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STUDIEN

ÜBER

ENTWIOKE LÜNCTSGESCHIOHTE

DEE TIEEE

VON

D" EMIL SELENKA

PEOFESSOB IN ERLANGEN.

FÜNFTES HEFT.

1. BEUTELFÜCHS UND KÄNGUßUHRATTE (PHALANGISTA

ET HYPSIPEYMNUS).

2. ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES AMNION.

3. DAS KANTJIL (TRAGULUS JAVANICUS).

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4. AFFEN OSTINDIENS.

MIT SIEBEN TAFELN IN FAEBENDRUCK.

WIESBADEN.

C. W. KREIDEL\'S VERLAG.
1891.

Tafel XXXVI folgt mit der zweiten Hälfte dieses Heftes, welche im Jahre 1892 erscheinen wird.

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STUDIEN

ÜBER

ENTWICKELUNGSGESCHICHTE

DER TIEEE

VON

D" EMIL SELENKA

PROFESSOR IN EBLÄNGEN.

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FÜNFTES LIEFT.

1. BEUTELFÜCHS UND KÄNGUEÜHEATTE (PHALANGISTA

ET HYPSIPRYMNUS).

2. ZUE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES AMNION.

3. DAS KANTJIL (TliAGüLUS JAYANICUS).

4. AFFEN OSTINDIENS.

5. KEIMBILDUNG DES KALONG (PTEROPUS EDULIS).

6. DOTTEßSACK UND PLACENTA DES KALONG.

VON DR. RUDOLPH GÖHRE.

MIT ZWÖLF TAFELN IN FAEBENDEUCK.

WIESBADEN.

C. W. KREIDEL\'S YERLAG.
18 92.

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DRUCK VON CARL RITTER IN WIESBADEN.

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INHAL ï.

1. Beutelfuchs und Känguruhratte

I. Vorbemerkung.....

II. Überblick über den Verlauf der Entwickelung. Allgemeiner

lungstypus .....

III. Keimblasen, Erlinge und Beuteljunge
A. Zweiblätterige Keimblase
ß. Keirablase von circa zwei Tagen

C. Keimblase von drei Tagen

D. Keimblase von circa vier Tagen

E. Eiling von fünfeinhalben Tage (zweidreiviertel Tage vor der Geburt)
P. Das Beuteljunge......

2. Zur Entstehungsgeschichte des Amnion

3. Das Kantjil (Tragulus javanicus) . .

4. Affen Ostindiens .......

I. Überblick über den Verlauf der Entwickelung-

o

Keimblase A. Lutung, Semnopithecus maurus (Java)
Keimblase B. Semnopithecus pruinosus, Lutung von Pontianak (Borneo)
Keimblase C. Cercocebus cynomolgus, L., Javaaffe von Tandjonk Priok
Keimblase P. Cercocebus cynomolgus Autt., Javaaffe von Java

5. Keimbildung des Kalong (Pteropus edulis)

I. Die Keimblasen .....

A. Zweischichtige Keimblase

B. Das Mittelblatt ....
II. Die Blattumkehr ....

6. Dottersack und Placenta von Pteropus

edulis

V

Göhre

Allantois

und Placenta

on Dr. 1

1. Das älteste Entwickelungstadium

Uterus und Fötus .....

Dottersack......

Placenta ......

II. Anlage und Umbildung von Dottersack,
Dottersack ......

Placenta . ......

Schlussbemerkung......

Litteratur ......

Seite

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1. Beutelfiiclis und Känguruhratte.

I. Vorbemerkung.

Um den verwandtschaftliclien Bezieliungen der Beuteltiere zu ihren Ahnen und
Nachkommen auf embryologischem Wege nachzuspüren, habe ich im Laufe von vier
Jahren etwa fünfzig Pärchen amerikanischer und australischer Beutler in Gefangenschaft
gehalten und zur Zucht verwendet.

Die Entwickelung des amerikanischen Opossum (Didelphys virginiana) konnte ich
Schritt für Schritt verfolgen^), bei der Züchtung der australischen Marsupialier be-
günstigte mich das Glück jedoch nicht in gleichem Mafse. Zwar begatteten sich die
Pärchen aller im Tierhäuschen des Erlanger Instituts untergebrachten austrasiatischen
Arten, nämlich der Spezies

Phalangista vulpina,
Phalangista orientalis,
Dasyurus viverrinus und
Llypsiprymnus cuniculus.
Trotzdem erhielt ich nur eine geringe Zahl von Eilingen. Nicht allein weil Beutelfüchse
und Känguruhratten nur ein einziges Junges werfen, sondern auch weil die Begattung
sehr leicht der Beobachtung sich entzieht. Dazu kommt dass die Konzeption bald früher,
bald später nach dem Sprunge geschieht: beim Opossum beginnt die Eifurchung genau
fünfmal 24 Stunden nach der Begattung, bei der Känguruhratte 11, bei Phalangista 13
bei Dasyurus 14 Tage nach dem Koitus. Bevor diese Thatsachen gewonnen, waren
mehrere belegte Weibchen nutzlos zu früh geopfert, und die übrigbleibenden Tiere ge-
nügten nicht, um die ganze Geschichte der Entwickelung zu ermitteln. So lückenhaft
daher meine Beobachtungen auch sein mögen, so halte ich es doch der Mühe wert, die-
selben zu veröffentlichen, weil sie beweisen, dass die Entwickelung dieser austra-
lischen Beuteltiere denselben Weg einschlägt, wie die des Opossum.

1) Viertes Heft dieser ,Studien".

Selenka, EiitwiokelungsgescMchte. V.

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Um späteren Untersuchern manche Enttäuschungen zu ersparen, mögen hier einige
praktische A¥inke eingeflochten werden, deren Beherzigung bei der Züchtung der genann-
ten Tierchen von Nutzen sein kann.

Im Übrigen werde ich mich wesentlich darauf beschränken, meine Beobachtungen
in bildlicher Darstellung nebst kurzem begleitenden Text darzulegen.

Die zierlichen, lebhaften Kän gur u h r a 11en (Hypsiprymnus cuniculus) halten
sich in der Gefangenschaft ganz vortrefflich. Sie ertragen Frost und Hitze, nehmen mit
einfacher Kost, wie Eüben und Roggenbrot, fürlieb, und beanspruchen keine sorgsame
Pflege. Anfangs benahmen sich die Tierchen recht unbändig, wurden zwar nach einigen
Wochen freundlicher Behandlung ruhiger, blieben aber immer scheu, bis auf einen alten
Bock, der ganz zutraulich ward. Tagsüber schlafen sie, bisweilen mit offenen Augen;
bei einbrechender Dämmerung w^erden sie munter und hüpfen in riesigen Sprüngen oder
schreiten nach Art der übrigen Springbeutler umher. Erst gegen Morgen suchen sie ihre
Verstecke wieder auf, wozu einige Kisten mit Heu dienen können.

Die herrannahende Brunst, welche zu verschiedenen Jahreszeiten, im Frühling,
Herbst und Winter beobachtet wurde, äussert sich bei den Weibchen in folgender Art.
Einige Wochen vor dem Eintritt der Brunst vergrössert sich der Beutel der Weibchen
um das Doppelte oder Dreifache: die Hautfalten desselben werden breiter und der Taschen-
raum weitet sich nach vorn und seitlich aus. Zugleich nehmen die Zitzen an Länge und
Dicke zu und treten aus der Mammartasche heraus, während die Innenfläche des Beutels
sich mit Feuchtigkeit bedeckt. Es empfiehlt sich, allwöchentlich die Zuchtweibchen auf
die Vergrösserung des Marsupiums zu untersuchen und die zur Brunst sich anschicken-
den Weibchen unter genaue Kontrolle zu stellen, damit später die Begattung, welche sehr
rasch ausgeführt wird, nicht übersehen werde.

Die Beutelfüchse oder Phalangisten, die mit Rüben und rohem Fleisch ernährt
wui-den, benahmen sich ebenfalls wie echte Nachttiere. Mit untergehender Sonne kommen
sie aus ihren Verstecken hervor, klettern umher und springen von Ast zu Ast; sie wurden
nie ganz zahm. Nur ein einzig Mal wurde die Begattung beobachtet, und zwar im März,
Abends 9 Uhr. Das Männchen belegte mehrere Male das auf einem Aste ruhig sitzende
Weibchen, unausgesetzt schnalzende Töne ausstossend. Die Tasche des Weibchens hatte
sich einige Wochen vorher stark vergrössert und liess sich feucht anfühlen.

Ganz ähnlich verhielten sich die zoophagen Dasyuren. Die Begattung wurde
nur ein Mal wahrgenommen. Vierzehn Tage nach dem Koitus wurde das belegte Weib-
chen geopfert; sieben gleichalterige Keimblasen wurden aufgefunden.

Uber die Spermatozoen australischer Beutler kann ich berichten, dass die der
Phalangisten jenen des Opossum gleichen. Die meisten der Samenfäden, welche der
Scheide des begatteten Weibchens entnommen wurden, waren Zwillingszellen und bewegten

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sich auffallend rasch in grader Linie vorwärts. Binnen einer Viertelstunde rissen aber
viele Doppelzellen in der Mitte auseinander, und diese Einzelzellen führten dann stossende
und bohrende Bewegungen aus. Die Bedeutung dieser sonderbaren Veränderungen ist
auf Seite 106—7 erörtert.

Im reifen Samen des Hypsiprymnus fand mein Kollege Dr. Hermann aus-
schliesslich einfache Samenzellen. Ob diese durch Teilung von reifen Zwillingszellen
entstanden sind, kann ich nicht entscheiden.

IL Überblick über den Verlauf der Entwickelung.
Allgemeiner Entwickelungstypus.

Den Einzelbeschreibungen schicke ich einige Betrachtungen über die Embryonal-
organe der von mir untersuchten australischen Marsupialier voraus. Um die Bedeutung
dieser Organe ins rechte Licht zu stellen, scheint es mir unerlässlich, einige Kapitel aus
der Embryologie der übrigen Amnioten, auch des Opossum, zum Vergleiche heranzuziehen.

Vorbemerkt sei, dass die Entwickelung der australischen Känguruhratte den
folgenden Weg einschlägt.

Von Beginn der Eifurchung bis zur Geburt verlaufen etwa acht Tage. Am Ende
des ersten Tages ist die Keimblase zwei blätterig, kaum 1 Millimeter gross; einen Tag
später findet sich schon der Primitivstreif angelegt. Während des dritten Tages geschieht
die Verklebung der Keimblase mit dem Uterusepithel, und am Ende des dritten Tages
sind schon circa 10 Paar Urwirbel vorhanden. 5Tag nach Beginn der Furchung stülpt
sich die Allantois in das Exocölom vor, und am Ende des achten Tages nach der Furchung
geschieht die Geburt. Keimblasen aus den letzten Tagen der Trächtigkeit erhielt ich nicht;
da aber die Entwickelung der Känguruhratte in den ersten sechs Tagen des Uterinlebens
vollständig übereinstimmt mit der des Opossum, und da beide Tierarten circa acht Tage
nach Beginn der Furchung gebären, so darf man erwarten, dass auch während der zwei
letzten Tage die Ausgestaltung der Embryonalorgane bei beiden Spezies gleichen Schritt
halten wird. Diese Vermutung wird durch die Mitteilungen einiger Forscher über die
Föten des Eiesenkänguruh bestätigt. So bildet
Eichaed Owen^) eine offenbar nahezu
ausgetragene Frucht ab, deren Gestalt und deren Embryonalhäute ganz und gar jenen
der Didelphysembryonen gleichen! Zwar deutet
Owen weder den Dottersack noch das
Amnion richtig, auch übersah er die Allantois vollständig; trotzdem beweisen die bei-

1) R. Owen, On the Generation of the Marsupial Animals, with a Description of the Impregnated Uterus of the
Kangoroo; in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1834, Part II; pag. 333—364; pl. VI—VIL —
Eerner:
Coste, Vésicule allantoïde observée dans l\'oeuf des kansruroos; in: Comptes rendus, Tome cinquième, 1837. pag. 638
bis 639, Planche.

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gefügten Zeichnungen, dass diese Gebilde eine durchaus ähnliche Gestalt besassen, wie ich
sie bei den reifen Früchten des Opossum beschrieben habe. So wird denn auch die
Känguruhratte in den letzten beiden Tagen des Embryonallebens keinen anderen
Entwickelungsgang einschlagen, wie Känguruh und Opossum, und ich denke, diese Lücke
in meinen Beobachtungen lässt sich vorläufig verschmerzen.

In der Reihe der Amnioten sind es di-eierlei Embryonalorgane, welche die Er-
nährung und Athmung des Eilings selbstthätig vermitteln: das Chorion, der Dotter-
sack und die Allantois. In der Regel beteiligen sich, wie es scheint, nur zwei die-
ser Organe an beiden Geschäften, indem entweder das Chorion hierbei unthätig bleibt
(Sauropsidae), oder der Dottersack (Wiederkäuer, Affe, Mensch), oder endlich die Allantois
(Beuteltiere); alle drei Organe funktionieren hingegen als Nähr- und Atemwerkzeuge bei
den übrigen placentalen Säugetieren.

1. Das Chorion ektoderm. — Unter dem Namen „Chorion" begreife ich die
Keimblasenwand ohne Rücksichtnahme auf ihre Struktur. Soweit der Dottersack mit dem
Chorion verschmolzen ist, nannte ich das Chorion auch „D o 11 er s a ck cho ri on" ; wo die
Allantois mit dem Chorion verlöthet, spreche ich von einem „ A11 a n t o i s c h o r i o n",
w^ährend der das Exocölom begrenzende Teil des Chorion nach
Fleischmann\'s Vorschlag
als „ C ö 1
0 c h 0 r i o n" bezeichnet werden mag.

Das Chorionektoderm erfüllt die wichtige Rolle eines aktiven Nähr- und Atem-
werkzeuges bei allen Säugetieren, vielleicht mit Ausnahme der Monotremata, die ich
hier ausser Betracht lasse. Einerlei ob die Keimblase der Mammalia schon während der
Gastrulation mit dem Epithel des Tragsackes verschmilzt (Mus, Cavia, Pteropus), oder ob
dies erst später geschieht: stets scheinen es die Ektodermzellen des Chorion zu sein, welche
anfänglicli die Einverleibung des mütterlichen Nährstoffes in die Eianlage übernehmen, —
sei dieser Nährstoff nun wässeriges, schleimiges oder geformtes Drüsensekret (Üterin-
schleim, Uterinmilch), oder aber mütterliches Gewebe (zerfallende Uteruszellen, Leuco-
cyten), oder endlich Blutserum. Das Chorionektoderm der Indeciduaten behält während
des ganzen Fötallebens diese Funktion bei, dagegen erleidet dasjenige der Deciduaten
häufig nach erfolgter Zottenbildung eine Verflachung, welche ihm mehr den Charakter
einer durchlässigen, schützenden Hülle verleiht.

AVelche physiologische Bedeutung kommt nun dem Chorionektoderm der Beutel-
tie r e zu ?

Während der Brunst schwellen die Wandungen der Tragsäcke bedeutend durch
Erweiterung ihrer Blutgefässe und durch seröse Infiltration. Zugleich vergrössern sich die
Uterindrüsen und ergiessen in die AVeitung des Uterus ein wässeriges Sekret, welches nur
spärliche geformte Elemente enthält und daher nicht gut „Uterinmilch" im BoNNETschen
Sinne genannt werden kann, vielmehr schlechthin als Uterinsekret zu bezeichnen ist. In
dieser Nährflüssigkeit schwimmen die Keimblasen zwei bis drei Tage frei umher, und

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während dieser Zeit fällt in erster Linie dem Chorionektoderm die Rolle zu, Ernährung
und Gasaustausch zu -vermitteln. Erst im Verlaufe des dritten oder vierten Tages ver-
klebt das Ei mit dem üterusepithel, und zwar immer im Gebiete des Fruchthofes. Diese
Verkittung wird durch die äussere, feine Eihaut, die „Granulosamembran" bewerkstelligt,
welche ich als verflachtes Follikelepitliel des Eies deute (vergl. pag. 128 des IV. Heftes).
Nach der Festheftung der Keimblase beginnt die Resorption der Granulosamembran, auf
der freien Fläche des Eies anfangend und langsam gegen den Fruchthof, der am vierten
Tage schon vascularisiert ist, weiterschreitend, bis am fünften bis sechsten Tage die Mem-
bran vollständig aufgelöst ist.

Durch die Resorption der Granulosamembran wird die Keimblase wieder vom
Uterusepithel losgelöst, und zwischen beiden findet man wieder eine Flüssigkeitsschicht,
das Uterinsekret. Trotzdem bleibt das Ei an seiner alten Stelle liegen, indem entweder
das Chorion in die neugebildeten Krypten der Uterusschleimhaut sich einsenkt und auf
diese Weise das Ei in Lage erhält (Opossum), oder indem das Ei bis zur Zeit der Ab-
lösung die Uterinhöhle ganz ausgefüllt hat (tlypsiprymnus). AVahrscheinlich faltet sich
das Chorion der Springbeutler ebenfalls in den letzten zwei Tagen der Schwangerschaft,
wie
Owen\'s Abbildung einer fast ausgereiften Frucht des Riesenkänguruh vermuten lässt.
Immerhin bliebe die Ernährung der Frucht eine sehr dürftige, wenn nicht, nachdem die
Granulosamembran geschwunden, die Zellen des Chorionektoderms stellenweise zu enor-
men zapfen- oder fingerförmigen Nährzellen heranwüchsen und dadurch die resorbierende
Eioberfläche vielleicht um das Doppelte oder Dreifache vergrösserten. Die auf Tafel XXXII
in Figur 3 gegebene Abbildung bezieht sich auf das Chorion circa zwei Tage vor der
Geburt; sicherlich haben diese „Zottenzellen" noch nicht ihre definitive Grösse erreicht,
denn auch beim Opossum wachsen dieselben noch bedeutend in den letzten Tagen.

