärke
angewandt; wir haben bei chemischen Körpern die Konzentration
der Lösung variiert und bei Wärme größere oder geringere
Temperatur benutzt. Denn es ist bekannt, daß der Einfluß von
Lösungen bei zunehmender Konzentration in das Gegenteil von
dem, was man bei schwachen Lösungen beobachtet hat, um-
schlagen kann.

Ferner kommt die Zeitdauer der Einwirkung in Betracht.
Starke Lösungen veranlassen in kurzer Zeit häufig Erscheinungen,
welche von schwachen Lösungen nach längerer Dauer ebenfalls
herbeigeführt werden. Jede durch äußere Einflüsse verursachte
Veränderung ist somit ein Produkt von der Energie und von der
Dauer der Einwirkung. Um nun eine kurze Ausdrucksweise zu
gewinnen, welche zugleich auch auf die mechanischen und ther-
mischen Einflüsse paßt, wollen wir im folgenden von schwachen,
mittelstarken und starken Agentien reden, ohne immer zu analy-
sieren, wieviel von der Einwirkung auf Rechnung der Zeitdauer
oder der Energie gesetzt werden muß.

Die Bezeichnungen „schwache und starke Agentien" bedürfen
noch der Erläuterung, da wir Mittel, welche direkt unterein-
ander gar nicht vergleichbar sind, auf sehr verschiedenartige
Prozesse haben einwirken lassen. Es hat sich für uns die Not-
wendigkeit herausgestellt, eine bestimmte Einwirkungsweise als
Maßstab überall zu Grunde zu legen; als solche wird sich am
besten diejenige Reaktion empfehlen, in welcher zwischen allen
angewandten Mitteln die größtmögliche Übereinstimmung herrscht,
und so wird unser Augenmerk auf die Polyspermie gelenkt. Alle
benutzten chemischen Körper von einer bestimmten Konzentration
und Einwirkungsdauer an, sowie die Erwärmung und die mechanische
Erschütterung stimmen darin überein, daß sie, auf unbefruchtete
Eier angewandt, dieselben der Fähigkeit berauben, dem Eindringen
von mehr als einem Spermatozoon Widerstand zu leisten. Wir
wollen nun als schwache Agentien solche bezeichnen, bei denen
die ersten Merkmale von Vielbefruchtung auftreten, bei denen ein
großer Teil der Eier noch normal befruchtet ist, wärend in andere

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schou 2, hier und da vielleicht auch 3 Spermatozoen einge-
drungen sind.

Von starken Agentien wollen wir sprechen, wenn ihre Itensität
so sehr gesteigert ist, daß fast bei allen Eiern Überfruchtung
durch 4, 5 und m.ehr Spermatozoen herbeigeführt wird. Man kann
dann die angewandte Bezeichnungsweise durch folgende Tabelle 0
erläutern.

1. Schwache Agentien, welche hie und da Doppel- und Drei-
fachbefruchtung verursachen, sind:

1. Nikotin 10 Min. 1 Trpf. Extr.: 1000 Wasser od. 5 Min. 1: 200

2. Strychnin 20 Min. 0.005 "/o od. 10 Min. O.Ol «/o

3. Morphium 2 Std. 0.1—0.2 "/o od. 1/4 Std. 0.6",,

4. Cocain 5 Mn. 0,025 "/o ?

5. Chinin 5 Mn. 0.005 "/o od. 5 Mn. 0.05 "/o

6. Chloral 12 „ 0.2 "/o

7. Wärme 10 „ 31" C.

2. Starke Agentien, bei deren Anwendung fast überall 4, 5
und mehr Spermatozoen eindringen, sind:

1. Nikotin 20 Mn. 1 : 1000 oder 5 Mn. 1 : 100

2. Strychnin 20 „ O.Ol„ 5 „ 0.1 «^/o

3. Morphium 5 Std. 0.4 «/o „ 2V2 Std. 0.6"/o

4. Cocain 5 Mn. 0.1 "/o

5. Chinin 1 Std. 0.005 0/0 „ 10 Mn. 0.05 «/o

6. Chloral 3 „ 0.2 «/o „ 5 „ 0.5 «/o

7. Wärme 45 Mn. 31" C. „ 5 „ 35» C.

Während die angewandten Mittel darin, daß sie Polyspermie
veranlassen, übereinstimmen, sind sie im übrigen von einander
sehr verschieden und zwar können wir im ganzen 3 Gruppen
bilden: auf der einen Seite stehen Chinin und Chloral, wahr-
scheinlich auch das nicht genügend untersuchte Cocain, auf der
anderen Seite Nikotin und Strychnin, eine mittlere Stellung nimmt
das Morphium ein. Der Einwirkungsweise von Chinin und Chloral
nähert sich übermäßige Erwärmung,

Die Erscheinungen, bei welchen die Unterschiede zu Tage

1) Zu dieser Tabelle bemerken wir, daß wir selbst am meisten
ihre Unzulänglichkeit beklagen. Es müßten, da die frischen Eier selbst
je nach dem Muttertier sehr verschiedenartig sind, die Versuche zahl-
reicher und noch methodischer angestellt werden. Immerhin ist die
Tabelle geeignet zu erläutern, was augestrebt werden müßte.

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treten, sind folgende: 1. die Bewegungen der Spermatozoen, 2. die
Bildung der Befruchtungshügel, 3. die Teilung der Eier, 4. die
karyokinetischen Vorgänge, 5. die Protoplasmastrahlung.

1. Die Bewegungen der Spermatozoen werden durch geringe
Dosen von Chinin und Chloral vollkommen zum Stillstand
gebracht. Da die Spermatozoen bei Zusatz von frischem See-
wasser zu neuem Leben erwachen, so werden sie nicht getötet,
sondern erfahren nur eine Lähmung ihrer Kontraktilität. Die
Befruchtungsfähigkeit des Samens wird nicht verändert; wenn bei
frischem Wasserzusatz die ersten schwachen Bewegungen auftreten,
beginnen auch ganz normale Befruchtungen der Eizellen. Mit
Erwärmung haben wir nicht experimentiert, glauben aber mit
ziemlicher Sicherheit voraussagen zu können, daß sie ähnlich
wirken wird.

Morphium scheint auf den männlichen Samen gar keinen
Einfluß auszuüben, ebensowenig mittelstarke Lösungen von Strychnin
und Nikotin; denn in Lösungen, welche bei kurzer Einwirkung
schon befähigt sind Polyspermie zu erzeugen, schwimmen die
Spermatozoen noch nach 2 Stunden lebhaft beweglich herum. Wir
haben zwar auch mit Nikotin das Sperma seiner Bewegungsfähig-
keit beraubt, aber es geschah das erst nach 1 stündiger Einwirkung
einer sehr starken Lösung, in welcher die Eier sofort zu Grunde
gehen würden, und bei der es daher recht wohl möglich wäre,
daß die gesamte Lebensenergie der Samenfäden, vielleicht sogar
ihre chemische Konstitution, Veränderungen erfahren hatte. Jeden-
falls muß man vorsichtig sein, hier von einem unmittelbaren Einfluß
auf die Kontraktionsfähigkeit ^der Elemente zu reden.

2. Die Bildung der Befruchtungshügel, jener Erhebungen des
Eiprotoplasma, welche die Eintrittsstelle der Spermatozoen mar-
kieren, leidet bei Chinin- und Chloralbehandlung und zwar scheinen
sie durch Chinin noch mehr als durch Chloral verkleinert zu werden.
Schwache Erwärmung bewirkt anfangs eine Vergrößerung der
Befruchtungshügel; bei längerer Dauer und höheren Graden da-
gegen ähnelt sie der Chininwirkung; die Bildung der Befruchtungs-
hügel kann hier sogar ganz unterbleiben, wenn z. B, die Erwärmung
auf 32 ö Celsius 1 Stunde lang fortgesetzt wird, oder wenn hohe
Temperaturen von 35—40« nur kurz angewandt werden.

Morphium verhält sich indifi\'erent, höchst auffällig dagegen
Strychnin und Nikotin. Selbst bei hochgradiger Polyspermie
sind die Hügel äußerst deutlich, und nicht unwesentlich größer
als bei normaler Befruchtung, während man doch eher hätte er-

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warten sollen, daß das Eiplasma weniger zur Bildung geeignet
ist, wenn es an vielen Orten gleichzeitig in Anspruch genommen
wird. Als einen recht in die Augen springenden Fall heben wir
hervor, daß bei Behandlung der Eier mit einer 0.25 "/o Lösung
zahlreiche große Befruchtungshügel sich bilden, obwohl dann in
der Abhebung der Eimembran schon eine Verlangsamung eintritt.

3. Über den Einfluß der Agentien auf die Eiteilung haben
wir ein sehr umfangreiches Material gesammelt; dasselbe bringt
den oben hervorgehobenen Gegensatz zwischen den beiden Gruppen
recht deutlich zum Ausdruck. In einer 0.6 Morphiumlösung teilen
sich die Eier fast ungestört, in einer 0.1 Lösung entwickeln
sie sich sogar einen ganzen Tag normal, auch wenn das Wasser
nicht gewechselt wird. Strychnin und Nikotin sind fast unschädlich
auch in Lösungen, welche schon hochgradige Polyspermie erzeugen.
Dagegen lähmen Chinin, Chloral und Wärme die Teilungsfähig-
keit des Eies in hohem Grade. Der Teilungsprozeß wird um
^/a Stünde hinausgeschoben, wenn Eier, welche auf dem Hantel-
stadium stehen, auch nur 10 Minuten lang in einer 0.05 o/o Chinin-
lösung belassen werden; eine Dauer von 20 Minuten hat eine
weitere Verzögerung von 15 Minuten zur Folge; bei einer halb-
stündigen Dauer wird die Gesamtverzögerung sogar auf IV2 Stunden
erhöht. Vielfach erhält das Ei überhaupt seine vollkommene
Teilungsfähigkeit nicht wieder, so daß Knospenfurchungen ent-
stehen. Vollkommener Stillstand der Teilung tritt sicher bei
starken Lösungen ein.

Noch intensiver wirken Chloral und Wärme; namentlich ist
hier die Nachwirkung so außerordentlich auffallend, bei Wärme
wiederum mehr als bei Chloral. Es scheint, als ob Eier, welche
nur 10 Minuten lang in Wasser von 32 C. verharrt haben, nie
ihre volle Teilungsfähigkeit wieder gewinnen.

4. Die Veränderungen, welche Chinin und Chloral bei der Ei-
teilung hervorrufen, beschränken sich nicht auf das Protoplasma,
sondern ziehen auch den Kern in Mitleidenschaft. Wenn dieser
sich schon zur Spindel gestreckt hat und unter den Einfluß der
genannten Reagentien gerät, wird er nicht nur in seiner Weiter-
entwicklung gehemmt, sondern erleidet sogar eine regressive
Metamorphose und wird wieder zu einem Bläschen. Die übrigen
Stoffe sind dagegen indifferent.

