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Die Säugetierontogenesp

in iiirer Bedeutung
für öle Phylogenie öer Wirbeltiere

Von

A. A. W. Hubrecht

in Utrecht

Mit 186 Textfiguren

Verlag von Gustav Fischer in Jena

1909

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Die Säugetierontogenese

in ihrer Bedeutung
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A. A. W. Hubrecht

in Utrecht

Mit 186 Textfiguren

Verlag von Gustav Fischer in Jena
1909

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Alle Beeilte vorbehalten.

"Weimar. — Druck von R. Wagner Sohn

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Inhalt.

Seite

Vorwort...........................V

Kapitel 1. Die ersten Zellschichten ....................i

Einleitung . ..........\'..................l

A. Die monodelphen und didelphen Säugetiere..........3

1. Die Morula der Säugetiere..........................4

2. Die Herkunft des Entoderms........................8

3. Entwicklungsphasen des zv;eischichtigen Embryonalschildes . . 9

4. Die Gastrula der Säugetiere..........................17

5. Theoretische Betrachtungen über den Ursprung des Trophoblastes 22

B. Ornithodelphe Säugetiere und Sauropsida....................27

C. Ichthyopsida...................37

Kapitel II. Weitere Entwicklung der zwei Keimschichten

der Vertebrata bis zum Auftreten der Somiten .... 39

I. Säugetiere (Mono- und Didelphia)............39

1. Entwicklungsprozesse im Entoderm..........39

2. Entwicklungsvorgänge im Ektoderm..........48

3. Gegenseitige Beziehungen zwischen den Proliferationszentren . . 56

II. Amphibien....................65

III. Sauropsida und Ornithodelphia.............76

IV. Fische......................88

Zusammenfassung der Kapitel I und II...........97

Kapitel III. Diplotrophoblast = Seröse (subzonale) Membran,
Chorion, Amnion, Allantois und Nabelblase in der Onto-
und Phylogenese.................99

1. Chorion und Amnion...............loo

2. Die Nabelblase.................llB

3. Die Allantois..................123

Kapitel IV. Der Anteil des Trophoblastes an der Er-
nährung und an der Festheftung des Embryos ....
 138

1. Didelphia non-placentalia..............138

2. Monodelphia..................141

3. Didelphia placentalia ...............161

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Seite

Kapitel V. Verschiedenes über Plazentation......165

1. Embryonale (trophoblastische) und mütterliclie (trophospongiale)
Vorbereitungen.................165

2. Der klassifikatorische Wert der PJazenta.........179

3. Die Phylogenie der Plazenta ............■ 181

4. Zusammenfassung der Kapitel IV und V........202

Kapitel VI. Erwägungen, welche die Phylogenese und die

systematische Einteilung der Vertebraten betreffen . . 204

Literaturverzeichnis ...................230

Sachregister......................238

Namenregister.....................242

Autorenregister.....................246

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Vorwort.

Das vorliegende Buch ist eine fast wörtliche, von mir
selbst angefertigte und deshalb keineswegs tadellose Über-
setzung vom ersten Hefte (November 1908) des 53. Bandes
des Quarterly Journal of Microscopical Science.

Ein nicht unwesentlicher Teil des Inhalts wurde im Laufe
der letzten zwanzig Jahre in zehn verschiedenen Zeit- und
Gesellschaftsschriften veröffentlicht; diese Abhandlungen sind
somit recht zerstreut. Das Fehlen einer zusammenhängenden
Bearbeitung des Studienmaterials, sowie Resultate fortgesetzter
Reflexion und rezenter Beobachtung ließen deshalb die hier
gegebene Zusammenfassung wünschenswert erscheinen.

Dem Herrn Verleger sowie Herrn Prof. J. W. Spengel,
Fräulein Dr. van Herwerden und meinen Assistenten Dr. Ihle,
Fräulein A. D. Lens, Fräulein G. Wynhoff und Herrn de Groot
möchte ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus-
sprechen für die mir in verschiedenster Form verliehene Hilfe.

21. Juli 1909.

Hubrecht.

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Kapitel 1.

Die ersten Zellschichten.

Einleitung.

Der Befruchtungsvorgang leitet im Ei die bekannte Reihe
von Zellteilungen ein, M^elche bei
Amphioxus eine Gruppierung
der ersten Furchungszellen zu einer hohlen Maulbeerform her-
vorruft, während bei den Knorpelfischen, bei den Reptilien
und Vögeln die Furchungszellen schildförmig an einem Pol
des Dotters gelagert sind, welcher letztere, obwohl ursprüng-
lich einen Teil des Eies bildend, bald die Gestalt eines embryo-
nalen Anhanges annimmt.

Bei den Amphibien und bei gewissen mehr archaischen
Fischen wiederum, wo der Dotter viel weniger stark entwickelt
ist, findet eine Furcliung des ganzen Eies in toto statt, während
man bei Teleostiern einen großen Nahrungsdotter antrifft mit
einer von demjenigen der Knorpelfische und Sauropsiden etwas
abweichenden Lagerung der verschiedenen Teile. Bei den
Säugetieren unterliegt die ganze Eisubstanz einer Furchung
(holoblastische Furchung gegenüber der meroblastischen der
Knorpelfische und Sauropsiden), die weitere Entwicklung aber
gleicht mehr und mehr derjenigen der Reptüien, bei welchen
letzteren eine reichliche Dottermenge angetroffen wird, eine
Tatsache, welche zu dem falschen Schluß führte, daß die Säuge-
tierkeimblase aus demjenigen der Sauropsiden abzuleiten wäre
durch allmählichen Dotterschwund mit Beibehaltung der übrigen
Entwicklungscharaktere. Später werden wir Gelegenheit finden,

Hub rech t , Embryologie. 1

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auf den Wert dieser phylogenetischen Betrachtungen näher
einzugehen.

In diesem Kapitel haben wir die allerersten Prozesse zu
betrachten, durch welche das aus der Eifurchung entstandene
Zellmaterial in die grundlegenden Zellschichten umgebildet
wird, aus welchen die verschiedenen Organe des erwachsenen
Tieres allmählich ihren Ursprung nehmen.

In erster Linie müssen wir die zahlreichen und wichtigen
Untersuchungen hervorheben, besonders bei den Invertebraten,
wo die Furchungszellen während der Organogenesis möglichst
weit zu ihrer Endbestimmung verfolgt wurden (Wilson u. a.).
Diese Untersuchungen über den sogenannten "Cell-lineage"
(Zellenstammbaum) fanden bei solchen Würmern und Mollusken
statt, welche möglichst durchsichtige Eier haben, und von wie
großer Bedeutung die erlangten Resultate auch sein mögen, so
hat man vorläufig von ähnhchen Untersuchungen bei den un-
durchsichtigen und dotterreichen oder tief versteckten Eiern der
Wirbeltiere wenig Erfolg zu erwarten. Ich erwähne dies, um
hervorzuheben, daß verschiedene Streitfragen auf diesem Wege
gelöst werden könnten und daß speziell das Säugetierei mit seiner
holoblastischen Furchung hier ein sehr wertvoUes Objekt sein
würde. Man war zu der Annahme geneigt, daß die zwei ersten
Zellschichten, welche bei aUen Vertebraten und Invertebraten
angetroffen werden, das Ektoderm und Eïitoderm, schon bei
der Bildung der zwei ersten Furchungszellen voneinander ge-
trennt werden. Andere Untersucher meinten, daß bei dieser
Trennung der EizeUe in die zwei ersten Furchungszellen die
embryonale Substanz in die Mutterzellen der rechten und der
linken Körperhälfte oder in eine vordere und hintere Hälfte,
wie es der Zufall woUte, getrennt würde (Roux). Es sind so-
gar Versuche zum Beweis dieser Auffassung angesteUt worden.
Vorläufig vermögen wir nicht zu sagen, ob dies eine all-
gemeine Regel ist, welche für alle Vertebraten gilt; doch kann
schwerlich bezweifelt werden, daß sowohl bei
Amphioxus als
beim Menschen — den zwei einander gegenüberstehenden

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Extremen im Chordatenphylum — jede der zwei ersten Fur-
chungszellen, falls sie voneinander getrennt werden, unter
günstigen Bedingungen sich zu einem vollständigen erwachse-
nen Individuum entwickeln können.

Wie dem auch sein mag, so wird es uns zunächst nahe
liegen, die Bildung der primitiven Zellschichten aus der Zell-
substanz, die von der gefurchten Eizelle herstammt, zu be-
trachten. Im Gegensatz zu der meistenteils befolgten Regel
werden wir mit einer Betrachtung der Vorgänge anfangen, wie
man sie antrifft bei den

A. Monodelphen und Didelphen Säugetieren.

Der schweren Zugänglichkeit des Materials wegen ist bis
jetzt nur eine beschränkte Zahl in Bezug auf den Furchungs-
prozeß und die erste Bildung der Zellschichten untersucht
worden. Als solche erwähne ich:

1. Gewisse Primatenarten 1), sowohl Affen {Macacus, Cerco-
pithecus
u. a.) von Selenka (\'99, \'00) und von Keibel (\'04),
und
Tarsius von mir selbst (\'02).

2. Lemuren {Nijcticehus) von mir selbst (\'07).

3. Carnivoren (Hund und Katze) von Bonnet (\'97) und
Duval (\'94, \'95).

4. Chiropteren (verschiedene Arten von Vespertilio) von E.
V. Beneden und Gh. Julin (\'90) und von Duval (\'99).

5. Insectivoren {Talpa, Erinaceus, Gymniira, Sorex, Tu
von Heape (\'83), Keibel (\'88) und mir selbst (\'89, "90, \'95, \'(

6. Rodentia {Lepus, Mus, Arvicola, Cavia, Sciurus u. a.),
von Hensen (\'76), E. v. Beneden (\'80), Fräser (\'82), Selenka
(\'83, \'84), Masius (\'89), Fleischmann (\'91), Keibel (\'80),
Duval (\'92), Robinson (\'92) u. a.

7. Ungulata {Ovis, Sus, Cervus) von Bonnet (\'82), Keibel
(\'93), Weysse (\'94), Assheton (\'98) u. a.

Von dem Menschen sind solche frühen Stadien noch nicht bekannt; die jüngsten
sind diejenigen von Peters und van Heukelom, Bryce und Teacher, Beneke
und Spee.

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8. Dermaptera {Galeopithecus) von mir selbst.

9. Edentata (Manis) von mir selbst.

10. Didelphia {Opossum u. a.) von Selenka (\'87).

Die Furchungsprozesse frischer Eier wurden beobachtet
beim Kaninchen von v. Beneden, bei der Fledermaus von
V. Beneden und Julin. Die meisten anderen Autoren be-
nutzten konservierte Exemplare und Durchschnitte. Eine An-
zahl Figuren von verschiedenen Untersuchern werden an dieser
Stelle reproduziert (Fig. 1^26).

1. Die Morula der Säugetiere.

Das kompakte Morulastadium (welches sich, was seinen
kompakten Zustand betrifft, von dem obengenannten holoblasti-
schen Amphioxusei unterscheidet), umfaßt etwa 36—72 Zellen.

Bei Tufaja und, nach den Abbildungen Bonnets zu urteilen,
beim Hunde, zeigen die zentrale Zelle oder Zellen eine andere
Reaktion Farbstoffen gegenüber, als die peripheren (Fig. 1, 2, 3).
Später werden wir Gelegenheit haben, dies näher zu besprechen.
Bald sammelt sich während der Säugetierentwicklung Flüssig-
keit zwischen den Zellen des Morulastadiums an, und die solide
Morula wird alsbald in eine hohle Blase verwandelt, gegen

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deren Wand eine Zusammenhäufung von Zehen sichtbar wird,
welche schon von Bisch off (\'42, \'45) und anderen älteren
Autoren beobachtet wurde. Vor 25 Jahren, als v. Beneden
seine merkwürdigen obenerwähnten Untersuchungen über die
erste Entwicklung des Kaninchens publizierte, war die Inter-
pretation dieser frühesten Vorgänge weder einheitlich noch
befriedigend. Das sogenannte, zum erstenmale von v. Beneden
(\'80) beschriebene Metagastrulastadium der Säugetiere ist seit-
dem von diesem selben Autor als solches aufgegeben worden
(später wurde es wieder von Duval aufgenommen |\'99, p.
64J).
Wir können aber sagen, daß in späteren Jahren sich eine all-
gemein übereinstimmende Auffassung gebildet hat. Bei allen
obengenannten Ordnungen hat man ein junges Stadium der
Keimblase beobachtet, welches mit dem eben beschriebenen,
in welchen eine lokale Anhäufung von Furchungszellen gegen
einen bestimmten Punkt des oberflächlichen Epithellagers sich
vorfindet, übereinstimmt.^)

E. V. Beneden hat die Entstehung des freien Raumes zwischen der epitheli-
alen äußeren Schicht und der inneren Masse der Ausdehnung von intrazellulären
A^akuolen zugeschrieben (\'99). Seine Deutung hat keine Stütze bekommen durch die
von Keibel und mir selbst erlangten Resultate, ebensowenig durch diejenigen
Selenkas beim Opossum.

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Diese äußere Schicht wurde von mir „Trophoblast" be-
nannt; die innere Zelliuasse als
Embr3^onalknoten (\'88, p. 511,
\'89, p. 298\') bezeichnet. E. v. Beneden (\'99), obgleich er an-
erkennt, daß der Trophoblast eine gesonderte Schicht bildet,
gebraucht diesen Namen nicht; gibt der Schicht aber den weit-
schweifigeren Namen „couche enveloppante" (Fig. 4—6).

Der Unabhängigkeitsgrad zwischen Trophoblast und Em-
bryonalknoten ist einer bedeutenden Variation unterworfen.

Weil die beiden ersten

voneinander getrennt
werden, wenn die Um-
änderung des Morula-
stadiums in eine Blase
vor sich geht, sind die
beiden im allgemeinen zu
Anfang nicht so scharf
zu unterscheiden, und so-
gar in späteren Stadien
ist diese Trennung bei
bestimmten Säugetiergat-
tungen (r^j^aja, Fig. 19 u. 44,
Ves-
pertilio,
Fig. 7, Galeopithecus., Fig.
46,
Cervus, Fig. 11,12) schärfer als
bei
a.n.(\\e.re.n{Erinaceus,^ig.2Q bis
26,
Tarsius, Fig. 15, Cavia, Fig. 39).
Doch hat man Grund zu glauben,
daß der Unterschied bei einigen
bis zu den jüngsten Furchungs-
stadien nachgespürt werden
kann, wie Big. 1—3 angeben.
Der Embryonalknoten würde alsdann von einer oder wenigen
zentralen Zellen; der Trophoblast von den ringsum gelagerten
Furchungszellen, wie schon oben erwähnt wurde, vertreten sein.

Während der Trophoblast sich zu einer Blase ausdehnt,
schreitet die Wucherung der Mutterzellen des Embryonalknotens

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viel langsamer vor; die totale Anzahl Zellen, aus welchen
der Knoten aufgebaut ist, überschreitet selten 24—30.

Fig. II u. 12. Zwei Schnitte durch den
Embryonalknoten von
Cer-vus (nach
Keibel \'99) vor und nach dem Her-
vortreten des Entoderms durch Delami-
nation. Der Trophoblast
{tr) ist deut-
lich unterscheidbar gegen das embryo-
nale Ektoderm
cc; in Fig. 11 sind Ekto-
derm und Entoderm noch ungetrennt im
Embryonalknoten beisammen.

Was Opossum betrifft, besitzen wir die von Selenka (\'87)
gelieferten Angaben, welchen ich aber eine andere Deutung
geben möchte. Die zentrale Zelle von Fig. 13, von ihm ohne

Fig. 13 u. 14. Schnitte durch zwei verschiedene frühe Stadien von Oposstim (Selenka
\'87). In Fig. 13 sind dreizehn Trophoblastzellen
{tr) und eine Mutterzelle {ek) des
Embryonalknotens getroffen. In Fig.
14 hat letztere sich zu einer Zellmasse {ek) ent-
wickelt, welche an die Oberfläche tritt, während Differenzierung von Entodermzellen

eben anfängt.

weiteren Beweis als Hypoblastzelle aufgefaßt, ist zweifellos
die Mutterzelle des Embryonalknotens, wie eine Vergleichung
mit Fig. 14 um so deutlicher macht. Es ist natürHch wichtig,
diese Übereinstimmung zwischen didelphen und monodelphen

Säugetieren konstatieren zu können.

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2. Die Herkunft des Entoderms.

Bald wird ein wichtiger Prozeß eingeleitet. Es wird näm-
lich durch Delamination eine separate untere Schicht, welche wir
das Entoderm des Embryos nennen, von der inneren Zellmasse
abgetrennt (Fig. 6, 9, 12, 15). Diese Entodermzellen wandern in
radialer Richtung der inneren Oberfläche des Trophoblastes ent-
lang, welcher auf diese Weise in manchen F"ällen eine zweischich-
tige Struktur erlangt. Bisweilen, wie z. B. bei
Tarsius (Hubreclit
\'02) ist der wichtigste Teil des delaminierten Entoderms, d. h.
derjenige Teil, welcher unter dem Rest des Embryonalknotens

Fig. IS u. l6. Dasselbe für Tarshis. In Fig, 15 ist das Entoderm in der aller-
frühesten Delaminationsphase. In Fig. 16 sind noch Reste der Trophoblastbedeckung
des Ektodermschildes erhalten (nach Hubrecht
\'02).

liegen bleibt, wie eine distinkte Zellschicht sichtbar, bevor
diese Wanderung der Entodermzellen der inneren Ober-
fläche des Trophoblastes entlang anfängt (Fig. 15,16); in anderen
Fällen
(Sorex, Lepus u. a.) wandern die Entodermzellen, sobald
sie sich gebildet haben; während bei
Tupaja erst nachdem die
entodermale Blase nahezu geschlossen ist, der Teil, welcher mit
dem Embryonalknoten in Kontakt bleiben wird, von diesem
letzteren durch Delamination gesondert wird (Fig. 19). Bei ge-
wissen Säugetieren {Tarsius, Affen, Mensch) bekleiden die Ento-
dermzellen niemals die ganze
innere Oberfläche des Trophoblastes,
weil die Entodermblase einen kleineren Umfang behält als die
Trophoblastblase (Fig. 16, 29, 30, 50, 87). Bis zu einem gewissen
Grade kann dies durch die Tatsache erklärt werden, daß eine
andere Blase (welche später erwähnt wird) sich in einer äußerst
frühen Periode entwickelt, einen Teil der von dem Trophoblast

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gebildeten Blase ausfüllt und die Entodermzellen verhindert,
die ganze Oberfläche zu erreichen.^)

Wenn sich das Entoderm durch Delamination vom Em-
bryonalknoten gesondert hat, bilden die übrigbleibenden Zellen
des letzteren das embryonale Ektoderm, das folglich zwischen
dem Entoderm und dem Trophoblast hegt und deswegen leicht
V. Beneden (\'80) auf den Irrweg führen konnte, es als eine
dritte mesodermale Schicht zu betrachten (Fig. 18).

3. Entwicklungsphasen des zweischichtigen Embryonalschildes.
Derjenige Teil der Säugetierkeimblase, wo das embryo-
nale Ektoderm und die darunterhegende entodermale Schicht
gelagert sind, darf schon in diesen
jungen Stadien das Embryonalschild
genannt werden. Dieses Schild ist
bisweilen leicht konvex mit dem
Ektoderm an der konvexen Seite.

Bisweilen ist es in entgegeng-esetzter Fig-I7- Dasselbe für das Schwein

^ ^ (nach Weysse \'94). Das.Ekto-

Richtung gebogen Fig. 17; Tupaja derm hat sich noch nicht nach

T^- . rn ■ T^- j ^ j ^ ., der Keimblasenoberfläche zu frei

Flg. 19—21; Tarsius, Fig. 15, 16, 91), ge^^acht.

bisweilen erst in einer (Fig. 16, 17) und später (Fig. 27, 30, 33,
35, 38, 40—43) in einer anderen Richtung
(Tarsius, Igel usw.).
Bisweilen auch (Fig. 18) ist er ganz flach
{Lepus, Sorex u. a.).

Es scheint, als ob beim Erinaceus ein ähnlicher Zustand zeitweilig vorliege;
ich habe nämlich beobachtet (\'89, Fig. 25, 26), daß eine geschlossene Entodermblase
viel kleiner als die Trophoblasthülle, welche sie umschließt, hier in sehr jungen
Stadien angetroffen wird (Fig. 24). Bald nachher (Fig. 25 — 28) ist aber die Igel-
keimblase ein sphärischer Trophoblast, an welchem das Entoderm überall adhäriert.
Die Untersuchung zahlreicher junger Igelstadien ist aber noch nötig, damit dieser
Punkt festgestellt wird.

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Von den obengenannten Fällen darf derjenige als sehr
instruktiv und meines Erachtens als sehr archaisch betrachtet
werden, bei welchem der embryonale Schild von dem über-
liegenden Trophoblast durch einen Raum getrennt bleibt,

Fig. 19—22. Vier auf-
einanderfolgende Phasen
in der frühen Entwicklung
von
Tupaja javanica. In
Fig. 19 bildet der Tropho-
blast einen geschlossenen
Sack um Entoderm und
Embryonalknoten herum. Das Entoderm des Keimschildes ist eben im Abspalten be-
griffen. In Fig. 20 u. 21 fängt das zusammengebogene Embryonalschild
ec an, sich
aus der Trophoblastbedeckung frei zu machen; in Fig. 22 ist es ganz abgeflacht und
bildet das ektodermale Embryonalschild auf die obere Fläche der sphärischen Keimblase.

der sich zu gleicher Zeit mit dem Anwachsen der Keimblase
bildet. Dieser Raum ist anfangs ein linsenförmiger oder cres-
centischer Hohlraum. Seine Erscheinung bei
Erinaceus ist in
Fig. 26—28 erörtert. Es kann als typisches Beispiel gelten
für die Weise, in welcher das früheste Amnion sich ge-
bildet haben mag und zwar als ein schützendes Wasserkissen
zwischen dem Trophoblast und dem Embryonalschilde. Wir
werden später sehen, dafS der Raum im Igelamnion tatsächhch

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eine spätere Entwicklung dieses primitiven Hohlraumes ist.
Bei der Fledermaus finden sich geringe Modifikationen dieser
einfachen Einrichtung, welche zu dem Verhalten zu führen
scheinen, wie wir es bei
Tarsius und bei vielen Ungulaten
und Nagetieren antreffen, während an der anderen Seite
Ptero-
ims
(Fig. 31 — 34), Galeopithecus (Fig. 35, 36), Cavia (Fig. 40, 42)
Affen und Menschen (Fig. 29, 30) sich auf anderem Wege ent-
wickelt haben, wo von Anfang an das Amnion eine geschlossene
Blase gebheben ist.

Äußerst wichtig ist das Ergebnis bei Tupaja, bei welchem
der Embryonalschild ursprünglich zusammengeklappt ist (Fig.
19), die Konvexität einwärts gewendet, während er sich all-
mählich in verschiedenen Etappen (unter Zerreißung und Aus-
einanderweichen der Trophoblastzellen) zu einer flachen Schicht
ohne Trophoblastbekleidung (Fig. 22) ausbreitet, wie es in
nebenstehenden Figuren abgebildet wird. Dieses Verhältnis
bietet suggestive Vergleichungspunkte mit der von Selenka (\'00,
p. 201) beschriebenen „Entypie" des Embryonalschildes, wie sie
bei manchen Nagern angetroöen wird. Alle diese Fälle sind
Variationen auf ein ähnliches Thema als dasjenige von
Tupaja,
und nicht (wie es Selenka wollte) eine notwendige Folge von
der Entwicklung der Keimblase in einem Hohlraum von sehr
kleiner Dimension, mit dessen Wand er frühzeitig verklebte.
Tupaja widerlegt sofort diese Behauptung (Hubrecht 99b,
p. 173), indem die Keimblase hier ohne irgend welche Ver-
klebung mit der Uteruswand, doch ganz das Aussehen der Fig.
20 und 21 hat. Die Ursachen der Faltung des Embryonalschil-
des können schwerlich so einfach mechanisch sein, wie es
Selenka voraussetzte. Sie bleiben vorläufig dunkel und wer-
den später, wenn der Ursprung des Amnions näher besprochen
wird, noch einmal in Betracht kommen.

Die eben erwähnten Tatsachen haben uns gezeigt, daß
während der Entwicklung der Säugetierkeimblase der Tropho-
blast, welcher ursprünghch den Embryonalknoten umschließt,
sich bei verschiedenen Säugetieren in sehr verschiedener Weise

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Fig. 23 —25. Querschnitte dreier sehr früher Stadien der Igelkeimblase, ^r Trophoblast,
en Entoderm, ec Ektoderm noch fest mit dem Trophoblast zusammenhängend. Fig. 26.
Ein etwas späteres Stadium, wobei schon bedeutende Lacunen, in welchen mütterliches
Blut durchdringt in das wuchernde Trophoblast, entstanden sind. Fig. 27. Schnitt
durch ein noch späteres Stadium, in welchem die Lacunen um die Keimblase rings
herum entwickelt sind und wo das Amnion (a) als eine Spalte zwischen Trophoblast
und embryonalem Ektoderm
{ec) entstanden ist. Fig. 28. Noch späteres Stadium der
Igelkeimblase, in welchem die Entwicklung des Embryos weiter vorgeschritten ist und
das Amniondach sich ausgebildet hat und äußerlich von Mesoblast bedeckt wird.

UV Nabelblase, co Coelom.

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verhält m jener Periode, w^o aus diesem Knoten der doppel-
schichtige Embryonalschild entsteht, welcher dem Aufbau des
Embryos
zu Grunde liegt.

CT

30

29 .......i. ...

V-i

.it.

Ï <)o,

v

Fig. 29 u. 30. Scliematische Längsschnitte durch zwei Stadien der frühen Keimblase
von Mensch und anthropoiden Affen, kombiniert aus Selenka\'s
(\'99, \'00) und
Peters\'
(\'99 b) Abbildungen. t Haftstiel, so. m. sp. m. somatisches und splanch-
nisches Mesoblast. Amnion und Trophoblast wie beim Igel.

Beim Igel (Fig. 23—28), hftx Gijmrmra, Pteropus (Fig. 31—34)
und bei den anderen bis heute untersuchten Fledermäusen

Kg- 31-

Dasselbe für Pteropus. Im Embryonal-
knoten
iec) wird bald eine Höhlung er-
scheinen, welche sich zur Amnionliöhle
entwickelt (nach Selenka und Göhre
\'92). vu Nabelblase.

-a.

Pig- 32, 33 34- Drei halbschematische Abbildungen von Schnitten durch die Keim-
blase von
Pteropus (nach Selenka und Göhre \'92). In Fig. 32 ist das embryonale
Ektoderm noch eine solide Zellmasse; in Fig.
33 ist eine Amnionhöhle a darin auf-
getreten, in Fig.
34 ist das definitive Verhalten zwischen Trophoblast {tr), Amnion (a),
Embryo und Nabelblase
itiv) zu Stande gekommen.

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(Fig. 38), bei Galeopithecus (Fig. 35), bei manchen Nagetieren
{Arvicola, Mus, Cavia, Fig. 39—43), bei Affen und höchst
wahrscheinlich beim Menschen bleibt der Trophoblast eine
total geschlossene Blase, innerhalb welcher die ontogenetische

\'T.-SS-Ä^«,

37

Fig- 3Si 36 u. 37. Ein Längs- und zwei Querschnitte eines frühen Entwicklungs-
stadiums von
Galeopithecus volans. In Fig. 35 fängt die Placenta sich auf die obere
Fläche der Keimblase zu bilden an. Auch hier ist die Amnionhöhle
a durch Dehiscenz
innerhalb des Embryonalknotens entstanden, v.m ventraler Mesoblast, welcher den
Embryo an den Trophoblast heftet. In Fig. 36, welcher einem et\\\\as älteren Stadium
angehört, ist die Protochordalplatte quer getroffen. Fig. 37. Der ventrale Mesoblast
im Querschnitt,
co Coelom, en Entoderm, tr Trophoblast.

Fig. 38. Schnitt durch eine frühe Eledermauskeimblase (cf. Fig. 4—6).
tr Trophoblast, en Entoderm. Das E^ktodermschild tritt noch nicht aus dem Tropho-
blast hervor (nach van Beneden \'99).

Entwicklung des Embryonalknotens sich abspielt. Bei ande-
ren Säugetiergattungen tritt derjenige Teil des Embryonal-
knotens, welcher zum Ektoderm des Embryonalschildes wird,
an die Oberfläche, schiebt sich zwischen den Trophoblastzellen,
welche alsdann nicht länger eine geschlossene, sondern eine
unterbrochene Blase bilden infolge der Tatsache, daß an einem
Pol dieser Ektodermalschild an die Stelle des ursprünglichen
Trophoblastes getreten ist.

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Es kann diese Einschaltung zu Stande kommen, wie es bei
Tupaja geschieht (Fig. 19—22), wo die Entfaltung des Embr^^o-
nalschildes die Tro-
phoblastdecke über
dem Schilde zerreißt
und in dieser Weise
die Oberfläche der
Blase vergrößert mit
einer Strecke, welche
nicht Trophoblast,
sondern embryonales
Ektoderm ist. Oder
es geschieht, daß ein
ähnlicher aber we-
niger deutlicher Zer-

reißungsprozeß em- Dasselbe für Cavm (nach
^ ^ Selenka). Die Reduktion

bryonalesEktoderm in des Trophoblastes ist noch
j. bedeutender, a Amnionhöhle.

die Irophoblastblase
einschiebt, so wie es

Opossum (Fig.. 14),
Tarsius (Fig. 13), Ger-
ms
(Fig. 11), ^Ms(Fig.
17),(9ws(Fig.45) dar-
bieten. Oder schheß-
lich ist es möghch,
daß die Bedeckung
des embryonalen Ek-
toderms durch den
Trophoblast bestehen

bleibt, wie im erstge- Fig. 41 u. 42.

Schnitte durch zwei frühe

nannten ralle, ohne o* j- j n,r- 1 • 11

, Stadien der Mausekeimblase

daß sich aber ein Selenka \'83). Der

Trophoblast {cv) ist in letzterer

Hohlraum zwi- Figur viel mehr reduziert wie

, in ersterer, während derjenige

sehen diesem letz- Teil (//), welcher die Placenta

,, „.^ A bilden wird, viel ausgiebiger

teren und dem „herthkt.^Ammonhöhle.

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embryonalen Schilde entwickelt. — Im letzteren
Fall, für welchen das Kaninchen das klassische Beispiel
bietet, wie es Kölliker so deutlich abgebildet hat (Fig. 18),
Hachen die Trophoblastzellen, welche das embryonale Ekto-
derm bedecken, sich bedeutend ab, um schließhch zu ver-
schwinden. Ein anderes Beispiel bietet die Spitzmaus (Hub-
recht \'90, Fig. 26). Diese abgeflachten Zellen oberhalb des

embryonalen Ektoderms wurden während langer Zeit Rauber-
sche Zellen genannt, weil Raub er der erste war, der sie ins
Auge faßte. Wie Kö Iii kers Abbildung (Fig. 18) so deutlich
angibt, hat Raub er jedoch nicht gesehen, daß diese Schicht
einfach die Fortsetzung der peripheren Trophoblastzellen ist.
W^ährend langer Zeit herrschte also die falsche Meinung, daß
das embryonale Ektoderm sich ununterbrochen in den peri-
pheren Trophoblast fortsetzte, und daß die Raub er\'sehen

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Zellen eine neu hinzukommende Bildung darstelhen. Dieser
Irrtum war die natürliche Folge einer auf falschem Grund
basierten, weiter unten zu korrigierenden Vergleichung von
der Säugetierkeimblase mit derjenigen der Vögel und Rep-
tilien. Die Meinung einiger Autoren (Balfour, Heape), daß
hie und da Raub er\'sehe Zellen in den embryonalen Schild
aufgenommen werden, ist nie sicher festgesteüt und in letzter
Zeit nicht bestätigt worden. Ich neige zu dem Glauben, daß
diese Zellen endgültig verschwinden, und ich wünsche nur noch
hervorzuheben, daß Übergangsformen vorgekommen sind,
Mde z. B. bei
Tarsius (Hubrecht \'02, Fig. 49a, b, 50b), wo
Trophoblastzellen noch längere Zeit mit dem Embryonalschilde
in Verbindung bleiben, aber schheßhch dennoch verschwinden.
In diesem Fall öffnet sich der Trophoblast übereinstimmend mit
dem Typus der oben erwähnten zweiten Gruppe, und es ist
als ein Zufall zu betrachten, wenn eine isoherte Trophoblast-
zelle auf dem Embryonalschilde zurückbleibt.

Beim iVbschluß dieser Betrachtungen über die Wechsel-
beziehung zwischen Trophoblast und embryonalem Schilde bei
den Säugetieren, möchten wir die Tatsache hervorheben, daß —
ausgenommen bei den Ornithodelphia, welche
später besprochen
werden, und deren jüngste ontogenetische Stadien noch
kaum bekannt sind i) (Caldwell \'87, Semon \'94, Wilson
und Hill \'03) — bei allen bis heute untersuchten Monodelphia
und Didelphia in einer sehr frühen Periode das zweischichtige
Stadium, aus welchem der Embryo aufgebaut wird, in einer
Zellblase (dem Trophoblast) eingeschlossen ist, von welcher
kein einziger Partikel je in die embryonale Bildung übertritt.

4. Die Gastrula der Säugetiere.

Das zweischichtige Stadium der oben genannten Säuge-
ti^keimblase verdient vollkommen den Namen des Gastrula-

Ganz vor kurzem ist die ausfuhrlichere Abhandlung Wilsons und Hills
(\'07j erschienen, in welcher Figuren enthalten sind (PL II, Fig. 4, 5), welche es uns
erlauben, ähnliche Verhältnisse bei den Ornithodelphia zu erkennen (Fig. 58-62).

Hubrecht, Embryologie. 2

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stadiums, wie ich an anderer Stelle auseinanderzusetzen
versuchte (\'02, p. 65—75; \'05, p. 408). Wie bereits früher
hervorgehoben wurde, sollten wir nicht vergessen, daß die
vergleichende Ontogenie Halt machen müßte, sobald sie
versuchte, die geläufige Auffassung der ersten Entwicklung
der Vertebrata auf die Säugetiere auszudehnen. In O. Hert-
wigs eigenen Worten gesagt: ,,Die größten Schwierigkeiten
bereitet den Embryologen die Keimblattbildung bei den Säuge-
tieren . . . wegen der von anderen Wirbeltieren stark abweichen-
den Befunde" (\'06, p. 898). Sobald wir den Prozeß der Noto-
genesis, wie er bei . allen Vertebraten,
einschXieihlich Ampliioxiis,

Fig. 47. Längsschnitt durcli eine
Amphtoxus\\&rye (nach Legros
\'07). Die Notogenesis ist bereits
weit vorgeschritten. Bei * nimmt
Legros an, daß ein Unterschied
besteht zwischen dem unteren
Entoderm, welches durch Invagi-
nation gebildet wurde, und der
Schicht rechts vom *, welche er
nach Lwoff als ein Produkt
ektodermaler Wucherung be-
trachtet. Links vom * wäre so-
mit Protochordalplatte
pf; rechts
ausgesponnener Protochordal-
knoten piv vorhanden.

vorkommt, von dem Gastrulationsprozeß trennen, und dabei
konstatieren, wie der erstere dem letzteren nachfolgt,
und die Bildung von Chorda und Mesoblastsomiten übernimmt,
werden die Schwierigkeiten bedeutend geringer.

Die Gastrulation ist also bei den Säugetieren zu Ende,
sobald sich das zweischichtige Stadium des embryonalen
Schildes gebildet hat. Wir haben gesehen, daß dieses nicht
infolge eines Invaginations-Prozesses, sondern durch eine
unwiderlegbare Delamination des Entoderms aus dem Em-
bryonalknoten entsteht.

Diese Delaminationsgastrula der Säugetiere führt in den
meisten Fällen zu den späteren ontogenetischen Phasen (vv eiche
nachher beschrieben werden), ohne daß ein deutlicher Blasto-
porus erscheint.

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Doch sind hier einige Ausnahmen zu erwähnen, welche
allmählich zu Tage traten; öfters aber übersehen oder falsch
gedeutet worden sind, infolge der oben erwähnten irrigen Auf-
fassungen. Das treffendste Beispiel hefert zweifellos der Igel,
wo der Blastoporus — eine deuthch sichtbare Perforation gegen
das Hinterende des Embryonalschildes — eine rasch wieder

verschwindende Erscheinung in einem bestimmten Stadium
der individueüen Entwicklung (Fig. 48) darstellt.

Den Lippen dieser Öffnung entlang gehen Ektoderm und
Entoderm in einander über, während diese beiden Schichten,
obschon sie genetisch zusammenhängen, dennoch bis auf
diesen Moment getrennt sind und nirgendwo miteinander in
Zusammenhang stehen. Diese letztere Tatsache wird von allen
Beobachtern anerkannt. Ich bin durchaus nicht abgeneigt zu
glauben, daß die Bildung des Blastoporus beim Igel nicht nur
sehr flüchtig ist, aber daß sie sogar nicht immer bei allen
Igelembryonen auftritt, und daß in Ausnahmefällen die Bildung
von Chorda und Somiten beginnen kann, ohne daß der Blasto-
porus sich als sichtbare Öffnung kennthch gemacht hat.

BaiTarsius hingegen, w^o der Embryonalschild in einer über-
wiegenden Anzahl von Fällen iene Veränderungen, welche mit
dem Erscheinen von Chorda und Somiten parallel gehen, er-
leidet, ohne die geringste Spur des Erscheinens eines
Blastoporus, kam ein einziger Ausnahmefall zur Beobachtung

2*

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(Fig. 49), welcher sichtlich einem atavistischen Versuch in
jener Richtung entsprach; um so wichtiger, weil er uns dazu
hilft, die genaue Stelle auf der zweiblätterigen Keimblase zu

... f t

pw

p

Fig. 49- Längsschnitt eines 7«n9/zM-Embryonalscliildcs in welches (an der Stelle, wo
der Protochordalknoten
pw nach unten gewuchert ist) ein rudimentärer Blastoporus
sich ausnahmsweise anzulegen versucht,
pp protochordale Platte; vni ventraler Meso-
blast;
iLV Nabelblase; i\'c embryonales Ektoderm; mcs Mesoblast, welches von der
protochordalen Platte seinen Ursprung nimmt.

bestimmen, wo der Blastoporus normalerw^\'eise zu entstehen
erwartet werden dürfte. In ähnlicher Weise sind blastoporale
Öffnungen oder Versuche zu einer solchen Perforation in
gleichalterige, frühe Stadien wahrgenommen worden beim Ka-
ninchen von Keibel (\'89, Fig. 46, 47), beim Maulwurf von
Heape (Fig. 50), beim Opossum von Selenka (Fig. 51), bei
der Spitzmaus von mir selbst (Fig. 52, 53).

Das Gastrulastadium sowie der Blastoporus der Säugetiere
sind somit beschränkt auf die frühen Stadien und die hier
erwähnten einfachen Erscheinungen. Der Blastoporus wird
geschlossen in all den oben angeführten Fällen, und bald
darauf stellt sich eine Reihe von Vorgängen ein, für welche
es grundfalsch und irreführend sein würde, noch länger die

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Wörter Blastoporus, Gastrulamund, Urmund oder Urmund-
lippen in Gebrauch zu behalten. Die Namen jener Bildungen,

t\'ig- 52—54- Urei Längsschnitte durch eine frühe .S\'o/\'^\'jr-Keimblase, deren Embryoual-
schild in Fig. 55 abgebildet wird. In Fig. 52 u. 53 durchbohrt ein rudimentärer
Blastoporus
b das hintere Ende des Keimschildes, pw Protochordalknoten; vm ven-
traler Mesoblast, in welchem das hintere Coelom entsteht (cf. Fig. 93 u. 94). Fig. 54
geht durch den Vorderrand des Embryonalschiides uud trifft die protochordale
Vlattepp.
Fig. 55. Umriß des Embryonalschildes der Fig. 52—54. pp die durchschimmernde ento-
dermale protochordale Platte;pzv der ektodermale protochordaleKnoten (nach Hubrecht \'90).

welche während der weiteren Entwicklungsstadien mit diesen
Namen bezeichnet worden sind, sollen umgeändert werden,
damit die Verwirrung, welche bis jetzt auf diesem Gebiete be-
steht, verschwinde.

Zu gleicher Zeit soHte darauf achtgegeben werden, daß
eine der ersten Erscheinungen, mit welcher die Bildung der

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Chorda sich einleitet (nämlich das Auftreten im Embryonalschild
derjenigen medianen Ektoderm Wucherung, welche ich [\'90]
protochordaler Knoten [= Primitivknoten, H e n s e n \' scher
Knoten] genannt habe), sich abspielt an der nämlichen Stehe,
wo der sich verflüchtigende Blastoporus anwesend ist oder
war (Fig. 49). Nach hinten von diesem Punkte dehnt sich
eine Wucherungszone aus, welche nach dem Vorbilde O.
Hertwigs als homolog mi.t demUrmund und den Urmundlippen
betrachtet worden ist, w^elche wir aber, wüe ich andersw^o
(\'02, \'05) befürw^ortet habe, vergleichen sollten mit einem ver-
längerten Stomodaealschhtz, der schon in den hypothetischen

Stammformen nicht mehr ein
Blastoporus w^ar, sondern ein dor-
saler Mundschlitz, ein Rücken-
mund (Fig. 56) eines vermacti-
nialen Entwicklungsstadiums.

Der Säugetierblastoporus,
rudimentär, selten und rasch ver-
schwendend wäe er sein mag,
erinnert uns dennoch an den
Blastoporus der Wirbellosen und
zwar in dieser Hinsicht, daß die
Zellwucherungen, w^elche zu der
Büdung der mesodermalen Bil-
dungen beitragen, eben in seiner unmittelbaren Nähe an-
fangen.

5. Theoretische Betrachtungen über den Ursprung des Trophoblastes.

Die Tatsachen, mit denen war bis jetzt bekannt gew^orden
sind bezüghch der frühen Entwicklung von didelphen und mo-
nodelphen (den sog. marsupialen und plazentalen) Säugetieren,
rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß der Embryo bereits in
seinen allerfrühesten, ontogenetischen Stadien mit einer Larval-
oder Embryonalhülle versehen ist. Dieser Zellenschicht haben
wir den Namen Trophoblast beigelegt. Wir werden später

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sehen, daß diese Sehiclit. obwohl im Anfang nur von einer
einzigen Zellenlage gebildet, an diversen Stellen die aller-
verschiedensten Wucherungen erleiden kann, und daß diese
Wucherungen den Ausgangspunkt bilden für den ganzen Vor-
gang der Plazentabildung.

Die Tatsache, daß eben auf diese Wucherungen und
deren Bedeutung für die Plazentation die Aufmerksamkeit
sich richtete (Hubrecht \'88, \'89), noch ehe die mehr all-
gemeine Bedeutung des Trophoblastes als larvale Hülle an-
erkannt worden war, veranlaßte den Namen Trophoblast.^)
Wir werden hierauf näher eingehen, wenn die Plazentations-
erscheinungen zur Besprechung kommen.

Es kann nicht geleugnet werden, daß die Folgen, welche
daraus entspringen werden, wenn wir den Trophoblast als eine
Larvenhülle betrachten und diese Verallgemeinerung in die
Ontogenese der Vertebraten einführen, weittragend werden
können.

Bis jetzt waren Foetalhüllen oder -membranen nur bekannt
aus späteren Entwicklungsstadien in der Ontogenese von
Reptilien, Vögeln und Säugetieren. Diese Membranen führten
den Namen resp. von Amnion, Chorion, seröse Hülle, subzo-
nale Membran (und in dem Fall der Sauropsiden und gewisser
Säugetiere sogar Allantois). Milne Edwards Einteilung der
Wirbeltiere in Amniota, Allantoidea gegenüber Anamnia,
Anallantoidea beruhte auf der Anwesenheit oder Abwesenheit
solcher Membranen. Die phylogenetische Evolution dieser
Foetalhüllen hat bis jetzt noch keine rationelle Erklärung ge-
funden, wie dies z. B. in Bezug auf das Amnion anerkannt
wird in dem nicht voreingenommenen Handbuch der mensch-
lichen Entwicklungsgeschichte von Sedgwick-Minot (1. Auf-
lage p. 344). Nun scheint es, als ob diese dunkle Phylogenie

Es muß sich noch herausstellen, ob der von S edg wie k - Mi no t ("\'03) vor-
geschlagene Name Trophoderm für jenen Teil des Trophoblastes, welcher sich an
der Plazentation aktiv beteiligt, eine wünschenswerte Innovation ist, oder im Gegenteil
eine Überbürdung der Synonymie. Sogar im ersteren Falle hat aber i)uvals vor-
geschlagene Bezeichnung ,,Ectoplacenta" die Priorität.

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noch verwickelter werden möchte, wenn wir neben den bereits
genannten Foetalmembranen noch wieder eine neue Larven-
hülle, der Trophoblast, einzuführen vorschlagen.

Das Umgekehrte ist jedoch der Fall. Die Anwesenheit
dieser früheren Hülle, welche wir so rasch nach den ersten
Fnrchungserscheinungen des Säugetiereies entstehen sahen,
vermehrt die Schwierigkeiten keineswegs, sondern hilft im
Gegenteil, um andere verständlich zu machen. Sie wirft neues
und definitives Licht auf die erste Entstehung sowohl von
Amnion wie von Chorion (resp. seröse Hülle) und dürfte als ein
wertvoller Schlüssel sich zeigen können, durch welchen wir
zu einer vernünftigen Erklärung von vielem, was bis jetzt
dunkel und unverständlich ist, kommen könnten. Aus dieser
allerfrühesten Larvenhülle scheinen die anderen sich allmäh-
hch entwickelt zu haben; sie dürfen jedenfalls als weitere
Differenzierungen davon aufgefaßt werden, und wir werden
eben jetzt uns danach umsehen müssen, wie wir den ersten
Ursprung des Trophoblastes uns zu erklären haben, und wie
wir uns in Bezug hierauf zu einer Hypothese verhelfen können,
welche des weiteren Durchforschens wert ist. Wäre dem so,
dann würde die Phylogenie der anderen Foetalhüllen a fortiori
zu gleicher Zeit erklärt sein.

Wir haben nun, wie ich glaube, hier anzunehmen, daß die
Vorfahren jener Wirbeltiere, in welchen wir einen deutlichen
Trophoblast oder Reste davon nachweisen können, bereits im
Besitze einer Larvenhülle gewesen sind in den vorhergehenden
phylogenetischen Stadien, um in den Besitz einer solchen Arbeits-
hypothese zu gelangen.

Sowohl Sauropsida wie Mammalia stammen omni um con-
sensu von sehr primitiven Protetrapoden her, welche uno-efähr
m der Carbonperiode oder noch früher lebten und welche ihrer-
seits im Wasser lebende und fischähnhche Vorfahren hatten.
Diese ersten uns bekannten Fische stammen von wurmartigen
Vorfahren von coelenteratenartiger Herkunft. In einer bestimm-
ten Periode müssen gewisse Coelenteraten-Stammformen eine

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Neigung gezeigt haben, ihre radiale in eine bilaterale Symmetrie
umzutauschen und das Coelom von dem Enteron zu trennen,
wie schon bei früheren Gelegenheiten von Sedgwick (\'84)
und mir (\'05) hervorgehoben wurde.

Der Phantasie wird keine Gewalt angetan, wenn man an-
nimmt, daß sich in dieser Abstammungsreihe nahe verwandte
Formen entwickelt haben, einige mit, andere ohne larvale Hülle,
und daß letztere zeitlich die Zellelemente, welche den Embryo
selbst aufzubauen hatten, einhüllte. In dieser Weise wurde
die Trennung vorbereitet, welche bei ihren späteren Vertebraten-
nachkommen solche mit und andere ohne Trophoblast unter-
scheidbar macht. Wir finden Beispiele hiervon bei den Nemer-
tinen. Bei einigen von diesen entwickelt sich das Ei nach der
Furchung gleich zu dem jungen Wurme, bei anderen, welche
(was den typischen Nemertinencharakter betrifft) sehr nahe
mit ersteren verwandt sind, ist das Resultat der Furchung
eine Anordnung des embryonalen Materials in a) die erste An-
lage des Embryos selbst und b) eine vergängliche Hülle, welche
entweder der embryonalen Anlage nahe liegt (Desor\'s Larve)
oder weiter von ihr entfernt ist
(Pilidium-La.rve).

Und obgleich ich keineswegs
behaupten möchte, daß wir unter
den Nemertinen oder Gephyreen die
Stammformen der Vertebraten zu
suchen hätten (ebensowenig wie unter
den uns bekannten Anneliden), so ist
es doch eine instruktive Tatsache,
daß unter verschiedenen Klassen der
Würmer (Gephyreen müssen hier
ebenfalls genannt werden, Fig. 57)
die oben genannte larvale Hülle bei

einigen Arten angetroffen wird, bei

«

anderen dagegen fehlt. Eine ebensolche Eigentümlichkeit mag
sich in die Abstammungslinie der Chordata fortgesetzt haben.

Wenn wir nun bei unseren weiteren Betrachtungen über

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die Protetrapoden und ihre lebenden Nachkommen von einem
Oviparen wasserlebenden Tiere ausgehen, dessen früheste Ent-
wicklungsstadien eine larvale Hülle besitzen, so wird es ver-
ständhch, daß, sobald sich ein solches Tier zum Leben auf
trocknem Lande adaptiert hatte, ihm zw-eifeUos gewisse Vor-
teile daraus entspringen würden, daß es zur gleichen Zeit
vivipar würde. Seine Anpassung würde ohne Zweifel um so
vohkommener sein, w^enn es für seine Fortpflanzung unabhängig
vom w^ässerigen Medium wäre. Es könnte nun die larvale Hübe
sofort zur Befestigung solches viviparen Zustandes beitragen,
sobald ihr durch die Umänderung ihrer beschirmenden und
lokomotorischen Bedeutung nebenbei eine adhäsive zukam.
Dies würde seinerseits wieder leichter sein, wenn die larvale
Hülle an Oberfläche zunehmend sich zu einer sphärischen
Blase entwdckehe und frühzeitig die weitere Entwicklung der
MutterzeUen des Embryos, dessen larvale Hühe ursprünglich
(wie es auch im
Pilidinm der Fall ist) ein protektives und
lokomotorisches Organ war, vorauseflte. Daneben würde diese
Blasenform dazu beitragen, das sich entwickelnde Ei längere
Zeit in den mütterhchen Genitalgängen zurückzuhalten. Und
zur gleichen Zeit würde die Möghchkeit entstehen, daß durch
die Wand dieser vergrößerten Keimblase nicht nur Flüssigkeit
zur Vermehrung der Oberflächenspannung, sondern auch Nah-
rungsbestandteile zur Förderung des Wachstums der inneliegen-
den zweischichtigen Embryonalanlage eingeführt werden konnte.

Ahe diese-Umstände, welche den Übergang der Art zu
einer atmosphärischen Umgebung begleiten wmrden, würden
zur gleichen Zeit zweifellose Vorteile zur Beschützung und
zur Ernährung des Embryos darbieten, wie dies auch bereits
sporadisch bei gewissen Fischen
{Mustelus, Zoatces u. a.) vor-
kommt. Daneben könnte aber noch ein anderer Vorteil ent-
stehen, nämlich die Möghchkeit, daß diese larvale und tempo-
räre Schicht vaskularisiert würde und somit ein noch tüchtio-er
Ernährungsapparat auf Kosten des mütterlichen Blutgefäß-
systems erreicht würde.

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Und dies ist es, was wir jetzt tatsächlich bei den Säuge-
tieren beobachten; von den Didelphiern an aufwärts, indem
entweder die omphaloiden oder die Umbilikalarterien oder beide
diesem Ziele obliegen.

Dies ist nun meine Vorstellung von den phylogenetischen
Phasen, welche der Trophoblast durchlebt hat. Man kann
weder sagen, daß diese Phasen zahlreich oder verwickelt seien,
noch auch daß diese Vorstellung künstlich oder gezwungen
wäre. Und dies um so weniger, weil wir wie oben gesagt, bei
allen mono- und didelphen Säugetieren, welche bis heute darauf
untersucht sind, einer larvalen Hülle, dem Trophoblast, be-
gegnen, welcher die Bildungszellen des Embr3\'OS einhüllt. Ohne
Ausnahme erleidet der Trophoblast die hier beschriebene Reihe
von Änderungen iind physiologischen Umbildungen; sie wird
nämlich zuerst blasig, weiter macht sie eine Auswahl aus be-
stimmten Nahrungsbestandteilen, schließlich wird sie vaskulari-
siert und zeigt dabei starke lokale Adhäsion an das mütterliche
Gewebe, mit welchem sie schließlich verwächst.

B. Ornithodelphe Säugetiere und Saiiropsida.

Das gefurchte Ei von OrnithorhyncJms und Echidna, den
beiden lebenden Vertretern der Ornithodelphia, zeigt sich im
Vergleich mit den anderen Säugetieren von sehr abweichendem
Bau. Das Ei des
Ornithorhijnchus furcht sich nicht nach dem
holoblastischen, sondern nach dem meroblastischen Typus und
bietet viele Vergleichungspunkte mit demjenigen der Reptiha
und der Vögel dar. Unsere Kenntnis ist aber noch sehr gering
und beschränkt sich auf das, was uns die Mitteilungen von
Caldwell (•87), Semon (\'94) und Wilson und Hill (\'03,
\'07) gelehrt haben. Das Ei ist eingeschlossen in einer leder-
artigen Schale. Es wird kein oder fast kein Albumen ange-
troffen; dies macht die Untersuchungen der jüngsten Stadien
um so beschwerlicher.

Das Bildungsplasma, am oberen Dotterpol zusammengehäuft,
teilt sich ,in eine Anzahl Furchungszellen (Fig. 58) und in

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einem sehr jungen Stadium hat die äußere
Schicht, welche schon in einem noch
früheren Stadium (Fig. 59) als solche er-
kennbar ist, sich als eine abgeplattete
Membran mit flachen Kernen über den
Dotter ausgebreitet (Fig. 60 u. 61). Am
oberen Pol, an derjenigen Stelle, wo der

mß\'U

Fig. 60. Querschnitt eines
späteren Stadiums von
Orni-
thorhynchus.
Der in Fig. 59
eingeleitete Gegensatz tritt
noch stärker hervor : der Tro-
phoblast
tr ist bereits weit
über den Dotter ausgedehnt;
der Embryonalknoten
{ek) liegt
z. T. in den Dotter eingebettet
(nach Wilson und Füll \'07).

Embryo sich bilden wird, bedeckt diese
Schicht
{tr) die Reste der Furchungszellen,
welche noch nicht in regelmäßigen Schich-
ten geordnet sind. Ich meine, daß wir
berechtigt sind, dieses Stadium in der
Ornithodelphierentwicklung mit dem-
jenigen der höheren Säugetiere zu ver-
gleichen, in welchem der noch un-
diff"erenzierte Embryonalknoten von
Trophoblast, welcher sich zu einer
Blase ausgedehnt hat, bedeckt ist. Ob-
gleich diese hier gegebene Yorstellung

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sich von derjenigen Semons unterscheidet, hege ich das Ver-
trauen, daß weitere und grünclHche Untersuchungen über die
Monotremenentwicklung diese Hypothese bestätigen werden;.
sowohl wie die hinzukommende Hypothese, welche nicht auf
Beobachtungen gegründet ist, daß nämlich die Stellen
eh in
Fig. 59, 60 u. 61 sich nach einiger Zeit in embryonales Ektoderm
und Entoderm ordnen werden, wobei die Zellen des letzteren

sich radiär unter der Trophoblastschicht ausbreiten, wie es Fig. 62
.andeutet. Es ist sehr zu bedauern, daß der Embryonalschild
zu Semons Fig. 39 nicht mehr vorhanden ist, weil er ohne
Zweifel die hier diskutierten Punkte zur Lösung hätte bringen
können.

Der Unterschied zwischen Ornithodelphia einerseits und
Mono- und Didelphia andererseits würde sich — falls die hier

Als dieser Paragraph niedergeschrieben wurde, waren die letzten ausgedehnten
Untersuchungen Wilsons und Hills (\'07) mir noch nicht bekannt. Ihre an dieser
Stelle in Fig. 58, 60 u. 62 reproduzierten Abbildungen stimmen vollkommen mit der
hypothetischen Deutung überein, welche ich gegeben hatte, bevor diese neuen Tat-
sachen in die Öffentlichkeit gebracht wurden.

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gegebene Auffassung bestätigt wird — auf die Tatsache stützen,
daß die Trophoblastblase der ersteren neben einem Embryonal-
knoten noch eine bedeutende Quantität Nahrungsdotter ein-
schließt, dessen Entwicklung mit dem Übergang in der Vor-
fahrenreihe von Viviparität in Oviparität parallel gegangen ist.

Auch bei den Sauropsiden müssen ähnhche Erscheinungen
aufgetreten sein, deren Spuren nachzuforschen jedoch noch
beschw^erlicher ist, als bei den Ornithodelphia. Die Tropho-
blastblase. welche bei den Ornithodelphia noch vergleichungs-
weise deutlich unterscheidbar, obgleich unvollkommen bekannt
ist, ist bei vielen Sauropsida und Vögeln mit großer Schwierig-
keit vom embryonalen Schild zu unterscheiden, und zw^ar weil
der an einer bestimmten Stelle auftretende Öffnungsprozeß der
Trophoblastblase, welcher das embryonale Ektoderm an die
Oberfläche treten läßt, hier sehr undeuthch geworden ist. Es
wwde nachgewiesen, wie voflkommen deutlich diese Tropho-
blastblase bei den Monodelphia und Didelphia ist und wie bei
den Ornithodelphia an ihrer Anwesenheit nicht gezweifelt w-erden
kann (s. Fig. 60, 61). Und doch trägt diese letztere Gruppe
dazu bei, die Tatsache zu erklären, daß sie bei den Sauropsida
(Fig. 113—119) undeuthch ist und deshalb nicht erkannt w-urde.
Eine äußere Trophoblastschicht ist von Mehnert beschrieben
(\'94,
p. 214), welcher Autor voUkommen ihre Identität mit der bei
den Säugetieren von mh als Trophoblast beschriebenen Schicht
erkannte, welcher aber Verwirrung schaffte, als er dessen un-
geachtet den neuen Namen Telodermi) (Grenzblatt) aufstellte,
eine um so größere Verwirrung, als er heterogene Zellschichten
mit einander verglich, wie ich weiter noch angeben werde.

Der Grund, den er angibt für die Einführung eines neuen Namens und für
den Nichtgebrauch des Namens Trophoblast, ist dieser, ,,daß es nicht bewiesen ist daß
diese Zellen in erster Linie den Ernährungsprozeß des Embryos fördern." Bezüglich
dieser Punkte ist er in vollem Widerspruch zu Schauinsland (\'03,
p. 33), der es
als sehr wahrscheinlich betrachtet, daß jene Zellen bei Reptilien eine ernährende Be-
deutung haben. Bei Säugetieren, wo die Schicht so sehr viel bedeutender ist, wurde
ihre phagocytische Rolle bewiesen; aber sogar, wenn dies noch nicht der Fall
wäre, wurde damit Mehnerts Versuch, die wissenschaftliche Nomenklatur mit einem
überflüssigen Synonym zu belasten, noch nicht gerechtfertigt.

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Mehnert beschreibt ausführlich, wie beim Embryo von Emys
l\'Utaria
die äußere Keimschicht verdoppelt wird und zwei
Schichten produziert, welche total von einander abweichen, von
denen die tiefere Schicht das Material zu dem endgültigen Epithel
der Schildkröte liefert und das primitive Epiderm repräsentiert,
während die äußere Schicht von abgeplatteten Zellen, der
Trophoblast (Teloderm Mehnerts), als supraepitheliale Schicht
betrachtet werden sollte. Nach Mehnert kann der Trophoblast
sehr leicht von dem Epiderm getrennt werden (1. c. p. 213,
Taf. IX, Fig. 8).

Das Wachstum des Trophoblastes soll von demjenigen
der tieferen epithelialen Schicht unabhängig sein. Mit auf
Grund der Mitsukuri\'sehen Abbildungen (\'93) behauptet
Mehnert die Anwesenheit eines Trophoblastes bei
Clemmys
}aponica
und Trionyx japonica, Lacerta muralis, Tropidonotus und
in Bezug auf die Vögel: bei der Ente, dem Huhn^
Larus, Sterna,
Podiceps, Buteo, Äegialitis, Hirtmdo, Luscinia
u. a. festgestellt
zu haben. Ich muß aber anfangen, die Mehrzahl dieser Fälle
in Abrede zu stellen. Ich bin überzeugt, daß in gewissen
der beobachteten Fälle Mehnert und Mitsukuri tatsächlich
den rudimentären Plasmoditrophoblast der Reptilia gesehen
haben, daß aber in anderen Fällen der erstgenannte Autor sich
geirrt hat und dasjenige, was tatsächlich eine oberflächliche
Schicht (weit entfernt vergleichbar mit einer epitrichialen
Schicht der Säugetiere) späterer embryonaler Phasen ist.
mit Trophoblastelementen verwechselt hat. Ich habe diese
Verläugnung vor mehr als zehn Jahren (\'95 p. 27 Anmerkung)
publiziert, ich kann sie hier nur wiederholen. Ein tatsächlicher,
zweischichtiger Reptilientrophoblast kann, wie ich meine, deut-
lich erkannt werden in Mitsukuris Fig. 59(\'90)
vonClemmys, wo
wir eine gesonderte Zellschicht von abgeplatteten Elementen
finden, welche die Amnionfalten an der Außenseite begleitet. Die
äußere Schicht ist nicht auf die innere Oberfläche der Amnion-
falte fortgesetzt, wie Mehnert es in dem Fall von
Emys lutaria
angibt. Ebenfalls in seinen gefärbten Figuren (1. c. 30 a—37 a)

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scheint Mitsukuri durch die verschiedene Schattierung der
roten Farbe anzugeben, daß er nicht (wie es Mehnert tut)
eine Kontinuität zwischen der äußeren Trophoblastschicht und
der inneren Bekleidung des Amnions gesehen hat.

Falls wir die Mehnert\'sche Auffassung annehmen wollten
- wozu ich vielleicht in 1895 mehr hinneigte, als damals be-
rechtigt war - so hätten wir nicht nur die innere Schicht des
Amnions als Trophoblast zu betrachten, sondern ebenfalls die
Deckschicht, welche er bei der Ente beschreibt, welche Deck-
schicht ein ununterbrochenes epitheliales Stratum, sowohl über
dem Rücken als über der ventralen Oberfläche des Embryos
bildet: und eine Vergleichung mit demjenigen, was wir oben
für die Säugetiere beschrieben haben, sollte uns davor hüten,
diese Ansicht als die wirkhche Deutung anzunehmen, i)

Ein zweiter Autor, dessen üntersuchungen ein Reptilien-

plasmoditrophoblast ^u Tage gebracht haben, ist Schauinsland

(/03). In seinen Abbildungen eines jungen Chamaeleo- (76) und

ÄMß;wc^o?.-Embryos(Fig.64,65), welcheinHertwigsHandb I 2

p. 20, reproduziert sind, beobachten wir, daß die emporwachsen-
den Falten des Ektoderms, welche die ersten Andeutungen einer
gesonderten Existenz des Amnions und der Serosa sind, an ihrer
Außenseite von einer an Dicke wechselnden Schicht bedeckt
sind. Die Anwesenseit dieser Schicht gibt, wie ich meine, eine
Andeutung von einem ähnlichen Prozeß bei Reptilien als wie
bei den Säugetieren beobachteten, d.h. eine Differenzierung der
außerhalb des Embryonalschildes gelagerten Gebietes (in solcher
Weise begegnen Mm dem Trophoblast, nachdem das embry-

Man solJte bedenken, daß die hier besprochenen Phänomene noch erst teilweise
bekannt sind. Wenn wir die sehr verschiedenen oben erwähnten Weisen betrachten
m welchen der Säugetiertrophoblast über dem embryonalen Schild verschwindet so
dürfen wir ebenfalls Variationen bei den Sauropsida erwarten. Setzen wir voraus
daß eine Einrichtung wie beim Kaninchen (Fig. l8) und andern Nagern wo dié
Kaub er\'sehe Deckschicht während längerer Zeit wahrnehmbar bleibt noch länger
fortdauerte, so könnten wir einen Zustand erreichen, wie er von Mehnert bei £mvs
und anderen Arten beschrieben ist. Ich würde dies nicht erwähnen, wenn es nicht
erwünscht wäre, von Anfang an das Auge geöffnet zu haben für alle verschiedenen Mög-
lichkeiten, welche zur Erleichterung dieser schwierigen Punkte beizutragen vermögen

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onale Ektoderm in diesen interpoliert ist) in eine oberflächliche
und eine tiefe Schicht (Piasmodi- und Cytotrophoblast v. Be-
nedens und Hubrechts). Und diese Differenzierung weckt
den Verdacht — welcher weiterhin
 63

bestätigt wird durch den scharfen
Unterschied zwischen äußerer und
innerer Schicht am freien Rande
der Amnionfalte (Fig. 64 u. 65) —

Fig. 63. Obei-flächenansicht der Amnionfalte

bei Chamaeleo.
Fig. 64. Dasselbe im Querschnitt mit Wucherung
des vorderen Entoderms (Protochordalplatte
pp).
tr
Trophoblast, worin zwei Schichten unter-
scheidbar sind.

tr

tr

64

daß bei den Reptiha ein ähnhcher FaU wie bei den Fleder-
mäusen und beim Igel vorhegt, wo die äußere Oberfläche der
Amnionfalte von trophoblastischer Natur ist, während die
innere aus einem Emporwachsen des ektodermalen Schildes
hervorgeht (s. auch p. 109 und Duval \'99 Fig. 96, 102 117, 132).
Der Trophoblast von
 Chamaeleo würde also

mehr als eine Zelle tief sein, sogar bevor das somatische Meso-
derm einen Diplotrophoblast aus ihm gemacht hat. Der Tropho-
blast trägt nicht zur inneren Bekleidung des Amnionhohlraumes
bei. Hier spieh nur das embryonale Ektoderm eine Rolle (s.p. 110).
In dieser wichtigen Frage steht Schauinsland, obgleich er

H11 brecht, Erabryologie. 3

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selbst die Wichtigkeit des Problems (welches ihm nicht klar vor
Augen stand) nicht anrührt, auf der Seite Mitsukuris, nicht
auf der Seite Mehnerts.
JiQimChamaeleo, von welchem Schau-
insland gute Abbildungen gibt (\'03, Taf. XXVI, Fig. 184—186),
die in sehr gleichgültiger Weise von Hertwig reproduziert
worden sind (I, 2, p. 194), sieht man dasselbe Phänomen mit
gleich großer Deutlichkeit (Fig. 64). Nachdem das Amnion
sich in der sehr primitiven, für
Chamaeleo charakteristischen
Weise geschlossen hat (Fig. 63), besteht die „Membrana serosa"
aus einer doppelten Trophoblastschicht (Fig. 64).

