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Me nschliche Embryonen

verschiedenen Alters

auf Medianschnitten untersucht.

Ein Beitrag zur Mechanik der Entwicklung.

Von

Fr. Merkel.

Mit 3 Taleln.

Göttingen,
Dieterrchsche Verlags-Buchhandluni
1894.

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Menschliclie Embryonen

verschiedenen Alters

auf Medianschnitten untersucht.

Ein Beitrag zur Mechanik der Entwicklung.

Von

Fr. Merkel.

Mit 3 Tafeln.

Göttingen,

Diet er ich sehe Verlags-Buchhandlung.
1894.

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J23

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Abdruck aus Band 40 der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft
der Wissenschaften in Gröttingen.

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Menschliche Embryonen verschiedenen Alters
auf Medianschnitten untersucht.

Ein Beitrag zur Mechanik der Entwickelung.

Von

Fr. Merkel in Göttingen,

Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften am 21. April 1894.

Um eine genaue Vorstellung von den Veränderungen zu erhalten, welche
der Körper des Fötus im Laufe des intrauterinen Lebens durchmacht, müsste
man nicht allein Schnittreihen in verschiedenen Eichtungen sondern auch Präparate
anderer Art anfertigen und ich weiss wohl, dass Medianschnitte allein, über
welche in Folgendem gesprochen werden soll, nicht im Stande sind, Antwort
auf alle die zahlreichen bei der Beurteilung auftauchenden Fragen zu geben.
Doch sind sie immerhin geeignet, eine Grrundlage zu schaffen, auf welcher man
weiter bauen kann. Bei manchen Erörterungen erlauben die Angaben der Lit-
teratur weitere Ausblicke, welchen denn auch nicht ausgewichen werden soll. —
Bei der Betrachtung von Medianschnitten kann es sich naturgemäss nicht
um eine Ermittelung von Durchschnittswerthen handeln, sondern nur um einzelne
Individuen, doch ist es wohl selbstverständlich, dass besonders wohlgebildete
Föten ausgesucht wurden\'). Alle Präparate, welche den Figuren dieser Arbeit
zu G-runde liegen, sind sorgfältig in Müllerscher Flüssigkeit und nachher in
Alkohol gehärtet und mit einem sehr grossen und schweren Messer durchschnitten.
Nur beim ausgetragenen Kinde musste, der harten Knochen in der "Wirbelsäule
wegen, eine Säge zu Hilfe genommen werden. War die Mittellinie nicht ganz
getroffen, dann wurden noch vorsichtig mit dem Easirmesser dünne Scheiben
abgetragen bis die Medianebene erreicht war. Die Untersuchung erstreckte sich
auf Embryonen von der vierzehnten bis zur dreissigsten Fötalwoche, sowie auf den
Körper eines Neugeborenen. Der Durchschnitt vom Körper des Erwachsenen, der
zur Vergleichung in Fig. 1 beigefügt ist, ist eine Verkleinerung des bekannten
Bildes des Braune\'schen Atlas, welches ich deshalb lieber wähle, als einen Original-
schnitt, weil die Figur in ganzer Grrösse Jedermann zugänglich ist.

1) Für die Uebersendung von embryologischem Material bin ich einer grossen Reihe verehrter
Collegen zu lebhaftem Dank verpflichtet. Zu der vorliegenden Untersuchung fanden besonders
die freundlichen Zusendungen der Herrn Prof. Dr. Win ter-Berlin und Dr. Fr e s s el-Hamburg
Verwendung.

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Der Grrund warum die Untersucliung bei der vierzehnten Woche nach unten
Halt macht ist der, dass in den früheren Stadien die Ausbildung mancher Körper-
theile noch so sehr von der des definitiven Zustandes abweicht, dass sie zur
unmittelbaren Vergleichung mit den späteren Stadien nicht wohl herbeigezogen
werden kann.

Eine genauere Vergleichung der Präparate unter sich ist nur dadurch möglich,
dass man Zeichnungen anfertigt, welche auf ein allen gleiches Maass reducirt
worden sind. Dies bot aber deshalb gewisse Schwierigkeiten, weil es nicht ohne
weiteres klar war, welches Maass als die grundlegende Norm zu betrachten ist.
Die GresammtkÖrperlänge konnte es nicht sein, da wegen der immer vorhandenen
Krümmung jüngerer Embryonen und der zufälligen Krümmungen älterer dabei
sehr ungleichwerthige Bilder hätten herauskommen müssen. Die Länge der ge-
sammten Wirbelsäule würde schon brauchbarer sein. Der Versuch hat auch
gezeigt, dass die verschiedenen vorhandenen Krümmungen dabei für die Ver-
gleichung sehr wohl unschädlich gemacht werden können. Da aber doch immerhin
wünschenswerth war, Eehler der Methode möglichst vollständig zu eliminiren, so
wurde den Zeichnungen als dasNormalmaass die Länge der Brustwirbelsäule
von der Bandscheibe über dem ersten bis zur Bandscheibe unter dem letzten
Brustwirbel zu Grrunde gelegt; dieser Abschnitt ist also in allen Zeichnungen
gleich lang.

Schon A e b y (1) weiss, dass das Wachsthum dieses Wirbelsäulenabschnittes
während der ganzen Embryonalzeit ein ausserordentlich gleichmässiges ist und
auch die Krümmung erweist sich als eine so constante, dass weder das Alter
noch auch die Körperhaltung einen Einfluss auf sie ausüben, der eine genaue
Vergleichung verhinderte.

Es ist klar, dass auf Herstellung der für die Vergleichung benutzten Bilder
die grösste Sorgfalt verwandt werden musste und es erschien wünschenswerth,
die nöthigen Reductionen auf rein mechanischem Wege ohne Dazwischentreten
der Hand des Künstlers vorzunehmen. Dies wurde dadurch erreicht, dass von
den Schnitten, welche unter Spiritus mit der Schnittfläche an eine planparallele
Grlasplatte angedrückt wurden, kleine aber sehr scharfe photographische Aufnahmen
gemacht wurden. Von dem so erhaltenen Negativ konnten dann mittelst des
Vergrösserungsapparates Positive auf Eastmanpapier in jeder gewünschten Grösse
angefertigt werden Dieselben genügten vollständig um die hauptsächlichsten
Punkte mit absoluter Treue zu fixiren und es war Sache des Zeichners, mit Zu-
hilfenahme dieser Bilder die Details zu entwerfen.

Die Grrösse, in welcher die Abbildungen ausgeführt wurden, war an sich
gleichgiltig, da ein Theil der Präparate verkleinert, ein anderer vergrössert
werden musste. Sie wurde daher so gewählt, dass sie nicht zu ungefüg wurde,
dabei aber doch erlaubte, alle wünschenswerthen Details einzutragen.

1) Mein Assistent, Herr Dr. Kallius unterstützte micli bei dieser Arbeit in dankenswerthester
"Weise.

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Ein Blick auf die Tafeln erweist, dass die ganze Haltung der abgebildeten
Embryonen nicht diejenige ist, welche sie im Uterus einnehmen, wo sie bis zur
Geburt hin stark zusammen gekrümmt und mit auf die Brust geneigtem Kopfe
liegen. Sie sind vielmehr in der Stellung gehärtet worden, welche sie, sich
selbst überlassen und auf dem Rücken liegend, einnahmen. Der Neugeborene
und die beiden ältesten Föten zeigen dabei eine Kopfhaltung, welche an die des
Erwachsenen erinnert, bei allen jüngeren Embryonen ist der Kopf mehr oder
weniger vorwärts geneigt. Da die Beine nicht etwa gestreckt worden waren
und auch die Arme, sowie es bei Embryonen gewöhnlich ist, auf der Brust lagen,
so dürfte die Stellung der Extremitäten keinen irgendwie deformirenden Einfluss
auf die in der Medianebene sichtbaren Gebilde ausgeübt haben und ich kann
mich nun zu deren Besprechung wenden.

Wirbelsäule.

Die Eigenthümlichkeiten der Wirbel des Neugeborenen im Gegensatz zu
denen des Erwachsenen stellt Langer (22) in folgender Weise zusammen (S. 13):
,,Ueberwiegen des Kalibers des Wirbelloches über alle anderen Dimensionen.
Ueberwiegen der Dicke über die Höhe an den Körpern, welche noch nicht die
Wurzeln der Bogenstiele in sich aufgenommen haben; sehr kurze Fortsätze;
mehr frontal eingestellte Querfortsätze der Brustwirbel, dagegen daselbst nach
vorn convergirende Bogenstiele; relativ weite Foramina intervertebralia; grössere
Uebereinstimmung der Wirbel verschiedener Abschnitte der Wirbelsäule in ihren
Formen; endlich ein im Verhältniss kurzes Lendenstück,"

Moser (29), welcher 1889 denselben Gegenstand bearbeitet, beschränkt sich
darauf, Langer wörtlich zu wiederholen, und setzt dem nur hinzu, dass die
Lendenwirbelsäule des Neugeborenen frontal stehende Gelenkflächen besitzt, eine
Angabe, welche hier nicht interessirt, welche auch durchaus nicht neu ist^)..

Ueber die relativen Längenverhältnisse der Wirbelsäule macht Ravenel
(32) einige fragmentarische Angaben; viel eingehender behandelt sein Lehrer
Aeby (1) zwei Jahre später den Gegenstand; er fasst seine Resultate mit fol-
genden Worten zusammen: „1) Kindliche und erwachsene Wirbelsäulen sind in
ihren Maassverhältnissen wesentlich verschieden. 2) Die Lendenwirbelsäule des
Kindes ist verhältnissmässig kürzer, die Hals Wirbelsäule um ebenso viel länger,
als diejenige des Erwachsenen. Die Brustwirbelsäule erscheint bei beiden gleich-
werthig. 8) Die erwachsene Wirbelsäule ist in allen, namentlich aber in den
oberen Theilen, schlanker als die kindliche. Die damit verbundene Breitenab-
nahme ist nicht blos allgemeiner, sondern im Ganzen auch bedeutender als die
Dickenabnahme, 4) Der Wirbelkanal ist beim Erwachsenen nicht allein im
Verhältniss zur Länge der Wirbelsäule, sondern auch im Vergleich mit den
Querdurchmessern der Wirbelkörper im Ganzen enger als beim Kinde. 5) Kind-

1) vergl. Fr. Merkel: Ueber den Bau der Lendenwirbelsäule. Arch. f. Anat. u. Physiol.
Anat. Abth. 1877.

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liehe und erwachsene Wirbelsäulen enthalten verhältnissmässig gleich viel Band-
masse, jedoch in verschiedener Vertheilung. 6) Die kindliche Wirbelsäule hat
vor der erwachsenen geringere Ungleichartigkeit ihrer Bausteine voraus. 7) Auf
den Grang und schliesslichen Erfolg der ganzen Entwickelung hat das Geschlecht
keinen Einfluss. 8) Die Wirbelsäule verfolgt von Anfang an einen einheitlichen
Entwickelungsplan. Ihre Formveränderungen nach der Geburt sind nur eine
Fortdauer der gleichen Veränderungen vor derselben.

Cunningham (9) erschliesst in seiner Arbeit über die Lendenkrümmung aus
den Messungen, „dass die Lumbarregion bei sehr jungen Föten eine proportionale
Länge hat, welche sich weit mehr der der Erwachsenen nähert, als der des
weiter entwickelten Fötus oder des Neugeborenen. Doch sind weitere Unter-
suchungen nöthig, um diesen Punkt zu bestätigen. Aber es scheinen die Körper
der Lendenwirbel in dieser frühen Periode, so weit das Augenmaass ein Urtheil
erlaubt, lang und schmal im Vergleich mit weiter fortgeschrittenen Präparaten;
sie zeigen in der That ein Aussehen, welches einigermassen an das der Lenden-
wirbel gewisser niederer Alfen erinnert.\'\'

In einer zweiten Abhandlung (10) meint er, dass man auf Medianschnitten
der kindlichen Wirbelsäule die grosse relative Länge der Körper der Lumbai-
wirbel bemerken würde. „Sie sind fast pavianähnlich in ihren Umrissen.\'^

Beginne ich bei einer vergleichenden Betrachtung der Wirbelsäule mit den
Körpern, so ergiebt die oberflächlichste Untersuchung schon die Richtigkeit der
Angabe, dass in der Fötalzeit die einzelnen Wirbelabtheilungen weit gleichartiger
erscheinen als später. Hält man die Bilder des Erwachsenen und des Neugebornen
einander entgegen, dann ist dies schon zu bemerken; dies nimmt aber nach unten
mehr und mehr zu, bis endlich der jüngste der abgebildeten Embryonen (Fig. 8)
eine Reihe von Wirbelkörpern zeigt, welche in der Mitte am besten ausgebildet
erscheinen und sich nach oben zum Epistropheus, nach unten zum Steissbein gleich-
artig verjüngen. Aber schon in dieser frühen Zeit lässt eine aufmerksamere
Betrachtung Unterschiede erkennen, welche den Zustand vorbereiten, der sich
später ausbilden soll. Die Parallelogramme von gleichmässiger Höhe und Breite,
wie sie die Durchschnitte der mittleren Brustwirbel darstellen, ändern sich nach
oben so, dass sie schmaler und niederer, nach unten so, dass sie schmaler und
höher werden. Die oberen Wirbel werden damit schon ihrem definitiven Zustand
entgegengeführt. Sie bleiben im Wachsthum nach beiden Dimensionen mehr und
mehr zurück bis dann die rasche Verjüngung erreicht ist, welche beim Erwach-
senen die Halswirbel gegenüber den Brustwirbeln zeigen. Die unteren Wirbel
müssen noch weitere Veränderungen durchmachen, ehe sie die bleibende Form
gewinnen.

Bei genauer Vergleichung der Präparate wurde so vorgegangen, dass sorg-
fältige Pausen von den Zeichnungen der Figg. 1—8 genommen wurden, welche,
aufeinander gelegt, die Aenderung der Form und Lage leicht und deutlich er-
kennen Hessen. Es fiel dabei sogleich auf, dass mancherlei individuelle Eigen-
thümlichkeiten vorhanden waren, welche berücksichtigt werden mussten, um

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EehlscUüsse zu vermeiden. Ganz besonders waren bei Fig. 5 die "Wirbel im
Ganzen graziler d. h. schmaler als bei Embryonen die älter und jünger waren.
Der sechste bis neunte Brustwirbel waren diejenigen, welche schon bei dem
jüngsten Embryo (Fig. 8) relativ denselben Medianschnitt des Körpers zeigten,
wie beim Neugeborenen. Selbst der Erwachsene fügt sich einigermassen dieser
Regel; bei ihm gleicht aber nur der neunte Brustwirbel in jeder Weise dem des
Embryo der Fig. 8, der achte und siebente decken sich ebenfalls, sind jedoch beim
Erwachsenen etwas schmaler, der sechste wird schon etwas niedriger, wie der
des Fötus. Man darf daher aussprechen, dass der neunte Brustwirbel-
körper in seiner Höhen- und Breitenentwickelung den gleichmässigsten Gang
geht und dass auch die nächst höheren bis zum sechsten inclusive während des
intrauterinen Wachsthums in sehr gleichmässiger Weise fortschreiten. Das gleiche
gilt auch für die die Wirbelkörper verbindenden Bandscheiben, da sich beim
Aufeinanderlegen der Pausen nicht nur die Wirbel decken, sondern überhaupt das
Ganze in Rede stehende Stück der Wirbelsäule.