5. Sehr wichtig ist endlich für uns das Verhalten der an-
gewandten Reagentien gegenüber den Strahlungserscheinungen,
welche sowohl während der Befruchtung als auch während der

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Teilungen auftreten. Dieselben werden bei Chloral- und Chinin-
behandlung, ebenso durch hochgradige Erwärmung gänzlich unter-
drückt; entweder kommen sie gar nicht zur Ausbildung oder sie
verschwinden wieder, wenn sie schon vor der Behandlung vor-
handen waren. Erst spät, wenn die Chloral- und Chininlösung
gut ausgewaschen und die Einwirkungen vorübergegangen sind,
tritt Strahlung von neuem auf, sie kann bei den mit Chinin be-
handelten Eiern sogar dann stärker sein als normal, erreicht da-
gegen bei Chloralanwendung und Erwärmuug nie ihre volle Inten-
sität wieder. In der Nachwirkung besteht somit auch hier
wieder ein auffälliger Unterschied zwischen Chinin einerseits und
Chloral und Wärme andererseits.

Während Morphium sich indifferent verhält oder nur gering-
fügig der Strahlung entgegenwirkt, haben Nikotin und Strychnin
den entgegengesetzten Effekt. Namentlich durch Strychnin wird
die Strahlung in hohem Maße gesteigert. Selbst wenn eine 0.25
Lösung 10 Minuten lang gewirkt hatte, war die Strahlung der
Spermakerne sehr deutlich; eine Abschwächung, aber keineswegs
vollkommene Unterdrückung, trat erst bei einer Anwendung während
25 Minuten ein.

Wenn wir die soeben zusammengestellten Verhältnisse nun
noch einmal überblicken, um einen Rückschluß auf die Einwirkungs-
weise der Reagentien zu machen, so scheint uns am meisten Klar-
heit zu herrschen soweit als es sich um die Kontraktilitäts-
erscheinungen der Geschlechtsprodukte handelt. Diese werden
unzweifelhaft durch Chinin und Chloral herabgesetzt, wie man es
am deutlichsten an der Lähmung der Spermatozoen erkennen
kann. Aber auch das Unterbleiben der Teilung und die retrograde
Verwandlung des Kerns sind wohl Zeichen, daß die Befähigung
zu aktiver Bewegung vorübergehend aufgehoben wird. Umgekehrt
scheinen Nikotin und Strychnin die Kontraktilität in geringem
Maße zu erhöhen. Wir stellen die Ansicht nur als eine Ver-
mutung auf und werden dabei durch die Wahrnehmung bestimmt,
daß die genannten Reagentien eine verstärkte Bildung der Be-
fruchtungshügel veranlassen, in denen sich doch eine lokale Kon-
traktion des Plasma\'s ausspricht. Um sichere Ergebnisse zu ge-
winnen, müßte man methodischer, als wir es gethan haben, unter-
suchen, ob die beiden Substanzen in geeigneten Lösungen eine
Beschleunigung der Eiteilung oder der Spermatozoenbewegung
zur Folge haben.

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Wenn die Ansicht richtig ist, daß Chinin und Chloral lähmend,
Nikotin und Strychnin in geringem Maße erregend auf die Kon-
traktilität des Eies wirken, so ist damit ein neuer Gesichtspunkt
gewonnen für die

Deutung der Strahlungserscheinungen im Innern

des Eies.

Da dieselben aufgehoben werden durch lähmende Reagentien,
eine Steigerung erfahren durch erregende Mittel, so hätte man
Ursache die Strahlungsfigur als Ausdruck einer im Protoplasma
vor sich gehenden Kontraktion aufzufassen.

Nach unserer Ansicht sind der Spermakern und die Enden
des Furchungskerns Reizzentren, welche auf das Protoplasma er-
regend emwirken. Es ist naturgemäß, daß die homogenen Bestand-
teile des Plasma\'s, welche Sitz der Kontraktilität sind, nach dem
Punkte der Erregung hinströmen und hier eine Anhäufung er-
zeugen; es ist aber ferner naturgemäß, daß die Bewegung in
radialen Bahnen fortschreitet und dadurch auf die passiven Teile,
die Körnchen, einen richtenden Einfluß ausüben muß. Der
richtende Einfluß wird aber nur so lange zum Ausdruck kommen,
als die ihn veranlassende Bewegung eine energische, rasch fort-
schreitende ist. Wird die Bewegung durch lähmende Mittel ver-
langsamt, so wird die Körnchenanordnung unterbleiben und nur
die Anhäufung homogenen Plasma\'s im Umkreis des Kerns zu
Stande kommen. Daher sehen wir bei allen Lähmungen des
Protoplasmas, namentlich den durch Wärme veranlaßten, ein
Stadium eintreten, wo die Strahlungsfigur durch eine Anhäufung
homogenen Plasma\'s ersetzt wird, ehe sie gar nicht mehr zur
Ausbildung gelangt.

Namentlich die letztgenannte Erscheinung scheint uns gar
nicht mit der Deutung vereinbar zu sein, welche von früheren
Forschern, darunter auch solchen, die sich mit dem Gegenstand
intensiver beschäftigt haben, versucht worden ist.

Ausgehend von dem Umstand, daß eine ähnliche Anordnung
erreicht wird, wenn die Spitze eines Magneten in feinste Eisen-
teilchen getaucht wird, haben dieselben die reihenförmige Stellung
der Körnchen ebenfalls aus einer Anziehung erklärt, welche der
Spermakern oder in anderen Fällen die beiden Enden des Furchungs-
kerns auf die Protoplasmateilchen ausüben. Welcher Art diese
Anziehung wohl sein könnte, ob magnetoelektrischer oder
anderer
Natur, darüber hat man sich keine Vorstellungen gebildet.

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Für die ursächliche Erklärung der Strahlungsfiguren scheinen
uns von besonderer Bedeutung auch die Fälle zu sein, in denen
sich dieselben in einiger Entfernung vom Kern im Protoplasma
des Eies bilden. Am häufigsten haben wir sie gesehen, wenn die
normale Befruchtung eingeleitet, in ihrem Fortgang aber durch
Chloral gehemmt worden war. Wenn sich dann die unregelmäßigen
Kernfiguren ausbilden, werden häufig auch unregelmäßige Strahlungen
im Plasma sichtbar. (Taf.III, Fig. 19, 23, 24; Taf. IV, Fm. 2 5a-
Taf. VI Fig. 18.)

Weitere Bedingungen für die Ausbildung von reinen Plasma-
strahlungen werden geliefert, wenn zahlreiche Spermakerne in
ein Ei eingedrungen sind. Meist treten sie dann erst auf, wenn
die Vorbereitungen zur Teilung beginnen, aber auch vorher haben
wir sie gesehen in den Fällen, wo wir durch Schütteln abgelöste
Eistücke befruchtet hatten. (Taf. I, Fig. 9 und 16; Taf. II,
Fig. 5 und 15.)

Außer uns hat nur noch Carnoy i) Plasmastrahlungen beob-
achtet und zwar an Eiern von Ascaris megalocephala zur Zeit
der Richtungskörperbildung; er unterscheidet je nach ihrer Lagerung
zu dem Kerne Strahlungen erster, zweiter und dritter Ordnung.
Während nun
Carnoy die betreffenden Strahlen-
figuren für normale Bildungen hält, sind wir viel-
mehr der Ansicht, daß es sich um pathologische
Verhältnisse handelt. In den von uns beobachteten Fällen
ist es unzweifelhaft, daß abnorme Zustände vorlagen, da wir sie
künstlich herbeigeführt hatten; wir tragen aber kein Bedenken,
die Deutuüg auf die Beobachtungen
Carnoy\'s zu verallgemeinern,
und wollen unsere abweichende Auffassung mit kurzen Worten
begründen.

Wer die von Carnoy gegebenen Abbildungen betrachtet,
dem wird sofort die ganz außerordentliche Mannigfaltigkeit der-
selben auffallen. Die Figuren von den Protoplasmastrahlungen
und den karyokinetischen Veränderungen des Kerns weichen so-
wohl von dem ab, was wir sonst von den so äußerst regel-
mäßigen Vorgängen bei der Richtungskörperbildung wissen, als
auch lassen sie, untereinander verglichen, die nötige Gesetz-
mäßigkeit vermissen; dagegen liefern sie Seitenstücke zu den von
uns künstlich hervorgerufenen Mißbildungen der Kernfiguren. So
sehen wir die Richtungsspindel mit 4 und mehr Polen ver-

1) Caenot, La cytodierke de l\'oeuf, Louvain 1886.

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sehen, die Pole ab und zu deutlich, dann wieder undeutlich aus-
geprägt.

Wir haben uns mit solcher Bestimmtheit über den patho-
logischen Charakter der Eier, welche
Caknoy zu
seinen Abbildungen das Material geliefert haben,
ausgesprochen, weil wir uns nicht allein auf theoretische Er-
wägungen, sondern zugleich auch auf Beobachtungen stützen können.
Im zoologischen Institut zu München hat Herr Dr.
Bovert
mit einwurfsfreien Methoden die Bildung der Richtungskörper
und die Befruchtung bei Ascaris megalocephala neu untersucht
und dabei principielle Übereinstimmung mit den bei
anderen Tieren hierüber gemachten Beobachtungen
gefunden; er ist zum Resultat gekommen, daß das Untersuchungs-
objekt mit großer Vorsicht behandelt werden muß, weil die Eier
sich bei ungünstigem Verfahren leicht zu krankhaften Formen
fortentwickeln, ehe sie durch die Reagentien fixiert werden.

Indem wir von der Ansicht ausgehen, daß auch die Strahlungen,
welche sich in einiger Entfernung vom Kern befinden, durch Kon-
traktionen des Protoplasma\'s veranlaßt sind, liegt es nahe nach
einem im Zentrum vorhandenen Körper zu suchen, welcher als
Reizerreger hätte funktionieren können. Man könnte daran denken,
daß Teile des Kerns sich bei der pathologischen Umbildung ab-
gelöst und die Strahlungen veranlaßt hätten. Wir haben daher
mit Aufmerksamkeit nach solchen Kernteilen gesucht, aber keine
aufgefunden, woraus wir indessen einen Beweis für ihr Fehlen nicht
ziehen wollen; man muß nämlich die Schwierigkeit, welche dem Nach-
weis achromatischer Kernteile im Protoplasma entgegensteht,
berücksichtigen.