Die oben angeführte Tatsache zwingt uns zur Schlußfolge-
rung, daß bevor die Amnionbildung bei
Chamaeleo und Sphenodou
anfängt, auf der Oberfläche der Keimscheibe eine zirkuläre
zentrale Region — vergleichbar mit dem Ektodermalschild der

Fig. 65 a. Anderer Querschnitt von Sphenodon um die Differenzierung des zwei-
schichtigen Trophoblastes
tr dem ektodermalen Schilde EE\' gegenüber anzudeuten.
pp Protochordalplatte (nach Schauinsland \'03).

Säugetiere — von einem peripheren Trophoblastgebiete abge-
grenzt wird. Diese Abgrenzung ist deuthch nachgewiesen in
einer andern der Schauinsl and\'sehen Abbildungen ("03, Taf. 46,
Fig. 117) für
Sphenodon, welche nicht

von Hertwig, aber an
dieser Stelle reproduziert wurde (Fig. 65 a).

Im Texte Schauinslands (\'03, p. 142) wird dies mit den
folgenden Worten angedeutet: „Wie schon mehrfach betont,
gehen sie (die Trophoblastzellen) nicht auf den eigenthchen
Embryo hinauf, und dadurch kann man scharf den extra-
embryonalen von dem embryonalen Teil des ektodermalen
Blastoderms unterscheiden."

Wenn wir uns jetzt auf die hier erwähnten Fälle be-
schränken, eine Schildkröte (Mitsukuri),
Sphenodon und Cha-

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maeleo (Schauinsland) und mit Absicht die sämtlichen Tiere
Mehnerts außer Betracht lassen, so haben wir drei Sauro-
psida, bei welchen klare Andeutungen nachweisbar sind, daß
der Säugetiertrophoblast schheßHch auch bei den Sauropsida
angetroffen wird. Abgesehen von diesen Andeutungen gibt
es aber eine große Wahrscheinlichkeit a priori, daß An-
sichten, welche für die embryonalen Hüllen der Säugetiere
gelten, ebenfalls gültig für die Sauropsida sind, welche — gerade
dieser Hüllen wegen — immer in innigerem Zusammenhang
mit den Säugetieren als mit den niedrigen Vertebraten ge-
standen haben. Auch sollten wir nicht die Tatsache über-
sehen, daß die Vergleichung der Elasmobranchierontogenie mit
derjenigen der Sauropsida immer diesen sehr einschneidenden
Unterschied gezeigt hat, daß von einer Membrana serosa oder
von einem Amnion bei der ersteren nie die Rede war, so daß
eine Vergleichung des Prozesses der allmähhchen Dotterum-
schheßung durch radiale Ausbreitung des Embryonalschildes
von Anfang an Verdacht geweckt hat, während die ganze
seröse Hülle und das Amnion als tatsächlich larvale Schichten
bei Vögeln, Reptihen und Säugetieren bei der Geburt abge-
worfen werden.

Und jetzt, wo die Deutung der Tatsachen bei Säugetieren
relativ leicht geworden ist (s. auch Kapitel III), sollen wir nicht
zögern, die Sauropsidenentwicklung in denselben Gedanken-
gang einzureihen.

Eine Vergleichung meiner eigenen Abbildungen von jungen Erinaceus (\'89) und
derjenigen von v. Beneden (\'99) von jungen F^jr/^r^Z/zb-Keimblasen mit den oben-
erwähnten Figuren Schauinslands und Mitsukuris überzeugen uns von der Möglich-
keit, die doppelte Schicht außerhalb des formativen Ektoderms z. B. von
Sphenodon als
eine Verdoppelung des Trophoblastes zu betrachten. Die zwei obengenannten
Säugetiergenera, wie ebenfalls
Sorex und andere, zeigen eine Verdoppelung und sogar
eine bedeutende Verdickung des Trophoblastes gleich auijerhalb des embryonalen Ekto-
derms. Es würde also keine gezwungene Annahme sein, zu behaupten, daß bei Reptilien
und Vögeln — bei welchen Tieren, wie wir gesehen haben, Schauinsland eine scharfe
Demarkationslinie zwischen dem Trophoblast und dem embryonalen Schild annimmt
(I.e. p.142) — beide Schichten außerhalb di es er D emark a tio nslinie Tr o ph o-
blastzellen sind, getrennt in eine äußere abgeplattete und eine innere zylindrische
Schicht. Sogar von diesem Unterschiede in der Form bieten die Säugetiere das Gegen-
stück, wie wir an der linken Seite der Fig. 6 und 38 von den jüngsten Fleder-

3*

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mausen v. Benedens (\'99) und ebenfalls in den hier reproduzierten Fig. 25 — 27 vom
Igel sehen. Überdies werden wir in Kapitel V lernen, daß der Trophoblast sich öfters
in zwei Schichten differenziert, welche als Cytotrophoblast und Plasmoditrophoblast
bekannt sind. So würde die hier verteidigte Auffassung uns zur Schlußfolgerung
zwingen, daß bei Vögeln und Reptilien ein zirkulärer Bezirk von embryonalen Zellen
nicht sichtbar, sondern potentiell von einer peripheren Region von Trophoblastzellen
getrennt war, in derselben Weise, wie wir dies für
Tupaja, Tarsms u. a. festgestellt
haben, bei welchen letzteren, nachdem der Embryonalschild an die Oberfläche getreten
ist, es nicht länger möglich ist, die Demarkationslinie zwischen Trophoblast und
embryonalen Ektodermzellen zu unterscheiden, obgleich wir ihre aktuelle Existenz in
den aufeinanderfolgenden ontogenetischen Stadien beobachtet haben. Bei den meisten
Sauropsida würde die Ontogenie diesen Unterschied nicht mehr klar zu Tage bringen;
die gegenseitige Beziehung würde aber dieselbe sein und ausnahmsweise günstige Fälle
wie die hier erwähnten und abgebildeten
(Clemmys, Sphenodon, Chamaeleo) würden
um so willkommenere Bestätigung bieten.

In physiologischer Hinsicht hat sich ergeben, daß die oberflächliche Schicht der
Serosa zweifellos gewisse Eigenschaften hat, welche wir ebenfalls bei dem wuchern-
den Säugetiertrophoblast antreffen. So findet man z. B. eine deutlich markierte
Wucherung in der äußeren Schicht bei
Seps, einem viviparen Reptil, bei welchem
Studiati, Giacomini (\'91) u. a. sowohl einen allantoiden als einen omphaloiden
Kontakt (Plazentation) zwischen der Serosa und den mütterlichen Geweben be-
schrieben haben.

In ähnlicher Weise gibt die Aktivität der Serosa des Huhns in dem Gebiete, wo
Duval das ,,Organe placentaire" beschrieben hat, zu denselben Betrachtungen Anlaß.
Es müssen aber noch mehr ausgedehnte Untersuchungen ad hoc vorgenommen werden,
bevor die isolierten Fälle der obengenannten Reptilien genügende Stütze erlangen,
damit sie als Ausgangspunkt dienen zur Gründung einer Theorie über die Modifikation
des Sauropsidentrophoblastes (gleichzeitig mit der Bildung der Eischale usw. einsetzend).^)

Über den Anteil, welchen der Trophoblast bei der Bildung des Amnions hat,
werden wir in einem anderen Kapitel reden. Weiter würde es interessant sein, zu wissen,
ob die Ontogenie einige Andeutung gibt zur Lösung der Frage, ob der Trophoblast
bei den viviparen Vorfahren der Reptilia in einer gleich frühen Periode von den über-
bleibenden Furchungszellen differenziert wurde, wie dieses bei den Säugetieren-) der
Fall ist, oder ob die Differenzierung erst später stattfand; wie wir es bei denjenigen

Vor kurzem hat Eternod einen Artikel publiziert ,,La gastrule dans la série
animale in Bull. Soc. Vaud. Se. Nat. 1906, 5^01« Série, vol. 42, in welchem er in
der Textfigur 16 und Fig. 26, Taf. XIII Teile, welche nach unseren obigen Betrach-
tungen keineswegs homolog sind, mit einander in Übereinstimmung zu bringen versucht.
Die Ansichten Eternods sind schon mit Erfolg von Schlater bestritten (Anat. Anz.
Bd. 31, p. 31). Der letzte Autor selbst aber macht einen Fehlschluß, wenn er sagt,
daß „die Epiblastschicht der Sauropsidenkeimblase der über die Grenzen der Keim-
schicht hinausgewachsene embryonale Epiblast ist". Die sekundären, degenerativen
Stadien des Trophoblastes sind hier absolut falsch verstanden.

Die obenerwähnten Untersuchungen Wilsons und Hills (p. 12 und 20)
scheinen darzustellen, daß wir bei den Ornithodelphia noch ein wichtiges intermediäres
Stadium haben, in welchem es tatsächlich möglich ist, ungeachtet der Dotteranhäufung
den Trophoblast von den Mutterzellen des embryonalen Knotens zu unterscheiden.
Die Fig. 33 und 34 Semons (\'94) lassen eine ähnliche Deutung zu.

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Amphibien und Fischen vorfinden, wo ebenfalls Spuren einer äußeren larvalen Hülle
angetroffen werden, wie wir im letzten Paragraph eines weiteren Kapitels ausführlich
besprechen werden.

C. Ichthyopsida.

Im Paragraph A. und B. dieses Kapitels haben wir nach-
zuweisen versucht, daß neben dem Ektoderm und Entoderm,
welche durch Delamination das Gastrulastadium der Säugetiere
herstellen, noch eine andere, sehr frühzeitig auftretende Zell-
schicht, welcher der Name Trophoblast gegeben wurde, besteht.

Diese Schicht, phylogenetisch zum Ektoderm gehörend,
wurde als eine Differenzierung derselben Art betrachtet als die
äußere larvale Schicht, welche bei bestimmten Nemertinen,
Gephyreen und anderen Würmern öfters als zeitliche Hülle
dient, welche, sobald das Tier ein gewisses Entwicklungs-
stadium erreicht hat, abgeworfen wird.

In einem späteren Kapitel werden wir erwägen, ob die
verschiedenen fötalen Hüllen der Amniota allantoidea nicht in
genetischen Zusammenhang mit dieser Schicht gebracht werden
können und ob wir berechtigt sind, die fötalen Hüllen der höheren
Vertebrata auf diejenige der invertebraten Vorfahren, welche von
einer ektodermalen Larvenhülle bekleidet waren, zurückzuführen.

Bei einer ersten Betrachtung würde es einem wahrscheinlich
vorkommen, daß bei den Anamnia, Anallantoidea (d. h. bei
den Ichthyopsida) Spuren dieser larvalen Zellschicht fehien,
und daß die Abwesenheit dieser Hühe die Tatsache, daß sich
kein Amnion entwickelt, zu erklären vermöchte. Die Möghch-
keit, daß die tiefgehenden Unterschiede zwischen, sagen wir
Amphibia und Reptilia, nicht so groß sind wie die Trennung der
Vertebrata in Amniota und Anamnia es uns vermuten läßt,
sollte aber auch noch in Erwägung gezogen werden. In diesem
Lichte möchte ich die Tatsache betrachten, daß bei manchen
Amphibien gewisse ontogenetische Stadien die Gegenwart
einer sogenannten Deckschicht der Larve erkennen lassen.
Zur gleichen Zeit muß erwähnt werden, daß bei vielen anderen
Gattungen keine Spur dieser Schicht angetroffen wird. Um so

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merkwürdiger aber ist die Tatsache, daß nicht nur bei den
Amphibia eine solche Deckschicht bisweilen zu Tage tritt,
sondern daß sie ebenfalls bei der Entwicklung von gewissen
Dipnoi und Ganoiden beobachtet wurde und noch konstanter
und unzweideutiger bei allen Teleostiern, deren Entwicklung
bis jetzt nachgeforscht wmrde.

Setzen wir voraus, daß wir berechtigt sind, die Deckschicht
der Amphibien und Teleostomi tatsächlich dem Säugetier- und
Sauropsidentrophoblast homolog zu stellen — homolog wenig-
stens in dem Sinne, daß dasjenige, was wir als eine sehr
aktive und wichtige Schicht während der Entwicklung der
viviparen Säugetiere betrachten, bei Ichthyopsida nur eine
zeitliche, wieder verschwindende Einrichtung ist — so müssen
wir zur selben Zeit uns die Frage vorlegen: deutet diese Homo-
logie vielleicht auf einen Irrtum hin, in welchen wir verfallen,
wenn wir Milne Edwards\' Unterscheidung der Vertebrata in
Amniota und Anamnia annehmen? Und sollten wir uns nicht
überlegen, ob — und in welcher Weise — dieser Irrtum am
besten zu vermeiden wäre?

Jedenfalls zeigen die Elasmobranchier, die Cyclostomen
und
Amphioxus in ihrer ersten Entwicklung keine Spur einer
Deckschicht und wie wir in einem späteren Kapitel sehen
werden, keine Spur anderer Organe, welche für die anderen
Veitebrata charakteristisch sind.

In diesem Kapitel habe ich auf diese Tatsachen aufmerk-
sam machen müssen; in Kapitel IV, sowie auch in Kapitel VI
soUen sie ausführlicher besprochen werden.

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Kapitel II.

Weitere Entwicklung der zwei Keimschichten der
Vertebrata bis zum Auftreten der Somiten.

I. Säugetiere (Mono- und Didelphia).

1. Entwicklungsprozesse im Entoderm.

Sehr hohe Autoritäten, wie Kölliker, Selenka,
Ziegler, Keibel u. a. sprechen dem Entoderm jeden Anteil
an der Bildung des zwischen den zwei primären Schichten ge-
lagerten Gewebes bei den Säugetieren ab; sie meinen, daß
das Material zur Mesoblastbildung ausschließlich aus dem
Primitivstreifen hervorsproßt und wünschen sogar — jedenfalls
einige von ihnen — das Getäßsystem und das Blut von der-
selben Quelle herzuleiten.

Die Mesenchymbildung, so scharf von O. Hertwig von
der Mesoblastbildung unterschieden (siehe sein Lehrbuch 1906
p. 218), wird von vielen Autoren bei Säugetieren als von
keinerlei Bedeutung geachtet, obwohl Bonnet in seinen Unter-
suchungen über die Entwicklung des Schafes (\'82, \'89) letzteren
Gedankengang durch den Nachweis zu hemmen versucht, daß
beim Schafe die Gefäßregion auf dem Dottersack ein direktes
Derivat einer lokalen Entodermwucherung ist. In seinen
späteren Publikationen über den Hund hat Bonnet aber bei
diesem Säugetiere das Vorkommen eines ähnlichen Prozesses
verneint, obgleich aus seinen Abbildungen (\'01, Taf. XVIII,
XIX, Fig. 6 u. v. a.) gewiß eine andere Schlußfolgerung ge-
zogen werden dürfte (Fig. 66, 67). Bei
Sorex und Tupaja (für

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letzteren bis jetzt noch nicht veröffenthcht) ist dagegen die
Genese vom Mesenchym aus dem Entoderm von mh selbst
vollkommen bestätigt, und das Gebiet, in welchem die Teil-
nahme des Entoderms
an der Bildung: der
Blutgefäße stattfin-
det, im Detail von mir
abgebildet w^orden
(\'90, Fig. 58, 61).

Von oben gesehen ist die Ansicht eine solche, daß es sich
rechtfertigen läßt, den Namen „ringförmige Zone des meso-
blastbildenden Entoderms" zu verwenden bei
Sorex und Tupaja.

Seit der Zeit ist über diese sehr schwere und doch sehr
wichtige Frage der vergleichenden Embryologie ein Streit
geführt.

Es drehen sich viele Probleme bezüghch der Auffassung
der Keimblätter und der Bedeutung des Mesoblastes um diese
Frage herum. Erst in letzterer Zeit hat Rückert, zusammen
mit Mollier, eine bemerkenswerte Bearbeitung in Hertwigs
Handbuch Teil I,
p. 1244—1260 gehefert, in welcher er — von
sorgfältigen Untersuchungen ausgehend — bedeutende Schlüsse
bezüghch der Blutbildung aher Vertebrata bringt. Diese Arbeit
führt dahin, daß ein Teil der theoretischen, von Rabl ver-
tretenen Ansichten über Mesoblastbildung, wie sie von der
Mehrzahl der Embryologen angenommen werden, verlassen
werden müssen.

Ich brauche hier nicht eine ausführliche Auseinander-
setzung dieses Streitpunktes zu geben, wo dieses jetzt in so
sorgfältiger Weise in dem obengenannten Kapitel über „die

67

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erste Entstehung der Gefäße und des Blutes bei Wirbeltieren\'\'
in Hertwigs Handbuch vorliegt.

Ich habe die Absicht, jetzt zu einer vollständigen Be-
schreibung desjenigen überzugehen, welches schon bei ver-
schiedenen Säugetieren beobachtet und beschrieben ist, und
zwar anfangend mit dem Gebilde, das ich 1890 nannte:

a) Die protochordale Platte. Dieses Gebilde wurde
anfangs von vielen Embryologen mehr oder weniger ignoriert;
später hat man seine Bedeutung anerkannt, aber es damals
mit einem anderen Namen belegt (Bonnet \'Ol, E. P.); heute
hoffe ich endgültig festzustellen, daß ich nicht nur berechtigt
war, diese protochordale Platte als eine unabhängige vordere
Mesoblastquelle bei Säugetieren zu betrachten, sondern daß
wir von jetzt an ihre Anwesenheit unter verschiedenem Aspekt
auch bei Sauropsiden und Ichthyopsiden annehmen müssen,
wie ich später auseinandersetzen werde.

Für die Säugetiere haben wir in den vorigen Paragraphen
beschrieben, wie im zweischichtigen Stadium die Entoderm-
zellen unter dem ektodermalen Schilde viel massiver sind als

Fig. 68 u. 69. Zwei (durch
Rekonstruktion erlangte)
Oberflächenansichten des
frühen Keimschildes der
Spitzmaus. In Fig. 68 ist
die ringförmige Zone wu-
chernden Entoderms
az an-
gedeutet, sowie auch der
I\'rimitivstreifen und der
punktierte Umriß der Meso-
blastflügel. In Fig. 69 hat
die Chorda angefangen sich
zu bilden; ein neurenteri-
scher Porus
np ist sichtbar,
sowie auch extraembryo-
nales hinteres Coelom
co
(nach Hubrecht \'90).

diejenigen, welche die innere Oberfläche des Trophoblastes
auskleiden. Diese letzteren Zellen sind mehr abgeplattet und
stehen weiter auseinander, wie Fig. 12, 21, 26, 38 u. 46 angeben.
Wenn die zweischichtige Keimblase größer wird, beobachtet

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man ein sehr deutliches weiteres Wachstum, zusammen mit
Zellwucherung in demjenigen Teil des Entoderms, das unter
dem späteren vorderen Teil des embryonalen Schildes liegt.
Ich bilde dieses hier bei
Sorex nach meinen eigenen Figuren
ab (Fig. 54, 55), beim Schafe und Hund nach Bonn et (Fig.
66, 67) und ich füge neue Abbildungen hinzu, welche dasselbe
Phänomen bei
Tarsius (Fig. 71 —74) und Galeopithecus (Fig. 46
u. 36) zeigen. Beim Schweine
wurde dasselbe, obwohl nicht
in diesem Lichte betrachtet,
von Keibel (\'93, Fig. 21 bis
23)^) abgebildet.

Bei Sorex war es beson-
ders interessant, daß wir im
Stande waren, die Unab-
hängigkeit dieser frühzeitigen
Wucherung von irgend einer

Fig. 70. Die relative Lagerung vom
ventralen Mesoblast
vm, Trophoblast tj\'
(auf dem Wege um das embryonale Ekto-
derm unbedeckt zu lassen [cf. Fig. i6])
und Nabelblase [ziv) in einer Phase von
ungefähr demselben Alter wie die Fig. 72.
so.m somatischer, sp.m splanchnischer
Mesoblast (nach Hub recht \'02).

Fig. 71. Längsschnitt einer anderen
ZöT^zz/^-Keimblase, worin die Protochordal-
platte deutlich angelegt und der Proto-
chordalknoten j<>7c» eben im ersten Entstehen
ist, und zwar in einem etwas früheren
Stadium wie Fig. 72. Der ventrale Meso-
blast vm entspringt aus dem Ektoderm
gleich hinter
pw, der Trophoblast tr ist
von beiden unabhängig.

1) Keibel deutet seine Figuren anders und erkannte in der obenerwähnten
Publikation die protochordale Platte nicht als eine Mesoblastquelle, wie ich sie drei
Jahre vorher gedeutet hatte. Und doch lassen die hier zitierten Abbildungen keinen
Zweifel übrig über ihre Anwesenheit beim Schweine.

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Fig. 72, Etwas späteres Stadium des Tarshis-
Keimschildes, wobei sowohl eine deutliche
ventrale Wucherung
pw des Ektoderms wie die
entodermale Wucherung
pp aufgetreten sind.
Der Protochordalknoten
pw und die proto-
chordale Platte
pp verschmelzen aufs innigste
(s. Fig. 49, 76, 77). Der ventrale Mesoblast
vm entspringt aus dem Ektoderm gerade hinter
dem Protochordalknoten
pw. tr Trophoblast,
spm splanchnischer Mesoblast, uv Nabelblase.

p-M

Fig- 73- Längsschnitt eines ungefähr
gleichaltrigen Stadiums von
Tarsius,
wie Fig. 72. Die Anheftung der
unteren Keimblasenwand gegen die
Uterusschleimhaut reicht bis zur
Stelle wo der Buchstabe
tr hinweist:
die placentare Trophoblastwucherung
ist hier weggelassen (s. Fig. 86).
Der ventrale Mesoblast
vvi, aus dem
Ektoderm hervorgewuchert, um-
schließt bereits extraembryonales
Coelom, dessen Wand z. T. als
splanchnisches
{spm), z. T. als soma-
tisches Mesoblast (jo.wz) angedeutet
wird,
pp Protochordalplatte.

anderen Mesoblastquelle nachzuweisen, obgleich sehr bald nach-
her die ringförmige Zone des mesoblastbildenden Entoderms
die früh auftretende protochordale Platte mit den Mesoblast
produzierenden Regionen am hinteren Ende des Embryonal-

Fig. 74. Querschnitt des oberen Abschnittes einer
frühen Keimblase ungefähr im Stadium der Fig. 73,
worin die wuchernde Protochordalplatte sichtbar
ist. Buchstaben wie in Fig. 72.

schildes verbindet. Von oben gesehen wird diese Phase in
Fig. 55 und 68 abgebildet.

Die hier beschriebene entodermale Wucherung ist in ihren
jüngsten Phasen eine einfache Verdickung des inneren Keim-
blattes, aber bald ändert sich dieser Aspekt und bemerken
wir, daß einige dieser gewucherten Zellen ihre Ursprungsstelle

ILV \'

Spm

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verlassen und sich zwischen den zwei Keimschichten lagern.
Aus zweierlei Gründen ist es nicht immer leicht, genau zu be-
stimmen, bis wie weit diese Mesenchymzellen sich über den
Raum zwischen Ektoderm und Entoderm ausbreiten. Erstens
weil die ringförmige Zone des mesoblastbildenden Entoderms,
welche mit der protochordalen Platte zusammenfließt (Fig. 68,
az), ihre Aktivität fast zu gleicher Zeit — obwohl, wie Fig. 55
zeigt, etwas später — anfängt; zweitens weil eine andere
Zelleninvasion dieses Raumes — vom Ektoderm ausgehend —
ebenfalls in dieser Zeit anfängt, wie wir später beschreiben
werden.

In einer sehr frühen Periode vermischen sich die von
diesen drei verschiedenen Quellen herstammenden Zellen
und es wird ein sehr verwickeltes Problem sein — w^elches bis
jetzt nicht nur nicht in befriedigender Weise gelöst, sondern
sogar noch kaum formuliert ist — zu bestimmen, von welchem
der drei Ausgangspunkte schließlich die verschiedenartigen
Organanlagen herzuleiten sind.

Bei Sorex war dies in einem sehr jungen Stadium bis zu
einem bestimmten Grade möglich, weil die die vorderen ento-
dermalen Mesenchymzellen produzierende Wucherung etwas
früher einsetzt als der Prozeß, welcher von der hinteren Hälfte
des Embryonalschildes ausgeht. In meiner Abhandlung über
Sorex (\'90) war ich im Stande, diese frühesten Prozesse ge-
nügend zu unterscheiden, obwohl ich doch völlig eingestehen
mußte, daß später eine weitere Unterscheidung unmöglich
wurde. Diese letzte Tatsache hat vielleicht dazu beigetragen,
daß so viele der besten modernen Embryologen Kölliker in
seiner Leugnung der Teilnahme des Entoderms an der Meso-
blastbildung nachgefolgt sind.

Bei Tarsius ist die Unterscheidung des vom Entoderm
herzuleitenden Mesenchyms von anderen Mcsoblastzellen,
welche sich zwischen den zwei Keimschichten befinden, sogar
in den allerjüngsten Stadien kaum möglich, w^eil hier die Quelle

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des jüngsten ektodermalen Mesoblastes am hinteren Ende des
Embryonalschildes schon in einer sehr frühen Periode in vollem
Gang ist, infolge der Anwesenheit jenes allererst auftreten-
den Mesoblastgewebes, welches ich ventralen Mesoblast
genannt habe. Der ventrale Mesoblast bildet zunächst eine
Blase, teilweise vom Anfang an gegen die Nabelblase gelagert,
und schließt einen extraembryonalen Coelomraum ein, welcher
also in einer viel früheren Periode als bei anderen Säugetieren
gebildet wird, mit Ausnahme des Menschen und der Affen.
Ein Teil dieses ventralen Mesoblastes wird allmählich zu einem
Verbindungsstiel (Haftstiel, Bauchstiel), mit welchem der Em-
bryo in Gefäßverbindung mit der Placenta stehen wird, wie
wir in einem späteren Kapitel ausführlich darstellen werden.
Bei diesem selben
Tarsius aber ist die entodermale, bei
Sorex beschriebene V^ucherung, welche ich auch weiter als
protochordale Platte zu benennen wünsche, um so deutlicher.
Ich habe es in den Figuren 71—74 abgebildet. Das Ento-
derm ist hier zwei oder drei Zellschichten dick geworden.
Diese Region stimmt mit dem späteren vorderen Teil des
embryonalen Kopfes überein, vordem die Herzanlage unter die
Gehirnanlage zurückgefaltet worden ist.

Was andere Säugetiere betrifft, verfüge ich nicht über so
ausführliche Daten wie für
Sorex und Tarsius; wenn wir aber
die Resultate anderer Untersucher konsultieren — sogar der-
jenigen, welche die Teilnahme des Entoderms an der Meso-
blastbildung in Abrede stellen —, ist es nicht zweifelhaft, daß
diese Verdickung des Entoderms bei allen Säugetieren statt-
findet. Für
Erinaceus, Gijmnura, Talpa und Tupaja besitze ich
zahlreiche überzeugende, schon oben erwähnte Präparate;
ebenfalls für
Manis, Galeopithecus, Sciurus, Mus, Lepus, von denen
verschiedene hier abgebildet sind (Fig. 12,22,36). Was den Hund
betrifft, gibt Bonnet verschiedene, nicht anders zu deutende
Illustrationen (\'01, Fig. 11—13, 31, 32); obwohl er den Namen
„Ergänzungsplatte" statt des älteren Namens „protochordale
Platte" einführte. Auch in einem Artikel Asshetons (\'96,

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Taf. XX, Fig. 17 u. 18) bildet der Autor deutlich die hier er-
wähnte entodermale Wucherungszone ab.

b) Das ringförmige Proliferationsgebiet. In welcher
Weise der hintere Teil der protochordalen Platte mit der vor-
deren Portion der medianen ektodermalen ventral gerichteten
Wucherung des Ektodermschildes zusammenfließt, habe ich bei
Tarsius in einer früheren Abhandlung beschrieben (\'02). Weiter
unten werden wir hierauf zurückkommen. An erster Stelle wird
es aber nötig sein, eine früher schon von Bonnet (\'84) und
mir (\'90) hervorgehobene Tatsache zu erwähnen, nämlich diese,
daß wenn einmal die protochordale Platte sich als eine mediane
Mesenchymproduzierende Region im Entoderm gebildet hat,
dieselben Mesenchymbildenden Eigenschaften im peripheren
Gebiete des Entoderms zu Tage treten. Diese letzteren Be-
zirke wurden von Bonnet beim Schafe „Mesoblasthof ge-
nannt; kurze Zeit nachher habe ich sie (\'90) bei der Spitzmaus
als eine in die Länge gezogene ringförmige Entodermzone
beschrieben, welche unter- und etwas außerhalb des Randes
des ektodermalen Schildes (Fig. 68) gelagert ist, und sich so-
wohl rechts als links von der protochordalen Platte aus rück-
wärts ausbreitet. An dem hinteren Teil des Schildes im Ge-
biete wo der Mesoblast die unter dem Namen Primitivstreifen
bekannte mediane Verdickung zeigt, welche bei den Primaten
sich in den Haftsdel fortsetzt, schließen die beiden Hälften
des obenerwähnten Ringes wieder zusammen.

Die Gegenwart einer solchen ringförmigen Zone Mesen-
chymbildenden Entoderms wurde ausdrücklich von Embryologen
wie Rabl, Keibel u. a. in Abrede gestellt und O. Hertwig
macht im Kapitel über die Lehre von den Keimblättern seines
letzten Handbuches absolut keine Erwähnung dieser Befunde.
Dies ist um so mehr erstaunhch, weil, wie wir sehen werden,
auch bei niederen Wirbeltieren eine ähnliche Teilnahme des
Entoderms an der Mesenchymbildung keineswegs verneint
werden kann. Es kommt mir vor, daß die Ausdauer, mit welcher
diese Tatsachen umgangen sind, ihren Ursprung hat in der Macht

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gewisser theoretischer Betrachtungen, mit welchen ein mul-
tipler Ursprung des Mesoderms i) sich nicht vereinigen ließe.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß zum größten Teil das hier
beschriebene Mesenchym zu der Bildung von Blutgefäßen und
Blut beiträgt. Die protochordale Platte liefert das Endothel
des Herzens, wie ich an anderer Stelle bei
Tarsius (02,
Taf. IX, Fig. 73a und b) nachgewiesen habe; die ringförmige
Zone schafft das Material zur Area vasculosa auf der Nabel-
blase. Zu dem Zweck wandern Mesenchymzellen, welche sich
in einer früheren Phase in der hier erwähnten annulären Zone
bildeten, über die Oberfläche der Nabelblase und lagern sich
■ zwischen der Entodermschicht, welche die innere und die
splanchnische Mesodermanlage, welche früher (Primaten) oder
später (andere Säugetiere) die äußere Wand dieser Blase
bildet. Neben diesen lateralen Teilen der ringförmigen Zone
hat sein hinterer Teil, diametral gegenüber, der protochordalen
Platte gelagert, noch eine wichtige Rolle bei der Gefäß- und
Blutbildung zu erfüllen; von diesem ist nämhch die Yasculari-
sation des Haftstieles der Primaten herzuleiten. Vom distalen
Ende dieses Haftstieles irradiieren Blutgefäße über die ganze
innere Oberfläche des Diplotrophoblastes (Mensch und Anthro-
pomorphen) oder ausschließhch über einen beschränkten kreis-
förmigen Teil desselben
(Tarsius). Diese Gefäßversorgung
muß, wie wir später besprechen werden, derjenigen, welche
mittels einer freien Allantois zu Stande kommt, phylogenetisch
vorausgegangen sein. Das verdickte Entoderm im hinteren
Teil des Ringes ist besonders deuthch bei
Manis. Nach relativ
kurzer Zeit hört die annuläre entodermale Zone auf, ein Herd
von Mesenchymzellen zu sein; so daß von diesem Augenbhck
an die Zunahme des gefäßbildenden Gewebes den Mitosen
der schon gebildeten Gefäßzellen überlassen wird. Nach sorg-
fältiger Betrachtung der Säugetierpräparate, welche zu unserer

W^as mich selbst betrifft, habe ich bei einer anderen Gelegenheit (\'02, p. 84)
meine Sympathie gezeigt mit dem drastischen Ausdruck Kleinenbergs (\'86): „Es
gibt kein mittleres Keimblatt."

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Verfügung stehen, dürfen wir mit um so mehr Sicherheit auf das
Bestehen einer solchen Wanderung gefäßbildender Zellen
schließen, wenn wir bedenken, daß bei anderen Wirbeltieren
(Teleostiern) dieselben Erscheinungen von Wenckebach
("86), Ziegler (\'87) u. a. beim lebenden Embryo beobachtet
worden sind. Ob noch andere Gewebe als Blutgefäße und
Blut von dieser entodermalen W\'ucherung herstammen, muß
bei den verschiedenen Säugetierarten noch näher untersucht
werden.

2. Entwicklungsvorgänge im Ektoderm.

Ich habe mit Absicht die Besprechung der Wucherungs-
prozesse im Ektoderm hinausgeschoben, weil in modernen
Handbüchern diejenige im Entoderm meistens ignoriert oder
sogar in Abrede gestellt werden, während ihnen doch natürlicher-
weise wenigstens in ihrem ersten Erscheinen diejenigen, welche
aus dem Ektoderm hervorgehen, vorausgehen.

Über die letzteren haben eine ansehnhche Reihe von
Forschern, w^orunter verschiedene der ersten Embryologen, die
Resultate ihrer Beobachtungen sowie ihrer Überlegungen ver-
öffenthcht. Und doch können wir nicht sagen, daß heute
eine allgemeine Übereinstimmung in Bezug auf diese Prozesse
erreicht wurde. Diese Resultate sind in verdienstlicher Weise
von O. Hertwag in seiner Lehre von den Keimblättern (\'03,
p. 918—940) zusammengebracht, und ich möchte jedem, wel-
cher sich für die historische Entwicklung der verschiedenen
Ansichten über diesen Punkt interessiert, auf diesen Autor hin-
weisen. Dieses wird mir Gelegenheit geben, vorläufig alle
Kontroversen zu umgehen und mir erlauben, meine eigene An-
sicht, welche auf die Untersuchung von zahlreichen frühen
Stadien von verschiedenen Säugetieren basiert ist, näher zu
beleuchten. Die Differenzpunkte mit anderen Autoren werden
dann erst später näher hervorgehoben.

a) Der protochordale Knoten. Zur Zeit, wo die zwei
Keimschichten des runden oder ovalen Embryonalschildes noch

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nicht zusammenhängen, sondern noch unabhängig von ein-
ander sind, und die zukünftige vordere Region dieses Schildes
schon durch die im vorigen Paragraph erwähnte entodermale
Wucherung, welche ich vor Jahren (\'90) als protochordale
Platte bezeichnet habe, zu unterscheiden ist, wird eine nach
unten gerichtete Wucherung des Ektoderms in der Achse
des Embryonalschildes (ungefähr in dem hinteren Drittel des-
selben) sichtbar. Ich möchte ohne Anstand behaupten, daß
diese Stelle zusammenfällt mit der vorderen Lippe des im
Kapitel II beschriebenen, aber schnell wieder verschwindenden
Blastoporus des zweischichtigen Gastrulastadiums der Säuge-
tiere. Nur bei wenigen Säugetieren hat man aber diesen
Blastoporus als eine tatsächhche, wenn auch nur temporäre und
rasch wieder unsichtbar werdende Perforation des embryonalen
Schildes nachweisen können (Fig. 48, 50—53). Die Wucherung
ist nach dem Namen ihres ersten Beobachters „Heusen\'scher
Knoten" benannt worden; auch wurde sie Primitivknoten ge-
nannt (Bonnet \'89, p. 38 u. 40). Ich möchte hier den Namen
beibehalten, welchen ich vielen vor Jahren (\'90, p. 501) vor-
geschlagen habe und sie Protochordalknoten (protochordal
wedge) nennen, wie ich zur selben Zeit die Entodermwucherung
Protochordalplatte (protochordal plate) benannt habe.

Daß ich diese beiden Namen beizubehalten wünsche, hat
für mich diesen Wert, daß der nächste Schritt bei der Säuge-
tierentwicklung die intime Verschmelzung dieser zwei zunächst
unabhängigen Wucherungen ist, welche schnell nacheinander
in den zwei unabhängigen Keimschichten entstanden sind und
später nicht mehr von einander gelöst werden (Fig. 48, 49, 52,\'
53, 71—73, 75—78, 90—92). Die Chorda dorsalis ist aus Material
aufgebaut, welches in der Achsenlinie dieser Wucherungen
liegt, daher der Name.

Schon Hensen hat in genauer Weise beobachtet (\'76),
daß unter dem runden Knoten, welchen er vom Ektoderm aus
nach unten gerichtet sah, der Verwachsungsgrad zwischen
Entoderm und Ektoderm maximal ist und als eine wirkliche

Hubrecht, Embryologie. 4

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Verschmelzung dieser zwei Schichten zu betrachten sei.

Dieses ist vollkommen bestätigt worden in transversalen und

longitudinalen Durchschnitten. Ich fand dasselbe bei der

Eig. 76, 77 u. 78. Längsschnitte der in den Fig. 80—82 ab-
gebildeten Embryonalschilder,
tr Trophoblast, vm ventraler
Mesoblast,
all Allantoisrohr (welches in Fig. 76 auch an-
wesend ist, aber nicht angegeben wurde),
pp Protochordal-
platte,
nch Chorda dorsalis, cn und nc neurenterischer Canal,
aa und ap vordere und hintere Amnionfalte, per Pericardium

Hubrecht \'02).

Fig- 75- Längsschnitt durch eine
Tarszus-Keimbla.se, im Moment der
Verschmelzung des ektodermalen
Protochordalknotens (pw) mit der
entodermalen Protochordalplatte (Jip).
vm ventraler Mesoblast aus dem
Ektoderm hervorwachsend und sich
in somatisches und splanchnisches
Mesoblast
(sp.m) spaltend, tr Tro-
phoblast (nach Hubrecht \'02).

h Herz (nach

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8o

Spitzmaus (Fig. 53) und später in noch höherem Grade bei
Tarsius (Fig. 71 und 75).

Bei Tarsius, wo wir schon auf p. 42 gesehen haben in
wie massiver Weise die protochordale Platte entwickelt ist,
wächst der protochordale Knoten gerade hinter dieser nach
unten und zwar über denjenigen Teil des Entoderms, welcher
wieder aus abgeflachten Zellen besteht. Die Zusammenfließung
zwischen den gewucherten Entoderm- und Ektodermzellen,
welche in dem Stadium von Fig. 71 noch nicht stattgefunden
hat, kommt in der nächstfolgenden Phase (Fig. 75) zu Stande.

Fig- 79\'—82. Vier Oberflächenansichten des Embryonalschildes von Tarsius. In
Fig. 79 ist die mediane Verwachsung vom protochordalen Knoten mit protochordaler
Platte zu Stande gekommen und hat die Notogenesis angefangen; in Fig. 80 und 81
ist die Rückenmundgegend (Primitivstreifen) verlängert und hat sich zu gleicher Zeit
die Chorda und der bilaterale Mesoblast entwickelt; in Fig. 81 erstes Auftreten des
Neuroporus inc), welcher in Fig. 82 bedeutend rückwärts gewandert ist.

Wir finden bei Tarsius nicht die geringste Andeutung, daß
die verdickte ektodermale Wucherung, welche wir Proto-
chordalknoten nannten, sich irgendwie nach, vorne ausdehnt,
wie das der Name „Kopffortsatz" der deutschen Autoren er-
warten ließ. Im Gegenteil, im Augenblick, wo die Verschmel-
zung mit der protochordalen Platte zu Stande gekommen ist,
fängt ein Wachstumsprozeß der hier betrachteten Gewebe an,
welches nicht nach vorne, sondern nach hinten gerichtet ist.
Wie eine vergleichende Betrachtung der Fig. 49, 72, 76 u. 77
zeigt, nimmt der Embryonalschild an Länge zu und in derselben

4*

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Zeit wird der Abstand zwisciien der Stelle, wo der protochor-
dale Knoten entstanden ist, und dem vorderen Ende des ekto-
dermalen Schildes bedeutend größer. Während dieses Prozesses
aber ist die Lage des Verschmelzungspunktes vor protochor-
daler Platte und protochordalem Knoten mehr oder weniger kon-

84

Fig. 85. Spätere Dorsalansicht; Amnion nahezu
geschlossen,
st Haftstiel; Tr-w Teil der Diplo-
trophoblastwand der Keimblase.

Tr«-

stant (obgleich dieser Punkt jetzt nicht mehr zu unterscheiden
ist), während sowohl Platte als Knoten ungefähr in gleichem
Maße in die Länge gew^achsen sind (siehe Fig. 79—81). Somit
wird der protochordale Knoten unzweifelhaft länger, aber nicht
durch Aussenden irgend eines Fortsatzes; sondern dadurch, daß
er so zu sagen nach hinten ausgesponnen wird infolge des

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Rückwärtswachsens des zukünftigen Chordagewebes dank
einer fortgesetzten ektodermalen Wucherung, welche sich
der zuerst auftretenden, welche mit der entodermalen Platte
zusammengewachsen ist, anschließt. Ein enger Kanal ist bei
Säugetieren im hinteren Ende dieser protochordalen Wuche-
rung sichtbar (Fig. 77 u. 78
nc, cn).

b) Der ventrale Mesoblast. W^ir werden jetzt einen
Augenblick den protochordalen Knoten bei Seite lassen und
möchten darüber klar werden, ob außerhalb dieses Gebildes
der Ektodermalschild noch irgend einen anderen Beitrag zu
der Gewebebildung zwischen Ektoderm und Entoderm liefert.

In dieser Hinsicht hat sich herausgestellt, daß Tarsius
eine Säugetiergattung von großer Wichtigkeit ist zur Be-
leuchtung dieser viel umstrittenen Fragen.

Affe und Mensch werden, sobald wir mit ihrer Entwick-
lung in diesen selben frühen Stadien vertraut werden, in aller
Wahrscheinlichkeit vollkommen bestätigen, was
Tarsius uns
lehrt. Dabei ist zu bedenken, daß in manchen anderen wich-
tigen Hinsichten
Tarsius den anderen Primaten so sehr ähn-
lich ist. Sogar in dieser Eigentümlichkeit der Anwesenheit

o o

eines extraembryonalen Coeloms in einem Stadium früher als
bei irgend einem anderen Säugetiere bekannt ist, besteht
vollkommene Übereinstimmung.

Es unterhegt keinem Zweifel, daß bei Tarsius vor dem
Erscheinen des Protochordalknotens (Hensen\'scher Knoten)
im hinteren Drittel des Ektodermschildes schon eine andere
ektodermale Wucherung stattgefunden hat (Fig. 70—73,
vm),
deren Produkte eine wichtige, wenn auch von derjenigen des
protochordalen Knotens verschiedene Rolle bei der Bildung
sowohl des Embryos als wie der Keimblase zu spielen hat.

Ich neige zu der Annahme, daß alle Untersucher, welche in so entschlossener
Weise das nach vorne Wachsen des Kopffortsatzes bei anderen Säugetiergattungeu ver-
teidigt haben, falls sie noch einmal genau ihre Präparate ansehen, bereit sein werden,
die Möglichkeit offen zu lassen, daß dieses nach vorne Wachsen auch in ihren Fällen
eine Verlängerung nach Hinten sein mag, indem — zusammen mit der Längenzunahme
des Schildes — dem Protochordalknoten Material am hinteren Ende zugefügt wird.

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Diese frühere ektodermale Wucherung ist anfangs rück-
wärts gerichtet (Fig. 49 u. 71), während der protochordale Knoten
eine schwache Neigung nach vorn hat (Fig. 75, 92). Ebenso
wie dieser ist sie median und unpaarig.

Wir möchten diese hintere Wucherung den Ursprung des
ventralen Mesoblastes nennen (Hubrecht \'02, p. 19 und 31),
und wir möchten betonen, daß während der Protochordal-
knoten im hinteren Drittel des Ektodermalschildes erschien,
dieser ventrale Mesoblast noch weiter rückwärts (durch den
potentiellen Blastoporus vom protochordalen Knoten getrennt)
am hinteren Ende des Embryonalschildes entsteht; dort wo
der Trophoblast öfters scharf vom embryonalen Ektoderm
differenziert ist (Fig. 71, 72). Wir treffen diese Wucherung
an, sobald das Entoderm nach ihrer Abspaltung vom Embryo-
nalknoten im Gange ist, eine Blase unter dem embryonalen
Ektoderm zu bilden (Fig. 86, 90). Diese Entodermblase füllt,
wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben (p. 8), niemals die
ganze Keimblase aus. Nun wird die W^ucherung am hinteren
Ende des embryonalen Ektoderms, welche wir als den Ur-
sprung des ventralen Mesoblastes betrachten, schon im Anfang
ihrer Bildung ausgehöhlt, und kommt in dieser Weise eine
zweite Blase innerhalb des Trophoblastes zu Stande.

Der Hohlraum dieser Blase muß als extraembryonales
Coelom betrachtet werden; ihre Wände, wo sie dem Tropho-
blast anhegen (welcher letztere damit zu einem Diplotropho-
blast oder Chorion wird), machen in der Weise die periphere
Keimblase zweischichtig und können als parietaler oder so-
matischer Mesoblast bezeichnet werden; wo sie dagegen der
Entodermblase anliegen, gehören sie zu der Kategorie des
visceralen oder splanchnischen Mesoblastes (Fig. 70, 71, 73).

An der Anfangsstelle, von welcher die Wucherung aus-
gegangen ist, finden wir den ventralen Mesoblast natürlich
mächtiger entwickelt, als in den mehr abgeflachten peripheren
Teilen. Wir dürfen es hier als das Material andeuten, aus
welchem der Primitivstreifen und der Haftstiel (Bauchstiel) vom

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Tarsius-Evsxhryo seinen Ursprung nimmt. Diese haftstiel-
förmige Verbindung zwischen Embryo und Tropho-
blast ist also in den allerfrühesten Entwicklungs-
stadien bereits vorhanden (Fig.

Fig. 86—89. Schemata, welche
die langsame Wanderung des
Embryonalschildes bei
Tarsius
von der ursprtinglichen (86) nach
der definitiven Lagerung — der
Placenta gegenüber (89) — ver-
deutlichen sollen. Die Zone
a der
Fig. 92 zeigt sich in Fig. 87 als
das eben sich anlegende Allantois-
rohr
all\\ in Fig. 88 u. 89 wird
hieraus eine hintere zylindrische
Fortsetzung des Darmes iV, welche
sich verlängert mit der Aufwärts-
wanderung des Keimschildes. In
Fig. 88 u. 89 ist die Placenta p
als eine bedeutende kissenartige
Wucherung vorhanden (vide Hu-
brecht \'99); inFig. 89 sind die
Amnionfalten
i\'a, ha und der neu-

renterische Canal nc erschienen (s. Fig. 78); c extraembryonales Coelom; H Haftstiel;
am Amnion (nach Hub recht \'07).

Meine Auffassung des ventralen Mesoblastes bei Säuge-
tieren ist seitdem auch von Rückert in seinem oben ge-
nannten Artikel angenommen (\'06, p. 1248 und 1251). Er
vergleicht es mit den bis jetzt publizierten Beobachtungen
über die Mesoblastbildung in derselben Region bei anderen
Amnioten. Von ihrem hinteren unpaarigen und medianen Aus-
gangspunkt bei
Tarsius breitet sie sich allmählich rechts und
links nach vorne aus, wie die Mesoblastfiügel es bekanntlich
bei anderen Säugetieren tun („Mesodermsichel") und erst später

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erscheint dieser vesil^uläre Mesoblast (vesikulär, weil das Coelom
von Anfang an besteht und nicht — was w^enigstens das extra-
embryonale Coelom betrifft — durch irgend w^elche Spaltungs-
prozesse hinterher gebildet wird) ebenfalls an der anderen Seite
des embryonalen Schildes und betritt das Gebiet (Fig. 86 u. 87),
wo die vordere und obere entodermale Oberfläche der Nabel-
blase noch dem Trophoblast sehr nahe anliegen (Hubrecht
\'02, Fig. 48, 51c in Vergleich mit 57 a, c). Der hintere me-
diane Teil hat sich zu gleicher Zeit weiter entwickelt zu dem
beginnenden noch sehr zarten Haftstiel, w^elcher dort, wie wir
gesehen haben, vom ersten Anfang, d. h. vom zweischich-
tigen Stadium an, gefunden wird.

3. Gegenseitige Bezieliungen zwisclien den Proliferationszentren.

Wir haben jetzt nachzuforschen, in welcher Beziehung
das Wucherungszentrum des ventralen Mesoblastes im em-
bryonalen Schilde zu demjenigen steht, w^elches wir als proto-
chordalen Knoten angedeutet haben.

Im allgemeinen kann gesagt werden, daß in den früheren
Stadien das erste unmittelbar hinter dem zweiten liegt. Wir
können noch hinzufügen, daß, falls
Tarsius in der zweischich-
tigen Gastrula in derselben Weise wie
Erinaceus (und einige
andere Säugetiere) einen offenen Blastoporus hätte, die Lage
dieses Blastoporus eine solche sein würde, daß sie diese
zwei Wucherungszentren von einander trennte. Dieses stellt
sich heraus, wenn wir den oben genannten Ausnahmefall be-
trachten (p. 20), wo der Embryonalschild eines bestimmten
TarsM^s-Exemplares eine tiefe grubenartige Einsenkung be-
saß (Fig. 49), welche nur als ein Versuch einer Blastoporus-
perforation von atavistischer Bedeutung betrachtet werden
kann, während bei den sehr zahlreichen Stadien von
Tarsius
des nämlichen Alters, welche ich in meinem Besitz habe, keine
Spur dieser Bildung nachzuweisen ist.

Andere Fälle, bei denen sowohl die Kontiguität, wie zu

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gleicher Zeit die gegenseitige Unabhängigkeit dieser zwei
Wucherungszentren \'klar zu Tage liegt, wurden von mir in einer
früheren Abhandlung abgebildet (\'02, Fig.46d, 47, 48, 52b, 58b
u. c).^)\' Nach diesen sämtlichen Fällen (siehe auch Fig. 70
bis 73) habe ich die Schemata Fig. 90 — 92 konstruiert. Ich
brauche kaum zu sagen, daß die Anwesenheit von drei einander

91

Fig. 90—92. Drei Schemata von Längsschnitten durch eine Tar^wj-\'Keimblase. In
Fig. 90 bedeckt der Trophoblast noch das embryonale Ektoderm. Die Höhlungen der
Nabelblase (uv) und des extraembryonalen Coeloms im ventralen Mesoblast (co) füllen
die Keimblase aus. Der Haftstiel e ist gebildet und es ist an dieser Stelle (s. Fig. 73
u. 86), daß die Anheftung der Keimblase an mütterliches Gewebe zu Stande kommt.
In Fig. 91 lagert sich das embryonale Ektoderm durch Dehiszenz des Trophoblastes an
die Oberfläche: das Entoderm in der Embryonalregion hat sich verdickt. In Fig.
93
■sind Protochordalplatte pp und Protochordalknoten deutlich entwickelt (s. Fig. 72).
Unter den Teil ventralen Mesoblastes
(vm) ist die ringförmige Zone wuchernden Ento-
derms noch einmal getroffen (ß); von hieraus schreitet die Vaskularisation des Haftstiels
weiter. Allantoisrohr hier nicht angegeben (s. Fig. 86 — 89).

naheliegenden Proliferationszentren (ein entodermales, zwei ekto-
dermale) in den beiden Keimblättern der Säugetiere, wie wir sie
oben beschrieben haben (und wie sie in Zusammenhang mit der
Tatsache steht, daß in jedem Zentrum neue Zellen zur aktiven
Entwicklung kommen, welche sich in die einzige ihnen zu-
gängliche Richtung, d. h. zwischen den beiden Keimblättern
ausbreiten) einen Zustand ins Leben ruft, in welchem es sehr
bald vollkommen unmöglich wird zu sagen, welchem der drei

\') Ich möchte betonen, daß die hier erwähnte gegenseitige Unabhängigkeit
cum grano salis aufgefaßt werden soll. Weil die vordere und die hintere Lippe
des Blastoporus natürlich durch die lateralen Lippen verbunden sind, so wäre hier
nicht eine reelle anatomische Unabhängigkeit gemeint, sondern nur eine unabhängige
Aktivität. Auf S. 59 werden wir auf diese Frage näher eingehen.

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Zentren eine bestimmte Zelle oder Zellgruppe ihren Ursprung
verdankt. Diese innige Verschmelzung, obgleich sie die Frage
des Zellenstammbaumes unserer Beurteilung entzieht, setzt
aber nicht die Bedeutung der Existenz einer solchen „Cell
lineage"herunter und wir werden bei weiteren Unter-
suchungen unsere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ge-
richtet halten müssen. Momentan wäre anzuerkennen, daß
ein großer Teil der Verwirrung und der irrigen Ansichten,
welche diese wichtigen, frühesten Entwicklungsphasen der
Vertebraten wie in einen Nebel eingehüllt lassen, vorzeitigen
Verallgemeinerungen in dieser Hinsicht zuzuschreiben sind.
Es kommt mir vor, daß der Wunsch, die Realität eines
dritten Keimblattes aufrecht zu erhalten —- zusammen mit
dem starken Wunsche, um diesem keine doppelte Her-
kunft zuzuschreiben — für vielen theoretischen Dogmatismus,
der später sich als wertlos herausstellen wird, verantwort-
lich ist.

Infolge der hier für Tarsius beschriebenen Tatbestandes
dürfen wir schließen, daß die W\'ucherungszentren, welche den
protochordalen Knoten sowie den ventralen Mesoblast entstehen
lassen, ursprünglich voneinander unabhängig sind. Bald werden
wir sehen, daß wir guten Grund haben anzunehmen, daß es
sich ähnlich verhält bei allen anderen Säugetieren, ja sogar
bei allen anderen Vertebraten. Der Hauptunterschied zwischen
meiner eigenen Auffassung und der allgemein geltenden be-
steht aber in dem Unterschied den ich zu machen wünsche
zwischen dem, was dem vorderen Abschnitt des Primitivstreifens
(Hensen\'scher Knoten, dessen vordere Fortsetzung als Kopf-
fortsatz des Primitivstreifens bezeichnet wurde) darstellt und
das Primitivstreifenmaterial selbst. Dieser Unterschied, der
recht bald verwischt wird und in späteren Stadien nicht
mehr demonstriert werden kann, ist jedoch in den frühesten
ganz evident. Wir werden also mit möglichster Schärfe die

1) Siehe E. B. Wilson (\'92, \'97) contra Driesch u. a.

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Verschiedenheiten hervorzuheben haben, welche eben dadurch
in unserer Interpretation der Entwicklung verschiedener Ge-
webe und Organe hervorgerufen wird.

Der ventrale Mesoblast darf bei seinem allerersten Auf-
treten (auch bei
Tarsius) — wo er eben dem hinteren Ende
des Embryonalschildes entspringt — aufgefaßt werden als
eine mehr weniger sichel- oder fächerförmige Wucherung.
Wir werden diese Sichelform wiederfinden bei den Sauropsiden.
Wie aber der Embryonalschild in der Länge zunimmt,
so wird das Wucherungszentrum ebenfalls verlängert und ent-
steht aus der Sichel eine Doppelflügelform, wobei die Achse
des Doppelflügels mit jener des Embryos zusammenfällt. Dieser
Achse entlang entspringt Zellmaterial aus dem Ektoderm,
welches rechts und links nach unten zwischen den Keim-
blättern sich vorschiebt, und welches öfters bezeichnet wurde
als Primitivstreifenmesoblast. Dieser setzt sich nach hinten
in die Medianlinie fort als der Haftstiel.

Wir begegnen hier einer hochwichtigen Erscheinung,
welche besser verstanden werden wird, wenn wir sie auch
phylogenetisch betrachtet haben, und welche darin besteht,
daß das, was im Anfang der Blastoporus war, allmählich ersetzt
wird durch den dorsalen Mundschhtz. Die Verlängerung jenes
Gewebes, welches die Seitenlippen des frühen Urmundes bil-
dete, ist jetzt angefangen und die weitere Wucherung dieses
Gewebes fällt zusammen mit einer Konkreszenz der rechten
und linken Hälfte, wobei Reminiszenzen des ursprünglichen
Lumens — welches dem schlitzförmigen Raum des Stomo-
daeums im Coelenteraten-Stadium entspricht (Fig. 56) — nicht
ausbleiben. Diese Verlängerung drängt die ursprünglichen
Wucherungszentren weiter auseinander. Gleichzeitig wird
aber der Zusammenhang der Gewebe nie aufgehoben.

Die Anhäufung von Zellmaterial, welches den Seitenlippen
des Rückenmundes entspricht, ruft selbstverständhch eine Ver-
längerung des Säugetierembryonalschildes hervor, während
welcher die Form des Schildes gewöhnhch nicht rundlich

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bleibt, sondern oval oder birnförmig wird (Fig. 79—81). Diese
Verlängerung geschieht simultan mit einer weiteren Ausdeh-
nung der lateralen Mesoblastflügel (Fig. 68, 82). Für
Tarsius
habe ich dies vor einigen Jahren festgestellt (\'02, Fig. 54, 57,
61, 72). Und für andere Säugetiere wurde es demonstriert von
Bonnet (\'97, Fig. 18, 19), Keibel (\'93, \'95) u. a.

Sobald diese Materialanhäufung, welche sich als Verlänge-
rung des Embryonalschildes äußert, ein gewisses Stadium er-
reicht hat, wird ein aktiver Umformungsprozeß eingeleitet,
welcher in der sichtbaren Difl^erenzierung hochwichtiger Organe,
wie Chorda und Somite, aus dieser Matrix seinen Ausdruck
findet. Die Herausdifferenzierung wird zunächst am Vorder-
ende sichtbar, wo unsere ektodermale Proliferation, der proto-
chordale Knoten, nach unten vorgewachsen und mit der proto-
chordalen Platte verschmolzen ist. Von diesem Punkte aus
wird nun die Chorda nach hinten sozusagen ausgesponnen,
während zu gleicher Zeit die sogenannten Primitivstreifen-
gewebe — seitliche Lippen des Rückenmundes — an Aus-
dehnung verlieren. Phylogenetisch würde dies dem Ursprung
und der Verschmelzung der lateralen Lippen (nicht vom
Blastoporus sondern vom Rückenmund) des dorsal gelegenen
Stomodaeums entsprechen.

Eine Vergleichung der Fig. 79—81 und 82 wird mit einem
Schlag die Konsequenzen des neuen Tatbestandes ans Licht
stellen. Der Protochordalknoten, welcher in Fig. 81 noch weit
nach vorne auf dem Embryonalschild gelagert war, ist nicht
mehr als solcher sichtbar. Die winzige Öflnung, welche gerade
dahinter gelegen war (siehe den Längsschnitt in Fig. 76), hat
eine Verschiebung nach hinten erlitten, und hat in Fig. 82
eine Stehe nicht weit vom Hinterende des Embryonalschildes
erreicht. Dies ist einem ganz deutlichen Verlängerungsprozeß
zuzuschreiben, welcher sich als unläugbar herausstellt, sobald
man zwei Längsschnitte durch diese beiden Embryonalschilder
vergleicht (Fig. 76 und 77).

Dieser Prozeß ist auch bereits früheren Wahrnehmern

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bekannt gewesen und wurde als die Verkürzung des Primitiv-
streifens beschrieben, welche der Bildung der frühesten Somiten
parallel geht. Wie eben das Zellmaterial, welches aus den
paarigen Flügeln des ventralen Mesoblastes entsteht, und das,
welches ausgesponnen wird während des fortgesetzten medianen
Wachstums nach hinten vom Protochordalknoten (wobei die
Chorda in die Medianachse und die Mesoblastsomiten zur
Linken und Rechten davon entstehen) sich gegenseitig ver-
hält und aneinander anpaßt, und welche Veränderungen sich
dabei in diesem Material einstellen während dieser Vorgänge,
ist eine außerordentlich schwierige und komplizierte Frage, über
welche verschiedene Autoren sich in verschiedener Weise ge-
äußert haben. Ich glaube, daß wir ruhig behaupten können,
daß durch die schnelle Ausdehnung nach hinten, welche der
Differenzierungsvorgang erleidet — wie es in den Fig. 81 und 82
sichtbar ist — die Dorsalregion des Rumpfes (inklusive hinterer
Schädelabschnitt) in Umrissen sich ausbildet (daher der Name
Notogenesis), während die Derivate des ventralen Mesoblastes
Verwendung finden bei der Herausbildung der hinteren und
der postero-ventralen Abschnitte des Embryos.

Es darf genügen hier noch hervorzuheben, daß das extra-
embryonale Coelom, welches bei
Tarsius (und wohl unzweifel-
haft auch beim Menschen und bei den Affen) in so ganz frühen
Perioden im ventralen Mesoblast vorhanden ist (es dehnt sich
aus, wie auf S. 53 beschrieben wurde bis hinter und unter die
Entodermblase und den Embryonalschild), bei den anderen
Säugetieren erst in späteren Perioden in die Erscheinung tritt,
jedoch genau in derselben Lagerung, event. hinter dem Em-
bryonalschild (Fig. 37, 93 und 94). Von dort aus dehnt dieses
Coelom sich allmählich in Sichelform rechts und links dem
Hinterrand des Embryonalschildes entlang. Dieses Coelom —
bedeutend weniger geräumig und weniger frühzeitig vorhanden
als bei den Primaten — ist damit dennoch völlig homolog,
sowohl in Bezug auf die Stelle, wo es auftritt; auf das Zell-
material. innerhalb dessen es entsteht und auf das Verhältnis,

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in welchem es sich befindet zu dem Coelom der Somiten und
der Seitenplatten, wie hier später beschrieben werden wird.
Bonnets (\'82, \'89), Keibels (\'93), sowie meine eigenen (\'02)
Wahrnehmungen bezüglich des Erscheinens dieses sichel-
förmigen Coeloms sind miteinander in genauer Übereinstim-
mung, sowie auch in Bezug auf die Tatsache, daß dieses ven-
trale Coelom erst später mit dem intraembryonalen Coelom

verschmilzt (Keibel \'93, Fig. 39
u.40x; Hubrecht\'02, Fig. 77c^).
Das perikardiale Coelom ent-
steht unabhängig, dem vorderen Rand des Embryonalschildes
entlang und wird auch später ausführlicher besprochen werden
(Hubrecht \'02, p. 37, Fig. 70, 73).

Wenn wir dasjenige, was wir hier flüchtig skizziert haben,
zusammenfassen, können wir zugeben, daß wir, anstatt eines
homogenen medianen Keimblattes, anstatt eines Mesoderms,
welches denselben morphologischen Wert hat wie die zwei
primären Keimblätter und welches seinen Ursprung haben soll
aus den zusammenschmelzenden Lippen eines Blastoporus, hier
dahingegen wenigstens drei Herde von Zellenaktivität in diesen
zwei primitiven Keimschichten antreffen. Das Auftreten dieser
Herde bildet den Schluß des zweiblättrigen Stadiums der
Keimblase. Infolge von Wucherungsvorgängen unter rapiden
Kernteilungen wird von diesen drei Zentren aus eine große
Anzahl neuer Zellen gebildet, welche sich zusammen zwischen

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Ektoderm und Entoderm einschieben in einer Form, welche
sich begreiflicherweise als eine flache Schicht von sogenanntem
Mesoderm vorsteht, welche aber in Wirklichkeit ganz exakt
gruppiertes Material für verschiedene Organe und Gewebe ist.
Letztere sind nicht den Lippen irgend eines Blastoporus (Ur-
mund) entsprungen, sondern sind sukzessive ans Licht getreten
und zwar ontogenetisch in etwa derselben Folgenreihe, worin
wir vermuten müssen, daß sie phylogenetisch entstanden sind.
Der Blastoporus hat sich zum Rückenmund verlängert. Diese
Verlängerung ging Hand in Hand mit einer dorso-ventralen
Wucherung des Ektoderms (Protochordalknoten), aus welcher
das Stomodaeum (Chorda dorsalis) hervorgeht, und während
dieser Zeit ist die dorsale Mundspalte nur durch rudimentäre
Spuren vertreten. Ich habe diese Vorgänge bereits anderswo
besprochen (\'05). Der dorsale verlängerte Mund (Rücken-
mund, \'05, p. 363) könnte also auf eine vermactiniale Stamm-
form hinweisen (Fig. 56), in welcher die spätere Chorda sowie
die Coelomdivertikel durch das Stomadaeum und die Darm-
blindsäcke (wohin das Stomodaeum hinüberleitet) bereits ver-
treten sind.

Es geht weit über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, um
im Detail die Zellenstammbäume festzustellen, welche mög-
licherweise später aufzufinden wären und welche uns eines
Tages erlauben werden, einem jeden dieser drei hiererwähnten
Wucherungsherde seinen bestimmten Anteil bei der Bildung
der ersten Anlage gewisser Organe und Gewebe zwischen
Ekto- und Entoderm zuzuweisen. Inzwischen soll darauf hin-
gewiesen werden, daß bereits in meiner Veröffentlichung von
vor sieben Jahren (\'02, Taf. VIII und IX, Fig. 59
g und 75 h)
deutlich abgebildet wurde, wie in der hinteren Region des
Embryonalschildes das Entoderm einen bedeutenden Anteil
nimmt an der Entwicklung der unteren Hälfte der Mesoblast-
fiügel (Fig. 95—97), deren obere Hälfte unmittelbar dem
Ektoderm entspringt.

Diese und viele andere Erscheinungen sollen aufs Ge-

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naueste studiert und festgestellt werden, ehe wir eine ver-
gleichende Analyse dieser Verhältnisse bei den Vertebraten
anstellen können.