Oberhalb dieser am gleichmässigsten wachsenden Wirbelabtheilung findet
man nun beim jüngsten Embryo die Wirbelkörper nicht sogleich verändert, was
man in derart nachzuweisen vermag, dass man versucht die Pause auf der
Zeichnung zu verschieben. Man kann den neunten Wirbel bis zum sechsten hin-
aufschieben und sieht, dass sich trotzdem die beiden Bilder bis zum unteren
Rand des fünften Halswirbels der Zeichnung völlig decken, woraus hervorgeht, dass
in der ganzen Reihe der Durchschnitte vom neunten Brustwirbel bis zum sechsten
Halswirbel einer dem andern völlig gleicht und dass auch die Bandscheiben die gleiche
Höhe und Ausbildung haben ; erst der fünfte bis dritte Halswirbel wird niederer und
schmaler, während der Epistropheus eine bedeutende Entwickelung zeigt. Er ist
so lang wie die drei auf ihn folgenden Wirbel, nicht wie die zwei nächsten, eine
Thatsache, welche bereits bekannt ist. Die Verkleinerung der Wirbelkörper,
d. h. also richtiger das Zurückbleiben derselben im Wachsthum, beginnt nun von
obenher; doch ist der Fortschritt offenbar kein ganz gleichmässiger. Während
er von Fig. 8 ab bei Fig. 6, 5, 3 und dem Neugeborenen in den Beugewirbeln
des Halses sehr deutlich nachzuweisen ist, tritt er bei Fig.
4 kaum zu Tage;
er besteht hier nur darin, dass die Wirbel selbst niederer werden, während die
Bandscheiben den Verlust wieder ausgleichen. Die beiden Drehwirbel schliessen
sich von der Regel manchmal auch dann aus, wenn ihr die übrigen folgen, so
ist beim siebenmonatlichen Fötus (Fig. 3) der Raum vom vorderen Bogen des
Atlas bis zur unteren Fläche des Epistropheus genau ebenso gross, wie beim
jüngsten Embryo (Fig. 8.)

Ausser der Höhendimension geht aber die Dickendimension zurück und zwar diese
mehr als jene; dass dabei die gleichen Schwankungen vorkommen,. wie dort, be-
darf wohl keiner Ausführung. Beim siebenmonatlichen Fötus ist die Verkleinerung

1) Als individuelle Abweichung ist anzusehen, dass beim Embryo der Figur 7 die Wirbel
2—6 nicht 6—9 die gleiche Ausbildung zeigen, wie die der Neugeborenen.

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schon soweit fortgeschritten, dass auch die oberen Brustwirbel bereits davon er-
griffen sind. Auch Aeby sagt schon, allerdings für die postembryonale Ent-
wickelung (1. c.), dass mit dem Längenwachsthum der ganzen Wirbelsäule die
Höhe ihrer einzelnen Segmente verhältnissmässig abnimmt. Aus seinen übrigen An-
gaben geht jedoch nicht hervor, in welcher Weise die Verkleinerung fortschreitet.

Die gleiche Unregelmässigkeit, wie in den oberen Wirbeln zeigt sich auch
in den unter dem neunten Brustwirbel gelegenen. Eine relative Verlängerung
des Abschnittes vom zehnten Brustwirbel bis fünften Bauchwirbel inclusive ist nicht
zu verkennen. Wenn aber die Beobachter von einer Verlängerung der Bauch Wir-
belsäule sprechen, so ist dies für die untersuchten Embryonen keineswegs be-
dingungslos zuzugeben. Die Bauchwirbelsäule vom jüngsten Embryo (Fig. 8),
vom viermonatlichen (Fig. 5) und fünfmonatlichen (Fig. 4) Fötus ist auf den Zeich-
nungen vielmehr ganz genau gleich lang. Es liegt die Verlängerung dann in den letz-
ten Brustwirbeln. Gregen den siebenmonatlichen Fötus und den Neugeborenen freilich
ist die Bauchwirbelsäule aller übrigen Embryonen relativ kürzer und diese haben
wieder eine um etwa einen halben Wirbel kürzere Bauchwirbelsäule als der
Erwachsene, so dass die relative Verlängerung vom dreimonatlichen Embryo bis
zum Erwachsenen rund eine ganze Wirbelhöhe beträgt. Die erwähnte Unregelmäs-
sigkeit im Wachsthum, welche auf individuelle Verhältnisse zurückzuführen ist,
geht auch aus Aeby\'s Tabelle (1. c. S. 109) hervor, in welcher die Verlänge-
rung keineswegs einen ganz gleichmässigen Fortschritt zeigt. Wenn aber Cun-
ningham (9) zu glauben geneigt ist, dass jüngere Föten eine relativ längere
Bauchwirbelsäule haben, als ältere, so ist dies unzutreffend, iind es werden die-
sem Grelehrten vermutlich Präparate vorgelegen haben, in welchen die hauptsäch-
lichste Verlängerung einmal in den letzten Brustwirbeln, das andere Mal in den
Bauchwirbeln lag, was bei geringem Material allerdings zu Fehlschlüssen Veran-
lassung geben könnte.

Weit augenfälliger, als die Aenderungen in der Länge, sind die in der Dicke,
überhaupt im ganzen Habitus des unteren Theiles der Wirbelsäule. Wie oben
bemerkt, nimmt die Dicke der Wirbelkörper nach unten ganz allmählich ab,
während die Höhe der einzelnen Wirbel erst steigt und dann langsam fällt;
die Medianschnitte erhalten dadurch ein mehr quadratisches Aussehen, welches
Cunningham (9) bewogen hat, dieselben p avian - ähnlich zu nennen. Wenn
man den Durschnitt der Wirbelsäule von Cynocephalus anubis , welchen dieser
Autor auf Tafel 6 seines Werkes abbildet, auf die passeade Grrösse reducirt, dann
decken sich in der That dessen sechs Bauchwirbel mit dem zwölften Brust- und den
fünf Bauchwirbeln vom Embryo der Fig. 6 fast vollkommen. Bei sämmtlichen unter-
suchten Föten, auch beim Neugeborenen, ist die Breite der unteren Bauchwirbel
eine geringere, als die der oberen, was beim Erwachsenen nicht der. Fall ist; bei
diesem sind vielmehr die unteren Bauchwirbeldurchschnitte breiter als die oberen.
Bei den jüngeren Föten hält sich die Dicke von den Brustwirbeln ab bis zum
dritten Bauchwirbel, vom vierten an vermindert sie sich sogleich stark, beim sie-
benmonatlichen Fötus wächst die Dicke schon bis zum zweiten Bauchwirbel, um

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von da ab dann abzunehmen, es hat sich also jetzt das stärkere Wachsthum,
welches zu der kräftigen Bauchwirbelsäule des Erwachsenen führen soll, schon
eingeleitet und zwar von dem unteren Ende der Brustwirbelsäule anfangend;
beim Neugeborenen ist dies bereits soweit fortgeschritten, dass der vierte Bauch-
wirbel derjenige ist, welcher den grössten sagittalen Durchmesser zeigt.

Das Kreuz- und Steissbein bilden in der Gleichmässigkeit der Abnahme
aller Dimensionen die directe Fortsetzung der letzten Bauchwirbel; da diese
Abnahme eine stärkere ist, als in den oberen Theilen der Wirbelsäule, so ist
auch das Endresultat ein anderes, welches in der Abnahme bis zu den kleinen,
auf den Durchschnitten nur schwer sichtbaren letzten Steisswirbeln besteht.

Die Veränderungen in der relativen Längenausdehnung dieses Wirbelab-
schnittes sind geringfügig und dürften über individuelle Verschiedenheiten kaum
hinausgehen. Obwohl bei den jüngeren Föten die Verschmälerung der Wirbel
im Bereich des Kreuzbeines eine ganz gleichmässige und zwar bedeutende ist,
ist die Dicke der unteren Kreuzwirbelkörper bei ihnen doch eine relativ grössere,
als beim Erwachsenen.

In den letzten Stadien des intrauterinen Lebens beginnt die Form des
Kreuzbeins sich schon etwas der des Erwachsenen zu nähern.

Die Zahl der Steisswirbel wurde verschieden gefunden; sie schwankte zwi-
schen drei und fünf. Bei mikroskopischer Untersuchung feiner Schnitte hätten
sich an einigen Präparaten vielleicht noch mehr finden lassen, wenigstens dürfte
man dies nach den Untersuchungen von Stein ach (35) (s. das. auch Litteratur)
erwarten. Ueber die sogenannte „Schwanzfrage\'S über welche sich zuletzt Keibel^)
ausspricht, geben meine Präparate keine Auskunft, sie sind dafür in einem schon
zu weit vorgeschrittenen Stadium.

Ueber die Fortsätze der Wirbel etwas beizubringen, dafür sind Median-
schnitte ebenfalls ungeeignet. Man sieht nur, dass sich die Processus spinosi
je länger je mehr vervollkommnen. Besonders geeignet erweisen sich die Schnitte
für die Betrachtung des Wirbelkanals, welche aber erst weiter unten zugleich
mit Besprechung des Rückenmarks vorgenommen werden soll.

Ich wende mich daher sogleich zur Betrachtung der Krümmung der Wir-
belsäule, welche schon seit langer Zeit Gregenstand der Untersuchung ist. Die
Bemerkungen darüber gehen bis auf die Anatomen zu Anfang des Jahrhunderts
zurück, welche aber meistens der Wirbelsäule des Neugeborenen die später er-
scheinenden Krümmungen völlig absprechen. Der erste welcher eine genauere
Untersuchung vornimmt ist Horner (18). Er zeichnet den vorderen Contur der
Wirbelsäule eines Neugeborenen und sagt: „Wir wissen dass die Anlage der
Wirbelsäule im Embryo von wenigen Wochen eine gerade Linie bildet, dass
beim 5—6 monatlichen Fötus die Verschiebung des Promontorium, die Biegung
des Kreuzbeins — die später die bedeutendste Krümmung besitzt ~ noch fast

1) üeber den Schwanz des menschlichen Embryo, Archiv für Anat. v. Physiol. Anat. Abth
1891 S. 856.

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Null sind. Auch das neugeborene Kind zeigt in seiner Wirbelsäule noch Ver-
hältnisse, welche von denjenigen des Erwachsenen bedeutend abweichen." Die
Abhandlung von Cleland (8) konnte ich mir im Original nicht verschalFen.
Nach Cunningham\'s Referat (9 S. 69) demonstrirt er an Medianschnitten den
Einfluss, welchen die Stellung der unteren Extremitäten auf die Form der Wirbel-
säule und den Grrad der Beckenneigung beim Neugeborenen hat. Ist der Kopf auf
die Brust gesenkt und sind die Schenkel gebogen, dann bildet die Wirbelsäule
bis zum Kreuzbein hinunter eine tiefe Concavität; bei gehobenem Kopf und
gestreckten Schenkeln tritt das Becken zurück und es entsteht eine vordere Con-
vexität der Lendenwirbelsäule.

Der nächste Grelehrte, welcher sich über die Biegung der fötalen Wirbelsäule
äussert ist Parow (31). Er sagt S. 254: „Von den Krümmungen ist es besonders
die concave des Brustwirbeltheiles, welche schon im Fötalleben durch die Lage
im Uterus eingeleitet wird, und bei ihrer Abhängigkeit von dem Zusammenhange
mit dem Brustkorbe unter der Mitwirkung des Athmungsprocesses am frühesten
sich consolidiren wird." Die Hals wirb elkrümmung wird nach seiner Ansicht erst
dann deutlicher werden, wenn das Kind anfängt den Kopf aufrecht zu halten;
die Lendenkrümmung ist schon beim Neugeborenen angedeutet.

In seinem Buche über die Formentwickelung des Thorax machtHüter (19) einige
hierhergehörige Bemerkungen. Er behauptet, dass die Brustwirbelsäule des
Neugeborenen eine gerade Linie bilde (S. 28), sowohl in horizontaler Lage, als
auch bei freiem senkrechtem Aufhängen des Rumpfs. Die Convexität der Hals-
wirbelsäule ist nur angedeutet, die nach vorn convexe Krümmung der Lenden-
wirbelsäule fehlt fast vollständig. Das nur wenig gekrümmte Kreuzbein weicht
vom Promontorium aus in stumpfem Winkel zurück. Dass die Wirbelsäule im
Uterus eine grosse, nach vorne concave Krümmung bilde, giebt Hüter nicht zu,
er stimmt vielmehr mit Horner darin überein, dass die Anlage der Wirbelsäule
eine gerade Linie darstellt. „Diese gerade Linie bildet auch während der ganzen
fötalen Entwickelung die Mittelstellung der Wirbelsäule und nur die Krümmungen
am oberen Ende der Brustwirbelsäule und am unteren Ende der Lendenwirbel-
säule entwickeln sich allmählich zu den Verhältnissen" der kindlichen Krümmung.
Bar well (4) nennt die kindliche Wirbelsäule gestreckt; sie folgt in ihren Bie-
gungen lediglich der Unterlage, auf welcher das Kind liegt. Das Becken ist
fast horizontal. Bouland (6) welcher nach dem Vorgang der Brüder Weber
isolirte Wirbelsäulen in Gryps eingoss und den Block sodann in der Medianlinie
durchsägte, sagt (S. 364): „Bei der Geburt zeigt die Wirbelsäule, abgesehen vom
Sacro-vertebralwinkel, immer zwei obere Krümmungen in umgekehrtem Sinn u.nd
zuweilen eine dritte unten in der nämlichen Richtung wie die Nackenkrümmung"^.
Führt man eine steife Sonde in den Wirbelkanal des Neugeborenen ein, dann
kann man die Krümmungen völlig verschwinden machen, mit Ausnahme einer
kleinen Concavität nach vorne im Bereich der drei ersten Brustwirbel. Sich
selbst überlassen kehrt aber die Wirbelsäule sofort in ihre ursprüngliche Form
zurück. Die Ursachen der Krümmungen liegen in den Wirbeln selbst und zwar

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sind die Knoctenkerne nack der Convexität der Krümmung hin höher, als nach
deren Concavität. Der Knorpel, welcher den Knochenkern umgiebt, folgt dieser
Regel nicht, er ist bald vorn bald hinten dicker.

Balandin (3j, der nächste Untersucher des Gregenstandes, findet, dass die
Brustkrümmung am ersten auftritt; er kann sie schon an zweimonatlichen Em-
bryonen beobachten. Als zweite erscheint die Halskrümmung im 3. Lebens-
monat. Die Lendenkrümmung folgt zuletzt, um die Wende des ersten Lebens-
j ah res. Eine Lendenkrümmung kann man nach seinen Untersuchungen beim
Neugeborenen sofort hervorrufen, wenn man die in die Höhe gezogenen Beine
streckt und damit durch Vermittelung des nun gespannten Lig. iliofemorale das
Becken vorne senkt.

Ravenel (32) lässt beim Neugeborenen die Biegungen fast vollständig fehlen
und sagt, dass äussere mechanische Einwirkungen es sind, welche die Umprägung
der kindlichen Form in die erwachsene bedingen. „Sie ist keine active, von
der Wirbelsäule selbst ausgehende, sondern, wenigstens in der Hauptsache, eine
passive, ihr von aussen her aufgedrungene.\'\'

Fehling (12) sagt von einem Medianschnitt durch den Körper eines Neu-
geborenen : „die Wirbelsäule verläuft vom Halstheile bis zum vorletzten Lenden-
wirbel fast ganz gerade, nur ein ganz geringer, nach vorn offener Bogen ist
angedeutet. Vom 5. Lendenwirbel an beginnt die auch an allen anderen Sagit-
talschnitten ersichtliche Beckenkrümmung ganz in derselben Art und Weise."

Charpy (7) zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass die Rücken-
krümmung des Embryo eine ursprüngliche ist und früher erscheint, wie jede
andere; sie findet sich selbst bei Personen, welche niemals den Versuch gemacht
haben, zu gehen. Noch im vierten Fötalmonat ist sie die einzig vorhandene;
in den letzten Monaten aber wird die Halskrümmung mehr und mehr deutlich,
die Lendenkrümmung wird erst im achten Monat ersichtlich. Beim Neugeborenen
sind die Krümmungen natürlich ebenfalls zu sehen, wenn auch schwach entwickelt.