Nach einer Ansicht, welcher der eine von uns (R. Hertwig)
zuneigt, wäre es freilich nicht einmal notwendig, die Existenz
besonderer als Reizerreger functionierender Körper im Zentrum
der Strahlungen anzunehmen; es wäre denkbar, daß der Reiz auch
hier von den Kernenden ausgeht, während die Kontraktion in
einiger Entfernung von ihnen sich vollzieht. Einerseits könnte
das Protoplasma im Umkreis des Kerns die Fähigkeit der Kon-
traktion für einige Zeit verloren, die Fähigkeit der Reizleitung aber
bewahrt haben, andererseits aber wäre es möglich, daß die von
verschiedenen Punkten ausgehenden unregelmäßigen Kontraktions-
wellen sich zu neuen Kontraktionen kombinieren. Wir verzichten
zunächst darauf, diese Gesichtspunkte im einzelnen weiter zu
verfolgen.

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Erhöhte Erregbarkeit, Lähmung und Polyspermie sind nun
nicht die einzigen Veränderungen, welche durch die äußeren Ein-
griffe in den Eiern veranlaßt werden; nebenher gehen jedenfalls
auch Veränderungen in der chemischen Beschaffen-
heit der das Ei bildenden Substanzen selbst zu einer
Zeit, wo noch nicht Tod eintritt. So haben wir zweimal eine
merkwürdige Veränderung im Farbstoff der Eier beobachtet.
Wenn Eier in Chinin- oder Morphiumlösungen sich entwickeln,
verschwinden die braunen Pigmentkörnchen aus dem Protoplasma
und der Raum zwischen Ei und Dotterhaut nimmt ein lichtgelbes
Kolorit an. Offenbar wurde das Pigment gelöst und nach außen
befördert. Eier, welche mehrere Stunden in Nikotinlösung ge-
legen haben, werden körnig und trübe. Vielfach treten Trübungen
erst im Laufe der Entwicklung einige Zeit nach Einwirkung des
Reagens auf. So bilden sich z. B. im Dotter nach Chinin-
behandlung größere und kleinere, wie Fett glänzende Tropfen.
(Taf. II, Fig. 21, 22, 24.)

Wichtiger noch als diese sichtbaren Veränderungen sind jeden-
falls die für unser Auge nicht erkennbaren Störungen in der
feineren Beschaffenheit der Eizellen. Ganz abgesehen
von dem, was wir oben über die Kontraktilität gesagt haben, so
werden die Eier jedenfalls durch den Einfluß äußerer Eingrifie
vielfach eine gleichförmige Herabsetzung der Lebensthätigkeit er-
fahren. Es wird nicht überall leicht sein, aber man wird prinzi-
piell wohl unterscheiden müssen, ob eine bestimmte Funktion der
Eizelle unmittelbar durch die Einwirkung eines Reagens verändert
wird, oder mittelbar, weil sie einen Teil des in seiner Gesamtheit
veränderten Lebens darstellt.

Zweiter Absclmitt.

Veränderungen der normalen Besamung.

Will man die Besamung oder die äußeren Befruchtungserschei-
nungen abändern, so könnte man von vornherein drei Wege ein-
schlagen: 1. vor der Besamung beiderlei Geschlechtsprodukte in ab-
normer Weise beeinflussen, 2. die Beeinflussung auf die Spermatozoen
oder 3. auf die Eier beschränken. Von diesen drei Möglichkeiten ist
nur die zuletztgenannte verwertbar gewesen; denn die Samenfäden
können, soweit unsere Erfahrungen reichen, nicht verändert werden,

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ohne die Befähigung zur Befruchtung zu verlieren. Entweder
haben sie die Beweglichlieit, welche nötig ist, um in das Ei ein-
zudringen, eingebüßt, oder wenn das nicht der Fall ist, befruchten
sie nach unseren Erfahrungen in normaler Weise.

Wie wir bei einer früheren Gelegenheit auseinandergesetzt
haben, ist für die normale Besamung charakteristisch, daß nur
Ein Spermatozoon in das Ei dringt und zwar ein derselben Art
angehöriges. Abnorme Befruchtung tritt ein, wenn
Spermatozoen einer anderen Art die Befruchtung
bewirken,(Bastardierung) oder wenn bei Wahrung
der Art-Übereinstimmung viele Spermatozoen in das
Ei hineingelangen (Polyspermie). Es fragt sich
nun, welcher Art sind die Einrichtungen, welche
abnorme Befruchtungen verhindern.

Bei den Spermatozoen haben wir keine Eigenschaften ent-
deckt, welche das Zustandekommen einer normalen Befruchtung
auch nur begünstigten. Dieselben scheinen die Tendenz zu be-
sitzen, in jedwedes Ei und zwar in jeder Menge einzudringen.
Wir haben zwar nur wenige Versuche gemacht, sind aber der
Überzeugung, daß eine methodische Untersuchung zu gleichen Re-
sultaten führen wird, daß nämlich die Spermatozoen dieselbe
Tendenz besitzen, ein gleichartiges Ei wie das Ei einer anderen Art
zu befruchten.

Haben wir somit die Frage auf das Ei eingeschränkt, so
wäre zunächst zu entscheiden, ob die Bedingungen für Bastar-
dierung die nämlichen wie für Polyspermie sind.

Wir müssen zu unserem Bedauern eingestehen, daß wir noch
nicht in der Lage sind, hierüber ein entscheidendes Urteil zu
fällen; als wir über Bastardierung arbeiteten, hatten wir nicht
Zeit und auch nicht die genügende Ausrüstung, um eine methodische
Untersuchung vorzunehmen. Bei dem zweiten Meeresaufenthalt
dagegen fehlte uns das Material zur Bastardierung.

Immerhin wollen wir das Wenige, was wir ermittelt haben,
im Folgenden zusammenstellen.

Wenn man Eier längere Zeit in Wasser liegen läßt, dringen
einerseits in dieselben zahlreichere Spermatozoen ein, andererseits
gelingt es vielfach, sie in einer früher nicht möglichen Richtung
zu bastardieren. Je nach den Arten, welche man gewählt hat,
tritt die Bastardierungsmöglichkeit früher oder später als die
Überfruchtung ein. Somit wäre denn langer Aufenthalt im Meer-
wasser ein Mittel, um sowohl Bastardierung, als auch Polyspermie

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herbeizuführen. Man darf jedoch aus diesen Beobachtungen Iteine
weitgehenden Schlüsse ziehen. Denn bei langem Liegen leidet die
Lebensthätigkeit der Eizelle in allen ihren Einzelfunctionen: auch
andere Erscheinungen werden verändert, wie z. B. die Dotter-
haut nicht mehr gebildet wird und die Teilung häufig einen ver-
änderten Charakter annimmt.

Von Reagentien haben wir bei dem Aufenthalt in Sorrent nur
das Chloroform zu einigen Experimenten benutzt und gefunden,
daß Eier, welche genügend chloroformiert waren|
um überfruchtet zu werden, keine gesteigerte Ten-
denz zur Bastardierung zeigten. Wir hätten das Ex-
periment, welches uns damals außerordentlich überraschte, später
gern wiederholt und auch andere chemische Körper versucht,
haben aber bisher keine Gelegenheit dazu gehabt. Jedenfalls
wäre es von großem Interesse, wenn der Nachweis gelänge, daß
die zur Überfruchtung führenden chemischen Körper
entweder gar nicht, oder wenigstens nicht alle die
Bastardierung ermöglichen. Vielleicht giebt es auch
umgekehrt_ Mittel, welche die Tendenz zur Bastardierung, aber
nicht die Überfruchtung steigern. Dann würde der Nachweis ge-
führt sein, daß die regulatorischen Kräfte gegen Bastardbefruchtung
und gegen Polyspermie ganz verschiedener Natur sind, und würden wir
damit einen wichtigen Schritt zur Erkenntnis der im Ei schlum-
mernden Kräfte vorwärts gethan haben.

Bis ein erneuter Aufenthalt am Meer uns ermöglicht, die in
Sorrent begonnenen Untersuchungen fortzusetzen, wollen wir uns
auf die Besprechung der Polyspermie beschränken.

Polyspermie kann durch chemische, thermische
und mechanische Eingriffe herbeigeführt werden
und zwar wird die Zahl der befruchteten Sperma-
tozoen in demselben Maß vermehrt, als die Inten-
sität und die Einwirkungsdauer der angewandten
Agentien gesteigert werden. Nur bei Erwärmung scheint
ein Punkt einzutreten, von welchem ab eine Vermehrung der
Spermatozoen nicht allein aufhört, sondern die Befruchtung sogar
ganz unterbleibt, ein Punkt, der übrigens noch genauer verfolgt
zu werden verdient.

Wir wollen nun an der Hand unserer Resultate die Frage
erörtern, ob sich nicht aus der Qualität der Agentien und aus
der Art, in welcher sie zur Überfruchtung führen, manches zur

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Charakteristik der Kräfte, welche das Eindringen von mehr als
einem Spermatozoon verhindern, entnehmen läßt.

Zu dem Zwecke wollen wir zwei Hypothesen, welche schon
früher aufgestellt worden sind, nacheinander auf ihren erklärenden
Wert hin prüfen. Dieselben lauten:

1. Das befruchtende Spermatozoon veranlaßt eine Kontraktion
der Eizelle, welche das Eindringen weiterer Samenfäden unmöglich
macht.

2. Das befruchtende Spermatozoon regt das Ei zur Aus-
scheidung einer festen Membran, der Dotterhaut an, welche so
undurchdringlich ist, daß kein weiterer Samenfaden sich durch
sie durchzubohren vermag.

Nach unseren Experimenten scheint es nun ausgeschlossen zu
sein, die Kontraktilität des Eies zur Erklärung heranzuziehen.
Denn wir haben gesehen, daß Polyspermie nicht nur durch
lähmende Agentien herbeigeführt wird, sondern auch von solchen,
welche jedenfalls direkt keine lähmenden Eigenschaften besitzen,
sondern vielleicht sogar die Kontraktilität des Eies erhöhen. In
unserer Auflassung werden wir noch weiter durch die Wahr-
nehmung befestigt, daß es in beiden Gruppen Substanzen giebt,
welche schon in äußerst dünnen Lösungen wirken (Chinin in der
einen, Strychnin in der anderen Gruppe), während andere wiederum
eine stärkere Konzentration verlangen.

Ausführlicher haben wir uns mit der zweiten Hypothese zu
befassen, welche, bekanntlich seiner Zeit von
Fol aufgestellt
worden ist.
Fol lehrt, daß anfänglich das Ei nackt oder nur von
einer für Spermatozoen durchgängigen, weichen oder von Poren-
kanälen (Mikropyle) durchsetzten Membran umhüllt ist, und daß,
solange als dieser Zustand besteht, die Samenfäden in das Ei
eindringen können. Erst bei der Befruchtung wird als
eine Schutzvorrichtung gegen das Eindringen wei-
terer Spermatozoen die Dotter haut gebildet.
Fol
stellt sich den Vorgang so vor, daß das erste Spermatozoon,
welches die Oberfläche des reifen, aber unbefruchteten Eies be-
rührt, die sekretorische Thätigkeit des Dotters, deren erstes
Produkt die Dotterhaut ist, anregt. Vom Punkt der Berührung
aus breitet die Membranbildung sich so rasch über die Eioberfläche
aus, daß keine weiteren Spermatozoen Zeit finden, sich in den
Dotter einzubohren. Das zweite Produkt der Sekretion ist eine
Gallerte, welche zwischen Dotterhaut und Eioberfläche zu liegen

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kommt und erstere von letzterer abhebt, indem sie durch Imbi-
bition mit Flüssigkeit quillt.