Eine innige Berührung oder gar eine Verschmelzung der ,,Zottenzellen" des Chorion-
ektoderms mit dem benachbarten Uterusepithel findet nicht statt, denn die Innenfläche
des Uterus erscheint überall ziemlich glatt und in keinem meiner Schnitte zeigt sich die
Uterinschleimhaut dem unregelmässigen Relief des Chorionektoderms angeschmiegt!

Das mütterliche Nährmaterial wird demnach dem Embryo der Beuteltiere lediglich
in Form eines flüssigen Uterinsekrets dargereicht. Nirgends finde ich Uterinstäbchen oder
Leucocyten in den Chorionzellen eingeschlossen, und wenn etwa eine Ernährung der Frucht
durch mütterliche Leucocyten stattfindet, so ist sie keinesfalls sehr ergiebig.

Auffallend und physiologisch nicht erklärbar erscheint die zeitweilige Verkittung
der Keimblase an die Schleimhaut des Uterus bei den uniparen Beuteltieren, z. B. bei
Phalangista und Hypsiprymnus; denn ein Vorteil wird dem Embryo schwerlich dadurch
erwachsen, dass die Granulosamembran grade auf dem Gefässhofe am längsten erhalten
bleibt. Dagegen lässt sich der Nutzen solch\' einer vorübergehenden Verklebung bei den
multiparen Beutlern, z. B. dem Opossum, leicht erkennen. In den Uteri der Didelphys
liegen je drei bis acht Keimblasen dicht zummengepackt aneinander, und hier musste da-

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für gesorgt sein, dass die Gefässhofe nicht von den benachbarten Keimblasen überdeckt,
sondern freigelassen werden, so dass das Uterinsekret dieselben umspülen könne. Diese
Nahrungszufuhr ist gewährleistet durch die frühzeitige Anheftung der Fruchthöfe an das
Uterusepithel, und erst nachdem die gefässfreien Stellen der Keimblasen miteinander
verwachsen sind und das Freibleiben der Gefässhofe garantiert ist, lösen sich letztere
wieder vom Uterus ab durch Resorption der Granulosamembran, und die Zellen des
Chorionektoderms wachsen nun auch im Gebiete des Dottergefässnetzes zu Zottenzellen
aus. Demnach ist bei den uniparen Beutlern die Befestigung der Keimblasen vielleicht
als Vererbungserscheinung aufzufassen, hinweisend auf die Multiparität ihrer Ahnen.

Ähnlich wie die Eilinge der Marsupialier werden bekannthch die Embryonen der
indeciduaten placentalen Säugetiere genährt, denn auch bei diesen verlötet das
Chorion nicht mit dem mütterHchen Epithel. Ein wichtiger Unterschied liegt aber darin,
dass bei den indeciduaten Placentalia die Nährfläche bedeutend vergrössert wird durch
Ausbildung von echten Chorionzotten, und dass zweitens das Uterinsekret zahlreiche ge-
formte Elemente (Uterinstäbchen, Leucocyten) enthält, die „Uterinmilch" nach
Bonnet.

Von anderer Beschaffenheit ist die embryonale Nährflüssigkeit bei den Säugetieren
mit hinfälligem Mutterkuchen. Denn für diese gilt, wie ich glaube, die Regel, dass
die Keimblase anfänglich nur Uterinsekret mittels ihres aktiv beteiligten Chorionektoderms
aufnimmt, dass aber später lediglich das Blutserum der Mutter als Nährstoff\' für
den Embryo Verwendung finde, indem dasselbe in die Lymphräume und Allantoisgefässe
der Chorionzotten diffundiert. Denn bei den Deciduaten wird entweder das Uterut und
Drüsenepithel im Bereiche der Placenta durch die Zellen des Chorionektoderms zerstört,
wie ich bei Mus und Cavia zeigte, und wie
Fleischmann bei Raubtieren, Frommel bei
der Fledermaus nachwies, oder aber das Drüsenepithel verflacht sich zu einem, mit dem
Chorionektoderm innig verschmolzenen Epithelmantel (Affe, Mensch, Kaninchen), welchem
kaum noch die ursprüngliche Bedeutung eines secernierenden, d. h. aus dem Blutserum
ein anders geartetes Sekret produzierenden Gewebes zuzuschreiben sein dürfte. Mit an-
deren Worten: Bei den De ci du ata schwindet das Drüsenepithel, oder wird wenigstens
seiner Funktion als secernierendes Nährorgan ganz oder grösstenteils beraubt. Zwar
bleiben bei Nagern, Pteropus, Affe und Mensch, ja vielleicht bei allen Deciduaten, die
distalen blinden Enden der Uterindrüsen in ihrer typischen Beschaffenheit während der
ganzen Schwangerschaft erhalten, um später, nachdem die Placenta abgestossen ist, den
Grundstock zu bilden zum Neuaufbau der Drüsen; aber diese Blindenden schnürten sich
von ihrem deciduaten Halsteil frühzeitig schon vollständig ab, können also zur Ernährung
der Frucht nicht mehr direkt beitragen. - Gegenüber den Lideciduaten erscheinen die
Embryonen der Deciduaten folglich im Vorteil; denn bei letzteren kann die Überführung
von Nährstoffen, nämlich von Blutserum, in die Frucht leichter und rascher von statten
gehen wegen der festeren, innigeren Verbindung von Chorion und Uterusgewebe. Dem-

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entsprecliend geschieht im allgemeinen die Ernährung und das Wachstum des Embryos
in rascherem Tempo bei den Deciduaten als bei den Indeciduaten.

Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtet weisen die Beuteltiere die einfachste
und unvollkommenste Art der Embryonalernährung unter den MammaHen auf. Denn die
vom Uterinsekret umspülte Chorionfläche bleibt sehr klein, Ernährung und Atmung ist
beschränkt und genügt den immerfort wachsenden Anforderungen des Eilings nur für
die kurze Spanne von acht bis neun Tagen, nach welcher Zeit die Früchte in sehr un-
vollkommenem Zustande zur Welt kommen. Zeigt doch das neugeborene Beuteljunge
nur erst die Anlage der "Dauerniere (Metanephros), indes die Urniere noch in voller
Thätigkeit ist! Die Lungen des Neugeborenen stellen noch weite Säcke dar, die Zahn-
leisten sind noch nicht differenziert, und von Sinneswahrnehmungen dürfte höchstens das
Tastgefühl und der Geruch vorhanden sein, während Auge, Gehör- und Geschmacksorgane
nicht genügend ausgebildet sind, um ihre spezifische Thätigkeit zu entfalten.

2. Der Dottersack. — Derselbe erfüllt bei den Sauropsiden im Beginne der
Entwickelung die liolle eines Nahrungsbehälters, nach Ausbildung des Dottersackkreis-
laufs vermittelt er zugleich den Gasaustausch. Indem jedoch sein Inhalt verbraucht wird,
schrumpft der Dottersack samt seinen Gefässen immer mehr zusammen und kann dann
dem sich steigernden Atembedürfnis des Eilings nicht mehr genügen. Es muss ein an-
deres Organ zur Regulierung der Atmung herangezogen werden, nämlich die gefässführende
Harnblase, in welcher sich der Harn derart ansammelt, dass sie aus dem noch offenen
Leibesspalt herausgetrieben wird und sich in das Exocölom vorbuchtet. Als Allantois
übernimmt bekanntlich jetzt die vergrösserte Harnblase das Atemgeschäft.

Anders bei den Säugetieren, die zwar den Dottersack als solchen von den
Reptilien ererbt haben, nicht aber den Inhalt desselben, den Nährstoff. Dieser wird dem
Säugetierembryo allmählich zugeführt, und hier lassen sich drei Arten der Embryonal-
ernährung unterscheiden.

Erstens bei den Beuteltieren vergrössert sich der Dottersacck während des
Uterinlebens stetig und seine Gefässnetze werden immer reicher und reicher; sie allein
vermitteln Zufuhr von Nahrung und Atemluft zum Embryonalkörper, während die Al-
lantois zum Harnreservoir degradiert wird und keine bedeutende Grösse erlangt, weil der
Harn durch die Dottergefässe wieder gesammelt und in die Uterinhöhle befördert werden
kann. Verglichen mit den Reptilien erscheint die Allantois der Beuteltiere ihrer
Funktion der Atmung wieder beraubt (vergl. Tafel XXXII Figur 1).

Zweitens bei Insectivoren, Pteropus, Nagern, Raubtieren etc. haben die Dottersack-
gefässe anfangs zwar ebenfalls die Bedeutung eines Nähr- und Atemorganes, aber beide
Funktionen werden gar bald von der Allantois übernommen. An der Ernährung des
Embryos beteiligen sich demnach 1) im Anbeginn der Entwickelung das Chorionektoderm,
2) hierauf die Dottersackgefässe, und 3) später die Allantoisgefässe. Bei Nagetieren kann
bekanntlich ein Abschnitt der Dottergefässe bis zur Geburt erhalten bleiben.

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Drittens bei den Wiederkäuern, den Affen und dem Menschen ist der Dottersack
ausser Funktion gesetzt und ein rudimentäres Gebilde geworden; denn er wird vom
Chorion abgehoben, bevor Gefässe in seiner "Wandung auftraten. Und wenn auch das
„Nabelbläschen" später sich ausweitet und vascularisiert wird, so ist diese verspätete
Ausgestaltung zwar morphologisch bedeutungsvoll, funktionell aber wertlos, weil die
Dottersackgefässe stets von dem Nahrungs- und Atemherde weit entfernt bleiben. Das
kleine Nabelbläschen flottiert frei im weiten Exocölom, und wird schliesslich durch andere
sich ausbreitende Embryonalsäcke, nämlich Amnion oder Allantois, plattgedrückt und
verfällt als wertloses Rudiment grösstentheils der Resorption.

3. Die Allantois endlich ist bei den Sauropsiden Harnbehälter und Atem-
organ, bei den Beuteltieren lediglich Harnbehälter, bei Affe und Mensch (wo die
Allantoishöhle nur ein mikroskopisches Röhrchen vorstellt) ausschliesslich Nähr- und Atem-
organ, aber nicht Harnbehälter; bei den übrigen Placentalia hat die Allantois die Be-
deutung eines Harnbehälters, Atem- und Nährorgans zugleich.

Die Beuteltiere stehen in dieser Beziehung also auf der Übergangsstufe zwischen
Sauropsiden und Placentalia; denn bei den Beutlern ist die Allantois nicht mehr Atem-
werkzeug, wie bei den Reptilien, aber auch noch nicht Nährorgan geworden, wie bei
den Placentalia.

Nähere Details über die wunderbaren Anpassungen, welchen der Eiling der Beutel-
tiere selbst unterliegt, finden im folgenden Abschnitt Berücksichtigung.

III. Keimblaseii, Eilinge und Beuteljunge.

A. Zwei blätterige Keimblase.

Die jüngsten Keimblasen austrasiatischer Beutler wurden einem Dasyurus-Weib-
chen fünfzehn Tage nach der Begattung entnommen. Sieben gleichalterige Blasen von
74 Millimeter Durchmesser lagen frei in der wässerigen, klaren Flüssigkeit des rechten
Uterus; der linke Uterus war leer.

Die Keimblasen glichen denen, welche ich\' vom Opossum auf Tafel XIX Figur 1—4
abgebildet habe; ich schätze daher ihr Alter auf 24 Stunden. Eine Eiweissschicht fehlte.
Man unterscheidet 1) eine sehr zarte äussere, homogene Haut (Granulosamembran), 2)
darunter ein Lager von Ektodermzellen, welche im Gebiete des Embryonalschildes pris-
matisch, am gegenüberliegenden Pole nahezu kubisch, im übrigen abgeplattet
erscheinen,
3) ein inneres zusammenhängendes Lager von abgeflachten Entodermzellen. Dotterballen,
wie solche in der Furchungs- und Urdarmhöhle der Opossum-Eier
angetroffen wurden,
fehlten in den Keimblasen der Dasyurus viverrina. Eine Abbildung zu geben, halte ich
für unnötig.

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B. Keimblase von circa zwei Tagen.

Tafel XXI Fig. 1—2; Tafel XXXII Fig. 1.

Eine freie, 2 Millimeter grosse, durchsichtige Keimblase wurde dem linken Uterus
einer Käuguruhratte (Hypsiprymnus) dreizehn Tage nach dem Sprunge entnommen.
Der rechte Uterus war leer, zeigte aber die gleiche Grösse wie der trächtige. Nach Ein-
wirkung von Pikrinschwefelchromosmiumsäure traten Fruchthof mid Primitivstreif sehr
deutlich hervor: die Keimblase wurde unter der Camera lucida gezeichnet (Tafel XXXII
Figur 1) und dann in Schnitte von y,oo Millimeter zerlegt, um die Form der Primitivrinne
sowie die Ausbreitung des Mesoderms genauer zu studieren. Einige Details wurden von
dem Rekonstruktionsbilde in die Zeichnung nachträglich eingefügt.

Die Keimblasenwand setzt sich zusammen aus der dünnen Granulosamembran, dem
Ektoderm, der Mesodermanlage und dem abgeflachten Entoderm (Taf. XXXI Fig. 1—2 z).
Eine ungewöhnliche Gestalt zeigt die Primitivrinne: sie beginnt vorne als Gabelrinne
(Taf. XXXIl Fig. 1), weitet sich im Bereiche des
üensen\'schen Knotens zu einer flachen
Grube aus und verläuft als schmale Rinne nach hinten, um im Endwulst (v.
LLIKEr),
ebenfalls sich gabelnd, zu verstreichen. Ich glaube in meiner Deutung nicht fehl zu gehen,
wenn ich in den beiden Schenkeln der vorderen Gabelrinne die vorderen, in denen der
hinteren aber die hinteren Abschnitte der Cölompforten erbhcke; denn rechter und linker
Cölomlappen wurzeln in der Wand der Primitivrinne. Beiläufig sei erwähnt, dass die
Cölomlappen unregelmässige Form haben und durchlöcherte Platten darstellen, wie die
Querschnitte deutlich lehren. Figur 1 der Tafel XXXI zeigt das sorgfältig gezeichnete
Rekonstruktionsbild.

C. Keimblase von drei Tagen.

Tafel XXXI Figur 3—5.

Diese Keimblase entstammt einem Hypsiprymnus-Weibchen, welches vierzehn
Tage nach dem Sprunge abgetötet ward. Im Gebiete der Keimscheibe war das Ei mit
der glatten Uteruswand verklebt, und zwar durch Yermittelung der
Granulosamembran:
die Berührung mit dem Spachtel genügte, um es frei zu machen. Auf der der Keim-
scheibe gegenüber liegenden Eifläche fehlte die Granulosamembran: offenbar war sie hier
resorbiert, denn die Ränder derselben erwiesen sich dünn zugeschärft. Die Resorption
schreitet allmählich weiter, und bei Keimblasen von fünf Tagen ist keine Spur mehr von
dieser Hüllhaut zu entdecken.

Die Gestalt des Fruchthofes und die Beschaffenheit der Embryonalanlao-e ist aus
der Figur 3 ersichtlich. Zehn Paar Urwirbel sind angelegt. Da diese Keimblase der-
jenigen auffallend ähiiKch ist, welche ich vom Opossum beschrieben habe (Tafel XX Fig. 4),
so beschränke ich mich auf einige Bemerkungen.

Selenta, Entwickelungsgeschichte. V. g-

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Der Cliordaentoblast erscheint noch als Schaltstück des Entoderms (Fig. 4_5).

Im Eumpfe und im Gebiet des Nackens hat die (^Jiorda die Gestalt eines breiten Bandes:
im Bereiche der Kopfplatten verschmälert sie sich, wird nach vorn wieder breiter und
senkt sich zu einer Nischenfalte ein, der Gaumentasche oder vorderen Chordatasche,
wie ich das gleichartige Gebilde beim Opossum nannte. Ausdrücklich sei hier nochmals
hervorgehoben, dass diese Gaumentasche nicht, wie jüngst von mehreren Seiten vermutet
wurde, mit der
SEESSEL\'schen Tasche des Vogelembryos identisch ist. Die SEESSEL\'sche
Tasche ist vielmehr, wie mich Schnittserien durch Hühner- und Entenembryonen, ferner
durch Eilinge des Maulwurfs, der Lacerta viridis und vivipara u. s. w. lehrten, das vor-
dere Blindende des Darmrohrs, und in diese vordere Darmtasche mündet die Gaumen-
tasche ein, bei Huhn und Ente frontal, bei Lacerta, Didelphys, Talpa dorsal. Eine ähn-
liche Form der Gaumentasche, wie sie das Opossum am fünften Tage der Entwickelung
aufweist, ist unlängst auch für andere Säuger beschrieben, so von
Bonnet für den
Schafembryo.

Im übrigen bot die Keimblase nichts Bemerkenswertes; sie glich derjenigen der
übrigen Säugetiere, zumal der Didelphys virginiana,

D. Keirablase von circa vier Tagen.

Tafel XXXIII.