Cunningham (9) sagt, dass bei sehr jungen Embryonen die Wirbelsäule
einen einzigen nach vorne concaven Bogen bilde. Im unteren Theil (Kreuz- und
Steissbein) ist der Bogen „more abrupt", als oben und das Ende der Säule ist
hakenförmig aufwärts gekrümmt. Später zeigt dann die Wirbelsäule zwei
vorne concave Bogen, der obere die wahren Wirbel, der untere die Kreuz- und
Steissbeingegend umfassend. Diese wird tiefer, aber eine andere Krümmung
entsteht nicht, solange der Fötus im Uterus verweilt. Ein schwaches, aber
deutliches Promontorium findet man bei 70 Mm. langen Embryonen. Hebt man
bei Embryonen oder Neugeborenen den auf die Brust gesunkenen Kopf, dann
entsteht sofort eine vorn convexe Halskrümmung, während die übrigen Theile
der Wirbelsäule unverändert bleiben. Auch die Lendenkrümmung kann man
hervorbringen, wenn man die Beine forcirt streckt, wie dies Balandin angiebt,
Symington (36) bestätigt im wesentlichen Cunninghams Beobachtungen.
Bemerkenswerth ist, dass er eine constante Halskrümmung auch für den Er-

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wachseneii leugnet, indem er sagt, dieselbe binge lediglich von der Haltung des
Kopfes ab.

TJeberblickt man die in Vorstehendem kurz mitgetheilte Litteratur, dann
könnte man fast daran verzweifeln, ein klares Bild von den Wirbelsäulenkrüm-
mungen bekommen zu können. Der eine läugnet sie, der andere behauptet sie,
der eine sagt, der Grund ihrer Anwesenheit läge in den Wirbeln selbst, der
andere sagt, der Grrund wäre zweifellos nur in der Umgebung zu suchen. Von
mehreren Seiten wird hervorgehoben, dass die embryonale Wirbelsäule sehr be-
weglich sei und durch die geringste Beeinflussung sogleich ihre Biegung ändere,
weshalb man von einer Normalkrümmung nicht reden könne. Die grosse Bieg-
samkeit bedarf keines Beweises weiter, da sie jedermann kennt; auch mir machte
sie sich recht unliebsam bemerklich, indem nicht selten ein Embryo, den man
ganz gerade gelegt zu haben glaubte, doch eine seitliche Biegung der Wir-
belsäule zeigte, so dass der Schnitt dann auch bei grösster Sorgfalt in der Aus-
führung nicht durch die Medianebene aller Wirbel fiel.

Trotz dieser Biegsamkeit aber haben Horner, Hüter, Barwell u. a. zwei-
fellos unrecht, wenn sie der embryonalen Wirbelsäule eine gestreckte Gestalt
vindiciren. Die Figuren von His (17) beweisen, dass in den ersten Wochen der
Embryonalzeit eine sehr regelmässige nach vorne concave Krümmung der gesamm-
ten Wirbelsäule vorhanden ist, und es dürfte kaum gelingen, selbst noch einen
Embryo, wie es der jüngste hier abgebildete ist (Fig. 8), soweit zu strecken, dass
seine Wirbelsäule eine gerade Linie bildet. Dies ist nach Balandins Ver-
suchen nur möglich, wenn man dieselbe ganz frei präparirt und durch Ziehen am
oberen und unteren Ende spannt. Selbst bei diesem gewaltsamen Experiment
fand dieser Forscher nur bei zwei- bis dreimonatlichen Embryonen die Wirbelsäule
noch weich und biegsam genug, um sie in einen geraden Stab zu verwandeln, bei
vier- bis fünfmonatlichen blieb beim Spannen eine deutliche^Concavität zurück, deren
Grenzen in die Gegend des siebenten Hals- und neunten Brustwirbels fallen. Beim
Neugeborenen konnte, wie oben erzählt, B o u 1 a n d nicht einmal durch die Einfüh-
rung einer steifen Sonde in den Wirbelkanal eine Concavität im Bereich der drei
ersten Brustwirbel ausgleichen. Gegenüber diesen positiven Angaben fallen vage
Bemerkungen, dass die Wirbelsäule des Neugeborenen noch „fast" gerade sei,
nicht weiter ins Gewicht.

Die Präparate, welche den Figuren dieser Abhandlung zu Grunde liegen,
sind keineswegs alle in der gleichen Stellung gehärtet, trozdem aber ist die
Krümmung im Bereich der Brustwirbelsäule immer vorhanden. Der jüngste
Embryo (Fig. 8) und älteste Fötus (Fig. 3) zeigen ganz die gleiche Curve. Bringt
man an den Pausen die hinteren, dem Wirbelkanal zugekehrten Grenzlinien
beider zur Deckung, dann fallen sie im Bereich sämmtlicher Brustwirbel zusam-
men, versucht man das Gleiche mit der vorderen Linie, dann sind diese sogar
vom 7. Halswirbel bis zum zweiten Lendenwirbel identisch. Im übrigen wird
die Form der Curve von der Kopfhaltung beeinflusst, wie mir die übrigen abge-
bildeten Föten und noch einige andere besonders stark gekrümmte beweisen. Es

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zeigt- sich — was nicht a priori erwartet werden konnte —, dass durch diese
nicht nur die Stellung der Halswirbelsäule, sondern auch die der drei bis vier
obersten Brustwirbel geändert wird. Dieselben sind je nach der Haltung von
Kopf und Hals balu nach vorn, bald nach rückwärts geneigt. Unten aber fällt
meistens der erste Bauchwirbel noch in die Brustcurve hinein. Nur bei ganz
excessiver Beugung des Körpers tritt er, ja selbst der letzte Brustwirbel noch
vor die Curve der übrigen, so dass ich in einem einzigen Falle gefunden habe,
dass nur die Linie vom siebenten bis elften Brustwirbel mit der des abgebildeten
Neugeborenen zusammengetroffen war. Nach dem Mitgeteilten ist für die Krüm-
mung der "Wirbelsäule in der unteren Brustgegend eine ebenso grosse Grleichmäs-
sigkeit der Entwickelung nachzuweisen wie für die Form.

Dass die Halswirbelsäule keine Stellung zeigt, welche als eine typische an-
gesehen werden darf, ist nicht verwunderlich; ihre Beweglichkeit ist ja selbst
beim Erwachsenen noch eine so erhebliche, dass ihr Symington, wie oben be-
merkt, eine bleibende Krümmung abspricht. Balandin (1. c.) sagt noch vom
Neugeborenen, dass seine Wirbelsäule einen geraden Halstheil habe. Derselbe Gre-
lehrte, wie auch Fehling behaupten das Grleiche von der Lendenwirbelsäule, und
es ist ganz klar, dass Balandins Versuche zur Erzeugung der Lendenkrümmung
beim Neugeborenen, von welchen oben berichtet wurde, das richtige tretfen.
Genau so, wie für die Stellung der Hals Wirbelsäule diejenige des Kopfes mass-
gebend ist, so ist es für die der Bauchwirbelsäule die des Beckens. Werden
beide nach hinten bewegt, dann bekommen die betreffenden Wirbelsäulenab-
schnitte eine vorn convexe Form, treten sie nach vorne, dann werden die Abschnitte
vorne concav. Der wesentliche Unterschied der Hals- und Bauchwirbelsäule be-
steht darin, dass die Biegung der ersteren die Brustwirbel mehr beeinflusst, wie
die der letzteren.

Was das Kreuz- und Steissbein anlangt, so verdanken wir über dieses
Fehling (12) die eingehendsten Angaben. In der Mitte des dritten Monats findet
er die Beckenwirbelsäule fast vollständig gestreckt, nur die untere Spitze krümmt
sich etwas nach vorn. Im vierten Monat wird die Längshöhlung immer stärker,
dabei findet sich an zwei Stellen eine deutliche Krümmung, „eine nach vorn
convexe, entsprechend dem letzten Lenden- und ersten Kreuzwirbel und im un-
teren Theil des Kreuzbeines eine deutliche Höhlung." Der erste Kreuzwirbel
wird nun deutlich keilförmig und bleibt es von nun an. Im fünften Monat
krümmt sich das Kreuzbein im oberen Theil stärker nach vorne und es tritt die
erste Andeutung des späteren Promontoriums auf.

Meine eigenen Untersuchungen haben mich von der Richtigkeit der Angabe
Fehlings bezüglich des ersten Auftretens einer Krümmung am unteren Ende
des in Rede stehenden Wirbelsäulenabschnittes überzeugt, und zwar findet man
im dritten Monat meistens die letzten Steisswirbel scharf hakenförmig umgebogen
(vergl. Fig. 10); die höchste Convexität des Bogens liegt im dritten. Dieser Zu-
stand ist kein neuerworbener, er reicht noch weit zurück. Rosenberg (33)
bildet schon von einem zwei Centimeter langen Embryo diese Knickung ab und

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sagt, dass deren "Winkel im 32. Wirbel gelegen babe. Tourneux und Herr-
mann (40) zeichnen dieselbe von einem 37 mm. langen Embryo und sagen, dass
die drei letzten Wirbel einen fast rechten Winkel mit den übrigen gebildet hät-
ten. Bemerkens Werth ist es, dass bei dem in Fig. 7 abgebildeten Steissbein nicht
dessen Spitze, sondern vielmehr der drittletzte Wirbel in dem Gripfel des Steiss-
höckers liegt, der am Präparat sehr deutlich zu sehen ist, während in anderen Fi-
guren (6,8) die Spitze des Steissbeines und der Gripfel des Steisshöckers in bekannter
Weise zusammen fallen. Eine Durchsicht der Zeichnungen dieser Abhandlung
giebt den klaren Beweis, dass nicht jedes Präparat aus früher Zeit dieses
hakenförmig gekrümmte Steissbein zeigt und es wäre interessant, in Erfahrung
zu bringen, ob es in diesen Fällen überhaupt nicht zur Ausbildung eines solchen
Hakens gekommen ist, oder ob sich derselbe schon wieder zurückgebildet hatte.
Zur definitiven Lösung dieser Frage gehört ein sehr grosses Material, die weni-
gen Präparate, welche mir zur Verfügung stehen, machen mich aber geneigt, die
erstere Alternative für die wahrscheinlichere zu halten, denn es finden sich auch
in späteren Studien Embryonen mit stark (Fig. 4, 5, 7) und solche mit schwach
gekrümmtem (6) Wirbelsäulenende. ^

Was die Krümmung des Kreuzbeines anlangt, so ist es mir nicht gelungen,
darüber eine allgemein anwendbare Regel zu finden, da der eine Theil der Wir-
belsäulen gestreckter ist, als der andere, aber man kann doch von einer
S förmig
gekrümmten Linie des vorderen Grrenzconturs sprechen, wobei der untere Schen-
kel, der ungefähr der Pars perinea sacri H. Meyers (28) entspricht, eine meist
starke vordere Concavität, der obere, Pars pelvina, eine äusserst schwache der
Geraden genäherte vordere Convexität zeigt.

Die Krümmung des Kreuz- und Steissbeins ist zweifellos eine starre und
constante, und unabhängig von den Bewegungen des Rumpfes, es kann dies auch
nicht anders sein, da die Verbindung mit den Hüftbeinen schon Anfang des drit-
ten Monats ganz den gleichen Beckenring, wie beim Erwachsenen bildet (Feh-
ling 1. c. S. 4). Man kann sich davon auch ganz direct überzeugen. Ist die Bauch-
wirbelsäule eines Embryo etwa aus der Mitte der Schwangerschaft rückwärts abge-
bogen, dann entsteht ein deutliches Promontorium, ist sie vorwärts gebeugt, dann
vermag man ein solches nur schwer oder gar nicht nachzuweisen, ein Beweis dafür,
dass das Kreuzbein an den Bewegungen der Bauchwirbelsäule keinen Theil nimmt.

Die Frage nach dem Grunde der Krümmungen des Wirbelsäulenskeletes ist
eine schon öfter ventilirte, ohne dass jedoch, wie mir scheint, die wirklich mass-
gebenden Gesichtspunkte klar gelegt worden wären. Es ist klar, dass dabei
innere in der Wirbelsäule selbst gelegene Ursachen oder äussere, welche auf sie
umbildend einwirken, vorhanden sein können. Die erstere Alternative wird be-
sonders von Bouland (1. c.) verfochten; „Les courbures cervicale et dorsale

1) Vergl. auch Takahasi (37) Fig. 4.

2) Ich bemerke dabei ausdrücklich, dass ich mir die Meyer\'schen Bezeichnungen, welche
ganz unzutreffend sind, nicht aneignen möchte.

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que présente la colonne vertébrale chez rbomme résultent de son organisation
même, et non de l\'action combinée de différentes causes se rattachant à la sta-
tion bipède"; er sagt, dass beim Neugeborenen die Knochenkerne der Hals- und
Brustwirbel keilförmig gestaltet seien, tind dass die ersteren vorn, die letzteren
hinten dicker wären. Bei den Halswirbeln könne auch bei gleicher Dicke des
Knochenkernes vorn und hinten die knorpelige Anlage des Wirbels eine keilför-
mige Gestalt haben, bei den Brustwirbeln herrscht in der Gestalt der Knorpel-
anlage keine Regelmässigkeit. Im Gegensatz hierzu giebt schon Horner (1. c.)
an, dass bei sechsmonatlichen Föten und Neugeborenen in der Dicke der Wirbel-
körper vorn und hinten kein Unterschied wäre. Er macht vielmehr Schwere und
Muskelkraft, Bänderzug und Eingeweidelast für die Entstehung der Krümmungen
verantwortlich. Parow (1. c.) glaubt die gekrümmte Lage des Kindes im Uterus
für Entstehung der Brustkrümmung und die Verbindung des betreffenden Wir-
belsäulenabschnittes mit den übrigen Skelettheilen des Brustkorbes verantwortlich
machen zu sollen. Hüter (19) leugnet, dass der Muskelzug im Uterus die
Causa movens der Brustkrümmung sei, wie dies Horner behauptet hat, er
denkt auch, wie Parow, an die Lage im Uterus, ohne sich jedoch bestimmter
zu äussern. B alandin meint, es sei kaum zu bezweifeln, „dass die Brustkrümmung
hauptsächlich in erster Instanz durch die Anlage des Skeletes (Verbindung der
betreffenden Wirbelparthie mit dem Thorax—P a r ow) bedingt und dann durch den
Druck der wachsenden und sich ausdehnenden Brusteingeweide ausgebildet wird."

In erster Linie möchte ich meinerseits der mehrfach auftauchenden Ansicht
entgegentreten, dass ein von der Uteruswand ausgeübter Druck von massgeben-
dem Einfluss auf die Krümmung des Embryo sei. Dies ist zweifellos nicht der
Fall. Ist der Embryo noch klein, dann ist der ihm zugemessene Raum sehr
gross. Er schwimmt am Nabelstrang frei aufgehängt in einer weiten Höhle, wie
jeder weiss, der einmal ein solches Ei eröffnet hat. Gerade in dieser Zeit
aber ist er am stärksten gekrümmt. Auch in den späteren Monaten übt die
Uteruswand einen gleichmässig wirkenden Druck auf das Fruchtwasser, aber
nicht auf den in ihm schwimmenden Embryo aus. Schon unter normalen Umständen
ist die Menge des Fruchtwassers sehr verschieden ; existirt aber Hydramnion,
dann müsste sich der Embryo immer deutlich gestreckt zeigen, was aber keines-
wegs der Fall ist, obgleich natürlich Abweichungen von der gewöhnlichen Lage-
rung vorkommen. Der beste Beweis endlich dafür, dass die gekrümmte Haltung
des Embryo nicht durch Uterusdruck hervorgerufen wird, ist der, dass dieselbe
auch mehr oder weniger vollständig beibehalten wird, wenn man ihn nach dem
Abort in ein mit Flüssigkeit gefülltes Gefäss bringt und ihn daselbst sich selbst
überlässt; davon geben die Figuren dieser Abhandlung Zeugniss.