Fig- 95 u. 96. Zwei Schnitte von verschiedenen Keimscheiben von Tarshis (675
und 180 der Utr. Sammlung) in dem hinteren Abschnitt des Primitivstreifens (nach
Hubrecht \'02). Fig. 96 liegt weiter nach hinten, da wo Schwanzdarm und Allantois
{ali) sich eben voneinander trennen werden. Die Wände der beiden letzteren wachsen
stark und bilden Getäße. Zwischen der Unterwand der Allantois und der Nabelblase
ist eine starke Wucherung wahrnehmbar; sie setzt sich nach hinten (wo Allantois und
Nabelblase gesondert sind) fort als eine mediane Raphe auf die Nabelblase tiv. In
Fig. 95 entstehen seitliche Mesoblastflügel aus dem Entoderm.
a Amnionfalte.

Es sollte aber daran gedacht
werden, daß der eben genannten
Prozesse auch schon auf Seite 47
Erwähnung geschah, als die Vas-
kularisation des Haftstieles be-
sprochen wurde, und daß in dem
Schema der Fig. 92 die hintere
Quelle waxchernden Entoderms
deutlich hervortritt als integrieren-
der Teil des Ringes, welcher für
Sorex in Fig. 68 abgebildet wird.

Die definitive Besprechung dieser Angelegenheit wird ver-
schoben bis auf eine spätere Veröffentlichung, in welche die
Entwicklungsstadien, welche eingeleitet werden mit der So-
mitenbildung, einer eingehenden Behandlung zu Teil w^erden
sollen.

Fig-97- Querschnitt durch das Hinter-
ende eines frühen
Tarsius mit röhren-
förmigem Amnion (ani) und Allantois
(alt) in dem schon stark vaskulari-
sierten Haftstiel cj;
tiv Nabelblase
(nach Hubrecht \'02).

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II. Amphibien.

Nach dieser Beschreibung der früheren Entwicklungs-
vorgänge der Säugetiere werden wir die Sauropsida vorläufig
bei Seite lassen und erst dasjenige beschreiben, was wir bei
den Amphibien finden. Dies wird uns später Gelegenheit
geben, die dotterreichen Sauropsiden um so leichter nach
beiden Seiten vergleichen zu können. Und außerdem wird es
unser Vertrauen in eine auf die Säugetiere sich stützende
Interpretation vergrößern, sobald wir dieselbe soviel weiter
unten in der Vertebratenstammlinie, als es die jetzigen Am-
phibien sind, auch noch stichhaltig finden. Zu gleicher Zeit
sohte man daneben jedoch nicht vergessen, daß von keinem der
jetzt lebenden Amphibienzweige, also weder den Gymnophionen,
noch den Urodelen, noch auch den Anuren erwartet werden
kann, daß sie in irgendwelcher Weise in der direkten Ent-
wicklungslinie unserer jetzigen Säugetiere sich befinden. Die
vergleichende Anatomie hat uns gezeigt (Fürbringer \'00),
daß in sehr vielen Hinsichten die amphibischen Promammalia
des paläozoischen Zeitalters durch wichtige Differenzpunkte
unterschieden gewesen sein müssen von allen noch lebenden
Überbleibseln dieses alten Stammes. Falls wir hingegen frühe
Entwicklungsvorgänge vorfinden, welche in Hauptzügen direkt
vergleichbar sind mit dem, was wir bei den Säugetieren finden,
und sie sich gut einfügen lassen in die Erklärung, welche
wir für die Mammalia versucht haben; da möchten wir sagen,
daß die Schwierigkeiten, über die man sich so oft beklagt hat,
bei dem Versuch um die vergleichende Ontogenie der Verte-
braten festzustellen, bedeutend verringert sind.

Wir werden also die wichtigeren und sorgfältigeren Be-
schreibungen von Amphibienentwicklung vornehmen. Eigene
Untersuchungen liegen hier nicht vor. Und wir werden nachzu-
spüren versuchen, ob die drei Wucherungsherde, welche wir oben
in den zwei Keimblättern der Säugetiere angetroffen haben, auch
bei den Amphibien nicht fehlen und ob die gegenseitigen Ver-
hältnisse dieser Wucherungszentren und das weitere Schicksal

Hubreoht, Embryologie. 5

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der Gewebe und der Organe, welche sie hervorbringen, eben-
falls nähere Vergleichbarkeit besitzen.

Wir fangen an mit den Gyrnnophionen, von deren früheren
Stadien A. Brauer (\'97) eine besonders klare Beschreibung
gegeben hat, welche auf dem Studium eines ausgedehnten
Materiales fußt. In der Reihenfolge haben wir nachzusehen,
ob eine Entodermwucherung vorhanden ist, welche unserer
protochordalen Platte vergleichbar wäre; ob eine Ektodermal-
wucherung, welche dem protochordalen Knoten entspricht,
vorkommt und ob noch ein anderes ektodermales Wachstums-
zentrum nicht fehlt, welches den ventralen Mesoblast aus sich
hervorgehen läßt. Ich will an Kopien der Brau er\'sehen Figuren
zeigen, daß alle drei bei
Hypogeophis angetroffen werden, und
daß durch die weiteren Verhältnisse und die Genesis der Or-
gane, welche von ihnen gebildet werden, die Homologie mit
den Säugetieren wohl zweifellos feststeht.

Gleich im Anfang ist daran zu denken, daß das Hypo-
geophis-K\\
so sehr von Dottermaterial überfüllt ist, daß keine
holoblastische Furchung eintritt, und daß als Resultat des
Furchungsprozesses — wie in Kapitel II hervorgehoben wurde
— Zellen an einem Pol des Eies sich ansammeln und daß in-
folge eines Delaminationsprozesses das gefurchte Ei bald zu
einer Gastrula wird mit einer entodermalen unteren Schicht
(s. Brauer, \'97, Fig. A u. B, pp. 403, 404).

Fast zu gleicher Zeit wird eine Zellwucherung im Ektoderm
und im Entoderm sichtbar, welche große Übereinstimmung
zeigt mit dem, was oben (Fig. 71) für
Tarsius beschrieben
wurde. Der Punkt, wo das Ektoderm zu proliferieren ange-
fangen hat, und wo die erste Veränderung darin bestanden
hat, daß die Zellwucherung sich nach unten vorschob, kann
unmittelbar mit dem Primitivknoten oder Hensen\'sehen Knoten
auf dem Säugetierkeimschild verghchen werden und ist nichts
anderes als unser Protochordalknoten. Der Punkt, wo die
Entodermwucherung ins Auge fällt, liegt gerade da vor, wo
die zwei Wucherungen verschmelzen — wie es so besonders

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deutlich ist in Brauers Fig. 43, hier wiedergegeben in Fig.
99 — in genau derselben Weise wie wir es für
Tarsius in
Fig. 72 sahen. Ich glaube völlig berechtigt zu sein, die korre-
spondierendenRegi- ^g

onen desAmphibien-
embryos zu bezeich-
nen mit den Buch-
staben
Pp (Proto-
chordalplatte) ,
Ptv

(Protochordal-
knoten). Brauers
Figur läßt für Zwei-

fel keinen Platz, daß
die mit
Pp angedeu-
teten Zellen nicht
entodermal, die Zel-
len
Pw nicht ekto-
dermal sein sollten
und daß seine An-
sichten in dieser
Hinsicht mit der
meinigen überein-
stimmen, erhellt
schon daraus, daß
er erstgenannte „ve-
getative" , letztere

„animale" Zellen
heißt.

Die spätere Um-
wandlung dieser von
jetzt an verschmol-
zenen Region, wel-
che in einer Doppel-
wucherung ihren
Anfang nahm (siehe

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Fig. 100, 101), — eine Wucherung ganz nach demselben
Plan wie bei
Tarsius und recht vielen anderen Säugetieren, —
wird später noch besprochen werden. Erst müssen wir noch
nachspüren, ob es noch ein drittes Wucherungszentrum gibt.
Und da finden wh dies in Brauers Fig. 59, hier kopiert in
Fig. 101, wo auf kurzen Abstand hinter den Protochordalknoten
— und davon getrennt durch ein Intervah, welches demjenigen
von
Tarsius (Fig. 72 und 92, wo das Intervah jedoch minimal
war) vergleichbar ist - das Ektoderm recht deuthch eine neue
und bedeutende Wucherung erleidet, welche Gewebe aus sich
hervorgehen läßt, die genau übereinstimmen mit jenen, welche
wh an der nämlichen Stelle als der ventrale Mesoblast der

Säugetiere gedeutet haben.

Der Unterschied zwischen Tarsius und Hijpogeophis besteht _
darin, daß bei ersterem dies hintere Wucherungszentrum am
allerersten auftritt, während bei letzterem die beiden anderen
vorangehen. Dennoch kommen die anderen Säugetiere hierin
mit den Amphibien überein, da Protochordalplatte und -knoten
sichtbar sind vor, oder gleichzeitig entstehen mit der Bildung
des Wucherungszentrums für den ventralen Mesoblast.

Wo wir also gutbegründete Vergleichungen zwischen
Brauers Figuren für frühe
Gymnophionen-(Coecihen-)Stadien
und unseren eigenen für Säugetiere haben feststellen können,
werden wh jetzt zur Betrachtung der Anuren schreiten und da-
bei
als Ausgangspunkt Brache ts (\'03) Abbildungen des

Frosches wählen.

In seine frühere Publikation aus dem Jahre \'03 (Fig. 6,
39—47) finden wh, daß Brächet frühere Stadien beschreibt,
sowohl vom Axolotl wie vom Frosch, in welchen es einem
unpartehschen Wahrnehmer schwer fallen würde, die Anwesen-
heit einer Protochordalplatte zu leugnen. Eine seiner Figuren,
hier in Fig. 102 kopiert, läßt wenig Zweifel bestehen, daß in
dem Entoderm des Frosches sich eine besondere Stelle findet,
wo verdicktes Entoderm sich eben an der Stelle befindet, wo
wh gerade in diesem Stadium die Protochordalplatte erwarten

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würden. Seine anderen Figuren, welche hier ebenfalls kopiert
sind (Fig. 103—105), zeigen die weiteren Entwicklungsstadien.

Und was nun die ringförmige Entodermzone betrifft, aus
welcher die Blutgefäße und das Blut ihren Ursprung nehmen.

Fig. 102—105. Vier Längsschnitte von Froschembryonen (nach Brächet \'02).
In Fig. 102 haben Protochordalplatte
{pp) und Protochordalknoten {pw) sich zu
differenzieren angefangen; in Fig. 103 ist die Chorda
inch) weiter ausgebildet und tritt
der ventrale Mesoblast
(vni) hervor; in Fig. 104 sind Furchungshöhle und Darmhöhle
zusammengeflossen und ist die Notogenesis bedeutend weiter fortgeschritten; in Fig. 105
sind Chorda, Somiten und Darm gebildet, ist die Kopffalte sichtbar geworden und
hat sich der ventrale Mesoblast weiter entwickelt.

so finden wir es nach Brächet bei den Amphibien in gleicher
Weise angeordnet. Er schreibt (^03, p. 686) für den Frosch
„les endotheliums vasculaires, y compris l\'endothelium endo-
cardiaque et les futures cellules rouges du sang, procèdent de
la partie du mésoblaste .... qui s\'est separée par délamination

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— To-
de la partie ventrale de l\'endoblaste gastruléen". Und weiter
(\'03, p. 688) „de tout le vaste manchon mésoblastique qui
se délamine à la surface de l\'endoblaste gastruléen, la partie
ventrale, sur une largeur plus ou moins grande selon les
régions, se sépare complètement du reste à des stades rela-
tivement peu avancés, et, poursuivant dès lors une évolution
spéciale, donne naissance à tout l\'appareil vasculaire sanguin
(endotheliums vasculaires et cellules rouges du sang)."

Der von Brächet verwendete Ausdruck „manchon" zeigt,
daß auch er das Gebiet des Entoderms, welchem Blutgefäße
und Blut lieferndes Mesenchym entspringen, in Form einer ring-
förmigen peripheren Umkleidung des Gebietes, woraus die me-
diodorsalen Organe sich entwickeln werden, wahrgenommen hat.

Mit schätzenswerter Vorsicht unterläßt Brächet es, seine
Resultate beim Frosch zu verallgemeinern und hebt hervor,
daß er für
Triton dazu neigt, an der Folgerung festzuhalten, zu
welcher er in einer früheren Publikation (\'98) bereits gekommen
war, daß nämlich bei
Triton das Gefäßsystem auch entoder-
maler Herkunft ist; daß er aber weitere Bestätigung seiner
Wahrnehmungen für erwünscht hält, während er für
Axolotl
viele Reserven macht, da hier das Studium des Ursprungs der
Gefäßzellen äußerst schwierig ist. Er betont aber ausdrück-
lich, daß er die Möglichkeit nicht ausschließen will, daß es
sich hinterher noch herausstellen wird, daß
Axolotl dennoch
mit den beiden anderen übereinstimmt.

Andere Autoren, welche noch vor Brächet zu ähnhchen
Folgerungen bezüghch des Ursprungs des Gefäßsystems bei
Amphibien gekommen waren, sind Goette (\'75) und Schwink
(\'91). Sie sind beide überzeugt, daß alle Blutzellen vom
Entoderm herzuleiten sind und ebenso die Blutgefäße. Übrigens
behauptet Brächet, daß die Stadien, auf welche Schwink
seine Schlußfolgerung basiert, bereits zu weit vorgeschritten sind.

Es ist wichtig, daß Brächet beim Wiederholen von Cor-
nings (\'99) Wahrnehmungen konstatieren konnte, daß noch
vor dem Vorderende der Chorda das mediane, protochordale

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Plattenmaterial sich von hinten nach vorne so diflferenziert,
daß der Mesoblast sich ablöst und sodann eine dünne Schicht
bildet, Vielehe aus einem bis zwei Zehlagern besteht, welche
zwischen dem Entoderm und der unteren Gehirnwand gelagert
sind. Er findet, daß im Anfang das vordere Chordaende in diesen
medianen Mesoblast hineinreicht. Bald aber wird es daraus
losgelöst und das Chordavorderende tritt ganz frei hervor.
Noch später verdünnt sich das mediane Mesoblastband, zerfällt
und verschwandet schliefMich, oder wird auf einzelne zerstreute
Zellen reduziert, welche sich hie und da verbreiten. Das
Entoderm des Daches des Darmrohres ist sodann direkt gegen
die untere Gehirnw^and angepreßt.

Das nämliche würde," ceteris paribus, für die Säugetiere
gelten.

Der nächste Punkt, den wir zu betrachten haben, betrifft die
von mir (^90) u. a. für gewisse Säugetiere (iSorex) und von Brauer
bei
Hypogeophis konstatierte Zusammenw^achsung von Proto-
chordalplatte und Protochordalknoten. Weder in Brachets
Abbildungen von
Axolotl, noch auch in denjenigen vom Frosch
sind die Vorgänge so einleuchtend, wie sie es für Brauers
Hypogeophis. wa.v&n. Und dennoch kann, wenn wir die Brachet-
schen Figuren für Axolotl und Frosch betrachten, kein ernst-
licher Grund uns davon abhalten, nun die Region, welche ich
in all diesen Figuren mit
Pp bezeichne, direkt zu vergleichen
mit derselben Region bei
Htjpogeophis und den Säugetieren.
Die Verschmelzung mit der ektoblastischen Wucherung, welche
der Protochordalknoten darstellt — w^enn auch Brächet es
nicht in diesem Lichte betrachtet — wird bei
Axolotl eingeleitet
in Brächets (\'03) Fig. 4 und 5; bei
Rana in Fig. 102, hier
kopiert. Die ektodermale Wucherung, w^elche ich als Proto-
chordalknoten bezeichne, findet sich somit bei den Amphibien
(Hypogeophis einbegriffen) an der Stelle, W\'O die sogenannte
dorsale Lippe des Blastoporus in die Erscheinung tritt. Und
diese Wucherungsstelle (wie es schon für Säugetiere hervor-
gehoben wurde und wie es Brächet [\'02, \'03], Bellonci

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[\'84] und Lwoff [\'94] für Amphibien feststellten) bewegt sich
nach hinten über die Oberfläche des Eies und spinnt dabei
gleichzeitig die Chorda und die Somiten aus.

Beim Frosch habe ich in den Kopieen nach Brachets
Figuren die übereinstimmenden Stellen durch die Buchstaben
Pp und Pw angedeutet, Pp weist auf unleugbares Entoderm
hin, welches durch Delamination getrennt worden ist von dem
darüber gelagerten Ektoderm. Und die mit
Pw bezeichnete
Ektodermwucherung, welche gleich zu Anfang des Wucherungs-
prozesses mit der darunter gelegenen Protochordalplatte ver-
wächst (und zwar in noch deutlicherer Art, wie in der etwas
früheren Phase von
Axolotl) — ungefähr in derselben Weise,
wie wir die nämliche Erscheinung bei
Tarsius in Fig. 72 an-
trafen — hat hier bereits einen gewissen Weg nach hinten zu-
rückgelegt. Dieser Weg ist noch weiter verlängert und die
Derivate von dem, was anfangs der Protochordalknoten war,
haben zugenommen in Fig. 103
(Rana) und doch lassen die
Buchstaben
Pp nicht bezweifeln, daß sie auf die ursprünghche
entodermale Wucherung gerichtet sind. Ebenfalls weist
Pw
nach, was aus dem ektodermalen Wucherungsherd geworden
ist. Wir können es nur begreiflich finden, daß auch für die Am-
phibien Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden haben,
ob die Chorda (erstes und vorderstes von
Pw abstammendes
Gebilde) entodermaler, mesodermaler oder ektodermaler Her-
kunft war. Und die verschiedenen Autoren, welche nachein-
ander die eine oder die andere dieser Lösungen befürwortet
haben, gründeten ihre Aussprache nach ihrem besten Wissen
auf ein Material, welches so ungemein viel weniger klar und
deuthch ist, wie es dieselben Vorgänge bei den meisten Säuge-
tieren sind. Die Kontinuität, worin von Anfang an Ekto-
derm und Entoderm (Fig. 102) der ringförmigen Delamina-
tionszone entlang (Goettes Marginalzone) stehen, hat ganz
vorwiegend dazu beigetragen, den Irrtum zu bestärken,
nach welchem die eben von uns beschriebenen Prozesse
als Gastrulationsprozesse aufgefaßt wurden, anstatt sie als

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Notogenesis zu betrachten; daß folghch alle Schlüsse durch
diese voraufgefaßte Meinung gefälscht wurden. Schließlich
sind die Säugetiere gekommen und haben uns den Weg aus
dem Labyrinth heraus gezeigt. Eine Umbildung unserer An-
sichten muß davon die notwendige Folge sein.

Ohne jetzt in viele Details zu treten über protochordale
Platte, protochordalen Knoten und ihre resp. Derivate beim
Frosch werden wir jetzt nachzusehen haben, ob das dritte
Wucherungszentrum, welches wir auch bei Brauers Gymno-
phionen konstatieren konnten, ebenso deuthch bei Anuren und
Urodelen vorliegt.

In diesen Fragen lassen Brachets Untersuchungen sowie
jene anderer später noch zu zitierenden Forscher keinen Zweifel
bestehen. Das ektodermale Wucherungszentrum, welches bis
jetzt bekannt ist als die ventrale Lippe des Blastoporus, ist
recht deutlich (Fig. 103—105) und bringt seine mesoblastischen
Derivate mit großer Gesetzmäßigkeit hervor, und zwar in einer
Reihenfolge, welche auf das Genaueste vergleichbar ist mit dem,
was wir bei Säugetieren vorfanden. Brächet schreibt bezüg-
hch dieses dritten Zentrums (\'03, p. 67), daß es ist: „Un
épaississement notable de la partie toute inférieure de l\'ecto-
blaste." Und weiter noch (1. c. p. 68): „Même épaississement
considérable de l\'ectoblaste qui vient par une large base se
continuer avec les éléments du bouchon vitellin et cela à une
certaine distance dans la profondeur de l\'œuf"

Wir haben hier den ventralen Mesoblast vor uns, welcher
in
Tarsius (und den anderen Primaten) so ungemein früh auf-
tritt und sich um die Nabelblase herum ausbreitet, dabei eine
recht frühzeitige Differenzierung des splanchnischen als unter-
schieden vom somatischen Mesoblast hervorrufend.

Betrachten wir die hier nach Brächet kopierten Fig.
104 und 105, so bemerken wir gleich, daß eine Homologie be-
steht zwischen der mit
vm angedeuteten Region und derjenigen
in denFig.71,72 und 92 mit denselben Buchstaben angegebenen.
Auch sehen wir, daß wenn dem dort bei den Amphibien pro-

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duzierten Mesoblast eine ebenso frühe Entwicklung zu Teil
werden würde wie bei
Tarsius und sich darin Fig.107) wie bei
letzterem eine Höhle bilden würde, daß sodann letztere den Raum
der Furchungshöhle ausfüllen würde und sich anlegen gegen die
Höhle, welche beim Säugetiere die Nabelblase heißt und welche
das sogenannte Archenteron des Amphibiums darstellt. Die
Zusammenfließung des letzteren mit der Furchungshöhle ist
dieselbe, welche bei
Tarsius viel früher beobachtet wird (Fig. 15),

Fig. 106 u. 107. Zwei schematische Längsschnitte zweier Stadien der Notogenesis
bei Amphibien (nach Ziegler \'02).
pp Protochordalplatte; pw Protochordalknoten;

vm ventraler Mesoblast.

wenn das Entoderm auch das Dach der vom Trophoblast dar-
gestellten Höhle bildet. Wir werden aber später zu diesen
möglichen Vergleichungen zurückkehren.

Es blieb noch festzustellen, ob in anderen Amphibien, wie
Rana und Triton, ebenfalls ein vierter Herd vorhanden ist, aus
welchem Gewebe ihren Ursprung nehmen, die sich zwischen
Ekto- und Entoderm einlagern. Mit anderen Worten, ob auch
bei Amphibien etwas ähnhches vorkommt, welches der ring-
förmigen Zone von Mesenchymproduzierendem Entoderm (rechts
und links von der protochordalen Platte nach hinten sich aus-
dehnend und hinten unter dem ventralen Mesoblast wiederum

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in der Medianlinie zusammentretend), wie es in Fig. 68 abge-
bildet wurde, entspricht.

Obgleich nun Brächet nicht ausdrücklich hervorhebt, daß
eine solche ringförmige Entodermzone von ihm beobachtet
wurde, so dürfen wir aus seinen Beschreibungen ableiten, daß
sie dennoch in seinen Präparaten vorhanden ist. Auf S. 88 (\'03)
beschreibt er ,,l\'intense activité que l\'on pourrait appeler méso-
blastogène des cellules de la voûte" (durch w^elch\' letztere er das
Dach des Archenterons andeutet); und auf S. 89: ,,les bandes
mésoblastiques sont plus épaisses dans la région blastoporale
que dans la région gastrale proprement dite ... Le mésoblaste
péristomal est beaucoup plus abondant que le mésoblaste
gastral" (p. 90). Auf diese Zitate können wir, glaube ich,
die Vermutung gründen, daß die Anwesenheit einer ringförmi-
gen Zone Mesenchymproduzierenden Entoderms auch bei den
Amphibien zu seiner Zeit wird bestätigt werden können.

Autoren, die es in der hinteren Medianlinie der Embryonal-
anlage tatsächlich abgebildet haben, sind Robinson und
Assheton (\'91, Fig. 14 — 17), in deren Figuren der medianen
Region des Blastoporus und der dahinterliegenden Abschnitte
wir eine entodermale Wucherung beobachten, welche dasjenige
hervorbringt, w^as diese Autoren „die hypoblastische oder innere
Mesoblastschicht des Primitivstreifens" nennen, als solche der
„epiblastischen oder äußeren Schicht des Primitivstreifens"
entgegengesetzt. Diese Untersuchung erlaubt uns also, einen
direkten Vergleich anzustellen mit den in Fig. 95 und 96
für
Tarsius abgebildeten Erscheinungen, jvo wir eine deutliche
epiblastische und hypoblastische Mesoblastschicht des Primitiv-
streifens hervortreten sahen, wie sie für den Frosch von
Robinson und Assheton festgestellt wände.

Es sollte noch hinzugefügt werden, daß die ringförmige
Zone Mesenchymproduzierenden Entoderms beim Frosch sogar
als eine unpaare ventrale Schicht auftreten kann, und erst später
paarig und dabei mehr oder w^eniger ringförmig wird. Brächet
(\'03, p- 686) äußert sich darüber folgenderw^eise : ,,I1 existe

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une phase du développement où les cellules vasculaires des
futurs vaisseaux vitellins forment une couche continue im-
paire et médiane (Fig. 22) et la parité définitive est secondaire."

Wir haben jetzt gesehen, daß wir in den drei Unterabtei-
lungen der Amphibien frühe Vorgänge ektodermaler und ento-
dermaler Wucherung beobachten können, welche eine direkte
Vergleichung zulassen mit dem, was wir für Säugetiere be-
schrieben haben. Und wir mögen noch hinzufügen, daß die
Kontinuität zwischen den Derivaten der Protochordalplatte und
derjenigen der ringförmigen Zone bei den Amphibien vielleicht
sogar noch früher auftritt; während die Kontinuität dieser letz-
teren Derivate mit den mesoblastischen Elementen, welche rechts
und links der medianen Dorsallinie entstehen, wieder so früh
zu Stande kommt, daß es nicht Wunder nimmt, daß die Am-
phibien frühere Untersucher nicht auf die Idee gebracht haben,
daß die verschiedenen Ursprungsstellen dieser Zellen und
Gewebe, welche sich zwischen die beiden primären Keim-
blätter einschieben, gegenseitig als relativ unabhängig zu
betrachten sind.

Wenn wir später hervorheben werden, welches die weiteren
Schicksale der Produkte dieser hier ebengenannten Wuche-
rungszentren sind, wird die vollständige Homologie zwischen
Amphibien und Säugetieren noch deutlicher hervortreten.

III. Sauropsida und Ornithodelphia.

Mit Bezug auf di^e Klassen habe ich keine eigenen Wahr-
nehmungen zu verzeichnen. Wir dürfen aber aus den bis jetzt
von anderen veröffentlichten Untersuchungen die hier folgen-
den Tatsachen hervorheben, welche sich auf die Beteiligung
des Entoderms bei der Mesenchymbildung beziehen.

Für den Sperling veröffentlicht Schauinsland (\'03) so-
wohl eine Oberflächenansicht, einen Ouer- und einen Längs-
schnitt, welche für diesen Vogel keinen Zweifel bestehen lassen
an der Anwesenheit einer scharf umschriebenen Protochordal-

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platte, welche als Wucherung im Entoderm entsteht, noch ehe
irgend eine Mesoblastbildung aus Ektodermzellen angefangen
hat. Fünf seiner Figuren sind hier kopiert (Fig. 108—112).

pp

PP

Fig. 108—112. Fünf Oberflächenansichten
von frühen Sperlingskeimscheiben (nach
Schauinsland \'03). In Fig. 108 ist nur
noch eine entodermale Protochordalplatte
pp
vorhanden (s. Fig. 113); in Fig. 109 fängt
ein niederwärts wachsender protochordaler
Knoten
pw zu verschmelzen an mit der
Protochordalplatte; in Fig. iio ist der Meso-
blast seitlich ausgewachsen von den Rän-
dern des verlängerten Rückenmundes; in
Fig. III ist der ventrale Mesoblast vtn auf-
getreten; in Fig. 112 wird in dem hinteren
Mesoblast die Sichelform deutlich;
wcä
Chorda dorsalis.

109

pp pp

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Die Region in der Oberflächenansicht, welche ich als Proto-
chordalplatte bezeichne, wird von Schauinsland der Ento-
blasthof genannt. Nicht nur ist die Lage dieser Region in
vollster Übereinstimmung mit der nämlichen in
Sorex wie es
die Fig. 55 und 68 vorzeigen, aber auch die Längsschnitte
(Fig. 113 für den Sperling, 54 für die Spitzmaus) sind sehr

113

ähnlich und bestätigen eine lokale Verdickung im Entoderm.
Und wenn später der ventrale Mesoblast sich zu zeigen anfängt,
so sind wiederum die Oberflächenansichten vom Vogel und
vom Säugetier direkt vergleichbar (s. Fig. 68 u. III) und ist die
unabhängige Gewebevermehrung — innig verwoben, obgleich
von verschiedenen Keimschichten herrührend — unzweifelhaft.

PP-

Fig. 115. Anderer Querschnitt von Sphenodon, um die Differenzierung des zwei-
schichtigen Trophoblastes
tr dem ektodermalen Schilde EE\' gegenüber anzudeuten.
pp Protochordalplatte (nach Schauinsland \'03).

Gleichfalls steht es bei den Reptilien, wo zahlreiche Autoren
in vielen noch rezenten, illustrierten Arbeiten die mediane

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entodermale Wucherung (protochordale Platte) in frühen Stadien
abbilden. Ich kopiere hier einige von
Passer (Fig. 113, 114),
fünf von
Sphenodon (Fig. 65, 115—118) und zwei von Cha-

E

ne

Fig. Ii6 — II 8. Drei Durchschnitte früher Keimsche.iben von Sphenodon (nach
Schauinsland \'03). In Fig. 118 (Längsschnitt) sind die protochordale Platte
der Protochordalknoten
pw, der ventrale Mesoblast vm und der Trophoblast tr vor-
handen. In dieser Phase der Notogenesis liegt ein langer und deutlicher neurenterischer
Kanal vor. In Fig. II6, welche weiter vorwärts liegt als F\'ig. 117, ist die Proto-
chordalplatte Pf quer durchschnitten, wie auch die ringförmige Zone wuchernden
Entoderms az, welche sich nach hinten ausbreitet und an der Bildung der Area vas-
culosa mitwirkt. In Fig. I17 hat die Chorda
nch ihre mediolongitudinale Differentiation
angefangen;
er neurenterischer Canal.

Fig. 119. Längsschnitt eines frühen Embr3\'os von Chamaeleo (nach Schau insland
\'03).
pp protochordale Platte; pia protochordaler Knoten; -vm ventraler Mesoblast;
nc neurenterischer Canal; a Amnion, tr zweischichtiger Trophoblast.

maeleo (Fig. 64, 119), alle sieben an Schauinsland (\'03)
entlehnt. Ich darf noch hinzufügen, daß Mitsukuri (\'93),
Mehnert (\'92, \'94) und Davenport (\'96, PI. VII) einen ähn-
lichen Sachverhah für Schildkröten, Strahl (\'82, \'84), Will

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("90) und Corning (\'99) für Eidechsen, Voeltzkow (\'93) für
Krokodile ans Licht gefördert haben.

Wenn also die Anwesenheit einer Protochordalplatte bei den
Sauropsida als wohlbegründet gelten darf, so müssen wir die
Angelegenheit doch noch genauer betrachten,_ ehe wir zu der
Behauptung Recht hätten, daß das nämliche von der ring-
förmigen Mesenchym produzierenden Region im Entoderm ge-
sagt werden könnte. Wenn wir uns Mehnerts Abhandlung
ansehen, in welcher er den Ursprung und die Entwicklung
des haemovasalen Gewebes (Area vasculosa, Sichel) in
Emys
und Struthio bespricht (\'96), so werden wir sehen, daß er für
diese beiden Sauropsiden als den endgültigen Ursprungspunkt
des Gefäßsystems und des Blutes das Entoderm betrachtet.
Er tut aber noch mehr. Er gibt eine detaillierte Beschreibung
(welche größtenteils ganz vollständig übereinstimmt mit dem,
was wir oben für Säugetiere beschrieben haben), des Ur-
sprunges in dem Hinterende des ,,Primitivstreifens" von einer
unleugbaren entodermalen Wucherung, welche von vielen
Autoren irrtümlicherweise als ektodermal betrachtet wird. Ich
glaube, daß eine sorgfältige Nachuntersuchung ihrer Präparate,
sowie eine Vergleichung derselben mit den zahlreichen Schnitt-
serien von
Tarsius und Tupaja (welche immer für letzteren
Zweck zur Verfügung stehen), sogar diejenigen, die früher an
der rein ektodermalen Herkunft des Primitivstreifens festhielten,
davon zu überzeugen im Stande sein wird, daß in der unteren
Hälfte des Primitivstreifengewebes eine direkte und bedeutende
Entodermwucherung unmöglich geleugnet werden kann. Diese
Wucherungszone ist, wie wir es bei Säugetieren sahen, nichts
anderes als der hintere mediane Abschnitt des gefäßbilden-
den Ringes, welcher oben besprochen und abgebildet wurde
(Fig. 68 und 92) und von welchem die protochordale Platte
der mediane frontale Abschnitt ist.

Bei der Schildkröte, Emys, gibt Mehnert (\'96) eine
Detailbeschreibung, wie dieser Gewebering anfänglich den
Eindruck macht von seitlichen Auswüchsen des Primitivstreifens.

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später von sichelförmigen Flügeln und erst nachträglich eines
Ringes. Hier darf daran erinnert werden, daß auch im Em-
bryonalschild von
Tarsius der erste Ursprung von Blut und
Blutgefäßen in der hinteren Region sichtbar wird und daß wir
ein ähnliches flügeiförmiges Vorwärtswachsen in der Verbreitung
der Mesenchymproduzierenden ringförmigen Zone beobachten.
Zur selben Zeit sollte es im Auge behalten werden, daß, wenn
einmal das Primordium des Gefällige web es aus dem Entoderm
hervorgegangen ist, die weitere Entwicklung davon unabhängig
vdn der Ursprungsregion wird; so daß z. B. die Tatsache, daß
wir bei
Tarsius zu einer bestimmten Zeit die ganze Nabel-
blase mit Blutgefäßen dicht besetzt antreffen (Hubrecht \'02,
Fig. 91) selbstverständhch nicht erheischt, daß dieselben in
loco aus dem Entoderm entstanden sind. Sie dehnten sich
über die Nabelblase aus, nachdem sie einmal in der hier mehr
eingehend besprochenen annulären Zone ihren Ursprung ge-
nommen hätten.

Es wird wohl genügen, hier auf Mehnerts Arbeit, worin
er den entodermalen Ursprung des Gefäßringes sowohl für
Reptilien wie für Vögel hervorhebt, hingewiesen zu haben und
nicht nötig sein, diesen Vorgang noch mehr im Detail zu
beschreiben, um so mehr, da bekanntlich so viele Meinungs-
verschiedenheiten mit Bezug auf diesen Punkt zwischen den
verschiedenen Autoren bestehen. Wie weit diese Meinungs-
verschiedenheiten gehen, kann auch aus Mehnerts Arbeit ab-
gelesen werden. Er gibt nämhch eine tabellarische Übersicht der
verschiedenen Ansichten, wie sie mit Bezug auf diesen Punkt
vertreten werden, und zwar von nicht weniger als sechsund-
dreißig verschiedenen Forschern, welche er unter sechs ver-
schiedenen Möglichkeiten zusammenbringt, wo es der Ent-
stehung von Blut und Blutgefäßen gilt.

Wo wir zwischen so weitgehenden Meinungsverschieden-
heiten zu wählen haben, ist es nur natürhch, daß ich dazu
neige mich Mehnert (\'96), O. Hertwig (\'83, p. 319),
Goette (\'74, \'75), His (\'00) und Rückert (\'06) mit Bezug

Hubreoht, Embryologie. 6

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auf den Ursprung des Gefäßnetzes anzuschließen. Haben
doch verschiedene Säugetiergattungen mir zum Besitze von
ganz zuverlässigen Schnittserien verhelfen, aus welchen sich
die Existenz einer ringförmigen Mesenchym produzierenden Zone
im Entoderm ableiten läßt. Daß Kölliker, Keibel, Heape
u. a. für die Säugetiere die hier befürwortete Beteiligung
des Entoderms geleugnet haben, und daß sie das ganze Ge-
fäßsystem von dem Mesoblast des Primitivstreifens herleiten,
erklärt sich wohl aus der Tatsache, daß sie wahrscheinlich
spätere Entwicklungsstadien als eben diejenige, in welchen der
entodermale Ursprung evident ist, in Betracht gezogen haben.
Letzterwähntes Stadium whd recht bald von einem anderen
gefolgt, in welchem die Beteiligung des Entoderms aufgehört
hat und in welchem die Weiterentwicklung des Gefäßsystems
jetzt stattfindet zwischen den beiden primären Schichten und
zwar in dem sogenannten Mesoblast.

All die hier besprochenen Punkte wurden von Rückert
und Mollier gesichtet und einem sorgfältigen Vergleich unter-
zogen in dem Kapitel, welche sie beigetragen haben zu Hert-
wigs „Handbuch der Embryologie". Demjenigen, der ihren
Aufsatz nachschlägt, wird es nicht schwer fallen, sich der hier
vertretenen Verallgemeinerung anzuschließen, daß nämlich das
Entoderm das Muttergewebe ist, aus welchem Blutgefäße und
Blut ihren Ursprung nehmen.

Rückert schreibt mit Bezug auf Gecko (1. c. p. 1172):
„Ich traf auf eine deutliche Ablösung der hier ziemlich dotter-
reichen ersten Gefäßanlagen von dem angrenzenden hohen
und ebenfalls dottergefüllten Entoblast. . . . Ihre entodermale
Entstehung hegt daher klar zu Tage."

Neben der protochordalen Platte und der ringförmigen Zone
des Mesenchym produzierenden Entoderms finden wir auch bei
den Sauropsiden die ektodermalen Mesoblast bddenden Herde,
welche wir bei den Säugetieren beobachteten.

Der protochordale Knoten tritt in gewissem Sinne deut-
hcher hervor wie bei Säugetieren; er wurde unlängst von O.

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Hertwig (\'06) mit dem Namen Mesodermsäckchen angedeutet
und er umfaßt eine umfangreichere Höhle als der relativ enge
Kanal, den wir bei Säugetieren antrafen (Fig. 77). Auch in
dieser Hinsicht soll der Ausnahmefall der Fig. 49 betrachtet
werden: er wirft ein Streiflicht auf diese komplizierten Vorgänge
sowohl bei Säugetieren als bei Sauropsiden.

Das Zusammenfließen zwischen der frühesten ektodermalen
nach unten wachsenden Wucherung mit der protochordalen
Platte wurde bis jetzt bei Reptilien nicht genauer untersucht.
Dennoch dürfen wir aus den hier gegebenen, verschiedenen
Autoren entlehnten Abbildungen schließen, daß es in derselben
Weise stattfindet wie wir es bei
Tarsius für Säugetiere und bei
Hypogeophis für Amphibien beobachteten. Hertwigs (\'06)
Fig. 419 zeigt uns den frühesten Protochordalknoten bei einer
Schlange, wie es mit dem verdickten Entoderm zusammenfließt.
Hinter dem Protochordalknoten zeigt sich der ventrale Meso-
blast als ein dritter mesoblastbildender Herd. Die Fig. 427
und 429 sind Fortsetzungen der nämhchen in etwas späteren
Phasen und die Übereinstimmung mit unseren Fig. 76, 77, 102
und 103 von Säugetieren und Amphibien ist einleuchtend. In
Hertwigs Fig. 429 ist sogar die Quelle des ventralen Meso-
blastes nach unten verschoben, und wird sie von uns in der
nämhchen Lage und zwar sehr scharf markiert in Fig. 119 für
Chamaeleo wiedergefunden.

Für Lacerta wird dies alles uns noch deuthcher vor Augen
geführt in Wenckebachs (\'86) wohlbekannten Figuren,
welche in Hertwigs Fig. 437—441 wiedergegeben werden.
Und was die Vögel betrifft, so läßt Schauinslands longitu-
dinaler Sperlingsschnitt (Fig. 114) keinen Zweifel daran bestehen,
daß die Vorgänge hier in der Tat dieselben wie bei Reptihen
und Säugern sind. Protochordale Platte, Protochordalknoten,
seithche Lippen des Rückenmundes (Primitivstreifen) und ven-
traler Mesoblast haben jedes ihre übereinstimmende Stellung
sowie ihre entsprechende Weiterentwicklung.

Es ist besonders deuüich, daß in dem letztgenannten Ge-

6*

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biet die sogenannte Sichelrinne den ventralen Mesoblast un-
mittelbar hinter sich hat und daß es in dieser Gegend noch
eine andere Entodermverdickung gibt, welche der Bildung von
gefäßführenden Geweben vorangeht, wie es in der sich mehr
speziell auf Säugetiere beziehenden Fig. 92 angegeben wurde.

Wo einmal so ausgedehnte Übereinstimmung mit Bezug
auf gewisse ahgemeine Grundzüge der frühesten Entwicklung
mesoblastischer Strukturen zwischen Säugetieren, Amphibien
und Sauropsiden vorgehinden wurde, war es selbstverständlich
ein o-roßes Desideratum zu wissen, inwieweh auch die eier-
legenden Säugetiere, die Ornithodelphia, damit übereinstimmen.
Dieser Paragraph war bereits niedergeschrieben und die Lücke,
welche in dieser Hinsicht in unserem Whssen besteht, wurde
schwer von mir empfunden, als eben die allerneueste Abhandlung
von Wilson und Hill über
Ornithorhynchus ans Licht kam
in den Philosophical Transactions ("07). Diese wichtige Arbeh
liefert uns die nötigen Daten, um die bestehende Lücke aus-
zufüüen und ich war nur zu froh, daß ich diesen Paragraph
umzuarbehen hatte, da diese Tatsachen in vieler Hinsicht
dasjenige bestätigten, w^ofür ich hier eingetreten war und sogar
gewisse Punkte meiner Interpretation mit unerw^arteter Be-
stimmtheit noch näher betonten.

Zunächst bemerke ich, daß eine protochordale Platte, wie
sie weiter oben besprochen wuirde, von ihnen bei
Ornitho-
rhynchus
wiedererkannt wurde und auch mit diesem Namen
belegt wird. Die Daten jedoch, w-elche sich auf die aller-
früheste Erscheinung dieser Protochordalplatte bei
Ornitho-
rhynchus
beziehen, sind immerhin noch zu dürftig, als daß ich es
geAvagt habe, deren Erw^ähnung zu tun, als wir im vorangehen-
den dié Protochordalplatte besprochen haben. Und es er-
scheint wünschensw^ert, noch weitere Untersuchungen über
diese seltenen Säugetiere abzuwarten, von w^elchen es so
äußerst schwierig ist, die oben erw^ähnten Entwicklungsstadien
zu bekommen.

Was den Protochordalknoten und den ventralen Mesoblast

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von Sauropsida und Ornithodelphia betrifft, wurden gewisse
staunenswerte Tatsachen von Wilson und Hill ans Licht ge-
fördert. Wir werden diese hier vergleichen mit dem, was wir
bei Reptilien, bei Vögeln und bei nicht monotremen Säugetieren
antreffen.^)

Die wichtigste Entdeckung bei Ornithorhynchus scheint mir
diejenige zu sein, daß die Mesoblastbildung an dem Oberflächen-
abschnitt, welcher dem Säugetierembryonalschild entspricht,
an zwei voneinander getrennten Stellen in der Median-
linie anfängt. Mit anderen Worten: der Protochordalknoten

Fig. I20 U. 121.
Zwei Oberflächenansiclitcn
von frühen Keimblasen von
Ornithorhynchus (nach Wil-
son und Hill \'07). In Fig.
120 sind der Protochordal-
knoten
pw und der ventrale
Mesoblast
vm noch weit von
einander getrennt; inFig. 121
sind sie in der Mittellinie ver-
schmolzen und findet Wuche-
rung statt dem ganzen Rücken-
mund entlang,
nch Chorda
dorsalis.

und der ventrale Mesoblast, welche wir in allen Details ihrer
frühesten Entstehung bei
Tarsius verfolgt haben (p. 48 u.53) und
welche wir da in nächster Nähe zueinander antrafen (siehe
noch Fig. 70—73), sind bei
Ornithorhynchus so weit von-

Im Vorbeigehen möge hier bemerkt sein, daß Wilsons und Hills Aufsatz
ein sehr lehrreiches Beispiel bildet von der Unmöglichkeit, in welcher wir uns befinden,
um die bestehende Nomenklatur beizubehalten, wie diese sich allmählich aus den
aufeinanderfolgenden Beiträgen verschiedener Autoren entwickelt hat. Wie wir schritt-
weise eine vergleichende Einsicht bekommen in das hier behandelte Thema, zeigt es
sich, daß Namen wie Kopffortsatz, Primitivknoten und -streifen und viele andere oft
irreführend und unerwünscht sind. Schon jetzt betrachten Wilson und Hill den
Primitivstreifen von Säugetieren und Vögeln nicht länger als homolog (\'07, p. 116)
und schlagen nebenbei vor, um den Namen Kopffortsatz fallen zu lassen (ein auch
von mir u. a. früher befürworteter Vorschlag). Daneben aber schlagen sie neue
Namen vor, wie archenterische Platte u. a., wovon die Berechtigung noch zu beweisen
steht und mir fraglich erscheint.

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einander entfernt, wie es die Fig. 120 angibt. Bei
Sauropsiden wurden sie von den verschiedenen, einander
nachfolgenden Forschern im Zusammenhang angetroffen, aber
nun ist zu beachten, daß sie bei
Ornithorhynchus bald zusammen-
fließen (Fig. 121), so daß noch Raum bleibt für die Annahme,
daß vielleicht bei gewissen Sauropsiden auch noch frühe
Stadien gefunden werden mögen, welche mit dem Verhalten
bei
Ornithorhynchus übereinstimmen.

Aus dem Verhalten bei Ornithorhynchus, für dessen Details
wir den Leser auf Wilsons und Hills Arbeit (\'07) hinweisen,
dürfen wir schließen, daß in derjenigen Embryonalregion, wo
die Notogenesis zu Stande kommt, mehrere Wachstumszentren
vorhanden sind. Was bei dem pelagischen, vermactinialen
Stadium der Vertebratenstammform (Fig. 56) der dorsale
Mundschhtz oder der Rückenmund war (von welchem das Stomo-
daeum (Chorda dorsalis) nach unten vorwuchs gegen den Darm,
dessen Ausstülpungen dem Coelom vorangingen), hat bei dem
frühen Vertebratenembryo erbliche Reste seiner schrittweisen
Ausdehnung nach hinten, sowie seiner Schließung i) hinter-
lassen. Das proximale Ende dieses dorsalen Mundschlitzes
ist der allerfrüheste Protochordalknoten, das distale Ende
unser frühestes AVachstumszentrum des ventralen Mesoblastes.
Zwischen diesen beiden finden wir 1. ein rückwärts gerichtetes
Wachstum des Protochordalknotens (oben für
Tarsius und die
Amphibien beschrieben), 2. ein vorwärts gerichtetes Wachstum,
welches mit dem vorhergenannten zusammenfließt und durch
Wilson und Hill für
Ornithorhynchus festgestellt wurde, sowie
auch noch 3. laterale Auswüchse, wie wir die lateralen Lippen
des dorsalen Mundschlitzes nennen dürfen. Was als ,,Sichel-
rinne" gedeutet worden ist, fand sich immer am distalen Ende
dieses mediodorsalen Wucherungsherdes, während das, was

In dieser Hinsicht kann die Hertwig\'sehe Auffassung sehr gut mit der
meinigen in Ubereinstimmung gebracht werden, nur mit dem Unterschied, daß der
Rückenmund nicht als Urmund aufgefaßt und die Notogenesis nicht mit einer Gastru-
lation verwechselt werden soll.

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anfangs der Protochordalknoten (Hensen\'scher Knoten) ist,
sich immer zu Anfang am proximalen Ende findet. Es darf
behauptet werden, daß es einen gewissen Weg rückwärts
zurücklegt, ehe es definitiv und vollständig mit der hinteren
Proliferation zusammenwächst.

Das, was ab und zu als archenterische Höhle in den
Protochordalknoten bezeichnet worden ist (und sogar von
v. Beneden (\'88) [auf Grund seiner Untersuchungen an
Fledermäusen] verglichen worden ist mit dem Archenteron
von
Amphioxus)^ was von O. Hertwig Mesodermsäckchen
genannt wurde (\'06, p. 828), was von Wilson und Hill
bei
Ornithorhijnchus als ein Querschlitz angetroffen wurde, und
als eine unzweifelhafte Höhle durch vielen anderen Autoren,
wie Will (\'90), Mitsukuri (\'93), Ballowitz (\'01),
Wenckebach (\'86), Voeltzkow (\'99), Schauinsland (\'03)
bei allen Reptilienordnungen, scheint mir der letzte Über-
rest zu sein jenes Raumes, welcher bei den coelenteraten Vor-
fahren eingeschlossen war zwischen den beiden seitlichen
Lippen des Stomodaeums der sich verlängernden actinienartigen
Stammform. Daß die Chorda dorsalis aus der Wandung dieser
Höhlung gebildet wird, ist ja ganz natürlich; daß letztere in
Verbindung tritt — sei es oft in launenhafter Weise und mit
eigentümlichen Unterbrechungen — mit dem Darm, ist auch
nur eben erbliche Reminiszenz; daß sie seitlich dazu neigt,
um mit den Protosomiten in Verbindung zu treten, wie es
Wilson und Hill für
Ornithorhijnchus (\'07), Spee (\'01) für
Cavia beschreiben, ist auch leicht zu begreifen, sobald wir da-

Die sehr wichtige Frage, in wie weit Wilson und Hill Recht haben zu be-
haupten (\'07, p. 117), daß die Protosomiten, welche sie beschreiben und abbilden
,,nichts zu tun haben mit dem Ursprung der ersten definitiven Somiten, noch auch
irgendwie gerade da angetroffen werden, wo sich später letztere differenzieren werden,"
werde ich hier nicht näher besprechen, da es, wie der Titel dieses Kapitels zeigt,
außerhalb des Rahmens dieser Arbeit fällt. Es möge hier nur noch darauf hingedeutet
werden, daß meine eigenen Präparate mir wichtiges Material liefern, wodurch Licht auf
diese sehr dunklen aber deniyjch äußerst wichtigen Punkte in der Entwicklung der
Säugetiere geworfen wird. In einer späteren Arbeit werde ich ausführlicher darauf
eingehen.

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ran denken, daß die Teile des primitiven Coelenteraten-Darmes,
welche die Vorläufer eines vom Enteron getrennten Coeloms
sind, in unmittelbarem Zusammenhang stehen mit der unteren
Grenze des Stomodaeums (Chorda dorsalis).

Die Tatsache, daß diese Höhlung, oder Schlitz, oder
Porus so viele verschiedene Formen und eine so wechselnde
Ausdehnung annimmt bei den verschiedenen Wirbeltieren;
daß sie bei einigen als neurenterischer Kanal auftritt, während
bei anderen keine freie Höhlung an dieser Stelle mehr sicht-
bar ist; daß sie eine Verschiebung nach hinten erleidet, um
endlich zu verschwinden, nachdem sie an verschiedenen Stellen
in der Medianfläche des Rückens des Tieres erschienen ist;
dies alles weist darauf hin, daß während der Notogenesis diese
wichtige Gewebsdiskontinuität phylogenetischer Bedeutung
auch diejenige Variabilität besitzt, welche sich an alten und
archaischen Abschnitten des Vertebratenorganismus (Epiphysis,
tbyreoide Bildungen usw.) so oft wahrnehmen läßt.

Sie als Archenteron zu betrachten, wie es v. Beneden
vorgeschlagen hat, und dabei das ursprüngliche Entoderm zu
der Bedeutung eines Lecithophors herabzusetzen, ist eine
verwerfliche Hypothese in derselben Richtung als jene von
der Gastrulation in zwei Phasen, welche vor vielen Jahren
von Keibel (89) und von mir selbst (\'88) vorgeschlagen
wurde, welche wir aber seitdem aufgegeben haben.

IV. Fische.

Die frühen Entwicklungsphasen der Keimblätter der Fische
waren nicht das Objekt einer ausführlichen persönhchen
Nachforschung meinerseits, obschon ich eine gewisse Anzahl
von Schnittserien besitze, sowohl von Elasmobranchiern wie
von Teleostiern.

Und so möchte ich in den nachfolgenden Seiten nur
einige zerstreute Literaturangaben über dieses Thema geben,
welche meiner Meinung nach die Möglichkeit nicht aus-

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schließen, daß die Ansichten, zu welchen die Säugetiere mich
geführt haben, auch für diese niederen Vertebraten Gültigkeit
werden beanspruchen können.

Mit Amphioxus anfangend, werde ich nur hinzudeuten
haben auf Legros\' letzten Beitrag zur Ontogenie dieses
Tieres, aus welchem ich Fig. 47 (p. 18) kopierte. Darin sehen
wir, daß die mit pp angedeutete Region von Legros speziell
gedeutet wird als ein Teil des ursprünglichen Entoderms der
weitmündigen Gastrula. Letztere wird in
Amphioxus — im
Gegensatz zu dem, was v.ür bei allen anderen Vertebraten
finden — durch Invagination und nicht durch Delamination
gebildet (cf.
p. 13).

Cerfontaine (\'06) und Legros (\'07) sind bereit, die
Lwoff\'sche Interpretation zu akzeptieren. Letzterer hat sehr
dazu mitgewirkt, um verschiedene Forscher zu einer genaue-
ren Überlegung des Vorganges zu veranlassen. Die mit
pit:
bezeichnete Stelle in dem Längsschnitt (Fig. 47) eines frühen
Stadiums der Notogenesis sollte also als der mediane Ab-
schnitt der Lw off\'sehen Dorsalplatte betrachtet werden, und
als ein essentielles Ektodermderivat, welches zu Stande ge-
kommen ist infolge des Wachstums nach hinten von dem, was
anfänglich die dorsale Lippe des früheren Blastoporus war
(cf. für Säugetiere mit Fig. 71, 72 und 76—78 von
Tarsius).
Während dieses Wachstums nach hinten, welches nicht die
Gastrulation abschheßt, sondern die Notogenesis einleitet
(\'Hubrecht \'05), treten die beiden Embryonalregionen her-
vor, welche wir auch bei
Amphioxus ..die essentiell entoder-
male Protochordalplatte
pp und den ektodermalen Proto-
chordalknoten
pw genannt haben.

Bei Elasmobranchiern ist die Vergleichung weder mühsam
noch entfernt liegend. Wir sehen in den Fig. 122—124 und
125—127 (nach His und Rückert kopiert), daß, wenn einmal
die Trennung zwischen den primären Keimblättern durch
Delamination zu Stande gekommen ist, eine Ektodermwuche-
rung auftritt
{ptv Fig. 126), welche hier ebenfalls den Namen

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Fig. 122 — 124. Drei Längsschnitte durch auf-
einanderfolgende Notogenesis-Stadien von
Tor-
pedo
(nach His \'00). In Fig. 122 sind Ekto-
derm
ec und Entoderm en voneinander durch
Delamination getrennt worden und hat eben
Notogenesis angefangen. In Fig. 123 ist das
Abfallen des Kopfes weiter vorgeschritten; in
Fig. 123 u. 124 wird ein Teil der Protochordal-
platte vom Dotter abgehoben,
pp Protochordal-
platte,
nch Chorda dorsalis.

-

pw g

^ Fig. 125 — 127.
Drei Längsschnitte von
Pristiurus - Keimscheiben
(nach Rückert \'06). In
den beiden ersten hat
Gastrulation durch Dela-
mination stattgefunden,
ec
Ektoderm; en Entoderm;
in Fig. 126 ist der proto-
chordale Knoten
pw ver-
schmolzen mit dem Ento-
derm
pp\\ in Fig. 127 ist
die Notogenesis definitiv
aufgetreten;
g eben an-
fangende Darmhöblung.

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Protochordalknoten verdient, während die unzweifelhafte ento-
dermale Schicht
{pp) in der hnken Seite der Figur homolog ist
und bleibt mit dem, was wir bei den Säugetieren die Proto-
chordalplatte genannt haben. In Fig. 127 ist die Notogenesis
eben angefangen, in Fig. 122 ist sie bedeutend vorgeschritten und
in Fig. 123 und 124, wo die Kopffalte aufgetreten ist, hat sich
ein Teil der anfänglich horizontal ausgedehnten Schicht
{pp)
vom Dotter abgehoben. Sie ist jetzt diejenige Partie des
Entoderms, welche vor dem Vorderende der Chorda hegt und
welche an ihrer dem Ektoderm zugekehrten Seite durch eine
Wucherungserscheinung an der Bildung des Herzendotheliums
mitwirkt (cf. Rückert und Mollier in Hertwigs Handbuch,
Bd. I, 1, II,
p. 10, 33, 34).

Ganz ähnhche Verhältnisse wurden früher von mir (\'02,
PI. IX, Fig. 72—74) für
Tarsius beschrieben und die Fig. 77,
78 sollten mit den hier für Elasmobranchiern gegebenen ver-
glichen werden.

Über die Frage, ob es auch bei Elasmobranchiern eine
ringförmige Entodermzone gibt, welche eine Mesenchymbil-

Fig. 128. Querschnitt der
rechten Hälfte eines frühen
Embryonalschildes von
Torpedo (nach Rückert
und Mollier \'06). Die
Beteiligung einer Ento-
dermregion
az an der
Bildung von Blut und
Blutgefäßen ist hier an-
gedeutet.

\\

dung hervorgehen läßt, aus welch letzterer sich das Gefäß-
system entwickeln wird, finden wir vertrauenswerte Tatsachen
in Rückerts und Molliers ausführlicher, oben zitierter Ab-
handlung. Ihre Fig. 177, hier als Fig. 128 kopiert, ist ganz
besonders instruktiv, und wir können uns damit begnügen, auf
dieses wichtige Kapitel in Hertwigs Handbuch hinzuweisen.
Es geht daraus hervor, daß die frühen Elasmobranchierstadien
auch dadurch wieder denjenigen der Säugetiere gleichen, daß bei
ihnen eine ringförmige Zone Mesenchym bildenden Entoderms

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vorhanden ist. Obschon wir in Rückerts Aufsatz eine ge-
wisse Reserve konstatieren, mit Bezug auf die Anerkennung
jener Schlußfolgerung, daß das blutbildende Mesenchym von
entoblastischer Herkunft ist, so hat er sich doch de facto
ganz deutlich in dieser Richtung ausgesprochen. Seine Schluß-
folgerung (l. c. p. 1095), daß es von keiner Bedeutung sein
kann, ob die Blutanlage der Selachier meso- oder entodermal
sei, ist nicht die unsere, weil wir in der ersten Hälfte dieses
Kapitels dargetan haben, daß eine genaue Analyse der Meso-
blastbildung auch bei Säugetieren bedeutend dazu beitragen
kann, um die Vergleichung der verschiedenen Klassen mit-
einander zu erleichtern. Daß auch bei Elasmobranchiern sowie
bei Säugetieren eine sehr frühe Verschmelzung eintritt zwischen
Rückerts peripherem und seinem axialen Mesoderm und daß,
wenn diese Verschmelzung eingetreten ist, von weiterer Ana-
lyse nicht die Rede sein kann, ist zweifellos wahr: es darf
uns aber nicht davon zurückhalten nachdrücklich zu betonen,
daß es notwendig wird, eben die allerjüngsten Stadien mit
größter Genauigkeit gegenseitig zu vergleichen.

Den Wucherungsherd, der übereinstimmt, mit dem, was wir
bei den Säugetieren und Amphibien den ventralen Mesoblast
genannt haben, finden wir bei den Elasmobranchiern in den
Schwanzanschwellungen. Ich will hier nicht in noch engere
Vergleichungen treten, sondern verschiebe dies auf eine spätere
Arbeit, wo die Stadien nach der Entwicklung der Mesoblast-
somiten zur Besprechung kommen.

Bei den Teleostomen finden wir Entwicklungsstadien, welche
wieder einen anderen Charakter haben als diejenigen, welche
wir bei den Elasmobranchiern antrafen. In vielen Fällen sind
die Eier nicht meroblastisch und sodann ist eine mehr weniger
enge Vergleichung möghch zwischen ihrer Entwicklung und
jener der oben besprochenen Amphibien. So verhäh es sich
mit den Störeiern und mit denen der Dipnoer:
Ceratodus,
Lepidosiren
und Protopterus {Fig. 129). Andere mögliche
Vergleichungen, und zwar solche mit der Entwicklung

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des Petromijzons, tauchen auf und werden bereits von vielen
Autoren erwähnt. Gewisse äußere Charaktere dieser Ent-
wicklung, wie z. B. die Rückenrinne, welche Semon für
Ceratodus (Fig. 130) abgebildet
hat. und welche von Braus
auch für Urodelen beschrieben
wurde, scheinen mir einfach er-
klärt werden zu können, wenn piv
wir diese Rückenrinne nicht als
irgend welchen Rest des Blasto-
porus oder des Urmundes be-
trachten, wie es Semon vor-
schlägt (\'93,
p. 37—39), sondern
als die letzte Reminiszenz von
dem, was der ancestrale Rücken-
mund einer Actinienartigen
Stammform gewesen ist.

In einer späteren Abhand-
lung hat Semon (\'01, p. 317)
seine erste Auffassung zurückgezogen, in-
dem er hervorhebt, daß der Gastrulations-
prozeß bereits aufgehört hat, wenn die Naht
sichtbar wird. Hier wurde Semon von der
falschen Interpretation des Gastrulations-
prozesses irre geführt (siehe Hubrecht \'05).
Seine ursprüngliche Auffassung kann aber
nur unter dieser Bedingung aufrecht erhalten
werden, daß wir für Gastrulation ,,Noto-
genesis" lesen und für Blastoporus (Urmund):
Rückenmund.

Protochordalplatte und Protochordalknoten können in
ihren gegenseitigen Beziehungen vom selben Standpunkt be-
trachtet werden, wie wir das bei den Amphibien taten.

Der ventrale Mesoblast, welcher bei Petromyzon nicht als
eine so deutliche frühe mediane Wucherung der ventralen

pp

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Blastoporuslippe auftritt, wie wir es bei mehreren Amphibien
wahrnehmen, tut dies ebensowenig bei Dipnoern und Ganoiden:
sein Homologon findet sich im Schwanzknopf, wie wir es
bereits bgi Elasmobranchiern sahen. Außerdem zeigt die Fig. 181
nch für Amia, wenn wir sie

\\ mit Fig. 78 für Tarsius ver-

gleichen, daß die Darm-
fortsetzung
a l m. beiden
Figuren einer selben Kate-
gorie angehört, obschon
es beim Säugetier keinen
Schlitz vorstellt, sondern
zu einem Rohr geworden
ist. Beide können sie mit
der Kupffer\'schen Blase
bei Knochenfischen auf
eine Linie gestellt werden.

In vielerlei Hinsicht
bietet die Entwicklung bei
Teleostiern Eigentümlich-
keiten, welche wir noch
nicht bei den bis jetzt besprochenen Vertebraten antrafen.
Der Vorgang der Notogenesis hat gewisse bemerkenswerte
Vergleichungspunkte mit dem bei vielen Amphibien wahr-
nehmbaren. Ziegler hat in seinem ,,Lehrbuch der vergleichen-
den Anatomie der niederen Wirbeltiere" vier farbige Schemata
gegeben (1. c. Fig. 11—14), um die Tragweite dieser Vergleich-
barkeit festzustellen, und sagt in seinem Text (p. 182): „Der
ventrale Rand des Blastoderms schreitet ganz in derselben
Weise vorwärts, als es der ventrale Übergangspunkt zwischen
kleineren und größeren Zellen bei
Rana und Triton tut."

Es gibt aber daneben zahlreiche Divergenzpunkte und die
verschiedenen Autoren, welche in der letzten Zeit sich mit
Teleostierontogenie beschäftigt haben, gehen in vielen Punkten
weit auseinander. Swaen und Brächet (\'99, \'04), H. Wilson

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(\'95), Sumner (\'04) und Boeke (\'02, \'07) gehören zu den
Autoren, welche in den letzten Jahren unsere Bekanntschaft
mit der Teleostierentwicklung bedeutend gefördert haben.
Letzterer Forscher, der sich meinen Ansichten bezüghch der
Gastrulation angeschlossen hat und jenen Prozeß trennt von
dem, was ich Notogenesis zu nennen vorgeschlagen habe,
gibt einige Figuren, die in einer Richtung hinweisen, welche
schließlich dazu führen wird, daß wir eine engere Vergleichung
anstellen können zwischen den Vorgängen einerseits bei
Amphibien und Säugetieren, andererseits bei Teleostiern. Ich
kopiere einige Abbildungen aus seinen letzten Abhandlungen
in meinen Fig. 132 und 133, um näher anzugeben, wie ich es
mir vorstelle, daß man vielleicht später auch bei den Knochen-
fischen eine Protochordalplatte
(pp) wird unterscheiden können
von einem Protochordalknoten (Fw), welche in einem ähn-
hchen Verhältnis zueinander stehen wie bei Säugetieren. Das
Homologon der Protochordalplatte darf wohl ohne Zweifel ge-
sucht werden in einen Ted des Periblastes, welcher Schicht
seit Bockes detailherten Untersuchungen eine Beteiligung an
der Bildung von embryonalen Zellen nicht länger abgesprochen
werden kann. Es ist gewiß treffend, daß diese Beteiligung
densell:)en Charakter hat, welchen sie unter einen Gesichts-
punkt bringen lassen würde mit jenen Vorgängen, welche wir
oben besprachen, sowohl für die Protochordalplatte, wie für
die ringförmigen Entodermalzone, welche gefäßbildende Pro-
zesse hervorgehen läßt. Andererseits ist der Protochordal-
knoten, als nach unten gerichtete Ektodermwucherung, welche
an Länge zunimmt, infolge eines rückwärts gerichteten Wachs-
tums des Blastoderms, welche nach einiger Zeit von unten
eine neue Entodermzellbekleidung bekommt, ganz besonders
deuthch bei den Knochenfischen (Fig. 132 und 133).

Der Bildungsherd des ventralen Mesoblastes ist bei den
Knochenfischen zu Anfang weit entfernt vomProtochordalknoten;
er verschmdzt dennoch damit, wenn einmal der Dotter ganz
überwachsen ist und sobald dasjenige, was anfangs der vordere

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Rand des Blastoderms war, von hinten her zusammengeflossen
ist mit der prostomialen Verdickung. Diese prostomiale Ver-
dickung der Teleostier muß seit den Untersuchungen Bo ek es
(\'02, b) als eine entodermale (periblastische) Wucherung be-
trachtet werden und wurde von mir mit derjenigen Wuche-
rung des Säugetierentoderms homologisiert, der in der hinteren

Fig. 132 — 134.
Längsschnitt eines frühen
]lhirae7ioide7t-\'E.mbrYO (nach
Boeke \'03). pp Proto-
chordalplatte; pw Proto-
chordalknoten ;
pv Wuche-
rung, welche dem ventralen

Mesoblast homolog ist.
Fig. 133. Ein Schnitt durch
das Hinterende einer älteren
Aitiracnoidcn - Keimscheibe.
vm ventraler Mesoblast; kv
Kupffer^sche Blase; nch
Chorda dorsalis (nach

Boeke \'03).
Fig. 134. Längsschnitt des
hinteren Teiles eines
Sal-

jnoniden - Embryos mit
K upffer\'scher Blase (nach
Ziegler \'02).