Nachdem ich fünf Vierteljahre lang ein Dutzend der behenden, hübschen Pha-
langista orientalis in Gefangenschaft gehalten, wurde eines Abends die Begattung
eines Pärchens beobachtet. Das Weibchen sass oben auf dem Aste eines Baumes, und
liess sich während einer halben Stunde mehrere Male von dem schnalzenden Männchen
belegen.

Vierzehn Tage nach dem Sprunge wurde das Weibchen chloroformiert und geöffnet.
Der linke Uterus zeigte keine Schwellung, der rechte hatte die Grösse einer dicken Hasel-
nuss und enthielt eine einzige, fast kugelrunde Keimblase von 13 V2 Millimeter Durchmesser.

Im Bezirke des Gefässhofes war die Keimblase mit der glatten Uteruswand ver-
klebt. Beim Lostrennen derselben hob sich vom Gefässhofe eine zarte glashelle Kappe
ab, von der Form einer Halbkugel mit zerschlissenem Bande: die Granulosamembran
Auf der gefässfreien Hälfte der Keimblase fehlte das Häutchen.

AVie die Abbildungen auf Tafel XXXIII lehren, ragt der Eumpf des Embryo ein
wenig über das Niveau der Keimkugel hervor, während der Kopf tief ins Innere versenkt
ist und das Proamnion eingestülpt hat. Sechsundzwanzig Urwirbel sind angelegt. Das
Bückenrohr ist vorne und hinten noch offen. Am Schwanzende befindet sich eine trichter-
artige Einsenkung (Tafel XXXII Fig. 6—9).

Die Wand des Trichters geht, wie die Schnittserie zeigt, in die Substanz der
Chorda über.

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Der gefässfreie Teil der Keimblasenwand besteht aus zwei Zellenlagen, dem Ekto-
derm und Entoderm, beide einschichtig. Eings um den Sinus terminalis verläuft ein
schmaler heller Gürtel; hier sind Ekto- und Entodermzellen stark abgeplattet, während
im übrigen gefässfreien Abschnitt beiderlei Zellen grösser und dicker erscheinen.

Der Gefässhof besitzt den typischen Bau. Unter einem Lager grosser flacher Ekto-
dermzellen mit linsenförmigen Kernen liegt das Mesodermgewebe mit den Gefässen, welche
alle eine deutliche Wandung aufweisen. Die Zellen des Entoderms sind klein und flach.
Folgende Blutbahnen Hessen sich erkennen: Aus dem Herzen entspringen zwei Aorten-
stämme, welche rechts wie links drei
Aortenbogen bilden und getrennt voneinander beider-
seits der Chorda dorsalis bis in das hintere Körperende verlaufen und hier zugespitzt enden.
In den Figuren der Tafel XXXIII sind die Aorten nicht abgebildet, weil sie durch zwei
andere dicke, ventral unterhalb der Aorten liegende Parallelgefässe, den Arteriae omphalo-
mesentericae, verdeckt werden (vergl. Tafel XXXII Figur 5—8); Aorten und Dotter-
arterien sind jederseits durch ein Dutzend weiter Anastomosen verbunden, während aus
den beiden Parallelgefässen das Blut teils direkt durch feine Gefässe in den Dotterkreilauf
übergeführt wird, teils durch einen starken Medianstamm in den Sinus terminalis
eintritt (Tafel XXXIII Fig. 2), welcher vor dem Kopfende des Embryos noch nicht ge-
schlossen ist.

Die gleiche Anordnung der Gefässe zeigen die Keimblasen des Opossum; doch sind
auf Tafel XXIII in Figur 3 die oben erwähnten Arteriae omphalomesentericae irrig als
Aortae bezeichnet.

Schliesslich sei noch erwähnt, dass die primären Augenblasen angelegt sind und
dass je zwei Paar Urnierenbläschen in einem Segmente liegen. Das Eachensegel ist noch
intakt. Im übrigen gleicht der Embryo vollständig denen der übrigen Marsupialier, so-
dass ich mich einer eingehenderen Beschreibung überhoben glaube.

Im Eausche der Freude, nach langem vergeblichen Harren endlich eine Keimblase
eines australischen Beuteltieres erlangt zu haben, liess ich die Tafel XXXIII allzu luxu-
riös ausstatten, was mir der Leser zu gute halten möge.

E. Eiliiig von füiifeinhalbeii Tage (zweidreiviertel Tage vor der Geburt).

Tafel XXXI Figur 6—7; Tafel XXXII Figur 1—3.

Dieses Ei wurde einem Weibchen der Känguruhratte (Hypsiprymnus cuniculus)
entnommen. In Figur 6 ist dasselbe in natürlicher Grösse und Farbe, in Figur 7 auf-
geschnitten und vergrössert dargestellt. Um den Verlauf der Dottersackgefässe in der
letzteren Abbildung zu verstehen, denke man sich die Schnittränder wieder gegeneinan-
der gelegt.

Fast zwei Drittel des ellipsoidischen Eies waren vom Gefässhofe des Dottersackes
eingenommen, etwa ein Drittel war gefässfrei. Die Granulosamembran fehlte bereits und

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das Ei fällte die Weitung des trächtigen Uterus vollständig aus bis auf eine unbedeutende
Flüssigkeitsschicht, welche Ei und Uteruswand voneinander trennte. Weder die Innen-
fläche des Uterus noch die Oberfläche des Chorion waren gerunzelt; doch zeigten sich
die Ektodermzellen des Chorion auffallend vergrössert und gegen die Uterushöhle zapfen-
oder kuppelartig vorgewölbt (Tafel XXXII Figur 2). Die Blutgefässe, in noch höherem
Grade die Lymphbähnen des Uterus, waren enorm angeschwollen, sodass durch die ver-
dickte Wand desselben der Embryo wahrgenommen werden konnte.

Zur Orientierung über die Embryonalhäute betrachte der Leser den idealen Längs-
schnitt in Figur 3 Tafel XXXII.

Das Amnion hat sich abgeschnürt, und besteht aus dem vorderen Kopfamnion oder
Proamnion
(van Beneden) und dem hinteren Eumpfamnion; ersteres setzt sich aus
Ekto- und Entoderm, letzteres aus Meso- und Entoderm zusammen. Der Pfeil deutet die
Eichtung an, in welcher (nach Analogie der Amnionbildung beim Opossum) wahrschein-
lich die Proamnionfalte später noch weiter nach hinten vordringen wird. Die Wand des
Chorion zeigt dreierlei Struktur und lässt unterscheiden a) das Dottersackchorion, welches
zum grössten Teil vascularisiert ist, im antiembryonalen Abschnitte aber der Gefässe ent-
behrt, und b) das gefässfreie Cölochorion (
Fleischmann), welches das Exocölom begrenzt.
Der Gefässhof zeigt also die typische Frühgestalt anderer Allantoidea, denn er stellt einen
breiten Eing dar, in dessen excentrische Lücke das gefässfreie Cölochorion sich einfügt.
Ein Blick auf die Tafeln XXIII bis XXVII des vierten Heftes dieser „Studien" gibt
über diese Verhältnisse genauen Aufschluss, und ich unterlasse es daher, hier näher darauf
einzugehen. Nur einige Bemerkungen muss ich der bildlichen Darstellung auf Tafel XXXI
Figur 7 beifügen.

Aus der Aorta entspringt die Dotterarterie (Arteria omphalomesenterica) und ent-
sendet viele Seitenäste direkt in den Gefässhof, während der Flauptstamm sich gabelt und
in den Sinus terminalis sich fortsetzt. Zwei Dottervenen sammeln das Blut aus dem Gefäss-
hofe und führen dasselbe zum Herzen zurück. In der Lithographie sind hauptsächlich
nur die grösseren, bei Lupenvergrösserung erkennbaren Gefässe wiedergegeben; das Maschen-
werk der Blutbahnen ist nur schematisch angedeutet.

Von dem fünf- bis sechstägigen Embryo des Opossum unterscheidet sich dieser Ei-
ling der Känguruhratte nur unbedeutend, nämlich wesentlich nur durch folgende Merkmale.

1) Das Chorion des Hypsiprymnus war glatt gespannt U-nd zeigte keinerlei Eun-
zeln, wie dies beim Opossum von fünf Tagen schon der Fall ist.

2) Der Gefässhof der Känguruhratte ist zwar grösser aber auffallend ärmer an
Gefäss Verzweigungen als beim fünftägigen Opossum-Embryo.

3) Der Umfang des Eies ist geringer bei der Känguruhratte.

Die Urnieren des in Figur 7 auf Tafel XXXI abgebildeten Embryos hatten kaum
den dritten Teil ihrer definitiven Grösse erreicht. Die Lungen waren noch klein; die
rechte mit fünf, die linke mit vier Aussackungen.

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F. Das Beuteljunge.

Tafel XXXI Fig. 8-9.

19Vi Tage nach der Begattung, also 8V4 Tage nach Beginn der Eifurchung wurde
im Beutel eines Hyp sip ry mnu s-Weibchens ein Junges Yorgefunden; eine Stunde vor-
her war der Beutel noch leer gewesen, die Geburt musste also in der Zwischenzeit ge-
schehen sein.

Haltung und Farbe des Beuteljungen, welches sich an eine Zitze festgesaugt hatte,
ist in der Lithographie recht gut wiedergegeben. Die Hautgefässe unter dem Epitrichium
traten deutlich hervor, und die Kontraktionen des Herzens, 58 in einer Minute, waren
leicht wahrzunehmen. Wie beim neugeborenen Opossum waren auch hier die Zehen der
vorderen Extremitäten mit gelben Klauen bewaffnet, während die Hinterzehen glatte
Stummel darstellten. Das Epitrichium überzog den äusseren Gehörgang und die Augen.
Die Zunge hatte die Form einer Schaufel.

Das Skelet zeigte nirgends Yerknöcherung, die Lungen erwiesen sich als Säcke mit
einigen Dutzend wandständiger Alveolen und grösserem freien Zentralraum. Die Urnieren
waren von bedeutender Grösse, die Dauernieren noch sehr klein und schwerlich schon in
Thätigkeit. Betreffs der übrigen Organe verweise ich den Leser auf die Beschreibung
des neugeborenen Opossum (IV. Heft pag. 157—161), welchem das frisch geworfene Junge
der Känguruhratte sehr ähnlich ist, nur dass das letztere eines „Schnabelschildes" ent-
behrt und in der Ausbildung des Körpers und der Organe hinter dem ersteren etwas
zurücksteht.

Auf Tafel XXXI in Figur 10 findet sich noch ein Beuteljunges der Känguruh-
ratte vier Tage nach der Geburt in natürlichen Farben abgebildet. Der Mundspalt hat
sich noch mehr verkleinert.

Über die Embryonalorgane dieses und einiger älteren Beuteljungen, welche ich von
Hypsiprymnus, Phalangista und Didelphys erhielt, namentlich über die Bildung der schall-
leitenden Apparate des Gehörorganes, über die Milch- und Dauerzähne und die Extremi-
täten werden einige meiner Herren Fachgenossen in nächster Zeit berichten.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Beuteltiere zu den Reptilien einerseits,
zu den placentalen Säugetieren anderseits sind, soweit dieselben aus der Embryologie sich
herleiten lassen, im IV. Hefte dieser Studien auf Seite 162—^167 näher besprochen.

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2. Zur Entstehungsgeschichte des Amnion.

Wenn es in den allermeisten Fällen nicht möglich sein wird, die Herkunft eines
Organs und die Ursache seiner Entstehung genauer zu ermitteln, so lassen sich doch we-
nigstens die Umgestaltungen einiger embryonalen Organe oder Organabschnitte auf rein
mechanische Anstösse zurückführen, und diese will ich als passiv - entstandene, als allo-
genetische Bildungen bezeichnen. Allogenetisch nenne ich solche Bildungen oder Or-
gane, deren Entstehung mechanisch direkt bedingt erscheint — im Gegensatz zu
den autogenetischen, welche sich aktiv, sozusagen durch eigene Kraft herausbildeten.

Mechanisch bedingt ist z. B. die Verschiebung und Knickung, welche einige
Organe des Kopfes durch die embryonale Scheitel- und Nacken beuge erleiden, mechanisch
bedingt die flächige Ausbreitung der Embryonalanlage bei Haien und Amnioten durch
den angelagerten riesigen Nahrungsdotter. Allogenetisch ist ebenso die mächtige Ver-
grösserung, welche die Harnblase der Sauropsiden während des Eilebens erfährt; denn
als mechanische Ursache dieses Wachstums erscheint der sich ansammelnde Harn, welcher
hier nicht in das umgebende Medium austreten kann, wie dies bei den im Wasser sich
entwickelnden Eiern der Ichthyopsiden der Fall ist.

Auch das Amnion kann, wie ich glaube, als ein allogenetisches, lediglich durch
Umgestaltung benachbarter Organe, mechanisch gebildetes Organ betrachtet werden. Und
zwar bin ich durch Untersuchungen an Eeptilien und Säugetieren zu der Vorstellung ge-
langt, dass das „Amnion" sich aus zwei ganz unabhängig voneinander entstandenen Falten
zusammensetze.

Ich will meinen Gedankengang, den ich im IV. Hefte dieser Studien angedeutet
hatte, hier ausführlicher niederschreiben.

Bei den Eeptilien haben die Gefässe des Dottersackes die zwiefache Aufgabe, Dotter-
substanz dem Embryonalkörper zuzuführen, um den Gasaustausch zu vermitteln. Der
Funktion eines Atem
Werkzeuges wird offenbar der Dottersack am besten vorstehen, wenn
seine Blutbahnen dicht unter der Eiwand gelegen sind, d. h. wenn die Wand des Dotter-
sackes mit der Eihülle verlötet. Dieser Anforderung ist thatsächlich dadurch entsprochen,
dass die „Cölomsäcke" nicht in ihrer Urgestalt als hohle Säcke, sondern als solide Cölom-
lappen oder Cölom platten zwischen Ekto- und Entoderm der Keimblase ein wuchern.
So erscheint bei den Sauropsiden die Eiwand selbst vascularisiert. Allmählich wird jedoch
der Dottersack samt seinen Gefässen von der Eiwand abgehoben, und zwar 1) weil
die Dottermasse nach und nach zum Aufbau des Embryonalleibes aufgebraucht wird und
daher der Dotterbehälter sich verkleinert; 2) weil die flüssigen Zersetzungsprodukte des

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Eilings, nämlich der Harn, nicht das Ei verlassen können, sondern in der Harnblase
aufgespeichert werden, welche daher rasch an Grösse zunimmt und, da der Leibesspalt
noch weit offen ist, ungehindert in das Exocölom und weiter zwischen Somato- und Splanchno-
pleura vordringt. Dem mit dem Wachstum des Embryos sich steigernden Atembedürfnis
vermag das Gefässnetz des Dottersackes nicht auf die Dauer zu genügen, um so weniger,
als dasselbe sich kontinuierlich verkleinert, und so wird denn ein anderes Organ zur Ee-
gulierung des Gasaustausches herangezogen: die Allantois, welche ohnehin die Tendenz
hat, sich stetig zu vergrössern.

Nach welcher Eichtung kann sich die Allantois ausdehnen? Da sie den Dotter
nicht zu verdrängen vermag, so spaltet sie das Mesoderm in seine beiden Schichten, die
Splanchno- und Somatopleura, und buchtet die letztere mitsamt dem überlagernden Ekto-
derm zu einer Falte vor, die ich Eumpfamnion oder Eumpffalte genannt habe, weil
dieselbe immer weiter von hinten nach vorn über den hinteren Eumpfteil des Embryos
hinübergeschoben wird. Der Eiling erscheint dadurch von der peripheren Lage ins Innere
des Eies geschoben. AVenn diese Deutungen richtig sind, muss die hintere Amnionfalte
oder das Eumpfamnion als eine Faltenbildung betrachtet werden, welche lediglich dem
Hervor wachsen der Allantois seine Entstehung verdankt.

Eine ähnliche Falte tritt bekanntlich auch vor dem Kopfteile des Embryos auf,
aber der Grund ihrer Entstehung scheint hier ein anderer. Das mächtige Wachstum des
Gehirnes bedingt die Scheitel-Nackenbeuge; der Kopf senkt sich tief in den Dotter hin-
ein, treibt die Eihaut als vordere Amnionfalte, die ich lieber als Kopfamnion oder
Kopffalte bezeichnen möchte, vor sich her und drückt dieselbe ins Eiinnere hinein. Nun
setzt sich die ganze Eiwand aus Ektoderm, Mesoderm nebst Gefässschicht und Entoderm
zusammen, und es ist klar, dass, wenn diese Struktur sich nicht änderte, ein Teil der
Blutgefässe infolge der Einfaltung gezerrt, von der Oberfläche entfernt und dadurch ihrer
Funktion als „Eespirationsgefässe" beraubt werden müsste. Diese Schädigung ist ver-
mieden, indem der vom Kopf eingestülpte Abschnitt der Eihaut mesodermfrei wird: So-
mato- und Splanchnopleura schwinden aus diesem Bereiche und erzeugen die „mesoderm-
freie Stelle", die Bildungsstätte des Pro amnion
van Beneden\'s, welches allein aus
Ekto- nnd Entoderm besteht. — Nach dieser Darstellung wäre das Kopfamnion durch
Einstülpung der Eiwand hervorgerufen, im Gegensatz zur Eumpffalte, welche in der
Form einer Ausbuchtung angelegt wird.