Bei der Beurteilung der FoL\'schen Ansicht müssen zwei
Punkte auseinandergehalten und getrennt besprochen werden:

1. Wird die Dotterhaut erst bei der Befruchtung gebildet? und

2. ist sie das einzige oder auch nur überhaupt ein Schutzmittel
gegen Überfruchtung?

Während wir früher der Ansicht waren, daß die Dotter-
membran auch dem unbefruchteten Ei zukommt und bei der Be-
fruchtung nur durch Abhebung von der Eioberfläche deutlicher
wird, sind wir jetzt anderer Anschauung geworden mit Rücksicht
auf Erfahrungen, welche wir bei Befruchtung zertrümmerter Eier
gemacht haben. Wenn man ein Ei durch Schütteln in Stücke
zerlegt, so wäre es doch höchst unwahrscheinlich, daß auch die
Dotterhaut, ihre Anwesenheit vorausgesetzt, in Stücke zerfiele, und
zwar ebenso viele Stücke, als kleine Dotterkugeln vorhanden sind.
Wir würden vielmehr erwarten müssen, daß das größte Teilstück
die Dotterhaut für sich behielte, die übrigen aber als nackte
Protoplasmastücke aus der Umhüllung heraustreten und auch
nach der Befruchtung phne Membran bleiben würden. Thatsächlich
trifft aber das Gegenteil ein; auch bei den abgesprengten Teil-
stücken ohne Kern hebt sich die Dotterhaut ab, wenn Sperma-
tozoen in sie hineingelangen.

Übrigens ist die Befruchtung keineswegs der einzige Reiz,
auf welchen das Ei mit Abhebung der Dottermembran antwortet.
Wenn Eier in Meer Wasser geh i-acht werden, welches
mit Chloroform geschüttelt worden war, hebt sich
die Membran so vollständig und ganz in derselben
Weise ab, als ob d ie Befruchtung vollzogen worden
wäre. Hier werden die fein verteilten Chloroformteilchen, die
mit der Oberfläche des Dotters in Berührung kommen, lokale
Reize erzeugen. Bei Anwendung von Chloroform in gasförmigem
Zustand tritt die Abhebung nicht ein, wahrscheinlich weil hier
eine mehr allmähliche und gleichförmige Einwirkung des Mittels
stattfindet. Auch bei Anwendung von Lösungen des Chinin,
Nikotin, Strychnin etc. läßt sich das mit Chloroformwasser erhaltene
Resultat nicht herbeiführen. Solche mit einer Dotterhaut
versehenen Eier können nicht befruchtet werden,
was wohl erkennen läßt, daß die Spermatozoen
nicht vermögen, die Dotterhaut zu durchbohren.

Was nun den zweiten Teil der FoL\'schen Ansicht anlangt,

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daß die Dottermembran eine Schutzvorrichtung gegen Polyspermie
sei, so scheint derselbe auf den ersten Blick mit den von uns
gesammelten Beobachtungen unvereinbar zu sein.

Durch äußere Eingriffe haben wir einen Zustand der Eizelle
herbeiführen können, in welchem hochgradige Überfruchtung, in
manchen Fällen mit 10—15 Samenfäden, eintritt und die Dotter-
membran in ganz normaler Weise gebildet und abgehoben wird.

Die Erscheinungen sind bei Anwendung der verschiedensten
Agentien dieselben, gleichgültig, ob wir lähmende Substanzen wie
Chloral oder erregende wie Nicotin einwirken lassen. Um ein Beispiel
anzuführen, so genügt eine Behandlung der Eier mit einer 0.1 "/o
Strychninlösung während 5 Min. um eine hochgradige Polyspermie
zu bewirken, und trotzdem wird die Dottermembran, obwohl etwas
verlangsamt, noch gebildet, wenn man die Einwirkungsdauer auf
10 Minuten und die Konzentration auf 0.25 "/
q steigert.

Indessen ist es gleichwohl möglich, die neugefundenen That-
sachen mit den Ansichten Fol\'s in Einklang zu bringen. Wir
haben bei der Bildung der Dottermembran zwei
Eigenschaften des Protoplasma\'s zu unterscheiden:
1. seine sekretorische Fähigkeit, 2. seine Erreg-
barkeit. Wie eine Drüsenzelle ihr Sekret nur bei
einem bestimmten Maß der Erregung liefert, so
wird auch die Eizelle ein Minimum von Reiz not-
wendig haben, um die Membran zu erzeugen. Dieses
Minimum des Reizes oder die Reizschwelle sei bei normalen Eiern
durch das Eindringen eines Spermatozoon geliefert.

Nun wäre es gut denkbar, daß die sekretorische Fähigkeit
des Eies durch die genannten Einwirkungen zunächst gar nicht
verändert werde und nur seine Sensibilität eine Verminderung
erführe.

Je nach dem Grad der Herabminderung würde
derselbe Erregungszustand erst durch den dop-
pelten, dreifachen etc. Reiz herbeigeführt w erden.
Wo sonst ein Spermatozoon genügte, würden dann
zwei, drei oder meh r notwendig sein. Sowie aber
die benötigte Reizschwelle erreicht ist, würde die
Sekretion in ganz derselben Weise ausgelöst wer-
den wie normal.

Ob der Erklärungsversuch berechtigt ist, läßt sich in ein-
facher Weise experimentell prüfen, indem man die Konzentration
des Samens wechselt. Wir wissen, daß bei normalen Eiern die

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Konzentration des Samens keinen Einfluß hat, daß auch bei
großen Mengen von Samen gleichwohl nur ein Spermatozoon
befruchtet. Wäre nun nach Reagentienbehandlung alles geblieben
wie bisher, mit der Ausnahme, daß die Wirkung eines Sper-
matozoons erst durch zwei, drei und mehr Spermatozoen erreicht
würde, so müßte auch hier die Konzentration der Samenflüssigkeit
für den Grad der Polyspermie gleichgültig sein. Man müßte die
Experimente so einrichten, daß man ein und dasselbe mit Agentien
behandelte Eimaterial in verschiedene gleich große Portionen
teilte und mit dem gleichen Volumen Samenflüssigkeit befruchtete.
Die Samenflüssigkeit müßte demselben Thier entnommen und zu
den verschiedenen Befruchtungen auf das zwei-, drei- und vierfache
mit Meerwasser verdünnt werden, so daß in den gleichen Volumina

Va, Va oder 1/4 so viel Spermatozoen sind wie in der
Normalflüssigkeit.

Obwohl wir uns nun auch auf keine methodischen Experimente
berufen können, so scheinen doch die hier gemachten Voraus-
setzungen vollkommen zuzutreffen; aus einigen wenigen Versuchen
haben wir den Eindruck gewonnen, als ob auch bei den mit
Chloroform, Chinin etc. behandelten Eiern die Konzentration der
Samenflüssigkeit keinen Einfluß auf den Grad der Polyspermie habe.

Wenn es sich nun auch weiter bestätigen sollte, daß bei den
Eiern der Seeigel und zahlreicher anderer Tiere die Bildung der
Dotterhaut eine Schutzvorrichtung gegen Überfruchtung ist, so
kann doch nicht in Abrede gestellt werden, daß auch das Proto-
plasma als solches eine abweisende Kraft besitzt. Wiederholt
sind unter normalen Verhältnissen innerhalb der Dotterhaut Sper-
matozoen beobachtet worden; wir selbst haben es zweimal gesehen,
daß bei Eiern, welche nach Morphiumbehandlung polysperm
befruchtet worden waren, einige Spermatozoen im Zwischenraum
zwischen Ei und Dotterhaut herumschwammen und abstarben,
ohne in das Dotterinnere zu gelangen. Unter allen Umständen
müssen wir dem Eiplasma eine die Spermatozoen
abweisende Kraft zuschreiben, da ja bei den Bastar-
dierungen Spermatozoen verwandter Arten mit einer nicht zu be-
wältigenden Energie von der Befruchtung ausgeschlossen werden
Übrigens handelt es sich hier gar nicht um Eigenschaften
welche nur dem Protoplasma des Eies zukommen, da auch bei
den Protozoen analoge Verhältnisse nachgewiesen werden können
Zwei Amoeben haben es in ihrer Gewalt, wenn sie sich berühren,
zusammenzufliessen, oder ohne vorangegangene Verschmelzung sich

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wieder voneinander zu entfernen; ja selbst zwei Pseudopodien
desselben Tieres können getrennt bleiben oder durch eine Anastomose
sich vereinigen, was je nach der Art bald leichter bald schwieriger
gelingt. Von der Beschafienheit des Protoplasma hängt es jeden-
falls auch ab, ob Infusorien, z. B. zwei Paramaecien, miteinander
kopulieren.

Dritter Abschnitt.

Veränderungen in der Konjugation der Geschlechts-
kerne (innere Befruchtungsvorgänge).

Wie man es in der Hand hat, durch geeignete Behandlung
der Eier vor der Besamung abnorme Befruchtungen sei es Bastar-
dierung sei es Polyspermie zu erzeugen, so kann man auch durch
Einwirkung chemischer Agentien auf normal besamte Eier den
weiteren Verlauf der Prozesse, die sich im Inneren des Eies ab-
spielen und mit der Konjugation des Ei- und Spermakerns
enden, durch geeignetes Verfahren umgestalten, ohne daß dabei
das befruchtete Ei zu Grunde geht.

Unsere im speziellen Teil dargestellten Beob-
achtungen haben dargethan, daß man die Kopula-
tion der Kerne entweder nur verzögern oder dau-
ernd verhindern kann. Das erstere gelingt mittelst einer
0.05 «/ 0 Chininlösung, welche 1 Minute nach der Befruchtung
während 10 Minuten auf die Eizellen angewandt wird. Da das
Hantelstadium erst nach 2 Stunden eintritt, während es normaler-
weise ca. Stunden nach der Kopulation der Kerne sich aus-
bildet, können wir schließen, daß letztere um eine volle Stunde
verzögert wird. In der Zeit der Ruhe fehlt im Ei die Strahlung;
erst wenn diese wieder zur Geltung kommt, geht der Befruch-
tungsprozeß seinem Ende entgegen, und im weiteren Verlauf teilen
sich die Eier nahezu in normaler Weise. Mit der Verlangsamung
der inneren Befruchtung hängt es zusammen, daß der Spermakern,
wie wenigstens in einigen Fällen durch direkte Beobachtung fest-
gestellt werden konnte, nicht als kompakter Körper mit dem Ei-

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kern zusammentrifft, sondern zuvor zu einem Bläschen umgewan-
delt wird.