Es käme nun in Frage, ob die Krümmung der fötalen Wirbelsäule in ihr
selbst begründet ist, wie dies besonders B oui and aus ihrem anatomischen Bau
erschliessen will. Die Angaben dieses Gelehrten sind jedoch zweifellos unrichtig,
es ist mir aber leider nicht gelungen, den Grund seines sonderbaren Irrthums
aufzufinden. Die Figuren der gegenwärtigen Abhandlung lehren, dass Knochen-

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kerne und knorpelige Anlage der Wirbel keineswegs so regelmässig abgeschrägt
sind, wie es dieser Autor will, beim siebenmonatlichen Eötus sind die "Wirbel-
körper vorne sogar etwas höher als hinten und es stehen meine Befunde ganz
mit den genauen Messungen Horn ers und Raveneis im Einklang. Ich sehe
dabei ganz davon ab, dass eine bleibende Halskriimmung im fötalen Leben noch
gar nicht existirt, wie dies Bouland behauptet. Selbst das so deutlich
gekrümmte Kreuzbein hat in den jüngeren Stadien keineswegs Wirbel von be-
stimmter G-estalt und in der Zeit, in welcher ein hakenförmig gekrümmtes Steiss-
bein vorhanden ist, sind dessen Wirbel so weich und biegsam, dass man ihnen
ganz unmöglich eine Eigenform zuschreiben darf. Für die spätere Fötalzeit
giebt Fehling bestimmt an, dass der letzte Lenden- und der erste Kreuz-
wirbel einen keilförmigen Körper zeigen, eine Thatsache, welche leicht zu be-
stätigen ist. Auch für dieses Vorkommniss muss man aber keineswegs in der
Wirbelsäule selbst gelegene Gründe annehmen, sondern kommt sehr wohl damit
aus, dass man einen Einfluss äusserer Einwirkungen auf die Wirbelform vor-
aussetzt. Es ist überhaupt ein Fehler, welcher einer Erkenntniss des causalen
Zusammenhanges der Entstehung der Körperformen hinderlich im Wege steht,
dass so häufig nur ein einzelnes Körpergebilde, aus dem Zusammenhang gerissen,
untersucht wird. Die gegenseitige Wechselwirkung der Organe auf einander
ist es, welche die definitiven Formen erzeugt, und man vermag sich durch das
Studium gewisser teratologischer Formen (ich erinnere nur an die Missbildungen
des Gesichtes) von der Richtigkeit dieses Satzes sehr gut zu überzeugen. Sagt
doch schon vor zwanzig Jahren His (16, S. 83) sehr richtig: „Die Gestaltung,
die das Organ annimmt, ist abhängig von dem Gesetze seines eigenen Wachsthums,
von seinen räumlichen Beziehungen zu Nachbartheilen und von dem Wachs-
thume dieser letzteren.

Zu der Zeit, in welcher sich die Körperform einigermassen consolidirt hat,
zu der Zeit also, in welcher die Extremitätenanlagen hervorsprossen, besteht
bei den Säugethieren eine ausserordentlich grosse Uebereinstimmung in der
Krümmung des Körpers. Der Kopf ist auf den dicken Leib (Herz und Leber)
bis zur Berührung herabgebeugt, auch das hintere Ende ist gegen den Leib er-
hoben. Noch in der Fig. 8 der gegenwärtigen Abhandlung ist diese Form, wenn
auch schon etwas gemildert, vorhanden. Die Sache erklärt sich einfach genug.
Wirbelsäule und Rückenmark wachsen rascher, als die vorderen Theile des Körpers,
besonders als Hals und Bauch. Wäre die Verbindung zwischen der Wirbelsäule
und dem übrigen Körper eine weniger feste und gleichmässige oder wäre der
von ihr gebildete Stab ein weniger wiederstandskräftiger, dann würde sie sich
schlängeln, wie es der Darm bei seinem stärkeren Wachsthum thut, so aber
schiebt sie sich unter Erhaltung ihrer geraden Linie herum, wie die Peripherie
des rollenden Rades um die Achse. Erst wenn die vorderen Theile des Körpers
in ihrem Wachsthum nachkommen, gleicht sich das Missverhältniss zwischen
beiden mehr und mehr aus, wie dies unten noch specieller ausgeführt werden
wird. Es ist natürlich, dass dabei auch die innere Structur der Wirbelsäule,

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zuerst die Nachgiebigkeit des Bandapparates und dann die Form der Wirbelkörper
selbst, nicht ganz unbeeinflusst bleiben kann, und so sehen wir, dass zuletzt in
der That die gekrümmte Brustwirbelsäule, auch wenn sie ganz frei präparirt ist,
nicht mehr vollständig gerade gestreckt werden kann.

Ich vermag keinen anderen Factor für die Wirbelsäulenkrümmung zu ent-
decken, als die erwähnten Wachsthumserscheinungen, ganz besonders kann ich
nicht glauben, dass die Verbindung der Brustwirbelsäule mit dem übrigen Thorax-
skelet und der Druck der sich ausdehnenden Brusteingeweide von irgend welcher
Bedeutung sind. Wäre dies der Fall, dann würden die Eingeweide doch wohl
in erster Linie auf die sehr weichen Rippen und das ebenfalls weiche Brustbein
wirken und würden diese ausbiegen und wölben. Man sieht davon aber nichts,
wie die Besichtigung unverletzter Embryonen ergiebt, welche keineswegs einen
auifallend gewölbten Brustkorb haben, wie etwa die Emphysematiker, sondern
vielmehr einen kielförmigen, was sich dadurch erklärt, dass die luftleeren
Lungen einen geringeren Platz einnehmen, als solche, welche geathmet haben.
Die Medianschnitte der beifolgenden Tafeln erweisen auch, dass das Brustbein
keineswegs stark gewölbt ist. Endlich ist auch beim Aufeinanderlegen der
Pausen von den Figuren der Tafeln I—III zu ersehen, dass der Durchmesser
des Brustkorbs von vorn nach hinten in allen Fällen relativ der gleiche ist
was nicht sein würde, wenn zu bestimmten Zeiten der in der Brusthöhle herr-
schende Druck so stark wäre, dass er ausreichte, der Wirbelsäule eine bestimmte
Biegung zu verleihen. Ich lasse dabei ganz ausser Erwägung, ob ein solch
starker Druck nicht die physiologische Funktion des Herzens beeinträchtigen
würde.

Einer besonderen Betrachtung bedarf noch das untere Ende der Wirbelsäule
welches sich bei jungen Embryonen, wie erwähnt, hakenförmig nach vorne um-
gebogen zeigt. Man könnte hier auch wieder daran denken, dass die Becken-
eingeweide einen formirenden Druck ausübten, da der relativ starre Beckenring
eine ungehinderte Ausdehnung nicht zuliesse. Aber abgesehen davon, dass für
die Eingeweide Platz genug vorhanden ist, um nach oben auszuweichen, kann der
Beckenring desshalb nicht in Frage kommen, weil die primäre starke Krümmung
das Steissbein und nicht das Kreuzbein, nicht einmal dessen untere Theile be-
trifft. Vollständig ausgeschlossen wird eine derartige Erklärung dadurch, dass
zwischen dem gekrümmten Steissbein und dem gestreckten Mastdarm eine be-
trächtliche Schichte lockeren gallertartigen Bindegewebes liegt, welche erst dann
völlig schwindet, wenn die Füllung des Darmes mit Meconium einen so hohen
Grad erreicht, dass sich seine hintere Wand dicht an die Höhlung des Kreuz-
und Steissbeines anlegt (Fig. 10 und 4). Es scheint nur die eine Möglichkeit
der Erklärung vorzuliegen, dass sich die Wirbelsäule bei ihrem Wachsthum
mehr und mehr nach unten schiebt, während sie an ihrem unteren Ende fest-
gehalten wird. Man kann dies sehr leicht experimentell nachweisen: Ein dünner
sehr weicher Stab, welcher an der einen Seite stark
zugespitzt ist, etwa ein
Harnröhren-Bougie, wird am dünnen Ende mit der einen Hand fixirt, während

3

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die andere Hand vom dicken Ende ker einen Druck ausübt. Stets wird sich
das dünne Ende je nach der Stärke des Druckes mehr oder weniger stark krüm-
men. Ich komme also zu dem Schluss, dass das abwärts fortschreitende Wachs-
thum der Wirbelsäule bei fixirtem Ende die Krümmung hervorruft. Die noch
zu lösende Frage wird nur sein, wodurch diese Fixirung bewirkt wird. Es
scheint mir dabei gar nichts Anderes in Frage kommen zu können, als der seit-
liche Muskel- und Bandapparat des Schwanzes. Derselbe entspringt vom Becken
und setzt sich am Steissbein fest. Es ist nur nöthig, dass er früher im Wachs-
thum zurückbleibt, wie das Skelet, um dessen Verhalten gänzlich ungezwungen
zu erklären.

Das Kreuzbein hat sich in dieser frühen Zeit noch gar nicht weiter von
der Wirbelsäule gesondert, es gleicht ihr im Bau der Wirbelkörper und in der
Krümmungslinie vollkommen. Die Krümmung, die sein „perinealer" Theil all-
mählig annimmt, ist von der des Steissbeins abhängig und mit ihr identisch.
Es gleicht sich nur der u.rsprüngliche scharfe Haken des letzteren dadurch aus,
dass sich die Krümmung gleichmässiger auch auf die benachbarten Theile der
Wirbelsäule vertheilt. Der obere „pelvine" Theil des Kreuzbeins bleibt ja auch
bis zur G-eburt hin gestreckt, ja er nimmt sogar, wie erwähnt, eine compensa-
torische Convexkrümmung an, freilich eine kaum sichtbare. Wunderbar ist hur,
wie es zu der später so scharfen Abknickung kommt, welche in dem zwischen
Bauch- und Kreuz Wirbelsäule gelegenen Promontorium vorliegt. Dieselbe tritt
aber, wie oben gesagt, keineswegs plötzlich auf, sondern ist, wie ein Blick auf
die Figuren ergiebt, anfänglich kaum angedeutet, um erst in den letzten Zeiten
der Schwangerschaft (Fig. 3) deutlich und bleibend hervorzutreten. Die Gründe
hierfür sind im Becken selbst nicht zu suchen, denn legt man-die Pausen von
Fig. 3 mit Promontorium und Fig. 4 ohne ein solches aufeinander, dann sieht
man, dass die wesentlich in Frage kommenden Skeletpunkte derselben einander
ganz gleich sind. Es ist vielmehr die erheblich stärkere Entfaltung der Weich-
theile des Bauches, welche die dauernde Aenderung bedingt. Die Lendenwirbel-
säule wächst dabei auch stärker, wie oben bemerkt, aber sie streckt sich nicht
genug, um mit den Eingeweiden gleichen Schritt zu halten, wesshalb diese auf
das in sich geschlossene Becken drücken und dasselbe an seiner Verbindung
mit der Bauch Wirbelsäule abknicken. Das Promontorium entsteht also in seinem
ersten Anfang zweifellos nicht durch den Druck der Rumpflast, wenn auch der
geschilderte Wachsthumsdruck mechanisch etwas ganz ähnliches ist. Der Druck
der Rumpflast kann in der
von Fehling (1. c. S. 76) vortrefflich geschilderten
Weise erst post partum seine Wirkung entfalten. Um die allmählich entstehende
Keilform des ersten Kreuzwirbels zu erklären, dazu bedarf es dabei nicht der
Herbeiziehung unbekannter Kräfte. Es wirken vielmehr dieselben bekannten
Factoren, welche wir z. B. bei den Ausgleichungsvorgängen in skoliotischen
Wirbelsäulen die verschiedenen Umformungen der einzelnen Wirbelkörper her-
beiführen sehen.

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MENSCHLICHE EMBRYONEN VERSCHIEDENEN ALTERS. 19
Kückenmark und Wirbelkaiial.

lieber das Rückenmark sagt Hertwig (15) in der letzten Auflage seiner
Entwickelungsgeschichte S. 383. f. „Anfangs nimmt das Rückenmark die ganze
Länge des Rumpfes ein, beim Menschen bis zum vierten Monat der embryonalen Ent-
wickelung. Es reicht daher zu der Zeit, wo sich das Achsenskelet in einzelne
Wirbelabschnitte gegliedert hat, von dem ersten Hals- bis zum letzten Steisswirbel
herab. Das Ende des Rückenmarkes beginnt aber keine Granglienzellen und Ner-
venfasern zu bilden, sondern bleibt zeitlebens als ein dünnes epitheliales Rohr
erhalten. Dasselbe setzt sich von dem grösseren, vorderen Abschnitt, der Ner-
venfasern und Granglienzellen entwickelt hat, durch eine conisch verjüngte Stelle
ab, die in der descriptiven Anatomie als Conus medullaris beschrieben wird. So-
lange das Rückenmark in seinem Wachsthum mit der Wirbelsäule gleichen Schritt
hält, treten die aus ihm entspringenden Nervenpaare unter rechtem Winkel direct
zu den Zwischenwirbellöchern hin, um den Wirbelkanal zu verlassen. Diese An-
ordnung ändert sich beim Menschen vom vierten Monat an; von da bleibt das
Rückenmark in seinem Wachsthum hinter dem Wachsthum der Wirbelsäule zurück
und kann daher den Wirbelkanal nicht mehr ganz ausfüllen. Da es nun oben an
der Medulla oblongata befestigt ist, und diese mit dem Hirn in der Schädelkapsel
festgehalten wird, so muss es in dem Wirbelkanal von unten nach oben empor-
steigen. Im sechsten Monat findet sich der Conus medullaris im Anfang des Sa-
cralkanals, bei der Geburt in der Gegend des dritten Lendenwirbels und einige
Jahre später am unteren Rande des ersten Lendenwirbels, wo er auch beim Er-
wachsenen endet"\'.

Kölliker sagt ferner, dass die Cervical- und Lumbalanschwellungen bereits
im zweiten Monat angedeutet seien; im dritten Monat sind sie schon bestimmt
ausgeprägt.

Diese Mittheilungen lassen nun zwar über das Verhältniss des Rückenmarks
zum Wirbelkanal in der Längsrichtung beider keine Zweifel, sprechen sich aber
nicht weiter über das Verhältniss im sagittalen Durchmesser aus. Eine Verglei-
chung lehrt, dass der jüngste abgebildete Embryo (Fig. 8) weitaus die geräu-
migste Wirbelhöhle hat. Dieselbe wird auch nahezu vollständig vom Rückenmark
ausgefüllt, nur in der Gegend der oberen Brustwirbel bleibt hinten ein schmaler
Spalt, während unten beiderseits ein ganz geringer Spaltraum zu sehen ist.
Beim nächst älteren Stadium (Fig. 7) hat sich die Sache beträchtlich verändert.
Der Wirbelkanal ist enger geworden, das Rückenmark aber ist im Wachsthum
noch mehr zurückgeblieben, als der Raum, der es beherbergt. Es entsteht daher
ein schon ziemlich weiter Spalt, welcher sich an der Rückseite des Rückenmarks
vom Hals bis zur Lende herunterzieht. Er ist von einer Masse erfüllt, welche
sich unter dem Mikroskop als zellenarmes Gallertbindegewebe erweist. Dasselbe
ist während des ganzen Fötallebens relativ spärlich vascularisirt, erst beim Neu-
geborenen treten grosse Venenlumina in der Gegend hinter den beiden An-
schwellungen des Rückenmarks auf.

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Bemerkens Werth ist es, dass das Rückenmark sich während der ganzen
Fötalzeit von den Wirbelkörpern nicht entfernt, sondern dass lediglich zwischen
ihm und den Wirbelbogen der breite Raum bleibt.