Die Struktur der Kopffalte hängt offenbar gänzlich von der jeweiligen Eolle ab,
welche der Dottersack zu verschiedenen Zeiten des Embryonallebens zu erfüllen hat. Da-
von hat bekanntlich
Edouard van Beneden zuerst ein treffendes Beispiel gegeben, indem
er zeigte, dass der Kopf des Kaninchens zuerst von einer Ektoentodermfalte, welche er
Proamnion nannte, überzogen wird; dieses wird durch den vordringenden Cölomsack ge-
spalten und das Kopfamnion erscheint danach als ektomesodermale Falte. Diese Über-
führung des Proamnion zu einer Ektomesodermalfalte ist nun zwar, wie spätere Unter-

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suchungen gelehrt haben, für die Allantoidea die Regel; sie erleidet aber viele Ausnahmen,
wie nachstehende Zusammenstellung lehrt.

1) Die Kopffalte des Amnion ist anfangs ein Proamnion, d. h. sie besteht aus einer
ekto entodermalen Lamelle. Durch den vordringenden Cölomsack wird das Proamnion ge-
spalten, indem die Somatopleura mit dem Ektoderm verlötet. — Sauropsiden, die meisten
Placentalia.

2) Der Dottersack allein besorgt während des Embryonallebens die Ernährung und
Atmung, er wird daher nicht von der Eiwand abgehoben, das Exocölom bleibt klein und
dehnt sich nicht zwischen die Blätter der proamniotischen Falte aus. Das Proamnion per-
sistiert. — Alle Beuteltiere.

3) Sowohl vorderes wie hinteres Amnion legen sich als Ektodermfalte an, während
das Entoderm ganz unbeteiligt bleibt. Hierauf wuchern Zellen der Somatopleura in die
Faltenhöhlen hinein und verstärken die ektodermalen Amnionfalten zu ektomesodermalen
Falten. Zur Bildung eines Proamnion kommt es nicht. — Hierher gehören die Nagetiere
mit invertierten Keimblättern und Pteropus.

4) Die Abhebung des Dottersackes von der Eiwand vollzieht sich, bevor noch die
Amnionfalten gebildet waren. Vordere und hintere Falte bestehen daher von Beginn ihres
Auftretens aus Ektoderm und Somatopleura. Ein Proamnion findet sich nicht. — Affe,
Mensch.

"Was endlich die sogenannten seitlichen Amnionfalten betrifft, so kann deren Ent-
stehung ohne Schwierigkeit auf das fortschreitende Wachstum der vorderen und hinteren
Falte zurückgeführt werden. Ich möchte die Seitenfalten nicht als eigenartige Bildungen
auffassen; denn gemäss der Gestalt des Embryos und des hellen Fruchthofes müssen vor-
dere und hintere Amnionfalte die Form von Halbmonden annehmen, deren seitliche Aus-
läufer zugleich mit der Vergrösserung der Hauptfalten zusammenfliessen, bis endlich die
Ränder der Falten über dem Embryo zur Vereinigung kommen.

Nach dieser Hypothese wäre das Amnion kein einheitliches Gebilde, sondern setze
sich aus zwei genetisch differenten Falten, dem Kopf- und Rumpfamnion zusammen, welche
nur deshalb zu einer doppelten Hüllhaut des Embryos sich vereinigen, weil ihre Falten-
ränder, man möchte sagen zufällig, zusammenstossen müssen.

Die Vergleichung mit den dotterreichen Eiern niederer Wirbeltiere, z. B. der Hai-
fische, giebt noch einen weiteren Anhaltspunkt für die vermutliche Zeitfolge der Ent-
stehung der beiden Amnionfajten. Auch der Kopf der Haifischembryonen erleidet die
Scheitelbeuge, und faltet dadurch die Eiwand nach innen. Weil aber der Harn durch
die Eihüllen in das Wasser abgeleitet werden kann, kommt es nicht zur Ausbildung einer
Allantois, der Dottersack wird also nicht von der Eiwand abgehoben und eine hintere
Eihautfalte entsteht nicht, indes die vordere wieder verstreicht, weil der ^Embryo, der
schon frühzeitig tanzende Bewegungen ausführt, vom Dotter sich abheben kann. Bei den
Reptilien dagegen persistiert die vordere Eihautfalte, sie vertieft sich sogar, weil durch

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Erhebung des Eumpfamnion der Embryonalkörper ins Ei-Innere gepresst wird. Doch
diese Betrachtungen weiter ausspinnen, hiesse sich ins Ungewisse verlieren.

Wenn die hier aufgestellte Hypothese von der Herkunft des wahren und falschen
Amnion auch nicht durch die Beobachtungen bis zur Wahrscheinlichkeit gestützt werden
kann, so steht sie doch mit den Thatsachen und mit unseren Begriffen von der Cänogenie
der Embryonalorgane nicht in Widerspruch. Dahingegen lässt die Ansicht, dass das
Amnion als ringförmige Falte durch Einsinken des Embryos in den Dotter entstanden sei,
die Fragen unbeantwortet, warum denn die Amnionfalten den Embryo überwallen, und
warum die Amnionfalte im Beginn der Entwickelung vorn und hinten verschiedene Struktur
aufweise? Darüber giebt die hier dargelegte Hypothese befriedigenden Aufschluss.

Der Versuch einer Zusammenstellung der variablen Struktur, welche das Kopf-
amnion bei den verschiedenen Allantoidea besitzen kann, wird im VI. Hefte dieser Studien
gegeben werden, welches die höchst sonderbare Entwickelungsgeschichte des Pteropus
edulis behandelt.

3. Das Kantjil (Tragulns javanlcus).

Tafel XXXIV, Tafel XXXV Fig. 1—2.

Auf meinen Streifzügen durch Java und Borneo habe ich Grelegenheit gefunden
eine Anzahl trächtiger Uteri des Kantjil oder javanischen Moschushirsches zu sammeln.
Die systematische Stellung dieses grazilen Tierchens ist bisher nicht sicher dargelegt, denn
die spärlichen Thatsachen, welche über die Entwicltelung desselben, veröffentlicht wurden
beziehen sich fast nur auf den Bau der ausgebildeten Placenta. Vor allen lieferte A
v. Kölliker^) in einer kurzen, vortrefflichen Arbeit den Nachweis, dass der Mutterkuchen
des Kantjil eine Art Zwischenform darstelle zwischen der Placenta diffusa des Schweines
und der Placenta cotyledonalis der Ruminantia. Diese Ansicht gründet v.
Kölliker auf
folgende Beobachtungen.

Gegenüber dem inneren Muttermunde befindet sich eine zottenfreie Eegion, welche
leicht von der Mucosa abzulösen ist. Die Placenta hat die Form einer länglichen Kappe
oder Glocke. Zumal in der Mitte besitzt dieselbe starke Eunzeln, wie Hirnwindungen,
die sich gegen den Eand in unregelmässige, warzenförmige Erhebungen auflösen, die,
immer nah aneinander gereiht, den Eand des Mutterkuchens darstellen und an die Co-

1) A. t. Kölliker, Uber die Placenta der Gattung Tragulus; mit Tafel IV—V, in: Verhandl. der Würzburger
phys.-med. Gesellschaft. N. F. X. Band (1876). — Zehn Seiten Text.

Selenka, Entwickelur.gsgeschiclite. V. .^g

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tyJedonen der Wiederkäuer erinnern; ausserhalb der Placenta lagen noch verein-
zelte isolierte Miniaturpia
Cent en. Die mittleren Teile des Mutterkuchens bestehen
gleichsam aus dicht aneinander gedrängten Cotyledonen. Über die Zotten sagt
v. Kölliker,
dieselben seien im allgemeinen einfache Zotten, so lang als die Placenta dick ist, selten
mit wirkliclien kurzen Astchen versehen. In den Rand- und Miniaturcotyledonen stehen
die Zotten büschelweis beisammen. — Das Amnion biete nichts Ungewöhnliches, trage
jedoch am Nabelstrange kleine gelbbräunliche Carunculae mit verhornten Epithelzellen.
Das Amnion löse sich leicht vom Chorion ab. Zwischen Amnion und Chorion liege ein
grosser, zartwandiger, ganz plattgedrückter, beuteiförmiger Dottersack. Die Drüsenepithel-
zellen besitzen in der Eegel mehrfache oder selbst viele Kerne.

Ist durch diese Untersuchungen Köllikeu\'s, die freilich in mehreren Beziehungen
der Ergänzung bedürfen, die Zugehörigkeit des Kantjil zu den Indeciduaten dargethan,
so findet der Leser in den nachfolgenden Beschreibungen und den begleitenderL bildlichen
Darstellungen den Nachweis erbracht, dass jüngere Keimblasen des Kantjil fast bis ins
einzelne jenen Keimblasen gleichen, welche
Bonnet^) in seiner vorzüglichen Abhandlung
über die Entwickelung des Schafes bekannt gegeben hat, und d.ie nahe Verwandt-
schaft des Kantjil mit den echten Wiederkäuern wird damit zur Gewissheit
erhoben. Allerdings darf ich diese Behauptung hier nur auf die Beschaffenheit zweier
jüngeren Keimblasen stützen, da mein verehrter Freund Dr.
C. Ph. Sluiter, früher in
Batavia, nunmehr in ^Amsterdam ansässig, auf meinen Vorschlag eine grössere Zahl älterer
Embryonen gesammelt hat, um sowohl diese als auch die sonderbaren Umwandlungen
der Placenta genauer zu untersuchen, und dieser Arbeit darf ich nicht vorgreifen. Die
Ubereinstimmung der auf Tafel XXXIV abgebildeten Eilinge mit Schafembryonen gleicher
Entwickelungsstufe ist jedoch so frappant, dass ein berechtigter Zweifel an der Stamm-
verwandtschaft beider Formen kaum aufkommen kann.

Das Chorion des Kantjil hat die Form eines länglichen Sackes mit zipfeligem An-
hang. Schon die dreischichtige Keimblase besitzt diese Gestalt, und sie erhält sich während
des ganzen Fötallebens. Zwar ist der Uterus ein echter Uterus bicornis; da jedoch die
Hörner sehr kurz bleiben, so wächst die Keimblase niemals, wie bei unseren Wieder-
käuern, zur Schlauchform aus, sondern bleibt retortenförmig (Tafel XXXIV Figur 1—2).
Der Körper dieser Eetorte füllt eines der beiden Uterushörner, welches sich- während dei-
Trächtigkeit enorm erweitert, aus; das zugespitzte Ende ragt in das kleiner bleibende an-
dere Horn hinein. Der Schnauzenteil der Föten steckt immer in dem letzteren.

Uber die jüngste in Figur 1 abgebildete Keimblase kann ich wenig berichten,
weil dieselbe etwas maceriert war. Die Schnittserie ergiebt folgendes. Die Zellen des
Chorionektoblastes sind hoch cylindrisch, mit grossem Kern versehen und von Tröpfchen

1) r. Bonnet, Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer, gewonnen am Schafei; in: Archiv f. Aanat. u. PhysioL,
anatom. Abteilung 1884 und 1889.

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ganz erfüllt. Wie Bonnet\'s Beobachtungen gelehrt haben, ist der Chorionektoblast des
Eies der Wiederkäuer mit der Aufnahme und Verarbeitung der dem Ei als Nahrung die-
nenden üterinmilch betraut, und die gleichen Eollen spielen offenbar die ektodermalen
Chorionzellen des Tragulus. Im Bereiche des rechtwinkelig zur Längsaxe stehenden Frucht-
hofes lassen die Schnitte bereits die Anlage des Mittelblattes erkennen, während das Ento-
derm als geschlossenes flaches Zellenlager die Keimblase austapeziert.

Eine höchst sonderbare Beschaffenheit zeigte das in Figur 2—5 abo\'ebildete etwas
ältere Ei. Der Embryo schwebte frei in dem mit Gerinnsel erfüllten Exocölom, nur
festgehalten durch acht mit blossem Auge kaum erkennbaren Bindegewebsfäserchen, die
zwischen Chorion und Dottersack ausgespannt waren (Figur 3). Diese zarte Befestigung
ist sicherlich normal, denn ein anderer, in Figur 7—dargestellter Eiling w-ar durch fünf
solcher Fädchen in gleicher Art am Chorion befestigt. Leider fehlen mir jüngere Em-
bryonalstadien, und so muss ich versuchen, die fast vollständige Ablösung des Embryos
vom Chorion nach Analogie jener Vorgänge zu erklären, welche
Bonnet bis ins einzelne
beim Schafe verfolgt hat. Dieser Forscher schildert in Wort und Bild, wie das Amnion
des Schafes sich zwar frühzeitig ausbildet, aber durch einen langen fadenförmigen Amnion-
nabelstiel noch längere Zeit mit dem Chorion in fester Verbindung bleibt. Endlich zer-
reisst auch dieser Stiel, und der Eiling würde frei im Exocölom umherflottieren, wenn
nicht zu\\or der Dottersack, der inzwischen ebenfalls vom Chorion sich abgehoben hatte,
in die Zipfel des schlauchförmigen Eies vorgedrungen wäre und auf diese Weise den Em-
bryo in seiner Lage festhielte. Nunmehr vergrössert sich die Allantois, breitet sich rasch
im Exocölom aus, verlötet mit dem Chorion und stellt dauernd eine innige Verbindung
des Embryos mit der äusseren Eihülle wieder her.

Ahnlich muss die Entwickelung des Kantjil verlaufen, jedoch mit den Unter-
schieden, dass bei diesem Tiere der Amnionnabelstiel schon frühzeitiger schwindet,
indes die Dotterblase die Form eines Säckchens mit winzigen Zipfeln bewahrt und
den Embryo dadurch in situ hält, dass sie durch einzelne zähe Bindegewebsbrückchen
mit dem Chorion in Konnex bleibt — wahrscheinlich so lange, bis die Allantois das weite
Exocölom ausgefüllt hat und mit dem Chorion zu verwachsen begann (Fig. 3 und 7).

Durch die frühzeitige Ablösung des Dotters vom Chorion wird die Ernähruno- des
Embryonalkörpers offenbar beeinträchtigt, und es wäre nicht zu begreifen, wie dem Atem-
und Nährbedürfnis desselben Genüge geleistet werden könnte, wenn nicht das Chorion-
ektoderm die Uterinmilch in reichlichem Mafse aufnähme und in das Exocölom so lange
überführte, bis die Allantois mit ihrem Gefässnetz die Beförderung der Atemgase und
der Nährstoffe zu übernehmen im stände ist. Eine Zeitlang bezieht aber der Embryo
seine Nahrung- allein aus dem Cölom, und es kann daher kaum wunder nehmen wenn
der vom Amnion umhüllte Teil der Embryonalanlage, zumal Rückenmark und Kopf, in
ihrer Entwickelung ganz auffallend zurückbleibt, wie auch
Bonnet beim Schafembryo
beobachtete, während die von der Cölomflüssigkeit direkt umspülte und darum besser

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ernälirte innere oder ventrale Hälfte des Embryos, z. B. auch die Urnieren, keine Ver-
zögerung in ihrer Ausbildung erleidet. Vielleicht ist durch dieses ungleiche Wachs-
tum des dorsalen und ventralen Abschnittes der Embryonalanlage die
konkave B.ü ckenein b u chtung zu erklären, welche der Rumpf der Wiederkäuer-
Embryonen, auch des Kantjil, erfährt, und welche bei unseren Rindern und Schafen so
häufig die Entstehung fötaler Bruchsäcke verursacht (vergl. Fig. 4). Es finden sich näm-
lich bei einer anderen Gruppe der Säugetiere, den Embryonen des Menschen und der
Affen (siehe den vierten Abschnitt) ganz dieselben Erscheinungen wieder beisammen: vor-
frühe Lostrennung des Dottersackes von der Eiwand, zeitweilige Ernährung des Embryos
durch Cölomfiüssigkeit, und konkave Einbuchtung des Rückens. Und da die Quadrumana
et Bimana diese seltsamen Abweichungen der typischen Entwickelungsform unmöglich \\\'on
den Wiederkäuern ererbt, sondern selbständig erworben haben müssen, so drängt sich
die Vermutung auf, dass die erwähnten Modifikationen miteinander in ursächlichem Zu-
sammenhange stehen! Allerdings ist der Grund schwer zu erraten, weshalb das Dotter-
säckchen so früh von der Eiwand abgelöst, dadurch der Reihe der embryonalen Nähr-
werkzeuge entrückt und zum rudimentären Organ herabgedrückt werde: doch wissen wir,
dass das Chorion unserer Wiederkäuer durch die Uterinmilch überreichlich ernährt wird
und ausser gewöhnlich rasch sich vergrössert, und wenn der Dottersack die-
sem rapiden AVachstum nicht zu folgen vermochte, so müsste er sich vom Chorion ab-
lösen. Gemäss dieser Erklärung wäre also die konkave Rückenknickung als indirekte
Folge des beschleunigten Wachstums des Chorion zu betrachten, eine Adaptierung, welche,
einmal erworben, auch bei solchen Eiern sich erhielt, welche relativ klein bleiben, wie
das des Kantjil.

Derlei mechanische Erklärungsversuche sind durchaus erlaubt oder sogar geboten,
wenn man die Vielgestaltigkeit und Variabilität provisorischer Embryonalorgane dem Ver-
ständnisse näher führen will. Die Organe dauern, ihre Gestalt und Funktion aber wechselt,
und der Funktions- und Gestaltwechsel von Chorion, Cölomsack, Dottersack und Allantois,
sowie das Vikarieren dieser Organe füreinander will in erster Linie von physiologi-
schen Gesichtspunkten aus beurtheilt werden. Den Nagel auf den Kopf zu treffen, wird
meistens unmöglich sein; das darf aber nicht vor dem Versuche abschrecken, dem
physiologischen Zusammenhange solcher Erscheinungen nachzuspüren, welche,
wie die embryonalen Hilfsapparate der Säugetiere, so ausgiebigen Schwankungen unter-
worfen sind.