Region dieser ringförmigen Zone angetroffen wird, welche im
Kapitel II, § 2 b beschrieben wmrde und schematisch abge-
bildet ist hinter den Protochordalknoten in Fig. 92. Die Tat-
sache, daß in und hinter dieser Entodermwucherung die
Kupffer\'sche Blase sich entwickelt, scheint diese Homologie
noch weiter zu bestätigen, wie es unten näher ausgeführt
wird. Diese Blase wird sichtbar, w^enn der Dotter ganz von
embryonalen Geweben eingeschlossen ist.

Es freut mich, zu konstatieren, daß meine Identifikation
der Kupffer\'schen Blase bei Knochenfischen mit der Allantois

133

Lv.

134

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bei primitiven Säugetieren (eine Vergleichung, welche auch
Kupffer selbst zu machen nicht unterlassen hat) von Boeke
akzeptiert wird. Eine Vergleichung zwischen Fig. 90, 128
und 63 wird den hier befolgten Gedankengang noch weiter
beleuchten. Und ich darf noch besonders hinweisen auf
Swaen und Brachets Abhandlung (\'84) sowie auf ihre Fig. 58
bis 77 (PI. XV) von
Trutta fario, um zu zeigen, wie diese
Forscher engere Beziehungen festgestellt haben zwischen dieser
zylindrischen hinteren Fortsetzung des Entoderms, welche
Kupffer\'sche Blase genannt wird, und dem Auftreten gefäß-
bildenden Gewebes (Swaen und Brachets lame vasculaire, L^?.).
Ich möchte zu einer genaueren Vergleichung einladen sowohl
mit dem, was ich über
Tarsius auf S. 45 geschrieben habe
als mit Fig. 102 dieses Säugetiers, und ich zweifle nicht, daß,
wenn wir die Kupffer\'sche Blase nicht geradezu vergleichen
mit der freien Allantois der Sauropsiden und der meisten
Säugetiere, sondern mit der viel primitiveren Allantois der
Primaten, sodann viele vor der Hand hegende Einwürfe gegen
eine solche Vergleichung wegfallen werden.

Zusammenfassung der Kapitel I und II.

Ehe bei Säugetieren Ektoderm und Entoderm sich gegen-
einander abgesetzt haben, gibt es in dieser Tierklasse eine
deutliche larvale Zellenschicht, welche bereits im Morulastadium
der Eifurchung die MutterzeUen des embryonalen Gewebes
umhüllt. Diese Schicht, die als Trophoblast bezeichnet worden
und phylogenetisch ein Ektodermderivat ist, trägt zu der
Bildung von Chorion und Amnion bei und wird bei der Ge-
burt abgestreift. Die Mutterzellen von Ekto- und Entoderm,
umhüllt wie sie sind vom Trophoblast und mit letzterem an
einer Stelle in engem Zusammenhang, trennen sich durch
Delamination in jenen beiden Keimblättern.i)

Die beiden Keimblätter (Ektoderm und Entoderm) aller Wirbeltiere entstehen
durch Delamination; nur bei
Amphioxus werden sie durch einen Invaginationsprozeß
— wie dieser so oft bei Wirbellosen auftritt — gebildet.

Hubreoht, Embryologie. 7

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Das Endprodukt dieser Delamination ist die Säugetier-
gastrula, ab und zu durch das Auftreten eines tatsächlichen
Blastoporus gekennzeichnet. Diese Gastrula unterhegt recht
bald einer Reihe von ontogenetischen, vom Gastrulations-
prozeß ganz verschiedenen Veränderungen, welchen in
diesem Anfangsstadium die Namen Kephalogenesis und
Notogenesis beigelegt werden können. Ersterer Vorgang
bezieht sich auf die allervorderste Region des Kopfes; letzterer
auf den Rumpf und die diesem so sehr verwandte hintere
Kopfregion.

Noch ehe die Notogenesis angefangen hat, wird ein hin-
terer Abschnitt des ektodermalen Embryonalschildes (gleich
hinter dem Fleck, wo der Blastoporus in Wirkhchkeit oder
potentieh vorhanden war) als das Muttergewebe des ventralen
Mesoblastes erkennbar. Die Notogenesis stellt sich dadurch
ein, daß eine deuthche medioventrale Wucherung des Ekto-
derms auftritt gerade vor der hinteren, eben erwähnten Zone.
Die nach unten vorwachsende Wucherung (Protochordalknoten)
verwächst mit dem Entoderm und verschmilzt mit einer ento-
dermalen Wucherung (Protochordalplatte).

Beide Wucherungen sind Ursprungszentren von sogen,
mesoblastischen und mesenchymatischen Geweben. Die antero-
mediane, entodermale Wucherung, Protochordalplatte genannt,
steht in Zusammenhang mit einer ringförmigen Zone, welche
sich seitwärts ausbreitet und hinten geschlossen ist, unterhalb
des ventralen Mesoblastes. Dieser Ring ist die Ursprungs.stelle
von Blut und Blutgefäßen. Bei gewissen Säugetieren trägt
er in seinem hinteren Abschnitt dazu bei, daß es zu einer
sehr frühen Vaskularisation des Trophoblastes kommt, in dieser
Weise einen Bauchstiel hervorrufend, in welchem ein Ento-
dermrest, in Röhrenform ausgezogen, die allererste Andeutung
ist von dem, was bei weniger primitiven Verhältnissen zur
freien Allantois geworden ist.

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Kapitel III.

Diplotrophoblast = Seröse (subzonale) Membran,
Chorion, Amnion, Allantois und Nabelblase in der
Onto- und Phylogenese.

Im zweiten Kapitel dieser Abhandlung haben wir die
Tatsachen besprochen, welche uns die Überzeugung brachten,
daß die sehr frühen Stadien der Säugetierentwicklung ge-
kennzeichnet sind durch die Anwesenheit einer sehr frühen
Larvenhülle: des Trophoblastes. Auf S. 22 haben wir versucht,
uns vorzustellen, wie diese Larvenhülle möglicherweise her-
vorgegangen sein möchte aus Einrichtungen, welche wir bei
Invertebraten antreffen.

Wir haben auch darauf hingewiesen, wie die jetzt gelten-
den Ansichten betreffs der Phylogenie der Embryonalhüllen
der höheren Vertebraten möglicherweise Vereinfachung er-
leiden könnten. Sind doch diese Ansichten momentan weder
befriedigend noch auch allgemein angenommen. Wir haben
aber noch keinerlei ausführlichere Zusammenstellung gegeben,
wie wir uns vorstellen sollen, daß sich die phylogenetischen
Prozesse verhalten haben, infolge welcher sich die verschie-
denen Fötalhüllen aus diesem primitiven Trophoblast allmäh-
lich entwickelt haben. Und wie es geschah, daß einige davon
in verschiedener Weise vaskularisiert worden sind und damit
den Erscheinungen der Placentation den Weg anbahnten. Diese
Placentation hängt wieder eng zusammen mit der höheren

7*

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Entwickelung, welche die Säugetiere den niederen Verte-
braten gegenüber kennzeichnet.

Ich muß zunächst hervorheben, daß viel von dem, was
in diesem Kapitel besprochen werden wird, ein Versuch ist,
um in das Licht einer hypothetischen Erklärungsweise Tat-
sachen zusammen zu bringen, welche bis jetzt ungenügend
verstanden oder auch übersehen worden sind. Eine Lösung,
welche etwa nicht hypothetisch wäre, kann selbstverständhch
nicht einmal angestrebt werden.

1. Chorion und Amnion.

Das Amnion ist eine membranöse Hülle, welche wir bei
allen Säugetieren und Sauropsida antreffen und wovon bis
jetzt keine Spur bei Amphibien und Fischen vorgefunden wurde.
Die beiden letzteren werden als Anamnia den erstgenannten
oder Amniota gegenübergestellt.

Verschiedene Ansichten sind vertreten worden bezüglich
der Phylogenese des Amnions, und es muß anerkannt werden,
daß die plötzhche Erscheinung dieser nützhchen und kom-
plizierten Fötalhülle — sei sie nur vorhanden während der
wenip-en Wochen oder Monate, die zwischen den allerersten
Entwicklungsphasen und der Geburt verlaufen — eng ver-
gleichbar ist sowohl in Bezug auf die sie zusammensetzenden
Schichten als in Bezug auf ihre Entstehungsweise, wo wir sie
auch antreffen. Für jeden, der bei seiner Interpretation der
Natur durch gesunde Evolutionsgrundsätze geführt zu werden
wünscht, verlangen diese Verhältnisse ihre natürliche, auf
Evolution basierte Erklärung. Die bereits gegebenen Erklä-
rungen, welche wir Haeckel, v. Ben eden und anderen ver-
danken. sind jedoch, wie wir sehen werden, unhaltbar. Ich
bin bereits lange dieser Ansicht ("95) und habe einen anderen
Versuch gemacht zur Lösung dieses entwicklungsgeschicht-
lichen Rätsels; finde aber, daß die Wiederholung meiner
Auseinandersetzung der alternativen Lösung dieses verwickel-
ten Problems nicht überflüssig zu sein scheint.

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Es ist nun ein sehr beachtenswerter Punkt, daß zwei der
Fötalhüllen, das Amnion und die seröse Hülle, in so ver-
wickelter Weise miteinander zusammenhängen in Betreif auf
ihre erste Erscheinung, daß die seröse Hülle (wie es Schau-
insland, der Verfasser des Kapitels „Fotalhüllen bei Sauropsida"
in Hertwigs neuem Handbuch sagt) ihren Ursprung nimmt
aus der äußeren Hälfte der Amnionfalte, später aber an Aus-
dehnung zunimmt durch einen weiteren Prozeß, durch welchen
sie von der Nabelblase abgespaltet wird.

Vor mehreren Jahren istderName amniogenetisches Chorion
(Bonnet) bei Säugetieren an der Stelle von Serosa eingeführt
worden und damit ist die Auffassung noch näher betont worden,
daß letztere ihren Ursprung dem Amnion verdankt.

Wir wären geneigt zu erwarten, daß eine Fötalhülle von
der Bedeutung des Chorions bei Primaten und der subzonalen
Membran oder Serosa (Diplotrophoblast) bei den anderen Säuge-
tieren und Sauropsiden eine eigene Phylogenese hinter sich
hatte und nicht als Nebenprodukt eines Faltungsvorganges auf-
zufassen wäre, welcher für Sauropsiden typisch ist, aber bei
Vertretern verschiedener Säugetierordnungen fehlt.

Eine Hypothese, welche die Phylogenese von Chorion
(Serosa) und diejenige von Amnion von einander trennen würde,
wäre also an sich wohl eher annehmbar und möchte sich als ein
besserer Leitfaden zeigen zum Verständnis dieser Säugetiere,
welche keine Amnionfalten besitzen
[Cavia und andere Nage-
tiere,^
Pteropus, Galeo])it]iecus, Erinaceus, Gynmura, Affen und
Mensch) als eine, welche dazu zwingt, die Amniogenesis der
letztgenannten Säugetiere herzuleiten von den Erscheinungen,
wie wir sie bei Sauropsiden und bei einer Anzahl anderer
Säugetiere antreffen, und zwar auf dem Wege einer dunkeln
Cenogenese.

Bereits vor mehr als dreizehn Jahren (\'95 B) habe ich eine
solche alternierende Hypothese verteidigt, welche ich hier noch
einmal hervorheben möchte mit einigen neu hinzugekommenen
Tatsachen, welche sie unterstützen.

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Der Ausgangspunkt für diese Hypothese, welche uns in
den Stand setzen wird, eine getrennte Phylogenese für Chorion
und Amnion zu statuieren, war die Tatsache, daß wir bei allen
Säugetieren die Anwesenheit einer tatsächlichen Fötalhülle —
den Trophoblast — lange vor der Erscheinung eines
Amnions konstatiert haben. Und zweitens die andere Tat-
sache, dal?i diese frühe Fötalhülle, wie wir sie da finden, in spätere
Entwicklungstadien übergeht die wir Chorion, Diplotrophoblast,
seröse Membran oder subzonale Membran nennen. Dies macht
es also recht wahrscheinlich, daß wir unsere Ansichten ganz
umwechseln müssen und nicht länger diese äußere Fötalhülle
als ein Nebenprodukt des Amnions betrachten dürfen, aber im
Gegenteil uns die Frage vorlegen sollen, wie das Amnion sich
entwickelt hat aus oder neben der älteren Fötalhülle, dem
Trophoblast.

Wenn wir die interessante aber zunächst ganz unlösliche
Frage bei Seite lassen, ob es jemals in älteren geologischen
Perioden Wirbeltiere gegeben hat, welche einen Trophoblast
besaßen, aber noch nicht mit einem Amnion versehen waren
(eine Frage, welche berechtigt ist sobald wir gezeigt haben,
daß die Verknüpfung von Amnion und Serosa nicht so un-
entwirrbar ist wie es die modernen Lehrbücher der Embryo-
logie uns lehren), werden wir jetzt dazu schreiten um jenen
Fällen nachzuspüren, in welchen die unabhängige Entwicklung
von Chorion einerseits, Amnion andererseits noch besonders
evident ist.

Von diesen Fällen möchte ich einige zitieren, welche be-
reits oben Erwähnung fanden und welche bei verschiedenen
Säugetierordnungen vorkommen. Wir fangen mit einem so
extremen Fall an wie es
Gavia ist. Der Trophoblast und jener
wuchernde Abschnitt davon, welcher als der Träger bekannt
ist, sind in einem ganz frühen Stadium unabhängig vom Em-
bryonalknoten (s. Fig. 135 u. 136). Wenn einmal die Mutter-
zellen des Entoderms sich vom Embryonalknoten abgelöst
haben, so entsteht eine Höhle, wovon die untere Innenfläche

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zum Ektodermschild wird (Fig. 40), die obere Innenfläche zur
inneren Bekleidung des Amnions. Letzteres ist also von An-
fang an eine geschlossene Höhlung.^)

Bei anderen Nagetieren treffen wir Fälle weniger ex-
tremer Art. Sie wurden im Detail von Selenka (\'83, \'84)
und anderen beschrieben. So ist bei Maus und Ratte, sowie
bei
Arvicola und an-
deren die Höhlung,
welche später zum
Amnion wird, nie in
olfener Kommunika-
tion mit dem Räume
außerhalb des Tro-
phoblastes, sondern
sie ist immer intra-
trophoblastisch. So-
mit ist eine graduelle
Begegnung von Fal-
ten hier nicht nötig,
um eine Amnionhöhle
darzustellen, da es
vonAnfang an bereits
eine allwärts geschlos-
sene Höhlung gab
(Fig. 135,136). Was als Kopf- und als Schwanzfalte des Amnions
der .Maus gilt (Fig. 136), muß noch näher untersucht werden,
ehe wir es mit den nämlichen Strukturen bei Sauropsida ver-
gleichen. Dabei ist zu bedenken, daß diese Falten bei der

1) In früheren Veröffentlichungen (z. B. \'95 B, p. 25) habe ich öfters ange-
deutet, daß die Amnionbildung bei Menschen und Affen (bis jetzt nicht durch direkte
Wahrnehmung bekannt) wahrscheinlich derselben Kategorie angehören wird wie die-
jenige von
Cavia. Während der Korrektur dieses Bogens wurde ich mit dem inter-
essanten frühen menschlichen Ei persönlich bekannt, welches im April 1908 bei Ge-
legenheit der Berliner Anatomen-Versammlung von Bryce und Te acher demonstriert
wurde und ich bin überzeugt, daß es meine Vorstellung noch näher bestätigen wird,
•wenn es sich bei weiterer Durchforschung als ganz normal herausstellt.

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Maus, wenn einmal zusammengewachsen, nicht eine Grenze
bilden zwischen der Amnionhöhle und der Außenwelt, sondern
zwischen zwei Höhlungen innerhalb des Trophoblastes, von
welchen eine das Amnion ist. Bei Nagetieren ist der Fall von
Lepus besonders lehrreich. Ich habe bereits früher darauf auf-
merksam gemacht (\'95 B) und habe dort demonstriert, daß
die sogenannten Rauber\'schen Zellen zum Trophoblast ge-
hören, womit sie in direkter Kontinuität stehen (Fig, 18). Bei
Lepus bricht der Trophoblast nicht auf um das embryonale
Ektoderm an die Oberfläche zu bringen, sondern die Tropho-
blastzellen oberhalb des embryonalen Ektoderms- flachen sich
ab und verschwinden in der Weise, wie es die Deckschicht

tr

•\'ik\\ I Fig. 137. Schnitt durch ein ähn-

liches Stadium von Ai7imospermo-
phüus.
Nach einer noch nicht
fi ■ publizierten Zeichnung Prof, G.
Lees von Minneapolis. Tropho-
blast
tr setzt sich über das em-
bryonale Ektoderm
ec fort, eii
Entoderm.

der Amphibien tut. Es ist dies kein primitives, sondern wahr-
scheinlich ein sekundäres Verhalten, wie es auch abgeleitet
werden dürfte aus dem, was Lee bei einem anderen Nagetier
{Ammospermop}iilus)^Q.im\\ÖL&si hat, welches die Mitte hält (F\'ig. 137)
zwischen der Entypie, welche verschiedene Nagetiere, Ungu-
lata und Insektivoren aufweisen (Fig. 11, 17, 19—21) und dern
flachen embryonalen Ektoderm von
Lepus, Sorex u. a.^)

Ein Fall, welcher mit Beziehung auf das Amnion große
Ähnlichkeit hat mit dem von
Cavia, ist jener des fliegenden
Hundes
(Pteropus), wo Selenka und Göhre (\'92) ein ge-
schlossenes Amnion von den allerfrühesten Stadien an be-
obachteten. Es entwickelt sich zum definitiven Amnion durch
einen einfachen Wachstumsvorgang und besteht bereits als

Genaue Details über die Bildung des Amnions bei Antmospermophihis, mit
Bezug auf das eventuelle Verschwinden seiner trophoblastischen Innenschicht, verdienen
in der Zukunft unsere besondere Aufmerksamkeit.

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geschlossener Sack von ektodermaler Herkunft, lange bevor
eine Mesoblastschicht die Wand verdoppelt hat (Fig. 31
bis 34).

Eine sehr ähnhche Anordnung trifft man bei dem noch viel
primitiveren
Galeopithecus (Fig. 35, 36), welche im Detail zu
beschreiben ich bis jetzt noch keine Gelegenheit gefunden
habe.

Noch ein anderer sehr lehrreicher Fall ist jener von Eri-
naceus
und Gymnura. Von ersterer dieser beiden Gattungen
haben wir beschrieben, wie die frühe Keimblase gekennzeichnet
ist durch den Besitz eines Embryonalknotens, von welchem
das Entoderm sich so früh ablöst, daß die Details dieses Vor-
ganges noch nicht ganz genügend bekannt sind. Daneben
nimmt das sonstige embryonale Ektoderm etwas mehr Zeit,
um vom Trophoblast ganz abgetrennt zu werden als bei an-
deren Säugetieren. Und wenn es sodann dazu kommt, so
geschieht es durch das Erscheinen einer Höhlung zwischen
dem, was sich zum Embryonalschild entwickeln wird und dem
was Trophoblast bleibt. Hiermit tritt dann eben die Amnion-
höhle in die Erscheinung (Fig. 138—141). Auch hier wieder
stellt es sich als von weittragender Bedeutung heraus, daß die
Höhlung gleich als geschlossener Raum auftritt. Anderswo
habe ich hervorgehoben (\'95 b), daß, wenn wir zu wählen
haben, was die wahrscheinlichere früheste Erscheinung des
Amnions gewesen ist: entweder als eine geschlossene Höhle
oder als ein Komplex von Falten, durch derenZusammenkommen
ein Raum oberhalb der Rückenoberfläche des Embryos ein-
geschlossen werden wird, sich unzweifelhaft erstgenannte Mög-
lichkeit — vom evolutionistischen Standpunkt aus — als weit
wahrscheinlicher herausstellt. Hauptsächhch weil nur in dem
Falle, wo diese die phylogenetische Vorstufe gewesen ist, wir
uns vorstellen können, daß das Amnion gleich bei seiner
allerersten Erscheinung von direkter Bedeutung für den Embryo
gewesen ist, als eine Art Wasserkissen, welches — schon vom
allerersten Anfang an — die embryonalen Rudimente schützt

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gegen äußeren Druck oder mechanische Beschädigung. Wh
haben jetzt gesehen, daß das Amnion nicht nur in vielen
Fällen ganz vom Anfang an als eine geschlossene Höhle auf-
tritt in verschiedenen Säugetierarten (an die bereits gegebene
Liste sohten noch die Affen und der Mensch hinzugefügt
werden), sondern daß in diesem Fähe eine Erklärung seiner

139

tr

fA\'.\'.Ht

V, f3

Fig. 138, 139. Schnitte zweier sehr früher Stadien der Igelkeimblase, tr Trophoblast,
<f;/Entoderm, er Ektoderm noch fest mit dem Trophoblast zusammenhängend. Fig. 140.
Ein etwas späteres Stadium, wobei schon bedeutende Lacunen, in welchen mütterliches
Blut durchdringt in das wuchernde Trophoblast, entstanden sind. Fig. 141. Schnitt
durch ein noch späteres Stadium, in welchem die Lacunen um die Keimblase rings
herum entwickelt sind und wo das Amnion (a) als eine Spalte zwischen Trophoblast
und embryonalem Ektoderm
{ec) entstanden ist. Fig. 142. Noch späteres Stadium der
Igelkeimblase, in welchem die Entwicklung des Embryos weiter vorgeschritten ist und
das Amniondach sich ausgebildet hat und äußerlich von Mesoblast bedeckt wird.

UV Nabelblase, co Coelom.

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ersten Erscheinung nicht weit zu suchen ist. Haben wir doch zu-
gegeben, daß der Trophoblast eine frühe Larvenhülle ist, deren
Anwesenheit das Auftreten eines Chorions oder einer serösen
Membran früher oder später prophezeien dürfte. Aus dieser
Larvenhülle — auch im Falle der Nemertinen und Gephyreen
(Fig. 57) — soll das embryonale Ektoderm in irgend einer
Weise sich abtrennen, während auch das Amnion in ver-
schiedener Weise in die lirscheinung treten wird. Wir wissen
durch die Beispiele, welche wir von den Nemertinen
{Pilidium
und Desor\'sche Larven) besitzen, daß zu gewisser Zeit diese
Abtrennung sich vortut als ein Spaltungsprozeß, wobei (wie
es der Fall ist in der Dorsalplatte der D es or\'sehen Larve,
welche ich früher [\'85, Fig. 53a, 95] beschrieb) die Platte des
zukünftigen embryonalen Ektoderms vorläufig mit der Larven-
hülle im Zusammenhang bleibt, einer kreisförmigen Verbin-
dungslinie entlang. Dieses finden wir in ähnlicher Weise, da
wo das embryonale Ektoderm des Igels mit dem Trophoblast
zusammenhängt (Fig. 141) und die geschlossene Amnionhöhle
über sich hat. Bei anderer Gelegenheit, und zwar bei der
Bildung der lateralen Platten der Desor\'schen Larve oder der
vier embryonalen Platten des
Pilidiums findet die Trennung des
definitiven Ektoderms von der Larvenhülle durch einen Inva-
ginationsprozeß statt, während dessen der Abschnitt, welcher
zur äußeren Wand des Embryos werden wird, von der larvalen
Oberfläche etwas in die Tiefe sinkt, und somit diese Oberfläche
eingeschlossen wird und sich in dieser besser geschützten Lage-
rung weiter entwickelt. In letzterem Falle bringt eine Kreisfalte
die Kontinuität zwischen larvalem und definitivem Ektoderm
hervor und nun ist, sobald die Falten zusammentreffen, die Ober-
fläche des
Pilidiums von der zukünftigen Leibeswand des Em-
bryos abgespaltet und sind diese beiden durch eine geschlossene
Höhle getrennt, welche auch in dem Falle der
Pilidium-harven
bereits seit langen Jahren den Namen Amnionhöhle getragen hat.
Es macht keinen Unterschied, daß beim
Pilidium dieser Vorgang
an vier getrennten Stellen auftritt und daß die so hervorge-

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brachten Höhlungen später zusammenfließen. A. Willey ("98)
bespricht ähnliche Verhältnisse zwischen Arthropodenembryonen
und deren Larvenhüllen, welche letztere auch als Amnion bei
PeripatMs, Lepisma, Gryllus, Forficula u. a. bezeichnet wurden.
Er hat die direkte Vergleichbarkeit mit dem Vertebraten-Tropho-
blast ganz richtig ins Licht gestellt und betrachtet es, wie
ich dies für Wirbeltiere tat, als eine Anpassung an vivipare
Lebensverhältnisse, welche die terrestrischen Nachkommen
eines aquatischen Vorfahren sich zu eigen machten.

Wir können also den larvalen Trophoblast nicht nur mit
anderen Hüllen, welche wir bei Wirbellosen antreffen, in Be-
ziehung setzen; aber sogar für die Entwicklung eines Amnions,
entweder als geschlossener Raum oder durch Bildung von Ring-
falten (letztere bei jenen Invertebraten vielleicht auch eine
sekundäre Modifikation) können wir Beispiele in dem Bereich
der Wirbellosen aufweisen.

Es will mir scheinen, daß wir für die Vertebraten folgen-
des statuieren können: a) wo eben ein Amnion angetrolfen
wird, verdankt es sein Entstehen der Trennung des embryo-
nalen Ektoderms von der Larvenhülle; b) diese Larvenhülle
(der Trophoblast, welcher Chorion, Diplotrophoblast oder Se-
rosa aus sich entstehen läßt) geht immer dem Amnion voraus
und ist somit älter als letzteres; c) die tatsächliche Trennung
zwischen embryonaleiu Ektoderm und Trophoblast kann bei
denjenigen Säugetieren, wo das Amnion vom Anfang an eine
geschlossene Höhle ist, wahrgenommen werden; d) in jenen
Fällen, sowohl bei Säugetieren wie bei Sauropsiden, wo wir
keine direkte Trennung zwischen dem embryonalen Ektoderm
und dem Trophoblast dem Amnion seinen Ursprung geben
sehen, nehmen wir an, daß die Amnionhöhle in einem späteren
Stadium einem Faltungsprozeß ihr Entstehen verdankt. Von
diesen Falten ist die Innenhälfte aus reinem ektodermalen, die
Außenhälfte aus trophoblastischem Gewebe aufgebaut. Für
ihre Bildung ist die Anwesenheit von Mesoblast keineswegs
notwendig.

-ocr page 119-

Kehren wir zum Igel zurück, um einen redlichen Erklärungs-
grund zu finden, wie die Falten wohl aufgetreten sein dürften,
wenn das Amnion nicht länger als eine geschlossene Höhle ab
initio gebildet wurde. Wir konstatieren, daß sich hier und bei
der Fledermaus eine Erscheinung vortut, welche auf diesen
Punkt Licht wirft. Wir sehen (Fig. 142), daß, wenn ein ge-
wisses Entwicklungsstadium erreicht worden ist, die ringförmige
Anheftungslinie des Ektodermalschildes gegen den Trophoblast
eine Neigung entwickelt, aufwärts zu wandern. Früher \'(95 b,
p. 25) war ich geneigt, dies einer Spaltung der tiefsten
Trophoblastschichten zuzuschreiben. Jetzt möchte ich den
ersten Schritt in dieser Richtung darin sehen — wie ich das
auch bereits in einer früheren Publikation (\'89) tat —•, daß
jener Verbindungsring des embryonalen Ektoderms veranlaßt
wird aufwärts zu wandern, derjenigen Oberfläche entlang, welche
der massive blutführende Trophoblast ihr darbietet (Hubrecht
\'89, p. 374, Taf. XXV, Fig. 51). Die annuläre Befestigmigs-
zone erlangt somit eine immer kleinere Oberfläche und wenn
sie schließlich verschwindet, so wird in dem Moment eine
Trennung zwischen Amnion und Trophoblast hervorgerufen.
Ob der Mesoblast Gelegenheit findet, sich in den Raum zwischen
diesen beiden auszudehnen, ist eine Frage, die in keinerlei
Weise überwiegende Bedeutung hat für die Amniogenesis;
wie es auch hervorgeht aus der eigentümlichen Weise, worin
das Amnion von
Chamaeleo seinen Ursprung nimmt. Diese
Sauropside weist in dieser Hinsicht primitive Charaktere
auf. Als solche rechnen wir die Tatsache, daß das Amnion
zu Anfang keine Mesoblastbekleidung besitzt, und daß es als
Ringfahe auftritt (Fig. 63, 64), welche in der Mitte sich schHeßt
und noch nicht in Kopffalte, Schwanzfalte und Seitenfalten
differenziert ist.

Diese Amnionfalte von Chamaeleo hat eine äußere Platte
von Trophoblast, eine innere von embryonalem Ektoderm; die
zwei wachsen unabhängig und gehen in einander über am
Rande der Falte, wo — wie wir es auch in
Sphenodon sehen

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(Fig. 65 u. 65 a) — in einem etwas früheren Stadium die oben-
erwähnte potentielle Grenzlinie zwischen embryonalem Ekto-
derm und Trophoblast gelegen war. Diese Fälle bei Reptilien
sind also mit den oben vom Igel erwähnten verknüpft; sowie
auch mit denjenigen, welche von Duval für die Fledermäuse
so besonders deutlich abgebildet wurden (\'99, Fig. 96, 102, 117,
123, 132). Letztere Figuren, in Vergleich gebracht mit Fig.
50, 57, 68, 73—76, 82, 85 auf Duvals Taf. II und III, zeigen
uns, wie ein Fall der Bildung eines geschlossenen Amnions,
wie es bei
Galeopithecus und Pteropus vorkommt und wie es
virtuell auch bei den sehr frühen Fledermausstadien vorhanden
ist (D UV als Fig. 50 und 57), allmählich sich umändert (bei
sonstigen Fledermäusen) in einen solchen, wo das geschlossene
Amnion nur dadurch definitiv entsteht, daß ein Grenzrand
allmählich aufwärts wächst. Die äußere Wand wird dabei vom
Trophoblast, die innere vom embryonalen Ektoderm aufgebaut.^)

________tr^

\') Ich möchte besonders auf Duvals (\'99) Fig. 96 und 102 hinweisen und
bemerke zu spät — nämlich während der Probekorrektur —, daß ich diese Figuren

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Viele Figuren (141, 143—150) haben gezeigt, daß die
frühe Trennung zwischen Trophoblast und Embryonalknoten

Fig. 148 — 150.
Drei Phasen in dem Frei-
werden des
Tupaja-YkXo-
dermschildes aus dem
Trophoblast.
E Embryo-
nalknoten (in
148 mit
noch nicht abgespaltenem
Entoderm); w Ektodermschild;
tr Trophoblast; Entoderm (nach Hubrecht \'95b),
In 150 hat sich das flache Ektodermschild aus dem Embryonalknoten entfaltet.

auf die allerverschiedensten Weisen zu Staiide kommt. Und
daß eben in einer und derselben Spezies, wie z. B.
Tarsius,

hier kopiert haben sollte, besonders weil das unabhängige Wachstum der tropho-
blastischen (äußeren) und der ektodermalen (inneren) Platte der Amnionfalte, in
ihnen so besonders deutlich hervortritt. \'

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die Trennung einmal früher, ein anderes Mal später eintreten
kann (vgl. Hubrecht \'02, Taf. II, Fig. 38a—e mit Taf. VI,
Fig. 49a, b und 50a—c). Diese spätere Erscheinung ruft eine
stärkere Ähnlichkeit zwischen
Tarsius und solchen Fällen wie
Pteropus und Cavia hervor. Jedenfalls ist es dieser sehr frühe
Abtrennungsprozeß des zukünftigen embryonalen Gewebes vom
Trophoblast, welcher parallel geht mit ontogenetischen Pro-
zessen bei den Wirbellosen, wie wir sie bereits vorführten
{Pilidium, Desor\'sche Larve) und welche uns mit den ersten
Ursachen der Amniogenesis bekannt machen. Solche Fälle
wie
Tupaja (Fig. 148—150) und Cervus (Keibel \'99) und Sus
(Fig. 145) sind besonders lehrreich. Was Selenka Entypie
genannt hat, ist — von unserem Standpunkt — kein sekun-
däres Phänomen, sondern eins, welches sehr primitive Ab-
trennungsverhältnisse zwischen embryonalem Ektoderm und
Larvenhülle in wirbellosen Vorfahren wiederholt.

Die Bildung eines Proamnions ist eine Erscheinung, welche
gar keine Bedeutung besitzt für unsere Betrachtungen betreffs
der Phylogenie des Amnions im allgemeinen. Das Proamnion
ist eine temporäre Einrichtung, welche bei vielen Säugetieren
und Sauropsiden angetroffen wird, wo ein kreisförmiger Ab-
schnitt der Keimblase vor dem Kopf mesodermfrei bleibt. In
diesen taucht das Vorderende des Kopfes ein und bleibt da-
durch zeitweilig geschützt. Diese Hülle besteht also nur aus
Ektoderm und Entoderm (Fig. 151). Der Raum des Proamnions
wird während des weiteren Wachstums des Embryos allmähhch
verringert: der Kopf wird daraus zurückgezogen; Mesoderm
erscheint allmählich zwischen den beiden Schichten, und wenn
der Embryo fertig ist, hat er seine proamniotische Hülle gänz-
lich verloren, da diese jetzt definitiv verstrichen ist.^) Also ist

Die Erklärung des ersten phylogenetischen Ursprunges eines Proamnions wurde
noch nicht versucht. Allgemein wird er einer Wachstumsbeschleunigung zugeschrieben,
welche Veranlassung gab zu einer zeitweiligen Einbettung des Kopfes des Embryos,
in dessen eigenen Dottersack. Dahingegen haben die Primaten (welche unzweifelhaft
verhältnismäßig die größten Köpfe besitzen!) kein Proamnion.

Meine eigene Erklärung ist eine ganz andere und geht nicht von dotterreichen

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wohl die sich am weitesten von der Wahrheit entfernende Er-
klärung des Amnions jene von Selenka (\'91, p. 86), der
sich dahin aussprach, daß das Amnion aus einer doppelten
Bildungsquelle hervortrat, und daß die beiden Anlagen von
Amnion und Proamnion schließlich zur Verschmelzung kamen.
Die wahre Auffassung muß not-
wendigerweise von ganz ande-
ren Ansichten ausgehen wie
dies oben entwickelt wurde.

Wir können jetzt begreifen,
wie die eigentümliche Art der
Amnionentwicklung, wie wir
sie von Vögeln und in erster
Linie vom Huhn kennen (die
natürlicherweise der Typus
wurde, auf welchem alle Hypo-
thesen mit Bezug auf das Am-
nion ursprünglich fußten, da
keine anderen genügend bekannt

waren), Veranlassung gab zu der falschen Auffassung des
Amnions als die direkte Ursache der Bildung der serösen Hülle.

Sauropsideneiern aus, sondern von frühen viviparenProtetrapoden(S.65), welche sowohl an
Sauropsiden wie an Säugetieren vorangegangen sein müssen. Einige von diesen haben
unmittelbare Vaskularisation des Trophoblastes mittels Nabelarterien und -venen erlangt.
Viele andere sind von dieser direkten Linie der zweckmäßigsten Gefäßbildung ab-
gezweigt; sie haben den frühen Haftstiel aufgegeben (dessen homologe Bildung in der
allantoiden Verbindung wiederkehrt) und haben bereits in einem frühen Stadium ihre auf
der Nabelblase gelegene Area vasculosa benutzt, um mit den mütterlichen Gefäßen in
Wechselbeziehung zu gelangen. Dementsprechend entstand eine omphaloide Plazentation.
Nach einer gewissen Zeit traten die Nachteile dieses Vaskularisationsprozesses und
zwar während des weiteren Wachstums des Embryos deutlich hervor. Jedoch nicht
bevor gewisse Einrichtungen aufgetreten waren, durch welche die omphaloide Plazen-
tation so lange wie möglich funktionieren konnte. Von diesen Einrichtungen ist die
allerwichtigste das Wachstum des Kopfes in die Nabelblase hinein, wodurch ein
Proamnion gebildet wird. Es erreicht sein Maximum bei den Didelphiern, welche,
als sie einmal allantoide Plazentation aufgegeben hatten (jetzt noch persistierend bei
Perameles), während kurzer Zeit sich des Besitzes einer omphaloiden Plazentation er-
freuen und sodann das Lebenslicht erblicken unter den so sehr spezialisierten Verhält-
nissen, die für die Marsupialia so charakteristisch sind.

Hubrecht, Embryologie. 8

Fig. 151. Schematischer Längsschnitt
eines Z>a^j\'?^rz«-Embryos(nachHiI] \'oo).

Allantois; av Area vasculosa auf der
Nabelbla.se
uv\\ atr Gegend wo der
Trophoblast phagocytotische Eigenschaf-
ten besitzt;
pro. Proamnion.

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Dieser Irrtum war um so erklärlicher — aber zu gleicher Zeit
um so widerstandsfähiger — weil beim Huhn die Anwesenheit
des Trophoblastes als eine extra Larvenhülle keineswegs ins
Auge springt (siehe S. 35). Nur wenn wh alle Übergangsstufen
zwischen den primitiven Protetrapoden bis zu den Ornitho-
delphia und den Sauropsida zusammengesteUt haben, können
wh mit gutem Erfolg demonstrieren, wie es kommt, daß die
Schicht ektodermaler Zellen, welche bei letzteren sich um den
Dotter herumschiebt und ihn schließlich ganz umschließt,
nicht primär eine radiale Ausdehnung des Ektodermschüdes
sensu strictiori ist; sondern daß sie ihren Ursprung der-
jenigen Schicht verdankt, welche wh als eine Umhühungs-
schicht zu betrachten gelernt haben. Letztere hat bei den
eierlegenden Sauropsiden ihre Bedeutung verloren und ist nur
bei den Säugetieren in ihrer vollen Entwicklung sichtbar.

Eine noch wehere Reduktion, besser gesagt eine Reduktion
in ganz anderer Richtung wie wir es bei den Sauropsida finden,
treffen wir bei dem Trophoblast der Amphibien an. Nicht bei
allen, aber dennoch bei sehr vielen ist nämhch die Entwicklung

Fig. 152. Schnitt durch einen Teil der Deck-
schicht
ds mit lokalen Wucherungen in die-
selbe beim Frosch. ^s Grundschicht (nach
Assheton \'96 B).

dadurch charakterisiert, daß in einer ganz frühen Periode die
äußere Ektodermschicht des jungen Embryos so sichtbar unter-
schieden ist
von den darunterhegenden ektodermalen Zell-
schichten, daß sie durch den Namen „Deckschicht" gekenn-
zeichnet ist von den anderen, welche zusammen die „Grund-
schicht" büden. Außerdem dokumentieren die Zellen der
Deckschicht ihre vorübergehende und larvale Bedeutung noch
dadurch, daß sie in späteren Entwicklungsstadien verschwunden
und daß sie nur bei der Bhdung besonderer larvaler Organe
eine Rolle spielen. So bei der Bildung der Saugscheibe, sowie
bei jener der als larvale Geruchsorgane betrachteten Apparate
(Fig. 152).

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Somit hat diese Schicht eine bloß vorübergehende
larvale Bedeutung. Bereits bei einer früheren Gelegenheit
habe ich mir einen Vergleich erlaubt zwischen dieser Schicht
und dem Säugetiertrophoblast. Seitdem habe ich neuhch
(\'07,
p. 60) noch deuthcher hervorgehoben, daß ich die Deck-
schicht der Amphibien keineswegs betrachten möchte, als wäre
sie der Ausgangspunkt von dem, was sich später zu Amnion
und Chorion der höheren Vertebraten ausbilden wird. Wir
dürfen ruhig sagen, daß Deckschicht und Trophoblast homo-
log sind und dieselbe Vorfahrenhnie besitzen; aber wir können
bis jetzt uns noch nicht völlig hineindenken, wie es sich ver-
hielt mit der Einrichtung der larvalen Hülle bei der gemein-
schaftlichen Stammform, von welcher beide herrühren. Es
unterhegt wohl keinem Zweifel, daß die Viviparität jener Verte-
braten, welche zu den höheren Säugetieren geworden sind,
dazu beigetragen hat, um den Trophoblast stark in den Vorder-
grund zu bringen. Ob wir aber auch für die Amphibien an-
nehmen dürfen, daß bei ihnen in der Vergangenheit der Tropho-
blast deutlich hervortrat in den ganz frühen Stadien, und ob er
da einen Embryonalknoten einhüllte, wie wir es bei Säugetieren
beobachten, kann momentan noch nicht entschieden werden.
Es möge aber doch noch eben angedeutet werden, daß einige
wenige Wahrnehmungen in dieser Richtung einen Fingerzeig
geben. Ich wünsche hierüber jetzt nicht zu diskutieren an-
gesichts der sehr hypothetischen Natur des Bodens, auf
welchen wir hier treten.

Zugleich soll aber betont werden, daß, wenn wir bereit
sind, die Homologie der Amphibiendeckschicht mit dem Säuge-
tiertrophoblast zu akzeptieren, wir uns dann auch dazu ent-
scheiden müssen, unverzagt noch einen Schritt weiter zu
gehen. Es liegt nämlich kein Grund vor, weswegen wir nicht
die Deckschicht, welche sich auch bei
Ceratodus vorfindet
(Semon \'93, \'Ol), bei
Lepidosteus (Dean \'95), bei Acipenser
(Salensky \'80, \'81), allen Vertretern von Dipnoi und Ganoi-
den, in genau demselben Lichte betrachten sollten; ja wir

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werden sogar ganz allmählich dazu geführt, auch die Deck-
schicht der Knochenfische (ein so markantes Kennzeichen
dieser Klasse der Teleostomi) mit einzuschließen in dieselbe
Gruppe von Erscheinungen, deren allgemeine Bedeutung wir
hier zu analysieren versuchen.

Wir kommen somit zu der Schlußfolgerung — gesetzt,
alle diese verschiedenen Deckschichten des frühen Larven-
lebens seien Überreste einer frühen Larvenhülle, von welcher
wir keine Spur bei
Amphioxus, den Cyclostomen und den
Selachiern antreffen —, daß die große Bedeutung, welche man
bis jetzt den Fötalhüllen beigelegt hat als ein Hilfsmittel,
um die Vertebraten in die primären Gruppen der Amniota und
Anamnia einzuteilen, nicht aufrecht erhalten werden kann.

Wir haben gesehen, daß der Name Amniota im Gegen-
satz zu Anamnia nicht gut gewählt ist, wenn wir — wie
ich es vorschlug — im Auge behalten, daß nicht das Am-
nion, sondern das Chorion die primäre Fötalhülle darstellt.
Der Name Choriata (den Achoria entgegenzustellen) wäre so-
gar besser gewesen; während jener der Allantoidea im Gegen-
satz zu Anallantoidea noch mehr verwerflich ist, wie wir weiter
unten sehen werden.

Bedenken wir aber, daß das Chorion nur ein Derivat der
frühen LarvalhüUe ist, welche wir den Trophoblast genannt
haben, und daß Spuren eines Trophoblastes bei Amphibien,
Dipnoi, Ganoiden und Teleostomen im allgemeinen angetroffen
werden, so sollte die bedeutungsvollere TrennungsHnie nicht
gezogen werden — wie es zur Zeit geschieht — zwischen Saurop-
sida einerseits und Amphibia andererseits; doch zwischen jenen
Wirbeltieren, bei denen eine Larvenhülle oder Spuren einer
solchen gefunden werden und jenen, bei welchen solche Spuren
fehlen.

Wir haben an dem Beispiel der Vögel und Reptihen ge-
sehen, daß es nicht immer leicht ist, Spuren des Trophoblastes
aufzudecken, da letzterer aus verschiedenen Gründen nicht
immer ebenso deutlich ist wie bei den Säugetieren. So ist

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es auch nicht zu verkennen, daß, wenn wir bei den Wirbel-
tieren bis zu den Elasmobranchiern und den Cyclostomen
hinuntergehen, die Möglichkeit, daß die allerletzten Spuren
von Trophoblast und Deckschicht ganz ausgewischt sind,
nicht ohne weiteres zu verleugnen wäre. Dennoch sollen
wir anerkennen und zwar auf Grund verschiedener Daten,
welche die vergleichende
x\\natomie uns bietet, daß die hier
gezogene Trennungslinie gut übereinzustimmen scheint mit
gewissen anderen Unterscheidungsmerkmalen von primärer
Bedeutung.

So ist z. B. innerhalb des Gebietes letztgenannter Klassen
der Verknöcherungsvorgang ganz unbekannt. Dahingegen ist
die Verknöcherung, welche wir bei Knochenfischen antreöen,
wodurch Knochenstücke wie das Hyomandibulare, das Qua-
dratum, die verschiedenen Pterygoidea, die Palatina, das Maxil-
lare und Praemaxillare, das Dentale, Angulare und Articulare
entstehen, ein Vorgang, der sich wiederholt, wenn in den
höheren Abstufungen der Wirbeltiere identische Knochen hervor-
treten. Die allgemeine Homologie ist sogar eine so enge, daß
wir keinen Schwierigkeiten begegnen bei der Vergleichung
(sogar im Detail) der Knochenelemente des Schädels und der
visceralen Bogen der Knochenfische mit denen der höheren
Säugetiere und des Menschen.

Es wird jedenfalls notwendig sein, ganz sorgfältig zu
überlegen, ob wir die oben erwähnte primäre Einteilung der
Wirbeltiere in Anamnia und Amniota nicht besser aufgeben
sollten, da diese Unterverteilung nicht einmal dazu beigetragen
hat, um uns zu einem besseren Verständnis des Amnions zu
verhelfen, und dagegen gewisse Klassen getrennt gehalten hat,
welche frühere Naturforscher wie Linnaeus u. a. nie so weit
zu trennen geneigt waren. Ich glaube, daß auch die Paläonto-
logen eine Einteilung, welche sich auf ein Unterscheidungs-
merkmal gründet, das auf ihr Untersuchungsmaterial nie An-
wendung finden kann, gerne aufgeben werden. Besonders
auch noch deswegen, weil zu gleicher Zeit die anderen ana-

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tomischen Unterschiede zwischen Reptihen und Amphibien
recht oft zusammenbrechen bei sehr zahheichen fossilen For-
men von großer Bedeutung.

Wie wir bis jetzt die Fötalhüllen und Anhänge betrachtet
haben, welche primär aus dem Ektoderm herstammen, so müssen
wir nun denjenigen unsere Aufmerksamkeit schenken, welche
primär dem Entoderm entspringen. Diese sind die Nabelblase
und die Allantois, welche letztere in vielen Fällen (bei den
Sauropsiden und bei vielen Säugetieren) tatsächhch die Form
einer vaskularisierten Embryonalhülle respiratorischer oder
nutritiver Bedeutung angenommen hat.

2. Die Nabelblase.

Die Nabelblase bei den Säugetieren kann nach gewissen
Modifikationen gruppiert werden, deren relative Bedeutung
und deren Entstehung besprochen werden müssen. Die erste
ist diejenige, welche wh finden beim Menschen, bei den Affen
und bei
Tarsius. Bei diesen Säugetieren bleibt von Anfang
an die Nabelblase kleiner als der Trophoblast; sie füht die
Trophoblasthöhlung nie ganz aus. Wir haben auf S. 8 und 57
gesehen, wie der Rest des Trophoblastes in ganz frühen
Stadien allmählich ausgekleidet wird vom ventralen Mesoblast.
Auf der Oberfläche der Nabelblase von Mensch, Affen und
Tarsius entwickelt sich ein sehr kompliziertes Netz von mäch-
tigen Blutgefäßen (Fig. 154—156). Diese Blutgefäße können z. T.
dazu beitragen, einen Austausch hervorzubringen zwischen den
Flüssigkehen, welche sich innerhalb der Nabelblase resp. inner-
halb des extraembryonalen Coeloms befinden (welch letzteres
durch den Diplotrophoblast von der Außenwelt getrennt ist) und
dem embryonalen Blut. Es ist jedoch nicht bekannt, ob diese
Flüssigkeiten Nahrung enthalten, welche für den sich ent-
wickelnden Embryo von Bedeutung ist, wie es z. B. mit der
in dem Dottersack der Sauropsida enthahenen Nahrung der
Fall ist. Ebensowenig ist es bekannt, ob das Uteruslumen
von
Tarsius irgend etwas der Uterinmilch Vergleichbares ent-

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hält, welches durch die eigene Wirkung des Trophoblastes
in die Keimblase hinein transportiert und von dort durch die
Blutgefäße der Nabelblase dem Embryo zugeführt werden
könnte. Auch sind wir noch nicht klar darüber, ob bei den
katarrhinen Affen die ringförmige Zone nicht-proliferierenden
Trophoblastes, welche den dorsalen Mutterkuchen vom ven-
tralen trennt (Fig. 153), in einer ähnlichen Weise benutzt

Fig- I-53- Schematischer Längsschnitt der Keimblase eines katarrhinen Affen (Cerco-
cebus cynomolgus) mit dorsaler und ventraler Plazenta (nach .Selenka \'91).

wird, und ob in diesem Falle das Gefäßnetz ihrer Nabel-
blase osmotische Aufnahme und Transport von Nahrungs-
material veranstalten würde, welches von dem Uteruslumen in
das extraembryonale Coelom der Keimblase herüber geführt
worden war. Für den Menschen und für den anthropomorphen
Affen wäre ein solcher Vorgang jedenfalls auszuschheßen,
weil hier die Keimblase durch eine Decidua reflexa einge-
schlossen wird und nicht die ringförmige Zone besitzt, welche
für den niederen Affen soeben angedeutet wurde.

Unter diesen Umständen muß es sehr fraglich werden, ob
die Area vasculosa der Nabelblase bei den Primaten irgend
eine bedeutende nutritive oder respiratorische Rolle zu spielen
hat. Eine Hypothese, welche ich vor einigen Jahren ver^

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teidigt habe {Hubrecht \'99), und welche auch noch unab-
hängig von Saxer (\'96) und^v. Spee (\'96) vertreten wurde,
sollte sodann näher abgewogen werden, ob nämlich dies sehr
engmaschige Netz starken Kalibers nicht in erster Linie hä-
matopoietische Bedeutung haben würde? Es gibt keinen Grund,
um sich darüber zu wundern, daß die Oberfläche der Nabel-
blase während der Embryonalperiode eine aktive Rolle in dieser
Richtung spielen sollte, wenn wir bedenken, in wie starkem
Maßstabe Blutbildung zu Stande kommt in einem anderen
Derivat des Entoderms, nämlieh der Leber; geschweige noch
von der zunehmenden Bedeutung, welche wir dem Entoderm\')
als primärem Bildungsherd von Blut und Blutgefäßen, seit den
neuesten Untersuchungen von Rückert und Mollier (\'06)
beimessen sollen. Einer der Hauptgründe, welche E. van
Beneden (\'99, p. 333) veranlaßten, meinen Ansichten über die
Phylogenese der Säugetiere nicht beizupflichten, war eben
dieser, daß die Anwesenheit und die bedeutende Entwicklung
der Säugetiernabelblase für ihn nur dann Erklärung fände,
wenn wir für Säugetiere eine reptilienartige, eierlegende Stamm-
form annehmen, mit meroblastischen, dotterreichen Eiern,
van Benedens Unwillen würde sich auflösen müssen, sobald
diese hämatopoietische Bedeutung jener Entodermalfläche,
welche zu einem embryonalen Anhang geworden ist und
Nabelblase genannt wird, als ihr wichtigstes
raison d\'être zu
betrachten wäre.

Es sollte dabei nicht vergessen werden, daß das Knochenmark als Herd
einer Blutbildung um diese Zeit noch nicht vorhanden ist, und daß auch die
Leber noch nicht eine genügende Zahl von Blutkörperchen liefert, welche bei den
Stoffwechselvorgängen des Primatenembryos Dienste leisten können. Sodann ist
die Entwicklung und die Vermehrung eines ausgedehnten hämatopoietischen Netz-
werkes seitens der Darmoberfläche (welche vom ersten Anfang an ihre Bedeutung
hat als Mutterboden gefäßbildenden Mesenchyms) leicht zu verstehen. Somit würde
eine bruchsackähnliche Erweiterung eines Darmabschnittes zunächst eine hämato-
poietische Bedeutung gehabt haben (Primaten\\ würde sodann sekundäre Bedeutung
erlangt haben bei der omphaloiden Placentation (viele Säugetierei und würde schließ-
lich (Sauropsiden) dazu beigetragen haben, um eine Reserve an Dottermaterial, welches
sich gegen die Innenseite dieses Netzgewebes angehäuft hatte, zu verarbeiten und zu
transportieren.

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Daß diese Hypothese nicht von mir vorgebracht wird, um
eben die v. Beneden\'sche Kritili zu widerlegen, darf schon
aus
V. Spees davon ganz unabhängiger Befürwortung (\'96)
gefolgert werden, der diesem engen Gefäßnetz auf der Men-
schen- und Affenkeimblase eine hämatopoietische Bedeutung
zuschreibt (Fig. 154—156).

Fig- ISS u- 156- Zwei Entwicklungsstadien des Haftstiels und der Nabelblase von
Hylobates concolor und Hylobates rafflesii (nach Selenka \'oo A). Das wuchernde
Netzwerk auf der Nabelblase ist stark entwickelt und von hämatopoietischer Bedeutung.
Vaskularisierte Trophoblastzotten sind in Fig. 156 wahrnehmbar, cj Haftstiel; z\' tro-
phoblastische Plazentarzotten;
uv Gefäßnetz auf der Nabelblase; all Allantoisrohr;

nc neurenterischer Kanal.

Diese Bedeutung der Area vasculosa auf der Nabelblase
der Säugetiere ist also höchstwahrscheinhch älter als jene
andere Bedeutung, welche die Nabelblasengefäße bei den
meroblastischen Sauropsideneiern erlangt haben, um nämhch,
wie sie sich da über den Dotter ausbreiten — was sie bereits
taten, bevor die Entodermzellen in der Weise dotterhaltig ge-
worden waren — die Reservenahrung dem Embryo zuzuführen.
Daß die Blutgefäße der Nabelblase bei Säugetieren eine be-
deutende Weite erlangen können (Fig. 154), und daß nichts-

154

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destoweniger die eingeschlossenen Blutkörperchen auf Quer-
schnitten noch keineswegs aussehen als ob sie bereits frei
beweglich sind, habe ich bei früheren Gelegenheiten (\'89,
\'90) betont. Seitdem habe ich dies bei
Tarsius, Tupaja u. a.
bestätigt gefunden. Und es wird gewiß nicht gegen die
hämatopoietische Bedeutung dieser Blutgefäße sprechen, wenn
wir bedenken, daß Wenckebach (\'86) und Ziegler (\'87) auch
bei Knochenhschen gezeigt haben, daß ein solider Strang all-
mählich sich entwickeln kann zu einem Gefäß mit weitem
Lumen und mit frei beweglichen Blutkörperchen, welche an-
fänglich das innere Mark der Blutgefäßanlage bildeten.

Wo wir von der Betrachtung der kleinen Nabelblase der
Primaten ausgegangen sind, müssen wir jetzt jenen anderen
Fall betrachten, welchen wir bei der Mehrzahl der Säugetiere
antreffen, wo das Entoderm die ganze Innenfläche des Tropho-
blastes bereits in einem sehr frühen Stadium auskleidet. So
finden wir es bei Ungulaten; aber es wird hier relativ bald
wieder vom Trophoblast getrennt. Dies findet statt, wenn der
Mesoblast sich gebildet und sich in eine somatische und
eine splanchnische Schicht getrennt hat. Die splanchnische
Schicht bleibt immer klein im Vergleich zu der somatischen
infolge der ungemeinen Ausdehnung des Diplotrophoblastes
(Fig. 171). Bei anderen Säugern, sowie bei vielen Insekti-
voren (Fig. 142) geschieht die Trennung in der Nabelblase
und den Diplotrophoblast nicht so rasch, und es verläuft ge-
nügend Zeit bevor sie zu Stande gekommen ist; sodaß die
Area vasculosa, welche inzwischen auf die Nabelblase ent-
standen ist, sich nicht nur zu einem hämatopoietischen Herd
hat entwickeln können, sondern außerdem ein Transportmittel
geworden ist, mittels welchem eine sehr bedeutende Wechsel-
wirkung zu Stande kommen kann in einer Region, welche man
diejenige der omphaloiden Plazentation genannt hat. An anderer
Stelle habe ich (\'89, Taf. XVIII, Fig. 32, Taf. XXIV, Fig. 44)
davon eine detaillierte Beschreibung gegeben für den Igel
und auch noch für die Spitzmaus (\'94 a, Fig. 7—11, 51, 83).

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Ein stark entwickeltes Gefäßnetz wird auf der Nabel-
blase auch bei Didelphia gefunden (Fig. 151), wo die Area
vasculosa unzweifelhaft in hohem Grade nutritorische Be-
deutung hat während des kurzen Verweilens der Keimblase
in dem Uterus.

Bei den Ornithodelphia ist Oviparität an die Stehe von
Viviparität getreten. Es gibt keine umfangreiche Eiweißschicht,
und die dotterreiche Keimblase ist eng umschlossen in einer
Eierschale; ein Umstand, welcher die tadellose Behandlung
des frühen Embryonalschildes in unerhörter Weise erschwert.
Ich glaube, daß dieser meroblastischen Einrichtung bei den Or-
nithodelphia Viviparität vorausgegangen ist, und daß dabei
ein Verhalten des geräumigen Trophoblastes zum formativen
Ektoderm vorherrschte, wie es oben beschrieben und besprochen
wurde; während die Entstehung der freien Allantois bereits
während dieses viviparen Stadiums stattgefunden hatte. Viel-
leicht dürfen wir die abweichende Art, auf welche sich die
Area vasculosa der Ornithodelphia über den Dottersack aus-
breitet, als einen primitiven Charakter auffassen. Anstatt auf
eine kreisförmige Area beschränkt zu sein, verbreiten sich
die Blutgefäße bei
Echidna über die totale Oberfläche der
Nabelblase (hier Dottersack), obgleich sie nicht ein so enges
Netzwerk bilden (Semon, \'94, Fig. 61
0 und 61 S) wie z. B.
bei den Primaten.

Bei den Sauropsiden haben die Vorgänge der Dotterzu-
nahme sowie die Spezialisierung der Area vasculosa nach ver-
schiedenen Richtungen stattgefunden.

3. Allantois.

Wir kommen jetzt zu der Besprechung der letzten der
Embryonalanhänge oder Fötalhüllen, welche als Kenn-
zeichen für die Sauropsida und Mammalia betrachtet werden,
nämhch zu der Allantois. Begreiflicherweise war auch sie zu-
nächst vom Huhn bekannt und dasjenige, was dieser ehr-
würdige Urtypus für Wirbeltierembryologie darüber ans Licht

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brachte, wurde — so gut es eben ging — für die anderen
Wirbeltiere zurecht gelegt und auf sie zugeschnitten.

Bei den didelphen und monodelphen Säugetieren konnte
ihre Funktion nicht dieselbe sein wie bei den Vögeln, nämUch
eine Ausbreitung gegen die Innenfläche der Eischale behufs
respiratorischer Zwecke. Aber sogar bei diesen Säugetieren
sieht man sie sich recht rasch gegen denjenigen Abschnitt der
Oberfläche der Keimblasenwand ausdehnen, wo es zur Plazenta-
bildung kommen wird. Somit war bei den Säugetieren die
Allantois sowohl anatomisch als physiologisch eng vergleich-

158

bar mit dem, was bei den Sauropsiden unter demselben Namen
zusammengefaßt wurde.

Es blieb nur eine Schwierigkeit, daß nämlich beim Men-
schen niemals eine freie Allantois beobachtet wurde. Der eine
(unwillkürliche!) Versuch eines Verwalters einer embryo-
logischen Sammlung, einen frühen Embryo des Huhnes als
frühen menschlichen Embryo gelten zu lassen, diente eben nur
dazu, — sobald einmal der Irrtum klarlag —. die bestehende
Schwierigkeit noch schärfer zu betonen. Weitere Untersuch-
ungen haben außerdem ergeben, daß weder ein einziger be-
kannter x\\ffe noch auch
Tarsius spectrum eine freie Allantois
besitzen.

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Es will mir scheinen, daß die sogar jetzt noch obwaltende
Verwirrung bezüglich der Phylogenese der Allantois nicht
entstanden wäre, wenn man gleich zu Anfang gesunde und
logische entwicklungsgeschichtliche Ansichten beim Nach-
spüren der Allantois-Phylogenie in den Vordergrund hätte
treten lassen.

Die Wahrnehmung lehrt uns, daß die Hauptbedeutung
der Allantois in der Entwicklungsgeschichte höherer Säugetiere
eine nutritorische ist, und zwar durch die starke Vaskularisation
ihrer Wand und wegen des engen Zusammenlegens derselben
entweder mit Gefäßen der mütterlichen Mucosa (viele Ungulata,
Lemuren u.a.) oder mit Gefäßlücken im Trophoblast. Zu letzteren
erlangt mütterliches Blut Zugang mit Hilfe vorübergehender
Einrichtungen, welche von der Trophospongia hervorgerufen
werden (die meisten anderen plazentalen Säugetiere).

Vaskularisation des Diplotrophoblastes oder des Chorions,
(wie ich 1896 und 1899 vorgeschlagen habe, die äußere Hülle
nur noch bei den Primaten zu bezeichnen) ist also das Resul-
tat entwicklungsgeschichtlicher Vorgänge in dem, was Allan-
tois genannt wurde. Und es läßt sich aus guten Gründen an-
nehmen, daß diejenigen Säugetiere, welche dieses Ziel am voll-
ständigsten und am frühesten erreicht haben, bessere Führer
sein werden, um zu zeigen, wie diese Einrichtungen phylo-
genetisch entstanden sind, als jene anderen, bei welchen das
Erscheinen der Gefäßbildung durch irgend einen Umstand
verzögert ist.

Es befinden sich nun eben die Primaten, welche keine Spur
einer omphaloiden Plazentation besitzen, aber deren tropho-
blastische Anheftung an die mütterhche Mucosa an der Stelle,
wo die Plazenta sich später entwickeln wird, ungemein früh
auftritt und außerordenthch fein ausgearbeitet ist, zweifellos
im ersten Fall.

Und dennoch finden wir hier gar keine freie Allantois.
Folghch müssen wir herauszufinden suchen, ob die Art
und Weise, nach welcher die Vaskularisation des Tropho-

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blastes zu Stande kommt, vielleicht auf sekundäre Verände-
rungen, welche recht früh aufgetreten sind, hinweist, wodurch
die Bildung einer freien Ahantois überflüssig wurde, oder ob
es im Gegenteil wahrscheinhch ist, daß die Vaskularisation
hier auf eine einfachere, direktere und mehr primitive Weise
zu Stande kommt. Im letzteren Fah ist eine Vergleichung mit
denjenigen Säugetieren, welche eine freie Allantois besitzen,
unumgänglich notwendig. Wir würden sodann schheßen
müssen, daß eine freie Ahantois in ihren frühesten An-
fangsstadien nur in dem Primatenstamm anzutreffen wäre und
zwar in einem geologischen Zeitaher, welches so weit hinter uns
hegt, daß von einer direkten Beobachtung nie mehr die Rede
wird sein können. Diese Primaten, welche uns in das meso-
zoische und paläozoische Zeitalter zurückführen, sollten even-
tuell als Proprimaten, vielleicht noch besser als Protetrapoden
angedeutet werden. Sobald eine freie Allantois auftrat, war
damit ein Schritt getan in der Richtung zahlreicher Seiten-
zweige, von welchen uns erhalten sind: die Sauropsida, Or-
nithodelphia, sonstige Monodelphia usw.

Nebenbei werden wir noch Übergangsformen nachzuspüren
haben, welche uns zur Erklärung verhelfen werden, wie aus
den primitiven Verhältnissen der Primaten die freie Allantois
anderer Säugetiere und der Sauropsida sich entwickelt hat.

Von den keine freie Allantois besitzenden Primaten haben
der Mensch und die Affen noch nicht ein genügendes Be-
obachtungsmaterial gehefert, um die ganz frühen Stadien ihrer
vaskulären Anheftung in genügenden Details studieren zu
können. Hierfür müssen wir uns mit
Tarsius begnügen, wo-
von ich eine genügende Anzahl mh Bezug auf diesen Punkt
habe untersuchen können (1902), um eine Hypothese betreffs
der Genese des Haftstiels oder Bauchstiels darauf gründen zu
können, d. h. also eines Verbindungsstiels zwischen Embryo
und vaskularisiertem Trophoblast, dem keine freie Allantois
vorangegangen ist.

Was wir bei Tarsius beobachten, werden wir somit kurz

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zusammenfassen. Die sehr kleine Keimblase, von uno-efähr
0,03

mm im Durchschnitt, hat sich eben an das mütterliche
Epithelium festgeheftet. Der Abschnitt des Trophoblastes,
mittels dessen sie sich verklebt hat, wuchert ganz bedeutend und
verschmilzt innig mit der ebenfalls wuchernden Trophospongia
(Hubrecht \'99, Fig. 13, 55, 56).