Ob durch verstärkte Chininwirkung die normale Vereinigung
der Kerne dauernd verhindert werden kann, haben wir nicht un-
tersucht; es ist aber sehr wahrscheinlich und wird sich wohl
durch methodisch durchgeführte Beobachtungen, die wir uns vor-
behalten, erweisen lassen, da das Resultat durch das so ähnlich
wirkende Chloral vollkommen erreicht werden kann.

Wenn wir die üntersuchungsreihen über die Chloralwirkung
überblicken, so haben sie sämmtlich das Gemeinsame, daß es nir-
gends zu einer normalen Befruchtung kommt. Dieses Resultat ist
zweifellos bei der ersten und dritten Serie, bei denen wir mit
Bestimmtheit haben verfolgen können, daß Eikern und Sperma-
kern getrennt blieben, ein jeder für sich Veränderungen eingingen
und sich teilten. Für die zweite Serie fehlten uns die entschei-
denden Stadien; wenn man aber bedenkt, daß sie zeitlich sich
zwischen beide schiebt, daß die Behandlungsweise die gleiche war
und daß die Anfänge einer gesonderten Metamorphose von Ei-
und Spermakern haben beobachtet werden können, so schwinden
wohl alle Zweifel daran, daß auch hier die innere Befruchtung
nicht zum Abschluß gelangt ist.

Bei Serie 4 begann die Chloralbehandlung mit dem Moment,
wo beide Kerne schon dicht zusammengefügt waren, und die Zu-
sammenfügung ihrer Substanzen nahm sogar die erste Zeit über
noch weiter zu. Nach der Ansicht yan Beneden\'s wäre hiermit
die Befruchtung schon vollendet, denn nach ihm sollen ja die Sub-
stanzen beider Kerne sich überhaupt nicht durchdringen, sondern
während aller Furchungsstadien nebeneinander hergehen. In-
dessen wir glauben, daß gerade die an der 4. Serie gewonnenen
Resultate der Ansicht v. Beneden\'s bestimmt widersprechen, wir
glauben behaupten zu können, daß selbst in diesen Fällen die Be-
fruchtung nicht abgeschlossen war.

üm unsere Ansicht zu beweisen, müssen wir etwas weiter
ausholen und im Zusammenhang die Veränderungen besprechen,
welche die Geschlechtskerne erleiden, wenn sie an der Kopulation
verhindert werden. Dieselben beginnen bei dem Spermakern, wel-
cher anwächst und sich mit Flüssigkeit umgiebt (Taf. III Fig. 12
u. 16, Taf. V, Fig. 1). Darin ist prinzipiell nichts Neues ge-
geben, da auch bei Eiern, wo die Befruchtung vor Ablauf der Ei-
reife erfolgt, eine Vergrößerung und Vakuolisierung des Sperma-
kerns eintritt in der Zeit, wo er genötigt ist, im Protoplasma

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des Eies zu verweilen, bis der Eikern die zur Vereinigung nötige
Beschaöenheit angenommen bat. In diesem Zustand ist daher
eine normale Befruchtung noch möglich, wie uns die Chininserie
gelehrt hat.

Dauern die eine Befruchtung hindernden Ursachen fort, so
tritt die faserige Differenzierung beider Kerne ein und damit er-
lischt — wenigstens müssen wir dieses Resultat aus unseren Be-
obachtungen entnehmen — die Fähigkeit der Kerne sich zu ver-
einigen. Bei der faserigen Differenzierung ist nun folgendes von
Wichtigkeit. Anfänglich verhalten sich beide Kerne verschieden,
so daß man lange Zeit Spermakern und Eikern unterscheiden
kann; der letztere durchläuft wahrscheinlich konstant das Fächer-
stadium, das Stadium einer einpoligen Faseranordnung (Taf. III,
Fig. 17, Taf. V, Fig. 17—19), auf dem von einem Punkt die
achromatischen Fäden radial ausstrahlen, während die chromatischen
Teile an ihren Enden angebracht sind. Der Kern wird dann all-
mählich 4 polig, indem die chromatischen Schlingen einen zentralen
Haufen bilden, die Spindelfasern dagegen von 4 Punkten aus di-
vergierend an und in diesen Haufen hineintreten (Taf III, Fig. 13,
18, 19; Taf. V, Fig. 22 u. 23).

Der Spermakern wandelt sich zu analogen Figuren um,
nur daß er kompakter bleibt. Der Fächerform ließe sich das Sta-
dium zur Seite setzen, wo am Körper des Spermakerns ein achro-
matischer stielartiger Aufsatz angefügt ist (Taf. III, Fig. 16;
Taf. V, Fig. 1); der 4 poligen Anordnung muß die Ordensstern-
form verglichen werden. Denn auch hier haben wir eine zentrale
wenn auch viel gedrungenere Anhäufung von Chromatin, welcher
4, häufig auch nur 3 Kegel von Spindelfasern aufsitzen (Taf. III,
Fig. 12, 18, 19 sp.; Taf. V, Fig. 16, 18, 25 etc.). Wir glauben,
daß diese Unterschiede, so interessant sie an und für sich sind, keine
grössere Bedeutung besitzen. Sie hängen damit zusammen, daß der
Eikern sich schon lange im Eiplasma befindet und durch Auf-
nahme von Flüssigkeit in eine Blase umgewandelt hat, in welcher
die Kernteile zu einem Netz auseinandergelegt sind. Obwohl
nun auch der Spermakern sich mit Kernsaft imbibiert hat, so ist
seine Masse doch nicht in gleichem Maße gelockert. Wir sind
fest überzeugt, daß bei der Chloralisierung von Eiern, in denen
vermöge der verlangsamten Art der Befruchtung der Spermakern ein
retikuliertes Bläschen und dadurch dem Eikern ähnlich geworden
ist, die Unterschiede schwinden werden. Wahrscheinlich wird
dann auch der Vorsprung schwinden, welchen der Eikern nament-

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lieh bei der dritten Serie vor dem Spermakern in der faserigen
Differenzierung gewonnen hat, und sie werden dann beide gleich-
zeitig das Stadium des Eosettenkerns erreichen.

Unter dem Namen „Rosettenkerne" haben wir Kernfiguren
beschrieben, bei denen das Chromatin eine Umlagerung von den
zentralen Partien an die Kernpole erfahren hat (Taf. III, Fig. 22;
Taf. V, Fig. 26—31). Die achromatischen Teile sind dabei im
Verhältniß zu früheren Stadien weniger verändert; nach wie vor
divergiren die Fasern von den einzelnen Polen, um einen benach-
barten oder einen opponierten Pol zu erreichen. Den Namen haben
wir daher auch mit Rücksicht auf die Anordnung des Chromatins
gewählt, weil dasselbe aus kleinen Stäbchen besteht, welche um
jeden Pol in Form einer Rosette angeordnet sind.

Auffallend ist auf diesem Stadium die Anzahl der Kernpole.
Dieselbe beträgt nicht immer, wie es auf dem früheren Stadium
die Regel ist, 4, sondern kann kleiner oder auch größer sein.
Außer 4 poligen giebt es 3, 5 und 6 polige Rosettenkerne. Im
ersteren Fall ist 1 Pol offenbar rückgebildet worden, in den bei-
den letzteren sind 2 Pole neu entstanden. Diese Unterschiede
hängen wahrscheinlich mit der geringeren oder größeren Verlang-
samung zusammen, welche unter dem Einfluß des Chlorals die
Kernmetamorphose erfahren hat. Durch unsere Untersuchungen
wissen wir, daß auch bei gewöhnlicher Zweiteilung des Kerns Te-
trasterfiguren entstehen, wenn durch äußere Einflüsse der normale
Verlauf des Prozesses behindert wird. Es ist das nicht ohne In-
teresse ; denn wir können daraus entnehmen, daß die Kräfte, welche
im Keru auf eine polare Differenzierung hinarbeiten, ununterbro-
chen thätig sind, auch wenn sie an einer Entfaltung nach außen
(Spindelbildung) verhindert sind. Ob 3, 4 oder 6 polige Kerne
entstehen, hängt davon ab, auf welchem Zustand innerer Verän-
derung dem Kern die Möglichkeit gegeben wird, die faserige Um-
wandlung z,u erleiden. Dieser Moment kann eintreten, wo der
Kern noch nicht vollkommen zur Vierteilung vorbereitet ist Dann
wird durch Anlage von 4 Polen der Versuch einer solchen ge-
macht, im weiteren Verlauf aber erlahmt gleichsam die Tendenz
und es entstehen — um gleich auf unsere Fälle die Nutzanwen-
dung zu machen — die 3 oder 2poligen Rosettenkerne; oder der
Moment ist später eingetreten, dann bilden sich 5 oder sogar 6
Pole aus.

Insofern bei den Rosettenkernen eine Verlagerung des ur-
sprünglich zentral angehäuften Chromatins an die Kernenden sich

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vollzogen hat, lassen sie sich als Teilungsfiguren deuten; die
Chromatinrosetten an den Polen sind dann den Seitenplatten bei
der normalen Kernteilung zu vergleichen, die mediane Anhäufung
des Chromatins, welche vorausgeht, wäre dann eine äußerst unre-
gelmäßig entwickelte Mittelplatte. Vielleicht gelingt es auch,
Spaltung der Stäbchen der Mittelplatte nachzuweisen und so die
Übereinstimmung mit gewöhnlicher Kernteilung noch klarer dar-
zuthun.

Immerhin sind die Unterschiede zur normalen Kernteilung schon
um diese Zeit nicht unbedeutend; ganz abgesehen davon, daß eine
größere Polanzahl vorhanden ist, haben auch die achromatischen
Fäden nie eine so reguläre Anordnung. Man vergleiche nur die
bei Polyspermie entstehenden Tetrasterfiguren (Taf. I, Fig. 16
u. 21; Taf. III, Fig. 3) und man wird ebenfalls finden, daß die
größere Zahl der Kernecken nicht den einzigen Unterschied aus-
macht.

Die Unterschiede zur normalen Teilung werden im Verlauf
noch deutlicher, insofern zwar eine Bildung von Tochterkernen
eintritt, der ganze Prozeß aber durch Verschmelzung der Teilstücke
wieder rückgängig gemacht wird (Taf. IV, Fig. 3, 4, 8, 12, 13,
15, 5). Dafür daß die Teilstücke nicht zu weiterer Entwicklung
befähigt sind, sondern sich wieder vereinigen, kann man die Chlo-
ralbehandlung nicht verantwortlich machen. Wenn 3 Stunden ver-
flossen sind, sehen wir in anderen Fällen, daß die Eier und ihre
Kerne sich so weit erholt haben, daß eine wenn auch etwas patho-
logische Teilung möglich ist. Auch stehen die Kernumwandlungen
nicht ohne jede Analogie. Bei den Infusorien z. B. teilen sich
vielfach Haupt- und Nebenkerne ebenfalls in Teilstücke, welche
nach einiger Zeit wiederum verschmelzen. Es müssen somit an-
dere Ursachen den Ausschlag geben und diese erblicken wir darin,
daß Eikerne und Spermakerne getrennte Kerne mit unvollkommenen
Eigenschaften sind. Was die Befruchtung leisten soll, eine Aus-
stattung der Kerne mit allen zum Zellenleben nötigen Eigen-
schaften, ist eben unterblieben.