Uber die Frucht und die Embryonalhüllen des in Figur 2—5 und «—ß abgebildeten
Eies habe ich nur wenig beizufügen.

Das Chorion füllte die Höhlungen der Uterushörner vollständig aus, ohne an der
Schleimhaut irgendwie befestigt zu sein. Der Eiling gleicht dem von
Bonnet auf Taf. I
in Fig. 12 abgebildeten Embryo von 16 Tagen 20 Stunden und unterscheidet sich von
diesem nicht wesentlich. Die Längsaxe des Embryos steht senkrecht zu der des Eies.

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Die Längstorsion des Körpers ist viel unbedeutender als beim Schafe, aber immerhin
erkennbar, indem das Kopfende etwas nach rechts gedreht ist (Fig. 5). Sehr auffallend
ist die konkave Rückenknickung (Fig. 4, Fig. ß; pag. 54). Ein Amnionstiel fehlt bereits,
der Dottersack, der mit acht zarten ßindegewebsbalken am Chorion befestigt ist, zeigt
noch die Rudimente der beiden zipfeligen Aussackungen, welche andere Wiederkäuer auf-
weisen; mit der Verkürzung der Uterushörner war das Auswachsen des Eies zu einem
langen ScLlauche unmöglich gemacht, und auch der Dottersaclc konnte nicht mehr zu der
für andere Wiederkäuer charakteristischen bifurken Gestalt auswachsen. In der Wandung
des Dottersackes finden sich Gefässe, ebenso in der der wurstförmigen Allantois. Im
Rumpfteile des Körpers treffen je zwei Paar Urnierenbläschen auf je ein Segment. Die
übrigen Verhältnisse lassen sich aus den Abbildungen erkennen.

Eine etwas ältere Keimblase ist in den Figuren 6—9 und fi—r/ dargestellt. Der
Embryo ist in der Entwickelung etwas weiter vorgeschritten als der Schafembryo, welchen
Bonnet auf Tafel I in Figur 13 abgebildet hat. Im übrigen unterscheidet er sich wenig
von dem jüngeren; jedoch ist das ganze Nervenrohr geschlossen, bis auf eine kurze Strecke
in der Schwanzknospe (Fig. 8 und ?/). Die Scheitelbeuge ist stark ausgeprägt, die Gehör-
grübchen haben sich eingesenkt (Fig. 7).

Das hintere Körperende liess, nachdem der Embryo schwach durchgefärbt ^ und
in Balsam aufgehellt war, die Beschaffenheit der inneren Organe sehr deutlich erkennen
(Fig. 7). Zur Kontrolle habe ich aus der später angefertigten Schnittserie das hintere
Leibesende rekonstruiert (Fig. 9), und ich halte es der Mühe wert, mit ein Paar Worten
darauf einzugehen.

Der röhrenförmige Enddarm i erweitert sich nach hinten in einen schmalen hohen
Sack, welcher ventral den Allantoiskanal entsendet; in die untere Mitte des letzteren mün-
den die Urnierengänge vereinigt ein (Fig. 9 und Fig. T, Un). Der Schwanzdarm verjüngt
sich zipfelig nach hinten und dorsal, und seine Wandung geht direkt in die Substanz der
Chorda über (i c). Die Cölomsäcke erstrecken sich als zwei Blindsäcke in das Schwanz-
ende, die Mündungsstellen der Urnierengänge nach hinten überragend (Fig. C, C).

Ich kann es mir nicht versagen, mit ein paar Worten der C h ori onz o tt en zu
gedenken, welche die herangereifte Frucht besitzt. Die blinden Enden der Chorion-
zotten lassen zweierlei Struktur erkennen, je nachdem sie direkt in den ursprünglichen
Fundus der Uterindrüsen einmünden, oder aber in die sekundär gebildeten Seitentaschen
derselben. Nach Durchmusterung zahlreicher Schnitte durch ältere Placenten gewann ich
das folgende Bild. Bei weitem die meisten Zotten stecken in neu gebildeten Seit en-
taschen der Uterindrüsen, und das Chorionektoderm dieser Zotten besteht zum grössten

1) Die Durchfärbung ganzer Embryonen in stark verdünntem Boraxkarmin und nachträgliche Übertragung in Kanada-
balsam, der mit Toluol oder Xylol verdünnt werde, kann ich dringend empfehlen. Man kann die so behandelten Objekte
beliebig lange und unverändert in einem Glasschälchen mit Balsam aufbewahren, und später, nach Verdrängung des Balsams
durch Toluol, die Einbettung in Paraffin vornehmen.

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Teile aus Zellen mit zwei Kernen, welche wie die Hälften einer Kugel mit den Flach-
seiten einander zugewendet sind, Zellprotoplasma zwischen sich fassend. Nur selten finden
sich Teilungsstadien, wie bei i in Figur 1 (Tafel XXXV). Solche Doppelkerne trifft man
im Chorionektoderm jüngerer und älterer Früchte regelmässig an, sie sind daher eine
normale Dauerbildung, deren Sinn Yorläufig noch unbekannt ist. Alle in Seitentaschen
der primitiven üterindrüsengänge steckenden Chorionzotten fand ich stets frei von Leuco-
cyten; sie nehmen nur das flüssige Sekret des Drüsenepithels auf. Dagegen besitzen die
in den Fundus der ursprünglichen Drüsengänge hineinragenden Chorionzotten stets nur
einkernige Ektodermzellen, welche jedoch dauernd mit der Aufgabe betraut sind, auch
Leucocyten zu verzehren, wie dies die naturgetreue Zeichnung Figur 2 der Tafel XXXV
veranschaulicht. Das Blindende der Zotte flottiert in dem erweiterten Drüsenkanale der
immer mit zahlreichen, in Teilung begriffenen Leucocyten erfüllt, bisweilen vollgepfropft
ist. Viele Leucocyten stecken zur Hälfte schon in den Leibern der Chorionzellen, wäh-
rend Reste der einverleibten Leucocyten bis in das Mesodermgewebe hinein verfolgt werden
können. Es lassen sich nämlich die Leucocyten und ihre Zerfallstücke sehr leicht von
den übrigen Geweben durch die intensive Färbung unterscheiden, welche dieselben in
Tinctionsflüssigkeiten annehmen. Mögen die mir vorliegenden Präparate immerhin infolge
der Härtung und Einbettung starke Schrumpfung erfahren haben, so ist der Erhaltungs-
zustand der Gewebe doch ein vortrefflicher und weist direkt darauf hin, dass die einker-
nigen Zellen des Chorionektoderms während des ganzen Fötallebens imstande sind, Leu-
cocyten aufzunehmen und zu verdauen.

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4. Affen Ostindiens.

Nachdem ich jahrelang vergebens bemüht gewesen, in Besitz jüngerer Aifenembyro-
nen zn gelangen, beschloss ich, die Entwickelungsgeschichte der dem Menschen so nahe-
stehenden katarrhinen Affen in ihrer Heimat zu studieren. Ein Urlaub von neun Monaten,
bei dessen Nachsuchung meine verehrten Erlanger Kollege n durch ihre Fürsprache mich
aufs freundlichste unterstützten, wurde mir von Sr. Excellenz dem Herrn Staatsminister
Freiherrn
Ton Lutz vertrauensvoll gewährt. Der liberalen Unterstützung, welche ich
während meines sechsmonatlichen Aufenthaltes auf Java und Borneo sowohl von selten der
holländisdien Eegieruag, als auch vieler Beamten und Privatleute erfuhr, habe ich
es in erster Linie zu danken, dass meine Wünsche in Erfüllung gingen. Vor allem er-
freute ich mich des aufopfernden Beistandes meiner verehrten treuen Freunde, des Herrn
Dr.
C. Ph. Sluiter in Batavia und der Herren Dr. Treub imd Dr. Burck in Buitenzorg,
ferner der thätigen Hilfe des Herrn Eesidenten
Charles Temechelen und dessen liebens-
würdiger Gemahlin in Bembang, des Herrn Assistent-Eesidenten Dr.
Eavenswaay eben-
daselbst, der Gebrüder
Kessler in Tjikoray, der Herren Baudewijn Broers in Banjer-
massin und ¥.
Kater in Pontianak. Diesen Herren, sowie allen, welche meine Unter-
suchungen gefördert haben, sei an dieser Stelle mein herzlicher Dank ausgesprochen!

Neben der morphologischen Aufgabe, die Embryologie der Affen zu ver-
folgen, welche neues Licht auch auf die Entwickekmg des Eies und der Placenta des
Menschen zu verbreiten versprach, hatte ich noch ein physiologisches Thema ins
Auge gefasst. Viel Zeit und Schweiss habe ich nämlich darauf verwendet, um die Be-
d.ingungen kennen zu lernen, unter welchen die Loslösung und Befruchtung des
reifen Affen ei es geschieht — Fragen, deren Beantwortung zugleich neue Aufschlüsse
geben muss über die gleichen Vorgänge beim Menschen. Aber alle Bemühungen in die-
ser Eichtung waren erfolglos. Denn nachdem ich monatelang etwa 400 erwachsene Exem-
plare des javanischen Affen (Cercocebus cynomolgus) unter dem freundschaftlichen Bei-
stande des Direktors des zoologischen Gartens in Weltevreden, des Herrn
Stevert, der
Beobachtung unterzogen hatte, stellte sich heraus, dass weder die Brunst noch der Koitus
bei den in Gefangenschaft gehaltenen Tieren normal zu verlaufen pflegt! Ich machte
hierauf den Versuch, einige begrünte Koralleninseln in der Nähe Batavias mit erwachse-

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lien, zum Teil brünstigen Affen zu bevölkern, welche später nach bestimmten Zeiten ab-
geschossen wurden, aber bei keinem der erlegten Weibchen hatte Ovulation stattgefunden.
So muss ich mich hier darauf beschränken, die Embryologie und Placentar-
bildung einiger auf Java, Bornéo und Malakka einheimischen Affenarten zu beschreiben,
hoffend, dass es mir später noch einmal vergönnt werden möge, unter besseren Kautelen
oder bei einer anderen Affenspezies zu ermitteln, wie und unter welchen Bedingungen
die Loslösung des reifen Eies vom Eierstock, die Aufnahme desselben in den Ovidukt
und die Anheftung des befruchteten Eies an die Uterinwand erfolge.

Trächtige Uteri erhielt ich von folgenden Affenspezies:

1) Cercocebus-cynomolgus, Javaaffe, gemeiner Makak. In den Nieder-
ungen Javas und Borneos, sowie bei Singapore ist dieser Affe sehr gemein.
Dennoch bedarf es vieler Umsicht und grosser Geduld, um eine genügende An-
zahl trächtiger Tiere zu bekommen, weil dieselben viel furchtsamer und scheuer
sind, als die Männchen und die stillenden Weibchen.

2) Semnopithecus maurus, CüVlER. Diese Affenart findet sich zumal in den
höher gelegenen Landstrichen Javas sehr häufig. Allgemein bekannt ist er
iinter dem Namen Lutong oder Lutung.

3) Semnopithecus pruinosus, DesmAREST. In den Niederungen Borneos
sehr gemein, z. B. bei Pontianak und Banjermassin. Er wird ebenfalls als
„Lutung" bezeichnet, und ist öfters mit dem Semnopithecus maurus zu dersel-
ben Spezies vereinigt, da er der letzteren vollkommen gleicht, „a cette exception
quelle a tous les poils du pelage plus ou moins largement terminés de gris
blanchâtre" (
Schlegel).

4) S e m n 0 p i t h e c u s m i t r a t u s , Eschscholtz (^ Presbytes mitratus). Diese von
den Eingeborenen S un\'Ii genannte Spezies ist auf Java beschränkt.

5) Se mnopithecus nasicus, Schreber. Der Nasenaffe ist bisher nur an
der Süd- und Südwestküste Borneos gefunden. Bei Banjermassin ist er nicht
gerade selten.

6) Hylobates sp., Gibbon. Mehrere Arten dieses Anthropoiden finden sich auf
Java und Bornéo, alle unter der Bezeichnung Wau-wau bekannt. Bisher er-
hielt ich nur eine einzige Keimblase, und diese zeigt abnormer Weise die Anlage
einer D opp elplacenta, während in der Eegel nur eine einzige Placenta zur
Entwickelung zu kommen scheint.

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1. Überblick über den Verlauf der Entwickelung.

Bei allen von mir mitersucliten Affen verläuft die Entwickelung des Embryonal-
körpers in der gleiclien Weise, wälirend die Placenta ganz verschiedene Gestalten auf-
weist. Die Ausbildung des Embryos und seiner Anhänge erscheint durch fortgesetzte
Vererbung ein für allemal fixiert und unveränderlich, während die Uterinschleimhaut,
deren Bedeutung ja gerade in der Modulationsfähigkeit der Gewebseleniente zu
suchen ist, bedeutende Formverschiedenheiten und eine so grosse Plastizität aufweist dass
ihre Gestalt sogar von Individuum zu Individuum grossen Schwankungen unterliegen kann.
Dennoch lassen sich zwei Grundtypen der Placentarbildung streng unterscheiden, und
da dieselben sich decken mit den beiden Gruppen der Katarrhinen, nämlich der niederen
Affen einerseits, der Anthropoiden anderseits, so will ich die zwiefache Beschaffenheit der
Placenta hier zum Ausgangspunkt einer übersichtlichen Zusammenstellung wählen.

Den Ausgangstypus haben wir bei denjenigen Affen zu suchen, deren Keimblase
nicht von einer Decidua reflexa umwuchert wird. Hierher gehören die Affen
der alten Welt mit Ausnahme aller Anthropoiden. Wahrscheinlich sind auch die ameri-
kanischen Affen, die Platyrhinen, zu dieser Gruppe mit nicht umkapseltem Ei zu
rechnen; aber während die letzteren nur einen einzigen rundlichen Mutterkuchen ent-
wickeln, treten bei den niederen Katarrh inen zwei Scheibenplacenten auf, näm-
lich eine an der dorsalen und eine zweite an der ventralen Wand des üterus. Ausnahms-
weise kann jedoch die Bildung des zweiten oder ventralen Mutterkuchens unterbleiben.

Aus dieser Grundform ist offenbar die Placenta circumvallata hervorgegangen,
welche den Anthropoiden, sowie dem Menschen zukommt.\') Die junge Keimblase wird
nach ihrer Festheftung vom Uteringewebe überwachsen und vollständig umkapselt. Hier
entsteht typisch nur eine einzige Scheibenplacenta, und zwar an der ursprünglichen
Verlötungsstelle des Eies mit dem üterus. Da die Reflexa jedoch die Struktur der üterin-
schleimhaut nicht nur an ihrer Basis beibehält, sondern —- wie mich ein Entwickelungs-
stadium des Hylobates lehrt — sogar durchweg aus Drüsengewebe bestehen kann, so
treten bisweilen auch noch sekundäre Verbin düngen des Chorion mit der Re-
flexa auf und geben Veranlassung zur Entstehung eines zweiten Mutterkuchens. In
einer vorläufigen Mitteilung^) hatte ich das Auftreten einer zweiten Placenta als die
typische Placentarform des Hylobates angesehen, während dieselben nur den Wert einer
Ausnahmsform zu haben scheint.

1) Eine Übergangsform zwischen der Placenta simplex und circumvallata finde ich bei Pteropus, dessen Entwicke-
lung im VI. Hefte geschildert ist. Während der Gastrulation wird das Ei dieses Tieres flaschenartig von \'der Uterinschleim-
haut umwachsen, bis auf eine einzige Stelle am Gegenpol, welche freibleibt. Im Verlaufe der Entwickelung breiten sich die
W^ände der flaschenförmigen Decidua reflexa jedoch wieder zu einer flachen Scheibe aus und stellen dann eine zwischen Ei und
Placenta eingeschaltete Platte dar.

2) Selenka, Zur Entwickelung der Affen; in: Sitzungsberichte der Königl. preussischen Akademie der Wissensch
zu Berlin. Phys.-math. Klasse, XLVIII. 1890 pag. 1257 u. f.

Selenlca, Entwickelangsgescliichte. V.

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Die Anlage der Placenta lässt sicli aus Sclniittserien der Keimblasen Yerschiedenen
Alters recht hübsch verfolgen: den späteren Beschreibungen bleibe vorbehalten, die histo-
logischen Veränderungen, welchen die Uterinschleimhaut während der Schwangerschaft
unterliegt, ausführlich zu erörtern; hier soll nur im Umrisse das Bild skizziert werden,
welches ich von der Bildung der Placenta aus meinen Präparaten gewonnen habe.

Die Anlage des Mutterkuchens, sowohl des dorsalen wie des ventralen, ist bei den
niederen Aifen immer die gleiche. Jüngere Keimblasen finde ich ausnahmslos nahezu in
der Mitte der Innenfläche der dorsalen Uteruswand befestigt, und zwar im Gebiete von
etwa 30 bis 40 Drüsenmündungen. In einem Falle zähle ich z. B. 34, in einem anderen
28 bis 29. Diesen Bezirk der Uterusschleimhaut will ich den Haftfleck nennen. Auch
in viel w^eiter vorgeschrittenen Stadien ist die Zahl der gegen die Placenta ausstrahlenden,
in Rückbildung begriffenen Drüsengänge nicht bedeutender, und ich schliesse daraus, dass
das Wachstum der mütterlichen Placenta nicht sowohl durch Heranziehen immer neuer
Schleimhautpartieen in den Bereich des Mutterkuchens geschehe, als vielmehr durch das
Wachstum des Haftfleckes selbst nebst der unmittelbar darunter gelegenen Macosa.