Die also festgeheftete Keimblase hat nur eben jenes Sta-
dium durchlaufen (s. p. 17) in welchem der Trophoblast sich
über dem Ektodermschild geöffnet hat (in einigen wenigen
Fällen fand ich diesen Prozeß sogar etwas verzögert: \'02,
Fig. 49, 50). Dieser Schild ist keineswegs der Anheftungs-
stelle diametral gegenüber gelagert, sondern im Gegenteil so
(Fig. 159), daß das hintere Ende des Ektodermalschildes ganz

n.lL

159

H

U

Fig- 159—161. Schemata, welche die langsame Wanderimg des Embryonalschildes bei
Tarsms von der ursprünglichen (159) nach der definitiven Lagerung — der Plazenta
gegenüber (16 [) - verdeutlichen sollen. Die Zone
a der Fig. 92 zeigt sich in Fig. 160
als das eben sich anlegende Allantoisrohr
all-, in Fig. 161 wird hieraus eine hintere
zylinansche Fortsetzung des Darmes A\'\', welche sich verlängert mit der Aufwärts-
wanderung des Keimschildes. ^ extraembryonales Coelom; H Haftstiel; p Plazenta.

nahe der Anheftungsstelle zu liegen kommt (Hubrecht \'07,
Flg. w- w"). Von diesem Hinterende des Ektodermalschildes
wuchert, wie wir in einem früheren Kapitel gesehen haben
(p. 54), das ventrale Mesoderm nach hinten und unten, während
es zu gleicher Zeit sich aufbläht zu einer extraembryonalen
Coelomblase. In dieser Blase treffen wir die direkte axiale
Verlängerung der Ursprungsstelle dieser Wucherung als einen
Gewebswall an; als eine etwas verdickte Stelle, welche nur einige
Hundertstel Millimeter lang ist {U, Fig. 159). Dieser Gewebswall

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ist bereits in diesem außerordentlich frühen Stadium als der
Haftstiel
zu betrachten, durch welchen der Embryonalschild
mit dem wuchernden Trophoblast in Verbindung steht, welch
letzterer seinerseits die Plazentation vorbereitet. Es liegt
kein einziger Grund vor, um diesen Stiel zu betrachten
als etwa eine beschleunigte Differenzierung einer freien
Allantois; es ist eben früh differenziertes Mesoblast, weder
splanchnischer noch somatischer Natur, durch welches der
Embryo, vom allerfrühesten Anfang an, verbunden
ist mit demjenigen Abschnitt der Keimblasenoberfläche, welche
zur Plazenta werden wird. Vorläufig ist von Vaskularisation
noch nicht die Rede. Und es ist gerade die Art und Weise,
wie diese Vaskularisation eingeleitet werden wird, welche
uns den Weg zeigen wird, die Allantois in einem ganz an-
deren Lichte, als es in den Handbüchern geschieht, zu be-
trachten. Zugleich wird diese neue Anschauung eine be-
friedigendere sein, weil sie uns zu einer Erklärung der Phylo-
genese der Allantois verhilft, die nicht nur auf den Tat-
sachen bei den höheren, sondern auch auf solchen bei den
niederen Vertebraten fußt.

Wenn wir uns die Frage vorlegen, wie die Vaskularisation
dieses frühen mesoblastischen Walles oder Haftstiels zu Stande
kommt, müssen wir daran denken, daf^ wir in einem vorher-
gehenden Kapitel (p. 47) festgestellt haben, daß der Aus-
gangspunkt für das Gefäßsystem, wie wir letzteres außerhalb
und innerhalb des Embryos antreffen, eine ringförmige Ento-
dermzone ist, welche in einem frühen Entwicklungsstadium
von
Tarsius die Grundlage sowohl der Gefäße wie des Blutes
bietet.

Wir haben gesehen, wie das Herzendothelium sich her-
leitet aus Entodermzellen in der vorderen Region der Proto-
chordalplatte (\'02, Fig. 73a, b); wir sahen, wie die Blutge-
fäße auf der Entodermwand sowohl in den intra- wie in den
extraembryonalen Gefäßgebieten ihren Ursprung aus dem Ento-
derm nahmen (\'02, Fig. 59c—f); wie dies auch für
Petromyzon

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durch Goette (\'88, \'90); für Selachier durch Swaen und
Rückert; für Teleostier durch Swaen und Brächet (\'99);
für Amphibien durch Goette (\'75) und Brächet (\'02, \'03);
für Vögel durch Balfour und Deighton; für Säugetiere
(Schaf,
Tupaja, Sorex) durch Bonnet (\'84, \'89) und mich
selbst geschah (\'90).

Außerdem zeigt sich uns die Blutgefäßbildung bei Tarsius am
ausgiebigsten in der hinteren Körpergegend, wo die ringförmige
Zone mesenchymbildenden Entodermes unter den medianen
Abschnitt des ventralen Mesoderms gelagert ist (\'02, Fig.
59g—k). In den früheren Stadien ist es diese hintere mediane
Zone (\'02, Fig. 54g—k), welche den hier besprochenen medianen
Wall zu vaskularisieren anfängt, und damit die Blutgefäßbildung
im Haftstiel einlehet. Wir können uns vorstellen, daß in dieser
Stielregion die Gefäßbildung ganz besonders aktiv geworden
ist, weil eben Vaskularisierung des Stieles zu gleicher Zeit mit
der Möghchkeit direkter Vaskularisation des Diplotrophoblastes
einhergeht. Diese direkte Vaskularisation würde unzweifel-
haft einen so großen Vorteil für diejenigen Tiere, welche
ihrer teilhaft wurden darstehen (s. p. 55), daß wh eine hier
emtretende Gefäßhypertrophie uns recht gut vorstellen können.
Es fehlt nicht an direkten Andeutungen einer solchen in etwas
späteren Stadien ("02, Fig. 75i, 77h—k).

Überlegen wir uns nun: a) daß der erste Mutterboden ge-
fäßbildenden Gewebes das Entoderm ist und b) daß der Stiel
notwendigerweise an Länge zunimmt mit dem Weiterwachs-
tum des Embryos (noch mehr so bei
Tarsius wie bei Affen und
Mensch, weil er sich bei
Tarsius herumbiegt nach jener Ober-
fläche der Keimblase hin\'), welche dem Embryo gegenüber-

Dieser Ausdruck sollte cum grano salis aufgefaßt werden. Es ist nämlich
nicht der Stiel, der hinunterbiegt oder sich während dieser Verlängerung hinunterge-
bogen hat nach jener Oberfläche zu, sondern es ist der Embryonalschild, welcher
&ozu-
sagen allmählich heraufkletterte (wie ich es anderswo beschrieben habe [\'02, p. 19,
\'07, Fig. w3]) dieser Keimblasenoberfläche entlang, bis er der plazentalen Fest-
heftung gegenüber liegt (Fig. 86 — 89). Der Schild Hegt anfänglich der Anheftungs-
oberfläche ganz nahe (Fig. 159); später, wenn die Amnionfalten gebildet sind,
Hub\'recht, Embryologie. 9

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liegt), da kann es nicht Wunder nehmen, daß aktives Ento-
dermgewebe in dem Stiel zurückbleibt, zur Zeit wo die übrige
Darmwand den Faltenbildungen unterliegt, durch welche ihre
definitive Röhrenform allmählich hervortritt. Dieses Entoderm,
von welchem ich sogar das allerfrüheste Auftreten habe ver-
folgen können (\'02, Fig. 56^ 57, 59—61), nimmt die Form einer
röhrenförmigen Verlängerung in den in die Länge wachsen-
den Stiel an. Ich habe besonders darauf hingewiesen, daß es
nicht aktiv in diesen Stiel hineinwächst, sondern daß es passiv
äusgesponnen wird (\'02, Fig. IIa—c, Taf. XII), wie wir solches
auch beobachtet haben bei der Verlängerung der Chorda
und ebenfalls bei der Dickenzunahme der Plazenta.

Ich will hier nicht behaupten, daß wenn einmal der Haft-
stiel vollständig vaskularisiert ist und die von ihm getragenen
Gefäße sich über die Innenfläche der Plazenta verbreiten und
verzweigte Kapillaren gehefert haben für die Vaskularisation der
embryonalen Plazentarzotten, noch weitere gefäßbildende Pro-
zesse einsetzen oder von diesem entodermalen Epithelialrohr
ihren Anfang nehmen. Das Epithelialrohr aber vertritt in diesem
Stiel dasjenige was bei anderen Säugetieren und bei den
Sauropsida die Innenhöhle der Allantois darstellt. Dieses Epi-
thel ist eben nur ein Rest von dem, was in früheren Stadien
eine wuchernde gefäßbildende Fläche des Entoderms gewesen,
und welches, nachdem es noch einige Zeit aktiv war (\'02,,
Fig. 61, 65, 66), schließhch zu einem Geweberest herabgesetzt
wird, welcher blind endigt und in dem Nabelstrang der späteren
Fötalstadien nur mühsam wieder erkannt werden kann als ein
Zellstrang ganz rudimentärer Natur.

Wir haben jetzt den Haftstiel von Tarsius sowie das darin
enthaltene entodermale Epithehohr, welches wir Allantois
nennen werden, in seiner vollen Entstehungsgeschichte ver-

finden wir ihn dieser Oberfläche diametral gegenübergelegen (Fig. 161). Die Lageverände-
rung des Embryos mit Bezug auf die Plazenta kommt bei Affen und Menschen nicht
vor, deswegen ist der Haftstiel in ihrem Falle viel kürzer als bei
Tarsius. Zu gleicher
Zeit haben sie demzufolge der Plazenta den Rücken zugewendet;
Tarsius dahingegen
ihre ventrale Oberfläche.

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folgt. Es ist bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse keine
unerlaubte Annahme zu behaupten, daß die Genese des Haft-
stiels von Mensch und Affe mit seinem epithelialen Entodermrohr,
welch letzteres auch als Allantoisrohr bezeichnet wird, in ihren
Hauptbeziehungen übereinstimmen muß mit dem, was wir eben
beschrieben haben. Und wir können nun Nachdruck darauf

legen, daß die Primaten keine freie Allantois besitzen; daß je-
doch die stielartige Verbindung zwischen Embryonalschild und
Embryonalhülle recht früh hervortritt und sehr leicht erklärbar ist,
ohne sich auf ein etwaiges entodermales Hervorwachsen irgend
eines Organes zu berufen. Wir sind sogar berechtigt, diese
eigentümhche Einrichtung des Haftstiels der Primaten als
primitiver zu betrachten, als die freie Allantois irgend
eines der höheren Vertebraten.

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Versuchen wir jetzt einen Augenbhck uns vorzustellen,
wie diejenigen, welche die freie Allantois als die primitivere
betrachten, sich ihre Ph5dogenese vorstellen. Ich habe mich
anderswo (\'07, p. 58), beim Besprechen dieser Angelegenheit
folgendermaßen geäußert:

„Als frei, spontan aus dem Enddarm hervorwachsende Blase
kann die Allantois doch nicht entstanden gedacht werden. Auf
welcher Stufe der Phylogenese ist sie zuerst aufgetreten? Hat
irgend ein amphibienartiges Tier während seiner Ontogenese
den glücklichen Gedanken gehabt, seiner Urinblase eine so
verfrühte Entwicklung, eine so bedeutende Vergrößerung und
ein so reiches Gefäßnetz zuzulegen, daß in der Weise auf ein-
mal das hochwichtige larvale Organ zur Beschaffung von
Nahrung und Sauerstoff hervortrat, welches bei Menschen, Affe
und
Tarsius dann zum Haftstiel wurde?"

Ich zweifle, ob irgend ein Embryologe sich mit dieser
Auffassung einverstanden erklären möchte.

Ich zitiere jetzt weiter aus der Normentafel (\'07, p. 58):

,,Nebenbei soll hier noch darauf hingewiesen werden, daß
eben die allerletzte, so äußerst gründliche Peter\'sehe Arbeit
(\'05) wie sie in der Eidechsen-Normentafel vorliegt, uns (auf
Taf. I, Fig. 9 — 11, Taf. II, Fig. 14—18) wieder Zustände schil-
dert, die zuerst Strahl (\'81, \'82, \'83), dann Corning
(\'95, Fig. 4, 7, 9) gesehen hat. Es wird nämlich bei
Lacerta
die Allantois so ungemein früh, und zwar als solide Anlage
in der hinteren Achse des Embryos angelegt (ihre Höhlung ent-
steht erst später und tritt noch später mit dem Darm in Ver-
bindung), daß man sich die Verhältnisse nicht anders würde
denken können, wenn die Lacer^a-Allantois nicht von einer
gleich freien Darmausbuchtung, sondern eben von einer frühen
soliden Haftstielverbindung in der Achse des Embryos her-
stammte.

Ich habe die Verhältnisse der Allantois bei Tarsius und
Nycticebus noch weiter durch die vorstehenden Textfiguren
z 1—3 und aa 1—3 (der Normentafel \'07) zu erläutern versucht.

m

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Es ist aus ihnen ersichtHch, daß dasjenige, was wir bei
Tarsius Allantoisrohr nennen, mit zu den ältesten Partien des
Darmes gehört, und daß der Schwanzdarm erst später als eine
dorsalwärts gerichtete Vorstülpung auftritt. Sehen wir noch,
wie es sich in den Stadien des
Nycticebus 92, 148 und 239
verhäh (N. T. Tab. 2, 3 und 4), so ist die hintere Verlängerung
des Darmes, wie sie in dem Schwanzende oberhalb der Nabel-
blase liegt, ebenfalls wieder eher als Haftstiehest zu betrachten
als etwas anderes. Es sind die ventralen Teile bereits stark vasku-
larisiert
h&i Nycticebus 92; noch weit mehr bei 148, und es kann bei
239 ebenso gut gesagt werden, es entwickle sich der Schwanz-
darm als eine dorsale Vorstülpung aus dem hinteren (Haftstiel-)
Abschnitt des Darmes wie bei
Tarsius^), als daß man — wie
es die landläufige VorsteUung will — die hier hervorwachsende
Allantois als eine etwas später erworbene, frei auswachsende
Blase auffaßt. Dennoch wird eben bei
Nycticebus aus dieser
frühen Anlage die verhähnismäßig geräumige Allantoisblase,
welche sich gegen den Diplotrophoblast in der altbekannten
Weise ausbreitet. Aber es steht bei
Nycticebus (ebenso wie in
dem vorerwähnten Fah von
Lacerta) nichts der Auffassung im
Wege, daß in den frühen Allantoisverhältnissen noch Erinne-
rungen an eine frühere Haftstielverbindung fortleben.

Die Gründe, welche bis jetzt viele davon zurückhalten,
sich meiner Auffassung dieser embryonalen Verhältnisse anzu-
schließen, mögen wohl die sein, daß die Ableitung der Säuge-
tierkeimblase aus einer dotterreichen Sauropsidenkeimblase,
wie wir sie seit frühen Zeiten in allen Lehrbüchern antreffen.

1) Es ist jedenfalls auffallend, daß sowohl aus Comings Figuren von Lacerta
(\'95, Taf. XXV), als aus den Bonnet\'schen vom Schaf (\'89, Taf. II, Fig. 22;
Taf. III, Fig. Ii) hervorgeht, daß auch bei diesen Tieren die Allantois früher aus-
gebildet ist als der Schwanzdarm; daß somit der Auffassung, es sd die Allantois
die alte, hintere, in der Achse des Tieres gelegene Darmverlängerung (s. Hubrecht
\'02, Taf. XV, Fig. 5 u. 7), welche eben für die Vaskularisation des gleichfalls
primitiveren Haftstieles große Bedeutung erhalten hat, nichts im Wege steht; und daß
diese Auffassung Phylogenese und Ontogenese leichter versöhnt als jene, die in der
Allantois eine späte, ad hoc auswachsende Blase erblicken will.

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noch zu viel Bestechendes hat, und daß die Ornithodelphia ein
Übergangsstadium darzubieten scheinen.

Meine Auffassung der Ornithodelphia ist die, daß sich bei
ihnen — wie bei den Sauropsida ~ Dotterreichtum und
Oviparität eingestellt hat, nachdem vivipare an-
cestrale Formen mit Larvenhülle (Trophoblast) und
daraus hervorgehende Fruchthüllen (Diplotropho-
blast, Amnion) vorausgegangen waren. Rasche Vas-
kularisation des Trophoblastes durch Umbüikalgefäße (wie sie
bei jenen Vorfahren bestanden haben muß) wurde bei den mit
dotterreichen Eiern ausgerüsteten Nachkommen durch eine
frühe Vaskularisation der Dottersackwand (Area vasculosa)
ersetzt. Erst später trat dann die palingenetische Vaskulari-
sation der Larvenhülle (Trophoblast) wieder in den Vorder-
grund und wirkte mh, um günstige Resphationsverhältnisse
hervorzurufen.

Versuchen wh uns klar zu werden, ob es unter den leben-
den Säugern noch solche gibt, welche Übergangsstadien ähn-
hch sehen möchten, wie solche bestanden haben müssen
zwischen denjenigen Urformen, welche einen mehr primitiven
Haftstiel besaßen (wie die jetzigen Primaten) und denjenigen,
welche eine freie Allantois entwickelt haben, so müssen wir daraus
schheßen, daß es bis jetzt nur. wenige solche Formen gibt.
Wo wir sie jedoch noch antreffen — unter den Nagetieren
und bei
Galeopithecus — müssen wir erkennen, daß es sich um
eine der primitiveren Ordnungen handeh.i) Bei den In-
sektivoren, wo wir eventuell erw^artet haben würden auch noch
Spuren zu entdecken, treffen wir bei allen bis jetzt darauf
Cxdtt Qrij^ Gn eine freie Allantois an; sie sind jedoch

Während der Übersetzung dieses Aufsatzes aus dem Englischen ins Deutsche
berichtet mir eben Dr. Miguel Fernandez über von ihm wahrgenommene frühe
Entwicklungsstadien von
Tatusia (Morphol. Jahrbuch, Jahrg. 1909). Auch bei diesem
niederen Edentaten hat er Ähnliches gefunden und zwar in noch deutlicherer Form
als bei den oben erwähnten Ausnahmefällen. Es erweist sich als um so wünschens-
werter, alle niederen Säugetiergattungen sobald wie möglich auf diese Verhältnisse
zu prüfen.

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unter sich so verschieden, daß wir hoffen dürfen, bei den-
jenigen Insektivoren, deren Ontogenese bis jetzt noch nicht
aufgedeckt wurde, vielleicht noch Bemerkenswertes zu finden.

Unter den Nagetieren sind es Cavia und die verschiedenen
Mäusegattungen, wo die Allantois Eigentümlichkeiten aufweist,
welche hier zu erwähnen wären. Diese Fälle sind jedoch die
nämlichen, in welchen die Erscheinung der sogenannten Um-
kehr der Keimblätter auftritt, und man möchte bezweifeln, ob
nicht vielleicht diese letztere Erscheinung eher die Veranlassung
wäre zu den Eigentümlichkeiten der Allantois. Ich selbst habe
versucht (auf S. 25, 107), dieses Verhalten in Verbindung zu
bringen mit primitiven Eigentümlichkeiten, welche sich auch
bei der Entwicklung gewisser Invertebraten nachweisen lassen.
Momentan müssen wir unser Urteil in der Schwebe bleiben
lassen und anerkennen, daß der ganze Umkehrungsprozeß
noch viel Dunkles hat und daß er in keiner Weise durch
scheinbar einfache mechanische Erklärungsgründe beleuchtet
werden kann, wie es Selenka versucht hat (\'84,
p. 70).
Eine frühe, scharf umgrenzte Anheftung der Keimblase an die
Uteruswand war seiner Meinung nach die Ursache, wodurch
sich rationell erklären ließ, daß der Embryonalschild zu-
sammengebogen wird (Entypie). Er versäumte dabei zu be-
achten, daß in einem Fall sehr früher Entypie, wie es bei
Tupaja gefunden und oben besprochen wurde (p. 10, Fig. 19 bis
22), die Keimblase während all dieser Phasen vollständig frei
und lose in den mehr geräumigen Uteruslumen hinein suspen-
diert ist.

Dahingegen würde ein Embryonalschild, welcher in dieser
Weise gebogen war und sodann seinen frühen ventralen Meso-
blast entwickelte, durch Wucherung des Ektoderms am hinteren
Ende des Embryonalschddes (s.
p. 129) sehr günstig situiert
sein, um eine frühe Vaskularisation des Trophoblastes zu er-
langen; um so mehr, wenn eine Decidua reflexa — wie wir
sie auch bei den Nagetieren antreffen — noch nebenbei in
Mitwirkung gezogen würde. Somit wäre es nicht unmöghch.

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die Schlußfolgerung umzudrehen und zu behaupten, daß die
Inversion selbst in irgend einer Weise parallel geht mit einer
früheren Anwesenheit eines gefäßtragenden Haftstiels. Ich will
jedoch diese Schlußfolgerung nicht allzu dreist in den Vorder-
grund bringen, da ich mir wohl bewußt bin, daß der Boden
noch so unsicher ist. Ich wünschte nur, darauf aufmerksam
zu machen, daß es Nagetiere und eventuell Insektivoren gibt,
wo die erste Andeutung einer Allantois keineswegs als ein
Auswuchs aus dem hinteren Teil der Darmwand hervortritt;
sondern einfach eine Wucherung in einem sehr frühen Stadium
des Gefäßgewebes am hinteren Ende des Embryonalschildes
bildet. Ich darf darauf hinweisen, daß ich vor vielen Jahren (\'89,
p. 375) bereits angedeutet habe, daß die Möghchkeit der Ent-
wicklung eines Haftstiels auch potentiell beim Igel angetroffen
wird und vielleicht nur verzögert wurde durch die Tatsache,
daß die omphaloide Plazentation in frühen Stadien eine sehr
hervorragende Bedeutung erhalten hat.

Fassen wir alles zusammen, so dürfen wir also sagen, daß
die Allantois, wie wir sie bei Sauropsiden und bei vielen
Säugern antreffen, und welche anfänglich fälschlich in erster
Linie als ein Urinreservoir für das embryonale Leben betrachtet
worden ist, als solches keinen gewünschten Ausgangspunkt für
phylogenetische B,etrachtungen über die erste Entstehungsweise
dieses Apparates bildet. Die mehr untergeordneten Verhältnisse,
in welchen wir die Allantois bei den Primaten antreffen, bieten
demgegenüber vielmehr den Schlüssel für die Erklärung ihrer
frühesten Entstehung. Nebenbei verstehen wir sodann soviel
besser, daß die günstigen Umstände, unter welchen es den
Primaten gelingt, eine frühe und sehr gründliche Vaskularisation
ihres Trophoblastes zu erreichen, viel dazu beigetragen haben
werden, um das Zentralnervensystem unter so recht günstigen
Verhältnissen sich entwickeln zu lassen,.

Wie ich noch vor kurzem hervorhob, läßt sich die Be-
hauptung leicht rechtfertigen (\'07, p. 60), daß die verschie-
denen Säugetierordnungen ebensovielen Versuchen entsprechen,

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durch welche die Natur — ausgehend von einfacheren Vasku-
larisationsmethoden der äußeren Keimblasenwand — danach
gestrebt hat, sich ein sehr ausgedehntes Adaptationsgebiet an
all die verschiedenen Nahrungsmöglichkeiten zu verschaffen,
welche sich dem Embryo darbieten. Die außergewöhnhche
Formverschiedenheit, welche wir in den endlosen Varietäten
der Anordnung der Fötalhüllen der Säugetiere wahrnehmen,
wäre so gut wie unerklärlich, wenn wir an der Ableitung der
monodelphen Säugetiere aus dotterreichen Stammformen mit
ornithodelphen Charakteren festhielten. Und da nun seit
Hills Untersuchungen (\'97) angenommen werden muß, daß
die didelphen Säugetiere nicht von ornithodelphen, sondern
von monodelphen Stammformen herzuleiten sind, so bilden
die Didelphia nicht länger einen denkbaren Übergang zwischen
Ornithodelphia und Monodelphia.

Somit sollte die mehr direkte Phylogenese der letzteren
der Gegenstand einer recht fleißigen Forschung werden, in
welcher Richtung die hier vorliegende Arbeit ein erster Versuch
sein soll.

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Kapitel IV.

Der Anteil des Trophoblastes an der Ernährung und
an der Festheftung des Embryos.

In Kapitel II haben wir den Trophoblast als eine larvale
Hülle kennen gelernt, welche bei den monodelphen und di-
delphen Säugetieren von großer Bedeutung ist, welcher aber
bei den Sauropsiden, dem Auftreten der Oviparität parallel,
an Bedeutung und an scharfer Unterscheidbarkeit abgenommen
hat und von welchem wir vermuten dürfen, daß Reste auch
noch bei den niederen Vertebraten erhalten sind.

Es ist auf S. 26 die Vermutung ausgesprochen worden,
daß die ursprüngliche Bedeutung (ob beschützend, lokomo-
torisch oder anderswie) der ancestralen Larvenhülle vielleicht
allmählich umgeändert worden ist in eine verklebende und
ernährende. Dafür möchte ich in diesem Kapitel alle dazu
verfügbaren Beweisgründe zusammenbringen.

1. Didelphia non-placentalia.

Das Opossum stellt einen wichtigen Fall dar, wobei wir
in Selenkas Abbildung, die hier in Fig. 163 wiedergegeben
wurde, in einem ganz jungen Alter eine bedeutende Tropho-
blastwucherung beobachten. In dieser Wucherung treffen wir
Höhlungen oder Sinus, in welche die umgebenden nahrhaften
Flüssigkeiten, welche im Uteruslumen vorhanden sind und
welche das Ei sozusagen als eine Art Eiweißschicht umgeben,
durchdringen können. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß
diese Ernährungsmasse, wenn sie einmal von Trophoblastzellen

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umgeben ist (von welchen noch viele eine spezielle Wucherung
erleiden), rasch und intensiv zur Verdauung kommen kann und
daß sie dann dem wachsenden Embryo zugute kommt, wohl
dadurch, daß sie in irgend einer Form in die
Nabelblase hineintransportiert wird.

Wir brauchen nicht außerhalb der Grenzen
dieser selben Didelphia zu gehen, um zu finden,
daß diesen Trophoblastzellen auch anklebende
Eigenschaften zukommen. Für die Gattung
Perameles wurde es von J.P.Hill nachgewiesen
(\'97), daß die Keimblase anstatt aplazental zu
sein -— wie man sie bei allen Didelphia be-
trachtete — im Gegenteil eine wohl ent-
wickelte Verklebungsoberfläche besitzt, ver-
mittelst welcher sie mit der mütterlichen Uterus-
schleimhaut verklebt und gegen welche nach
einiger Zeit allantoide Blutgefäße sich aus-
breiten, die sodann eine vollwüchsige allan-
toide Plazentation darstellen.

An diesen Verklebungsstellen zwischen Keimblase und
mütterlichem Epithelium erleidet der Trophoblast eingehende
Veränderungen, wie solche aus den Fig. 26—31 und 39—43 er-
sichtlich sind. Über die Art der Verklebung zwischen mütter-
hchem Epithelium und Trophoblast werden wir weiter unten
noch zu sprechen kommen (p. 142) i); hier soll nur noch be-
merkt werden, daß die Veränderungen nur in denjenigen Tropho-
blastzellen auftreten, welche sich direkt an der Plazentation
beteiligen; nicht in denen, welche sich über die weitere
Oberfläche der Keimblase, welche nicht mit der mütterhchen
Schleimhaut in Berührung kommen, ausdehnen.

Ein zweiter äußerst lehrreicher Fall der Anheftung einer
didelphen Keimblase an das mütterhche Gewebe wurde uns

1) Ich will hier noch hinzufügen, daß ich von Hill abweiche in der Interpre-
tation der späteren Stadien der Äraw^\'/fj-Plazenta und daß ich geneigt bin, dem
Trophoblast dabei einen weit bedeutenderen Anteil zuzuschreiben, als er es tut.

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auch von Hill bekannt gemacht, als er die frühen Stadien
von
Dasyiirus beschrieb (\'00). Er findet den allantoiden Diplo-
trophoblast in vollem Rückzug und Rückbildung; die Allantois
selbst kaum gefäßhaltig und unbedingt im Schwunde. Der
Kontakt mit dem mütterlichen Ernährungsmaterial wird während
der achttägigen Schwangerschaft zu Stande gebracht ver-
mittelst einer ringförmigen Zone
(av, Fig. 164), wo die ompha-
loiden Gefäße einen Gefäßring bilden, der zweifellos die
Respiration des Embryos erleichtert; während unterhalb dieses

Ringes ein anderer Ring des
eigentümlich sich entwickeln-
den Trophoblastes noch wieder
eine andere Oberfläche darstellt,
auf welcher nutritorische Vor-
gänge zu Stande kommen (ö^r,
Fig. 164). Dieser tiefer gelegene
Ring ist ungefähr anderthalb mal
breiter als der gefäßführende
omphaloide Ring, und ist auch
von letzterem unterscheidbar
durch die viel bedeutendere Ak-
tivität der Trophoblastzellen,
welche die innere Schicht des
omphaloiden Diplotrophoblastes bilden. Hill beschreibt im
Detail, wie die Trophoblastzellen einen Teil des mütter-
lichen Epitheliums umgeben und vernichten; wie sie sodann
die mütterliche subepitheliale Capiflaria erreichen; wie sie
sich um diese herumlagern und sich allmähhch zu einem Syn-
cytium mit für den Embryo unbedingt ernährender Be-
deutung entwickeln. Es ist bemerkenswert, daß bei der Ge-
burt die embryonalen Wucherungen nicht abgeworfen werden
(ebensowenig irgendwelche mütterliche Elemente); daß sie
aber in situ resorbiert werden, wie ich das auch für den
Maulwurf beschrieben habe (kontradeciduater Plazentadons-
typus, S. 189).

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\'2. Monodelphia.

Wenden wir uns jetzt zu den monodelphen Säugetieren,
so finden wir eine endlose Variation in der Anpassung des
Trophoblastes an frühen Erscheinungen adhäsiver, nutrito-
rischer und phagozytischer Art. Letztere führen zu einer
tatsächlichen Einbettung der Keimblase in das mütterhehe Ge-
webe hinüber, womit eine noch weit umfangreichere Möghchkeit
gegenseitigen osmotischen Auswechsels zwischen mütterlichen
und embryonalen Gefäßsystemen dargestellt wird.

Zwischen den extremen Fällen, wie wir sie finden einerseits
bei den Ungulaten, wo die junge Keimblase einer ganz gewal-
tigen Größenzunahme unterhegt (Fig. 184 u. 185), ehe die in
Kapitel III besprochenen Vorgänge einsetzen, und andererseits
bei den Primaten, Insektivoren und gewissen Nagern, wo die
Keimblase noch außergewöhnhch klein bleibt zur Zeit, wo diese
Vorgänge auftreten, wurde schon jeder denkbare Übergang in
verschiedenen Ordnungen von Monodelphia konstatiert. Es darf
im allgemeinen gesagt werden, daß im ersterwähnten Fah, wo
zu Anfang eine besonders große Oberflächenzunahme stattfindet,
die Veränderungen, welche der Trophoblast erleidet und die
Wucherungen, welchen gewisse Trophoblastzellen ausgesetzt
sind, viel weniger bedeutend sind; während im zweiten Fall
diese Veränderungen und Wucherungen eine soviel größere
Intensität zur Schau trafen.

CT

Ich glaube behaupten zu dürfen, daß die neuen Funktio-
nen, an welche der Trophoblast sich hat adaptieren müssen
(während der Zeit, daß die amphibischen Protetrapodenvor-
fahren sich allmähhch zu monodelphen Säugetieren entwickel-
ten), jede in ihrer eigenen Art von recht hoher Bedeutung hat
sein müssen, gerade für die besondere Richtung, in welche
eben ihre Entwicklung eingeleitet worden war. Die höchste Ent-
wicklungsstufe wurde von solchen Nachkommen erreicht,
deren
Trophoblast eine maximale Aktivität besaß, und bei welchen
zu gleicher Zeit ein Maximum nützlicher Anpassungen der
Keimblase vorhanden war, vermittelst welcher letztere eben

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den vollsten Nutzen ziehen konnte aus den Vortehen, welche
ihr von dem wuchernden Trophoblast geboten wurden. Nicht
immer hnden wh eine solche Kombination. So z. B. zeigen
uns unter primitiven Monodelphia die Gattungen
Erinaceus und
Gymnura eine sehr intensive Wucherung des Trophoblastes
(Fig. 138—142); aber sie sind zurückgebheben in Bezug auf das
Maß, in welchem die Keimblase auf die ihr gebotenen Vorteile
reagiert und sie benutzt. Hingegen sehen die trophoblastischen
Vorbereitungen beim Menschen und bei den anthropomorphen
Affen (Fig. 29,30) denjenigen vom Igel (Fig. 27] sehr ähnhch, aber
bei ersteren hat die Entwicklung der Keimblase selbst eine ganz
andere Richtung befolgt und hat einen Grad von früher Vervoll-
kommnung und feiner Differenzierung erlangt (Fig. 29 30, 165
bis 167), welche dem Embryo während der Schwangerschaft eine
Kombination der allergünstigsten NahrungsVerhältnisse sichert.
Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß dies ahes die Veranlassung
geworden ist, wodurch das Zentralnervensystem das höhere
Entwicklungsstadium und die bedeutendere Komplikation hat
erreichen können, durch welche das menschhche Gehirn von
dem der anderen Säugetiere getrennt ist.\')

Öfters erinnert uns die Säugetierkeimblase, wenn sie die
mütterlichen Gewebe aktiv angreift, an einen zeitweiligen
internen Parasiten. Es ist deuthch, daß um so vollständiger
die Einrichtungen sind, wodurch der zeitweilige Parasit seine
Nahrung der Mutter entzieht, auch seine Ernährung und sein
Wachstum um so intensiver sein können während des intra-
uterinen Lebens.

a) Igel {Erinaceus). Wir werden jetzt einige Beispiele
auswählen aus zahlreichen Fällen, die wh in den verschiedenen
Säugetierordnungen antreffen.

1) Es soll hier noch an die eigentümliche Tatsache erinnert werden, daß bei
anderen Säugetieren, welche diese günstigen Anpassungen mit dem Menschen teilen
{Tarsms ist darunter wohl der bestbekannte), eine sehr unerwartete Volumvermehrung
des Zentralnervensystems und zwar in dessen frühesten Stadien beobachtet wurde.
Diese Vermehrung wurde anderswo ausführlicher von mir beschrieben und abgebildet
(\'07, p. 50, Fig. i—jj).

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Wir fangen an mit dem, was wir zu gleicher Zeit als einen
primitiven und als einen sehr lehrreichen Fall betrachten dürfen,
nämhch mit dem Igel, bei welchem wir die obengenannte
Vergleichbarkeit mit den höheren Primaten antreffen, wie dies
von früheren Beobachtern junger menschlicher Keimblasen wie
Siegenbeek van Heukelom (\'98) und Peters (\'99) zu-
gestanden wird. Zur Zeit, wo das Entoderm noch nicht deut-
lich vom Embr3^onalknoten getrennt ist ,(s. S. 12) und wo die
Höhlung innerhalb des Trophoblastes auch noch nicht sehr
umfangreich ist, treffen wir die Keimblase im Uteruslumen
auf dem Boden einer verhältnismäßig tiefen Grube, die zu
Anfang der Schwangerschaft inmitten einer Wucherunp- des
mütterlichen Gewebes ihren Ursprung nimmt. Anderswo (\'89,
p. 312) habe ich, wie auch später Resink (\'02), dies ausführ-
hcher beschrieben. Wir finden den Trophoblast des sehr jungen
Embryos recht nahe angepreßt an das mütterhche Epithelium
der Grube. Kurz nachher hegt er gegen die entblößte sub-
epitheliale Mucosa infolge Erosion des mütterhchen Epitheliums
gerade an der Stelle, wo der Trophoblast mit ihm in Kontakt
gekommen ist. Schließlich treffen wir die Keimblase auf
dem Wege, sich in diese Schleimhaut einzubetten, wobei die
Grube in dem mütterlichen Gewebe zur selben Zeit nach dem
Lumen hin geschlossen wird durch extravasierendes Blut und
durch Zellwucherung. Es kann keinem Zweifel unterhegen, daß
in diesen drei frühen Stadien die Wirkung des Trophoblastes
sowohl mit Bezug auf die epithehalen wie auf die subepi-
thehalen mütterlichen Gewebe eine stark korrosive ist, sei es
durch chemische oder durch phagozytische Wirkungen (siehe
\'89, Taf XXII a, XXIII, Fig. 39 a, 41), noch auch, daß in den
jetzt folgenden Stadien (während welcher der Trophoblast
sehr ausgedehnte Wucherungserscheinungen über seine ganze
Oberfläche zeigt) die Keimblase sich noch weiter einfrißt in
die Gewebe der mütterhchen Trophospongia.^) Dabei Mdrd

Der Name Trophospongia, welchen ich vor 19 Jahren vorgeschlagen habe,
wird hier in dem Sinne aufgefaßt, in dem ich ihn seit 1899 gebraucht habe (\'99,

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an diesen Stellen das Endothelium feiner Kapillaren vernichtet,
aus welchen sodann in ihr enthaltenes Blut ausfließt in lacu-
näre Räume dieser trophoblastischen Wucherung. Diese lacu-
nären Räume verhalten sich nicht wie unregelmäßige schwamm-
artige Höhlungen. Wenn man sie auf Querschnitten betrachtet
(Fig. 26, 28), sind sie rund um die innere Höhle der Keimblase
angeordnet und zwar wie napfförmige Arkaden, die mit mütter-
lichem Blut gefüllt sind. Sobald das Entoderm die innere
Fläche des Trophoblastes zu bekleiden angefangen hat, wird
diese innere Höhle zur Nabelblase. In diese Höhle kann
jetzt das mütterliche Blut, welches in den trophoblastischen
Lakunen zirkuliert, mit großer Leichtigkeit diejenigen Stoife
abgeben, welche durch die Trophoblastzellen, die Trennungs-
wände zwischen dem mütterhchen Blut und der Höhlung
der \'Nabelblase bilden, ausgewählt werden. Zwischen dem
Inhalt dieser Höhlung und den Trophoblastzellen finden
wir nur eine ganz dünne Schicht von Entodermzellen. Das
extraembryonale Gefäßnetz (Area vasculosa) der Nabelblase
wird nachher auf dieser nämhchen Stelle zur Entwicklung
kommen. Somit werden Umstände eintreten, die sogar noch
günstiger sind für einen Auswechsel zwischen dem mütter-
lichen Blut (das langsam in den trophoblastischen Lakunen
zirkuliert) und den embryonalen Blutkörperchen, die ihren
Weg an den Maschen dieser Igel-Area-vasculosa entlang suchen
(Fig. 28). Und später wird noch wieder an einer anderen
Stelle dieses massiven trophoblastischen Schwammgewebes
(das mit zirkulierendem Mutterblute getränkt ist), die Allantois
Gelegenheit zur Anheftung finden, wobei sodann die allantoide

p. 350), und in dem mein Schüler Resinls; {\'02) ihn bei dem Igel verwendet hat.
Er bezieht sich auf mütterliche Zellwucherung, die besonders für das Festhalten der
Keimblase bestimmt ist und in verschiedenen Gattungen eine verschiedene histologische
Differenzierung zeigt
{Sorex, Lepus, Tupaja, Tarsius usw.). Beim Igel hab\'L ich
diese Wucherung früher „deziduale Anschwellungen" genannt (\'89, p. 311). Bei
diesem Tier ist die Ausdehnung des fötalen Trophoblastes somit noch weit bedeuten-
der als ich ursprünglich zu vermuten wagte, solange ich einen Teil des embryonalen
Trophoblastes noch als mütterliche Trophospongia betrachtete.

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Plazentation eingeleitet wird, und infolgedessen die frühere,
vorläufige omphaloide Plazentation — wie die eben genannte
Region osmotischen Auswechsels gelegentlich genannt wird
— aufgehoben und von ersterer zum Teil verdrängt wird.
Wir werden im Kapitel V hierüber noch weiter zu sprechen
kommen.

Während der sehr starken Wucherung des Igeltropho-
blastesi), auf welche ich mich hier beziehe, tritt sehr bald
eine weitere Spezialisation auf Die äußere Schicht schreitet
zum Ausbilden sehr großer Zellen mit umfangreichem Kern,
welche ich in einer früheren Veröff-enthchung (\'89, p. 325)
Deziduofrakten nannte, und welche noch eine weitere phago-
zytische Wirkung auf die umgebenden mütterlichen Gewebe
auszuüben scheinen. Bis zu diesem Punkte hat der Igeltropho-
blast den Charakter einer massiven, sphärischen, äußeren Ge-
webslage der Keimblase behalten und wird sie rund herum an
allen Seiten durch mütterliches Gewebe (Decidua capsularis)
umschlossen, auch infolge der Schließung der Öff-nung der
tiefen Grube, in welche die Keimblase in den früheren Stadien
sich einsenkte (S. 143). Indem die Entwicklung weiter schreitet,
verdünnt sich die Decidua capsularis bedeutend an der
Seite, welche dem Uteruslumen am nächsten hegt. Diese
Verdünnung geht parallel mit und wird sogar größtenteils
verursacht durch die Vergrößerung der wachsenden Keim-
blase. Eine natürhche Folge ist, daß auch die
trophoblastische
Keimblasenwand zu gleicher Zeit sehr abgeflacht wird, da wo

) Ich mochte hier betonen, daß der Trophoblast, den ich in seinem frühesten
emschichtigen Stadium als eine von wirbellosen Vorfahren ererbte Larvenhülle be-
trachte, dennoch sich selbst morphologisch ganz gleich bleibt in späteren Stadien
wie stark auch die Wucherung (und damit die Zunahme an Dicke und eventueller
Spezialisierung) sein mag, welche er an einer oder an mehreren Stellen aufweisen
mag. Ja, sogar wenn diese Wucherung (wie beim Menschen und beim I^el) all-
seitig über die ganze Oberfläche auftritt. Dies sollte uns davon zurückhält den
Namen Trophoderm für diese wuchernden Partien zu reservieren, wie es uns von Sed-
gwick Minot (-03) vorgesehlagen wird. Der Name läßt an einen morphologischen
Unterschied denken, der nicht existiert. Für den von Minot angestrebten Zweck
scheint der ältere Duval\'sche Name „Fetoplacental\' ganz zutreffend (siehe p. 23).

Hubreoht, Embryologie. j^q

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sie von der Decidua capsularis überdeckt wird. Diese mütter-
liche Umhüllung behäh
ihre Dicke nur da bei, wo sie — am
weitesten vom Uteruslumen entfernt — in Schüsselform fortbe-
steht. In diesem Abschnitt der Trophoblastwucherung kommt
die ahantoide Plazentation zu Stande und erreicht sie ihre maxi-
male Entwicklung: das Endresuhat,
welches ich früher (\'89)
ausführhch besprochen habe, ist eine
Scheiben- oder kissen-
förmige Plazenta.

b) Primaten. Die Untersuchungen von Kollmann (\'92),
Peters (\'99), Selenka (\'00), Siegenbeek van Heukelom

(\'98), V. Spee (\'96), Strahl ("02, \'04) und — ganz kürzlich ~
Bryce und Teacher (\'08) haben uns gezeigt, daß der frühe
Trophoblast beim Menschen und bei den anthropoiden Affen
in seiner allgemeinen Entwicklungsrichtung demjenigen vom Igel
sehr ähnhch sieht (Fig. 27, 29, 30, 165—167). Die sehr frühen

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Stadien sowie die genaue Art und Weise, wie die menschliche
Keimblase sich in die mütterhche Schleimhaut einbettet, sind
jedoch noch ungenügend bekannt. Außerdem sind, wie wir
in Kapitel V sehen werden, die Plazentalacunen geräumiger
und die Zotten zum Teil frei und flottierend suspendiert in
dem mütterhchen Blute, welches in
diesen Trophoblastlacunen zirkuliert
(Fig. 166 167).

Bei den katarrhinen Affen, die
von den anthropomorphen und vom
Menschen unterschieden sind durch
das Fehlen einer Decidua reflexa
(capsularis), ist die trophoblastische
Wucherung nicht länger gleichförmig
über die ganze Oberfläche verbreitet,
sondern beschränkt sich auf zwei Zo-
nen, welche einander gegenüber liegen
und welche übereinstimmen mit dem,
was nachher die dorsale und ventrale
Plazenta werden wird (Fig. 153, 167).
Es gibt somit eine ringförmige Zone,
welcher entlang kaum die aller-
geringste Trophoblastwucherung ge-
funden wird. Diese Einrichtung betrachte ich als sekundär ab-
geleitet von der vollständigen Einhüllung, wie sie bei Menschen
und Anthropoiden vorhanden ist. Bei
Tarsius, welchen ich auf
Grund der in den vorigen Kapiteln besprochenen und sehr ein-
schneidendenKennzeichen ebenfalls zu den Primaten bringe (\'96),
findet die Wucherung auf einem noch viel beschränkteren Teile
der sphärischen Trophoblastblase statt, wie ich das anderswo
beschrieben habe (\'94 b, \'96, \'99). Mittels dieses beschränkten
Tedes verklebt die Tarsrns-Keimblase zunächst mit dem mütter-
lichen Uterusepithel. Und hier treten die Trophoblastwuche-
rungen auf, welche mit Wucherungen der mütterlichen Tropho-
spongia verschmelzen, in einer ähnhchen Weise, wie wir das

10*

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beim Igel bereits beobachtet haben. Es wird in dieser Weise ein
schwammiges Gewebe geschaffen, womit die sich entwickelnde
Plazenta sich vereinigt. In meiner früheren Arbeit (\'99) habe

167 tr e

Fig. 167. Halbschcmatisclier Durciischnitt durcli ICeimblasc und frühe Plazentar-
anheftung eines l^atarrhinen Affen (nach Selenka \'oo A).
UE Uterusepithelium; ße
Gefäße in der mütterlichen Trophospongia; /Ä Lacunen im Trophoblastgewebe, welche
mit mütterlichem Blute gefüllt sind;
tr Troplroblast an der Stelle der späteren ven-
tralen Plazenta; c Embryo.

169

16S

Fig. 168. Der keine Gefäiäe
führende Diplotrophoblast von
Tarsius geöffnet, nach Ent-
fernüng der linken Wand und
des Fötus. Unten die dis-
koide Plazenta mit dem di-
stalen Ende des Haftstiels (nach
Hubrechtund Keibel ^07).

Fig. 169. Seitenansicht einer Rekonstruktion eines
Tarsius-YAa\\,xyo% mit Plazenta P/. Embryo mit

Amnion; «Haftstiel; zf» Nabelblase mit darin münden-
den Allantoisrohr (nach Hub recht \'96).

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ich die Einzelheiten der Tccrsräs-Plazentation beschrieben: hier
wird es genügen zu sagen, daß ich — neben der Entwicklung
von Lacunen und großen Riesenzellen mit ganz eigentümlichen
Kernen — auch noch eine interessante Erscheinung in diesen
Trophoblastzellen sowie in jenen der mütterlichen Tropho-
spongia beobachtet habe.

Diese Erscheinung, welche auch noch bei anderen Säuge-
tieren einer näheren Prüfung bedarf, besteht in der Bil-
dung roter Blutkörperchen durch diese Zellen, oder vielmehr
aus deren Kernmaterial, welches eine Reihe von ganz merk-
würdigen Veränderungen und Umformungen erleidet. Diese
roten kernlosen Blutkörperchen würden somit sich ableiten
lassen vom Kernmaterial gewisser Trophoblastzehen. Dies er-
regt gewiß weniger Aufsehen, seit ich in einer früheren Arbeit
(\'99) den Beweis zu liefern gesucht habe, daß die defini-
tiven Blutkörperchen des Embryos ebenfalls aus Kerntrans-
formationen der kernhaltigen Blutmutterzehen ihren Ursprung
nehmen.

Die Bildung von Blutkörperchen aus Zellen einer Larven-
hülle ist gewiß eine unerwartete histologische Erscheinung.
Dennoch sind die Einzeihehen einer differentialen Herausbildung
während der aufeinanderfolgenden Phasen des embryonalen
Zellenstammbaums (Cell-lineage der Amerikaner) noch nicht
genügend bekannt, um eine apodiktische Verneinung zu recht-
fertigen. Die Möghchkeit ist nicht ausgeschlossen, daß bei
der ersten Furchung der Eizehe (gesetzt, daß diese den Tro-
phoblast von dem Embryonalknoten trennt) vielleicht gewisse
Potentialitäten der Hämatogenese dieser Trophoblastmutter-
zelle mitgegeben werden.

An die eben erwähnten Fälle trophoblastischer, der Pla-
zentation vorausschreitenden Wucherung schheßen sich ähn-
liche Erscheinungen in zahlreichen modifizierten Formen so-
wohl bei Insektivoren, Rodentia, Carnivora und anderen, und
es würde uns zu weit führen, hier eine Aufzählung zu geben
von allen bis jetzt bekannten Modifikationen, Wir können

w

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schon aus einer Vergleichung der Verhältnisse beim Igel
und bei gewissen Primaten ableiten, daß die spezifischen Ab-
änderungen des Trophoblastes um so bedeutender sind, je
größer die Oberfläche ist, über welche die Keimblase mit
dem mütterlichen Gewebe in Berührung tritt und sich ihm an-
heftet.
Tarsius, wo wir eine relativ beschränkte Anheftungs-
oberfläche antreffen, behält einen unveränderten Trophoblast
über einem sehr bedeutenden Teil der wachsenden Keimblasen-
oberfläche (Fig. 168, 169).

c) Rodentia und Carnivora. Auch unter den Nagern
kennen wir FäUe, wo die rasch sich vergrößernde Keimblase
nur für einen geringen Teil mit der Schleimhaut sich ver-
bindet, wie z. B. beim Kaninchen, wo ein hufeisenförmiger
Abschnitt in der Nähe des Embryonalschildes die Anheftung
bewirkt; wieder andere, in welchen die gewöhnlich relativ be-
deutend kleinere Keimblase zum Teil oder auch ganz in das
mütterliche Gewebe verschwindet und infolgedessen in eine
Decidua capsularis eingeschlossen wird. Es gibt schwer-
wiegende Gründe, um letztere Einrichtung als die primitivere
zu betrachten. Jfws,
Arvicola und Cavia sind hiervon Bei-
spiele. Selenka (\'83, \'84), Duval (\'87), Jenkinson (\'02),
Disse (\'06) u. a. haben ausführliche Beschreibungen der
sehr bedeutenden Modifikationen gegeben, welche die Tro-
phoblastzellen erleiden, nachdem die Keimblase sich definitiv
in das mütterliche subepitheliale Gewebe eingenistet hat. Sie
nehmen bedeutend an Größe zu; verschmelzen zur Bildung
eines Syncytiums; wirken mit zur Bildung geräumiger La-
cunen, welche mütterliches Blut in die unmittelbare Nähe
der sich entwickelnden Keimblase hinführen; kurz, sie sind
von hervorragender Bedeutung für das Wohlbefinden des
jungen Embryos. Bei vielen Nagern besitzt die Trophoblast-
wucherung einen verschiedenen Charakter, je nachdem wir
verschiedene Teile der Kleimblasenoberfläche betrachten (F.
Muller \'07), und bei denjenigen, wo der Embryo ganz vom
mütterlichen Gewebe umschlossen wird, verhält sich der Tro-

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phoblast nicht notwendig wie beim Igel, wo die Stärke
der Wucherung über der ganzen Oberfläche anfänglich eine
gleiche ist. Im Gegenteil gibt es bei
Mus, Armcola und Cavia
sowie bei anderen ein sich sehr scharf hervorhebçndes W^uche-
rungszentrum, das nachher zur Plazentaranheftung wird und
welches schon in den früheren Stadien aus einer Anhäufung
von Trophoblastzellen besteht, die Selenka mit dem Namen
Träger belegt (Fig. 39—43).

Die Erscheinungen, welche wir in diesem Kapitel be-
schrieben haben, werden nicht von allen Forschern im näm-
lichen Lichte betrachtet. Ganz besonders besteht ein be-
deutender Unterschied zwischen den Auffassungen, welche
Strahl in seinen ausgedehnten Untersuchungen (\'89—\'92)
sowie in dem Kapitel über Säugetierplazentation in Hert-
wigs Handbuch vertritt, und den meinigen. Er ist geneigt, dem
Anteil, welches mütteriiches Gewebe beim Aufbau der reifen
Plazenta spielt, eine viel höhere Bedeutung beizulegen. Viele
der trophoblastischen Wucherungen, die ich in diesem Kapitel
beschrieben habe, werden von ihm als mütterlichen Ursprungs
aufgefaßt. Es hat jedoch der letzte Forscher, der dieses
Thema gründhch durchforscht und eine sehr klare Ausein-
andersetzung seiner Resultate publiziert hat, nämlich Schoen-
feld (\'03), sich meinen Ansichten angeschlossen (1. c. p. 814)
und sich mit denjenigen Strahls und Bonnets (\'97, \'Ol) nicht
einverstanden erklärt. Letzterer, obgleich auch er den Hund
studiert hat, wie es ebenfalls Schoenfeld tat, hat wahrschein-
hch die Möghchkeit ausschheßen wollen („le fait pouvant
paraître bizarre" wie Schoenfeld sagt), daß es ein gemischtes
Plasmodium geben könne, worin sowohl fötale als mütter-
liche Elemente gemischt vertreten sind. Ein solches Plas-
modium wurde von mir bei
Tarsius (\'99, Fig. 86 — 88) und
Tupaja (\'99, Fig. 48—50,74) beschrieben; von Schoenfeld beim
Hund vorgefunden (1. c., Taf 24, Fig. 6) und setzte letzteren
Forscher in den Stand, die wahre Natur der Raubtierplazenta
ans Licht zu bringen, für deren Erklärung Duval (\'94, \'95)

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und Strahl (\'90 a, \'94) entgegengesetzte Ansichten ver-
traten.

Ich darf noch hinzufügen, daß Schoenfelds Resultate,
welche mit den meinigen bei Insektivoren und Primaten über-
einstimmen (sowie auch jene für das ebenfahs von Schoen-
feld untersuchte Kaninchen), den Weg anzubahnen scheinen
für eine Untersuchungsrichtung, welche uns zu einem besseren
Verständnis der Plazentation jener Ungulaten und Lemuren
führen wird, bei w^elchen wir, wie oben erwähnt wmrde, ge-
neigt sein möchten, die Anwesenheit irgend einer Plazenta zu
leugnen, und welche ich dennoch aus verschiedenen Gründen
nicht als primitiv in Bezug auf ihre Plazentation betrachten
möchte. Die sogenannte diffuse Plazenta wmrde von Strahl
und von den älteren Autoren als der unumgängliche und
natürliche Ausgangspunkt betrachtet, von welchem die kom-
plizierteren und spezialisierten Plazentarsysteme hergeleitet
werden sollten. Hierin irrten sie. Die Anwesenheit dieser
diffusen Plazentation in solchen Ordnungen wie Lemuren, Ceta-
ceen, Edentaten und Ungulaten, welche anatomisch so weit aus-
einander gehen, sowie auch ihre Abwesenheit bei den plazenta-
besitzenden Didelphia, sind Tatsachen, die uns davon zurück-
halten sollten, die diffuse Plazenta als archaisch zu be-
trachten, und welche uns ermutigen sollten, uns die Frage
vorzulegen, ob wir hier nicht mit degenerativen oder sekundär
vereinfachten Erscheinungen zu tun hätten, ebenso wie die om-
phaloide Plazentation des
Dasyurus wohl eine sekundäre Ver-
einfachung von Einrichtungen, wie wir sie bei
Perameles finden,
sein mag.

Um dies noch näher auseinanderzusetzen, möchte ich
zurückgehen auf Schoenfelds letzten Beitrag zu dieser
Frage. In seiner vergleichenden Zusammenfassung der Tat-
sachen, wie er sie für Kaninchen und Hund^) wahrgenommen
hat, schreibt er (\'03, p. 813):

Dasselbe kommt nach meinen eigenen Erfahrungen vor bei Erinaceus, Tarsius,
Tupaja, Sciurtis, Sorex
(nach einer zeitweiligen Wucherung des mütterlichen Epitheliums,

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„Wenn man die Resultate, zu welchen man bei diesen
beiden Säugetieren gekommen ist, vergleicht, so fallen
zahlreiche Ähnhchkeiten in der Entwicklung ihrer Pla-
zenta auf.

Zunächst hebe ich die ganz passive Rolle hervor, welche
das Epithehum des Uterus sowohl als die Uterindrüsen
spielen. Diese Elemente gehen bei Kaninchen und Hunden
zu Grunde; sie zerfallen in Zellreste, welche beim Kaninchen
durch das Plasmodium resorbiert werden; aber in noch
höherem Maße durch die mütterlichen Leukozyten und durch
Dezidualelemente (Glykogenzellen), welche ihrerseits auch
wieder degenerieren und vom fötalen Plasmodium resorbiert
werden. Beim Hund werden die Reste der Drüsenzellen
entweder durch das fötale Plasmodium oder durch die Ekto-
blastzellen der „Plaques terminales" resorbiert.

Ein zweiter gemeinschaftlicher Punkt betrifft die wichtige
Rolle, welche vom fötalen Plasmodium in den beiden Fällen
gespielt wird. Durch seine Anwesenheit ruft es die Vernichtuno-
des Epitheliums und der Drüsen hervor; sowohl beim Hund
wie beim Kaninchen dringt es in das deziduale gefäßhaltige
Bindegewebe hinein und erreicht die mütterhchen Gefäße,
welche es von ihren (dezidualen) Adventivzellen abtrennt.

Wenn aber schon bei diesen beiden Tieren die Anwesen-
heit des Eies in der Uterushöhle in gewissem Sinne eine Re-
aktion des dezidual gewordenen Bindegewebes hervorruft,
welches sich durch eine aktive Wucherung ihrer Elemente
äußert, so ist ein hochwichtiger Unterschied zu konstatieren
in der Entwicklung der Dezidualzellen bei den beiden Arten.
Beim Kaninchen gehen letztere überall, wo sie mit dem fötalen
Gewebe, speziell mit dem Plasmodium, in Berührung treten,
zu Grunde; beim Hunde hingegen werden die Bindegewebs-
zellen nicht vernichtet, sie treten in das Plasmodium hinein;

welches somit den phagozytischen Trophoblastzellen eine umfangreichere Nahrung
bietet; s. Hubrecht \'94,
p. 494, Fig. 74), Talpa, Galcopithecus, Vespertilio, Affen
und Mensch.

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verschmelzen mit ihm, um ein gemischtes Plasmodium hervor-
zurufen. Die Bindegewebszellen der Kaninchen unterliegen
in dem Kampf mit den sich aufdringenden fötalen Elementen:
bei der Hündin hingegen leisten sie mehr Widerstand und ver-
schmelzen mit denselben. Dasselbe gilt für das Endothelium
der Blutgefäße; beim Kaninchen verschwindet es, bei der
Hündin bleibt es fortbestehen. . . .

Das plazentare Ektoblast (Hubrechts Trophoblast) diffe-
renziert sich in einen Cytotrophoblast und in einen Plasmodi-
trophoblast; der Plasmoditrophoblast verklebt zunächst mit
dem uterinen Epithelialsyncytium und bewirkt das Verschwin-
den, das Vernichten des letzteren. Sodann dringt der Plas-
moditrophoblast in das modifizierte deziduale Uterusbinde-
gewebe, welches in der Hubrecht\'schen Terminologie als
Trophospongia bezeichnet wird.

Während der Plasmoditrophoblast sich in die Tropho-
spongia einfrißt, geht dies beim Kaninchen unter Vernichtung
des letzteren, bei der Hündin unter Bildung einer Genossen-
schaft, eines gemischten Plasmodiums (Plasmode mixte),, vor
sich."

Ich habe diesem langen Zitat hier einen Platz gegeben,
weil es eine so klare Zusammenfassung darstellt, wie die Tat-
sachen denjenigen vorkommen, die sich ungerne Strahls
Ansichten anschließen möchten. Auch erlaubt es uns, die
anderen Insektivoren und Nagetiere mit dem Kaninchen zu-
sammenzustellen; während die Carnivora, welche außer dem
Hunde bis jetzt sorgfältig untersucht worden sind (Katze,
Frettchen, Fuchs), sowie wahrscheinlich auch die Fledermäuse
(Fig. 182) alle zur zweiten Kategorie gehören. Wenn wir uns
nun erinnern, mit wieviel zahlreichen Vergleichungspunkten die
Paläontologen uns bekannt gemacht haben zwischen frühen
Raubtieren (wie es die Creodonta waren) und frühen Ungu-
laten (wie die Condylarthra), dann werden wir veranlaßt, uns
die Frage vorzulegen, ob auch in Bezug auf die Einrichtungen
ihrer Plazentation die Merkmale, welche die noch lebenden

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Vertreter dieser Ordnungen kennzeichnen, eine Neigung zeigen,
zu einander hinüberzuführen, i)

Einen schwer wiegenden Grund, welcher diese Ansicht
unterstützt, finden wir in Asshetons Untersuchungen über die
Plazentation des
Hijrax (Fig. 170). Wir haben hier ein Säuge-
tier, welches in vielen Hinsichten archaische Charaktere auf-
weist und welches von verschiedenen Untersuchern nicht weit
von den Nagetieren
(Procaviidae), von den
Elefanten und von
den Ungulaten ge-
stellt worden ist.
Nebenbei steht es,
was seine frühesten
plazentalen Einrich-
tungen betrifft, nicht
weit vom Menschen,
denanthropomorphen
Affen und dem Igel;
Säugetiertypen, wel-
che wir geneigt sind,
als primitiv zu be-
trachten. Die Tat-
sache, daß die mo-
derne Paläontologie
(s. Weber \'04,
p. 715) Verwandtschaft anzuerkennen vermag
zwischen
Hyrax und den fossilen Condylarthra (Menicotheridae)

Cretaceische trituberkuläre Creodonten werden als die Stammformen betrachtet
(siehe Weber \'04, p. 586) sowohl von Condylarthra wie von anderen Ungnlaten-
familien, und ich vermute, daß während dieser Evolution die frühe Plazentareinrichtung
eine Vereinfachung erlitten hat, welche so graduell und natürlich von den Einrichtungen,!
wie wir sie bei lebenden Raubtieren kennen, zu den sogenannten diffus-plazentakn,\'
aber in der Tat aplazentalen hinüberleiten, wie wir sie bei den Ungulaten im allge-
meinen antreffen.

Parallele Erscheinungen einer plazentaren Vereinfachung traten auch noch in
zwei anderen großen Zweigen monodelpher Säugetiere auf; wahrscheinlich jedoch in
einer viel früheren Periode. Sie führen einerseits zu der sogenannten diffusen Plazen-

Fig. 170. Querschnitt durch Uterus und Fötus des
Hyrax. m Muscularis; Uterindrüse; ma, mv mütter-
liche Uterusarterien und -venen;
tr Trophoblast mit
Blutlacunen um die Allantoiszotten herum;
ela ento-
dermale Bekleidung der Allantois;
E Embryo; am
Amnion; uv Nabelblase.

-ocr page 166-

und sogar („in einer entlegenen Wurzel-\') mit den südamerika-
nischen fosshen Toxodontia, bringt die Bedeutung der
Hyrax-
Plazentation noch mehr in den Vordergrund.

Zu gleicher Zeit soh darauf geachtet werden, daß die
lebenden Ungulaten bedeutend weiter entfernt stehen, soweit es
ihre Speziahsierung betrifft, von den Condylarthra, als es die
lebenden Carnivoren von den Creodonten tun. Dies liefert
uns selbstverständlich eine a priori Wahrscheinlichkeit, daß
die Carnivoren bis jetzt sich weniger weit von der ursprüng-
lichen Einrichtung entfernt haben, wie es die Ungulaten taten.

Und mit dieser a priori Schußfolgerung vor Augen werden
wir jetzt die Tatsachen genauer betrachten:

d) Andere Insektivoren, Ungulaten, Edentaten
und Lemuren. Bei allen Insektivoren, welche auch in einer
entfernten Verwandtschaft zu den Creodonten und Carnivoren
stehen, aber in vieler Hinsicht primitiver sind als die letzt-
genannten, hnden wir ein Sachverhältnis, wobei die zerstörenden
Eigenschaften des Trophoblastes noch weh mehr in Wirkung
treten als bei den Carnivoren, während bei den Primaten
(2\'arsms, Mensch, Affe) diese zerstörende Eigenschaft mh ganz
ungeschwächter Energie vorherrscht. Betrachten wir dasjenige,
was Schoenfeld oben so klar für den Hund schildert, als
einen abgeänderten, weniger heftig eingreifenden Vorgang (der
ursprünghch sich von ersterem ablehet, aber in welchem das
Endothehum der mütterlichen Kapiharen vom destruktiven
phagozytischen Trophoblast geschont wird, während gewisse
andere mütterhche Elemente des Syncytiums auch noch im

tation der Lemuriden, andererseits zu jener bei Manis (unter den Pholidota),
Ebenfalls scheinen Cetacea, Proboscidea, Sirenia Beispiele einer Plazentation zu liefern,
welche sich wie diejenige der Carnivora (resp. frühen Creodonta) auf dem Wege der
Vereinfachung befinden. Ich nehme an, daß es sehr wahrscheinlich ist, daß die Stamm-
formen aller dieser Ordnungen mit Bezug auf ihre Plazentation viel mehr Ähnlichkeit
besaßen mit den jetzigen Insektivoren und Primaten, daß aber ihre bedeutende Zu-
nahme an Größe günstige Umstände darbot für eine Vergrößerung ihrer plazentalen"
Oberfläche, welche mit Vereinfachung kombiniert war, wie dies bei Ungulaten und
Lemuren noch mehr ins Auge fällt.

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Stande sind, mit dem Trophoblast in Verbindung zu bleiben,
ohne zu Grunde zu gehen), so können wir uns diesen Prozeß
noch weiter beschränkt denken. Dann würden wir infolge
der Zerstörung des mütterlichen Epitheliums durch die Tropho-
blastwirkung uns z. B. eine lokale oder allgemeine Entblößung
der mütterlichen Schleimhaut denken können, aber es würden
die Reaktionen der Trophospongia in das subepitheliale mütter-
hche Gewebe auf ein Minimum zurückgegangen sein können,
z:. B. zu dem Hervorbringen gewisser, gut erkennbarer, dezi-
dualer Elemente, welche der entblößten Oberfläche zuwandern
möchten und eventuell mit den anklebenden Trophoblastzellen
verschmelzen oder durch sie hindurch wandern könnten.
Die mütterhchen Kapillaren würden dann auch nicht ange-
fressen worden sein und hätten ihr Endothelium behalten
können. Folghch wäre die Wechselwirkung zwischen mütter-
lichem und embryonalem Blut etwas weniger direkt, aber diese
weniger aktive Wechselwirkung wäre dadurch zum Ted ins
Gleichgewicht gebracht, daß sie über einer so bedeutend ver-
größerten Oberfläche stattfände, infolge des ebenso bedeuten-
den Wachstums der Keimblase. Wenn wir nun den vor kurzem
erschienenen Aufsatz von Giro Barbieri (\'06) über die
Plazentation von
Tragulus meminna nachschlagen, so finden wir
da Verhältnisse beschrieben, welche sich an die oben hervor-
gehobenen eng anschheßen, nämhch eine entblößte Mucosa;
einen aktiven Trophoblast, dessen gefäßhaltige Zotten von ent-
blößten Krypten umschlossen sind; mütterliche deziduale Ele-
mente, die von der Mucosa in den Trophoblast einwandern
und somit eine Verbindung mütterhcher und embryonaler Ele-
mente hervorbringen; ebenso wie es bei der Hündin der FaU
war, jedoch nicht lokalisiert, sondern vorübergehend.