Der Wirbelkanal hat nun eine relative Weite erreicht, welche er bis zur
Greburt nicht mehr ändert; da aber das Rückenmark immer schmächtiger wird,
so muss der beschriebene Spaltraum immer breiter werden, wie dies auch ein
Blick auf die Abbildungen erweist. Doch ist hervorzuheben, dass im Stadium
der Fig. 7 ebenso wenig wie im jüngsten Stadium etwas von den Anschwellungen
zu sehen ist; dieselben haben sich hier noch nicht in sagittaler, sondern in fron-
taler Richtung entwickelt. Erst in Fig._ 6 beginnen sie sichtbar zu werden.
Während sich die Lendenanschwellung in bescheidenen Grrenzen hält, wird die
Halsanschwellung- schliesslich so dick, dass sie beim siebenmonatlichen Fötus
(Fig. 3) den ganzen verfügbaren Raum au,sfüllt, so dass hier der in jüngeren
Stadien vorhandene Spaltraum wieder verschwu.nden ist; derselbe beginnt erst
in der Gegend des ersten Brustwirbels zu erscheinen. Beim Neugeborenen ist
die Cervicalanschwellung wieder schmaler geworden. Ein Vergleich mit dem
Erwachsenen zeigt, wie sehr im extrauterinen Leben Rückenmark und Wirbel-
kanal schwinden, und dadurch, dass der letztere sich überall wieder enger an das
erstere anschliesst, wird auch der Spaltraum mit seinem Inhalt erheblich reducirt.

Bei den abgebildeten Embryonen liegt der Conus terminalis in folgender Höhe:

Neugeborener Fig. 2: Höhe des zweiten Lendenwirbels.

Fig. 3: zwischen zweitem und dritten Lendenwirbel.

Fig. 4: Höhe des vierten Lendenwirbels,

Fig. 5: Höhe des vierten Lendenwirbels.

Fig. 6: zwischen zweitem und drittem Sacralwirbel.

Fig. 7: Höhe des dritten Sacralwirbels.

Fig. 8: Höhe des zweiten Steisswirbels.

Man sieht daraus, dass im vierten Monat eine ziemlich plötzliche und starke
Verkürzung des Rückenmarkes stattfindet.

Brustbein.

Der vordere Schluss des Brustkorbes im Brustbein ist bei Embryonen, wie
es die hier abgebildeten sind, längst gegeben. Nach Ruge\'s (34) Angaben ist
dasselbe schon bei Embryonen von 3,5 Cm Scheitel - Steisslänge fertig gebildet.
Man sieht auch beim jüngsten der hier abgebildeten Föten nicht allein den
Durchschnitt des Brustbeins selbst, sondern auch die Abgliederung in seine drei
Theile sehr gut. Dass man in Figg. 2, 4, 5, 7, 8 an der Vereinigungsstelle von
Körper und Schwertfortsatz den Durchschnitt einer Rippe findet, kommt daher,
dass sich bei Embryonen in der That die siebenten Rippen vor dem Brustbein
sehr häufig bis zur Berührung nähern. Rüge (1. c. Tf. XVIII, Fig. 9) bildet
dies von einem 32 Cm langen Fötus ab; auch ich habe es bei der Präparation
von Föten verschiedenen Alters in gleicher Weise finden können. Luschka
(24, S. 105) sagt vom Erwachsenen, dass gelegentlich die Sternalenden des achten

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Rippenpaares vor dem oberen Ende des Schwertfortsatzes liegen, daselbst durch
ein in der Mittellinie liegendes Grelenk mit einander verbunden. Rüge (1. c.)
fügt dem hinzu, dass auch häufig das siebente Rippenpaar vor dem Processus en-
siformis gelagert sei. Es muss aber zweifellos dieses Zusammenstossen zweier
Rippenenden vor dem Proc. ensiformis im embryonalen Leben häufiger sein, wie im
extrauterinen, denn man kann es nicht als einen Zufall ansehen, dass unter
fünf abgebildeten Embryonen vier dieses Verhalten zeigen, ebenso auch der Neu-
geborene; es ist vielmehr anzunehmen, dass später in der Mehrzahl der Fälle
die betrefiJ\'ende Rippe zurückweicht und dass die Fälle, in welchen sie sich auch
bei Erwachsenen in der beschriebenen Lage findet, als ein Stehenbleiben auf einem
fötalen Zustand anzusehen sind.

Die Länge des ganzen Brustbeins und die seiner drei Abtheilungen bleibt
während des ganzen Fötallebens ebenso constant, wie die der Brustwirbelsäule,
und es gehen die Schwankungen nicht über das Bereich individueller Verschieden-
heiten hinaus.

Was die Stellung des Brustbeins anlangt, so findet man, dass der obere Rand
seines Handgrifi^es bis zur Höhe des siebenten Halswirbelkörpers aufsteigt, dass
er somit erheblich höher liegt, als beim Erwachsenen, wo er nur die Höhe des
zweiten Brustwirbels erreicht. Untersucht man einen älteren Embryo, dessen Kopf
stark nach vorne gekrümmt ist, dann findet man den Grriff noch höher stehend;
bei einem jüngeren aber (Fig. 8) ist die starke Beugung des Kopfes ohne Einfluss.
Die Richtung des Brustbeines von oben nach unten steht natürlich in engstem
Zusammenhang mit dem Inhalt der Brust- und Bauchhöhle, speciell mit dem
Raum, welchen Herz und Leber beanspruchen. Schieben sich Brust- und Bauch-
eingeweide zusammen, wie es bei starker Krümmung des ganzen Embryonalkör-
pers geschieht, dann stellt es sich schräger, als wenn sich bei Streckung der
Wirbelsäule der ganze Brustkorb in die Länge zieht. In diesem Falle findet
man das Brustbein in der Längsrichtung gekrümmt , wie dies Figg. 3 und
4
beweisen. Das ganze Skelet der Brust ist eben noch so weich und nachgiebig,
dass es sich den Bewegungen des Inhaltes der Körperhöhlen anbequemt, nicht
wie später, wo nur die Bauchdecken und das Zwerchfell die Ausgleichung bei
Streckung und Beugung des Rumpfes übernehmen können.

Ueber die im Brustbein sichtbaren Knochenkerne mögen die Abbildungen
Aufschluss geben; ich füge eine weitere Besprechung nicht hinzu, da es bekannt
ist, dass in ihrem Auftreten keine typische Regelmässigkeit herrscht.

Inhalt der Körperliöhleii.

Der Inhalt der Brust- Bauch- und Beckenhöhle — die Schädelhöhle wird
unten mit dem Kopf besprochen werden — war bei Besprechung der Wirbelsäule
und ihrer Krümmungen schon Grcgenstand einiger Bemerkungen und der Leser
wird sich erinnern, dass das Wachsthum der Brusthöhle im Ganzen ein sehr
gleichmässiges, das der Bauchhöhle aber ein ungleichmässiges ist. Es wird nun
zu untersuchen sein, wie die in der Mittellinie sichtbaren Theile sich im Ein-

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zelnen verhalten. Dabei kann man aber den Inhalt von Brust und Bauch in der
Betrachtung keineswegs scharf von einander trennen; das Zwerchfell, dessen Stel-
lung sich selbst beim Erwachsenen noch stark von den anliegenden Theilen be-
einflusst zeigt, wird dies noch weit mehr im Embryonalzustand, wo seine Sub-
stanz noch dünn und functionslos ist, während Herz und Leber eine gewaltige
Ausbildung haben. Es sei hervorgehoben, dass der Gripfel seiner Kuppel, wenig-
stens in den jüngeren Stadien, etwas höher steht wie später, bis zum Niveau des
siebenten Brustwirbels hinauf. Freilich wäre es irrig, wenn man glauben wollte,
dass das Zwerchfell ganz irrelevant sei, eine Scheidewand stellt es doch immer-
hin dar und es verhindert durch Form und Ansätze, dass sich die Druckverhält-
nisse im Bauche auch auf den Inhalt der Brusthöhle forterstrecken, was für die
unten zu erwähnenden Vorgänge beim Wachsthum des Darmes von Bedeutung ist.

Das Herz hat um die Mitte des Embryonallebens im Verhältnis zum Gresammt-
körper ein Grewicht wie 1: 132 (Mittel aus den Angaben von Arnovljevic (2)
und Brandt (6), beim Erwachsenen wie 1: 170 (Mittel der Angaben bei He nie
(14, S. 44 f). Das gleiche Verhältnis bei der Leber beträgt um die Mitte des
Embryonallebens nach den beiden genannten Autoren 1: 15—19, beim Erwachsenen
nach Huschke (20) 1: 36. Die so ausserordentlich überwiegende Entwickelung
dieser beiden Organe ist offenbar auf verschiedene Grründe zurückzuführen, die
man kurz als functionelle und nutritive Hypertrophie bezeichnen kann. Die Arbeit,
welche das Herz zu verrichten hat, um das Blut durch die Placenta zu treiben,
ist eine gewaltige und muss zweifellos als grösser angesehen werden, wie der im
extrauterinen Leben dafür eintretende Ersatz der Arbeit im kleinen Kreislauf.
Die Leber aber wächst übermässig, weil sie von Anfang an das beste Blut in
reichlicher Menge aus erster Hand erhält, d. h. also am besten von allen Orga-
nen ernährt wird. In der Brusthöhle kommt ausserdem nur noch die Thymus einiger-
massen in Betracht; die nicht lufthaltigen Lungen treten im Volumen stark zurück.
In der Bauchhöhle ist die Ausbildung des Darmes eine um so geringere, je jünger
der Embryo ist. Nach den Messungen von Arnovljevic und Brandt (1. c.)
gestaltet sich dessen Wachsthum vom vierten Fötalmonat ab folgendermassen:

4 Monat — 91 Cm Länge.

5 . - 184 ,
■ 6 , - 184 , ,

7 - 231 , ,

8 . - 294 , „

9 - 309 , ,
10 „ - 410 , _ ,

Jede Betrachtung von Präparaten erweist, dass man nicht fehlgeht, wenn
man für die vor dem vierten Monat gelegene Fötalzeit eine ähnliche Progression
annimmt.

Es lehren nun die Figuren, dass die Grleichmässigkeit des Wachsthumes
der Brust und der oberen Bauchgegend, so weit die Leber reicht, eine vollkom-
mene ist; die Figg. 4 bis 8 zeigen keine Unterschiede, welche über das

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Bereicli der individuellen Schwankung en hinausgehen; dagegen sieht man wie
bald früher bald später die Symphyse herunterrückt, d. h. also, wie der unter
dem Nabel gelegene Theil des Bauches wächst. Der darüber gelegene Theil
ist fast durchweg noch sehr kurz; man sieht, dass der obere Umfang des Nabels
fast in gleicher Höhe mit dem unteren Leberrand steht. Erst im Stadium der
Eig. 4 vergrössert sich die Entfernung zwischen beiden sichtlich und bei Fig. 3
und 2 ist neben der bedeutenden Verlängerung der unteren Bauchgegend auch
eine ebensolche der oberen Bauchgegend zu constatiren.

Dieser Vorgang ist aber fast ganz auf die Bauchwand und die von ihr um-
schlossenen Eingeweide , speciell den Darm , zu beziehen, während die relative
Länge der Wirbelsäule nur wenig wächst (vergl. oben S. 8. Der Erfolg ist
der, dass sich diese letztere aus ihrer nach vorne gekrümmten Stellung mehr und
mehr streckt und dass das Becken gewissermassen nach hinten abgeknickt wird,
wie dies oben S. 18 bereits ausgeführt wurde.

Bei einer Vergleichung der Zeichnungen fällt es auf, dass der Leber-
durchschnitt der Fig. 3 und 2 erheblich kleiner geworden ist, eine Erscheinung,
welche in der Reihe der jüngeren Embryonen nicht hervortritt, bei welchen
vielmehr dieser Durchschnitt überall ziemlich gleich gross ist. Eine wesentliche
Verschiebung der Lage des Organes, an welche man vielleicht denken könnte, ist
nicht eingetreten , was durch die auf den Präparaten sichtbaren Durchschnitte
der grossen G-efässe bewiesen wird, es muss vielmehr die Leber in Wirklichkeit
kleiner geworden sein. Man weiss, dass sie später im extrauterinen Leben durch
den Druck der anliegenden Theile activ schwindet (Toldt und Zuckerkand 1,
39) und es ist nur natürlich, dass sie auch im intrauterinen Leben durch einen
sdchen Drück beeinflusst wird. So wenig es möglich war, in der Brusthöhle
einen grösseren Wachsthumsdruck zu constatiren, so sicher muss er in der Bauch-
höhle herrschen, da sich sonst weder das stärkere Längenwachsthum der Len-
denwirbelsäule , noch die Abknickung des Beckens , noch die in Rede stehende
Erscheinung an der Leber erklären würde.

Ist es nun möglich, zu entdecken, wodurch der stärkere Druck in der Bauchhöhle
hervorgerufen wird? Es scheint mir dies allerdings der Fall zu sein. In der
ersten Hälfte der Schwangerschaft ist der Darm noch relativ kurz und ganz
leer, so dass der vorhandene Platz für ihn vollständig ausreicht. In der zweiten
Hälfte aber beginnt er, sich mit Meconium zu füllen, wobei er sich in immer
rascherem Tempo verlängert, es ist also seine Vergrösserung eine doppelte. Man
könnte sich sogar vorstellen, dass gerade die Füllung mit Meconium den Reiz
abgäbe für die so erhebliche Verlängerung des Darmrohres; dies mag jedoch
dahingestellt bleiben. Soviel aber darf ich nach den abgebildeten und noch einer
Anzahl anderer Präparate als sicher ansehen, dass erst von dem Zeitpunkt ab,

1) Dass beim Neugeborenen die obere Bauchgegend etwas weniger lang erscheint, als beim
siebenmonatlichen Fötus, ist auf die Körperhaltung im Ganzen zurückzuführen, welche bei letzterem
ganz besonders stark gestreckt erscheint.

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wo die Füllixng des Darmes mit Meconium stärker zunimmt, die Verlängerung
des Bauckes deutlicher hervortritt, so dass ein causaler Zusammenhang zwischen
beiden kaum geleugnet werden kann.

Soweit über Brust- und Bauchinhalt im G-anzen und nun noch einige Worte
über die Organe im Einzelnen.

Vom Herzen sagt Meckel (S. 44): „Es liegt anfänglich nicht schief, sondern
mit der Spitze gerade nach vorn und etwas nach unten gewandt. Erst im vierten
Monate wendet es sich etwas nach der linken Seite." Dies ist nicht ganz zu-
treffend, denn wie ein Blick auf die Zeichnungen erweist, ist in keinem einzigen
Präparat das Herz in der Mitte getroffen; wohl aber ist dies bei Fig. 8 nahezu
der Fall und vergleicht man diese Figur mit der Zeichnung vom Erwachsenen,
dann springt der Unterschied sehr in die Augen. Schon beim nächst älteren
Embryo ist das Herz stark nach links verlagert und bleibt dies nun für immer.
Es ähnelt nun der Schnitt mehr und mehr den Verhältnissen beim Erwachsenen,
Aber vollkommen demselben gleich erscheint er niemals; wenn auch in keinem
Fall ebenso wie bei Erwachsenen ganz die gleichen Theile bei den verschiedenen
Embryonen getroffen sind, so ist es doch unverkennbar, dass bei den älteren das
Herz weiter nach links gelegen ist, als später. Die Aorta ascendens findet
sich bei Erwachsenen ebenso im Schnitt, wie bei fast sämmtlichen Embryonen,
die Vena cava inferior nud ihre Mündung im rechten Vorhof aber, welche bei
den gedachten Embryonen auf dem Schnitt so sehr auffällt, liegt bei Erwachsenen
stets rechts von der Mittellinie. Dies hängt ganz klar zusammen mit den Ver-
änderungen, welche die Lage der Leber im extrauterinen Leben erleidet, wo sie
sich mehr und mehr aus der linken Bauchhälfte zurückzieht, iim mit ihrer grössten
Masseim rechten HypochondriumPlatz zu finden (Symington, 36) (Flourens,
12 a). Zieht ja doch beim Erwachsenen die obliterirte Nabelvene vom Nabel
aus stets schräg nach der rechten Seite hin, während dieses Gefäss bei den
Embryonen aus der zweiten Hälfte der Schwangerschaft genau in den Median-
schnitt zu fallen pflegt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass bei den veränderten
Verhältnissen nach der Geburt Leber, Herz und das dazwischen gelegene Zwerch-
fell im ganzen eine Bewegung nach rechts hin au.sführen müssen, sonst würde
unmöglich die Vena cava so gerade aufsteigen können, wie sie dies wirklich
thut. Bei Embryonen ist sie am oberen Ende leicht nach links hinübergebogen,
denn liefe sie so vollständig gestreckt, wie später, dann müsste sie nothwendig
ganz in den Schnitt fallen, während sie dies in Wirklichkeit nur in der kurzen
Strecke von der Leber aus zum Herzen thut.