Diesen Punkt im Auge behaltend kehren wir nun wieder zur
Frage zurück, ob die Fälle der Serie 4, in denen Ei- und Sper-
makerne sich zur Zeit der Chloraleinwirkung schon aneinander
gelegt hatten, eine normale Befruchtung repräsentieren (Taf. VI,
Fig. 12—15). Wir glauben die Frage verneinen zu sollen, weil
die Umbildungen des scheinbar einheitlichen Kerns dieselben sind,
wie die Umbildungen der getrennten Geschlechtskerne. Entschei-

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dend sind die Endstadien. Wir erhalten einen rosettenförmigen
Kern, welcher so viel Ecken hat, wie sonst Spermakern und Ei-
kern zusammen genommen, als wäre er durch eine Aneinanderla-
gerung beider gebildet (Taf. VI, Fig. 6, 7, 18, 19, 21, 22). Wir
haben ganz dieselbe Figur erhalten, wenn die faserig differenzierten
Geschlechtskerne erst später zusammentreten. Bei der Teilung
ergiebt sich, daß der Kern nicht die Qualitäten zu einer normalen
Fortentwicklung besessen hat. Denn alle Kernstücke verschmelzen
nach einiger Zeit von neuem (Taf. VI, Fig. 25, 26, 27 ; Taf. VII
Fig. 4—9). Und so sprechen wir uns dahin aus, daß eine ein-
fache Aneinanderlagerung der Kerne nicht für die
Befruchtung ausreicht, sondern eine Durchdrin-
gung beider Substanzen erforderlich ist. Indern
Chloral die Fähigkeit besitzt, auch da, wo die Kerne schon fest
aneinander gelagert sind, die weitere Durchdringung beider Sub-
stanzen zu verhindern, hebt es auch in vorgerückten Fällen die
Befruchtung auf.

Es wäre nun erwünscht, die Richtigkeit dieser Ansicht weiter
experimentell zu prüfen. Man müßte noch einige spätere Serien
(20, 25 u. 30 Minuten nach der Besamung) anfertigen; bei einer
derselben müßte gerade der Moment der gänzlich vollzogenen Be-
fruchtung getroffen sein, ohne daß die Vorbereitung zur Teilung
schon erkennbar wäre. Wahrscheinlich würde dann der Kern
ganz andere Bilder liefern. Leider haben wir zur Prüfung dieser
Frage kein Material und müssen den Entscheid derselben eben-
falls auf später vertagen.

Bei Erwägung aller Beobachtungen, welche die
Umbildung der isolierten und der vereinigten Ge-
schlechtskerne betreffen, sind wir zum Resultat
gekommen, daß nur dann, wenn die Substanzen von
Ei- und Spermakern sich ganz durchdringen, Kerne
entstehen,, welche mît allen für die weitere Ent-
wicklung nötigen Lebenseigenschaften ausgerüstet
sind, daß aber dieser Satz insoweit einer Ein-
schränkung bedarf, als auch ohne Vereinigung die
Kerne gewisse Eigenschaften gewinnen, die ihnen
ursprünglich fehlten. Es wird dies sofort klar, wenn wir
die Kerne der Geschlechtszellen vergleichen in den Fällen, wo eine
Vermischung der Sexualprodukte unterblieben ist, und in denjenigen,
wo eine Besamung ohne darauf folgende Vereinigung der Kerne statt-
gefunden hat. Der Kern der unbesamten Eizelle bleibt auch bei

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langem Liegen ein Kernbläschen; es ist gar nicht anzunehmen,
daß durch die Einwirkung des Chlorals darin ein Wandel herbei-
geführt werden würde, wenn wir auch die experimentelle Prüfung
dieser Frage, welche ja leicht auszuführen ist, zu einem sicheren
Entscheid für notwendig halten. Die Kerne der Spermatozoen
bleiben, wie wir durch vielfache Versuche wissen, unter allen Um-
ständen, auch bei Chloralisierung unverändert. Dagegen er-
halten Eikern und Spermakern die Eigenschaft,
ein jeder für sich getrennt sich faserig zu differen-
zieren und achromatische Fäden und chromatische
Schleifen zu bilden, wenn Ei und Samenzellen mit-
einander vereinigt werden.

Daher lohnt es sich die Ursachen zu untersuchen, welche die
Umstimmung der Kerne herbeiführen. Wenn der Eikern die
Fähigkeit zur faserigen Differenzierung und eine wenn auch un-
vollkommene Teilfähigkeit nur im befruchteten Eiplasma gewinnt,
so kann zweierlei dazu die Veranlassung sein, entweder die Ver-
änderung des Eiplasmas selbst, welche durch die Vermischung
mit Substanzen des Spermakörpers oder durch den thatsächlich
nachweisbaren Stoffaustausch zwischen Protoplasma und Sperma-
kern herbeigeführt wird, oder es ist irgend eine Art Fernwirkung,
welche der Spermakern auf den Eikern ausübt. Wir haben kein
Mittel, diese Frage nach der einen oder anderen Seite direkt zu
entscheiden, da es wohl kaum möglich sein wird, eine Befruchtung
so zu bewerkstelligen, daß nur die accessorischen Bestandteile des
Spermatozoons ohne den Spermakern bei der Befruchtung ein-
dringen.

Um die Veränderungen des Spermakerns zu erklären, stehen
uns ebenfalls 2 Möglichkeiten zu Gebote: entweder ist es ein vom
Eikern ausgehender Einfluß, oder der Einfluß der veränderten Um-
gebung, mit andern Worten der Einfluß des Eiplasmas. Im vor-
liegenden Fall können wir nun die erstere Möglichkeit ausschließen;
durch Schütteln von Eiern kann man Bruchstücke ablösen, welche
keinen Kern enthalten, in welche aber die Spermatozoen eindringen
und sich zu Spindeln umbilden (Taf. II, Fig. 15 u. 18). Daraus
geht mit Sicherheit das Eine hervor, daß das Ei-
plasma allein ausreicht, um den Spermakernen die
Fähigkeit zur Spindelbildung zu verleihen. Daß die
Art der Umwandlung eine andere ist, daß namentlich keine ßo-
settenkerne entstehen, wäre aus der mangelnden Einwii\'kung des
Chlorals leicht verständlich; es wäre aber auch denkbar, daß das

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Plasma in den abgelösten Stücken ein anderes ist als in dem Ei
mit Eikern. Man berücksichtige, daß ja dieser in Umbildung be-
griffen ist, daß dadurch fortdauernd eine Wechselwirkung mit dem
Protoplasma unterhalten wird, vermöge deren dasselbe jedenfalls
noch weitere Veränderungen erfährt. Wir haben allen Grund an-
zunehmen, daß solche Veränderungen beständig vor sich gehen
und daß das Protoplasma während aller der geschilderten Verände-
rungen zu keiner Zeit das nämliche bleibt. Um diese Auffassung
noch mehr zu befestigen, verweisen wir auf die höchst interessan-
ten gelegentlichen Beobachtungen, die wir in bezug auf das Ein-
dringen von Spermatozoen in unreife Eier gemacht haben. Die
äußeren Bedingungen waren in allen diesen Fällen die gleichen
(Chloralbehandlung); aber wie ganz verschieden das Verhalten
der Spermatozoen? Bei Eiern mit Keimbläschen gar
keine Veränderung, keine Reaktion von selten des
P rotopl asma\'s des Eies; wenn die Richtungsspindel
angelegt ist, bleiben die Köpfe der Spermatozoen
unverändert, aber die Strahlung des Plasma\'s ist
schwach ausgeprägt (Taf. VII, Fig. 2). Erst nach der
Bilduiig des ersten Richtungskörpers fängt der
Stoffaustausch zwischen Spermakern und Eiplasma
an, ohne daß aber dabei eine faserige Umbildung vorkäme. Die
Ei- und Spermakerne bleiben Bläschen (Taf. VII, Fig. 1).

Wie in so vielen Fällen so werden wir auch hier wieder dazu
geführt in den lebenden Substanzen eine Komplikation der Vor-
gänge auzunehmen, welche jeder mechanischen Erklärung spottet.
Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß wir überhaupt nicht
versuchen sollen, allmählich eine mechanische Erklärung der
Lebensvorgänge anzustreben und vorzubereiten; nur werden wir
uns mit wenigem bescheiden und schon uns zufrieden geben müs-
sen, wenn es gelingt, einen komplizierten Lebensvorgang in seine
einzelnen Componenten aufzulösen. Auch im Folgenden soll nichts
anderes angestrebt werden, wenn wir nun noch zum Schluß die
Frage aufwerfen, welche Kräfte im Ei thätig sind, um
bei normaler Befruchtung das Zusammentreffen
von Ei- und Spermakern herbeizuführen.

Da durch Chloralwirkung die Befruchtung aufgehoben wird,
muß diese chemische Substanz die Fähigkeit besitzen, vorüberge-
hend die treibenden Kräfte zu beseitigen. Über ihre Wirkungs-
weise können wir uns mit Bestimmtheit dahin äußern, daß eine
Lähmung des Protoplasma\'s eintritt. Die Eizelle verliert vorüber-

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gehend die Fähigkeit der Teilung; die Strahlungen, welche höchst-
wahrscheinlich auch Kontraktionserscheinungen sind, hören auf,
die Spermatozoen verlieren ihre Beweglichkeit. Alles das macht
es sehr wahrscheinlich, daß die Kontraktilität des Protoplasma
für das Zusammentreffen der Teile von großer Bedeutung ist.
Wir stellen uns die Verhältnisse folgendermaßen vor. Im normal
funktionierenden Ei erzeugt das Spermatozoon einen Reiz und löst
dadurch eine Kontraktion aus, welche zur Folge hat, daß die im
Protoplasma eingebetteten Körper, Ei- und Spermakern, durch eine
konzentrische Bewegung nach ein und demselben Punkt transpor-
tiert werden.