Die Tatsache, daß die Oberfläche, über welche eine
Wechselwirkung zwischen der
Traguhis-Mniier und ihrem Fötus
stattfindet, eine viel ausgedehntere ist wie beim Hund und
noch viel umfangreicher, wie in irgend einem Insektivor, soll
auch nicht unbeachtet gelassen werden. Besonders wenn wir

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daran denken, daß andere Tragulus-Krt&n, welche von Selenka
(\'91) und Strahl (\'05) untersucht wurden, noch wieder eine
weitere Abschwächung der trophoblastischen Aktivität auf-
weisen, weil in diesen das mütterhche Epithel in den Krypten
nicht Verschwindet. Mütterliches und embryonales Blut ist
in diesen Fällen vollends durch zwei epithehale Schichten
getrennt, und ein Übergang von dezidualen Elementen durch
den Trophoblast wurde nicht beobachtet. Es besteht selbstver-
ständlich nicht die geringste Schwierigkeit, von letzteren Stadien

ganz allmählich
zu diesen überzu-
gehen, welche wir
bei den Wieder-
käuern sowie bei
solchen Ungulaten,
wie Schwein und
Pferd, finden. Und

gerade die letz-
teren sind immer
betrachtet worden
als die Prototypen
der diffusen Pla-
zenta.

Nehmen wir

einen Moment an, daß dies die wahre phylogenetische Ent-
wicklung der Einrichtung der sogenannten ,,Plazenta" der
Ungulata gewesen ist — welche somit in Wirklichkeit ein
sekundär vereinfachter Prozeß wäre, wobei die Tätigkeit des
Trophoblastes bedeutend herabgesetzt war —, so würde es
uns nicht schwer sein zu begreifen, daß ähnliche Verein-
fachung und Funktionswechsel bei anderen Säugetierordnungen
hätten eintreten können und dort zu parallelen Resultaten ge-
führt hätten. In diesem Lichte dürfen wir gewisse Edentaten
{Manis) sowie die Lemuriden betrachten, obschon unsere tatsäch-
liche Bekanntschaft mit ersterwähnten noch eine sehr dürftige ist.

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Wir wissen, daß bei Myrmecophaga und Dasypus eine
scheibenförmige milirallantoide Plazenta vorkommt; daß bei
Orycteropus capensis die Plazenta zonar ist (obschon nur noch
sehr ungenügend bekannt), daß sie bei den Faultieren einen
mehr cotyledonären Charakter hat, während Max Webers
mehr rezente Wahrnehmungen an
Manis (\'91) 172
eine Plazentation ans Licht brachte, welche
den vereinfachten Ungulaten sehr ähnlich sieht;
indem aber dazu sehr deutliche Überreste einer
trophoblastischenWucherung sich wahrnehmen
ließen (Fig. 172). Eine bedeutende Wucherung
der Uterusschleimhaut, wie sie auch von
Weber für
Manis abgebildet wird, weist auf
die Wahrscheinlichkeit einer Abstammung
(unter Vereinfachung) von Stammformen mit
komplizierteren Einrichtungen hin. Die heikle
Frage, ob letztere Wucherung in der Tat
mütterlicher oder — wie es für andere Ord-
nungen in ähnlichen F\'ällen bewiesen wurde
— trophoblastischer Natur sei, wäre dann zu-
erst zu lösen.

Jedenfahs sollten für die soge-
nannten Edentaten ausführlichere
Untersuchungen — und zwar alle le-
benden Gattungen betreffend — voran-
gehen, um uns zu zeigen, ob wir in einer
Vereinfachung in der Richtung der
sogenannten diffusen Plazentation die
wahre Lösung vieler uns hier be-
gegnender Fragen zu suchen haben.
Es soh daran gedacht werden, daß
irgend eine direkte Vergleichung von
Dasypus einerseits und Manis anderer-
seits vielleicht ebenso irreführend sein könnte als solche zwischen
Primaten und Lemuren; eben weil auch aus paläontologischen

Fig 172.
Der Trophoblast von
Manis mit lokalen
Wucherungen (nach
Weber \'91).

173

\\

Fig. 173. Der allantoide Diplo-
trophoblast von
Nycticebus, ge-
öffnet. Nach Entfernung der
linken Wand und des Fötus (nach
Hubrecht und Keibel \'07).

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Gründen die alte Ordnung der Edentaten im Begriff ist, in
zwei oder drei mehr unabhängige Ordnungen aufgelöst zu

werden, wovon die eine die Nomar-
thra enthält (durch Weber [\'04] wie-
der in die zwei Ordnungen der Pholi-
dota und Tubuhdentata unterverteilt),
die andere die Xenarthra.

Und jetzt in dritter Linie die
Lemuren. Ihre sogenannte diffuse
Plazenta, welche ich vor vierzehn
Jahren abbildete (\'94 b, Fig. 31, 39,
40), ist hier in Fig. 173 und 174 dar-
gestellt. Seitdem ist sie von Strahl
bearbeitet worden (\'99) und bietet
mehrere Punkte, wodurch sie von
jener der Ungulaten unterschieden
ist. So z. B. die Anwesenheit von
Kapselräumen (Fig. 174), welche von
Strahl in seinem Beitrag zu Hert-
wigs Handbuch besprochen worden
sind.
Chiromys (Fig. 175) hat dieselbe
Einrichtung. Gegenwärtig können
wir die Zwischenstadien noch nicht andeuten, durch welche die
Vereinfachung einer Plazenta des Insektivoren- oder Primaten-

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typus bis hinunter zu derjenigen des Lemurentypus hindurch-
gegangen sfein mögen, und wir können mit Bestimmtheit sagen,
daß dieses Geheimnis durch sehr alte ~ wahrscheinhch meso-
zoische - Säugetiere mit ins Grab genommen ist. Aber ich
hoffe, daß all die oben angeführten Betrachtungen dazu bei-
getragen haben mögen, ein- für allemal jeden Versuch, noch
weiter Lemuriden und Ungulaten in eine Linie zu bringen und
zwar diejenige der diffusen Plazentation scheitern zu lassen.
Wir sind auf keinen Fall berechtigt, die so unendhch viel
mehr verwickehen und vervohkommneten Plazentareinrich-
tungen der Primaten und Insektivoren aus ihr abzuleiten.

3. Didelphia placentalia.

Wh müssen uns jetzt einmal genauer überlegen, welche
Stelle den plazentalen Didelphiern in dieser Betrachtungs-
weise zukommt

Auch ohne alle Einzelheiten, welche die vergleichende Ana-
tomie uns bietet, hier noch einmal zu wiederholen, dürfen wir
behaupten, daß die Marsupialia, welche jetzt auf Austrahen und
Amerika beschränkt sind (jedoch in der Tertiärperiode auch in
Europa verbreitet waren), als ein früher Sehenzweig des Säuge-
tierstammes betrachtet werden sollen, welcher in seiner letzten
Heimat sehr zahlreiche Anpassungen an Nahrung und Umgebung
erhtten hat. Sie sind gekennzeichnet durch eigentümhche Merk-
male sowohl osteologischer als odontologischer Art; aber noch
mehr durch den sehr eigentümhchen physiologischen Vorgang
der so äußerst kurzen Schwangerschaft und der sehr frühen Ge-
burt. Ihr folgt eine verlängerte Periode passiver Anheftung an
der mütterlichen Zitze, und zwar gewöhnlich innerhalb eines
Brutbeutels.

Neben einigen wenigen Details, welche uns Owen u. a.
über ihre Entwicklung verschafften, ist unsere Kenntnis über
ihre Ontogenese neuerhch in erster Linie von Selenka ge-
fördert worden (\'87) sowie von Hill (\'97). Und die Unter-
suchungen des letzteren, auf welche wh uns oben bereits

Hubrecht , Embryologie. J^J^

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mehr als einmal bezogen, haben die alte Auffassung zer-
stört, daß es sich hier um eine spezialisierte Säugfetiergruppe
handelt, welche zwischen den Ornithodelphia und den Mono-
delphia ihren Platz findet. Sie haben hochwichtige Tatsachen
ans Licht gefördert, aus welchen wir ableiten müssen, daß
diese Tiere — bevor noch abweichende Modifikationen eintraten,
wie es geschah, wenn das Wachstum des Fötus z. T. vom Uterus
ins Marsupium versetzt wurde — in näherer Verwandtschaft zu
den Monodelphiern gestanden haben als jetzt. Die meisten haben
jetzt während der kurzen Schwangerschaftsperiode eine wohl-
entwickelte Area vasculosa auf der Nabelblase, welche — dank
einer ganz enormen Entwicklung des Proamnions (Fig. 164) —
sehr ausgiebig dazu beitragen-kann als ein Hilfsmittel osmo-
tischer Wechselwirkung zwischen fötalem und mütterlichem
Blute, soweit letzteres in hohen Falten der mütterlichen Schleim-
haut zirkuliert, zu dienen. Daneben besitzen die meisten eine
Allantois, welche in einer Einstülpung der Nabelblase ver-
borgen liegt und in keiner Weise zur Oberfläche aufsteigt,,
um sich an nutritorischen Vorgängen zu beteiligen.

Die Untersuchungen von Hill an Perameles und Dasijurus
(\'97, \'00) sowie dasjenige, was Caldwell (\'87) vor vielen
Jahren bei
Phascolarctos wahrgenommen hat, zeigen uns, daß
diese Passivität der Allantois, sowie ihre unwirksame und ver-
borgene Lagerung nicht die allgemeine Regel bilden.

Bei der Gattung Perameles beteiligt sich die Allantois an
einer sehr intensiven Plazentation, welche histologisch dem,
was wir bei den Monodelphiern beobachten entspricht. Bei
Phascolarctos konstatieren wir einen ersten Schritt in degene-
rativer Richtung, indem die AUantois noch an einer kreisför-
migen Stelle die Außenwand der Keimblase berührt, ohne in
irgend eine Gefäßverbindung mit der Mutter zu treten.

Wir müssen jetzt die allerfrühesten Erscheinungen, welche
Hill für seinePeraw^e^es-Keimblase beschreibt, etwas näher be-
trachten; besonders insoweit es die Trophoblastwucherung betrifft,

Hill kommt zu der Schlußfolgerung (\'97) — und Strahl

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(\'06, p. 277) ist ihm darin vollends gefolgt daß an der
Stelle, wo bei
Perameles die Ahantois sich an der plazentaren
Verwachsung betehigt, der Trophoblast (welcher sich in einem
frühen Stadium [Fig. 176] genügend scharf gegen das aus

176 all

dem mütterhchen Epithelium entsprungene trophospongiale
Syncytium abhebt) später ganz verschwindet. Und zwar ver-
muthch durch Phagozytosis sehens des mütterhchen Syncy-
tiums (Fig. 177), vermittelst welcher das mütterhche Blut nun
in sehr enge Berührung gebracht wird mit dem embryonalen
Blute, welches in den Allantoisgefäßen zirkuliert.

Nun ist diese Erscheinung, welche — wie sogar Strahl
zugibt — ein Unikum unter den Säugetieren wäre, nichts
weniger als dehnitiv festgestellt in Hills Aufsatz. In vielen
seiner Figuren, die nicht von Strahl kopiert worden sind und
welche wh betrachten dürfen als Übergangsstadien zwischen
dessen Fig. 149 und 150, sehen wir, daß die Trophoblastzellen

11*

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der Fig. 149 sich umändern in größere zellige Elemente
(unsere Fig. 176), welche, anstatt vom mütterlichen Syncytium
angegriffen und resorbiert zu werden, in dieses hineindringen
und sich damit vermischen in einer Weise, die sehr genau
übereinstimmt mit dem, was Schoenfeld so gut für den Hund
beschrieben hat. Ich zweifle nicht, daß auch
Perameles als
ein gutes Beispiel eines doppelten, eines gemischten Syncytiums
gelten darf; wobei mütterhche und fötale (trophoblastische)
Elemente neben einander fortbestehen. Das Endothelium der
mütterlichen Gefäße wird auch in diesem Falle weder ange-
griffen noch vernichtet. Somit können wir auf dem Höhepunkt
der Pfr®?^e/es-Plazenta (Fig. 177) deutlich die Anwesenheit
trophoblastischer Elemente konstatieren und zwar in voller
Aktivität, welche an anderer Stelle dermaßen mit den mütter-
lichen syncytialen Zellen durcheinander gemischt vorkommen,
daß sie Veranlassung gegeben haben zu Strahls irriger
Folgerung, daß der Trophoblast verschwinde, i) Der Name
Semiplacenta avillosa, mit welcher Strahl diese Einrichtung
bezeichnet hat, muß aufgegeben werden. Die
Perameles-F\\a-
zenta darf als eine etwas einfachere — weil dünnere — Plazen-
tarf6rm als jene der Raubtiere betrachtet werden, an welche
sie jedoch sich am nächsten anschließen möchte. Bei den
Insektivoren liefert uns
Sorex ein Beispiel (Hubrecht \'94 a,
Fig. 74) einer noch ausgedehnteren Wucherung des mütter-
hchenUterusepithels (vorangehend an die allantoide Verklebung
der Keimblase) wie es sogar
Perameles tut. Jedenfalls sollte
die Plazentation von
Perameles, welche durch eine so intime
Verschmelzung fötaler und mütterhcher Elemente charakterisiert
ist, niemals mit den Plazentationsformen zusammengebracht
werden, welche entweder von vornherein primitiv sind (solche
Formen sind uns bis jetzt unbekannt geblieben) oder sekundär
vereinfacht sind (Ungulaten, Lemuren, Cetaceen usw.).

1) Ich binProf.Hill zu besonderem Danke verpflichtet, dafl er mir einige seiner Original-
präparate verschiedener Stadien der
Peravieles-Vla.ztnX.z. freundlichst zugeschickt hat, an
welchen ich im Stande war, die hier formulierte entgegengesetzte Meinung zu verifizieren.

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Kapitel V.

Verschiedenes über Plazentation.

1. Embryonale (trophoblastisclie) und mutterliche
(trophospongiale) Vorbereitungen.

Im vorigen Kapitel haben wir die Säugetierkeimblase in
ihren verschiedenen Versuchen, gegen die mütterliche Schleim-
haut festgeheftet
zu bleiben, verfolgt; und wir haben ge-
sehen, daß ein Teil der Trophoblastzellen oder — in einigen
Ausnahmefällen — sie alle zusammen diese Verklebung durch
eigentümhche Abänderungen zu Stande bringen. Einmal
finden wir die Keimblase angeheftet, entweder mittels ihrer
dem Embryonalschilde gegenüberliegenden Fläche
{Tarsius)
oder mittels des Oberflächenteiles, welcher dem Embryonal-
schilde am nächsten liegt (Kaninchen, Fledermaus, Maulwurf,
Ferameles unter den Didelphia) oder vermittelst beider (katar-
rhine Affen). Oder aber es kann die Keimblase sich an-
heften mittels einer gürtelförmigen oder ringförmigen Zone,
und die Achse dieses Ringes kann senkrecht auf dem Em-
bryonalschilde und unter diesem hegen
(Sorex), oder sie kann
diesem Schüde parahel gelagert sein (Carnivora), oder endhch
es kann ein doppeltes Kissen wuchernden Trophoblastes vor-
handen sein, nicht wie bei den katarrhinen Affen über und
unter dem sich entwickelnden Embryo, sondern rechts und
links davon
{Tupaja). Dann wieder kann die Keimblase ganz
eingeschlossen sein in mütterhches Gewebe, und die tropho-
blastische Wirksamkeit kann sich sodann rund herum bemerk-
bar machen (Igel, Mensch und Anthropoiden, viele Nager);

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oder die Anheftung der Keimblase kann eine so oberflächliche
sein, daß die trophoblastischen Wucherungen (Fig. 163) wieder
anderen Funktionen als solchen der Anheftung dienen
{Opossum).
Endhch wird in gewissen Fähen gar keine trophoblastische
Wucherung konstatiert (viele Lemuriden, Schwein, Pferd).

JedenfaUs ist die embryonale trophoblastische Anhettung
des Embryos etwas ganz anderes als die Festheftung vermittelst
einer Plazenta, obschon die definitive Plazenta in allen Fällen
sich nur da anheftet, wo eine trophoblastische Wucherung den
Weg gebahnt hat; aber sicher nicht an allen Stellen, wo
eine solche Wucherung vorangegangen ist. Gewisse dieser
Regionen dienen dazu, wie wir beim Igel sahen und wie es
auch für andere Säugetiere gilt, eine omphaloide Plazentation
hervorzurufen, andere kommen nie in direkte Berührung mit
irgend einer embryonalen Gefäßzone.

Diejenige Stelle der trophoblastischen Wucherung, welche
zur Bildung der definitiven Plazenta mitwirkt, können wir mit
dem Duval\'schen Namen Ektoplazenta bezeichnen, so daß es
bei katarrhinen Affen und bei
Tupaja eine doppelte Ekto-
plazenta gibt, während wir beim Igel eine ringförmige ompha-
loide und eine
Scheiben- oder schüsseiförmige allantoide Ekto-
plazenta unterscheiden können.

Die eigenthche Plazentation kommt erst dann zu Stande,
wenn diese Ektoplazenta — welche von embryonalen Gefäßen
vaskularisiert wird und mit mütterlichem Blut (welches in Ge-
fäßen oder lakunären Räumen zirkuliert) durchtränkt ist — in
so innige Verschmelzung und Verwachsung mit mütterlicher
Trophospongialwucherung getreten ist, daß die beiden Ge-
webe sich nicht länger unterscheiden lassen; viel weniger noch
voneinander zu trennen sind. Somit ist es begreiflich, daß
man die Existenz einer etwaigen „diffusen Plazenta" einfach
leugnet. Mütterliche und embryonale Gewebe sind in diesem
letzteren Fall so vollständig frei und voneinander unabhängig,
daß sie sich bei der Geburt ebenso leicht voneinander los-
lösen, wie es ein Finger aus einem Handschuh tut. Da kann

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also unmöglich von einer Plazenta die Rede sein. Denn es
ist eben Verschmelzung von embryonalem mit mütterlichem
Gewebe davon eine conditio sine qua non. Wir müssen
somit von einer Plazenta reden bei gewissen Didelphia
(Pera-
meles)
und sie gewissen Monodelphiern absprechen (Equus, Sus,
Nijcticehus, Galago
u. a.). Da Versuche, systematische Grup-
pierungen auf plazentalen Charakteren aufzubauen, bis jetzt
nie zu gutem Resultate geführt haben, kann nichts gegen diese
etw-as radikale Änderung in unseren Auffassungen geltend ge-
macht werden.

Um somit die endgültige Zusammensetzung der Plazenta
zu verstehen, genügt es nicht, bekannt zu sein mit den sehr
verschiedenen Veränderungen in dem Trophoblast, welche
vorangehen; sondern es ist ebenso notwendig, die zahl-
reichen Modifikationen und Wucherungen recht genau zu
studieren, w^elche in der mütterlichen Schleimhaut stattfinden,
als Vorbereitung zu ihrer Verschmelzung mit gewissen Re-
gionen des embryonalen Trophoblastes. Es würde den Um-
fang dieser Abhandlung überschreiten, wenn ich alle diese
zahheichen Variationen beschreiben wollte. Ich werde nur
einige wenige Beispiele auswählen, um die bedeutende
Variationsweite hervorzuheben, welche diese Reihe mütterhcher,
dem Zusammenfließen mit den semiparasitischen Trophoblast-
gew^eben vorbereitender Einrichtungen bei verschiedenen Säuge-
tiergattungen besitzen.

Jedoch möchte ich, bevor ich auf diese Details eingehe,
eine Verallgemeinerung formulieren, welche bei einer engeren
Vergleichung aher der in diesem Gebiete wahrgenommenen
Tatsachen uns notwendig erscheint. Diese Tatsachen haben
nämhch festgestellt, daß die Quintessenz der verschiedenen
Veränderungen, welche in den mütterlichen Geweben auftreten,
sich folgendermaßen zusammenfassen läßt:

a) Degeneration und Zugrundegehen — früher oder später —
des Uterusepithels und der Uterindrüsen in der Gegend der
späteren Plazenta; b) Zunahme der Gefäßzufuhr in dieser

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Gegend; c) histologische Modifikationen, welche denjenigen
des Trophoblastes ungemein ähnlich sehen; folghch erleichterte
Verschmelzung und Konkreszenz dieser beiden; d) Einrich-
tungen, wodurch das Extravasieren von Blut in anderen Rich-
tungen als diejenigen der Trophoblastlakunen erschwert oder
ganz unmöghch gemacht wird; e) in gewissen Fällen Hervor-
treten von hämatopoietischen Eigenschaften, in welchem Fall
die so geformten Blutkörperchen in das mütterhche Blut frei
werden, wie es auch diejenigen tun, welche von hämatopoietischen
Prozessen in gewissen Trophoblastzellen hervorgebracht werden;
f) Einrichtungen, durch welche, wenn einmal der regelmäßige
Übergang von mütterlichem Blute in die trophoblastische
Ektoplazenta hinein im Gange ist, alle die vorbereitenden Vor-
gänge, so weit sie die Mutter betreffen, aufhören. Die weitere
Ausarbeitung der Plazenta ist sodann ausschheßhch eine Funk-
tion des Trophoblastes und der embryonalen Blutgefäße oder
vaskulärer Allantoiszotten, welche allmählich in dem Tropho-
blast eingebettet oder davon umschlossen worden sind.

Kurz, wir dürfen sagen, daß die gegenseitigen Verhältnisse
mütterhcher Trophospongia und embryonalen Trophoblastes
solche sind, daß die mütterhche Trophospongia zu der Bildung
einer Hämorrhagie führt, und daß die embryonale Ektoplazenta
(selbst eine Trophoblastwucherung) es fertig bringt, diese
Hämorrhagie vollständig einzuschließen und sie gründhchst
auszunützen. Es war Duval (\'89, \'92), welcher diese Ver-
gleichung zum ersten Mal gemacht hat.

a) Insektivora. Für den Igel haben wir im vorigen
Kapitel eine ausführliche Beschreibung der Erscheinungen,
welche das Festheften der Keimblase begleiten, gegeben. Wir
werden hier einige Tatsachen bezüglich der mütterlichen Vor-
bereitung für die plazentare Anheftung hervorheben.

Bereits auf Seite 143 beobachteten wir eine lokale Ver-
dickung mit medianer grubenförmiger Einsenkung, in welche
hinein die Keimblase verschwindet. Diese Anschwellungen
entstehen nach der Befruchtung; jedoch unabhängig von irgend

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einem lokalen Reiz, welcher etwa von der Keimblase ausgeübt
wird. Denn mehr als einmal habe ich ein Präparat angetroffen,
in welchem die Anschwellung vorhanden war; aber ohne eine
Keimblase zu enthahen. Eine andere Wahrnehmung:, welche

CT y

die relative Unabhängigkeit dieser Anschwellungen näher be-
stätigt, ist die sehr konstante und regelmäßige Erscheinung
einer begrenzten Hämorrhagie — wie sie an den Lippen dieser
Anschwellungen auftritt und von mh und Resink beschrieben
sind —, vermittelst welcher die endgültige Schließung und die
Vervollständigung der Decidua reflexa hervorgebracht wird.
Außerdem sind charakteristische Kennzeichen der hier beschrie-
benen trophospongialen Anschwellungen die folgenden: Sie
treten auf in der antimesometralen Hälfte der Schleimhaut und
sehen aus wie eine spherische Verdickung mit einer Einschnei-
dung an ihrer freien Oberfläche. Die Richtung dieses Ein-
schnittes ist der Achse des Uterushornes paraUel. Ein Quer-
schnitt durch diesen longitudinalen Einschnitt, dessen Lippen ver-
schmelzen, sobald die Decidua reflexa sich ausbildet, ist dar-
gestellt in Fig. 2, 3, und 37 meines Aufsatzes von \'89. Die
Höhlung ist nicht zylindrisch (wie man vielleicht aus einem
einzigen Schnitt ableiten würde) sondern schlitzförmig, i)

Die Anschwellung selbst findet unbedingt statt in inter-
glanduläres, nicht epithehales gefäßführendes Gewebe der
Schleimhaut. Zahlreiche feine Kapillaren durchkreuzen die
angeschwollene Gegend, in welcher die Uterindrüsen und ihr
Lumen schneU degenerieren und verschwinden (s. Hub recht
\'89, Fig. 37 und 38), wobei ab und zu sogar die Drüsenreste
(1. c. Fig. 39) phagozytisch angefressen werden durch die

\') Es wird sehr interessant sein zu erfahren, ob auch beim Menschen die
Schliei3ung der Decidua capsularis in derselben Weise zu Stande kommt. Bis jetzt
ist es noch nicht definitiv festgestellt, obgleich sehr wahrscheinlich.

NB. Diese Anmerkung war bereits im Druck, als ich, während der Korrektur,
Kenntnis nehmen konnte von Bryces und Te ach ers Schnittserien einer sehr jungen
menschbchen Keimblase (\'08), welche, noch mehr als es Peters Exemplar tat, die
Ähnlichkeit, welche in dieser Hinsicht zwischen Mensch und Igel besteht, begründen.
Diese Ähnlichkeit wurde von mir in einer früheren Publikation (\'89) bereits vermutet.

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Tätigkeit der Trophoblastzellen. Das Endothehum dieser
mütterhchen Capillaria ist gewöhnhch angeschwollen; ihr Ge-
öffnetwerden sowie das Heraustreten der Blutflüssigkeit in
die Trophoblastlacunen, nachdem die Trophoblastzellen die
Kapillaren angefressen haben, wurde bereits oben beschrieben.
Die Anschwellung vergröf^ert sich zusammen mit der darin ent-
haltenen, sich ausdehnenden Keimblase. Derjenige Abschnitt,
welcher an der Bildung der Reflexa sich beteiligen wird, ist
der in das Uteruslumen vorspringende Teil; er wird dünner,
und seine Elemente ziehen sich in die Länge und werden
faserig, indem die Schwangerschaft weiter fortschreitet; schließ-
lich wird er, zusammen mit dem Trophoblast, eine dünne
Membran, welche bei der Geburt zerreißt.

Der übrig bleibende schalenförmige Teil der mütterhchen
Trophospongia beteiligt sich an diesen beiden aufeinander-
folgenden Wachstums- und Ausdehnungserscheinungen; da er
aber gegen die antimesometrale Wand der Schleimhaut ange-
drückt liegt, nimmt er nicht an den Ereignissen teil, welche für
die Reflexa von Bedeutung sind; sondern bildet, was man wohl
bei der menschlichen Entwicklung die Decidua serotina genannt
hat. Er flacht sich mehr und mehr ab; der Trophoblast,
welcher dagegen gepreßt ist, durchläuft eine Reihe von Ab-
änderungen, welche ich an anderer Stelle (\'89, PI. 26) be-
schrieben habe, und liefert schließhch die Hauptmasse der
Plazenta, in welcher die Allantoiszotten ein verwickeltes Netz-
werk embryonaler Blutgefäße darstellen. Das Blut, welches
in letzteren enthalten ist, wird also vom mütterlichen Blute,
welches seit den allerfrühesten Stadien in den Maschen des
trophoblastischen Schwammgewebes zirkuhert, umspült.

Die ausgewachsene scheibenförmige Plazenta des Igels ist
somit fast ausschließlich ein Produkt embryonaler (tropho-
blastischer) Tätigkeit. Sie hat sich allmählich hervorgebildet
aus der ursprünglich dicken, sphärischen Trophoblastbeklei-
dung; genau vergleichbar mit der, welche wir beim Menschen
finden (Fig. 165). Wenn sie sich bei der Geburt von der

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mütterlichen Schleimhaut trennt, um sodann als „Nachgeburt"
ausgeworfen zu werden, kommt eine gewisse doch keineswegs
ansehnhche Quantität mütterhchen Gewebes mit. Das Puer-
perium ist von Erscheinungen begleitet, w^elche von Strahl
(\'07) ausführhcher beschrieben sind.

Nach dem Igel werden wir noch nach der Reihe be-
sprechen; von Insektivoren
Sorex und Tupaja, von Chiropteren
Vespertilio, von Raubtieren den Hund, von Nagetieren Lepus
und Cavia, von Primaten Tarsius und Mensch.

Bei Sorex ist die mütterhche trophospongiale Wucherung
ausnahmsw^eise nicht in erster Linie subepithehal sondern
epithelial. Wie ich es andersw^o beschrieben habe (\'94 A),
wird von einer bedeutenden kissenartigen Wucherung der
Uterusschleimhaut eine mehr oder weniger zylindrische An-
schwellung hervorgerufen, gegen welche (1. c. Fig. 8—11)
die omphaloide embryonale Zirkulation paßt, während an der
Stelle, dem Mesometrium genau gegenüber, w^o die allantoide
Plazenta später gelagert sein wird, eine sehr auffahende epi-
thehale Wucherung eingelehet wird. Diese Wucherung ent-
häh bald nachher Krypten, welche keinesfalls mit der ursprüng-
hchen Uterindrüse zu verwechseln sind. Reste von letzteren
sind mit den Krypten koexistent. In diese Krypten lagern
sich trophoblastische Wucherungen (Hubrecht \'94A, Fig. 74
bis 81) und während einiger Zeh wiegen sich mütterhche und
embryonale Wucherungen gegeneinander auf, bis die embryo-
nalen allmähhch zu dominieren anfangen, wenn einmal eine
Basis zu Stande gekommen ist für intimere Berührung über
eine größere Oberfläche zwischen den mütterlichen Blut-
körperchen, welche in der Trophoblastwucherung zirkulieren
und den embryonalen, welche dort ebenfalls vorhanden sind.
Es wird wiederum die Plazenta in dieser Weise gebildet, in-
dem dieAllantoiszotten und ihre trophoblastischen Umhühungen
zentripetal und nicht zentrifugal ausgesponnen werden. Die
massive, domförmige Plazenta ist somit in ihrem reifen Stadium
wieder der Hauptsache nach ein embryonales Organ, w^orin

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mütterliches Blut zirkuhert (Hubrecht \'94 A, Fig. 11—15);
die mütterliche epitheliale Wucherung ist allmählich zurück-
gebracht worden zu flachen Resten in der Gegend, wo das
mütterhche Blut in die Trophoblastlakunen übertritt. Auch
bei
Sorex wird die Plazenta als Nachgeburt abgeworfen und
es geschieht die Regeneration der Schleimhaut so rasch, daß
junge embryonale Stadien öfters in einem Uterus angetroffen
werden, welcher noch unverkennbare Anzeichen des Puerpe-
riums an sich trägt.

Tupaja ist ein Beispiel unter den Insektivoren, bei welchen
das Verschwinden von Uterindrüsen in der Gegend, wo die
178

Plazentarbddung zu Stande kommt, nicht aufgeschoben wird,
bis die Schwangerschaft angefangen hat, und die Bildung einer
mütterhchen Trophospongia tatsächhch eingeleitet worden ist.
Sogar in dem virginellen
Tupaja-Ut&rns kann diese Region
bereits erkannt werden an der Abwesenheit von Drüsen. Da

Ein Wort darf hier noch hinzugefügt werden betreffs der Maulwurf-Placenta
(siehe Vernhout \'94 und Strahl \'90, 92), welche nicht bei der Geburt abgestoßen,
sondern in loco resorbiert wird, wobei somit embryonales Trophoblastgewebe als ein
Pabulum für mütterliche histolytische Prozesse dient. Somit ist hier die Plazenta
nicht decidual, sondern, wie ich es vorgeschlagen habe, contradecidual zu nennen.
Der Ausdruck ist auch von Hill (\'98, p. 424) auf
Perameles übertragen.

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Tupaja eine Doppelplazenta besitzt, rechts und links von dem
sich entwickelnden Embryo, welcher immer so situiert ist, daß der
Kopf sich gegen das Ostium uteri und der Bauch sich gegen
die mesometrale Anheftung des Uterus richtet, und da außer-
dem
Tupaja nie mehr und auch nie weniger als zwei Junge zu-
gleich wirft (Hubrecht \'95, p. 10), so sind diese vorbestimm-
ten Stellen sehr symmetrisch in die beiden Uterushörner ge-
lagert. Sobald die Schwangerschaft anfängt, wird eine all-
gemeine Schwellung des Uterusgewebes beobachtet und die
zwei hier erwähnten Stellen werden sehr deutlich. Sie springen
mit einer kissenartigen Konvexität in das Uteruslumen hervor,
und sind von einem Pallisadenepithehum bekleidet, gegen
welches die Keimblase sich anheftet. Der Trophoblast wuchert
wie oben erwähnt (Hub recht \'99, Taf V und VI), und sobald
die Keimblase an den erwähnten beiden Stehen festgeklebt
ist, wird das mütterliche Epithehum vernichtet (Fig. 178—180),
und treten Vorgänge von gegenseitigem Ineinandergreifen der
subepithehalen und der trophoblastischen Wucherung ein.

Hier wieder, wie bei Erinaceus und Sorex, wird die embryo-
nale Wucherung sehr bald die überwiegende, wenn einmal
Übergang von mütterlichem Blute in die Trophoblasträume zu
Stande gekommen ist, mittels der mütterlichen Trophospongia.
Jetzt setzen die vom Trophoblast umhühten AUantoiszotten
ihr weheres gegenseitiges Wachstum fort, um die eben auf-
getretene Plazenta noch bedeutend zu verdicken. Auch die
Verdickung kommt in einer zentripetalen Richtung zu Stande.
Es soll dabei noch bemerkt werden — und zwar als eine sehr
bedeutende Differenz zwischen den Verhältnissen bei
Tupaja
und denjenigen beim Igel und Spitzmaus — daß die beiden Paare
(für jeden Fötus ein Paar) kissenförmiger oben beschriebener
Stellen bei
Tupaja erst einer omphaloiden Plazentation dienen;
aber daß nach einiger Zeit die Area vasculosa der Nabelblase
aus ihrer Lage herausgehoben wird und dieser Platz jetzt von
der Allantois eingenommen wird, welche die vom Trophoblast
umhüllten Zotten jetzt hervortreibt, von denen eben die Rede war.

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Die beiden Plazenten rechts und links sind begreiflicher-
weise identisch. Sie scheinen selten als Nachgeburt in toto
abgeworfen zu werden, sondern werden zum Teil zerstückelt,
zum Teil sogar vieheicht in loco resorbiert, wie es oben vom
Maulwurf besprochen wurde. Ich verdanke diese Tatsache
Fräulein Dr. M. van Herwerden (\'06), welche unlängst eine
große Reihe von Schnittpräparaten puerperaler
Tupaja-Utexi
durchgesehen hat.

b) Chiroptera, Carnivora, Rodentia. Bei den Chi-
ropteren wurde die Plazentation studiert durch v. Beneden

und Julin (\'84), Frommel (\'88), Göhre (\'92), Nolf (\'96), Duval
(\'99) u. a. Auch hier gibt es eine bedeutende mütterhche
tropho.spongiale Wucherung, welche in vielen Fällen wohl
soviel als drei Viertel der Oberfläche der Keimblase einnimmt
(Fig. 181), aber nicht zu einer vollen Decidua capsularis sich

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ausbildet. Die Reihenfolge sowie das histologische Detail der
Vorgänge ist größtenteils dem, was wh beim Igel kennen
lernten, vergleichbar; für ausführliche Angaben wende man
sich an die oben angegebenen Autoren.

Für die Carnivora haben uns Duval (\'94, \'95), Bonnet
(\'97, \'Ol), Schoenfeld (\'03) u. a. gründliche Angaben ver-
schafft Auch hier wieder

ist die Plazenta ein Apparat
embryonaler Herkunft, wel-
cher z. T. sich keineswegs

o

in die Symplasmata, die
von der Degeneration des
Epitheliums der Uterindrüsen
herrühren, hineinfrißt. Mehr
als in anderen Säugetierord-
nungen persistieren gewisse
mütterhche Elemente (siehe
oben
p. 151), obschon vom
trophoblastischen Syncytium
eingeschlossen; es wird eben
angeführt, daß das Endo-
thehum der mütterhchen Ka-
pillaren nicht zerstört wird,
wie das bei so vielen anderen
Säugetieren der Fah ist. In
dieser Hinsicht ist die Ein-
richtung bei
Erinaceus eine mehr eingehende.

Was die Nager betrifft, so hat Schoenfeld (\'03), dessen
wichtige Untersuchungen oben Erwähnung fanden, vor kurzem
Kaninchen und Hund miteinander verghchen. Er kommt zu
der Schlußfolgerung, daß sie sehr viel Gemeinschaftliches auf-
weisen, obschon die Kaninchenplazenta scheibenförmig, die
Hundeplazenta gürtelförmig ist. Was die histologischen Diffe-
renzen betrifft, so hnden wh bei beiden Tieren sowohl mütter-
liche (trophospongiale) als embryonale (trophoblastische) Vor-

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bereitungen, ehe noch die Keimblase fest an der Uteruswand
angeheftet ist. Nachher wird das mütterliche Epithel beim
Kaninchen weit gründlicher zerstört als beim Hunde; auch
gilt dies für die Endothelien der mütterhchen Kapillarien, welche
beim Kaninchen ganz bestimmt unter der zerstörenden Wirkung
der Trophoblastzehen oder ihrer Derivate zu Grunde gehen.

Bei den anderen Nagern wurde bereits der sogenannte
Träger erwähnt als eine bestimmte Trophoblastwucherung,
gegen welche, nachdem eine gewisse weitere Zellenvermischung
mit mütterlichen trophospongialen Elementen stattgefunden
hat, die allantoide Plazenta sich entwickelt. Die vereinte
Wirkung von Trophoblast und Trophospongia ruft geräumige
Lacunen um die Keimblase herum hervor in den früheren
Schwangerschaftsstadien. In diesen Lacunen zirkuliert das
mütterhche Bhat ganz frei; später sind die Ernährungsprozesse
mehr in der Plazenta konzentriert.

c) Primaten. Von den Primaten werde ich nur die
Plazenta von
Tarsius und Mensch kurz berühren. Erstere ent-
steht aus einer begrenzten trophoblastischen Wucherung,
welche zu gleicher Zeit mit einem trophospongialen Vorgang
auftritt. Letztere zeigt uns interglanduläres Schleimhaut-
gewebe, das eine Oberfläche hervorruft, mit welcher die Tro-
phoblastwucherung sich recht bald aufs innigste verwachsen
2eigt. In dieser Trophospongia zirkuliert mütterhches Blut;
sie erreicht eine verhältnismäßig bedeutende Dicke, bevor
noch Embryonalgefäße zwischen gewuchertem Trophoblast
eingefaßt worden sind (Hubrecht; \'99, Taf 11, Fig. 67). Bald
nachdem letzteres zu erscheinen anfängt, ist weitere Verdickung
nur noch am Trophoblast wahrzunehmen und an den hierin
eingeschlossenen embryonalen Gefäßen. Die Trophospongia
von
Tarsius bleibt nur an den Stellen aktiv, wo die Plazenta
sich vom mütterlichen Gewebe abheben wird. In der letzten
Hälfte der Schwangerschaft ist diese Zone zu einem Stiel ge-
worden (Fig. 168), durch welche Arterien und Venen zu den
plazentalen Bluträumen gelangen können.

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Em solcher gestielter Zustand ist auch charakteristisch
(Flg. 183) für gewisse Nagetiere (Maus) und in gewissem Maß-
stabe auch für
Tupaja, während beim Eichhörnchen, beim Igel,
beim Menschen, bei
Galeopithecus und bei noch anderen die\'
discoide Plazenta auf ihrer ganzen proximalen Oberfläche sessil
ist. An anderer Stelle (\'99
p. 368,
PI. 14) habe ich hämatopoietische
Vorgänge, welche bei
Tarsius wäh-
rend
der Schwangerschaft auf-
treten, ausführlicher besprochen.

Die menschhche Plazenta
wurde bereits auf Seite 142 erwähnt.
ZM^eifellos spielen trophoblastische
Elemente in ihr eine ganz über-
wältigende Rolle (Fig. 165,167) und
zwar viel mehr, als durch frühere
Forscher angenommen wurde.
Durch die Untersuchungen van
Heukeloms (\'98), Peters (\'99)
und Bryces und Teachers (\'08)
sind wir auch jetzt zum Teil be-
kannt geworden mit den tropho-
spongialen Einrichtungen beim
Menschen, und ist zugleich eine
von mir gewagte Vorhersagung
(\'89), daß die frühen, damals noch
unbekannten Stadien der mensch-
lichen Plazentation enge Verglei-
chungspunkte mh dem was wh beim Igel finden, zeigen
werden, vohends durch die eben erwähnten Autoren bestätigt.

Emer der augenfälligsten Unterschiede zwischen der Pla-
zenta des Menschen und des Igels besteht in der freieren Be-
weglichkeit und der bedeutenderen Ausdehnung der . mit
embryonalen Blutgefäßen versehenen Zotten, wie sie da in
den Trophoblastlacunen von mütterlichem Blute umspüh

12

Hubreoht, Embryologie.

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werden. Diese Zotten sollten nicht, wie es noch in manchen
Handbüchern geschieht, als ebensoviele vom Chorion in das
mütterliche Gewebe hineinwachsende Elemente betrachtet
werden. Ihr Wachstum ist — sowohl beim Menschen wie bei
den Affen und bei
Tarsius — nicht zentrifugaler, sondern
zentripetaler Art, wie wir auch bereits Gelegenheit hatten, dies
für die nämlichen Bildungen beim Igel, bei
Sorex, Tupaja usw.
zu betonen. Dieses freie Flottieren im mütterlichen Blute ist
eine charakteristische Eigenschaft bei Menschen und Affen
(Fig. 162, 167). Bei
Tarsius und beim Igel ist die Einrichtung
vielmehr so, daß sie aufgehängt sind in dem oben erwähnten
sehr zarten und zugleich komplizierten Netzwerk, welches von
den als solches sich ausspinnenden Trophoblastzellen gebildet
wird. Wenn die verbindenden Balken dieses Schutzgewebes,
wie wir es bei den Primaten sehen, verschwinden, wird die
Oberfläche, die für osmotische Prozesse verfügbar ist, selbst-
verständlich vergrößert und auch die freie Beweglichkeit der
Zotten darf als ein günstiger Umstand betrachtetwerden (Fig. 166).

Bezüglich der histologischen Einzelheiten der Affen- und
Menschenplazenta ist man noch nicht über alle Punkte einig, und
gewisse Untersucher wie Selenka (\'00 A) und Strahl (\'02, 04)
scheinen geneigt zu sein, einer mütterlichen Wucherung mehr
zuschreiben zu wollen, als sie dazu berechtigt sind. Ich er-
warte aber, daß bald eine Einigung folgen wird, und die letzten
Untersuchungen über diese und andere Säugetierordnungen
(Bryce \'08) scheinen in jene Richtung hinzuweisen, die
Duval (\'88) und ich selbst (\'88) seit mehr als zwanzig Jahren
angedeutet haben, nämlich die der definitiven Vernichtung des
mütterlichen Epithels und des Zirkulierens mütterlichen Blutes
in trophoblastischen Lacunen.

Die histologischen Details der Plazenta katarrhiner Affen
scheinen denjenigen der Menschen und der anthropomorphen
Affen sehr stark ähnhch zu sein. Ob ihre Doppelplazenta
(Fig. 153) eine primitive oder — wofür ich sie halte —■ eine
sekundäre und eventuell von einer ancestralen, mit Decidua

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capsularis versehenen, hergeleitet sein mag, muß durch spätere
vergleichende Untersuchungen der primitiveren Platyrrhinae
und Arctopitheci gelöst werden. Vor kurzem hat Strahl (\'06
B) die Anwesenheit einer Decidua capsularis bei
Mycetes, einem
platyrrhinen Affen behauptet!

2. Der klassifikatorische Wert der Plazenta.

Die kurze Darstellung diverser Plazenten von verschie-
denen Säugetierordnungen in diesem und dem vorigen Ka-
pitel kann uns überzeugt haben, daß es völlig unerlaubt ist,
über die größere ödere geringere Zusammengehörigkeit dieser
verschiedenen Plazenten zu urteilen nach ihrer äußeren Form,
wie es in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geschah^
als die Unterscheidung von gürtelförmigen, diffusen und dis-
coiden Plazenten zuerst vorgeschlagen wurde, und als bei der-
selben Gelegenheit die jetzt verlassene Eintedung der Mammalia
placentalia in Deciduata und Indeciduata vorgeschlagen wurde.

Die scheibenförmige Plazenta des Maulwurfs, aus welcher
bei der Geburt die Allantoiszotten ausgezogen werden, als
wären es Finger aus einem Handschuh, und die sodann in
situ resorbiert wird; die discoide Plazenta von
Galeopithecus,
zu Anfang mit großen, mütterhches Blut führenden Lacunen,
welche später, anstatt vorzuspringen, ganz eingebettet hegt
in der Uteruswand; die discoide Plazenta vom Kaninchen
und vom
Tarsius, die bei vollem Wachstum mit der Mutter
verbunden sind vermittelst eines Stieles, der von viel ge-
ringerem Durchmesser als die Plazenta selbst ist; die discoTde
Plazenta vom Igel und vom Menschen, letztere mit ihren
freien flottierenden Zotten, gegen das enge Maschenwerk von
Zotten und Trophoblast des ersteren; alle sind sehr kom-
pliziert und äußerst verschiedentlich speziahsiert; daneben nur
sehr zeitweilige Apparate dieser verschiedenen Säugetiere,
während ihre gemeinschaftliche Scheibenform nicht von der
geringsten Bedeutung ist bei der Betrachtung ihrer gegen-
seitigen Affinitäten.

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Wollten wir im Stande sein, die verschiedenen Plazentar-
typen in eine phylogenetische Folgenreihe zusammenzustellen,
so wäre es nötig, zuvörderst die Plazentation aller noch leben-
den Säugetiere zu durchforschen und bekannt zu machen, und
sogar dann wäre es noch sehr fraglich, ob die gegenseitige
Verwandtschaft in ihrer ganzen Ausdehnung festzustellen wäre,
wo die Zahl der fossilen Säugetiere, über deren Plazentation
wir nie etwas wissen werden, so bedeutend viel größer ist
als diejenige der lebenden Vertreter der Säugetierklasse. Ganz
besonders sollten die sehr frühen Stadien der Plazentabildung
sowie das gegenseitige Verhältnis und die Details von mütter-
licher Trophospongia und embryonalem Trophoblast uns führen
bei der Vergleichung von Plazenten und bei der Entscheidung
bezüghch ihrer Ähnlichkeit und Homologie.

Und wir werden sodann sicher nicht geneigt sein, uns
Strahls letztem Schema für die Anordnung der verschiedenen
Baupläne der Plazentastruktur ("06) anzuschließen.^) Der Grad

Der vor kurzem von Strahl gemachte Versuch (\'06), eine neue Klassi-
fikation einzuführen mit einer korrespondierenden neuen Terminologie für die Säuge-
tierplazenta, ist unbedingt prämatur und geht als solche wirklichem Fortschritt auf
diesem Gebiet entgegen. Es verurteilt sich selbst, was Strahl (\'06 p. 275) zu ihrer
näheren Empfehlung schreibt: daß wir nach derselben die bisher bekannten Plazentar-
formen gut gegeneinander abgrenzen können. Wir, brauchen keine Übergangsformen
zu notieren . . . und weiter: ,,Außerdem schalte ich dabei vorläufig einige seltenere
mir aus eigener Anschauung nicht bekannte Plazentarformen aus, wie sie gewisser-
maßen als Spezialitäten in einzelnen Tieren vorkommen."

Dieser unreife Versuch mag seinen Autor befriedigen — der aber bereits in
einer späteren Veröffentlichung (\'07, p. 19) gewisse Verbesserungen vorgeschlagen
hat —, aber er bricht zusammen (unabhängig von den eben hervorgehobenen all-
gemeinen Betrachtungenl in die sehr primäre Unterverteilung in Halbplazenta (Semi-
placenta) und Vollplazenta (Plazenta), wenn wir daran denken, daß sogar nach
Strahls eigener Definition der Maulwurf aus der zweiten
hhiaXung, Pera^nelcs aus
der ersten ausgeschieden werden sollten. . ,

Die Grundsätze des Strahl\'sehen Systems sind bestimmt künstlich und werden
vielleicht dem Anatomen zusagen, der die menschliche Plazenta im Lichte der ver-
gleichenden .\'Anatomie betrachten mö\'chte. Der Zoologe aber, der zunächst auf
die so schwer- zu konstruierende phylogenetische Entwicklung acht gibt als ein
vertrauenswerter Führer bei der Klassifikation, wird es vorziehen, vorläufig noch ab-
zuwarten und sich umsehen nach neuen Tatsachen, bevor er eine neue Klassifikation
vorschlägt für die so diversen Plazentationserscheinungen.

Wie z. B., wo er als Mammalia choriata mit Hemiplacenta diffusa zusammen-
bringt: Cetacea, Suidae, Equidae, Camelidae,
Manis, Tapir, Hippopotamus, Lemuren.

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von Blutsverwandtschaft zwischen verschiedenen Säugetier-
familien, welchen wir der vergleichenden Anatomie in ihren
anderen Kapiteln, als gerade das, was sich auf Plazentation be-
zieht, entnehmen können, nötigt uns, diesen neuesten Klassi-
fizierungsvorschlag zu verwerfen.

3. Die Pliylogenie der Plazenta.

Obschon es vielleicht doch noch zu früh ist den Ver-
such zu machen, eine Phylogenese der Plazenta zu skizzieren,
wobei nicht, wie es noch in allen Handbüchern geschieht, die
difi-use Plazenta als Ausgangspunkt gilt, so werde ich mir doch
erlauben, gewisse Überlegungen hervorzuheben, welche im
Auge zu behahen wären, sobald mit dieser Skizze ein Anfang
gemacht wird. .

Zunächst sollte ein für aUe Mal die alte und zusprechende
Vergleichung verworfen werden, nach welcher das sehr frühe
zottentragende Stadium der menschlichen Keimblase, welches
dem sogenannten Reichert\'schen Ovum entspricht, an-
gesehen wird, als durchlaufe es hier während der Ontogenese
ein diffuses Plazentationsstadium, dem die discoide Phase
später nachfolgt. Bereits vor längerer Zeit habe ich Ähnhches
empfohlen (\'89,
p. 339). Tatsache ist, daß dieses sogenannte
freie zotfentragende Stadium der menschhchen Keimblase in
keiner Weise der diffusen Plazenta ähnlich sieht, weil erstens
das Reichert\'sche Ovum unvollständig ist, und wenn es voll-
ständig wäre, nicht zottentragend, sondern schwammartig aus-
sehen würde, indem die sogenannten Zotten auch noch peri-
pherisch und oberfiächhch in transversaler Richtung miteinander
verbunden sein würden (s. Fig. 36-40); und zweitens weil
dieses Ovum infolge der Decidua reflexa nicht frei in der
Uterushöhle aufgehängt ist wie jene Keimblasen, welche die
sogenannte diffuse Plazentation besitzen; drittens weü es keine
mit Epithelium bekleidete mütterliche Krypten gibt, in welche
die sogenannten Zotten hineinpassen würden, sondern letztere
direkt vom mütterlichen Blute umspült werden.

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Sobald diese Vergleichung beseitigt ist, sollten wir die Frage
in Angriff nehmen, ob die diffuse Plazentation, wie wir sie
beim Pferd, beim Schwein und bei den Lemuren finden, wirk-
Hch den ersten Schritt auf jenem Weg darstellt, welcher uns
schließlich zu der komplizierten Plazenta-Einrichtung des
Menschen und vieler anderer Säugetiere führt. Die drei eben
genannten Beispiele sind so wie so genügend, um einen Verdacht
a priori zu erwecken. Wir könnten doch wohl kaum er-
warten, daß der allerprimitivste Plazentationstypus sich eben
erhalten haben würde bei einem so hoch spezialisierten Tiere,
wie es das Pferd ist; ebensowenig in einer Ordnung wie der-
jenigen der Lemuren, welche vielfach als mit den Affen und
Menschen eng verwandt betrachtet wird, aber deren Plazen-
tation so grundverschieden ist. Somit werden wir uns umsehen
müssen nach einer möglichen cenogenetischen Erklärung dieser
Fähe sogenannter diffuser Plazentation, die bereits oben (S. 157)
besprochen wurden. *

Die erste Bedingung, der ein natürhches Schema plazen-
taler Phylogenie entsprechen sohte, ist wohl die, daß die
verschiedenen Famhien und Ordnungen der Säugetiere hinein-
passen sollten und zwar in Übereinstimmung mh den Ver-
wandtschaftsgraden, welche bereits festgestellt worden sind
mittels Vergleichung anderer Organisationsverhältnisse. Und
wenn wir einen Versuch in der Richtung machen, sollten wir
uns zunächst die Frage vorlegen: Welche ist die Art der
Plazentation in denjenigen Säugetieren, die wir als die primi-
tiveren Typen betrachten dürfen — die Didelphia, die Insekti-
voren, die Rodentia und die Primaten? Wir finden sodann, wie
wir es z. T. bereits oben besprachen, daß die Didelphia sehr zu-
treffende Beweise liefern, daß sie sehr spezialisierte Abkömm-
linge plazentaler Säugetiere sind; daß sogar bei denjenigen, bei
welchen es überhaupt keine wahre Plazentation mehr gibt, wie
beim Opossum, wir doch noch einer sehr aktiven Trophoblast-
wucherung begegnen: und daß in jenen, welche die Plazentation
oder Reste davon beibehalten haben, diese Plazentation eine

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omphaloide (Dasyurus) oder allantoide {Perameles) sein kann.
Schheßheh daß im letzteren Fall eine innige Verschmelzung
auf phagozytotischem Wege zwischen embryonalen und mütter-
hchen Geweben zu Stande kommt.i)

Betrachten wir die beiden anderen Ordnungen mehr primi-
tiver Säugetiere, welche mit Bezug auf ihre Plazentation ein-
gehend untersucht worden sind, die Insektivoren und die Nager,
so treffen wir gleich die eine sehr wichtige Tatsache, im Ver-
gleich mit dem was wir bei höheren Ordnungen, wie Carnivora,
Ungulata, Chiroptera finden, daß nämhch eine sehr bedeutende
Verschiedenheit besteht, sowohl in den allgemeinen Umrissen,
wie in den Details der Plazentation. Dies ist dazu geeignet,
unser Urteil noch näher zu befestigen, daß diese Ordnungen
primitivere sind, und daß hier der Vorgang der Plazentation
noch nicht zu einem bestimmten Typus normalisiert worden
ist. Diese Schlußfolgerung ist jedoch nur teilweise wertvoll,
da wir gleich sehen werden, daß die hier ins Auge gefaßte
Diversität in einem Fall durch weitgehende Spezialisierung
gekennzeichnet ist, in einem anderen durch das Auftreten eigen-
tümlicher Kennzeichen, die auf gewisse allgemeine Plazen-
tationsfragen Licht werfen, während in noch wieder anderen
solche Typen hervortreten, welche Gründe dazu zu bieten
scheinen, die Ordnung der Insektivoren in zwei oder mehrere
gegenseitig unabhängige Ordnungen zu trennen.

Jedenfalls müssen wir aus den Tatsachen, wie sie da vor
uns liegen, schließen, daß die wirkhch einfachste und früheste
Plazentarform uns bei keiner Gattung lebender Säugetiere mehr
erhalten ist. Dagegen haben wir den Versuch anzustellen, aus
all den vorliegenden Daten die phylogenetische Evolution,
welche ahmählich die zahlreichen bekannten Formen hat her-
vortreten lassen, sorgfältig herauszulesen.

1) Dies behält seine Geltung, welcher der Auffassungen wir uns anzuschließen ent-
scheiden möchten: derjenigen Hills, daß der Trophoblast vom mütterlichen Syncytium
zerstört wird, oder der meinigen, daß der Trophoblast der mehr aktive Teil ist, wobei
aber Reste des mütterlichen Gewebes fortbestehen, wie solches auch bei den Carnivoren
beobachtet wurde.

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Als wir den Trophoblast auf Seite 26 dieser Abhandlung
besprachen, sahen wir, daß ein Funktionswechsel, welcher in
sehr früher Periode hat auftreten müssen (als nämlich diese
Larvenhülle dazu beitrug, fortan die Keimblase innerhalb der
Geschlechtswege der jetzt viviparen Protetrapoden festzuhaken)
in erster Linie Verklebungsmöglichkeiten hervorrief, durch
welche die Keimblase sich an die Uteruswand fest anheftete.
Wir haben uns vorgestellt, daß eine zweite parallele Erschei-
nung eine Größenzunahme des larvalen Trophoblastes gewesen
ist, welche der Weiterentwicklung des Embryos selbst voranging.
Demzufolge wurde die Verklebungsoberfläche größer und konnte
kräftiger gegen die mütterhche Schleimhaut angepreßt werden.
Wenn nun zu gleicher Zeit sich phagozytische Eigenschaften
entwickeln (welche jetzt allgemein anerkannt sind als kenn-
zeichnend für so recht viele Säugetierkeimblasen) so könnte
die Trophoblastschicht noch außerdem dazu dienen, um in
ihre eigene Trophoblasthöhle Material hinüber zu transpor-
tieren, welches seinerseits dem Wachstum und der Ernährung
der Embryonalzellen s. str. dienen konnte. Ist es doch eine
bekannte Tatsache, daß sowohl in den Drüsensekreten, welche
in dem Uteruslumen frei werden, sowie in dem Epithelium
und in den Subepithelialschichten und in den Blutgefäßen
Material vorhanden ist, welches recht leicht umgesetzt werden
kann in Nahrungsstoffe für den Embryo, sobald es ein Trans-
port- und Verarbeitungsmittel gibt. Daß eben der Trophoblast
in dieser Richtung tätig ist, wird wohl von allen Forschern
anerkannt.

Nun halte ich es für wahrscheinlich, daß die erste und be-
deutungsvollste Leistung, welcher die Keimblase zu entsprechen
hatte, sobald sich Viviparität einstellte, eben die Festheftung
gewesen ist. Wir werden einen Beweis dafür gleich (S. 199) bei
den Lemuriden hervorheben können. Die natürhchste Einrich-
tung, um eine wachsende Keimblase, welche sich in dem Lumen
eines zylindrischen Uterus auf dem Wege nach außen befindet,
festzuhalten, wäre eine gürtelförmige Anheftung. Eine ein-

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fächere Verklebung der beiden sich berührenden Oberflächen
gäbe es nicht. Solche finden wir bewahrt bei den Carnivoren
und bei gewissen anderen Säugetieren
{Ehphas usw.); sie ist
also wohl von primärer Bedeutung. Konnte feste Anheftung
mit Phagozytosis kombiniert werden, so wäre hierin eine noch
glücklichere Kombination zu sehen, als in der phagozytischen
Absorption von Stoffen, welche sich im Uteruslumen befinden
ohne feste Anheftung. In diesem letzteren Fall wäre die Möghch-
keit einer unbeabsichtigten, spontanen Expulsion der wachsen-
den Keimblase immer eine gefährliche Bedrohung. Somh möchte
eine kräftige gürtelförmige Anheftung, kombiniert mit De-
struktion und Digestion des mütterhchen Uterusephhels, der
nächste Schritt sein, welchen wh nebenbei verwirklicht finden
bei den Raubtieren, an welche sich sodann die wehere Aus-
dehnung der Phagozytose hinzufügt infolge der verschiedenen
Vorgänge, welche von Bonnet (-02) so sorgsam analysiert und
so deuthch beschrieben worden sind. Das mütterhehe Gewebe
- ob wh nun Strahls, Bonnets oder Schoenfelds An-
sichten in Bezug auf mütterhches Epithel und Trophoblast
teden - erleidet, wie es alle annehmen, katalytische Verände-
rungen und geht in ein Symplasma über, an dessen Zusammen-
setzung oberflächliches Epithel, gewuchertes Krypten- und
Drüsenepithel, subepithehales Bindegewebe, Leukocyten und
Blut vollauf tehnehmen. Dieses so zusammengesetzte Sym-
plasma wird eben dadurch zur phagozytischen Absorption
Sehens der Trophoblastzellen vorbereitet, welche sodann
dieses Nahrungsmaterial weiter leiten nach den embrvonalen
Blutkörperchen oder in die Räume innerhalb des Trophoblastes.
sei dies die Nabelblase oder das extraembryonale Coelom.

Die Einzeihehen dieser physiologischen und komphzierten
Nahrungsaufnahme werden noch nicht vollends von uns ver-
standen. Nichtsdestoweniger haben sie zweifehos eine sehr
hohe Bedeutung neben den einfacheren osmotischen Prozessen
Bonnet gibt zu (\'02,
p. 489), daß die tatsächhche Ernährung
der Trophoblastzellen vermhtelst eiweißhaltiger Svmplasmata,

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Fett und den morphotischen Substanzen des mütterlichen
Blutes — wie sie unter unseren Augen stattfindet — es uns
viel leichter zu verstehen erlaubt, in welcher Weise die Eiweiß-
stoffe, die doch so viel schwieriger diffundieren, dennoch von
der Mutter in den Embryo gelangen. Ebenso wird die Zu-
führung von Eisen bei den Säugetieren, die keinen eisenhaltigen
Dotter besitzen, und wo diese Zuführung doch in utero statt-
finden muß, auf diese Weise erklärlich.

Ich bin überzeugt, daß diese Bonn et\'sehen Untersuch-
ungen, sowie auch jene von anderen, über die plazentaren
Nahrungsverhältnisse der Carnivoren von großer Bedeutung
für ein vohes Verstehen der Plazentationsprozesse sind. Ein
Ausgangspunkt wäre sodann die Kombination, das Zusammen-
treten von verklebenden mit phagozytotischen Eigenschaften
in die Trophoblastzellen.

Derselbe Forscher, Bonnet, hat uns in einer früheren
Publikation mit der Anwesenheit eines Stoffes im Schafuterus,
welchen er Uterinmhch genannt hat, bekannt gemacht. In
Wirklichkeit ist sie das Produkt katalytischer Wirkungen von
derselben Art wie jene, welche wir oben beschrieben haben,
und sie unterscheidet sich von dem Material, das sich bei den
Carnivoren ausbhdet, nur dadurch, daß sie frei im Uterus-
lumen zu hegen kommt. Ein Übergangsstadium zwischen den
beiden wird vielleicht von dem Beispiel des
Traguliis-^mhryo^
gehefert (ein anderer, aufS. 157 genannter Ungulat), bei welchem
wir beobachten, wie geformte Elemente aus dem mütterhchen
Bindegewebe durch eine Trophoblastschicht hindurch in die
embryonalen Gewebe durchdringen. Es ist jedenfahs eine
Wahrscheinhchkeit a priori da, daß die Einrichtung, wobei
organischer Detritus im Uteruslumen vom embryonalen Tropho-
blast absorbiert wird, eine spätere Entwicklungsphase darstellt
im Vergleich mit solcher, wobei der anfänglich rein adhäsive
Trophoblast eben anfing, Phagozytosis mit der Klebrigkeit zu
verbinden. Wie die Totaloberfläche der Keimblase zunahm,
und wie die Verklebung sich lokalisierte in die mütterhchen

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Camnculi und die embryonalen Cotyledonen, hat die übrige
Oberfläche der Keimblase Eigenschaften zur Entwicklung ge-
bracht, wodurch es möglich wurde, die Uterinmilch leicht zu
absorbieren mittels ihrer äußeren Trophoblastschicht. Ein
solcher Vorgang scheint sich sodann wieder weiter speziahsiert
zu haben beim Schwein und bei den Lemuren, bei welchen
gewisse taschenartige Receptacula (Fig. 174 u. 184) der Auf-
nahme von Nahrungsmaterial dienen, das durch die mütter-
liche Schleimhaut gehefert und durch den Embryo in diesen
Säcken aufbewahrt wird. Ich bleibe aber der Meinung, daß
wir hier keine primitiven Einrichtungen vor uns haben, sondern
daß sie sich ableiten lassen von solchen, wo — wie bei den
Raubtieren — die Nährstoffe von dem wuchernden phago-
zytischen Trophoblast innerhalb der mütterlichen Mucosa
(und nicht in dem Uteruslumen) aufgesucht werden.

Neben dem direkten phagozytischen Prozeß wird Nahrung,
und besonders Sauerstoff, den embryonalen Blutgefäßen außer-
dem noch zugeführt durch die osmotischen Prozesse, die
zwischen dem mütterlichen und dem embryonalen Blute auf-
treten, und wir dürfen wohl sagen, daß ein gewisser Grad von
Wettbewerb zwischen den beiden Systemen stattgefunden hat,
welches den Anforderungen des internen Parasiten, des Em-
bryos, am raschesten und am besten entsprechen würde.
Differenzierung und Anpassung sind somit viele verschiedene
Bahnen entlang gelaufen, und einmal ist diese, dann wieder
die andere dieser beiden Richtungen gewählt worden, oftmals
wurden sogar beiderlei Wirkungen kombiniert. Es ist wahr-
scheinlich, daß in diesen letzteren Fällen der günstige Effekt
ein maximaler gewesen ist und daß dieser sich daneben noch
kennbar machte in einer höheren Entwicklung des Embryos
im allgemeinen. Wenn wir versuchen, die Säugetiere nach
diesem Prinzip einzuteden, so glaube ich, daß wir nicht wöit
von dem natürlichen phylogenetischen System entfernt bleiben
würden, nicht nur was die plazentalen, sondern auch was die
anatomischen Merkmale betrifft.

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Die frühen Carnivoren sind von den Paläontologen in die
fossile Ordnung der Creodonta zusammengebracht, während
sie außerdem Verwandtschaft zwischen dieser und den frühen
Ungulaten anerkennen. Viele rezente Insektivoren verraten in
verschiedenen Punkten ihren mehr primitiven Charakter.
Weiter finden , wir, wie es oben hervorgehoben wurde (S. 151,
175), bei den Raubtieren sowohl bezüglich Anheftung der
Keimblase als bezüglich histologischer Details der Plazenta,
was wir noch nicht differenzierte Einrichtungen nennen dürfen.
Die phagozytotischen Vorgänge sind im vollen Gange. Os-
motischer Auswechsel zwischen mütterlichem und.embr3^onalem
Blute findet in ausgedehntem Maße statt, sowohl auf ompha-
loider wie auf allantoider Basis.