Von sonstigen grossen Blutgefässen fällt nur noch die Vena anonyma auf,
deren Querschnitt sich von dem des erwachsenen Körpers gar nicht unterscheidet.
Ganz unmittelbar vor ihr liegt die Thymus, welche sich im Laufe des Embry-
onallebens nicht unbeträchtlich vergrössert. Sie verdrängt dabei das lockere
gallertartige Mediastinalgewebe, welches in früherer Zeit den für sie bestimmten
Raum einnimmt. Schon Meckel sagt (1, c. IV S. 456): Anfangs ist sie ver-
hältnissmässig kleiner als späterhin, und bis zur Reife des Fötus nimmt ihre

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verliältnissinässige Grrösse zu." Lomer (23) bemerkt: „Wälireiid der intra-
uterinen Entwickelung der Frucht wächst sie schneller als der Gresammtkörper,
um, wenn die Frucht sich der Reife nähert, mit der Entwickelung des Körpers
Schritt zu halten." In dem Zeitraum von siebenzig Jahren, welcher zwischen
diesen beiden Aeusserungen liegt, sprechen sich alle Autoren in ähnlicher Weise
aus. Die Grestalt des Thymusdurchschnittes ist eine ungemein verschiedene,
wie ein Blick auf die Figuren erweist.

Die im Mediastinum posticum liegenden Grebilde sind Trachea und Oeso-
phagus. Was die erstere anlangt, so kann man sagen, dass sie bei den jüngeren
Embryonen in der Höhe der Zwischenwirbelscheibe zwischen 4. und 5. Halswirbel
beginnt und sich in der Höhe des dritten Brustwirbels in die beiden Bronchien
theilt. Gregen die Geburt hin rückt der Beginn etwas in die Höhe und steht
dem vierten Halswirbelkörper gegenüber. Die Bronchialtheilung rückt um eine
halbe Wirbelbreite abwärts auf die Bandscheibe zwischen drittem und viertem
Brustwirbel; es scheint demnach, als wenn die Luftröhre im Laufe der Embry-
onalentwickelung eine relative Verlängerung erführe. Dies ist aber nicht der
Fall; es verhält sich die Sache vielmehr umgekehrt, indem, wie schon erwähnt,
die Halswirbelsäule sich verkürzt. Vom Oesophagus des Neugeborenen sagt
Mettenheimer (27, S. 312): ,,Er ist bis zum dritten Brustwirbel der Wirbel-
säule angelagert, um sich dann aber vom 3. — 4. Wirbel an mehr und mehr
in
leichtem Bogen nach vorn zu wenden, sodass ein Zwischenraum zwischen ihm
und der Wirbelsäule entsteht." Aehnliches sieht man auch bei allen Embryonen,
aber freilich nicht allein bei ihnen sondern auch bei Erwachsenen. Vergleicht
man die in der Litteratur vorhandenen Medianschnitte, dann sieht man, dass die
Lage des Oesophagus beeinflusst wird von der Füllung der Vorhöfe des Herzens,
von dem Stand des Zwerchfells und von der hinter ihm gelegenen Aorta, so dass
er in seinen unteren Theilen, wo er
nicht mehr von der Trachea an der Wir-
belsäule festgehalten wird, bald weiter nach vorn, bald weiter nach hinten ge-
rückt erscheint. Da die Cardia des Magens schon im jüngsten abgebildeten
Stadium auf der linken Körperseite liegt (vergl. Toldt, 38, Fig. 5), so muss
auch die Speiseröhre nach links abweichen, was in allen Präparaten deutlich ist.
Da sie jedoch in sehr durchsichtiges gallertiges Bindegewebe eingeschlossen ist,
kann man sie in den jüngeren Stadien trotzdem als wohl sichtbaren Strang bis
zum Zwerchfell hinab verfolgen. Bei den älteren Embryonen wird die untere
Hälfte seines Verlaufes nicht selten durch einen kleinen Abschnitt des unteren
Lappens der rechten Lunge verdeckt, welcher über die Mittellinie hinweg noch
auf die linke Körperseite hineinragt. Ich bemerke
ausdrücklich, dass die Schnitte
nicht etwa seitlich von der Mittellinie verlaufen, was übrigens ein Blick auf die
Dvirchschnitte der Wirbel und des Rückenmarks der Figg. 3-, 4., 5 ohne Weiteres
lehrt.

In der Bauchhöhle sieht man unter der Leber Duodenum oder Magen, je
nach dem Alter der Frucht. Der Magen ist auch in früheren Stadien leicht
durch seine sehr starke Muskulatur kenntlich. Vom Pancreas ist nur in.

4

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Fig. 8 keine Spur zu entdecken, alle älteren Stadien lassen den Durchschnitt
mehr oder weniger deutlich erkennen. Er steht anfänglich höher, gegenüber
dem zwölften Brustwirbelkörper, und rückt erst allmählich in seine definitive
Lage, vor dem zweiten Bauchwirbelkörper, herab. Dies steht natürlich in eng-
stem Zusammenhang mit den Lageänderungen, welche Magen und Duodenum
ausführen, über welche man sich bei Toi dt (1. c.) bestens unterrichten kann.

Das Convolut der vom Schnitt getroffenen Darmschlingen, sowie der in den
meisten Präparaten sichtbare Längsschnitt der Aorta abdominalis geben zu Be-
merkungen keinen Anlass.

Becken.

Das embryonale Becken steht, wie bekannt, in umgekehrtem Verhältniss
zum embryonalen Kopf, dieser ist im Verhältniss weit grösser als später, jenes
weit kleiner, und man sieht an den Figuren, dass sich die Stellung des Sym-
physendurchschnittes im Lauf der Zeit nicht unbeträchtlich ändert. Um dies
nachzuweisen, muss die vordere,
obere Ecke des ersten Kreuzbeinkörpers, d. h.
also die untere Begränzung des Promontoriums als Punctum fixum angenommen
werden.^ Dies ist deshalb nöthig, weil die Wirbelsäule, wie oben bemerkt, ihres
gleichmässigen Wachsthumes wegen dazu am ersten brauchbar ist und weil ge-
rade nach dem ersten Kreuzwirbel hin die Linie des Beckeneingangs, sowie die
der Hüftbeinkämme zusammenlaufen, welche von ausschlaggebender Wichtigkeit
sindi). Man zieht nun auf den Pausen eine Linie, welche den gedachten Punkt
mit dem oberen Umfang des Symphysendurchschnittes verbindet, und legt sie
so aufeinander, dass sich die Linien und die Promontorien decken. Nun wird
man finden, dass das ganze untere Ende der Wirbelsäule, Kreuz- und Steissbein
aller Zeichnungen sich soweit decken, wie dies eben bei den vorhandenen indivi-
duellen Verschiedenheiten möglich ist. Die Symphysen aber decken sich keines-
wegs, sie gleiten vielmehr an der gezogenen Linie abwärts, es ver-
längert sich also die Conjugata. Und zugleich stellt sich die Ebene des Becken-
eingangs schräger. Schon im fünften Monat (Fig. 4) ist jedoch das Ende des
relativen Wachsthums dieser Linie erreicht, es neigt sich aber nach der (Geburt die
Symphyse mit ihrem oberen Umfang noch stark nach vorn, so dass der längste
Durchmesser ihres Durchschnittes beim Erwachsenen schräg nach vorne aufsteigt
während er am fötalen Becken weit steiler
aufgerichtet ist. \'

Was den auf den Medianschnitten sichtbaren Inhalt des Beckens anlangt,
so handelt es sich bei männlichen Früchten wesentlich um den Mastdarm und
die Harnröhre mit ihrer Umgebung.

Die Blase liegt, wie schon längst bekannt ist, (vergl. Takahasi 37,

1) Ich lasse dabei ganz unberücksichtigt, dass der Eeckeneingang beim fötalen Becken an dem
Skeletpräparat hinten in einer tieferen Ebene zu liegen scheint wie später, (vergl. Veit 41- Conju-
gata inferior Fehling), da die Verbindungen der einzelnen Skelettheile unter sich in allen Altern
die gleichen sind.

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Disse IL) zum grössten Theil in der Bauchwand oberhalb der Symphyse. Ihr
unteres Ende, d. h. also der Anfang der Harnröhre steht jedoch dabei keineswegs
überall gleich hoch, es machen sich vielmehr individuelle Verschiedenheiten gel-
tend, deren Grründe jedoch meine Präparate nicht ersichtlich werden lassen.
Ordnet man diese so, dass man die Conjugaten, sowie die oberen Ränder der
Symphyse zur Deckung bringt, dann findet man, dass der Harnröhrenanfang in
Fig. 3 u. 2 am höchsten steht, dann folgt etwas tiefer und ziemlich an gleicher
Stelle stehend Fig. 6, 7, 8, am tiefsten befinden sich, ebenfalls wieder fast ganz
gleich hoch, die fraglichen Punkte bei Fig. 4, 5 und dem Erwachsenen. Metten-
heimers (1. c. S. 359) Frage, ob beim Neugeborenen die Stellung der Blase in
beiden Greschlechtern eine verschiedene sei, wurde schon von Disse (1. c. S. 47)
verneint, ehe sie aufgeworfen wurde. Auch meine Präparate sind einer Bejahung
derselben keineswegs günstig.

Die Form der Blase, wie sie in den Figuren hervortritt, ist auf den jewei-
ligen Füllungsgrad zurückzuführen. Gefüllt ist sie schon bei jungen Föten rundlich
(Fig. 8) während sie leer langgezogen und spindelförmig erscheint. Dabei ist
sie relativ sehr gross und gerade dieser Umstand ist es, welcher ihr hohes Hin-
aufreichen an der Bauchwand erklärt, besonders wenn man noch in Erwägung
zieht, dass der Raum zwischen Symphyse und Nabelölfnung bei jüngeren Föten
sehr kurz ist. In späteren Monaten nähert sich die Form der leeren Blase schon
der, welche man von Erwachsenen bei stark contrahirter Muskulatur kennt.

Der Mastdarm jüngerer Föten ist leer und zeigt eine stark gefaltete
Schleimhaut. Er tritt in leichtem Bogen in das Becken ein und läuft in dem-
selben parallel seiner Führungslinie. Es bleibt dabei zwischen ihm und dem
hakenförmig vorwärts gekrümmten Ende der Wirbelsäule ein freier Raum, welcher,
wie schon (S. 17) erwähnt, von ganz lockerem Bindegewebe ausgefüllt ist^
was auch von Tourneux undHerrmann (1. c.), sowievon Takahasi (I.e.) be-
merkt wurde. Füllt sich das Rectum mit Meconium, dann wird vor allem dieser
Raum in Anspruch genommen, und es legt sich die hintere Wand des Mastdarmes
in die Aushöhlung des Kreuz - Steissbeines hinein. Auch die vordere Wand des
Mastdarmes rückt von ihrem ursprünglichen Platze weiter nach vorn, was ihr
dadurch möglich wird, dass der sagittale Durchmesser des Beckens eine Ver-
grösserung erfährt, wie dies oben ausgeführt wurde. Dass der Mastdarm bei
Föten nicht genau in der Medianebene liegt, wie dies von Freund (13) festge-
stellt wurde, spielt bei der Betrachtung von Medianschnitten keine wesentliche
Rolle und ist auch im Allgemeinen von geringerer Bedeutung, da sich Blase und
Genitalien dem vorhandenen Raum anbequemen und sich compensatorisch verschieben.

Der Raum, den die in Frage kommenden Theile des Urogenitalapparates
einnehmen, vergrössert sich nicht, er bleibt verhältnissmässig eben so gross, wie
in den früheren Monaten.

Ueber die Verhältnisse des weiblichen embryonalen Beckens ist schon sehr
viel gesagt worden; man findet die Litteratur bei Nagel (30) zusammengestellt.
Dieser Autor sagt, dass bei Embryonen von 5 bis 17 cm Rumpflänge der Ge-

4*

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scUeclitsstraiig einen ziemlich regelmässigen Abschnitt eines Kreises bilde, dessen
Centrum etwa in der Gregend der Symphyse gelegen sei und an welchem an
Stelle des späteren äusseren Muttermundes eine flachwinkelige Knickungsstelle
zu bemerken sei. Je älter der Embryo, um so ausgesprochener wird sodann
die Yorwärtsneigung des späteren Uterus. Dies alles ist leicht zu bestätigen.

Was die äusseren Umgebungen des Beckenskeletes anlangt, so fällt ganz
besonders in die Augen, dass in der zweiten Hälfte des Embryonallebens die
Weichtheile des Beckenausgangs ausserordentlich zunehmen. Während früher
das Steissbein sogar äusserlich als Steisshöcker sichtbar war, wuchern die
deckenden Weichtheile mehr und mehr und es sieht aus, als sei die stärkere Fort-
bildung der äusseren Grenitalien das treibende Moment, welches auch die hinteren
Theile zwingt, weiter abwärts zu treten. Doch wage ich es nicht, hierüber ein
bestimmtes Urtheil abzugeben, ohne noch eine Reihe anders angefertigter Prä-
parate untersucht zu haben. Takahasi (1. c. S. 46) betont die Anwesenheit
eines Keiles von lockerem Bindegewebe, welcher in der Gegend des späteren
Möns veneris von den Bauchdecken zum Penis herüberzieht. Seine Anwesenheit
bewirkt es, dass nur ein kleines Stück des Penis frei die Oberfläche überragt.
Auch auf die Erectionsstellung des Gliedes, wie man sie bei jüngeren Embry-
onen findet, macht derselbe Autor aufmerksam. Es mag genügen, auf den ange-
zogenen Aufsatz hinzuweisen; ich selbst habe demselben nichts weiter hinzuzufügen.

Gebilde von grösserer Wichtigkeit, welche man vom Medianschnitt des
Beckens aus nicht zu beurtheilen vermöchte, giebt es eigentlich nicht, denn dass
die Muskeln der Beckenwand oder die Nerven und Gefässe bei der Umformung
des Beckenskeletes eine grössere Rolle spielten, ist nicht wohl anzunehmen. Bei
dieser Umformung aber handelt es sich um zwei Vorgänge, erstens um die re-
lative Verlängerung der Conjugata und zweitens um die Entstehung der männ-
lichen und weiblichen Form, deren Anfänge nach Fehling (1. c.) bis in den
vierten Fötalmonat zurückreichen können — deutlich fand er sie zum ersten Male
bei fünfmonatlichen Föten — welche aber jedenfalls vollkommen deutlich beim
Neugeborenen vorhanden sind. Aeussere Einwirkungen können die Verschiedenheit
bei beiden Geschlechtern nicht bedingen, wie aus einem Fall von Romiti (Atti
della Soc. Tose. Sciens. nat. VIII 1892) hervorgeht, welcher bei normalen, in
Kopflage geborenen Zwillingen die sexualen Verschiedenheiten in charakteris-
tischer Weise ausgebildet fand. Fehling verzweifelt jedoch daran, eine mechanische
Erklärung finden zu können und er hält die Verschiedenheit in der männlichen und
weiblichen Form des Beckens für „Folge einer ursprünglichen Anlage". Dies
ist aber nichts weiter, als das Eingeständniss, dass eben die Causa movens
nicht zu finden ist, und ich meinerseits möchte mich nur im alleräussersten Noth-
fall dazu entschliessen, die Untersuchung aufzugeben. Es bleibt uns leider auch
ohne dies nur allzuviel übrig , wo wir durch allgemeine Schlagworte unsere
bedauerliche Unkenntniss der biologischen Vorgänge und ihres causalen Zusam-
menhangs zu verdecken haben. — Dass die inneren weiblichen Genitalien nicht
Grund des geräumigeren weiblichen Beckens sein können, hat Fehling (1. c.