Man könnte dieser Erklärung den Einwand machen, daß da-
mit noch nicht verständlich sei, warum eine Annäherung der Kerne
auch dann unterbleibt, wenn die Chloralwirkung vorüber ist und
die Kontraktilität des Eies von neuem erwacht. Allein dann sind
die Bedingungen durchaus andere; dann wirken beide Kerne, ein
jeder mit mehreren Ecken, als Reizzentren. Anstatt daß nur
der Spermakern Ausgangspunkt einer einfachen Strahlungsfigur
ist, sind solche sowohl an seinen Polen wie an denen des Eikerns
in größerer Zahl entwickelt; ja in einiger Entfernung von den
Kernen frei im Protoplasma können Strahlungen auftreten. \'

Die Annahme, daß das Protoplasma eine Lähmung erfahren
hat, reicht zur Erklärung für das Unterbleiben der Befruchtung
nicht aus in den Fällen, wo Ei- und Spermakerne bei einander
liegen; denn dann hat ja das Protoplasma seine Rolle ausgespielt.
Wenn auch nicht in gleichem Maße, so muß durch Chloral auch
die Substanz des Kernes eine Lähmung erfahren. Das würde mit
den Erfahrungen stimmen, welche wir über Chloralwirkung bei
Teilung gesammelt haben, wo ja auch die Weiterentwicklung des
Kerns unterbleibt. Immerhin ist die Lähmung des Kerns nicht so
langdauernd; das Protoplasma ist noch wie tot und unbeweg-
lich, wenn im Kerne schon Veränderungen beginnen, wie die Va-
kuolisierung und später auch die faserige und chromatische Um-
bildung.

Wir haben bis jetzt die Fälle betrachtet, wo die Besamung
unter normalen Verhältnissen erfolgt war und nur der weitere
Fortgang der Befruchtung eine Störung erfahren hatte. In das
Kapitel, welches die Veränderung der inneren Befruchtung behan-
delt, gehören aber auch die Erscheinungen, welche eintreten, wenn
viele Spermakerne in das Plasma der Eizelle aufgenommen wer-
den. Auch dann begegnen wir interessanten Bildern, welche in

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den Mechanismus der Befruchtungsvorgänge uns manchen EinbUck
gestatten.

Wenn wir zunächst uns über das Schicksal des Eikerns ori-
entieren, so sind 3 Fälle möglich und von uns auch direkt beob-
achtet worden: 1. Der Eikern kopuliert nur mit 1 Spermakern;
bei der Teilung bildet er dann eine einfache Spindel. 2. Der
Eikern kopuliert mit 2 und mehr Spermakernen und erzeugt 4- und
mehrpolige karyokinetische Figuren (Taf.
1, Fig. 1—4). 3. Der
Eikern bleibt für sich und nimmt namentlich durch Flüssigkeits-
aufnahme rasch an Größe zu (Taf, II, Fig. 2) Der letztge-
nannte Fall tritt um so häufiger ein, je bedeuten-
der die Zahl der eingedrungenen Spermatozoen ist.
Von vornherein hätte man wohl das Gegenteil erwarten sollen;
wenn viele Spermakerne vorhanden sind, so wären die Aussichten,
daß beiderlei Kerne zusammentreffen, günstiger als bei Monosper-
mie, vorausgesetzt, daß das Zusammentreffen von mehr zufälligen
Momenten herbeigeführt würde. Von diesem Gesichtspunkt aus
gewinnt die Beobachtung sehr an Bedeutung, da sie uns erkennen
läßt, daß die Vereinigung der Geschlechtskerne von streng gere-
gelten Prozessen abhängt und daß die gesetzmäßige Verkettung
dieser Vorgänge unter anderem auch bei Polyspermie gelöst ist.

Auch die Annahihe, daß eine direkte Anziehung von Kern zu
Kern vorliegt, erscheint ausgeschlossen, denn auch hierfür würde
hochgradige Polyspermie günstige Bedingungen liefern, weil unter
vielen Spermakernen einige, vermöge größerer Nähe, in günstigere
Lage zum Eikern kommen müssen.

Dagegen erblicken wir in der behinderten Vereinigung der
Kerne einen neuen Beweis für die Ansicht, daß die normale Erle-
i digung der Befruchtung durch eine gesetzmäßig verlaufende Kon-

j traktion des Plasma\'s herbeigeführt wird, eine Kontraktion, welche

Eikern und Spermakern im Mittelpunkt der Kontraktionsbewegung
zusammentreibt. > Es ist selbstverständlich, daß die Vorbedingun-
gen hierfür nur gegeben sind, wenn ein einziger einheitlich wir-
kender Reizerreger in das Ei eingeführt wird, daß dagegen die
Aussichten um so ungünstiger werden müssen und dem Zufall
bei der Vereinigung der Kerne ein um so weiterer Spielraum
eingeräumt sein muß, je mehr Spermakerne im Ei vorhanden sind.

Bei der Polyspermie kommt noch eine zweite Abnormität zur
Beobachtung, welche in gleichem Sinn gedeutet werden muß.
Während bei normaler Befruchtung der Furchungs-
kern und demgemäß auch die Furchungsspindel

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eine zentrale Stellung annimmt, liegen dieselben
bei Polyspermie fast ausnahmslos exzentrisch.
Namentlich, wenn nur ein Spermatozoon mit dem Eikern kopuliert
hat und die Befruchtung, soweit es sich um Vereinigung der
Kerne handelt, möglichst normal verlaufen ist, scheint eine peri-
phere Lage der Spindel die Regel zu sein. Unregelmäßigkeit
der Kontraktionsbewegung infolge zahlreicher Reizerreger ist
auch hier wohl die naturgemäßeste Erklärung. Die Unregelmäßig-
keit wird sich mindern, je mehr Spermakerne in den Eikern auf-
genommen werden, weil dann seine Wichtigkeit als Kraftzentrum
sowohl absolut durch Vermehrung seiner Masse, als auch relativ
durch Verminderung konkurrierender Faktoren zunehmen wird.

Dementsprechend liegen die aus vielbefruchteten Furchungs-
kernen hervorgehenden karyokinetischen Figuren mehr oder minder
zentral.

Wir nehmen hier die Gelegenheit wahr, auf die exzentrische
Lage der Spindel aufmerksam zu machen, welche auch zu be-
obachten ist, wenn Eier vor der Befruchtung erwärmt werden.
War die Wärmeeinwirkung nicht allzu stark, so dringt meist nur
ein Spermatozoon ein; es kann der Spermakern auch mit dem Ei-
kern verschmelzen. Trotzdem bleiben Furchungskern und Furchungs-
spindel exzentrisch, weil die Kontraktilität des Protoplasma durch
Wärme gelähmt wird.

Gehen wir nun zur Vereinigung der Kerne selbst über, so haben
wir mit Sicherheit feststellen können, daß zwei bis drei Spermakerne
mit dem Eikern verschmelzen. Von vornherein muß man schon
erwarten, daß die Spermakerne nicht auf einmal dem Eikern ein-
verieibt worden sind, sondern sich ihm nach und nach angefügt
haben. Die Beobachtung giebt uns hierfür Beweise an die Hand.
Die Substanz von 1—2 Spermakernen kann dem Retikulum des
Eikernes schon fast vollkommen eingefügt sein, wenn andere
erst eine oberflächliche Anlagerung erzielt haben. Die Fähig-
keit des Eikernes, Spermakerne in sich aufzu-
nehmen, scheint somit eine bedeutende zu sein und
fortzudauern, auch wenn schon eine oder mehrere
Kopulationen stattgefunden haben.

Vielfach spricht man bei der Befruchtung von dem Ausgleich
geschlechtlicher Differenz und denkt dabei an die Verhältnisse
chemischer Verbindungen, wo ein Ausgleich d. h. Neutralisierung
eintritt, wenn Säuren und Alkalien vereinigt werden. Das scheint
nun nach dem Obigen eine schlechte Analogie zu sein, da die

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Affinitäten des Eikernes zur Substanz des Sperniakernes nicht
vermindert werden, wenn er männliche Kernsubstanz in sich auf-
genommen hat.

Bei den von uns erzielten Polyspermieen ist noch von Wichtig-
keit das Schicksal der Spermakerne, welche nicht mit dem
Eikern sich vereinigen. Diese erleiden die faserige Differenzierung
und gehen in kleine Spindelchen über, welche sich nur durch
ihre geringere Grösse von regulären Furchungsspindeln unter-
scheiden , im weiteren Verlauf sich auch wie diese teilen.
Was aus den Teilprodukten wird, bedarf genauerer Unter-
suchung.

Wir begegnen hier auf\'s neue der Eigenschaft
des Spermakerns, im Ei seine Teilungsfähigkeit
wiederzugewinnen, wenn er vom weiblichen Kern
getrennt gehalten wird; wir haben oben schon auseinander-
gesetzt, warum wir annehmen müssen, daß für die Veränderung
allein das Plasma des reifen Eies maßgebend ist; ebenso haben
wir schon die einzelnen Möglichkeiten erörtert, welche herangezogen
werden können, um zu erklären, weshalb der Spermakern in vielen
Fällen zu einer Spindel wird, während er in anderen Fällen (bei
Behinderung der inneren Befrachtung durch Chloral) eine vier-
polige Figur erzeugt, so daß wir nicht nötig haben, darauf zurück-
zukommen.

Spermaspindeln können sich mit dem inTeilung

begriffenen Furchungskern nachträglich vereinigen,

indem sie mit einem Ende in einen der Pole des-
selben eintreten. Prinzipiell ist dieser Vorgang derselbe,
als wenn die vierpoligen Kerne, welche entstehen, wenn Eikern
und Spermakern durch Chloral an der Vereinigung verhindert
werden, durch Aneinanderlagerung sich zu einer sechs- oder
siebenpoligen Figur kombinieren. Man kann das nicht als eine
nachträgliche Befruchtung auffassen, denn von den beiden teilweise
vereinigten Kernen kommen jedesmal nur die einander zuge-
wandten Enden zu der für das Wesen der Befruchtung nötigen
innigen Durchdringung, während die anderen Enden getrennt
bleiben.

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Vierter Abschnitt.

Abänderung der Furcbungserscheinungen.

Den Furchungsprozeß haben wir bei unseren
Experimenten in dreifacher Weise verändert: 1.
indem wir die Eier nach der Befruchtung mit Rea-
gentien behandelten, 2. indem wir die Eier poly-
sperm befruchteten, 3. indem wir das Zustandekom-
men der Befruchtung verhinderten. Wir haben dabei
die auffallende Wahrnehmung gemacht, daß bei
der ersten und zweiten Behandlungsweise sehr viel
ähnliche Bilder entstehen, welche wir an erster
Stelle besprechen wollen.

Manche der von uns angewandten Mittel haben auf den Ver-
lauf der Furchung so gut wie gar keinen Einfluß, entweder weil
sie durch die Dotterhaut am Eindringen behindert sind, oder, was
das Wahrscheinlichere ist, weil sie die für den Furchungsprozeß
wichtigen Eigenschaften des Eies nicht verändern. So scheinen
Morphium, Strychnin, Nikotin etc. nur insofern zu wirken, als sie
im allgemeinen schädlich sind und die Lebensfähigkeit des Eies
herabsetzen.