Nun entsprechen viele Insektivorenplazenten, welche, wie
wir wissen (siehe S. 183), so große Verschiedenheiten auf-
weisen, derselben Definition. Die omphaloide Plazentation
des Igels geht ihren Weg und spielt während einiger Zeit eine
sehr wichtige Rolle bei. dem Zustandekommen der osmotischen
Wechselprozesse. In einem gewissen Momente hört dies auf,
indem die Area vasculosa abgehoben und zusammengefaltet
wird, und eine allantoide Plazenta deren Stelle einnimmt.
In den allerfrühesten Keimblasenstadien ist Phagozytosis in
ausgedehntem Maßstabe und mit unverkennbarer Intensität
aufgetreten, indem die mütterlichen Capillaria erodiert und
Drüsen- sowie Uterusepithel in so voUständiger Vv^eise an-
gefressen und verdaut werden, wie wir es sonst nur bei Affen
und beim Menschen finden.

Dennoch bleibt es eine offene Frage, ob die Plazentation
des Igels zu den primitiveren Typen gerechnet werden sollte.
Beim Maulwurf finden wir gewisse Eigentümlichkeiten, welche
in anderer Richtung primitiv zu sein scheinen. Die Unter-
suchungen Vernhouts (\'94) haben uns eine sehr ausgedehnte
Phagozytosis gezeigt in den allerfrühesten Plazentationsstadien.
Zu gleicher Zeit haben wir beim Maulwurf den contradeci-
duaten Typus (s. Hill \'97, p. 424) der Plazentation kennen

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gelernt. Beim Maulwurf hat der Geburtsakt so wie so einen
ganz eigentümlichen Charakter, und zw^ar dadurch, daß der
Embryo aus dem mütterhchen Uterus heraustrht, nur umhüllt
von der Ahantois, während die vollends ausgezogenen Allantois-
zotten eine wollige Bekleidung dieser Fötalhülle bilden. Der
Trophoblast und alle seine ^Vucherungen, welcher eine so aktive
Phagozytose betrieben hat, bleibt festgeheftet an der Uterus-
schleimhaut und wird weder im Ganzen noch zum Teil abge-
worfen, sondern wird allmähhch in situ resorbiert von den
mütterlichen Geweben. Infolgedessen ist die äußerliche Ansicht
\' des Uterus während des Puerperiums sehr ähnhch derjenigen,
welche während der Schwangerschaft vorherrscht, jedoch in
umgekehrter Reihenfolge, indem der Uterus mit der kleinsten
Anschwellung das am weitesten vorgeschrittene Puerperal-
stadium darstellt. . .

In diesem Fall sind die für den Säugetiertrophoblast cha-
rakteristischen Eigenschaften der Festheftung und der Phago-
zytosis im Stande gewesen, in großer Ausdehnung ihre Wir-
kung auszuüben, ohne irgendwelchen Blutverlust bei der
Mutter hervorzurufen, indem sogar ein gewisser Nahrüngs-
ballen von embryonaler Herkunft hinterlassen wird, dessen
Assimiherung der Mutter eher Vorteil bringen mag als um-
gekehrt. Es leuchtet ein, daß diese Einrichtung, wobei von
einer Nachgeburt noch keine Frage ist, sondern eher das Um-
gekehrte (daher der Name Contra-deciduata), sich eventueh
auch betrachten ließe als eine primitive Einrichtung. Umso
mehr, da eine ähnhche Erscheinung von Hill bei
Perameles
beobachtet wmrde, wo jedoch die Allantois nicht mh dem
Embryo zusammen abgestoßen wird, wie wir das beim Maul-
wurf sahen, sondern wo die Ahantois ebenso wie der Tropho-
blast auch durch das mütterliche Gewebe absorbiert zu werden
scheint, dank der Aktivhät von wandernden Leukocyten, wie
sie von Hill beschrieben und abgebildet werden.

Da ich (\'95 b, p. 118) die archaische Bedeutung der Ein-
richtungen beim Maulwurf hervorgehoben habe, bereits ehe

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Hill eine ganz ähnliche Erscheinung bei einem didelphen
Säugetier beschrieb, muß ich begreiflicherweise meine ur-
sprünghche Behauptung noch näher betonen, nachdem Hill
in eine Säugetierordnung, welche — obgleich sehr spezialisiert
— doch gewisse Vertreter eines alten Seitenzweiges einschließt.
Seitdem sind die eigentümlichen contra-deciduaten Eigentüm-
lichkeiten auch bei
Tupaja — jedenfahs in begrenztem Maße —
beobachtet worden von Fräulein Dr. M. van Herwerden (\'06).

In diesen Anfangstypen sehen wir somit, daß mütterliche
Phagozytosis in den Plazentargegenden mit embryonaler Phago-
zytose Hand in Hand geht. Ernährung vermittelst osmotischem
Austausch hat eine sehr bedeutende Reduktion erlitten bei den
Didelphiern, wie das oben diskutiert wurde (S. 140, 161). Die
Gattungen
Ferameles, Phaseolarctos und in gewissem Grade
auch
Dasyurus sind vieheicht die letzten, in welchen die
früheren Einrichtungen noch fortbestehen. Bei allen den anderen
hat die Allantois in größerem oder kleinerem Maßstabe sowohl
an Größe wie an Ausbreitungsgebiet gegen den Trophoblast
bedeutend eingebüßt. Die intra-uterine Ernährung geht nicht
länger zusammen (wie es noch der Fall ist beim primitiveren
Ferameles) mit Fixierung der Keimblase gegen die Uterus-
wand, und es besteht eine nur sehr lose Verbindung zwischen
gefäßreichen mütterlichen Schleimhautfalten und der vaskulari-
sierten Oberfläche der Nabelblase. Außerdem ist diese Ver-
bindung nur von sehr kurzer Dauer, da der Geburtsakt nach
8—14 Tagen eintritt, während eine eigentümlich spezialisierte
Nahrungsmethode innerhalb des Beutels gleich nachher in
Funktion tritt. Dennoch zeigt die frühe Keimblase des Opossums
eine schwammartige Wucherung des Trophoblastes (Fig. 163),
von welcher wir doch gewiß sagen dürfen, daß sie dazu bei-
tragen kann, flüssiges Nahrungsmaterial, welches in dem Uterus-
lumen vorhanden ist, zu absorbieren und zu verarbeiten. Sie
zeigt keine Neigung zu direkter phagozytischer Tätigkeit.
Selenka fand diese Lacunen (\'87) mit einer Flüssigkeit ge-
füllt, welche wahrscheinhch von dem Inhalt der Uterindrüsen

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herrührte und den Weg durch das Uteruslumen genommen
hatte.

Fassen wir zusammen, was wir bei den Didelphia finden,
so dürfen wir sagen: 1. bei den primitiven Formen: eine fest
angeheftete Keimblase, welche durch wuchernden Trophoblast
mit dem aus dem mütterlicheu Uterusepithel hervorgegangenen
Syncytium fest verbunden ist. Die Keimblase wird ernährt
durch die kombinierte Wirkung von Phagozytosis und von
osmotischem Auswechsel zwischen einerseits allantoiden und
omphaloiden Gefäßgebieten und andererseits einer mütterhchen
lacunären Zirkulation in einem Syncytium gemischter Natur,
dessen embryonale Bestandteüe durch die mütterhchen nach
d(^r Parturition resorbiert werden; 2. bei den sekundär speziali-
sierten Formen: eine sehr lose, zwischen zahlreichen und recht
verwickelten mütterhchen Falten festgehaltene Keimblase, die
in osmotischen Austausch tritt mittels eines omphaloiden Ge-
fäßnetzes auf der schwach konvexen Oberfläche oberhalb des
Embryos, ohne daß irgendwelche Zotten den mütterlichen Falten
entsprechen. Außerdem eine frühe trophoblastische Wuche-
rung, bei welcher Absorption von flüssigem Material aus dem
Uteruslumen wahrscheinlich eine größere Bedeutung hat als
eventuell noch hinzukommende phagozytotische Wirksamkeit.

In allen bestehenden Gattungen von Didelphia sollten die
frühen ontogenetischen Erscheinungen sowie die verschiedenen
Phasen in den gegenseitigen Verhältnissen der Keimblase und
der Uterusschleimhaut völlig bekannt gesteUt werden, damit
wir über alle die Daten verfügen, welche für die Lösung dieser
wichtigen Frage maßgebend sind. Und man muß wirkhch
hoffen, daß diese Gattungen, welche in ihrer Heimat sehr rasch
an Zahl abnehmen, — so daß einige sogar bereits dem Punkte
des Aussterberis sehr nahe gekommen sind — noch einer ein-
gehenden Untersuchung unterworfen werden können, bevor
sie ausgerottet worden sind und dadurch mit Bezug auf diesen
wichtigen Punkt ebenso schweigsam als ihre fossden Ver-
wandten sind.

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Gehen wir zurück zu den Monodelphiern, so bemerken
wir, daß unter diesen noch eine andere Gattung als der oben
besprochene Maulwurf besondere Vergleichungspunkte mit ge-
wissen Didelphia zeigte. Ich meine
Sorex, bei welcher eine
lokalisierte starke Wucherung vom Uterusepithel von mir be-
schrieben worden ist (\'94 A, Fig. 74 u. 80), in welche Allantois-
zotten passen, die in diesem frühen Stadium denjenigen, welche
Hill für
Perameles abgebildet hat (\'98, PL 33, Fig. 28 u. 29),
sehr ähnhch sehen. Gesetzt, es wurde die Schwangerschaft
von
Sorex in diesem nämlichen Stadium von einer Reihe neuer
Anpassungen, wie sie bei den Didelphia vorkommen, zu einem
plötzlichen Ende gebracht, so würde in allgemeinen Punkten
die Ähnlichkeit zwischen
Sorex und Perameles eine unzweifel-
haft auffallende sein. Jedoch ruft die mütterliche epitheliale
Wucherung bei S\'orea; kein Syncytium hervor wie bei
Pera-
meles-,
sondern eine Zellenagglomeration, in welcher Grypten
erscheinen, von welchen jede eine Trophoblastzotte birgt mit
ihrem aus gefäßtragendem Allantoisgewebe bestehenden inneren
Mark.

Die Parallelfälle, welche wir Gelegenheit hatten zu kon-
statieren zwischen Didelphia einerseits, gewissen Insektivoren
und Raubtieren andererseits, veranlassen uns zu der Behaup-
tung, daß ein ähnliches Stadium wohl den Durchschnittsgrad
der Komplikation darstellen wird, welchem die früheste
Säugetierplazentation sich angeschlossen hat, und daß die
sogenannte diffuse Plazenta, wie sie bis jetzt beobachtet wurde,
wohl mit Unrecht als der früheste Ausgangspunkt betrachtet
worden ist. Wir werden gleich nochmals betonen, daß die
diffuse Plazenta im Gegenteil sich als eine sehr spezialisierte
Seitenlinie in der Plazentarphylogenese herausstellt. Unserer
Schilderung der eventuell frühesten Einrichtung soll noch
hinzugefügt werden, daß die Keimblase selbst bei dieser an-
cestralen Form — auf Grund dessen, was wir in Kapitel IV
besprachen — durch eine sehr frühe lokale oder totale Vas-
kularisation des Trophoblastes gekennzeichnet gewesen sein

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muß, und daß dabei ein Haftstiel Dienste leistete, welcher a b
initio die Verbindung zwischen dem Embryonalschild und
dem Trophoblast darstellte. Eine freie Allantois kann in den
allerfrühesten Stadien nicht vorhanden gewesen sein; eine
solche muß erst allmähhch in die Erscheinung getreten sein,
möghcherweise weil die Vaskularisation der vorderen vier
Fünftel der ringförmigen Entodermzone jener des Haftstiels
zeitweilig vorausgeeih ist. Die Area vasculosa auf der Nabel-
blase konnte infolgedessen bereits recht früh in nächste Nähe
der gefäßreichen mütterhchen Schleimhaut gebracht worden
sein, und es dürfte eine frühe omphaloide Plazentation hervor-
gegangen sein aus einer Oberflächenstrecke, welche in der
Vorfahrenreihe ursprünghch nur hämatopoietische Bedeutung
hatte.

Zu gleicher Zeit wurde das Auftreten einer dhekten Chorion-
plazenta verspätet. In späteren Stadien aber holte letztere
die voreilige omphaloide Plazentation wieder ein und ver-
drängte letztere. Damit war die erste Erscheinung einer freien
Allantois eingeleitet.

Daß eine teüweise Vaskularisation des Trophoblastes ver-
mittelst eines primitiven Haftstiels nicht eine nur hypothetische
Möghchkeh ist, beweist uns
Tarsius, welcher mit einem Über-
gangsstadium, wie es hier skizziert wurde, übereinstimmt,
w^ährend die Tarsrns-Keimblase außerdem in dem Uteruslumen
gelagert ist.

Der große Fortschritt, welcher bei den anderen Primaten
(Affen und Mensch) verwirkhcht ist, besteht darin, daß die
Keimblase vermittelst einer viel bedeutenderen Oberflächen-
strecke mh der Uteruswand in Verbindung tritt, und daß die
daraus sich hervorbildende Plazenta — sei es einzeln oder
doppelt — nicht gestieh ist wie bei
Tarsius, sondern sessü;
während die anthropomorphen Affen und der Mensch noch
nebenbei einen so großen Unterschied im Vergleich zu
Tarsius aufweisen, daß die Keimblase gänzlich in das mütter-
liche Gewebe verschwindet und durch die Bildung einer

Hubrecht, Embryologie. j^g

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Decidua reflexa ganz aus dem Uteruslumen entfernt wird
(Fig. 166). Diese Erscheinung der Einkapselung innerhalb der
Schleimhaut scheint bei mehreren Säugetierordnungen unab-
hängig aufgetreten zu sein, und kann in allen Übergangs-
stadien bei verschiedenen Gattungen
(Vespertilio [Fig. 181],
Nagetiere usw.) beobachtet werden.

Die Frage läßt sich aufwerfen, kann aber zunächst noch
nicht beantwortet werden, ob nicht vielleicht die Plazentation
der katarrhinen Affen als eine sekundäre Abänderung sich her-
vorgebildet hat aus einer solchen, bei der eine deuthche Decidua
reflexa existierte. Verschiedene Details scheinen hierauf hin-
zuweisen; Durchforschung der Plazentation zahlreicher Affen-
gattungen, welche bis jetzt auf diesen Punkt noch nicht
untersucht worden sind, ist jedenfalls äußerst wünschenswert.

Die Übersiedlung der sich weiterentwickelnden Keimblase
aus dem Uteruslumen hinaus und deren totale Umhüllung
innerhalb einer Decidua capsularis ist eine Erscheinung
von um so mehr primärer Bedeutung, als dadurch die os-
motischen und phagozytischen Ernährungsprozesse um so
intensiver sein können. Es leuchtet ein, daß diese Entfernung
aus dem Uteruslumen sogleich eine sehr reichhaltige Blutextra-
vasation um die ganze Keimblase herum ermöglicht, zusammen
mit regelmäßiger Erneuerung und Zirkulation dieses mütter-
hchen Blutes. Solches wäre ganz ausgeschlossen, so lange
die Keimblase noch in dem Uteruslumen gelagert ist. Der
Mensch und die anthropomorphen Affen, verschiedene Nager-
gattungen, sowie
Erinaceus und Gtjmnura haben diese Ein-
richtung verwirklicht, und spätere Forschungen werden davon
wohl noch neue Beispiele ans Licht fördern. Wir sind gewiß
berechtigt zu sagen, daß dieses Phänomen der Bildung einer
Decidua capsularis bereits in einem sehr frühen Momente der
Phylogenie der Plazentareinrichtungen zuerst aufgetreten
sein muß.

Diametral einer Intensihkation des phagozytischen und
osmotischen Prozesses (wie wir solches auftreten sehen, sobald

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es zur Bildung einer Decidua capsularis kommt) gegenüber-
gestellt ist eine andere Erscheinung, welche selbstverständ-
hch eine Kombination mit der Einkapselung ausschheßt, näm-
hch eine frühe Größenzunahme der Keimblase. Dadurch
wird deren Totaloberfläche im Vergleich zu jenem kleinen
Ted davon, welcher sich zum Embryo ausbddet, um so aus-
gedehnte,!. Die Aufnahme von Nahrungsmaterial, entweder
aus dem Uteruslumen oder weniger direkt aus der vaskulari-
sierten Schleimhautoberfläche, - sei diese noch von einem

Epithehum bedeckt oder dessen entbehrend — wird somit
leichter. \'

Diesei Sachlage fanden wir verwirklicht bei Ungulata, Ceta-
cea, und: bei gewissen Edentaten. Für Schaf und Schwein
haben Boinnet und Keibel sowie auch noch frühere Autoren
uns bekannt gemacht mit einem sehr ausgedehnten Wachstum
der gelegentiich sogar röhrenförmigen Keimblasen (Fig. 184
und 185), lauf deren Oberfläche der Keimschild nur einen kaum
erkennbaren Raum einnimmt (Totahänge der Keimblase 21 cm,
Breite 1 mm, Länge des hierzu gehörigen Keimschildes 1 mm)\'
Diese bedeutende Oberflächen
Vergrößerung, welche auch bei
den Pferden und anderen Ungulaten angetroffen wird, die zu
gleicher Zeit die Vertreter der diffusen und
poly-cotyledonaren
Plazentation sind, sieht man also in gewissem Sinne parallel
gehen mit einer nicht unbedeutenden Größenzunahme des er-
wachsenen Tieres, mit gleichzeitiger Vergrößerung des meist
zweihörnigen Uterus.

Die Verhältnisse, in welchen wir bei diesen Ungulaten die
freie Allantois antrefi-en, zeigen uns, daß die bedeutende Ver-
größerung der Keimblase erst eingetreten ist, nachdem sich
eme freie Allantois bereits aus früheren Einrichtungen hervor
gebildet hatte. Bevor die Allantois sich gegen die innere
Oberfläche des Diplofrophoblastes ausdehnte, hat die äußere
Trophoblasthülle voUe Gelegenheit zur Entfaltung einer be-
deutenden Aktivität mit Bezug auf die Verdauung und den
Transport der Detriten im Uteruslumen, sowie der „Uterinmilch"

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genannten Flüssigkeit in die Keimblasenhöhle hinein. Nach-
dem die allantoide Vaskularisierung des Diplotrophoblastes
zu Stande gekommen ist, wird letztere gegen die mütterliche
Oberfläche angepreßt, wo an zahlreichen unabhängigen Stellen

(den sogenannten Carunculae) das Gewebe vorbereitet worden
ist durch die Bildung sogenannter Cotyledonen, in welche
Gruppen allantoider Zotten hineinpassen. Bei anderen Un-
gulaten gibt es keine Cotyledonen, aber die mütterliche Ober-
fläche zeigt ein dichtes Netzwerk von Falten und Krypten, in

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welche damit korrespondierende Zotten oder Falten der Keim-
blase hineinpassen. Bei der poly-colytedonären Plazentation ist
die osmotische und die phagozytotische Nahrungsaufnahme
noch kombiniert; bei der diffusen des Pferdes möchte es
scheinen, als ob der osmotische Wechsel zwischen mütterlichem
und embryonalem Blute (welcher über die ganze ausgedehnte
Oberfläche stattfindet, wo die Zotten von den Krypten umfaßt
werden) bei weitem der phagozytotischen Nahrungsaufnahme
überlegen ist. Es ist eine vollständige doppelte Epithelschicht
vorhanden, eine mütterliche und eine trophoblastische, welche
überall die beiden Blutflüssigkeiten von einander trennt. Immer-
hin scheint die bedeutende Oberfläche, über welche die zwei
Gefäßsysteme mit einander in enger Berührung sind, aufzu-
wiegen gegen die geringere Dünnheh der sie trennenden
Membran. Somit scheint mh die Plazentareinrichtung des
Pferdes ein extremer FaU von Spezialisierung derjenigen wie sie
bei Carnivoren, einigen Insektivoren und Didelphia eine primi-
tivere, aber zugleich eine kompliziertere war. Die Anheftun^
der Keimblase mittels der adhäsiven und phagozytischen
Eigenschaften der Trophoblastzellen scheint zu einem Minimum
reduziert zu sein; die Phagozytosis, welche bestimmt bei den
Artiodactylen eine mehr aktive ist — wo auch die Anheftung
mittels der Cotyledonen eine etwas festere ist — trht beim
Pferd kaum hervor, während die Möghchkeit des Auftretens
osmotischer Prozesse zwischen großen Oberflächen von mütter-
lichem und fötalem vaskularisierten Epithelgewebe ihren
höchsten Entwicklungsgrad erreicht hat.

Es hat somh die polycotyledonäre Einrichtung mehr erb-
liche Punkte mit der oben beschriebenen primitiven Plazentation
gemein als die difi~use.
Tragulus meminna wurde zur näheren
Befestigung dieser Punkte bereits zitiert (S. 157). Auch würde
der geringere Spezialisierungsgrad, welchen wir im Gliedmaßen-
skelett antreffen, übereinstimmen mit der geringeren Ausbil-
dung plazentaler Spezialisation. Die Reihenfolge der plazentaren
Komplikation sollte somit invertiert werden: Nicht die poly-

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cotyledonäre Einrichtung bildet einen Fortschritt der diffusen
gegenüber, sondern die diffuse sollte als die letzte Stufe der
Vereinfachung betrachtet werden, welche die Plazentarvor-
gänge bei den Ungulaten erlitten haben, ausgehend von den
obenerwähnten Einrichtungen, welche, obschon komplizierter,
dennoch archaischer waren. Die primitiven allerfrühesten
Stadien sind uns unbekannt und weerden wohl immer unbekannt
bleiben, da diese Übergangsformen in dem paläozoischen Zeit-
alter existiert haben müssen.

Die diffuse Plazentation der Lemuren sollte als ein zweiter
Fah einer vereinfachten Einrichtung beobachtet werden, w^el-
cher zu einem dem Pferde sehr ähnhchen Resultat führt, aber
nicht notwendigerweise (jedoch nicht unmöglicherweise) auf
genau demselben phylogenetischen Wege. Es liegt kein Grund
vor, warum diese Vereinfachung nicht mehr wie einmal
hat auftreten können; auch bei den Edentaten gibt
Manis,
wie es bereits früher ausgeführt wurde, davon ein anderes
Beispiel.

Daß bei den Lemuriden die Evolution der diffusen Pla-
zenta eine andere gewesen, kann zum Teil durch die Tat-
sache wahrscheinhch gemacht werden, daß wir bei
Nycticebus
eine sehr auffallende frühe Erscheinung zu registrieren haben.
Bereits haben wir bei Insektivoren, Rodentia und Carnivoren
die sehr frühe und effektvolle Verklebung der jungen Keim-
blase mit der Uteruswand besprochen, sowie die Plazentations-
vorgänge, wie sie sich daran anschließen.
Nycticebus hat nun
Fruchthüllen, welche während der letzten Hèilfte der Schwanger-
schaft zusammen mit dem Fötus sehr leicht aus den mütter-
hchen Krypten hinausgew^aschen werden können, da die Tropho-
blastzeUen in keiner Weise mit dem mütterhchen Gewebe ver-
klebt sind. Es gibt zwei intakte Epithelschichten zwischen dem
mütterhchen und dem fötalen Blute (Fig. 173 u. 174). Somit
würden
wir erwarten, daß die frühe Keimblase sich auch nicht
einer festen Verbindung mit der Uteruswand wmrde rühmen
können, doch mh jener des Pferdes, Schw^eines (Fig. 184),

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Schafes (Fig. 185) übereinstimmen würde. Nun unterscheidet
sich aber
Nijcticehiis von allen diesen letzteren dadurch, daß
in den frühen Stadien, wo die Keimblase einen Durchmesser
von 5—11 mm besitzt, sie sehr fest an ihrem Platz im Uterus-
horn, wo wir sie antreffen, festgehalten wird und zwar infolge
einer anderen Besonderheit. Das Horn (und die Keimblase,
welche sich darin befindet) haben nämlich eine ganz außer-
gewöhnhche Ausdehnung erlitten; die mediane Abtedung der
Geschlechtswege ist dahingegen keineswegs an dieser Ver-
größerung beteiligt (Hubrecht \'94 B, Taf. 9). Folglich wird die
Keimblase sehr erfolgreich an ihrem Platz festgehalten, wenn auch
keine etwaige Oberflächenverklebung besteht, und die beiden
intakten epithelialen Oberflächen, die uterine und die tropho-
blastische miteinander in Berührung sind und letztere noch keine
Spur von Falten oder Zotten zeigen. Da es auch hier Uterin-
drüsen gibt, würde man erwarten, daß die erwähnten Oberflächen
durch die Abscheidungen dieser Drüsen schlüpfrig gemacht
werden soUten, und daß folghch eine Expulsion der Keimblase
nicht ausbleiben würde. Es ist aber eben, wie wir sahen, die
Schwellung und Ausdehnung nur auf das Horn selbst be-
schränkt, in welchem es folglich, wie ich das anderweitig be-
schrieben habe (\'07, p. 35), öfters sehr schwierig sein kann,
um die genaue Situation des Embryonalschildes zu bestimmen.

Der Unterschied in diesen frühen Einrichtungen erlaubt
uns, die diffuse Plazentation der Lemuren als von jener der
Ungulaten verschieden zu betrachten. Sie ist nicht notwendiger-
weise derselben erbhchen Entwicklungshnie entlang entstanden.

Wir haben jetzt den maximalen Grad der Vereinfachung
der plazentalen Einrichtungen von Ungulaten, Lemuren und
Edentaten, welche auch bereits im vorigen Kapitel gestreift
wurden, genügend besprochen. Bei aflen wird ein osmodscher
Auswechsel zwischen dem Inhalt der kapdlären (nicht lakunären)
Gefäße der mütterlichen Schleimhaut und der fötalen Haar-
gefäße in den Trophoblastzellen erreicht. Die Totaloberfläche,
über welcher dieser osmotische Auswechsel zu Stande kommt.

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ist sehr bedeutend geworden, und zu gleicher Zeit ist irgend
eine Verwachsung zwischen Trophoblast und Uterusepithel
aufgegeben worden, und trennen zwei intakte epitheliale
Schichten das mütterliche vom embryonalen Blut.

Wir müssen jetzt einige der hauptsächlichsten Abweich-
ungen von dem zentralen Plazentationsplan, von welchem
wir nach verschiedenen Seiten hin ausgegangen sind, zur Be-
sprechung bringen und zwar zunächst solche, wo wir anstatt
einer Oberflächen Vergrößerung, behufs osmotischen Wechsel-
verkehrs, eine Intensifikation des Prozesses auf eine beschränkte
Oberfläche beobachten. Wir können dies selbstverständlich bei
denjenigen Säugetieren erwarten, welche nicht durch Größen-
zunahme des erwachsenen Tieres (wie bei so vielen Ungu-
laten) sozusagen günstige Umstände hervorgerufen haben für
eine Oberflächenvergrößerung während der Plazentarvorgänge.
Nun finden wir tatsächlich bei den Nagetieren, aber ganz be-
sonders bei den Insektivoren und Primaten solche intensiflzierte
Prozesse, wie sie hier gemeint sind.

Oben wurde bereits darauf hingewiesen (S. 143), daß be-
hufs einer solchen Verschärfung des osmotischen Auswechsels
das Entfernen der Keimblase aus dem Uteruslumen, sowie
ihre totale Einschließung innerhalb der Schleimhaut durch
die Bildung einer sogenannten Decidua reflexa oder capsularis
ein entscheidender Moment ist. Die zwei treffendsten und zu
gleicher Zeit vollständigsten Fälle treffen wir (was bereits früher
angegeben wurde) beim Igel und beim Menschen. Dennoch
sind die beiden Fälle in mehreren Hinsichten verschieden; sie
stimmen jedoch in dieser Hinsicht überein, daß, indem bei
den primitiven Plazentationsfällen eine Kombination von Phago-
zytosis und Osmose während einer verhältnismäßig langen
Schwangerschaftsperiode vorherrscht, beim Igel sowie beim
Menschen die Phagozytosis zu Anfang sehr intensiv ist, und
sodann eine zweite Periode nachfolgt, während welcher der
osmotische Wechsel viel verbessert wird. Eine solche Ver-
besserung wird auf zwei Wegen erreicht: Erstens wird das

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Gewebe, welches das mütterliche und das embryonale Blut
trennt, sehr bedeutend verdünnt, und während wir noch zwei
epitheliale und zwei endotheliale Schichten zwischen mütter-
hchem und embryonalem Blute bei vielen Ungulaten be-
obachten, sehen wir, daß diese bei den Insektivoren und Primaten
reduziert werden können auf eine einfache Membran von
äußerster Dünnheh. Wir brauchen nicht hervorzuheben, einen
wie großen Unterschied dies für die osmotische Wechsel-
wirkung darstellt, welche dadurch sehr viel wirksamer wird, so
daß wir somit mit Recht behaupten können, daß die Primaten
und viele Insektivoren im Vergleich mit unserem archaischen
Typus einen Fortschritt repräsentieren im selben Sinne, wie die
Ungulaten einen Rückschritt bezeichnen.

Eine zweite Verbesserung, durch welche Intensihkation
des osmotischen Vorganges hervorgerufen wird, hndet sich in
dem Maß der Ausdehnung, in welchem die embryonale gefäß-
reiche Oberfläche in Berührung mit mütterlichem Blute gebracht
wird. Auch hier sehen wir, daß der Mensch, und in etw^as
geringerem Grade die Affen, unzweifelhaft ein Maximum der
Intensifizierung der Osmose vergegenwärtigen. Die sehr zahl-
reichen und feinverzweigten Ahantoiszotten, nur von der eben
erwähnten äußerst dünnen Gewebeschicht bedeckt, bieten eine
um so größere Oberfläche für die osmotischen Prozesse eben
dadurch, daß sie frei in dem mütterhchen Blute flottieren und
dadurch von ahen Seiten umspült werden, während z. B. bei
Tarsius, beim Igel und bei anderen Insektivoren — obschon
auch bei ihnen nur eine sehr dünne Membran mütterliches
und fötales Blut trennt — doch im Durchschnitt uns ein
sehr zartes wabiges Gewebe feinster membranöser Struktur ent-
gegentritt, zwischen welches diese Ahantoiszotten aufgehängt
sind. Da letztere also nicht frei suspendiert sind, sondern
ausgedehnt sind zwischen und getragen werden von dem hier
angedeuteten Maschenwerk, muß die Totaloberfläche, welche
für osmotischen Auswechsel verfügbar ist, notw^endigerweise
relativ bedeutend geringer sein.

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Es möchte scheinen, als ob in der menschhchen Plazenta
den phagozytischen Prozessen noch ein gewisser Spielraum
gelassen wird, und zwar in der Erscheinung der sogenannten
„Syncytialzellen", welche hie und da auf den Zotten angetroffen
werden und nichts anderes sind als Reste des Plasmaditropho-
blastes (cf Bryce und Teacher \'08). Eine wichtige Tat-
sache, welche auf Seite 155 erwähnt wurde, ist die von Asshe-
ton (\'06) gemachte Entdeckung der frühen Plazentarstadien
bei einer so primitiven Ungulate wie
Hyrax. Sie verstärkt die
Wahrscheinhchkeit sehr bedeutend, daß die oben verteidigte
Vereinfachung, welche in der Phylogenie der Ungulatenplazen-
tation eingetreten sein soll, in der Tat die genaue Erklärung
gibt von den von uns beobachteten Erscheinungen.

4. Zusamnienfassung der Kapitel lY und T.

Beim Abschluß dieser beiden Kapitel möchte ich noch
darauf hinweisen, daß wir eine unleugbare Aktivität in dem
Trophoblast von monodelphen und didelphen Säugetieren nach-
gewiesen haben, welche der Plazentation vorangeht und sie
begleitet, und daß wir zur selben Zeit gezeigt haben, daß in
denjenigen Ordnungen, wo eine solche Aktivität fehlt oder un-
bedeutend ist(Lemuren, gewisse Edentaten und viele Ungulaten),
die Plazentation als durch verschiedene Umstände sekundär
abgeändert zu betrachten wäre. Es fehlt nicht an direkten
Anzeichen dieses retrograden Prozesses.

Wenn dies der Fall ist, und wenn somit der allbekannte
und scheinbar natürliche Ausgangspunkt, wie er uns für die
Feststellung derPhylogenie der Plazentation von der sogenannten
diffusen Plazenta geboten wird, zusammenbricht, haben wir
den Versuch zu machen, diese Phylogenie — über welche die
Paläontologie uns nie Daten zu verschaffen im Stande ist —
auf ganz anderer Basis zu gründen.

Diese Basis ist jedoch von der Vollständigkeit noch weit
entfernt. Nur zu wenig wissen wir noch von den histologi-

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sehen Einzelheiten des Plazentationsprozesses bei der großen
Mehrzahl der Säugetiere, und selbst wenn wir mit all diesen
Details bei allen noch rezenten Säugetieren völlig bekannt
wären, so würden wir dennoch erkennen müssen, daß der Leit-
faden zur Beantwortung mehrerer Fragen phylogenetischer
Bedeutung bei den ausgestorbenen Gattungen hat angetroffen
werden müssen.

Dennoch dürfen wir sagen, daß, wenn einerseits die Details
der Plazentation uns dazu verhelfen, natürliche Affinitäten für
das Gruppieren der Säugetiere aufzudecken, andererseits keine
Plazentargruppierung zugelassen werden soüte, wenn sie dazu
führen würde, natürhch verwandte Säugetiere zu trennen oder
natürhch divergente künsthch zusammen zu gruppieren, wie
wir das auf Seite 180 diskutiert haben.

Viviparität und Plazentation sind mit der Entwicklung von
Allantois und Amnion Hand in Hand gegangen. Und nur
nachdem die beiden letzten bei den frühen viviparen Tetrapo-
den des paläozoischen Zeitalters aufgetreten waren, haben sich
gewisse Seitenlinien der Entwicklung abgezweigt von dem
Hauptstamm, welcher zu den modernen Mono- und Didelphia
und zum Menschen hinüberführt.

In diesen Seitenlinien trat Oviparität wieder in den Vorder-
grund, und bei ihnen treffen wir die Vorfahren der Ornitho-
delphia und der Sauropsida.

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Kapitel VI.

Erwägungen, welche die Phylogenese und die syste-
matische Einteilung der Vertebraten betreffen.

Wir haben in den vorangehenden Kapiteln darzulegen
versucht, daß gewisse fundamentale Anschauungen über Frucht-
hüllen und Plazentation der höheren Vertebraten einer er-
neuten kritischen Analyse sehr bedürftig sind. Vor einiger
Zeit kamen wir zu ähnlichem Schlüsse (\'02, \'05) in Bezug auf
die Gastrulation der Vertebraten. i)

Ich werde in diesem Kapitel versuchen, diejenigen Schluß-
folgerungen bezüghch der systematischen Einteilung der Verte-
braten zu ziehen, zu welchen eine sorgfältige Abwägung der
beobachteten Tatsachen uns berechtigt. Es wird sich eine
kurze Skizze daran anschheßen — z. T. bereits in früheren
Publikationen (\'02, \'05 a) enthalten — von dem, was wir uns von
den wahrscheinhchsten, hypothetischen wirbellosen Vorfahren
denken müssen, zu welchen alle diese Anschauungen hinführen.

Es soll dann in erster Linie daran erinnert werden, daß
eine primäre Einteilung der Wirbeltiere besteht, und zwar in
zwei große, scharf gegeneinander abgegrenzte Gruppen, jene
der Amniota (Mammalia, Sauropsida) und der Anamnia
(Ichthyopsida). Schon seit lange geht damit parallel und ist

Jl

\') Keibel (\'05) und Brächet (\'05) haben die Überzeugung ausgesprochen,
dai3 ihnen diese geänderten Ansichten (die Vertebratengastrulation betreifend), mehr
zusagen als die geläufigen. Diese Übereinstimmung ist um so erfreulicher für mich,
als Keibel nach seinem umfangreichen Aufsatze in Bd.
10 der Ergebnisse der
Anatomie und Entw.-Geschichte eine schwerwiegende Stimme zuerkannt werden muß.

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damit identisch jene in Allantoidea und Anallantoidea.
Die Tatsache der Existenz einer doppehen charakteristischen
Unterscheidung hat unser Vertrauen in die Bedeutung dieser
primären Einteilung der Vertebraten selbstverständhch be-
stärkt.

Demgegenüber haben wir seither erfahren, daß es schwer
fallen würde, die Primaten bei den wahren Ahantoidea ein-
zureihen, indem eine freie Allantois in dieser Ordnung fehlt.
Nebenbei haben wir gesehen, daß von noch höherer Be-
deutung als Amnion und Ahantois jene äußere embryonale
Zehenschicht, der Trophoblast ist, die ihrerseits eine Larven-
hülle von sehr hohem Alter darstellt.

Der Trophoblast, der am deuthchsten ist bei Säugetieren,
ist sehr viel schwieriger aufzufinden bei den Sauropsiden, und
nur durch sorgfältige Vergleichung von ah den Variationen,
welche sich uns darbieten in seinen Verhältnissen zu dem em-
bryonalen Epiblast bezw. bei Mono-, Di- und Ornithodelphia,
ist er bei Reptihen und Vögeln nachzuw eisen.

Deuthcher als die Verhältnisse bei den Sauropsida sind
gewisse Trophoblastreminiszenzen bei vielen Amphibien, bei
Dipnoi und bei Teleostomen. Sie treten während des frühen
Larvenlebens hervor als eine äußere, vielfach dunkler pig-
mentierte und auch meistens abgeflachte Zellschicht, w^elche
während der späteren Entwicklung verschwindet und welche
in Bezug auf ihr Verhalten zu dem sonstigen Embryo sich auf
eine Linie stellt mit dem Trophoblast der Säugetiere. Weder
bei den Amphibien noch bei den Dipnoi oder Teleostomen be-
teiligt sich diese Zellschicht in irgend einer Weise an der
Bhdung eines Amnions oder irgend einer Fruchthülle, welche
den Embryo irgendwie schützen könnte. Ihre Bedeutung als
zeitweilige äußere Schicht ist jedoch unverkennbar, auch wenn
man sich ihrer Betehigung an der Bildung gewisser ober-
flächhcher, meistens larvaler Strukturen bewußt ist. Und wir
w^erden gezwungen uns die Frage vorzulegen, ob wir nicht
eben deswegen berechtigt wären zu sagen, daß zusammen

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mit den Säugetieren und Sauropsiden auch diese Wirbeltiere
herstammen von Ahnenformen, bei welchen eine vorübergehende
Larvenhülle eine hervorragende Rolle spielt. Ein ähnliches
Verhalten zeigen uns verschiedene Wurmklassen
{Nemertea,
Gephyrea),
in welchen gewisse Formen sich im Besitze bestimmter
Larvenhüllen befinden, welche anderen verwandten Formen
abgehen.

In diesem Falle würde eine weitere Frage sein: stehen in
dieser Hinsicht die Knorpelfische abseits, und wie verhält es
sich mit den Cyclostomen und mit
Amphioxusl

Über die Abwesenheit in letzterer Gattung von irgend
etwas, das als äußere Larvenhülle aufzufassen wäre, kann
kein ernstlicher Zweifel sein, nachdem ihre frühe Ontogenese
durch eine so große Anzahl der tüchtigsten Forscher so
gründhch untersucht worden ist. In Bezug auf Haie und
Rochen können wir ebenso bestimmt sagen, daß keiner von
denen, welche sich mh ihrer Entwicklungsgeschichte be-
schäftigt haben, eine einzige Tatsache ans Licht förderte,
woraus zu folgern wäre, daß irgend etwas wie die Deckschicht
der Teleostomen, Dipnoer oder Amphibien bei irgend welchen
Knorpelfischen angetroffen whd. Wir gestehen gern ein, daß
wir durch das Beispiel der Sauropsiden doppelt vorsichtig sein
müssen in ahen Fällen, wo die Abwesenheh einer Tropho-
blastschicht vielleicht nur scheinbar sein könnte. Aber im
Fall der Knorpelfische sind bezüglich zahlreicher anderer
Punkte ihrer vergleichenden Anatomie die Differenzen mit den
höheren Vertebraten so bedeutend (wie auch oben auf S. 116
schon hervorgehoben wurde), daß es ratsam erscheint, es für
die Knorpelfische als möglich zu betrachten, daß sie von Vor-
fahren ohne äußere Larvenhülle abstammen.

Für Cyclostomen gilt die nämhche Betrachtung, wenn es
auch nicht zu leugnen ist, daß wh in dieser Gruppe Tiere
vor uns haben, deren Degeneration und Regression ver-
bunden mit Organveränderungen so weit gegangen ist, daß
es vieheicht nicht unmöghch wäre, daß sie später noch

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an bis jetzt unbekannte höhere Vertebratenformen angeknüpft
werden könnten.

Es stellt sich also die Frage: Sind wir berechtigt, in dem
Wirbeltiersystem die Trennungslinie, welche allgemein ange-
nommen isti) und welche die Ichthyopsida einerseits, die Saurop-
sida und Mammaha andererseits voneinander scheidet, anders-
wo hin zu verlegen? Und sind wir vielleicht genötigt, eine
primäre Eintedung zu akzeptieren, welche auf der einen Seite
Cyclostomata und Elasmobranchü zusammenbringt und auf die
andere Seite die Teleostomi, Dipnoi, Amphibia, Sauropsida
und Mammaha stellt?

Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß ich kein Recht hätte,
eme so radikale^ Umänderung vorzuschlagen, wenn sie nur
auf jenen Argumenten fußte, welche in diesem Aufsatz in
den Vordergrund getreten sind und welche darauf hinaus-
gehen, daß die zweite Gruppe charakterisiert wird durch das
mehr oder minder deuthche Hervortreten einer additioneilen
Larvenhülle, des Trophoblastes, während in der ersten Gruppe
sich von ebensolcher Larvenhülle bis jetzt keine Spuren ge-
zeigt haben.

Sobald wir uns nun aber tiefer in die Frage hineindenken
und nachzuforschen suchen, ob nicht auch noch weitere Eigen-
tümlichkeiten da sind, welche diese neue Trennungslinie zu
verstärken vermöchten, indem sie zeigen, daß auch noch in
Bezug auf andere Punkte die beiden Gruppen ebenso scharf
von einander zu unterscheiden sind, so verschaffen wir der
vorgeschlagenen radikalen Änderung eine breitere Unterlage.

Meiner Meinung nach gibt es sogar zwei verschiedene
Tatsachenreihen, welche für die hier neu vorgeschlagene
Trennungslinie sprechen.

Die erste wird dargeboten von jenen Organen, welche
mit den respiratorischen Prozessen in engster Verbindung

Eine Ausnahme macht hier Ray Lankesters Artikel über Vertebrata in der
Encyclopaedia britannica, in welcher er mit prophetischer Voraussicht diese Einteilung
völlig ignoriert.

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stehen und welche wir Lungen und Schwimmblase nennen.
Nach Spengels (\'04) und Goettes (\'04) klaren Auseinander-
setzungen kann es kaum mehr einem Zweifel unterliegen, daß
wir berechtigt sind, alle die verschiedenen Modifikationen von
Lungen und Schwimmblasen (ob letztere doppelt, ventral oder
einzeln und dorsal gelagert sein mögen) als Abkömmlinge von
anfänglich hinteren Kiemenspalten zu betrachten.

In diesen wurde Funktionswechsel langsam veranlaßt, wohl
parallel mit vorbereitenden Schritten in der Richtung auf eine
zu erwerbende terrestrische Lebensart.

Es werden nun die hier bezüglichen Strukturen angetrolfen
bei Teleostomen, Dipnoi, Amphibia, Sauropsida und Mam-
malia. Nie wurde auch nur eine (haltbare!) Andeutung ihres
Vorhandenseins bei Elasmobranchii und Cyclostomen vor-
gefunden. Wir haben hier also eine Tatsachenvorlage, welche
als bestätigendes Argument der dem Trophoblast entlehnten
dienen kann, um die neue Trennungslinie annehmbar erscheinen
zu lassen.

Und ich möchte die Aufmerksamkeit derjenigen, welche
in der Annahme dieser neuen Trennungslinie zwischen Knorpel-
und Knochenfischen noch zu zögern geneigt sind, auch noch
auf eine weitere Gruppe von Betrachtungen lenken, welche
meiner Ansicht nach bis jetzt noch nicht gehörig berücksichtigt
worden sind.

Es betrifii"t folgendes. Es macht wohl niemandem Schwierig-
keit, die Cetaceen als Abkömmlinge landbewohnender Säuge-
tiere zu betrachten, noch auch die Sauropterygia und Ichthyo-
pterygia von solchen Reptilien herzuleiten, welche bereits
luftatmende Landtiere waren. Demgegenüber ist die Frage
noch nicht genügend erwogen worden, ob nicht auch viele
Dipnoi, Ganoidei und Teleostei terrestrische Vorfahren gehabt
haben mögen? Ich gestehe, daß wir hier ein Gebiet schranken-
loser Hypothesen betreten, aber andererseits soll doch auch aus-
drücklich hervorgehoben werden, daß diese heuristische Annahme
auf ihrenWert geprüft werden muß. Wenn wir einmal zugeben, daß

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luftatmende, behaarte und mhchabsondernde Vierfüßler, die zu
Anfang Landtiere waren, sich nachträglich so vohständig und
so gründhch in all ihren Funktionen an das Leben auf hoher
See angepaßt haben, wie es die Walhsche taten, wie könnten
wh uns dann darüber wundern, daß im paläozoischen Zeitalter,
als zum erstenmal das Leben auf dem Trocknen möghch
wurde, und fremdartige amphibisch-lebende Protetrapoden das
Wasser verließen und sich dem atmosphärischen Medium an-
paßten, bei zahlreichen Gelegenheiten Seitenzweige
von diesen frühesten Landtieren wieder zum vollen
Wasserleben zurückkehrten. Sie behielten dann gewisse
erbliche Kennzeichen, welche darauf hinwiesen, daß sie bereits
einmal Luftatmer gewesen waren.

Bis jetzt kennen wh nur einen so lächerlich geringen Teil
von aU den fossilen Tieren, die in dem paläozoischen Zehalter
lebten, daß es nicht gewagt erscheint zu behaupten, daß in
der Zukunft noch viele fosshe Überreste ans Licht gefördert
werden dürften, bei welchen diese Frage zu stehen sein wird.

Und wenn wir dieser unzähligen Reihen von Arten,
Gattungen, Famhien und Ordnungen eingedenk sind, von
welchen wh bis jetzt überhaupt nichts wissen, ist es dann un-
wahrscheinlich, daß in jenen früheren Epochen der Welt-
geschichte dieselbe Erscheinung einer sekundären Rückkehr
zum wässerigen Medium immer wieder eingetreten ist?

Wenn es mh erlaubt wäre, auf ein Beispiel hinzuweisen,
so würde ich
Polypterus wählen und fragen, ob dessen paarige
und ventrale Schwimmblase nicht bereits einem völlig luft-
atmenden Vorfahren als effektive Doppehunge hat dienen
können, und ob Klaatschs Hypothese (\'96) betreffs der Phylo-
genese des Ghedraaßenskelettes von
Polypterus nicht einfach
in der umgekehrten Reihenfolge aufzufassen wäre, so daß die
zentrale Platte mit den zwei längeren Knochenröhren rechts
und links nicht mh Klaatsch als ein sich im ersten An-
fang behndender Carpus mh sehhch davon gelagerten Radius
und Ulna zu betrachten wäre, sondern als eine Adaptation an

Hubreoht, Embryologie.

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die wieder aufgenommene Lebensweise im Wasser von den-
jenigen Skeletteilen, welche bereits einem landbewohnenden
Vorfahren als ein stützendes Extremitätenpaar gedient hatten.

Ähnliche Fragen könnten auch gestellt werden in Bezug
auf die Dipnoi, welche in dem devonischen Zeitalter auch
schon fünfzehige tetrapode Zeitgenossen gehabt zu haben
scheinen, wie man aus den Fußspuren schließen darf Sogar
bei den Teleostei
{Saccobrancfms und Anabas scandens) sind
auch heute noch evolutionäre Prozesse im Gange, welche
darauf hinausgehen, eine Lebensweise im Wasser z. T. durch
eine in der atmosphärischen Luft zu ersetzen.

Die Schwimmblase der Teleostier — welche, wie allgemein
anerkannt wird, sich ableiten läßt aus Verhältnissen, wie sie
z. B.
Polypterus bietet, und nicht umgekehrt — zeigt uns auch
noch jene eigentümliche Besonderheit, daß sie bei nahever-
wandten Spezies einer und derselben Gattung
(Scomber, Sebastes,
Umbrina, Thynnus, Chironectes)
vorhanden sein kann, während
sie bei anderen fehlt. So berichtet Stannius (Zootomie der
Fische, 2. Aufl. 1854, S. 22), daß
Scomheresox Camperi eine
Schwimmblase besitzt, während eine solche bei
Scomheresox Ron-
deleti
fehlt. Von anderen Familien (Squamipennes, Taenioidei,
Siluridae, Cyprinidae, Clupeidae usw.) wird dasselbe erwähnt.
Es scheint mir dies darauf hinzuweisen, daß wir in der
Schwimmblase ein Organ vor uns haben, welches bereits auf
dem Wege ist, rudimentär zu werden, was sich nebenbei
daraus ableiten läßt, daß die Schwimmblase von ziemlich un-
wesentlicher Bedeutung ist für das Leben mancher Teleostier
in ihren jetzigen Lebensverhältnissen.

Selbstverständlich ist die Tatsache, daß es eine so
große Anzahl Teleostier gibt, kein haltbarer Grund um zu
behaupten, daß ihr ganzer Stammbaum immer im Wasser
herangewachsen ist.

Während ich beim Korrigieren der Druckbogen dieses Aufsatzes bin, kommt
mir Asshetons: Development of
Gymnarchus nüoticits in die Hände (Budgett
Memorial Volume, 1908). Ich finde, daß die Möglichkeit eines invertierten Stamm-

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Ich will nicht so weit gehen, zu sagen, daß alle Teleo-
stomen und Dipnoi von luftatmenden terrestrischen Tetrapoden
abstammen, weil das Material, worauf eine solche Folgerung
zu fußen hätte, viel zu dürftig ist; aber andererseits würde
ich aus demselben Grunde mich nicht für berechtigt halten es
demjenigen Naturforscher zu verbieten, der nun einmal so 4eit
gehen möchte. Sicherlich soll man darauf achten, daß die
anfänghchen aeropneustischen Bedingungen, welche auf die
Anpassung von hinteren Kiemenspalten an Luftrespiration ge-
folgt sind, nicht notwendigerweise eine terrestrische Lebens-
weise verlangt haben. Dennoch wird letztere gewiß dazu mit-
gewirkt haben können, um noch weitere Anpassungen an eine
terrestrische oder vielmehr amphibische Existenz hervorzurufen.

Ich muß hier noch eines anderen Grundes Erwähnung
tun, der mit demjenigen, den wir der Schwimmblase und den
Lungen entlehnten, parallel geht.

Es ist eine osteologische Beweisführung, die unsere Auf-
merksamkeit darauf hinlenkt, daß die gegenseitigen Verhält-
nisse der Verknöcherungen auf Schädel und Kiemenbogen
der Teleostomen in so hohem Maße in Anzahl, Folgerung
und Lage (sowie auch in Entwicklung) gleichnamigen Ver-
knöcherungen bei Amphibia, Sauropsida und Mammalia ho-
molog sind.

Wenn wir uns auf die vergleichende Osteologie des
Kopfes beschränken, so können wir sagen, daß die Überein-
stimmung äußerst suggestiv ist und daß, da doch niemand
eine Deszendenz der Landtiere von Teleostiern befürwortet
diese Übereinstimmung sicher für die Möghchkeit der um-
gekehrten Annahme sprechen dürfte.

Diese Annahme wäre dabei so aufzufassen - wie oben

baumes der Knochenfische darin auf Gründen, welche nicht nur der Lunge und Schwimm-
blase entlehnt srnd, diskutiert, sondern an der Hand von noch weiteren entw^kZgl
gesehrchtbehen Absonderlichkeiten bezüglich des Gefäflsystenres und der Kielen rn :o
Paragraphen zusammengestellt wird
(1. c. S. 407). Da Gymnarchus einer primitiven Fa-
mrbe vonTeleosteiMalacopterygü angehört, so kann es nicht Wunder nehmen, daß ich mlh
Uber eme Unterstützung freue, die mir auf so ganz verschiedenem Wege darg\'ebrachtwTr^

14*

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bereits dargelegt, — daß genau abzuwägen wäre, inwieweit eine
Rückkehr zum wässerigen Elemente hätte stattfinden können,
vielleicht polyphyletisch und zu verschiedenen Momenten in
der Erdgeschichte?

Es kann keinem Zweifel unterhegen, daß wir aus der Palä-
ontologie die Argumente zu entlehnen haben werden, welchen
entscheidendes Gewicht zukommen wird, um diese schwierigen
phylogenetischen Probleme einer Lösung näher zu bringen.
Nie können wir hoffen, hier mit splanchnologischen oder mit
ontogenetischen Tatsachen Förderndes herbeischaffen zu können.

Jedenfalls dürfen wir erwarten, daß irfi Laufe der weiteren
Aufdeckung von neuen, unbekannten fossilen Resten und
der Weiterbildung unserer Kenntnisse über das paläozoische
Zeitalter einige dieser fossilen Funde doch wohl gewiß
von Bedeutung sein werden für die hier in Rede stehende
Frage.

Eine Einteilung der Vertebraten in die Superklassen der
Cyclostomata, Chondrophora und Osteophora würde sich hier
empfehlen.
AmjMoxtis wäre noch weiter zu isolieren in die
Superklasse der Cephalochordata.

Die Chondrophora würden dann die Elasmobranchier um-
fassen, die Osteophora ah die anderen höheren Vertebraten.

Bei der weiteren Einteilung der Osteophora könnte die
bestehende Gruppierung in Teleostomi, Dipnoi, Amphibia,
Sauropsida und Mammalia beibehalten bleil)en. Dabei sollte
sorgfältig überlegt werden, ob nicht die neuesten bedeuten-
den Fortschritte der Paläontologie bereits dazu berechtigen,
eine befriedigendere Umänderung der Klassifikation in jenen
Territorien vorzunehmen, welche auf der Grenze zwischen
Amphibien und Reptihen hegen; jetzt da wir guten Grund
haben, zu glauben, daß die sehr scharfe Unterscheidung,
welche in letzterer Zeit zwischen diesen beiden gegolten hat
und die sich nach der An- oder Abwesenheit von Amnion
und Allantois — als großenteils künstlich — richtete, verwerf-
lich erscheint.

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Wenn einmal die Embryologie uns nicht länger zwingt,
die Trennungslinie zwischen Amniota und Anamnia noch weiter
in der Richtung des Paläozoikums zu verfolgen, so können
gewisse Einzeihehen der vergleichenden Anatomie vieheicht
dazu beitragen, eine neue Gruppierung vorzunehmen, w^obei
auch jenes andere schwer haltbare Unterscheidungsmittel, der
doppehe oder einfache Occipitalcondylus, auf seinen wirklichen
Wert zurückgebracht wird. Dann aber sohte der Paläontologe,
der tiefer in diese Sache vorzudringen versuchen wollte,
noch zwei andere Punkte im Auge behalten, welche sowohl
durch diese Untersuchungen wde durch zahlreiche andere
vergleichend anatomische Forschungen ans Licht gefördert
worden sind. Erstens, daß die Säugetiermerkmale uns zurück-
führen zu einem Punkte — wde es 1900 noch besonders von
Fürbringer hervorgehoben wurde wo eine Vergleichung
mit den niedrigsten Amphibien mehr der Sache entspricht, als
eine mh den mehr spezialisierten Repthien. Und zwehens, daß
die Ornithodelphia zu betrachten w/ären als eine selbständige
Klasse, die jetzt nur noch klein ist, aber früher vieheicht
viel ausgedehnter (Multituberculata) w/ar. In ihr hnden sich
Sauropsiden- und Säugetiercharaktere ganz eigentümhch ver-
einigt, aber sie nahmen nie eine Stellung ein in der dhekten
Abstammungslinie der Mono- und Didelphia. i) Diese letzteren

Ich möchte hier Bezug nehmen auf einen Passus in Wortmans interessantem
Aufsatz
(\'03) über den Ursprung der Mammalia (1. c. S. 429). Er sagt: „Im frühen
Mesozoicum erschienen kleine säugetierähnliche Formen, welche weit verbreitet waren
sowohl über die nördliche als über die südliche Hemisphäre. Vertreter dieser Arten
werden noch angetroffen während der ganzen Kreideperiode, um in den frühen
Perioden des Tertiärs endlich zu verschwinden . . . Viele von ihnen sind in die
Gruppe der Multituberculata zusammengebracht worden, welche zweifellos ihre
nächsten lebenden Verwandten in dem australischen Schnabeltier finden ... In einem
Fall kennen wir einen ziemlich wohlerhaltenen Schädel
[Tritylodon) aus der Karoo-
formation in Südafrika. Die Zähne dieser Art sehen denjenigen von manchen Typen
aus der nördlichen Hemisphäre außerordentlich ähnlich, und bis jetzt sind sie in diese
Gruppe eingereiht. Seeley hat gezeigt, daß der Schädelbau so viele reptilienähnliche
Charaktere darbietet, daß er die Form bei den Reptilien unterbringt. Hat er darin
Recht, dann ist es - überaus wahrscheinlich, so lange wir keine Tatsache kennen,
welche das Gegenteil beweist — daß alle Multituberculata ebensogut Reptil wie
Säugetier waren. Es ist sogar auf den ersten Blick nicht leicht zu sagen, auf

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endlich können als ein sehr spezialisierter Seitenzweig von
solchen Ahnen betrachtet werden, die bereits plazentale Mono-
delphia waren. Die Säugetiere s. str. sollen also nicht in drei
Stämme aufgelöst werden, sondern umfassen tatsächlich nur
einen. Von letzteren werden die Paläontologen die genaue
Reihenfolge durch die darauffolgenden geologischen Epochen
hindurch sorgfältig festzustellen haben, wobei sich ergeben
wird, daß sie sich weit in die Steinkohlenformation, ja viel-
leicht sogar noch in frühere geologische Zeitalter hinein wird
verfolgen lassen, gleichzeitig mit dem ersten Hervortreten von
luftatmenden Wirbeltieren von protetrapodem Bau.

Die weitere Einteilung dieser Monodelphia in natürliche
Ordnungen wird eben darum an Interesse gewinnen, weil sie
uns näher heranbringt an die Stammesgeschichte des Menschen;
sie stellt eines jener Probleme dar, welche den menschlichen
Geist nie in Ruhe lassen werden. Hier sollten vergleichende Ana-
tomie, Embryologie und Paläontologie in noch intensiverem
Maße zusammenwirken, als dies bis jetzt der Fall war. Erst in
letzter Zeit — und zwar in erster Linie dank den Bemühungen
amerikanischer Paläontologen — wird dies getan und mit der
Verwirklichung ein Anfang gemacht.

Auch hier sollte aber eine breite und moderne Auffassung
eintreten. Und obschon wir anerkennen, daß nur von den
rezenten Säugetieren die Entwicklungsgeschichte sich verfolgen
läßt, und daß nicht die geringste Chance dafür besteht, jemals
über positive Tatsachen betreffs der Embryologie fossiler

welche Seite der Linie die lebenden Monotremen zu stellen sind. Es ist kaum zu
bezweifeln, daß diese alten fossilen Typen, wenn wir sie erst besser kennen, alle denk-
baren
Ubergänge zwischen diesen zwei großen Abteilungen der Vertebraten darbieten
werden."

Dies nun ist eben der Punkt, für welchen ich in wiederholten Malen (■\'95, \'02)
eingetreten bin, daß nämlich die rezenten Ornithodelphia einen der zahlreichen Aus-
läufer repräsentieren, in welche die protetrapoden Ahnenformen sich geteilt haben, als
sie sich einmal an das Leben auf dem Trocknen sowie an Luftatmen anzupassen an-
gefangen hatten. Die Stämme, welche vivipar geblieben sind, werden noch durch die
jetzt lebenden höheren Mammalia vertreten; diejenigen, welche vivipar wurden, haben die
Ornithodelphia hervorgehen lassen, und noch weiter abseits sind daraus die zahlreichen
Reptilien hervorgegangen. Letztere haben nie vivipare Abkömmlinge hervorgebracht.

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Gruppen verfügen zu können, so sollte es nichtsdestoweniger
als feststehend betrachtet werden, daß, wenn einmal die Onto-
genese aller Säugetiergattungen bekannt sein wird — und
dies Ziel sollte ohne Zögern angestrebt werden —, wir dann
m jenen Tatsachen Hinweise von äußerster Feinheit besitzen
werden zur genauen Feststellung zahlreicher Verwandtschafts-
grade. Die Einzelheiten der Ontogenese und der Plazentation
werden sich als ein äußerst subtdes Instrument erweisen (wie
das bereits in dem Fall der Primaten bewiesen ist), durch
welche bedeutende Abweichungen im äußeren Habitus werden
ausgeglichen werden können und somit wichtige Verallgemeine-
rungen zu erreichen sind.\')

Zahlreiche Anatomen verschiedener Nationahtät haben be-
reits wiederholt, was ich vor mehr als zehn Jahren hervorzuheben
gewagt habe, daß nämhch unter den Säugetieren die Primaten
tatsächlich viele recht primitive Charaktere beibehalten haben.
Ja, sie gehen sogar weiter und behaupten, daß innerhalb der
Primaten wieder das nämhche gilt, sodaß der Mensch in ver-
schiedener Hinsicht seinerseits in gewissen Punkten wieder
primitiveren Bau verrät als die anderen Primaten. Selbst-
verständlich mit dieser einen weittragenden Reserve, daß dem-
gegenüber die Spezialisation des Menschen in Bezug auf
a) Entwicklung des Gehirnes (Blutversorgung mit eingerechnet)
und dessen Leistungen, b) Anpassung der vorderen Extre-
mitäten (speziell der Hand) an die allerverschiedensten Mög-

Ich darf hier noch einmal wiederholen, was ich bereits an anderer Stelle her-
vorhob, daß nämlich die Plazentation ein so delikates Reagens ist, wohl weil das
ganze Phänomen so bedeutend viel später als die anderen Prozesse oder Strukturen der
Vertebratenorganisation auftrat. Dieses verhältnismäßig jugendliche Alter muß gewiß
dazu beitragen, kleine Differenzen noch festzuhalten, welche in älteren Organen Aväh-
rend der längeren Zeitdauer bereits wieder verwischt sind. Andererseits müssen die \'
Eigentümlichkeiten der ganz jungen Keimblase zweifellos von ganz außerordentlicher
Wichtigkeit sein, eben weil sie in einem so ganz frühen Entwicklungsstadium bereits
auftreten. Die verschiedenen charakteristischen Einzelheiten dieser jungen Stadien müssen
gerade für die Feststellung hereditärer Affinitäten in der einen oder der anderen
Richtung schon deswegen von großer Bedeutung sein, weil sie selbstverständlich
weniger als irgendwelche andere Eigentümlichkeiten beeinflußt werden von solchen
äußeren Umständen, die in den Organen der erwachsenen Tiere Anpassungen hervorrufen.

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lichkeiten, c) Anpassung von Larynx und Zunge an die arti-
kulierte Sprache, in Bedeutung ganz außer Vergleich steht mit
irgend einer anderen Reihe von Spezialisierungen, die doch
sonst so zahlreich sind in den verschiedenen Ordnungen der
Säugetiere-

Die Ordnung der Insektivoren wird aufgelöst werden
müssen. Recht viele der kleinen fossilen Säugetiere, die ge-
wiß noch später aufgefunden werden, sollten sorgfältig dar-
auf geprüft werden, mit welcher der verschiedenen Ordnungen,
in welche die jetzigen Insektivoren zu teilen wären, ihre Ver-
wandtschaften am hervorragendsten sind. Wortman hat be-
reits vorgeschlagen, die bis jetzt als Primaten betrachteten
Hyopsodidae bei den Insektivoren einzureihen.

Daneben wird Tarsius dehnitiv von den Lemuren getrennt
werden müssen, wie sowohl ich selbst (\'96, \'99, \'02) wie Wort-
man (\'03, \'04, p. 167) es vorgeschlagen haben. Wortman
bringt
Tarsius mit Affen und Mensch zusammen in die Unter-
ordnung der Anthropoiden, welche von jener der Lemuren —
abgesehen von den oben besprochenen, der Keimblase und der
Plazenta entlehnten Merkmale — sich unterscheidet durch die
Einrichtung der entocarotiden Zirkulation, die bei den Le-
muren sich jener der Insektivoren bedeutend enger anschließt,

Wortmans weitere Einteilung seiner Unterordnung der
Anthropoidea in drei Superfamilien ist folgende:

a) Arctopithecini, welche die einzige Familie der Hapa-
lidae umfaßt.

b) Palaeopithecini, worin neben Änaptomorphus und
Tarsius auch noch Necrolemur und (vielleicht) Micro-
choerus
zusammengebracht werden.

c) Neopithecini, mit den Menschen und den lebenden
Affen, sowie der fossilen Familie der Adapidae.

Diese Einteilung stimmt völlig überein mit dem, wofür ich
seit meinem Aufsatze in Gegenbaurs Festschrift (\'96) ein-
getreten bin, und hat somit mein volles Einverständnis.

Dahingegen muß ich Wortman gegenübertreten, wenn

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er sagt (1. c. S. 163), er betrachte „die Primaten als eine
ganz natürhche und homogene Ordnung, welche Lemuren,
Affen, Anthropoiden und sogar den Menschen einschheßt".
Ich betrachte seine Unterordnung der Anthropoiden, welche
oben erwähnt und in seiner Arbeh (\'03) ausführhch besprochen
wurde, als eine vollständig berechtigte Ordnung, die den
aus alter
Zeit stammenden Namen Primates beibehalten
sohte. Die zwei anderen Unterordnungen, die Wortman mh
seinen Anthropoidea zusammenbringt, nämhch die Lemuridea
und Chiromyoidea, sollten als Unterordnungen der selbständigen
Ordnung der Lemures aufgefaßt werden. Ich werde diesen
Punkt noch etwas ausführhcher besprechen, und zwar mh
Bezug auf das in früheren Kapiteln Angeführte.