Die jüngste frische Keimblase, welche zur Beobachtung kam, besass Linsengestalt
und war dem dorsalen Haftfleck angelagert. Trotz leisester Berührung blieb dieselbe an
der Nadelspitze kleben und trennte sich vom etwas vertieften Haftfleck los, Uterusepithel
nebst einigen Drüsenmündungen mit sich reissend. In den nächst älteren Stadien zeigten
sich bereits Chorionzotten in die Schleimhaut des Uterus eingedrungen. Die AVandung
der Zotten setzt sich überall aus einer doppelten Epithellage zusammen. Verfolgt man
die letzteren auf Dünnsclmitten über den Rand der Placenta hinaus, so springt der Zu-
sammenhang der inneren Epithelschicht der Zotten mit dem freien einschichtigen
Ektoderm der K e i m b 1 a s e in die Augen, indes der äussere Epithelbelag in das
freie Uterusepithel übergeht. Das gleiche Verhalten ist auch noch hier und da an
älteren Placenten nachzuweisen, nur wird es immer schwieriger, den Ubergang der freien
Epithelien bis in die Placenta hinein zu verfolgen, weil das Chorionektoderm den sich
erhebenden Randwulst der mütterlichen Placenta faltig überwuchert.

Wird durch diese Befunde die Persistenz des Uterus - und Drüsenepithels
während der Placentaranlage dargethan, so findet dieselbe durch eine andere Beobachtung
ihre Bestätigung. In vielen meiner zahlreichen Schnittpräparate von jungen Keimblasen
ist nämlich der direkte Zusammenhang eines erweiterten Drüsenhalses mit dem äusseren
Epithelbelag der Zotten zu erkennen, und in einer Serie von Schnitten durch die in An-
lage begriffene Ventroplacenta eines Lutung stimmt sogar die Zahl der grösseren Zotten
mit der Zahl der placentalen Uterindrüsen recht gut überein. Daher hann ich nicht mehr
zweifeln, 1) dass die Bildung der Affenplacenta durch das Einwachsen des Cho-
rions in die Drüsenmündungen des Haftfleckes eingeleitet werde, u.nd dass
2) sowohl das einschichtige Chorionektoderm als auch das Uterus- und Drüsen-

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epithel in der Placenta erhalten bleibe, und zwar, wie später ausgeführt werden
wird, bis zum Ende der Schwangerschaft.

Die Vergleichung jüngerer mit älteren Placentaranlagen giebt folgende weitere Auf-
schlüsse. Nachdem die Chorionzotten in die Halsteile der Uterindrüsen
eingedrungen sind,
schnüren sich die letzteren von den Drüsenkörpern vollständig los.
Diese abgeschnürten, placentalen Stücke der Uterindrüsen will ich Mündungstaschen
nennen, im Gegensatze zu den sekundären Schlauchästen, welche Zottentaschen heissen
mögen. Die Mündungstaschen treiben viele hohle Aste und Nebenäste und weiten sich
im Mündungsteile zu breiten Trichtern oder Gruben aus, deren Wandung wiederum neue
Schlauchstämme in die sich stetig vergrössernde Placenta entsendet, so dass schliesslich
die ursprünglichen Lagerstätten der Mündungstaschen gar nicht mehr unterschieden wer-
den können, um so weniger, als das zwischen den Drüsenmündungen gelegene Uterus-
epithel ebenfalls viele neue Blindschläuche oder Zottentaschen in die Substanz\' der Pla-
centa entsendet! Überall trifft man das Ektoderm der Chorionzotten untrennbar mit der
Wandung der Zottentaschen (Drüsen- und Uterusepithel) verklebt, aber überall lassen sich
beide Epithellagen mit Leichtigkeit durch ihre différente Struktur voneinander unter-
scheiden. Der Binnenraum der Chorionzotten ist stets mit lockerem Mesodermgewebe er-
füllt. Die ausführliche Besprechung dieser Verhältnisse findet sich in dem über die Pla-
centa handelnden Kapitel.

Die Entwickelung des Embryos und seiner Anhänge schlägt bei allen von
mir untersuchten Affenspezies den gleichen Weg ein. Ich will versuchen, die bemerkens-
wertesten Veränderungen während der ersten Wochen der Trächtigkeit hier übersichtlich
zusammenzufassen.

Charakteristisch für die Entwickelung des Affeneies ist vor allem

1) Die frühzeitige Lostrennung des Dottersackes vom Chorion. Er beteiligt sich
nicht an der Ernährung der Frucht und muss daher als rudimentäres Gebilde
angesehen werden; er wird nur spärlich vascularisiert und flottiert dann in der
Form eines kleinen gestielten Bläschens im Exocölom, bis er durch die Ausweitung
des Amnion gegen das Chorion gepresst wird und endlich der Resorption an-
heimfällt.

2) Da dem Dottersack die typische Funktion eines embryonalen Nähr- und Atem-
organes genommen ist, so müssen andere Organe dafür eintreten, das Chorion-
ektoderm und die Cölomsäcke. Ersteres vermittelt anfangs ausschliesslich
die Aufnahme der Nahrung, letztere liefern den Behälter dazu. Dementsprechend
ist das Exocölom sehr geräumig und bleibt so lange Nahrungsreservoir, bis die
Allantoisgefässe den Gasaustausch und die Nahrungszufuhr zum Embryo über-
nehmen können.

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3) Nach Verschluss der Amnionfalten erhält sich ein solider dicker, aus Zellen der
Somatopleura bestehender Amnionnabelstrang, der Amn ionstiel, welcher den
Embryo mit dem placentalen Chorion in Verbindung erhält und dem Allantois-
stiel in seinem Wachstum den Weg vorschreibt.

4) Die Allantois hat ihre ursprüngliche Bedeutung eines Harnreservoirs voll-
ständig eingebüsst und fungiert daher nur noch als Trägerin der Placentargefässe.
Der Allantoishöcker (Splanchnopleura) wuchert nämlich in den Arnnionstiel hin-
ein und befördert damit zugleich Gefässkeime in die Placenta. Eine Höhlung
erliält der Allantoisstiel durch den einwachsenden, sehr dünnen, kurzen entoder-
malen Allantoisschlauch, das Rudiment der Allantoishöhle bergend. Die ver-
einigten Stiele des Amnion und der Allantois seien als Embryonalstiel oder
Haftstiel bezeichnet. Mit dem Wachstum des Embryos verlängert und ver-
dickt sich dieser Haftstiel immer mehr; er rückt an das Hinterende des Körpers
und endlich sogar auf dessen Bauchseite, um nunmehr den Bauch stiel (His)
darzustellen. Letzterer wird schliesslich zum Nabelstrang, indem sich dem-
selben auch noch der Dottersackstiel anlagert und beide von der Wandung des
Körpernabels und endlich auch noch vom Amnion umhüllt werden.

All diese Thatsachen lehren, dass bei den Affen (und ebenso auch beim Menschen)
einige Embryonalorgane früher, andere dagegen später zur Entfaltung kommen, als dies bei
den übrigen Placentalia typisch der Fall ist, während wieder andere in neuer Gestalt auftreten.

Zu den vorfrühen, „heterochronisch accelerierten" Bildungen gehören 1) die
Ablösung des Dottersackes vom Chorion und 2) die Ausweitung des Exocöloms zum ge-
räumigen Nahrungsbehälter, 3) die Zottenbildung.

Umgekehrt erscheinen als zeitlich zurückbleibende, als „heterochronisch
retardierte" Bildungen 1) die Vascularisation des Dottersackes, 2) die entodermale Höh-
lung im Allantoisstiel, 3) die Differenzierung des Fruchthofes.

Als Sonder bildüngen sind zu nennen: 1) die mächtige Entfaltung der Somato-
pleura, welche als lockeres Polster das Chorionektoderm auskleidet und den Amnionstiel
bildet, 2) die Persistenz eines Amnionstieles, 3) die Degradierung des Dottersackes zum
rudimentären Organ, 4) die konkave Rückeneinbuchtung des Embryos (vergl. pag. 192),
5) die schliessliche Verwachsung des Amnion mit dem Chorion, 6) die Festheftung des
nichtplacentalen Teiles der Fruchtkapsel — sei dieselbe Chorion laeve oder Decidua re-
flexa — an die Uteruswand.

Kennzeichnend für die Anthropoiden und den Menschen ist das Auftreten einer
Decidua reflexa und die Ausbildung eines einzigen Mutterkuchens, selten entwickeln sich
eine oder mehrere accessorische Placenten in der Wandung der Decidua reflexa. Bei den
niederen Katarrhinen legen sich dagegen zwei Placenten an, nämlich zuerst eine Dorso-
placenta und bald darauf eine Ventroplacenta, von denen die letztere in seltenen Aus-
nahmen fehlen kann.

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Nach diesen einleitenden Bemerkungen schreite ich zur Beschreibung der einzelnen
Keimblasen und Embryonen. Die Veränderungen, welche der Uterus während der Dauer
der Trächtigkeit erleidet, soll im vorletzten Kapitel geschildert werden, dem sich als
Schluss eine vergleichende Betrachtung der Entwickelungsgeschichte der katarrhinen Affen
mit den niederen und höheren Tierformen, auch des Menschen, anschliessen wird.

Keimblase A.

Lutung, Semnopithecus maurus (Java).

Uber die jüngste Keimblase, welche mir unter die Hände kam, kann ich zu meinem
Bedauern nur wenig berichten, da dieselbe bei der Präparation stark gezerrt wurde.

Der Uterus eines in Gefangenschaft befruchteten und acht Tage nach dem Koitus
abgetöteten Lutung wurde in transversaler Eichtung aufgeschnitten und unter
FOL\'scher
Lösung auseinander gelegt. Am dorsalen Haftfleck klebte eine IV^ Millimeter grosse,
nahezu kugelige, durchscheinende Keimblase.\') Nachdem die Konservierungsflüssigkeit
kurze Zeit eingewirkt hatte, prüfte ich unter der Lupe die Konsistenz dieses Körpers
durch Berühren mit einer Nadel; das klebrige Chorion haftete aber an der Nadelspitze
fest und die Keimblase trennte sich los, Uterusepithel tmd einige Drüsenschläuche mit
sich reissend. Hierbei traten starke Zerrungen ein. Erst nach erfolgter Härtung gelang
es, die Keimblase von der Nadel abzustreifen. Das wertvolle Objekt wurde dann in
Boraxkarmin schwach durchgefärbt, in Balsam aufgehellt, gezeichnet, endlich in Paraffin
eingebettet und geschnitten.

Die Beobachtung, dass das Chorionektoder m die Eigenschaft der Kleb-
rigkeit in hohem Grade besitzt, musste ich teuer bezahlen, denn die Struktur der Keim-
blase war infolge der Zerrungen kaum noch zu ermitteln; nur einige Thatsachen Hessen
sich, teils an der unverletzten, teils an der in Schnitte zerlegten Blase feststellen. Ab-
bildungen meiner Skizzen und Präparate zu geben, getraue ich mich nicht, weil sie zu
mangelhaft sind und wohl gar das Schicksal der Vervielfältigung erleiden könnten, wozu
ich die Gelegenheit nicht bieten darf.

Die durchschnittlich etwa 0,05 Millimeter dicke Wandung der Keimblase scheint
durchweg dreischichtig zu sein. Das Ektoderm besteht aus einer Schicht prismatischer
Zellen, auf dieses folgt eine ungefähr 0,04 Millimeter dicke koagulierte Schichte mit ein-
gestreuten Kernen (Mesoblast), und dieser legt sich das aus abgeplatteten Zellen bestehende,
sehr deutlich erkennbare Entoderm an, welches die Dotterhöhle umo-renzt. Leider ist die
Eegion des Primitivstreifs bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Auffallend ist schon hier die

1) In einer vorläufigen Mitteilung (Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
math.-phys. Klasse, 27. Novbr. 1890, pag. 1257-1262) ist die Cxrösse dieses Keimbläschens irrig auf 1/2 Millimeter ano-egeben;
es sollte heissen IV2 Millimeter.

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Dicke des Mittel blattes, in welchem ich eine Scheidung in Somato- und Splanchnopleura
nicht zu unterscheiden vermag, wiewohl eine solche existiert haben kann.

In der aufgehellten Keimblase war ein dichterer, rundlicher Fleck von ungefähr
\'4 Milhmeter Grösse zu unterscheiden: die Keimscheibe. Abgerissene, anhangende Fetzen
des Uterin- und Drüsenepithels, sowie Blutgerinnsel, welches infolge der Verletzung der
Uterinschleimhaut ausgetreten war, verdeckten zwar einen Teil des Fruchthofes ; die Schnitte
zeigen, dass schon eine 0,02 Millimeter hohe Amnionfalte in den vorderen zwei Dritteln
des Embryonalschildes angelegt ist. Diese Falte ist eine ektodermale und in ihrer Höhlung
befinden sich keine Mesodermzellen. Da nun die Amnionfalte von einem dicken Lager
Mittelblattzellen unterpolstert ist, so ist unwahrscheinlich, dass es hier zur Bildung eines
Proamnions im Sinne El),
van Beneden\'s kommt. Ob auch eine hintere oder Eumpf-
amnionfalte angelegt war, vermag ich nicht zu entscheiden.

Die Zellen des Chorionektoderms haben verschiedene Höhe; im Bereiche des Frucht-
hofes sind sie pallisadenförmig, im übrigen prismatisch, ausserhalb der Amnionfalte sind
die freien Flächen der Ektodermzellen kuppig vorgewölbt.

Von Zottenbildung ist nichts zu sehen!

Das ist alles, was ich über diese Keimblase zu berichten habe, obwohl ich meine
Präparate wohl hundertmal durchmusterte und auch zeichnete und nachmodellierte.

KelmMase B.

Semnopithecus pruinosus, Lutung von Pontianak (Borneo).

Tafel XXXV Fig. 3—9.

Nur die Dorsoplacenta ist angelegt. Embryonalschild rundlich, mit Pri-
mitivstreif und Eückenfurche. Amnion geschlossen; Dottersack ist noch gefässlos. —
Spiritusexemplar.

Nach dem Eröffnen des Tragsackes zeigte sich die abgeplattete Keimblase mit dem
dorsalen Haftflecke verwachsen. Zwischen ihrer ventralen, freien Fläche und dem schüssei-
förmig vertieften, ventralen Haftflecke befand sich ein dickes Gerinnsel. Figur 3 stellt den
eröffneten Uterus dar: hnks die dorsale Hälfte mit der Keimblase K, i-echts die ventrale
Hälfte mit dem geronnenen Schleimkuchen G.

Beim Eröffnen der ventralen Keimblasenwand löste sich, trotz aller Behutsamkeit,
die ganze Keimblase vom Uterus los, einen Teil der (mütterlichen) Placenta mit sich reissend.\'
Die isolierte Keimblase wurde schwach durchgefärbt, in Balsam aufgehellt, photographiert
und gezeichnet (Figuré), und endlich in Schnitte rechtwinkelig zur Längsachse der Em-
bryonalanlage zerlegt. Nach den Schnitten ward aus Wachsplatten ein Modell hergestellt,
dessen Umrisse sehr gut mit der Umrisszeichnung der unverletzten Eilingsanlage zusammen-
stimmten (Fig. 6—7).

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Wie in anderen jüngeren Keimblasen, so lag auch hier der Eiling nicht im Centrum
des dorsalen Zottenkegels (Fig. 5). Längsaxe des Embryos und des Uterus fielen zusammen.

Ausserlich unterscheidet man das schief-kegelförmige, dorsale Zottenfeld und den
schwach vorgewölbten ventralen Abschnitt (Figur 5 ZV). Der letztere trägt etwa 30 zapfen-
artige, hier und da zweiästige Vorsprünge, welche in das Schleimgerinnsel hineinragen,
ohne jedoch das Uterusepithel des ventralen HaftfLeckes, das sich auf Schnitten vollkom-
men intakt erwies, zu erreichen. Es ist dies der einzige Fall, in welchem ich freie
Zottenbildung des Chorion zu konstatieren vermochte! In der Eegel scheint näm-
lich die Zottenbildung erst zu beginnen, nachdem das Chorionektoderm mit dem Uterus-
epithel verlötet ist. So besitze ich eine Keimblase, deren ventrales Chorionektoderm dem
Uterusepithel fest anliegt, und noch keine Zottenbildung erkennen lässt (Tafel XXXVI
Figur 1); in den meisten anderen Fällen sind die Chorionzotten, welche im Beginne der
Entwickelung stehen, von Uterus- und Drüsenepithel umscheidet; daher ist die freie Zotten-
bildung der Keimblase B vielleicht als Ausnahmebildung oder sogar als Abnormität an-
zusehen, erklärlich durch die zufällige Anlagerung von Schleimmasse, welche die Berührung
der ventralen Keimblasenwand mit dem Tragsack verhindert. Wenn aber der Boden, in
welchem die Zotten Wurzel fassen sollten, nicht rechtzeitig mit der Keimblase in Kontakt
kommt, erfüllt das Chorion dennoch die Aufgabe, mit welcher es betraut ist, und bildet
nun freie Zotten. Wie im Eingange dieses Abschnittes hervorgehoben wurde, kann die
Ventroplacenta in der That gänzlich fehlen, und es wäre möglich, dass dieser Defekt auch
die Keimblase B betroffen hätte, wenn sie zur Ausbildung gelangt wäre.