Dagegen sind Chinin und Chloral für uns von großer Wichtig-
keit, da beide nicht allein den Furchungsprozeß verzögern, sondern
sogar bewirken, daß vorbereitende Kern- und Dotterveränderungen
wieder rückgängig gemacht werden. Die Unterschiede zwischen
beiden Reagentien sind von keiner prinzipiellen Bedeutung, so daß
wir sie hier unter Hinweis auf den speziellen Teil unberück-
sichtigt lassen können.

Wenn der Furchungskern schon die Form der Spindel an-
genommen hat und der Chloral- oder Chininwirkung unterliegt,
so verliert er seine faserige Beschaffenheit und wird ein Haufen
kleiner Bläschen, wie sie auch bei der Kernteilung durch Um-
wandlung der Chromatinteilchen entstehen. Die Bläschen ver-
schmelzen zu einem einheitlichen Kern, welcher wesentlich größer
ist als der Furchungskern. Wenn nun die ]<]izelle sich erholt,
beginnt auch wieder die unterbrochene Kernteilung (Taf. III,
Fig. 1—5 und Fig. 6—11); nur entstehen jetzt an 4 ungefähr
gleich weit voneinander entfernten Punkten der Oberfläche
Strahlungen und im weiteren Verlauf 4 Spindeln, welche so im
Viereck angeordnet sind, daß je zwei Enden benachbarter Spindeln

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im Mittelpunkt einer Strahlung zusammentreffen. Dazu kann noch
eine fünfte diagonal gestellte Spindel kommen, was es mit sich
bringt, daß zwei gegenüberliegende Strahlungen je 3 Spindelenden
enthalten (Fig. 3). Andererseits kann aber auch eine von den
4 typischen Spindeln verlagert sein, die 3 anderen schließen dann
zu einem Dreieck zusammen (Fig. 1), die 4. Spindel beginnt mit
emem Ende an einer Spitze des Dreiecks und ragt mit dem andern
Ende in den Dotter hinein. Wenn es nunmehr zur Teilung
kommt, entstehen in allen Fällen 4 Kerne, ein Zeichen, daß jene
Variationen des Prozesses von untergeordneter Bedeutung sind.
Die 4 Kerne teilen sich im weiteren Verlauf durch regdmäßig
erfolgende Spindelbildung weiter. Nur das Protoplasma verhält
sich lange Zeit über pathologisch. Bei Chinin weniger als bei
Chloral ist es gelähmt und kann infolgedessen den Verände-
rungen des Kerns nicht folgen. Gewöhnlich werden die Teilungen
unvollständig.

Aus der Reihe der mitgeteilten Erscheinungen ist für uns
das Wichtigste, daß der Kern in seinen Umgestaltungen aufge-
halten wird und sich wesentlich verspätet teilt; in der Zwischen-
zeit hat er sich aber durch Substanzaufnahme vergrößert, wodurch
es ihm ermöglicht wird, sich direkt in 4 Stücke zu teilen. Der
gesamte Entwicklungsprozeß würde somit nicht verlangsamt werden
wenn nicht durch die Reagentienbehandlung das Protoplasma
dauernd geschädigt und das Ineinandergreifen der Kern- und
Protoplasmaveränderungen gestört worden wäre.

Während der normalen Furchungsstadien fin-
den am Kern 2 Vorgänge statt, eine Zunahme an
Masse (Wachstum) und die karyokinetischen Pro-
zesse (Metamorphose). Sie laufen parallel und in gleichem
Rhythmus nebeneinander her. Chinin und Chloral stören
nur die Karyokinese, während die Substanzauf-
nahme daneben unbehindert sich vollzieht; schon
früher haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß ein Kern ge-
zwungen werden kann zu wachsen, ohne sich zu teilen, daß in
dieser Hinsicht kein enger Zusammenhang zwischen beiden Pro-
zessen besteht; um so auffallender ist es, daß die Teilung vom
Wachstum beeinflußt wird, indem eine bestimmte Größenzunahme
des Kerns direkte Vierteilungen veranlaßt.

Ähnliche Kernveränderungen, wie wir sie durch Chinin und
Chloral herbeigeführt haben, treten auch bei Polyspermie ein.
Mag die Vereinigung des Eikerns mit 2 Spermakernen durch

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längeres Liegen, durch Behandlung mit Chinin, Chloral, Nikotin,
Strychnin etc. eingetreten sein, stets bildet sich der Kern direkt
zum Tetraster um; auch die soeben erwähnten Modifikationen des
Tetrasters kommen vor; es kann eine diagonale Spindel noch hin-
zutreten oder es kann eine Spindel mit einem Ende ausscheiden
worauf die übrigen zu einem Dreieck zusammenschließen. In allen
diesen Fällen sind 4 Kerne und 4 meist gut von einander ge-
trennte Furchungskugeln das Produkt der ersten Teilung.

Neue aber nach gleichem Prinzip aufgebaute Kernfiguren
entstehen, wenn mehr als 2 Spermakerne zum Eikern geschlagen
werden. Die Zahl der Kernpole nimmt ganz bedeutend zu, wahr-
scheinlich im allgemeinen in einem gewissen Verhältnis zur Zahl
der zur Vereinigung gelangten Spermakerne. Es entstehen Kern-
figuren mit 7—19 Spindeln und 5- 8 Polen. Die Vierteilung
wird durch unregelmäßige Teilungen in 3, 6, 8 Stücke oder
endlich in viele Stücke ersetzt. Die Teilung verliert ihren nor-
malen Charakter auch insofern, als die Teilstücke lange Zeit
durch Brücken untereinander verbunden bleiben oder sich über-
haupt nicht vollkommen voneinander trennen.

Da in allen Fällen eine Schädigung der Eizelle durch Re-
agentien oder mechanische Eingriffe der Polyspermie vorangegangen
ist, so könnte man zweifelhaft sein, inwieweit die Schädlich-
keitenfür die eigentümliche Art der Kernteilung verantwortlich
gemacht werden müssen, wenn nicht 2 Momente klar beweisen,
daß mindestens in vielen Fällen die Polyspermie allein genügt,
um die wichtigen Erscheinungen hervorzurufen.

L Bei Erzeugung von Polyspermie durch Morphium, Strychnin,
Nikotin, also Reagentien, welche den Teilungsprozeß an und für
sich gar nicht oder fast gar nicht beeinflussen, treten Tetraster
und Polyasterfiguren auf, welche nicht aus Reagentien-
wirkung, sondern nur aus Vielbefruchtung erklärt
wer den können.

2. Von Wichtigkeit ist der Zeitpunkt, in dem die Vierteilung
eintritt. Bei doppelt befruchteten Eiern tritt die Vierteilung ein,
wo andere normal befruchtete Eier sich zweiteilen; sie ist also
nicht verzögert, wie es sein müßte, wenn die An-
wendung von Reagentien Ursache wäre.

Beide Momente zusammengenommen beweisen unzweifelhaft,
daß die Doppelbefruchtung mit Notwendigkeit zur Vierteilung
führt.

Da das Eindringen von 2 Spermatozoen in das Ei schon

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wiederholt vermutungsweise als Ursache der Zwillingsbildun<^
angesehen worden ist, so liegt es nah, die direkte Vierteilung als
ersten Anfang einer Zwillingsbildung zu deuten. Dieser Idee
nachgehend, haben wir versucht, ob sich vielleicht die Vierteilung
und die daran anschließenden weiteren Furchungen bei Doppel-
befruchtung von den entsprechenden Vorgängen bei chloralisierten,
monospermen Eiern unterscheiden lassen. Es könnte ja durch
die Anordnung der Furchungskugeln der Beweis beigebracht
werden, daß eine Doppelanlage im Ei vorhanden ist. Trotz wieder-
holter Versuche sind unsere Bemühungen resultatlos geblieben.
Auch liegt zunächst wenigstens eine andere Möglichkeit der Er-
klärung näher. Durch das Eindringen von 2 Spermakernen ist
der Eikern in einen Zustand versetzt, den er bei Chloralbehandlung
ebenfalls erreicht; er hat bedeutend an Masse zugenommen und
einen Umfang gewonnen, den er dort wesentlich später und auf
anderem Wege, durch Ernährung vom Protoplasma aus, erreicht
hat; es wäre wohl denkbar, daß eine gewisse Größen-
zunahme des Kerns allein schon ausreicht Vier-
teilung zu erzeugen, gleichgültig ob dieselbe durch
abnormes Wachstum oder durch Aufnahme eines
zweiten Spermatozoon veranlaßt wurde.

Wir wollen hiermit nicht sagen, daß einem jeden Wachstum
des Kerns dieser Einfluß auf die Teilung zukommt. Bekanntlich
vergrößern sich manche Kerne, wie das Keimbläschen des Eies
zu abnormer Größe und verlieren dabei jede Teilfähigkeit. Man
wird daher zu der Annahme gezwungen, daß beim Wachstum des
Kerns eine bestimmte Konstitution, vielleicht ein bestimmtes
Mischungsverhältnis der verschiedenartigen Kernsubstanzen gewahrt
bleiben muß.

Da wir auf die Frage der Zwillingsbildungen geführt worden
sind, wollen wii; gleich zusammenstellen, was wir hierüber bei
Beobachtung der Weiterentwicklung der polyspermen Eier ermittelt
haben. Während unseres Meeresaufenthalts haben wir dieser
zuerst von Fol angeregten Frage ganz besondere Aufmerksamkeit
gewidmet. Wir haben Tausende von Larven aus überfruchteten
Eiern gezüchtet und auf dem Gastrula- und Pluteusstadium unter-
sucht, da voraussichtlich um diese Zeit Zwillingsbildungen am besten
hätten erkannt werden müssen. Allein unsere Ausbeute war eine
ganz verschwindende, wir haben einige wenige Larven mit dop-
pelter Gastrulaeinstülpung und einige wenige Plutei mit doppelter
Spitze aufgefunden. Die geringe, höchstens ungefähr zehn betragende

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Zahl von Doppelgastrulae steht in gar keinem Verhältnis zu den
Tausenden von einfachen Gastrulae, welche wir aus überfruchteten
Eiern gezüchtet haben, sodaß man sie keinenfalls als Beweise für
die Ansicht, daß Doppelbefruchtung Doppelmißbildungen verursacht,
, ausnutzen kann. Immerhin möchten wir auch nicht die Theorie
dadurch für widerlegt halten. Da wir vom Seeigel keine Doppel-
mißbildungen kennen, wäre es wohl möglich, daß diese Tiere un-
günstige Organisationsbedingungen besitzen. Es könnten ja gleich-
wohl zwei Anlagen vorhanden gewesen sein, von denen aber nur
eine sich entwickelt, die andere mit jenen wenigen Ausnahmen
sich rückgebildet hätte. Wir wollen daher später noch einmal
auf die Frage zurückkommen und dann mit Tieren experimentieren,
welche ebenso günstige Eier wie die Seeigel haben, bei denen aber
das Vorkommen von Doppelmißbildungen schon festgestellt ist.

Frommannsclie Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena,

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