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S. 55 f.) überzeugend nachgewiesen. Sie sind an sich noch sehr unentwickelt,
können jederzeit nach oben ausweichen und liegen ferner zum guten Theil über-
haupt schon über der Ebene des Beckeneingangs. Wenn man sagt, dass Frauen
mit abnorm kleinen inneren Grenitalien enge, solche mit abnorm grossen aber
weite Becken haben, so ist dies keineswegs für alle Fälle zutreffend und wer
sagt ausserdem, was beim Zusammentreffen eines weiten Beckenraumes und eines
doppelten Uterus das primäre, was das secundäre ist. Man kann sich ebenso
gut vorstellen, dass das breite Becken
Veranlassung der Grenitalmissbildung war,
wie das Umgekehrte. Trotz dieses sicheren Ausschlusses eines Einflusses der
inneren Genitalien auf die Form des Beckens müssen aber doch die Genitalien
die Beckenform bestimmen, sonst würde dieselbe nicht so streng nach den Ge-
schlechtern verschieden sein, wie dies wirklich der Fall ist. Es fragt sich nun,
ob etwa die äusseren Genitalien zur Erklärung herbeigezogen werden können.
Dies scheint mir allerdings der Fall zu sein, wenn man sich nur auch an das
erinnert, was oben über die Entwickelung des Bauches gesagt wurde.

Die männlichen und weiblichen äusseren Genitalien stehen in einem ähnlichen
Verhältniss zu einander, wie etwa die geschlossene Oberlippe und die mit einer
Hasenscharte versehene. Wer sich aber ein Gesicht mit einer Lippenspalte an-
sieht, der weiss, dass diese Bildungshemmuhg ihren Einfluss auch noch weiterhin
geltend macht, dass selbst die ganze Nase dadurch oft eine charakteristische breite
Form erhält. Wenn aber das Gesichts - Skelet in ausgiebiger Weise durch die
Weichtheile beeinflusst wird, dann muss dies auch an anderen Stellen der Fall
sein können und es wird von der Zeit an, zu welcher die männlichen Genitalien
verwachsen sind, die Fortbildung des Beckens durch die Spannung der geschlos-
senen Weichtheile verhältnissmässig behindert sein. Diese Behinderung muss
sich aber wesentlich auf die Schamgegend, d. h. auf die Gegend der Symphyse
beschränken und gerade sie muss bei weiblichen Föten ein freieres Wachsthum
entfalten können, da hier von einer Spannung keine Rede sein kann. In der That finden
wir bei Fehling die Angabe, dass das Mädchenbecken eine querovale, das Knaben-
becken eine mehr dreieckige Form habe. Auch hebt er hervor, dass die faserige
Bandmasse zwischen den Knorpeln beim Mädchen starker angelegt ist. „Die Folge
davon ist, dass die Schossbogenschenkel bei neugeborenen Mädchen weiter ausein-
anderstehen, häufig schon in einem schönen Bogen zusammenlaufen" (1. c. S. 62).

Wenn danach vermuthlich schon das Fehlen der Spannung der deckenden
Weichtheile genügen würde, um eine Verbreiterung der vorderen Theile des
weiblichen Beckens herbeizuführen, so kommt dazu noch der oben erwähnte Druck
des verlängerten und mit Meconium gefüllten Darmes, welcher natürlich nicht
allein den Bauch verlängert, sondern auch das Becken beeinflusst. Vor Allem
wird hier aber das gefüllte Rectum in Frage kommen, welches seinen Einfluss
ganz deutlich in der relativen Verlängerung der Conjugata bei beiden Geschlechtern
geltend macht. Freund (1. c.) macht die Angabe, dass die Füllung im Laufe
des fünften Monats in der Weise vor sich gehe, „dass das mittlere Stück des
Mastdarms, welches längs der Incisura ischiadica major hinunterliegt, von Be-

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ginn der Füllung an den grössten Umfang annimmt. Das unterste ist von dem
mittleren durch eine quere Furche geschieden, — Erst mit der fortschreitenden
Anfüllung gleichen sich diese Dickenunterschiede der einzelnen Abschnitte mehr
und mehr aus". Auch meine Präparate lassen den Durchschnitt des stärker
gefüllten Mastdarms mehr oder minder spindelförmig erscheinen. Aus der ganzen
Darstellung Fr eund\'s erhellt, welch\' bedeutenden Druck der gefüllte Mastdarm
auf den Grenitalkanal und die Blase ausübt. Wenn dies aber der Fall ist,
dann muss sich ganz nothwendig der Druck auch auf die umgränzenden Becken-
wände fortpflanzen.

Kopf und Hals.

Es wird allgemein angenommen, dass der Kopf des Fötus im Laufe der Ent-
wickelung mehr und mehr in seinem Wachsthum zurückbleibt. Diese Annahme
ist jedoch durchaus nicht ohne weiteres richtig. Nur der jüngste Fötus (Fig. 8)
hat einen in allen Theilen verhältnissmässig grösseren Kopf, wie der älteste, bei
allen übrigen ist in der relativen Grösse des Gresichtes und der vorderen Theile
der Schädelhöhle kein Unterschied vorhanden, der über die Grrenzen individn.eller
Schwankungen hinausginge. Erst in der allerletzten Zeit der Fötalentwickelung
bleibt der Kopf relativ ein klein wenig zurück, wie mich Schnitte durch die
Körper von grossen ausgetragenen Kindern lehren (Fig. 2). Der Anschein von
einer immer geringer werdenden Wachsthumsenergie des Kopfes wird nur dadurch
hervorgerufen, dass das anfangs noch stark unentwickelte Beckenende des Stam-
mes immer mehr heranwächst, wodurch das Missverhältniss zwischen oben und
unten ausgeglichen wird. Der hintere Theil des Kopfes aber macht von dessen
übrigem Verhalten eine bemerkenswerthe Ausnahme, was sofort aufii\'ällt, wenn
man die Schädelbasis betrachtet. Der hinter dem Türkensattel befindliche
Theil derselben, ist verhältnissmässig um so länger, je jünger der Fötus ist, wie
jeder Blick auf die Figuren lehrt. Der (Irund für diese Erscheinung ist darin
zu suchen, dass sich die Gehirnbasis bis zur Brückenbeuge hin in ihrer Massen-
entwickelung durchaus dem Rückenmark anschliesst, dass somit diese Theile
des Gehirnes umso mehr in ihrem Wachsthum zurückbleiben, je älter der Fötus
wird. Es ist bemerkenswerth, dass das Skelet, welches das Rückenmark um-
schliesst, nur im Halstheil sich ähnlich verhält, wie die hintere Hälfte der Schä-
delbasis, indem es sich daselbst, wie oben erwähnt, im Laufe der Entwickelung
verkürzt, während die anderen Theile ihre eigenen Wege gehen. Doch erklärt
sich diese Thatsache leicht. Die Gebilde, welche neben dem Centrainervensystem
noch am Hals und unter der hinteren Schädelbasis die Gestaltung des Skeletes
etwa beeinflussen könnten, sind so beweglich und so schwach entwickelt, dass
sie gar nicht weiter in Frage kommen, sondern dass Rückenmark und Medulla
oblongata ganz allein dessen Verhalten bestimmen. Je mehr man sich aber der
Brust nähert, um so mehr gewinnt diese an Einfluss auf die Wirbelsäule, während

1) Abgesehen von den frühesten Stadien. (Vergl. His, 17, II. S. 63 If.)

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ihn das an Masse stark zurücktretende Rückenmark verliert. In gleicher "Weise
wird auch das auf dem vorderen Theil der Schädelbasis liegende noch überaus
weiche Gehirn durch das Gesicht daran verhindert, das Skelet ganz nach eigenem
Wachsthum zu formen. Unten wird das Skelet grösser, als es das Centrainer-
vensystem nöthig hätte, oben bleibt es kleiner und zwingt dadurch das immer
stärker heranwachsende Grosshirn nach oben und hinten auszuweichen. Ereilich
ist dabei nicht etwa aller Einfluss des Gehirnes auf das Gesicht ausgeschlossen,
sondern dieses wird anfänglich, wo es noch klein und sehr unvollständig ist durch
das übermächtig wachsende Gehirn in der Art nach unten gedrängt, dass sich
die Schädelbasis vom Türkensattel ab nach vorne stärker senkt, der Grund für
die Erscheinung, dass der „Sattelwinkel" (Virchow) d. h. der Winkel, welchen
die Ebene des Clivus und diejenige der vor dem Türkensattel gelegenen Schädel-
basis mit einander bilden, ein kleinerer ist, wie später. Dies ist bereits Virchow
(42 S. 65) wohl bekannt und wird durch die Abbildungen der vorliegenden Ab-
handlung bestätigt. Besieht man dieselben allerdings nur oberflächlich, ohne die
Pausen der einzelnen Figuren auf einander zu legen, dann hat es den Anschein, als
sei der Clivus der jüngsten Föten (Figg. 8 und 7) ganz besonders flach gelagert.
Dies kommt aber nur daher, weil der Kopf stark gesenkt ist, wodurch die
Richtung der Basis gegen die Wirbelsäule eine andere wird, als man sie ge-
wöhnt ist.

Die Gründe für die Senkung des Kopfes aber sind sehr naheliegende und
sind keineswegs unbekannt. Die Kürze des Halses ist es, welche den Kopf zwingt
nach vorne über zu fallen. Vergegenwärtigt man sich nur, dass die Halswirbel-
säule bei jüngeren Föten nicht unbeträchtlich länger ist, als später, dass auch
der Clivus länger ist, und dass beim jüngsten Fötus das Zungenbein in der Höhe
des Hinterhauptloches steht, während dasselbe beim kräftigen Neugeborenen bis
an den unteren Rand des Epistropheus herunter gerückt erscheint, dann müsste
der Hals des jungen Fötus ceteris paribus einen Raum einnehmen, der mindestens
um die ganze Höhe des Epistropheus d. h. um drei Halswirbelhöhen (vergl. oben
S. 7) länger wäre, wie später. Vergleicht man aber die Zeichnungen des jüngsten
Fötus und des ausgetragenen Kindes, dann sieht man, dass auf den Zeichnungen
der Raum vom oberen Brustbeinrand bis zum unteren Zungenbeinrand in ersterem
Fall 10 Mm., in letzterem 16 Mm. beträgt. Ich weiss wohl, dass es bei der Ver-
gleichung der Länge des Halses sehr auf die Haltting des Kopfes ankommt, indem
selbst beim Erwachsenen noch die Senkung desselben den Hals verkürzt und
zwar besonders in dem Raum zwischen Zungenbein und Cartilago thyreoidea, allein
solch bedeutende Schwankungen, wie die eben erwähnten, können dadurch um so
weniger erklärt werden, als auch bei Fig. 5, wo der Kopf nicht unbeträchtlich
gesenkt ist, die Länge des Halses dem jüngsten Fötus (Fig. 8) gegenüber sogleich
in die Augen fällt. Betrachtet man die Luftwege, welche allein geeignet sind,
Veränderungen in der relativen Ausbildung der Halsweichtheile kenntlich zu machen,
dann fällt es auf, dass vom Ventriculus laryngis bis zur Bronchialtheilung die
Länge in allen Figuren so ziemlich die gleiche bleibt. In Fig. 8 ist diese Strecke

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zwar auffallend kurz, aber an den mir vorliegenden Medianschnitten zweier jüngerer
Föten, von welchen der eine eine Scheitelsteisslänge von 39, der andere von 23,6
Mm hat, ist sie relativ eben so lang, wie beim ausgetragenen Kind, so dass jenes
Verhalten nur von individueller Bedeutung ist. Da nun aber die Trachea an
ihrem unteren Ende in der Brust durch die beiden Lungen festgehalten wird, so
kann bei jungen Embryonen die Luftröhre mit dem Kehlkopf nicht so weit nach
oben reichen, wie bei älteren da, wie bekannt, die Halswirbelsäule bei jüngeren
Früchten länger ist, wie bei älteren und es steht denn auch bei jenen die Glottis
in der Hohe des dritten Halswirbels, bei diesen in der Höhe der unteren Hälfte
des zweiten; sie rückt also um einen Wirbel aufwärts. Besser sagt man freilich
nach vorstehendem, sie behält ihren Platz und der Epistropheus rückt um eine
Wirbelhöhe herunter. _ ,

Da sich nun bei jungen Embryonen der Kopf stark vorwärts neigt, so ist
wegen der Länge der hinteren Hälfte der Schädelbasis die Entfernung von der
Vorderseite des obersten Endes der Wirbelsäule zur Vorderfläche des Gesichtes
in der Mundgegend nicht unbeträchtlich grösser, als später, d. h. das Gesicht
besitzt eine grössere Tiefe. Dieselbe wird jedoch nicht in der Art ausgeglichen,
dass nun alle Theile des Gesichtes in sagittaler Richtung breiter werden, sondern
es bleibt dasselbe bis zum Gaumen der Epiglottis und der Tubenmündung in
allen Altern gleich, . nur die Pharynxhöhle ist anfangs sehr geräumig, während
sie sich später mehr und mehr abflacht.

Was nun noch die inneren Verschiebungen im Bereich des Kopfes anlangt,
so sind die im Gehirn zu beobachtenden weitaus die bedeutsamsten; doch beab-
sichtige ich nicht, auf diese Dinge im Detail einzugehen. Mein Material war
gerade nach dieser Richtung nicht völlig tadelfrei, indem die starke Härtung
in Müllerscher Lösung, welche für den übrigen Körper so vortreffliche Resultate
ergab, das Gehirn brüchig machte, so dass bei dem Fötus der Fig. 5 grosse
Stücke desselben unmittelbar nach der Schnittführung herausfielen. Ich hätte
daher noch andere Föten zur Untersuchung hinzunehmen müssen, was nicht in
meinem Plan lag. Ferner liegen die Anfänge der ausschlaggebenden Umwand-
lungen nicht unbeträchtlich vor dem Entwickelungsstadium, bei welchem meine
Untersuchung einsetzt und endlich sind über den Gegenstand bereits so vortreff-
liche Abhandlungen und Abbildungen publicirt — ich erinnere nur anKöllikers
Entwickelungsgeschichte, an Mihalcovics, Marchand, His u. a.—, dass es
sich doch meist nur um Wiederholungen oder Bestätigungen handeln könnte.
Trotzdem aber möchte ich mir nicht versagen im speciellen kurz darauf aufmerk-
sam zu machen, dass es leicht ist zu beweisen, dass das Tuber cinereum während
der ganzen betrachteten Entwickelungszeit seinen Platz unverändert bewahrt.
Wäre dies nicht der Fall, dann würde das Infundibulum Länge und Richtung
ändern müssen, was nicht geschieht. Auch die Brücke ändert sich in der Lage
und der relativen Grösse überraschend wenig, wenn auch die tiefe Spalte zwi-
schen Brücke und Zwischenhirn bei jüngeren Embryonen steiler aufgerichtet ist,
als bei älteren. Dieses geringe relative Wachsthum der Brücke muss natürlich

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in Verbindung mit dem starken Wackstlium des Kleinhirns auf die Theile des
Mittelhirns einen bestimmenden Einfluss ausüben, in der Art, dass die an der
Basis gelegenen Gebilde ihren Platz behaupten, während die an der Decke befind-
lichen vorwärts geschoben werden. Jede Vergleichung der Lage der Vierhügel-
platte in verschiedenen Altern giebt davon den Beweis. Da aber dieser Gehirntheil
dabei ganz unverhältnissmässig in seiner Grösse zurückgeht, so ist der Einfluss die-
ser inneren Verschiebung auf die davor gelegenen Hirntheile doch nur ein geringer.