Die Zotten, welche sich in die Uterinschleimhaut der Dorsoplacenta eingesenkt haben,
lassen zweierlei Formen unterscheiden, nämlich die einfach schlauchförmigen und die ver-
ästelten, die letzteren und offenbar älteren im Umkreise der Embryonalanlage, die ersteren
jüngeren näher der Peripherie des Zottenfeldes (Figur 5).

Der mangelhafte Erhaltungszustand dieser Keimblase lässt nur folgende histologische
Details deutlich erkennen. Die Keimblasenwand setzt sich überall zusammen aus dem
äusseren einschichtigen Chorionektoderm, das durchweg aus kubischen Zellen besteht und
dem inneren dicken, unregelmässig geschichteten und lockeren somatisch - mesoderrnalen
Polster Ms, welches auch die Zotten erfüllt. Im wulstartig vorspringenden Eande der linsen-
förmigen Keimblase verdickt sich die Somatopl eura (Figur o C), Das Exocölom war mit
Flüssigkeit und Gerinnsel erfüllt und von vereinzelten zarten Gewebsbalken durchzogen,
welche jedoch bei der Präparation entfeiuit wurden und daher in den Abbildungen nicht
berücksichtigt sind.

Die Gestalt des Eilings ist aus den Figuren 6—9 ersichtlich. Durch den Schluss
des Amnionnabels ist das amniogene Ektoderm vom Chorionektoderm bereits vollständig
abgeschnürt; der Stiel des Amnion, der Haftstiel des Embryonalkörpers HS, besteht
daher ausschliesslich aus Somatopleurazellen.

Die Embryonalanlage liess sowohl im unverletzten Zustande als in Schnitten die

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Rückenfurche und den Primitivstreif erkennen; einen neurenterisehen Kanal habe ich nicht
entdecken können. Der Dottersack Dt erscheint nach hinten verlängert (Figur 6); eine
Allantoistasche ist noch nicht nachweisbar. Zwischen Entoderm und Splanchnopleura des
Dottersackes liegen vereinzelte Zellen und Zellengruppen: die Bildungsstätten der Gefässe.

Die Vergleichung dieser und der jüngeren Keimblasen mit denen des Menschen ist
im folgenden Abschnitte ausführlich besprochen; ebenso findet die Anlage und Ausgestaltung
der Zotten sowie der Placenta in einem späteren Abschnitte Berücksichtigung.

Keimblase C.

Cercocebus cynomolgus, L., Javaaffe von Tandjong Priok (Java).

Tafel XXXV Fig. 10—12; Tafel XXXVI Fig. 1.

Nur die Dorsoplacenta ist vorhanden. Fruchthof gestreckt eiförmig.

Diese Keimblase ähnelt der vorigen, ist jedoch in der Entwickelung etwas weiter
vorgeschritten. Eine Zeichnung der unverletzten Keimblase konnte ich nicht anfertigen,
weil dieselbe im Uterus belassen und mitsamt diesem geschnitten werden sollte. Die aus
der Schnittserie rekonstruierte Abbildung ist aber nicht recht präsentabel, und so beschränke
ich mich auf die Wiedergabe einiger Details.

Der Placentarteil der Keimblase trägt zahlreiche verästelte Zotten (Figur 11), nur
in der Nähe der Peripherie sind etliche noch einfach schlauchförmig. Die gegenüber-
liegende ventrale Wand ist ganz glatt; sie war in ihrem mittleren Viertel mit dem ven-
tralen Haftfleck verklebt, so zwar, dass beim Eröffnen des Tragsackes ein Teil des Uterus-
epithels am Chorionektoderm hängen blieb. 27 Uterindrüsen liegen im Placentarbezirke;
ihr Epithel lässt sich bis an oder in die Placenta hinein verfolgen; stellenweise ist sogar
der direkte Übergang des Drüsenepithels in eine Zottenscheide, welche ich ebenfalls als
verflachtes Drüsenepithel deute, zu verfolgen (Figur 11 bei x). Doch diese Verhältnisse
zu besprechen, bleibe einem späteren Kapitel aufbewahrt.

Beachtenswert ist der wulstartig erhobene Rand des schüsseiförmigen Mutterkuchens.
Wie die Querschnitte zeigen, schlägt sich eine breite Ringfalte des Chorion über den Pla-
centarwulst (Figur 11 rechts), ein Verhalten, welches ich übrigens bei allen Affen wieder-
finde, sowohl an der Dorso- als auch später an der Ventroplacenta!

Der Eiling lagert in typischer Weise exzentrisch im Zottenkegel. Aus dem an-
gefertigten Rekonstruktionsbilde hebe ich folgendes hervor. Die Embryonalanlage ist ge-
streckt eiförmig; zwei Urwirbel und einen Canalis neurentericus glaube ich deutlich zu
erkennen. Der Dottersack ist nahezu kugelig und besitzt eine hintere kurze, zipfelige
Tasche, welche sich unter und hinter dem Primitivstreif dorsalwärts wendet: die Allantois-
tasche. Zwischen Entoderm und Splanchnopleura des Dottersackes liegen zahlreiche Zellen-
haufen, die Bildungsherde der Dottergefässe (Figur 12 gf). Weitere Details vermag ich
nicht mit der nötigen Sicherheit zu unterscheiden.

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Um eine Vorstellung zu geben von der Beschaffenheit des somatischen Mesoderm-
polsters, welches die Keimblase auskleidet und die Zotten erfüllt, habe ich einen Quer-
schnitt durch die Mitte der Embryonalanlage bei etwa hundertfacher Vergrösserung ab-
gebildet (Tafel XXXV Fig. 12). Der Dottersack Dt und ein Teil des Amnion ist von
der Flüssigkeit des Exocöloms umspült, während der dorsale hintere Abschnitt des Amnion
durch den Haftstiel HS mit dem mesodermatischen Wandbeleg Ms verbunden ist. Ob
Elemente der eigentlichen Splanchnopleura bereits in den Haftstiel eingewuchert sind, dar-
über geben meine Präparate keine sichere Auskunft.

Das Chorionektoderm der Zotten besteht aus einem einschichtigen Lager kurz-
prismatischer Zellen mit kugligem oder ellipsoidischem Kern (ChE). Diesem Zottenepithel
ist das Drüsen- und Uterusepithel ut überall fest aufgelagert, kann durch seine Struktur
jedoch stets vom Chorion unterschieden werden, obwohl es sehr verschiedene Formen an-
nimmt, Auf den älteren Zotten findet sich nämlich ein stark abgeplattetes Drüsenepithel
mit linsenförmigen Kernen, auf den jüngeren Sprossen sind die Drüsenzellen dagegen
noch kurz-prismatisch, und in der Verlängerung der Zottenenden geht das Drüsenepithel
in dicke solide Stränge über, welche hauptsächlich aus polygonalen Zellen bestehen die
stellenweise aber zu mächtiger Grösse anschwillen und blasig aufgetrieben werden (Fig. 12,
links oben.

Dieser Keimblase reihen sich zunächst die Keimblasen I) und E an (siehe weiter unten).

Keimblase F.

Cercocebus cynomolgus Autt., Javaaffe, von Java.

Tafel XXXVII und XXXVIII.

Beide Placenten sind angelegt, Embryonalanlage von Schuhsohlenform.
Drei Paar Urwirbel. Längsaxe des Embryo fällt noch zusammen mit der Längsaxe
des Uterus. — Vortrefflich konserviertes Spiritusexemplar.

Die Wandung des Tragsackes wurde transversal durchschnitten und der Uterus
vorsichtig aufgeklappt. Hierbei löste sich ein Teil der mütterlichen Ventroplacenta los
und blieb an der Keimblase hängen. Nachdem die Lage des Embryo durch Eröffnen des
zottenfreien Chorion erkannt war, wurde die Keimblase nebst angrenzendem Gewebe der
Dorsoplacenta abgelöst (Tafel XXXVII Figur 2—4), Die der Keimblase beraubte, auf-
geklappte Gebärmutter ist in Figur 1 nach einer Photographie abgebildet- rechts ist die
Dorsoplacenta, links die kleinere Ventroplacenta zu erkennen. Auf Tafel XXXVIIl ist
in Figur 3 der Längsschnitt durch die dorsale Hälfte des üterus nach einer Photographie
wiedergegeben; zur Übersicht wurde der ideale Längsschnitt durch die Keiaablase in
gleicher Vergrösserung eingetragen. Zur weiteren Orientierung vergleiche der Leser die
Figur 5 der Tafel XXXVII, welche die Embryonalanlage nebst Dottersack plastisch, das
Chorion im Schnitt darstellt.

Selenka, Entwickelungsgeschichte. V. „„

ÖO

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Um die Gestalt des Eilings genauer ermitteln zu können, wurde, nach Eröffnung
der Keimblase (Tafel XXXVII Figur 4) und nach Beseitigung der im Exocölom flottie-
renden Gerinnselflocken und einiger zwischen Mesodermpolster und Dottersack ausgespann-
ter Zellenstränge, der Haftstiel des Embryos durchschnitten, hierauf der isolierte Embryo
mit anhängendem Dottersack in schwacher Boraxkarminlösung durchgefärbt, in Balsam
aufgehellt
und in verschiedenen Lagen mittels der Camera lucida gezeichnet (Taf. XXXVIII
Figur 1 bei auffallendem, Figur 2 bei durchfallendem Lichte; Tafel XXXVII Figur 5
von der Seite). Zum Schlüsse habe ich den Embryo in Paraffin eingebettet und in Quer-
schnitte zerlegt, von denen einige auf Tafel XXXVIII abgebildet Avurden; die Schnitt-
richtungen sind neben der Figur 2 angegeben. Nach dem günstigen Erhaltungszustande
zu
schliessen, welchen die Gewebe des ganzen Präparates trotz des langen Verbleibes in
Spiritus zeigen, wird auch die Keimblase und der Embryo nahezu die natürliche Gestalt
bewahrt haben.

Die ganze dorsale Fläche der Keimblase ist dicht mit Chorionzotten besetzt,
die ventrale ist grösstenteils glatt und trägt nur in der Mitte ein rundliches Zottenfeld
(Tafel XXXVIII Figur 2—5). Das Chorion laeve ist ringförmig geworden und behält
diese Gestalt bis zum Ende der Trächtigkeit. Die dorsalen Zotten sind älter und dem-
entsprechend grösser und reicher verästelt, als die ventralen jüngeren. Das Chorionektoderm
setzt sich durchweg aus nahezu kubischen oder kurz-prismatischen Zellen mit rundlichen
oder ellipsoidischen Kernen zusammen (Figur 6 Ch E); das auskleidende mesodermale
Polster Ms ist unregelmässig geschichtet, in der Randpartie der linsenförmigen Keimblase
am mächtigsten. Infolge der Schrumpfung hat sich das Mesodermgewebe grösstenteils von
dem Chorionektoderm der Zotten sowohl wie der Blasenwand abgehoben.

Nahe der Mitte des dorsalen Mesodermpolsters, jedoch deutlich exzentrisch, ist der
Amnionstiel angeheftet, welcher den Embryo mit dem Dottersack trägt. In den Stiel
hinein ragt der Allantoisschlauch, bestehend aus dem entodermalen Blindsäckchen mit
Splanchnopleurascheide (Tafel XXXVIII No. 116 All, Ms); letztere hebt sich in einigen
Schnitten sehr deutlich von der Somatopleura des Haftstiels ab.

-T

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4 Affen Ostindiens.

(Fortsetzung.)

Seit der Drucklegung meiner früheren Beobachtungen über die Entwickelung der
Affen der alten Welt (Seite 195—206 dieses Heftes) habe ich Gelegenheit gefunden, eine
grössere Anzahl jüngerer und älterer Affeneier zu untersuchen und dadurch meine Er-
fahrungen Uber den Entwickelungsgang dieser Tierformen mannigfach zu ergänzen und
zu erweitern. Wenn ich trotzdem die neugewonnenen liesultate jetzt noch zurückhalte
und meine Beschreibungen vorläufig abbreche, so geschieht dies aus gutem Grunde. Der
Erhaltungszustand meiner Präparate ist nämlich recht mangelhaft und macht es nur in
einzelnen Fällen möglich, die histologische Struktur des Embryos, der Eihäute und der
Placenta mit befriedigender Genauigkeit zu studieren.

Daher habe ich mich entschlossen, noch einmal die Entwickelung der niederen
und höheren ostindischen Affen in deren Heimatlanden zu verfolgen. Geleitet von den
bisherigen Erfahrungen werde ich meinem Ziele zweifellos näher kommen als dieses bis-
her möglich war, und genauere Aufschlüsse erhalten sowohl über die morphologischen
und histologischen Umwandlungen, welche Frucht und Uterus während der Trächtigkeit
erfahren,, als auch über die physiologischen Bedingungen der Befruchtung.

Nur einige wichtige Ergänzungen der früheren Angaben und Bemerkungen über
die Lage und Form der Placenten möge hier schon zur Besprechung kommen.

1. Die Anheftung der jungen Keimblase kann sowohl am dorsalen wie am
ventralen Haftfleck der Uterusschleimhaut beginnen, so dass bald die Dorsoplacenta,
bald die Ventroplacenta zuerst angelegt wird. Ausnahmslos geschieht jedoch die Ver-
lötung der Keimblase mit dem Uterus an einem der beiden, einander
gegenüber liegenden
Haftflecke, also an vorgebildeten, identischen Stellen.

2. Das Mesodermpolster, welches das Exocölom der jungen Keimblase durch-
setzt und teilweise erfüllt, zeigt bei gleichalterigen Keimblasen die verschiedenste Aus-
dehnung, wie denn auch der Umfang der Eier selbst, sowie der Placenten,
bedeutende
Differenzen aufweist. Oft war ich bei der Eröffnung kleiner Eier überrascht, den Embryo
fast die ganze Keimblasenhöhle ausfüllen zu sehen (Tafel XXXVI Fig. 9), während in
anderen Fällen das Mesodermpolster wohl drei Viertel des Exocöloms erfüllte und der
Embryo dem Chorion an einer beliebigen Stelle angelagert war (Fig. 6).

Selenka, Entwickelnngsgeschiclite. V. 2. ^q

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3. Das anfangs kugelige, später birnförmige Nabelbläschen bleibt immer
winzig klein. Stets fand ich dasselbe durch einzelne Bindegewebsstränge am Mesoderm-
polster festgehalten oder sogar ganz in letzteres eingebettet, so dass es oft grosse Vorsicht
erforderte es frei zu legen. Die Wand des Dottersäckchens weist ein deutliches Gefäss-
netz auf; doch fällt das ganze Gebilde frühzeitig der Resorption anheim, indem es durch
das sich ausweitende Amnion gegen das Chorion gepresst und abgeplattet wird. Bei
Föten von einigen Centimetern Länge ist es mir selten gelungen, die Reste des Dotter-
sackes noch aufzufinden.

4. Bedeutenden individuellen Schwankung en unterliegen Form und Grössen-
verhältnis der beiden Placenten. Bald ist die Ventroplacenta kleiner, bald die
Dorsoplacenta; seltner sind beide von gleicher Grösse. Häufig ist die kleinere Placenta
auffallend dicker, zuweilen ist es umgekehrt. Allermeist stehen die zwei Placenten so-
wohl rechts als links durch zwei bis drei Gefässbrücken mit einander in Verbindung
(Tafel XXXIX und XL), doch kann ausnahmsweise eine dieser Verbindungen fehlen
(Taf. XL Fig. 5). In mehreren Fällen wurde eine vollständige Verschmelzung der Pla-
centen beobachtet, sei es dass beide nur durch eine schmale Brücke miteinander in Ver-
bindung standen (Taf. XL Fig. 1 und 5), sei es dass ein breiter Placentargürtel im Drei-
viertelkreis ausgebildet war (Tafel XL Fig. 3). Bei einer halbausgereiften Frucht des
Javaaffen traf ich einmal sogar nur eine einzige rundliche Placenta an; die auf Seite 197
versuchte Deutung, nach welcher die Ausbildung eines zweiten Mutterkuchens unter-
blieben wäre, ist vielleicht dahin abzuändern, dass hier beide Placenten frühzeitig mit
einander verschmolzen seien, um sich zu einer Scheibe abzurunden (Taf. XXXIX Fig. 5).
Unter zehn Fällen fand ich durchschnittlich

a) sechsmal die Ventroplacenta und fünfmal die Dorsoplacenta grösser; einmal
waren beide von gleicher Ausdehnung und Dicke:

b) neunmal verlief der Nabelstrang zur grösseren, einmal zur kleineren Placenta;

c) achtmal waren beide Placenten getrennt, zweimal mit einander verwachsen.

Diese Durchschnittszahlen wurden aus 40 untersuchten Föten gewonnen.

5. Zwillingsfrüchte traf ich nur ein einziges Mal an, und zwar bei einem
Javaaffen. Beide Nabelstränge hafteten an der grösseren Dorsoplacenta. Jeder Embryo
lag in seinem eigenen Amnion eingeschlossen.

6. Meine frühere Mitteilung, dass das Ei des Hylobates von einer dicken De-
cidua reflexa umschlossen wird, kann ich nochmals bestätigen.

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5. Keimbildung des Kalong (Pteropus eduiis).

Tafel XLI.