Ghiromys madagascariensis hat eine typische diffuse Plazenta,
von welcher ich hier (Fig, 175) eine unter meiner Leitung aus-
geführte Abbildung gebe nach einem
GUromys-Yötns des British
Museums, welcher mir zu diesem Zweck von den Trustees des
Museums freundlichst geliehen worden ist. Diese Plazenta,
welche (wie auf S. 160 besprochen wurde) kaum den Namen
Plazenta verdient, stimmt mh dem massive Zotten tragenden
Diplotrophoblast von
Nycticebus (Fig. 173) in jeder Hinsicht
überein, und ich zweifle nicht, daß auch das Verhältnis zwischen
Diplotrophoblast und Allantois usw^ bei
Ghiromys dasselbe sein
wird whe bei
Nycticebus (Fig. 157). Somh stände V^ortmans
Vorschlag, die beiden Unterordnungen der Chhomyoidea und
der Lemuroidea in nähere Verbindung miteinander zu bringen,
nichts im Wege. Der Name für die Ordnung, welche die beiden
umschließen würde, sohte also,
wie oben dargelegt wurde,
Lemures heißen. Neben die rezenten
Ghiromys madagas-
cariensis
stellt Wortman die Famihengattungen Mixodectes,
Cynodontomys, Microsyops, Smilodectes
und Metachiromys. Bei ahen
diesen hat das Gebiß jene Nagerähnhchkeit erhahen, welche für
das rezente Genus so kennzeichnend ist. Wortmans Ansichten
scheinen mh zutreffender als jene Osborns, welcher letzterer
die sechs fosshen amerikanischen Gattungen in eine Unterord-

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nung der Nagetiere zusammenbringen will und dafür den Namen
Proglires vorschlägt. Wortman behauptet, daß die Skelett-
details — soweit bekannt — dieselben Primatenähnlichkeiten
mit ebensogroßer Deutlichkeit aufweisen, wie es das
Chiromys-
Skelett tut. Und in Bezug auf die Modifikation \' der Schneide-
zähne — welche in der Madagaskarart vollendet ist — finden
wir diese in den amerikanischen Gattungen fortschreitend,
aber noch unvollendet. Wortman fügt noch hinzu, „daß
dies die einzigen Repräsentanten der Primaten sind, in wel-
chen die geringste Andeutung einer solchen Modifikation auf-
tritt. Die Möglichkeit, daß eine so hervortretende und ein-
greifende Modifikation in derselben Ordnung zweimal unab-
hängig hätte auftreten können, ist so sehr ausgeschlossen,
daß hieran nicht im Ernst zu denken wäre." Die Gruppe ist
prätertiären Ursprungs, da schon
Mixodectes, der älteste Ver-
treter, hochgradig modifiziert ist in der zweiten Stufe des
unteren Eocäns.

Die Lemuroidea, welche mit den Chiromyoidea zu vereinigen
wären in der Ordnung der Lemures, werden durch Wortman
folgendermaf^en charakterisiert: „Extremitäten verlängert, Greif-
hände und -Füße, an Baumleben angepaßt; Schneidezähne im
Unterkiefer klein, kammartig gefurcht und vorwärts gebogen,
vorderer unterer Prämolar sehr allgemein vergrößert und als
Caninus funktionierend; der Entocarotiskanal durchbohrt das
Petrotympanicum nicht; Jugale und Lacrymale sehr all-
gemein in Berührung am vorderen Rande der Orbita; vierter
Finger der Vorderextremität der längste der Reihe."

Er fügt noch hinzu: „Einige neigen dahin, die gene-
tische Verwandtschaft sowohl dieser Gruppen wie der Chiro-
myoidea mit den wahren Affen zu verneinen, und erheben sie
zu einer getrennten und unabhängigen Ordnung. Dies ist
aber unbedingt falsch." Nachdem er sodann noch eine
Seite der inneren Anatomie und der Plazentation widmet,
schließt Wortman: ,,Es scheint bei weitem am empfehlens-
wertesten, im großen Ganzen, wenn nicht völlig, nur die osteo-

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logische Beweisführung für unsere Schlußfolgerungen bezüglich
der Verwandtschaften sowie der Evolution der verschiedenen
Säugetiergruppen gelten zu lassen." Schheßlich schiebt er
die Einwürfe, welche ich gegen eine Vereinigung von Lemuren
und Primaten in eine einzige Ordnung geltend gemacht habe,
leichten Sinnes bei Seite.

Wenn ich hier noch einmal die Stellung, welche ich in
Bezug auf diese Frage vor zwölf Jahren (^96) eingenommen
habe, zu verteidigen unternehme, so darf ich wohl zunächst her-
vorheben, daß letzteres Zitat — wenn auch die darin vorgeführte
Auffassung vom rein paläontologischen Standpunkt aus begreif-
lich erscheinen mag — dennoch in diesem Spezialfall gar nicht
zutrifft.

Nur selten sind so wichtige Unterschiede in Bezug auf
innere Anatomie festgestellt worden, wie es mit den beiden
Unterordnungen der Lemuren einerseits,
Tarsius, Affen und
Mensch andererseits, geschehen ist.

Es scheint, daß Wortman diese Unterschiede nur teil-
weise verstanden hat, denn er schreibt: „Es ist schwer be-
stimmbar, welcher Wert bei der Feststellung von Verwandt-
schaften der Plazentation beizulegen ist." . In den vorigen Ka-
piteln wurde zu wiederholten Malen nachgewiesen — wie ich
das auch bereits getan hatte, bevor Wortman seine Arbeit
veröffentlicht hatte —, daß gewiß nicht nur auf Grund von
Argumenten, welche der Plazentation entlehnt sind,
die Lemuren und die Primaten getrennt gehalten werden
sohten, obgleich die Plazenta als solche in den beiden Fällen
unzweifelhaft einschneidende Unterschiede aufweist. Aber
nebenbei besteht eine so weitgehende Verschiedenheit in der
Entstehungsweise der Keimblase, ist der Anted des Entoderms
und des Mesoderms an der Bekleidung der inneren Tropho-
blastwand so verschieden und die Art der Vaskularisation des
Diplotrophoblastes unter Beibehaltung des sogenannten Haft-
stiels bei den Primaten eine so eigenartige und so gründlich
verschieden von dem, was uns die Lemuren bieten, und neben-

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bei wieder so unverkennbar homolog, wenn wir die weit aus-
einanderstehenden Gattungen
Tarsius und Homo vergleichen,
daß wir offen gestehen müssen, daß wir hier — wenn überhaupt
jemals — einen Fall haben, in welchem diese Einzelheiten
der inneren Anatomie, wie sie von der Ontogenie
uns vorgeführt werden, sehr schwer wiegen müssen.

Wortman hat diesen äufSerst wichtigen Verschiedenheiten
der frühen Keimblasen nicht die geringste Aufmerksamkeit
geschenkt, während er — wie wir es auf S. 219 nachwiesen —
es mit den plazentaren Unterschieden leicht nimmt. Er geht
sogar so weit, folgendes zu behaupten (1. c. p. 403): „W^ährend
es wohl wahr sein mag, daß diese Charaktere (welche der Ana-
tomie der Weichteile entnommen sind) einen bedeutenden
Unterschied zwischen jetzt lebenden Affen und Le-
muren darstellen, so muß doch sehr daran gedacht werden, ob
nicht diese Unterschiede auf sehr geringe zusammenschrumpfen
oder sogar gänzlich verschwinden würden, wenn wir einen
eocänen Affen zum Vergleich herbeiziehen könnten." Mir
erscheint dieses Raisonnement äußerst schwach. Wir haben
eben einen eocänen Affen, um ihn mit
Tarsius zu ver-
gleichen, nämlich
Anaptomorphus. Auf S. 213 einer seiner
anderen Publikationen (\'04) zählt Wortman (welcher die
beiden in dieselbe Unterordnung wie Affe und Mensch zu-
sammenbringt) 11 Vergleichungspunkte zwischen
Tarsius und
Anaptomorplius auf und zwar in Bezug auf: 1. Größe; 2. Ent-
wicklung des Gehirns; 3. Beziehungen zwischen Gehirn und
Foramen magnum; 4. Abwesenheit einer Sagittalcrista; 5. ver-
kürztes Gesicht und großen Orbitae; 6. Lage des inneren
Carotiskanals; 7. Zahnbildung; S.Bau von Molaren und Prae-
molaren; 9. Form der Buha; 10. Lacrymalknochen und Fo-
ramen lacrymale; 11. Beziehungen zwischen Lacrymal- und
Jugalknochen.

Wo nun diese zahlreichen Punkte der Übereinstimmung
existieren, da wäre es ganz unlogisch anzunehmen — ohne sehr
starke positive Beweisgründe —, daß Keimblase und Plazenta

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des eocänen Änaj^tomorphus, wenn in direkten Vergleich gebracht
mit jenen des rezenten
Tarsius, auf einmal so weit auseinander-
gingen, wie es diejenigen eines wahren Lemuren wie
\'Nycticebus
von jenen des Tarsius tun. Und doch wdh Wortman uns dies
glauben lassen. Außerdem wäre damit in keinerlei Richtung viel
gewonnen, weh wir doch nicht im Stande sind, die Einrichtungen
bei
Tarsius abzuleiten von dem, was wir bei Nycticebus hnden.

Somit überzeugen uns sowohl die Tatsachen wie die Be-
weisführung, welche sich darauf basieren läßt, daß es ganz
außerordentlich w^ahrscheinlich ist, daß bereits im Eocän jene
fundamentalen ontogenetischen Verschiedenheiten bestanden
haben zwischen Primaten — wie letztere durch
Anaptomorphus
vertreten waren — und den zu jener Zeit existierenden Le-
muren; ebensolche Differenzen, wie wir sie jetzt konstatieren
zwischen
Tarsius und den rezenten Lemuren, Ungulaten usw.

Ich glaube, daß ich in den vorhergehenden Kapiteln meine
Berechtigung festgestellt habe, zu verlangen, daß alle Daten,
über welche wir verfügen — sow^ohl die osteologischen wie die
ontogenetischen —, ins Feld geführt werden sollten bei jedem
Versuch, die Affinhäten der Mammaha festzustehen. Daß es
sehr viele Fälle geben wird und zwar bei ausschließlich fossilen
Gruppen, wo wir nur die osteologischen Charaktere werden
heranziehen können, ist selbstverständhch. Und dennoch bleibt
es wohl unser aller Überzeugung, daß, wenn wir auch in jenen
Fällen noch außerdem ontogenetisches Beweismaterial zur Ver-
fügung hätten, unsere Schlußfolgerungen nur noch um so
vertrauenswerter sein würden.

In dem Fall der Primaten ist es noch aus besonderen
Gründen notwendig, darauf zu bestehen, daß die ontogenetischen
Einzelheiten in ihrem vollen Gewicht mitzählen sohten. Erstens,
weh eine sorgfältige Prüfung dieses Details uns klar zeigt, daß
der Mensch, die Affen und
Tarsius im Besitze ihres Haftstieles
primitiver sind als die Lemuren mh ihrer freien Ahantois,
wenn auch bis jetzt allgemein geglaubt wurde, daß die Plazen-
tation der letzteren primhiver wäre. Im fünften Kaphel wurde

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der Versuch gemacht, diesen Streitpunkt in das richtige Licht
zu stellen. Und zweitens ist die Berücksichtigung dieser Einzel-
heiten erforderhch, wed die osteologischen Charaktere solcher
Art zu sein scheinen, daß sie den meisten Paläontologen als
ein vollkommen gradueller Übergang vom lemuroiden zum an-
thropoiden Typus genügen. i

Die Tatsachen der Ontogenie sollten sie jedoch zwingen,
nach weiterenLTnterscheidungscharakteren auszuschauen,welche
es möglich machen würden, die Anthropoidea noch außerdem
unterscheiden zu können (in den älteren Formationen) von
jenen Formen, die zu den jetzigen Lemuren hinübergeführt
haben. Wie wir sahen, sind die Anthropoiden bereits im Eocän
durch
Anaptomorphus vertreten, und es liegt kein Grund vor an-
zunehmen, daß seine Keimblase nicht ebenso sehr jener von
Tarsius ähnhch gesehen habe, wie es seine odontologischen und
osteologischen Charaktere tun. Daß Wortman dieAdapidae mit
den Primaten s. str. zusammenbringt und sie nicht als eigene
Unterordnung anerkennt, sondern sie in eine Famdie zu-
sammenbringt von gleicher Bedeutung wie die Cebidae, Cerco-
pithecidae, Simidae und Hominidae, ist ein sehr wichtiger
Schritt, dessen Berechtigung besser von sachverständigen
Palaeontologen zu beurteilen wäre als von mir. Hat aber
Wortman recht, wenn er in dieser Weise die Adapidae von
den Lemuridae, Nesopithecidae^) und Megaladapidae, welche

Nesopithecus von Forsyth Major ist in dieser Hinsicht ein lehrreiclies Beispiel.
Aus der außerordentlich hohen Entwicklung des Schädels, sowie aus den zahlreichen
Ähnlichkeiten mit den höheren AfFen hat Dr. Forsyth Major sich zu schließen be-
rechtigt gefühlt, daß Nesopithecus ein Anthropoide war. Lydekker zog es vor, ihn
als einen hoch entwickelten Lemuriden zu betrachten. Wortman ist ihm darin gefolgt,
nachdem er sowohl die Major\'sehen sowie die Lydekker\'sehen Argumente sorgfältig
gegeneinander abgewogen hatte, und hat darauf seine oben erwähnte Superfamilie der
Nesopithecidae aufgestellt. Nun bin ich überzeugt, daß die ontogenetischen Details
von Nesopithecus diese Angelegenheit vollständig zu lösen erlaubt haben würden. Wie
die Sache liegt, will es mir scheinen, daß ein definitives Urteil aufgeschoben werden
muß, bis wir über ein vollständiges Skelett — wo dieses nun auch aufgefunden werden
möge — verfügen, und dies mit größter Sorgfalt studiert worden ist.

Inzwischen sollten wir sowohl in diesem Fall wie in anderen von ebenso schwieriger
und wichtiger Natur unser Urteil in der Schwebe lassen, wenn ich auch in dem vor-
liegenden Falle dazu neigen möchte, mich der Lydekker\'schen Ansicht anzuschließen.

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die Superfamilien seiner Lemuridae bilden, trennt; dann werden
er und andere die Abstammungslinie nach unten zu verfolgen
haben, durch welche einerseits diese letztgenannten Famihen,
andererseits die Primaten (inklusive Adapidae wie oben er-
wähnt) verbunden sind mit den früheren Säugetieren des Meso-
zoicums. In jenen Zwischenformen mag der einschneidende
Unterschied, wie ihn die Ontogenie zwischen beiden demon-
striert, eventuell geringer gewesen sein, es muß aber danach
gestrebt werden, einen Weg zu finden, um sie aus osteologi-
schen Details ablesen zu können. Vielleicht wird sich die
Frage als allzu schwierig herausstellen, aber auch dann werden
wir noch keineswegs berechtigt sein, Wortman zu folgen, wenn
er behauptet, ausschheßhch auf osteologische Kennzeichen
Wert legen zu wollen und wenn er ontogenetisches Beweis-
material auch da, wo es existiert, nicht gelten lassen will,
bloß weil J5S in so vielen Fällen nicht vorhegt oder vielmehr,
weü es nie mehr herbeigeschaff-t werden kann, um das, was
wir der Osteologie verdanken, zu unterstützen.

Schheßlich muß ich noch Bezug nehmen auf ein Zitat, das
Wortman heranzieht aus Flower und Lydekkers „Mammals
Living and Extinct". Wortman ist gewiß vollkommen be-
rechtigt (1. c. \'03, S. 403), wenn er seinem Leser die Überzeugung
beibringen will, daß der Wert des deciduaten und nicht deci-
duaten Plazentartypus überschätzt worden ist. Nicht nur das,
sondern es sind unter den sogenannten deciduaten Plazentaliern
solche aufgefunden worden (Hubrecht, Hill), bei welchen die
Plazenta anstatt als deciduat sogar als contradeciduat be-
zeichnet zu werden verdiente, und zwar in dem Sinne, daß kein
mütterhches Gewebe nach dem Partus ausgetrieben wird, son-
dern daß embryonales Gewebe einem Prozeß der Resorption
seitens der Mutter unterhegt.

Somit will ich nicht leugnen, daß der Wert, den wir ge-
wissen Einzelheiten in der Plazentation und in dem Puerperium
der Säugetiere zuschreiben, noch in demselben Maße variiert,
wie unser Wissen bezüghch jener Details kleiner oder größer

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ist. Ich kann dabei aber nicht übersehen, daß sogar Flow er und
Lydekker in dem nämlichen Zitat behaupten, daß ,,die Cha-
raktere und Besonderheiten der fötalenBildungen,besonders wenn
sie einmal in großer Vollständigkeit bekannt sein werden, eine
sehr wertvolle Hilfe darstellen werden beim Studium der natür-
lichen Verwandtschaften und der Phylogenie der Säugetiere".

Auf Seite 215 habe ich den Gedanken entwickelt, daß in
gewissen Fällen ,,die Charaktere und Besonderheiten der fötalen
Bildungen" sich sogar als ein delikates und zugleich kräftiges
analytisches Reagens herausstellen werden. Und ich muß nach-
drücklich wiederholen, daß der Fall der ordinalen Trennung
von Lemuren und Primaten eben von weittragender Bedeutung
ist, und daß, so sehr auch beim jetzigen Stande unserer Kennt-
nisse die Paläontologen darunter zu leiden haben mögen, wir
dennoch auf keinen Fall den Vorschlag einer so eminenten
Autorität wie Wortman gutheißen oder akzeptieren dürfen.
Im Gegenteil müssen wir daran festhalten:

1. die beiden Ordnungen der Primaten und der Lemuren
fortan getrennt aufrecht zu erhalten und

2. all unseren Scharfsinn und unseren Fleiß in Anwen-
dung zu bringen um — wenn neue fossile Funde vorhegen —
solche Formen, die zu der einen, und solche, die zu der
anderen jener beiden Ordnungen gehören, durch osteologische
Details auseinander zu halten. Diejenigen Funde, welche
nur aus Zähnen oder Zähnen und Schädel bestehen, werden
jedoch oft auf falsche Fährte führen können, und nur voll-
ständigen Skeletten wäre da volle Beweiskraft zuzuerkennen.

Diese Notwendigkeit, mit neuen und höheren Anfor-
derungen entsprechenden Methoden den fosshen Überresten
entgegenzutreten, hndet natürhcherweise in erster Linie ihre
Anwendung auf Primate und Lemuren, weil wir aus den in
den vorigen Kapiteln besprochenen Tatsachen haben folgern
müssen, daß die Primaten, noch mehr als es Huxley (\'81) für
die Insektivoren erwartet hat, betrachtet werden müssen als
die die mehr primitiven Typen der Säugetiere enthaltende

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Ordnung. Und so ist es selbstverständlich, daß sie und ihre
nächsten Verwandten nur mit viel größerer Mühe auseinander-
gehalten werden können als die anderen Säugetiere, welche,
wenn sie auch in einiger Hinsicht archaisch sein mögen!
doch in wieder anderen weh spezialisiert geworden sind, wie
wir das bei vielen der älteren Condylarthra, Ungulata und
Creodonta wahrnehmen.

In seiner beachtenswerten Besprechung des Ursprungs der
Primaten (\'03, p. 419-436) teih Wortman diese Ansicht, in-
dem er nämhch sagt: „Es ist wahr, daß die Insektivoren einen
Typus der Gehirnzirkulation vertreten, welcher leicht in jenen
der Anthropoidea hätte übergehen können durch Wegfallen
und Verschwinden des stapedialen Zweiges der Arteria ento-
carotidea: dieser Charakter jedoch wird geteht von den Rodentia
und möghcherweise ebenfalls von anderen Gruppen. Hingegen
bhden sie keinen Typus der Cerebralzirkulation, aus welchem
jene der Lemuriden hätte abgeleitet werden können" (1. c. S.436).

Wir haben hier ein recht lehrreiches Beispiel jener Diffe-
rentialbehandlung der allerdelikatesten Kennzeichen, die an
der Schädelbasis von fossilen Säugetieren sichtbar sind, durch
welche nun eben ihre Einteilung in Ordnungen mitbestimmt
wird. Nun bin ich gerade für eine solche subthe und dehkate
Untersucbungsweise in den vorhegenden Seiten eingetreten.
Das Beispiel ist auch weher noch lehrreich, weh es
uns Punkte
der Übereinstimmung in angiologischen und osteologischen
Details vorführt zwischen Insektivoren, Rodentia und Pri-
maten s.
Str., wie wh eben zwischen ah diesen primitiven Ord-
nungen so viele Vergleichungspunkte in Bezug auf Plazenta,
Keimblase usw. besprochen haben. Nichtsdestoweniger leugnet
Wortman einen gleichen Grad von direkter Vergleichbarkeit
in diesem nämhchen Punkte zwischen Insektivoren und Lemuren
(siehe auch noch 1. c.
p. 167), welche, wie er sagt, „genügend
unterschieden sind, um brauchbare diagnostische Charaktere
zu liefern." Wh haben nun aber gesehen, daß auch in Bezug
auf ihre eigentümliche Plazentation (welche, wie oben gesagt,

15

Hub recht, Embryologie.

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nicht notwendigerweise primitiv ist, wie bis jetzt immer an-
genommen wurde) die Lemuren bedeutend verschieden sind
von den Rodentia, Insektivoren und Primaten, während sie
eine große Übereinstimmung zeigen mit Perissodactyla, Artio-
dactyla
(Equus, Sm, Tapirus) u. a. Auf diesen Punkt solhen
die Paläontologen versuchen ganz besonders acht zu geben.
Sie würden uns dann zu einem Schlüssel verhelfen, durch
welchen wir den früheren mesozoischen Stammbaum der
Ungulaten und Lemuren von jenem der Primaten, Insekti-
voren und Nager zu differenzieren vermöchten, und sie würden
in der Weise mitwirken, ihr eigenes Zutrauen in den Wert
ontogenetischer Charaktere für die Lösung von klassifikato-
rischen Problemen wiederherzustellen.

Schließlich will ich die letzten Sätze von Wortmans so
äußerst anregender eben zitierter Arbeit hier wiedergeben,
in welcher er die Schwierigkeiten betont — und ich bin da
völlig mit ihm einverstanden —, welche sich einer Ableitung
der Primaten von den Insektivoren in den Weg stellen. Er
sagt: „Die größte bis jetzt bekannte Schwierigkeit, welche uns
verhindern würde, die Primaten von irgend einer Form oder
Formen von bis jetzt bekannten Insektivoren herzuleiten, besteht
in der totalen Abwesenheit des Greifvermögens in Hand oder
Fuß. Welche Gruppe wir auch als ancestral für die Primaten
betrachten mögen, sie müßte notwendigerweise irgendwelche
deutliche Annäherung an diesen Zustand zeigen, da der Be-
sitz dieser Eigentümlichkeit eine der Hauptbedingungen von
fundamentaler Wichtigkeit bildet . . . Mit der einzigen Aus-
nahme des
LopMomys unter den Nagetieren werden unter den
lebenden Säugetieren nur noch Greifextremitäten angetroffen
unter den Marsupialia, und das Beweismaterial weist aufs Deut-
lichste auf die Tatsache hin, daß alle — sogar diejenigen, welche
hochmodifizierte Gliedmaßen für rasche terristische Vorwärts-
bewegung (wie die Känguruhs) besitzen — von Vorfahren ab-
stammen, welche Greifhände und -füße besaßen. Es liegt somit
nicht außerhalb der Grenzen der erlaubten Erwartung, anzu-

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nehmen, daß es eine sehr bedeutende Gruppe alter Metatherien
gegeben hat, welche während der Kreideperiode innerhalb des
Polarkreises lebten und welche sich bereits einem Baumleben
angepaßt hatten. Wenn eine solche Gruppe tatsächlich be-
standen hat, so ist es weit wahrscheinhcher, daß die Primaten
sich hiervon herleiten lassen, als von den Insektivoren oder
von irgend welchen noch jetzt lebenden Ordnungen."

Nun tritt das Greifvermögen von Hand und Fuß, welches
den Insektivoren, so weit wir wissen, fehlt, wieder auf, wenig-
stens in der Form eines opponierbaren Daumens bei gewissen
Amphibien, und sogar bei dem nur durch Fußspuren bekannten
fossden Amphibium
Chirotherium, welchem dieses Unter-
scheidungsmerkmal der Primaten zugesprochen wird. Hier
finden wir also wiederum eine Andeutung, daß, wo wir ver-
suchen den Abstand zwischen niedrigsten Tetrapoden und
Primaten zu überbrücken, der Weg uns eher über einen amphi-
bienähnlichen Vorfahren als über reptihen-insektivore Über-
gangsformen führt.

Wir kommen jetzt zu dem Schlußparagraphen dieses Ka-
pitels, in welchem wir der Fortsetzung des Vertebraten-(Chor-
daten)-Stammbaumes inmitten der invertebraten Phyla unsere
Aufmerksamkeit schenken wollen. Bei einer früheren Gelegen-
heit
(\'05 A) habe ich mich über diesen Punkt ausgesprochen,
möchte aber hier noch einmal meine Ansicht wiederholen.

Der schematische Typus für einen Vertreter des Phylums
der Vertebraten ist ein bilateral symmetrisches, segmentiertes,
cölomatisches Tier, mit dem Darm unter,
dem Zentralnerven-
system über einer axialen Chorda. Indem ich mich Sed-
gwick anschließe in dem Vorschlag, diesen Typus von einem
veriängerten, aktinienartigen, aber freischwimmenden Aus-
gangspunkte abzuleiten, habe ich ein Schema konstruiert
das ich hier wiedergebe (Fig.
56) und in welchem ich den\'
circumoralen Nervenring des aktinienähnlichen Vorfahren
mir in das Zentralnervensystem umgewandelt denke, das
Stomodaeum zur Chorda entwickelt mir vorstelle, während das

15*

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Coelom aus den peripheren Teilen des Coelenteron hervor-
gegangen ist. Der ursprüngliche, aktinienartige dorsale Mund-
schlitz (selbst eine Weiterdifferenzierung dessen, was einmal
der Blastoporus der Gastrulalarve war) wird nur noch vorüber-
gehend während der Vertebratenontogenie wieder hervorgerufen
durch jene Kommunikation

zwischen Außenwelt und En- /f

teron, welche nach hinten vor-
schreitet und die zwei Hälften
der konkreszierenden Chorda
teilt. Anus und vorderer
Neuroporus mögen zweiÜber-
reste dieses Schlitzes sein; der
Vertebratenmund ist eine
Neubildung, wie es auch die
Kiemenspalten und die Coe-
lomoporen sind. Inwieweit
Öffnungen in der seithchen
Leibeswand, durch welche bei gewissen lebenden Aktinien das
Coelenteron mit der Außenwelt zusammenhängt, noch zu der-
selben Kategorie gehören wie die eben erwähnten Öffnungen,
kann im Moment keine definitive Entscheidung hnden. Ebenso-
wenig können wir wissen, wieviel Coelomtaschen im Anfang
da waren, auch nicht, wie die Metamerie schliefMich zunahm,
nachdem das Gastrulastadium durchlaufen war, und die Er-
scheinungen von Kephalogenesis und Notogenesis ans Licht
getreten waren.

Die Andeutungen der Möglichkeit einer eventuellen Ver-
gleichung der larvalen Coelomtaschen, wie sie Bateson bei
Balanoglossus beschrieben hat (\'86), mit dem, was wir von der
Coelomogenesis der Vertebraten wissen, gehören gegenwärtig
noch zu den allerschwächsten und sind zu schwach, um sie.
hier noch weiter zu besprechen.

Die Anwesenheit einer äußeren larvalen Schicht (von ek-
todermaler Herkunft) in der wurmartigen Zwischenform, welche

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zwischen der archaischen Ausgangsform und den Vorfahren
unserer osteophoren Vertebraten ihren Platz hndet, und ihre
Abwesenheit in jener, welche hinaufgeführt hat zu den Cephalo-
chordaten, den Cyclostomen und den Chondrophora, wurde
auf S. 206 dieser Abhandlung besprochen.

Ein Vergleich dieser hypothetischen Zwischenformen,
welche zwischen den Coelenteraten- und Vertebratenphylen
hegen, mh den Schlußfolgerungen — zu welchen Woltereck
gekommen ist, wenn auch er (\'04) feststellte, daß in der Ent-
wicklung der Annehden Phasen auftreten, welche übereinzu-
stimmen scheinen mh dem, was ich durch die Ausdrücke Kephalo-
undNotogenesis angedeutet habe —, wird besser auf eine weitere
Pubhkation verschoben, da doch dieser letzte Paragraph eher
von rekapitulativer als von konstruktiver Bedeutung sein soh.

Schließhch möchte ich noch darauf die Aufmerksamkeh
lenken, daß die ungenügende Lösung, welche die moderne
vergleichende Embryologie uns für eine Anzahl wichtiger
phylogenetischer Probleme gibt — ich darf mich hier auf O.
Hertwigs eigene Worte beziehen, auf S. 898 von Bd. 1, i, L
seines neuen Handbuches —, zum Teil ihre Erklärung darin
findet, daß bis jetzt die vergleichende Embryologie der Verte-
braten in der Hauptsache aufgebaut wurde auf dem, was wir
vom Huhn wissen, ergänzt durch das, was Kowalevsky und
Hatschek uns über
Amphioxus, Balfour uns über Knorpel-
fische gelehrt haben. Jetzt, da wh den Unterschied zwischen
Chondrophora und Osteophora näher zu akzentuieren vorge-
schlagen haben, dürfte es mh erlaubt sein die jüngeren Em-
bryologen aufzufordern, w^o sie nur immer Gelegenheh finden,
die früheren ontogenetischen Stadien von noch nicht unter-
suchten Säugetieren oder Amphibien in Angriff zu nehmen und
sie den Knorpelfischen oder
Amphioxus vorzuziehen, auch wenn
das letztere Material so viel bequemer herbeizuschaffen ist.

Ich zweifle nicht daran, daß in der Säugetierembryologie
unser noch sehr viele Überraschungen harren.

-ocr page 240-

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- \'00 A.—„Menschenaffen," Heft 3.

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Ges. für Morph, und Phys.,\' München, Bd. 15, H. 3.

Semon, R. \'93-„Die äußere Entwicklung des\' Ceratodus forsteri « \'Zool
Forschungsreisen.\' \'

- \'94.-„Zur Entwicklungsgeschichte der Monotremen," \'Zool. Forschungsreisen.\'

Bd. 2, Lfg. I.

- \'oi.--„Die Furchung und Entwickelung der Keimblätter bei Ceratodus forsteri "

\'Zool. Forschungsreisen,\' Lief. 18. \'

- \'01.-„Die ektodermale Mediannaht des Ceratodus," \'Arch. f. Entw mech \'

Bd. II. • -,

-ocr page 246-

Siegenbeek v. Heukelom. \'98—"Über die menschbche Placentation," \'Arch,
für Anat. und Phys.\'

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S pen gel.
\'04.—„Über Schwimmblasen, Lungen und Kiementaschen der Wirbel-
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7.
Strahl. \'81. — „Über die Entwickelung des Canalis myelo-entericus und die Allantois
der Eidechse," \'Archiv f. Anat. und Phys.\'

— \'82. —„Beiträge zur Entwickelung der Reptilien," \'Arch f. Anat. und Phys.\'

— \'82 . — „Beiträge zur Entwickelung von Lacerta agilis," \'Arch. f. Anat. und Phys.\'

— \'83. — „Über Canalis neurentericus und Allantois bei Lacerta viridis," \'Arch.

f. Anat. und Phys.\'

— \'84.—„Über Entwicklungsvorgänge am Vorderende des Embryos von Lacerta

agilis," \'Arch. f. Anat. und Phys.\'
■— \'84. — „Über Wachstumsvorgänge an Embryonen von Lacerta agilis," \'Abh.
Senckenb. naturf. Ges.\'

— \'90 A.—„Untersuchungen über den Bau der Placenta. IV. Die histologischen

Veränderungen in den Uterusepithelien in der Raubtierplacenta," \'Arch. f. Anat.
und Physiol ,\' Anat. Abt.

— \'90 B. —„Über den Bau der Placenta von Talpa europaea und über Placentar-

drüsen," \'Anat. Aez.,\' Bd. 5.

— 92. —„Untersuchungen über den Bau der Placenta: V. Placenta von Talpa

europaea," \'Anat, Hefte,\' Bd. 2.

94\' 75 Die Regeneration der Uterusschleimhaut der Hündin nach dem Wurf."
\'Anat. Anz.,\' Bd. g.

— \'99-—„Der Uterus gravidus von Galago agi sy m b an us," \'Schriften der Senckenb.

naturf. Ges. zu Frankfurt a. M.\'

— \'03. — „Uteri gravidi des Orang Utans," \'Anat. Anz.\' Bd. 22.

— und Happe. \'04.—„Neue Beiträge zur Kenntnis von Affenplacenten," \'Anat.

Anz.\' Bd. 24.

— \'05. — „Zur Kenntnis der Placenta von Tragulus javani eus,\' \'Anat. Anz.,\' Bd. 26.

— \'06 A.—„Die Embryonalhüllen der Säuger und die Placenta," in \'Hertwig\'s Hand-

buch der vergl. Entw. Geschichte,\' Bd. i, T. 2.

— \'06 B. —„Über Placentarsyncytien," \'Verhandl. Anat. Gesebschaft,\' Ergänz-Heft,
. Bd.
29, Anat. Anz.

— \'07.—"Der Uterus puerperalis von Erinaceus," Verhandelingen van de Koninkl.

Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam,\' vol. 13, No. 5.
Sumner. \'04.—"A Study of Early Fish Development—Experimental and Morpho-
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Swaen et Brächet.
\'99. — "Etudes sur les premières phases du développement des
organes dérivés du mésoblaste chez les Poissons téléostéens," \'Arch, de Biol.,\'
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16.

— — \'94. — "Etude sur la formation des feuillets et des organes dans le bourgeon

terminal et dans la queue des embryons des Poissons téléostéens," \'Arch, de
Biol.,\' T.
20.

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Vernhout. \'94. —„Über die Placenta des Maulwurfs (Talpa europaea)," \'Anat.
Plefte.\' Bd. 5.

Voeltzkow. \'93. — „Über Biologie und Embryonen-Entwickelung der Krokodile,"
\'Sitz.-Ber. Akad. Wiss. Berlin.\'

— \'99. —„Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Reptilien. Biologie und Ent-

wickelung der äußeren Körperform von Crocodilus madagascariensis," \' Abh.
Senck. naturf. Ges.,\' Bd. 26.
Weber, Max. \'91.—„Beiträge zur Anatomie und Entwickelung des Genus Manis,"
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— \'04 — \'Die Säugetiere,\' Jena.

Wenckebach. \'86.—"De embryonale ontwikkeling van de Ansjovis (Engraulis),"

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10.
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Wilson and Hill. \'03.—"Primitive Knot and Early Gastrulation Cavity co-existing
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vol. 71.

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Roy. Soc. London.\'

Woltereck. \'04. —„Wurmkopf, Wurmrumpf und Trochophora," \'Zool. Anzeiger,\'
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Ziegler. \'87. —„Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen," \'Arch. f.
mikr. Anat.,\' vol. 30, p. l. -

— \'92.—„Zur Kenntnis der Oberfiächenbilder der Rana.Embryonen," \'Anat. Anz.,\'

Bd. 7.

— \'02.—„Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbel-

tiere," \'Jena, Fischer.\'

-ocr page 248-

Sadiregister.

A.

Allantoidea 23, 205.

Allantois 99, 123; freie — 126, 193; aktive

— von Permneles 162 ; beim Menschen
keine freie—
124, 126; nutritorische Be-
deutung der ~
125; Phylogenese der

— 125, 132, 136; Schemata der
Tarsius — 127; — -von Lacerta 132;

— von Nyticehus 132; — mit zu den
ältesten Darmpartien gehörend
133;
Übergangsstadien zwischen Haftstiel
und freie —
134, 135; durch die
Nabelblase umschlossene — der Di-
delphia
162; — -zotten 170.

Amniogenesis loi, 109, 112.
Amnion, frühestes 10, 36, 105; — als von
Anfang an geschlossene Blase 10,
35,
99. 100, 103; — ohne Faltenbildung
loi;--bildung
104; — bei Arthro-
poden
108; — beim Chamaeleo 109;

— beim Igel 109 ; — bei der Fleder-
maus
109; Kopf-Schwanzfalte des —
103 ; — bei Pteropus 104.

Amnionfalte 33, 34, loi, 108.
Amniota 23, 38, 116, 117, 204; Gegensatz
zwischen — und Anamnia nicht em-
pfehlenswert
116.
Amphibia 65 — 76.
Amphioxus 89.
Anallantoidea 23, 116.
Anamnia 116, 117.
Area vasculosa 47, 123, 162, 188.

B.

Bauchstiel 45, 54.

Blase, Entoderm 54; zweite — innerhalb

des Trophoblastes 54.
Blastoderm, embryonaler undextra-embryo-

naler Teil des — 34.
Blastoporus, atavistischer 18—22, 56,
62, 63;
offener — 56; — vom

Igel ig; — vom Maulwurf 20; —
vom Opossum 21; — von Sorex 21

Blutbildung 40.

c.

Canalis neurentericus 50; Fig. 76, 77.

Carunculi 187.

Cell-lineage 2, 58, 149.

Chondrophora 212.

Chorda dorsalis 49, 63.

Choriata 116.

Chorion 24, 99, 102, 108,
amniogenetisches — 101.
Coelenteraten-Stammform
24.
Coelom, extra-embryonale 56, 61; intra-
embryonale
62.
Contra-deciduata 188.
Couche enveloppante 6.
Cytotrophoblast
33, 36, 154.

D.

Decidua capsularis (== reflexa) 145, 170,
194-

Deciduale Elemente von Tragulus 157.
Deciduata 179.
Deciduofracten 145.
Deckschicht 38, 114—116.
Degeneration des Uterusepithels 167.
Delamination des Entoderms 8.
Demarkationslinie zwischen Trophoblast

und embryonalem Ektoderm 36.
Desor\'sche Larve 25, 107, 112.
Didelphe Säugetiere 3.
Diffuse Plazenta 166.
Diplotrophoblast 47, 99, loi, 102, 108,

122, 125, 134, 140, 195.
Doppelplazenta 147, 173, 178.
Dorsalplatte (Lwoff) 89.
Dotterektoderm von Sauropsida und Or-
nithodelphia nicht primitiv
114.

116, 125;

-ocr page 249-

E.

Einkapselung der Keimblase bei Fleder-
mäusen
194.
Ektodermschild 103.
Ektoplazenta 23, 145, 166, 168.
Embryonalhüllen 35, 99.
Embryonalknoten 6, 102, 105; ~ beim

Erinaceus 115.
Embryonalschild, Biegung des
9; zwei-
schichtiges — 9; Faltung des —
10,
14;
Fig. 20, 21; Einschaltung des—
in den Trophoblast 15.
Entoblasthof (Schauinsland)
78.
Entoderm, Anteil des ■— bei der Meso-
blastbildung
44.
Entodermblase (Nabelblase) kleiner wie die

Trophoblastblase 8, 9.
Entypie 11, 104, 112, 135.
Entwicklungsprozesse im Ektoderm 48;

im Entoderm 39.
Ergänzungsplatte 45.

Eröffnung des Trophoblastes, — bei
Tupaja III; — bei Tarsius 111 ;

— bei Cervtis 112.

6.

Gastrula der Säugetiere 17 ; Delaminations-

— 18; Invaginations- — 18 89;
Meta- — 5.

Gefäßbildung 47.

Gehirnzirkulation der Insektivoren 225.
Grundschicht 114.

H.

Haftstiel 45, 46, 54 56, 113, 128, 193;
Vaskularisation des — 47, 64, 129;

— primitiver als freie Allantois 131.
Hämatopoiese
120, 122, 149, i68.
Hensen\'scher Knoten 22, 53, 58, 66, 87.
Holoblastische Furchung 2.

I.

Indeciduata 179.

K.

Keimblase, — des Kaninchens 150; be-
deutende Vergrößerung der —
141,195 ;
Vergrößerung der — durch Flüssig-
keitsaufnahme
26; — der Primaten 146 ;
gürtelförmige Anheftung der — 184.

Keimschichten, weitere Entwicklung der

zwei — 39.
Kephalogenesis 98, 228, 229.
Knochenbildung am Kopf 2[i.
Knoten, protochordaler, siehe Protochor-
dalknoten 51,
Kontradecidualer Plazentationstypus
140.
Kopffortsatz 51, 85.
Kupffer\'sche Blase 94, 96, 97.

I,.

Lame vasculaire (Swaen et Brächet)
97-

Larvenhülle 24, 26, 206.
Lecithophor 88.

Lunge und Schwimmblase 208.

M.

Membrana serosa 34, 35.
Menschliche Keimblase (Peters) 147.
Meroblastische Einrichtung der Ornitho-
delphia
123.
Mesoblast, ventraler 45, 53, 59; — bei
Amphibien
73 ; — bei Elasmobranchiern
92; — Chamaeleo 83, 92; paarige
Flügel des —
161; — bei Teleostei
95, 98; — bei Sauriern
83.
Mesoblastblase 54, 56.
Mesoblastflügel 60.
Mesoblasthof 46.

Mesoderm, multipler, Ursprung des 47.
Mesodermsäckchen 83, 87.
Mesodermsichel 55.
Mesenchymbildung 39.
Metagastrula 5.

Mittleres Keimblatt; es gibt kein — 47.
Monodelphe Säugetiere 3
Morula 4.

Mundschlitz, dorsaler 22, 59, 86.

N.

Nabelblase 99. loi, 118; gefäßreiche —
von
Tarsiiis 81 ; die — die Tropho-
blasthöhlung nicht ausfüllend
118;
Hämatopoiese auf der — 120; — bei
Didel(jhia
123.
Nachgeburt 171, 174,
Neurenterischer Kanal 88.
Neuroporus
128.

-ocr page 250-

Non-placentalia 138.

Notogenesis 18, 61, 73, 86, 88, 93, 94,
95, 98, 228, 229.

O.

Omphaloide Plazentation 113, 145, 188.

Ontogenie versus Palaeontologie 222.

Organe plaeentaire 36.

Osmotische Prozesse in der Plazenta 201.

Osteophora 212.

Oviparität, tritt nachträglich an die Stelle
von Viviparität
123, 134.

P.

Phagozytose 163, 169, 183, 184, 191,
197, 200.

Phylogenese des Amnions 100, 102, 105;
— — nach Selenka 113; — der
Embryonalhüllen
99; — der Plazenta
181 u. ff.; — der Säugetiere 214; —
der Vertebrata
204.

Pilidiumlarve 25, 26, 107, 112.

Placenta, klassifikatorischer Wert der
179; — cotyledonaria
197; — diffusa
152, 159, 198; — von
Tarsius 147,
176;
von Kaninchen und Hund 150,
153; — von Hyrax 155, 156; — der
Didelphia 161,
191; spezialisierte —
vom Pferd
197; — der Lemuren
198; archaische — 152, 201; inten-
sifizierte Osmose in der —
201; Ver-
gleichung früher Erscheinungen in
der — beim Igel und Menschen
143,
156;
verschiedenes über — 166; om-
phaloide—
166, 183, 193; allantoide
— 113, 171, 183; — als Hämor-
rhagie
168; discoide — 177; gürtel-
förmige —
179.

Piacentares Plasmodium von Tarsius und
Tupaja 151.

Plasmoditrophoblast 31, 32, 33, 36,
154.

Plasmodium — foetale 153; Raubtiere

152.

Protochordalplatte 21, 41, 42, 43, 44,
45, 46, 47, 49, 98; — bei Am-
phibien
67, 93; bei Sauropsida 79; bei
Ornithodelphia
84.

Primaten, primitiver als andere Säugetier-
ordnungen 215.

Primitivmesoblast 59, 61.

Primitivstreifen 46, 83; Verkürzung des
— 61.

Proamnion 112, 162.

Proliferationszentren 56.

Proliferationsgebiet, ringförmiges 46.

Promammalia 65.

Protetrapoden 24, 26, 113, 114, 126.

Protochordalknoten 21, 22, 43, 48, 49,
52, 56, 60, 61;
— bei Amphibien
67, 68, 98; — bei Hypogeophis 71;
bei Sauropsiden 82; — bei Ornitho-
delphia 86; — bei Elasmobranchiern
89, 91; — bei Teleostei
95.

Protosomiten 87.

R.

Rauber\'sche Zellen 16, 17, 32, 104.

Reicherts Ovum 181.

Rückenmund 22, 59, 60, 63, 86, 93 ;
seitliche Lippen des — 83.

Rückkehr vom Landleben zum Wasser 209.

Rückenrinne 93.

s.

Schema der Plazenta nach Strahl 180.

Schemata 7ar«z«-Keimblase 57.

Schwanzanschwellungen bei Elasmo-
branchiern
92.

Semiplazenta avillosa 164.

Seröse membran 99, 102, 107, 108; —
nicht Nebenprodukt des Amnions 102.

Sichelrinne 84, 86.

Sipunculuslarve 25.

Splanchnischer Mesoblast 122.

Sperlingschemata 77.

Stomodaeum 63, 87, 88.

T.

Teloderm 30.

Träger der Nagetiere 151.

Trennung (der zwei ersten Furchungs-
zellen)
2.

Trophoblast 102, 205; wuchernder Ab-
schnitt des Trophoblastes
102; —
eine frühe Larvenhülle 107; scharfe
Trennung des — vom Ektoderm
54;
— bei jüngsten Furchungsstadien 6,
23; — vom Igel 145; zerstörende

-ocr page 251-

Eigenschaften des — 143, 157; _
von Manis 159; Anteil des — an
die Ernährung und Festheftung des
Embryos 138; — beim Opossum 139;
Reduktionszustände des — 114; Reste
des — 116; — der Ichthyopsida 37;
Phylogenese des — 27; Plasmodi-

und Cyto--33; Verdoppelung des

— 32; theoretische Betrachtungen über
den Ursprung des — 22; Zirkulations-
verhältnisse im — 194.

Trophoblastblase 30.

Trophoderm 23, 145.

Trophospongia 147,- 165, 168, 170.

u.

Unterschied zwischen Lemuren und Alfen
220, 224.

Uterusschleimhaut 171.

Urmund und Urmundlippen 22.

Uterinmilch 187.

V.

Verklebung von Trophoblast und Uterus-
epithelium 139.

Iliibrecht, Embryologie,

Verknöcherungsprozesse 117.

Vermaktiniales Stadium 22, 63, 228.

Verwachsung des Protochordalknotens und
der Protochordalplatte bei Amphibien
71; — bei Teleostiern 95.

Viviparität, Eintreten der — bei frühen
Säugetieren IIS; — ging bei Ornitho-
delphia der Oviparität voraus 123.

w.

Wanderung (der Entodermzellen) 8.

Wechselverhältnisse in der plazentaren
Ernährung 142.

Wucherungsherde 62, 92.

~ des Uterusepithels bei Sorex 164.

z.

Zellenstammbäume 63.

Zusammenfassung von Kap. I und II 97.

--Kap. IV und V 202.

Zweischichtige Säugetierkeimblase 17.

Zone, ringförmige, des Entoderms 40, 46;
— bei Elasmobranchiern 91; — bei

. Amphibien 69, 95; — bei Sauro-
psiden 80.

16

-ocr page 252-

A.

Achoria 126.

Acipenser 92, 115.

Adapidae 216, 222, 223

Aegialitis 3 I.

Affen 3, 8, 9 11, 13, 14, 21, 45. loi,
103, 105, 118, 119, 126, 129, 131,
132, 142, 148, 153, 156, 166, 178,
1,82, 188, 193, 194, 20T, 216, 217,
218, 220, 221.

Allantoidea 116, 205.

Amia 94.

Amniota 38, 100, 116, 117, 204.

Ammospermophilus 104.

Amphibien I, 37, 38, 65, 67, 71, 72, 73,
74, 76, 83, 86, 92, 93, 94, 95, 100
bis 104. 114, 115, 118, 129, 205, 206,
207, 208, 211, 212, 227, 229.

Amphioxus I, 2, 4, 18, 38, 87, 89, 97,
116, 206, 212, 229.

Anabas scandens 210.

Anallantoidea rr6, 205.

Anamnia 38, 100, 117, 204.

Anaptomorphtis 216, 220, 221, 222.

Anas 31, 32.

Anneliden 25, 229.

Anthropoiden 13, 47, 119, 142, 146, 147.
165, 178, 216, 217, 222, 225.

Anuren 13. 65, 68, 73.

Arctopithecini 179, 216.

Arthropoden 108.

Artiodactyla 197, 226.

Arvicola 3, 14, 103, 150, 151.

Axolotl 68, 70, 71, 72.

B.

Balanoglossus 228.

Btiteo 31.

c.

Camelidea 180.

Carnivora 3, 149, 150, 154, 156, 165,
174, 175, 183, 185, 186, 188, 197, 198.

Cavia 3, 6, 11, 14, 15, 87, loi, 102,
103, 104, 112, 135, 150, 151, 171,
177.
Cebidae 222.

Cephalochordata 212, 229.
Ceratodus 92, 93, 115.
Cervus 3, 6, 7, 15, 110. 112,
Cercopithecidae 222.
Cercopithecus 3.
Cercocebus cynomolgus 119.
Cetaceen 152, 156, 164, 180, 195,
208.

Chamaeleo 32, 33, 34, 36, 79, 83, I09.
i Chiromys 160, 217, 218.
Chironectes 210.

Chiroptera 3, 4, 5, 11, 13, loi, 110,

III, 171, 174, 183.
Chirotherittm 227.
Chondrophora 212, 229.
Chordaten 25, 229.
Clemmys japonica 31, 36.
Clupeidae 210.
Coelenteraten 24, 229.
Coecilien 68.

Condylarthra 154, 155, 156, 225.
Creodonta 154, 155, 156, 188, 225.
Cyclostomen 38, 116, 117. 206, 207, 208,

212, 229.
Cynodontomys 217.
Cyprinidae
210.

D.

Dasjnirus lï-^^ I40. 152, 162. 183, 190.
Dasypus 159.
Dermaptera 4.

Desor\'sche Larve 25, 107, ri2.
Didelphia, 4, 17, 27, 29, 30, 39, 113,
123, 124, 138, 139, 152, 161, 16s,
167, 182, 190, 192, 202, 203, 205,

213.

I Dipnoi 38, 92, 94, 115, 116, 205 — 212.

Namenregister.

-ocr page 253-

E.

Echidna 27, 29, 123.

Edentata 4, 152,156, 158, 159, 160, 195,

198, 199, 202.
Eidechsen 132.

Elasmobranchier 35, 38, 89, 91, 92, 94,

117, 207, 208, 212.
Elephas 155, 185.
Emys lutaria 31, 32, 80.
Erinaceus 3, 6, 9, 10, 12, 13, 19, 33,
35; 45> 56, loi, 105, 106, 109, iio,
122, 142, 143, 144, 146, 148, 150,
151, 165, 170, 171, 173, 175, 177,
178, 179: 188, 194, 200, 201.
Equus 158, 166, 167, 180, 182, 195,
197, 198, 226.

F.

Fische 26, 37, 88, 100.
Fledermaus, s.
Vespertilio 4, 5, 6, 11,
33; 35i 87, 106, 109, iio, 154, 165,
175-
Forficula 108.
Frettchen 154.
Frosch, s.
Rana.
Fuchs 154.

G.

Galago 160, 167.

Galeopithecus 4, 6, 11, 14, 16, 42, 45,

loi, 105, iio, iii, 134, 153^

179.

Ganoiden 38, 94, 115, 116, 208.
Gecko 82.

Gephyreen 25, 37, 107, 206.
Gryllus 108.

Gymnarchus niloticus 210, 211,
Gymnophionen 65, 66, 68, 73.
Gymnura 3, 13, 45^ iqi, 105, 142, 194.

H.

Elapalidae 216.
Hippopotamus 180.
Hirundo 31.

Huhn 31, 36, 94, 113, 114^ 124, 229.
Hund 3, 4, 39, 40, 42, 45, 151, 152,

153, 154, 156, 164, 171, 175, 176.
Hylobates 121, 147.
Hyopsodidae 216.
Hypogeophis 66, 67, 68, 71, 83.
Hyrax 155, 156, 202.

Ichthyopsida 37, 38, 41, 204.
Ichthiopterygia 208.

Insectivoren 3, 104, iii, 122, 135, 141,
149, 152, 154, 156, 160, 161, 164,
168, 171, 172. 182, 183, 188, 197,
198, 200, 201, 216, 224, 225, 226,
227.

Invertebrata 2, 108.

8, 165,

K.

Känguruh 226.
Kaninchen, s.
Lepjis.
Katarrhine Affen 119, 147,

166, 178.
Katze 3, 154.
Knorpelfische i, 208, 229.
Krokodile 80.

I..

Lacerta miiralis 31, 83, 132, 133.

Landtiere 208, 20g, 211.

Larus 31.

Lemuren 3, 125, 152, 156, 158, 159,
160, 161, 164, 166, 180, 182, 184,
187, 198, 199, 202, 216, 217, 218,
219, 220, 221, 222, 223, 224, 225,
226.

Lepidosiren 92, 93.

Lepisma 108.

Lepidosteus 115.

Lepus 3, 4, 5, 8, 9, 16, 20, 45, 104,
144, 150, 152, 153, 154, 165, 171,
175, 176, 179-

Lophiomys 226.

Lu^scina 31.

M.

Macacus 3.

Mammalia 24, 65, 123, 179, 180, 204,
207, 208, 211, 212, 213 214, 221.

Manis 4, 45, 47, 156, 158, 159, 180,
198.

Marsupialia 113, 226.

Maulwurf, s. Talpa.

Megaladapidae 222.

Menicotheridae 155.

Mensch 2, 8, 11, 13, 14, 45. 47^ loi, 103,
105, 118, 124, 126, 129, 131, 132, 142,
16*

-ocr page 254-

146, 147, IS3, 156, I65, 170, 171,
176, 177, 178, 179, 182, 188, 193, 200,
201, 215, 216, 217, 219,220, 221.

Metachiromys 217.

Metatherîdae 227.

Micfochoerus 216.

Mixodectes 217, 218.

Mollusken 2.

Monodelphia 17, 27, 29, 30, 39, 124,
126, 138, 141, 162, 167, 192, 202,
203, 205, 213, 214.

Monotremen 29, 85, 214.

Microsyops 217.

Multituberculata 213.

Muraenoidae 96.

Miis 3, 6, 14, 15, 16, 45, 103, I3S,
150, 151, 177-

Mustehis 26.

Mycetes 179.

Myrmecophaga 159.

N.

Necrolemiir 216.

Nemertinen 25, 37, 107, 206.

Neopithecini 216.

Nesopithecidae 222.

Nesopithecus 222.

Nomarthra 160.

Nycticebus 3, 124, 132, 133, 159, 160,
167, 198, 199, 217, 221.

O.

Opossum 4, 5, 7, 15, 20, 21, 138, 166,
182, 190.

Ornithodelphia 17, 27, 28, 29, 30, 36,
76, 84, 85, 114, 123, 126, 134, 162,
203, 205, 214.

Ornithorhynchus 27, 28, 29, 84, 85, 86,

87.

Orycteropus capensis 159.

Osteophora 212, 229,

Ovis 3, 15, 16, 39, 42, 129, 133, 186,
I9S, 196, 198, 199.

P.

Palaeopithecini 216.

Passer 76, 77, 78, 79, 83.

Perameles II3, 139, 152, 162, 163, 164,
165, 167, 172, i8o, 183, 189, 190,
192.

Peripatus 108.
Perissodactyla 226.
Petromyzon 93, 128.
Phascolarctos 162, 190.
Pholidota 156, 160.
Pilidium 25, 26, I07, 112.
Platyrrhinae 179.\'
Podiceps 31.
Polypterus
209, 210.
Primaten 3, 46, 47, 73, 97, loi, IJ2, 119,
120, 123, 124, 125, 126, 131, 134,
141, 143, 146, 147, 150, 152, 159, 160,
161, 171, 176, 178, 182, 193, 200,
201, 205, 215, 216, 217, 218, 219,
221, 222, 223, 224. 225, 226, 227.
Pristitirus 90.
Proboscidea 156.
Proglires 218.

Protetrapoden 24, 26, II3, 114, 126,

141, 184, 209, 214.
Protopterus 92.

Pteropus II, 13, loi, 104, lio, 112, 174.

B.

Rana, s. Frosch 68, 69, 70, 71, 72, 73,

74, 94, 114-
Ratte 103.

Raubtiere 154, 171, 185, 187, 188, 192.
Reptilien i, 17, 23, 27, 31, 32, 33, 35,

36, 37, 79, 81, 83, 85, 87, iio, 116,
118, 205, 208, 212, 213, 214, 227.

Rodentia 3, 103, 104, 134, 141, 149,
150, 154, 15s, 165, 171, 174, 175,
177, 182, 183, 194, 198, 200, 225,
226.

S.

Saccobranchus 210.
Salmonidae
96.

Säugetiere I, 3, 4, 5, 7, 17, 18, 20, 22,
23, 24, 27, 28, 30, 31, 32, 35, 36,

37, 38, 39, 41, 45, 47, 48, 49, 55,
60, 65, 66, 68, 71, 73, 76, 80, 82,
83, 84, 91, 92, 95, 97, 98, 100, loi,
105, 108,
I 12, 113, 117, 118, 120, [21,
122, 124, 125, 126, 129, 130, 133,

134, 138, 141, 142, 153, 155, 161, 163,

166, 175, 179, 180, 182, 183, 184,
185, 186, 187, 190, 200, 202, 203,

-ocr page 255-

205, 2o8, 213, 214, 215, 223, 224,
225, 226, 229.

Sauropsiden 23, 24, 27, 30, 35, 36,
41, 65, 76, 80, 82, 83, 84, 85, 86,
97, 100, loi, 103, 108, 112, 113,
114, 116, 118, 120, 123, 124, 126,
130, 133, 134, 138, 203, 204, 205,

206, 207, 208, 211, 212, 213.
Sauropterygia 208.

Sciuriis 3, 45, 152, 177.
Schaf, s.
Ovis.
Schildkröten 79.
L\'hwein, s.
Sus.
Scomber
210.

Scomberesox Camferi 210.
— Rondeletii 210.
Sebastes
210.
Selachi.er 92, 116, 129.
Seps 36.
Siluridae 210.
Simidae 222.
Sipitnmlus nudus 25.
Sirenia 156.
Smilodectes 217.

Sorex 3, 6, 8, 9, 16, 20, 21, 35, 39,
40, 41, 42, 44, 45, 46, 62, 64, 71, 104,
123, 129, 144, 152, 164, 165, 171,
172, 173, 178, 192.

Sphenodon 32, 33, 34, 35, 36, 79, 109.
Squamipennes 210.
Sterna 31.
Strtithio
80.

S^is 3, 9, 15, 42, iio, 112, 158, 166, 167,
180, 182, 187, 195, 196, 198, 226.

T.

Taenioidei 210.

Talpa 3, 20, 45, 140, 153, 165, 172, 174,

179, 180, 188, 189.
Tapir 180, 226.

Tarsius 3, 6, 8, 9, 11, 15, 17, 20,

36, 42—47, 50—61, 64, 66, 67, 68,
72, 73—75, 80, 81, 83, 85, 86, 87,
89, 91, 94, 95, 97, III, 112, 118,
122, 124, 126—131, 132, 133, 142,
144, 147, 148, 149, 150, 151, 152,
156, 165, 171, 176, 177, 178, 179,
193, 201, 216, 219, 220, 221, 222.
Tattisia 134.

Teleostier i, 38, 48, 92, 95, 96, 116, 117,
129, 205, 206, 207, 208, 210, 211,
212.

Tetrapoden 203, 211, 227.
Thy7tnus 210.
Torpedo 90, 91.
Toxodontia 156.
Traguhis 157, 158, 186.
— meminna 157, 197.
Trionyx japonica 3 i.
Triton 70, 74, 94.
Tritylodon 213.
Tropidonotus 31,
Trutta fario
97.
Tiibtilidentala 160.

Ttipaja 3, 4, 6, 8, 9, 10, II, 15, 16,

36, 39, 40, 45, 80, III, 112, 122, 129,
135, 144, 151, 152, 165, 166, 171,
172, 173, 174, 177, 178, 190.

U.

Umbrina 210.

Ungulata 3, 104, 122, 125, 141, 152,
155, 156, 158, 159, 160, 161, 164,
183, 188, 195, 196, 198, 199, 200,
201, 202, 221, 225, 226.
Urodelen 65, 73, 93, 195.

V.

Vespertilio s. Fledermaus 3, 6, 31, 33,

35, iio, 153, 165, 171, 175, 194.
Vertebraten 2, 18, 22, 23, 25, 27, 35,

37, 38, 40, 64, 65, 94, 100, 108,
115, 128, 131, 138, 204, 205, 207,
212, 214, 227, 229.

Vögel I, 17, 23, 30, 3 t, 35, 36, 77, 78,
80, 81, 83, 85, 113, 116, 124, 205.

W.

Walfische 209.
Wirbellose 22, 108.

Wirbeltiere 2, 18, 23, 24, 41, 46, 48,
94, 97, 102, 108, 117, 124, 204, 214.
Wiederkäuer 158.
Würmer 2, 25, 37.

X.

Xenarthra 156.

z.

Zoarces 26.

-ocr page 256-

A.

Assheton 3, i6, 45, 75, 114, 155, 202,
210.

B.

Balfour 17, 129, 229.
Ballowitz 87-
Barbieri, Giro 157.
Bashford Dean 94, 115.
Bateson 228.
Bellonci 71.

Beneden, E. v. 3, 4, 5, 6, 9, 33, 35,
36, 87, 88, 100,
HO, 120, 121,-174.
Beneke 3.
Boeke 95,
96, 97.

Bonnet 3, 4, 22, 39, 40, 41, 42, 45,
46, 49, 60, 62, loi, 129, 133, 151,
175, 185, 195, 196.
Bischoff 5.

Brächet 68, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 94,

97, 129, 204.
Brauer 66, 68, 71, 73.
Braus 93.

Bryce 3, 103, 146, 169, 177, 178, 202.

c.

Caldwell 17, 27, 162, 163.
Cerfontaine 89.
Corning 70, 80, 132, 133.

D.

Davenport 79.
Dean 94, 115.
Deighton 129,
Desor 25, 107, 112.
Disse 150.
Driesch 58.

Duval 3, 5, 6, 23, 36, HO, 145, ISO,
151, 166, 168, 174, 175, 178.

E.

Eternod 36.

F.

Fleischmann 3.

Flower 223, 224.

Forsyth Major 222.

Fräser 3.

Frommel 174,

Fürbringer 65, 213.

G.

Giaco mini 36.

Götte 70, 72, 81, 129, 208.

Göhre 13, 104, 174.

Graham Kerr 93.

H-

Haeckel 100.

Hatschek 25, 229.

Heape 3, 17, 20, 82,

Hensen, v. 3, 22, 49, 53, 58, 66, 87.

Hertwig, O, 18, 22, 32, 34, 39, 40,
41, 46, 48, 81—83, 86, 87, 91, loi,
151, x6o, 229.

Herwerd en, M. v. 174, 190.

Heukelom, s. Siegenbeek van Heu-
kelom.

Hill 17, 27, 28, 29, 36, 84, 85, 86, 87,
113, 137, 139, 140, 161, 162, 163,
164, 183, 190, 223.

His 81, 89, 90.

Hubrecht 3, 6, 8, 11, 16, 17, 19,
21 — 23, 33, 41, 42, 50, 54—56, 62,
64, 81, 89, 93, 109,
III, 112,
120, 124, 127, 133, 148, 153, 154, 159,
160, 164, 169, 171, 172, 173, 223, 228,

Huxley 224.

J,

Jenkinson 150.

Ch. Julin 3, 4, 174.

K.

Keibel 3, 5, 7, 20, 39, 42, 46, 60, 62,
82, 88,
HO, 112, 124, 148, 159, 195.
204.

Autorenregister.

-ocr page 257-

Klaatsch 209.
Kleinenberg 47.
Kölliker 9, 16, 39, 44, 82.
Kollmann 146.
Kowalevsky 229.
Kupffer 96, 97.

L.

Lee, G. 104.
Legros 18, 89.
Linnaeus 117.
Lv\'off 72, 89.
Lydekker 222—224.

M.

Masius 3.

Mehnert 30—32, 34, 35, 79, 80, 81.
Miguel Fernandez 134.
Milne Edwards 23, 38.
Mitsukuri 31, 32, 34, 35, 79, 87.
Mollier 40, 82, 91, 120.
Muller, E. 150.

N.

Nolf 174, 175.

O.

Osborn 217.
Owen 161.

P.

Peters 3, 132, 143, 146, 169, 177.

B.

Rabl 40, 46.
Rauber 16, 17, 32, 104.
Ray Lankester 207.
Reichert 181.
Resink 143, 144, 169.
Robinson 3, 75.
Roux 2.

Rückert 40, 55, 8r, 82, 89, 90, 91,
92, 120, 129.

Salensky 115.
Saxer 120.

Schauinsland 30, 32, 33, 34, 35, 76,

77, 78, 79, 83, 87, loi.
Schlater
36.

Schoenfeld 151, 152, 164, 175, 185.
Schwink 70.

Sedgwick-Minot 23, 25, 145, 227.
Seeley 213.

Selenka 3, 4, 5, 7, 11, 13, 15, 16, 20,
21, 39, 103, 104, 112, 113, 119,

121, 13s, 138, 139, 146, 147, 148,

150, 151, 158, 161, 178, 190.
Semon 17, 27, 28, 29, 37, 93, I15, 123.
Siegenbeek van Heukelom 3, 143,

146, 177.
V. Spee 3, 120, 121, 146.
Spengel 208.

Strahl 79, 132, 146, 15E, 152, 154, 158,
160, 163, 164, 171, 172, 177 —180,
185, 196.
Studiati 36.
Sumner 95.
Swaen 94, 97, 129.

T.

Teacher 3, 103, 146, 169, 177, 202.

V.

Vernhout 172.
Voeltzkow 80, 87.

w.

Weber 155, 159, 160.
Wenckebach 48, 83, 87, 122.
Weysse 3, 9, iio.
Will 79,
87.
A, Willey 108.

Wilson 2, 17, 27, 28, 29, 36, 58, 84,

85, 86, 87, 94.
Woltereck 229.
Wortman 213, 216, 217—226.

z.

Ziegler 39, 48, 74, 94, 96, 122.

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