Auch das Gesicht bleibt im Inneren nicht unverändert, selbst wenn sich die
äusseren Conturen nahezu vollständig decken. Im Anfang ist der Oberkiefer des-
sen weitaus grösster Theil; die Zunge ist sehr flach, die Epiglottis steht un-
gemein hoch. Im Verlauf der Fortbildung bleibt der Oberkiefer immer mehr
zurück, der fast gerade gestreckte und plump erscheinende Durchschnitt des wei-
chen Gaumens wird schlanker, legt sich über den Zungenrücken hinweg, welch\'
letzterer stark in die Höhe steigt, indem der Unterkiefer und mit ihm auch die
Zunge und die übrigen Weichtheile des Untergesichtes einen relativ grösseren
Raum einnimmt, wie früher. Zungenbein und Epiglottis bleiben aus den oben
für die Trachea ausgeführten Gründen auf ihrem Platze, so dass sie der Zunge
gegenüber abwärts zu rücken scheinen.

Schlussülbersicht.

Nachdem im Vorstehenden die Beobachtungen im Einzelnen geschildert wurden,
erübrigt es in kurzen Worten die wichtigsten Resultate von allgemeinerer Be-
deutung übersichtlich zusammenzustellen.

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet ein Entwickelungsstadium, in
welchem die ganze Wirbelsäule noch einen gleichartig gekrümmten Stab mit zu-
gespitztem oberen und unteren Ende darstellt, in welchem der relativ grosse
Kopf auf die Brust geneigt ist, in welchem das Beckenende gehoben erscheint, in
welchem sich Brust und Bauch durch Herz und Leber stark ausgedehnt zeigen.
Der Endpunkt der Untersuchung ist das Stadium des lebensfähigen Neugeborenen.
Bei ihm sind die für den Erwachsenen typischen Krümmungen der Wirbelsäule
bereits deutlich angedeutet, der Kopf hat sich beträchtlich gehoben und ist re-
lativ klein, Brust und Bauch sind schlanker geworden, das Beckenende hat sich
gesenkt. Besser als eine Beschreibung lehrt eine Betrachtung der Figuren, wie
gross der Unterschied der beiden Grenzstadien ist.

Die Umgestaltung aus der einen Form in die andere ist das Resultat com-
plicirter Wachsthumsvorgänge, bei welchen ein Vorauseilen der Entwickelung
auf der einen Seite, ein Zurückbleiben auf der anderen eine wichtige Rolle spielt.
Auch mechanische Verhältnisse anderer Art wirken bestimmend ein.

Individuelle Verschiedenheiten findet man dabei ebenso ausgeprägt, wie beim
Erwachsenen, plumper und graziler Bau des Skeletes, Schlankheit, untersetzter

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Körper, Uebergewicht eines Organes über andere, alles dies ist deutlich zu
beobachten.

Die Form, von welcher die Untersuchung ausgeht, entsteht dadurch, dass
das Centrainervensystem stärker wächst, als der Inhalt des vegetativen Rohres
und deshalb gezwungen wird, sich bogenförmig über dieses zu krümmen, wie die
Peripherie eines rollenden Rades über dessen Centrum. Schon in dieser frühen
Zeit kommt aber am unteren Ende der Wirbelsäule eine hakenförmige scharf
ausgesprochene Krümmung des Steissbeines vor, welche sich durch das Zurück-
bleiben
der seitlichen Schwanzmuskulatur im Wachsthum erklären lässt; diese
letztere zieht von beiden Seiten an dem nach unten wachsenden dünnen und
biegsamen Ende der Wirbelsäule und zwingt es, sich nach vorne zu krümmen.

Das Wachsthum von Wirbelsäule und Rückenmark geht nicht parallel, da
die Gestaltung der ersteren vom Inhalt der vegetativen Röhre bestimmt wird,
während das letztere seine eigenen Wege geht. Im vierten Fötalmonat erfährt
das Rückenmark eine plötzliche starke Verkürzung, während sein Zurückbleiben
im Wachsthum im Laufe des übrigen Intrauterinlebens ein ganz allmähliges ist.
Der für das Rückenmark in den späteren Monaten zu weite Wirbelkanal wird
in seinem hinteren Theil von gallertigem Bindegewebe ausgefüllt, welches durch
eine geronnene lymphatische Flüssigkeit mehr und mehr ersetzt wird, und in
welchem sich um die Zeit der Geburt grössere Venenlumina zeigen und zwar
zuerst in der Gegend der Cervical- und Lumbaianschwellung.

Von den grossen Abtheilungen des Stammes wächst die Brust mit ihren
Eingeweiden in allen Theilen am gleichmässigsten , es werden dadurch irgend
welche wesentliche Aenderungen ihrer ganzen Configuration hintangehalten. Die
ursprüngliche Lage und Krümmung der Wirbelsäule bleibt das ganze Leben
hindurch erhalten, und es wächst der neunte Brustwirbel in allen Dimensionen
am gleichmässigsten. Auch die nächsthöheren Wirbel bis zum sechsten hin lassen
ein sehr regelmässiges Wachsthum erkennen. Das Brustbein (vermutlich auch
die Rippen) ist ohne formgestaltenden Einfluss, es schmiegt sich der Unterlage
in seiner Form völlig an. Aenderungen der Gestaltung durch einen von irgend
einer Seite ausgeübten Druck, wie man sie öfters behauptet findet, sind im
Bereich der Brust nicht nachzuweisen. Bemerkenswerth ist es, dass bei sehr
vielen Föten die vorderen Enden der siebenten Rippen vor dem Brustbein zu-
sammenstossen.

Was den Bauch anlangt, so wachsen in seinem Bereich die Decken und
der Inhalt im Lauf der Embryonalentwickelung stärker, als die W^irbelsäule.

Zuerst wächst der dieLeber beherbergende Oberbauch ebenso gleichmässig, wie
die Brust, während sich der wesentlich den heranwachsenden Darm beherbergende
Unterbauch stark verlängert. Diese Verlängerung greift erst in der zweiten Hälfte der
Schwangerschaftsdauer auf den Oberbauch über, wobei durch den Druck des Darm-
kanales von unten her die Leber verkleinert wird. Dass sich der in der Bauch-
höhle vorhandene Wachsthumsdruck nicht in gleicher Weise auf die Brusthöhle fort-
setzt, ist auf das Vorhandensein des Zwerchfelles zurückzuführen. Dieses letztere

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erweist sicli aber bedeutungslos für die seitlicbe Verschiebung der beiden enge
verbundenen Organe: Herz und Leber. Dieselben rücken postembryonal gemein-
sam nach rechts und zwingen dadurch auch das Zwerchfell, eine asymmetrische
Grestalt anzunehmen. Die Wirbelsäule wird durch den im Bauche herrschenden
Wachsthumsdruck im Lauf des Gresammtwachsthums um eine ganze Wirbelhöhe
verlängert. Da diese Verlängerung aber nicht gleichen Schritt mit der der vor-
deren Theile des Bauches hält, so wird die Wirbelsäule zugleich aus ihrer nach
vorne gekrümmten Grestalt mehr und mehr gerade gestreckt. Auch auf das
Becken übt der vorhandene Wachsthumsdruck seine Wirkung aus, er knickt
es nach hinten im Winkel ab und giebt so Veranlassung zur Entstehung des
Promontoriums. Der Wachsthums druck wird hervorgebracht 1) durch die unver-
hältnissmässig grosse Verlängerung des Darmes und 2) durch die Füllung des-
selben mit Meconium. Vielleicht steht die erstere Erscheinung in ursächlichem
Zusammenhang mit der letzteren. Die Füllung des im Becken und unmittelbar
darüber gelegenen Rectums mit Meconium ist auch die Ursache zu wichtigen
Umformungen in dem Bereich dieses Körpertheiles. Der dadurch gesetzte Druck
verlängert die Conjugata und ist auch im Spiel bei der Entstehung der weiblichen
Beckenform: Die äusseren männlichen Genitalien sind mit der Mittellinie ver-
wachsen und setzen dadurch einer Verbreiterung der vorderen Beckentheile einen
gewissen Widerstand entgegen. Die äusseren weiblichen Genitalien verhalten
sich zu jenen etwa wie die Hasenscharte zur normalen Lippe, sie üben keinen
Gegendruck aus, sodass der vom Mastdarm ausgeübte Druck ungehindert wirken
kann. Alle Versuche, die weibliche Beckenform mit Zuhilfenahme der inneren
Genitalien zu erklären, müssen scheitern.

Am Hals erweisen sich die Luftwege in allen Altern relativ gleich lang.
Da aber in der späteren Fötalzeit die Länge der Halswirbelsäule mehr und mehr
abnimmt, so scheinen sie länger zu werden, da sich die gegenseitige topographi-
sche Lage der beiden sich so nahe berührenden Organe ändert.

Die relative Verkürzung der Wirbelsäule steht in unmittelbarem Zusammen-
hang mit dem Zurückbleiben des Rückenmarks im Wachsthum. Dieses ist zwar
an Brust, Bauch und Becken verhindert seinen Einfluss auf das umgebende Skelet
geltend zu machen, am Halse aber nicht, es gehen daher beide ganz gleichmässig
mit einander.

Im Bereich des Kopfes gilt das gleiche für die Theile der Gehirn- und
Schädelbasis bis zum Türkensattel hin. Der vordere Theil der Schädelbasis wird
aber wieder durch das daran hängende Gesicht festgehalten und ist gezwungen,
sich wie dieses in ganz gleichmässiger Weise fortzuentwickeln; das Gehirn muss
sich den hierdurch gegebenen Verhältnissen anbequemen.

Der Kopf ist in den jüngeren Stadien nach vorne geneigt, da bei der grossen
Länge der Halswirbelsäule und der hinteren Schädelbasis die relative Kürze der
vorderen Halstheile den Kopf nach unten zieht.

Die Wachsthumsverschiebungen im Inneren des Gehirnes sind zwar beträcht-
lich, doch compensiren sie sich im ganzen. Aehnlich ist es beim Gesicht; während

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sich dasselbe im ganzen wesentlich gleichmässig fortbildet, findet man im Ein-
zelnen, dass im Laufe der Entwickelung das Obergesicht etwas zurückbleibt, das
TJntergesicht eine etwas grössere Ausdehnung annimmt.

Uebersicht der eitirten Litteratur.

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im gesunden und krankhaften Zustand und über den Einfluss derselben
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Tafelerklärniig.

Alle Figuren sind zur Ermöglichung eines bequemen und sicheren Vergleiches
auf die gleiche Grösse reducirt, wobei die Länge der Brustwirbelsäule als Norm
angenommen ist. Es ist stets die linke Schnittfläche dargestellt; in den Fällen,
in welchen die rechte Schnittfläche des Präparates vorlag, wurden die Abbildungen
umgekehrt. Die Längen der Föten wurden so gemessen, dass das Bandmaass
dem Durchschnitt der Wirbelsäule entlang angelegt wurde.

Fig. 1. Copie der Tafel 1. A u. B. von : Braune, Topographisch-anatomischer
Atlas. Gefrierdurchschnitt eines erwachsenen Mannes. Zum Vergleich mit den
fötalen Präparaten beigefügt.

Fig. 2. Ausgetragener und lebensfähiger Knabe. Scheitelsteisslänge: 365 Mm.
Das Herz war nicht ganz hart und sank nach Führung des Schnittes etwas zu-
rück. Die Harnröhre ist nicht ganz in den Schnitt gefallen.

Fig. 3. Fötus vom Anfang des siebenten Monats. Scheitelsteissänge: 310 Mm.
Hervorzuheben ist, dass in dieser Figur die ganze venöse Gefässverbindung vom
Nabel bis zum rechten Vorhof in den Schnitt gefallen ist. Ein kleiner
Abschnitt
der rechten Lunge liegt vor den unteren Brustwirbeln. Der parenchymatöse
Durchschnitt vor den unteren Bauchwirbeln und über dem ausgedehnten Mastdarm
ist Niere. Ob man es mit einer Hufeisenniere oder einer Dislocation zu thun,
hat, liess sich ohne Zerstörung des Präparates nicht eruiren. Das den Mastdarm
füllende Meconium wurde vorsichtig entfernt, um die Darmwand selbst besichtigen
zu können.

Fig. 4. Fötus vom Anfang des fünften Monats ca 22—23. Woche. Scheitel-
steisslänge: 170 Mm, Lungenabschnitt wie in Fig. 3. Bemerkenswerth ist ein
in den Schnitt gefallener. Mittellappen der Gl. thyreoidea, welcher das Zungen-

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bein fast erreicht. In den untersten "Wirbeln ist ein Stückchen der Chorda dor-
salis sichtbar.

Eig. 4*. Conturen des Fötus in natürlicher Grösse.

Fig. 5. Fötus aus der zweiten Hälfte des vierten Monats ca 18—19. Woche.
Scheitelsteisslänge 140 Mm. Die Mittel theile des Gehirns waren brüchig und
sind nach Führung des Schnittes herausgefallen. Mittellappen der Gl. thyreoidea
wie in Fig. 4; ebenso Abschnitt der rechten Lunge. Blase stark contrahirt. Die
Harnröhre ist nicht ganz in den Schnitt gefallen. Der Mastdarm ist leer.

Fig. 5*. Die Conturen des Embryo in natürlicher Grösse.

Fig. 6. Fötus vom Anfang des vierten Monats, ca 16—17. Woche. Scheitel-
steisslänge: 89 Mm. Die Mittellinie ist bei diesem Präparat besonders genau
getroffen, da die Chorda dorsalis fast in ganzer Länge sichtbar ist. Der Er-
haltungszustand des Präparates in allen Theilen ist ein ganz vorzüglicher.

Fig. 6*. die Conturen des Fötus in natürlicher Grösse.

Fig. 7. Fötus aus dem dritten Monat, ca 14—15. Woche. Scheitelsteisslänge :
73 Mm. Das einzige weibliche Präparat der Reihe; dasselbe wurde deshalb ge-
wählt, weil bei dem männlichen Fötus gleichen Alters, welcher mir zu Gebote
stand, bei einem im übrigen guten Erhaltungszustand der Kopf nicht tadelfrei
conservirt war. In Fig. 10 ist das Beckenende dieses letzteren Fötus abgebildet.
Auch beim weiblichen Fötus Hessen leider die brüchig gewordenen Mitteitheile
des Gehirnes zu wünschen übrig, während die Vierhügelplatte noch tadellos ist.

Bemerkenswerth ist die sehr langgezogene spindelförmige Harnblase. Die
Thymus besteht aus mehreren getrennten Parthieen.

Fig. 7*. Die Conturen des Fötus in natürlicher Grösse.

Fig. 8. Fötus vom Anfang des dritten Monats. Scheitelsteisslänge 53 Mm.
Der Erhaltungszustand ist von grosser Güte. Da der Schnitt nicht genau durch
die Mitte der Wirbelsäule fiel, musste auf der einen Seite noch eine Scheibe ab-
getragen werden. Dadurch kam es, dass auf der einen Schnittfläche der hintere,
auf der anderen der vordere Theil mehr der Mittellinie entsprach ; es wurden deshalb
einige Details, besonders die Form des Brustbeins, der anderen, im Uebrigen nicht
benutzten Schnittfläche entnommen. Bemerkenswerth ist die runde Gestalt der
Harnblase. Die Gl. thyreoidea war auch mit der Lupe nicht deutlich zu erkennen.

Fig. 8*. Die Conturen des Fötus in natürlicher Grösse.

Fig. 9. Beckenende eines weiblichen Fötus aus der Mitte der Schwanger-
schaft. Grösse im Ganzen ungefähr gleich dem Präparat der Fig. 4.

Fig. 10. Beckenende eines männlichen Fötus, welcher 2—3 Mm kleiner ist,
wie das Original der Fig. 7. Hakenförmig gekrümmtes Steissbein.

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