In dem Kampf um die Form, welchen die Gebärmutter der Säugetiere und ihr
Parasit, der Embryo, während der Schwangerschaft mit einander auszufechten haben,
erleiden beide Teile tiefgreifende cänogenetische Veränderungen, denn sie müssen sich
wechselseitig anpassen.

Im Einklang mit den Vererbungsgesetzen lassen sich zwar bei den einzelnen Säuge-
tierstämmen ganz bestimmte Stilarten unterscheiden, nach denen Uterus und Embryo
während der Trächtigkeit sich ausgestalten; aber innerhalb solch einer Eeihe Yon wesent-
lich gleichem Entwickelungsstil können Ausnahmen auftreten: der typische Bauplan wird
nicht mehr strenge eingehalten und erfährt überraschende Abänderungen, zumal während
der frühen Entwickelungsphasen, wo die Biegsamkeit sowohl der embryonalen wie der
uterinen Gewebe sehr gross ist.

Die eigentlichen Ursachen derartiger cänogenetischen Umbildungen sind wohl nur
in seltenen Fällen zu erraten, besonders weil es allermeist fraglich bleibt, ob die ein-
getretene Neuerung durch Wechsel der Funktion oder der Gestalt hervorgerufen, ob
sie von Seiten des Embryo oder des Uterus insceniert sei. Desto sicherer muss es
bei genügendem Vergleichsmaterial gelingen, cänogenetische Formwandlungen des Keim-
lings wie der Gebärmutter in ihrem plastischen Aufbau zu verstehen, d. h. mor-
phologisch zu deuten, mithin auf den regulären Formungsmodus zurückzuführen und
als heterochronische oder lokale Verschiebungen, als Bück- oder Fortschrittsbildung, als
Rückschlag oder Vererbungskürzung zu bestimmen.

In der Keimesgeschichte des Kalong treffen nun, entsprechend der Sonderstellung,
welche dieses Flattertier in der Eeihe der Mammaliën einnimmt, die seltensten Neuerungen
zusammen. Eine bisher unbekannte Art der Keimblatt-Inversion, sodann die früh-
zeitige Umgestaltung derDotterblase zu einer mächtigen, gefässreichen und soliden
Platte, ferner die Vorwucherung der Mucosa uteri zu einem langen Placentarstiel,
endlich die zeitweilige Umkapselung der Keimblase durch eine flaschenförmige Decidua
reflexa, die sich jedoch später wieder zurückklappt — sind Prozesse, wie sie zusammen
bei keinem anderen Säugetiere vorkommen dürften. Die grösste Ähnlichkeit bietet noch

40*

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die Entwickelung der einheimisclien insektenfressenden Fledermäuse, bei denen z. B. auch
die gleiche Art der Blätterinversion wie beim Kalong stattfindet, eine Thatsache, welche
ich unlängst zu konstatieren Gelegenheit hatte.

Der näheren Beschreibung dieser hier angedeuteten Entwickelungsvorgänge seien
einige Bemerkungen vorausgeschickt, auf welche Weise ich mir das Untersuchungsmaterial
verschaffte.

Auf den Eilanden des malayischen Archipels, sowohl auf den grossen Sundainseln
als den kleinen Koralleninseln, trifft man häufig Scharen des fliegenden Hundes, Ptero-
pus edulis, in der Volkssprache „Kalong" genannt. Diese Geschöpfe sind, gleich den
Fledermäusen, Nachttiere. Den Tagesschlaf halten sie, bis zu 500 Individuen vergesell-
schaftet, auf hohen Bäumen ab, zumal den bis 200 Fuss hohen Waringin-, Dadap- und
Kapokbäumen, aufgehängt an einem oder beiden Hinterfüssen, wie dies in
Brehm\'s Tier-
leben sehr gut im. Holzschnitt dargestellt ist. Mit anbrechender Dämmerung suchen die
Kalongs die fruchttragenden Bäume auf, oft viele Meilen weit in die Runde ausfliegend,
und kehren erst in der Morgendämmerung an ihre Schlafstellen zurück. Ihr Flug ist
sehr hoch. Um der Tiere habhaft zu werden, muss man sie während des Tagesschlafes
von den Ästen herabschiessen. Freilich verscheucht der erste Knall fast alle Tiere sofort,
indem sie sich unter lautem Gekreisch erheben, wie eine schwarze Wolke den Himmel
verfinsternd, um dann einen anderen, oft stundenweit entfernten Ruheplatz aufzusuchen.
Erfolgreich ist auch die nächtliche Jagd, wo man die Tiere einzeln aus den niedrigen
Fruchtbäumen abschiesst. Um das Korn des Flintenlaufes zu erkennen, wird auf das-
selbe ein Stückchen Zunder oder, was mir jedoch zu grausam schien, ein Leuchtinsekt
befestigt.

Die Periode der Fortpflanzung scheint auf Juli bis September beschränkt; wenig-
stens enthielten die erwachsenen, im Juli erlegten Weibchen sämtlich noch eine Keim-
blase, die gegen Ende August erbeuteten aber schon fast ausgetragene Föten.

1. Die Keimblasen.

Tafel XLI.

Obwohl ich eine grosse Anzahl von Uteri und Ovidukten in Schnitte zerlegte, bei
denen ein junges befruchtetes Ei zu vermuten war, so bekam ich doch kein einziges
Furchungsstadium zu Gesicht. Die jüngste Keimblase zeigte sich schon durchaus zwei-
blätterig und mit dem Uterus innig verwachsen. Um so reicher ist mein Material an
älteren Keimblasen bis zum Auftreten der Urnierenbläschen aufwärts, so dass ich an
meinen Schnittpräparaten die merkwürdige Umformung der Keimscheibenanlage Schritt
für Schritt verfolgen kann. Die älteren dieser Keimblasen bieten jedoch nichts Bemerkens-
wertes dar, sondern gleichen so sehr denen der Maus und der übrigen Deciduaten, dass

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icli micli liier auf die Besprecliung der Blätteranlage und deren Metamorphose
beschränke.

Das Ei des Kalong heftet sich an der mesometralen Wand des Uterus fest, ent-
weder im rechten oder linken Uterushorn, stets unweit der Eingangspforte des Oviduktes
in den Uterus. An dieser Stelle zeigte sich ausnahmslos die Mucosa in Form einer breiten
Warze erhoben, deren Gipfel die Keimanlage trägt (Fig. 3 und 8). Es ist sehr wahr-
scheinlich, dass diese Verdickung der Schleimhaut, welche sich rasch vergrössert und zu
einem langen Placentarstiel aus wächst, erst nach erfolgter Anheftung des Eies hervor-
wuchere.

A. Zweischichtige Keimblase.

Die jüngste Keimblase (Fig. 1 und 2) gleicht einer dünnwandigen Halbkugel,
von deren verdickter Basis ein etwas excentrisch gelegenes Zäpfchen nach innen vor-
springt, wie das Licht in einer Laterne. Die Kuppel der Keimblase ragt frei ins Lumen
des Uterus vor, während die Basis fest mit dem Uterus verwachsen ist, ganz ähnlich wie
die etwas ältere Keimblase Ch in Fig. 3 dieses zeigt. Auf Dünnschnitten unterscheidet
man erstens das Entoderm, welches als geschlossenes einschichtiges Zellenlager die
innere Keimblasen wand auskleidet und das Zäpfchen überzieht, zweitens das Ektoderm.
Das letztere lässt erkennen: a) ein einfaches Lager kubischer Zellen im Kuppelteil der
Keimblase; b) die flache Placentarregion Z, welche mit dem Uterus verwachsen ist und
aus welcher kegelförmige Zotten anlagen in die Schleimhaut vorspringen; c) einen zapfen-
förmigen, soliden Zellenhaufen, der zwar noch mit dem placentaren Ektoderm in Kontakt
steht, aber histologisch bereits von demselben abgesetzt erscheint. Dieser Zapfen (Fig. 2 y)
enthält aber auch noch die Bildungsherde der beiden Mesodermlappen, also
«ntodermale Elemente (vergl. Fig. 7 Coel). Der Kürze wegen sei der Zapfen als forma-
tives Ektoderm bezeichnet.

Der Zapfen nebst dem ihn überziehenden Entoderm stellt die gesamte Anlage des
Fruchthofes nebst den wahren Amnionfalten dar. Schon Figur 3 und 4 weisen darauf
hin. In der letzteren Abbildung sieht man den erwähnten Ektodermzapfen oder das
„formative Ektoderm« durch ringförmige Einfaltung des Innenblattes vollständig vom
Zottenektoderm abgehoben und gegen das Zentrum der Keimblase vorgeschoben. Aus
dieser Phase der Entwickelung besitze ich mehrere ganz übereinstimmende Keimblasen.

Der nächste wichtige Vorgang ist die Umwandlung des Ellipsoids formativer Ekto-
dermzellen zur Hohlkugel (Figur 5 und 6). Eingeleitet wird dieser Prozess durch
Untergang der zentralen Zellen, wie ich aus den unregelmässig gestalteten Kernstückchen
entnehme, welche in der Höhlung zerstreut gefunden werden; es ist ein typisches Bild
des Kernzerfalles. In der Figur 6, die nach einem wundervoll konservierten Präparate
mittels der Camera gezeichnet ist, fällt ein Vorsprung d ins Auge; da andere gleich-
eiterige oder etwas ältere Keimblasen dieses Gebilde nicht erkennen lassen, darf man

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wohl annehmen, dass es bedeutungslos ist. Beachtenswert ist dagegen der zipfelige Vor-
Sprung, welcher sich zwischen die Faltenränder des Entoderms nach aussen drängt; die-
ser Zipfel kennzeichnet nämlich die Lage des künftigen Primitivstreifs und der Cölom-
taschen; er ist also entodermaler Natur.

B. Das Mittelblatt.

Indem der Piacentarstiel der üteruswand sich immer mehr verlängert und die
Keimblase weiter ins Lumen der Gebärmutter vorschiebt, legt sich im Embryo das Mittel-
blatt an. Zur Orientierung sei erwähnt, dass Uterus und Keimling der in Figur 7 dar-
gestellten Keimscheibe im allgemeinen noch dasselbe Bild darboten, wie Figur 5; ich
begnüge mich deshalb mit der Besprechung der Embryonalanlage selbst.

Die. Figur ist nach einem Modell gezeichnet, welches ich nach der BoRN\'schen
Modelliermethode aus Wachsplatten von Millimeter Dicke rekonstruiert habe; die Schnitt-
serie ist lückenlos. Ein Blick auf die Abbildung, welche nur die Hälfte der blasenförmigen
Keimanlage darstellt, lehrt, dass das Ektoderm innen, das Entoderm aussen liegt; die
Keimblätter zeigen die sogenannte invertierte Lage! Der innere Hohlraum « ist die Amnion-
höhle, in Md sind Medullär- oder Kopfwülste (welche sich auf der anderen, hier fehlen-
den Modellhälfte bis gegen den [entodermalen] Primitivstreif hinziehen), bei Coel sind die
Primitivrinne und die beiden Cölomtaschenim Schnitt getroffen. Das Darm-Entoderm
en überzieht die kugelige Embryonalanlage und biegt in scharfem, ringförmigen Knick
auf die Keimblasen wand über.

Es sei ausdrücklich hervorgehoben, dass ich mehrere nahezu gleichalterige Keim-
blasen des Kalong in toto und in Schnittserien mit einander vergleichen konnte und stets
die Anlage des Mittelblattes in der Gestalt zweier hohlen Taschen nachzuweisen ver-
mochte. Es mag auffallen, dass diese ursprüngliche Bildungsweise des Mesoderms als
Urdarmdivertikel bei einem höheren Säugetiere wieder zur Erscheinung tritt, während
die Taschenform der Mittelblattanlage bisher nur bei den Eiern etlicher Fische, der Am-
phibien und einiger Eeptilien nachgewiesen werden konnte. Ich erinnere daran, dass ich
bei einem Beuteltierembryo (siehe die erste Mitteilung dieses Heftes) die gleichen Taschen
der Mesodermanlage beobachten konnte, und der vorliegende Fall erscheint demnach
weniger befremdend.

Sobald die Kugel formativer Zellen eine Höhlung erhalten hat, geht die Weiter-
bildung der Embryonalanlage normal von statten, allein mit dem Unterschiede, dass hier
der Eücken konkav gekrümmt ist, die Bauchseite konvex. Erst nach und nach
streckt
sich der Embryonalschild.

Ein halbes Dutzend Zwischenstadien, von der hohlkugeligen bis zur gestreckten
Keimanlage, liegen vor mir, teils als intakt herauspräparierte Blasen, teils in Schnitt-
serien. Alle Präparate rufen im wesentlichen dasselbe Bild hervor, wie die
 korrespon-
dierenden Embryonalphasen der Nager mit Blattinversion, und ich verweise daher auf

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die bildlichen Darstellungen des ersten und dritten Heftes dieser „Studien". Figur 9
(Tafel XLI) zeigt einen Querschnitt des Uterus und der eingeschlossenen Embryonalanlage
des Kalong; Figur C ist etwas schematisiert.

Über die Veränderungen, welche der Uterus während der Trächtigkeit erleidet,
hat
Herl- Dr. Göhre im folgenden Kapitel berichtet. Ich will nur noch erwähnen, dass
etliche der im Piacentarbezirke gelegenen Uterindrüsen eine enorme Ausweitung
erfahren: sie füllen sich mit Leucocyten (Tafel XLI Fig. 3, 4, 5, 9 Dr) und stellen
X^ahrungsreservoire für die benachbarten Placentargewebe dar. Zugleich erweitern sich
die Blutgefässe, ohne jedoch eine ähnliche Mächtigkeit zu erreichen.

Der Placentarstiel (Fig. 5, 8 und 9 PI) zeigt nicht überall die gleiche Gestalt;
bald ist er an seiner Wurzel stark eingeschnürt, so dass Mutterkuchen und Eeflexa samt
der umkapselten Keimblase wie eine gestielte Beere der Uteruswand ansitzen, bald ist
seine Basis breiter als der Hals.

Auch die Decidua reflexa uteri weist mancherlei Unterschiede auf, sowohl in der
Schnelligkeit ihres Wachstums, als in der Form, ihrer Bänder. In Figur 8 habe ich einen
Teil des trächtigen Uterus abgebildet, in welchem der Placentarstiel sehr lang ist und
die Decidua reflexa die Keimblase ganz ungleichmässig überwachsen hat, wodurch das
freibleibende Chorionfeld Ch ganz zur Seite zu liegen kam. In anderen Fällen sind die
Eänder der Decidua reflexa fast ganz gleichmässig vorgeschoben. Dieselben sind bald
ganzrandig, meist gelappt (Tafel XLII Fig. 5). Die Eeflexa ist eben ein cänogenetisches
Gebilde, welches um so weniger in feste Form geprägt wurde, als es sich stets frühzeitig
wieder von der Keimblase zurückzieht, um endlich in der eigentlichen Placenta aufzugehen!

II. Die Blattiimkelir.

Nachdem es gelungen ist, die rätselhafte, von von Bischöfe am Ei des Meer-
schweinchens entdeckte umgekehrte Lage der Keimblätter auf eine Modifikation des nor-
malen Bildungsvorganges zurückzuführen i), wurde von verschiedenen Seiten der Versuch
gemacht, den Grund dieser sonderbaren cänogenetischen Veränderung zu ermitteln. So
erklären
van Beneden und julin^) die Blattinversion als Folge einer abnorm frühzeitigen
Entwickelung des Amnion, während
Fleischmann dieselbe als die, auf eine frühere
Embryonalzeit verschobene Einsenkung des Embryos in den Dottersack betrachtet, wie
solche für die Nager ganz charakteristisch ist. Ob die feine Deutung
Fleischmann\'s,
welche auf eine hetero ehr onis che Acceleration der Umbildung des Dot-

1) Vergleiche das erste und dritte Heft dieser Studien.

2) Ed. van baseden et Ch. Jdlin, Recherches sur la formation des annexes foetales chez les Mammifères. Archives de
Biologie, tom. V, 1884.

3) A. Fleischmann, Embryologische Untersuchungen. Zweites Heft. Wiesbaden, C. W. Kreidel, 1891. B. Die Umkehr
der Keimblätter. Seite 123—141, Taf. VIII.

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tersackes zur Napfform hinausläuft, auf eine Formübereinstimmung der jun-
gen invertierten Keimblattanlage mit der älteren normalen Entwicke-
lungsform der Lagomorphen und Sciuromorphen — ob diese Deutung
Fleischmann\'s
befriedigen kann,\' steht dahin. Eine eigentliche Erklärung der Blattinversion versucht
Fleischmann auch nicht, und wie ich glaube, lässt sich eine solche auch nicht aus seiner
Anschauung gewinnen. Denn wenn man mit diesem Autor annimmt, die Ausgestaltung
des Dotters zur Napfform habe die Veranlassung gegeben.zur Blattinversion, so bleibt doch
unerläutert, warum auch die Keimscheibe selbst eine provisorische Formveränderung er-
leiden solle. Ferner wäre die Schlussfolgerung, welche man aus
Fleischmann\'s Betracht-
ungen ableiten muss, dass nämlich Blattinversion an die Napfgestalt des Dottersackes
gebunden sei, unrichtig; denn auch bei Talpa, Vespertilio und Pteropus trifft man Blätter-
umkehrung, obwohl diese Tiere den Nagern ferne stehen und eine ganz abweichende
Gestalt des Dottersackes aufweisen.

Noch weniger befriedigt die Ansicht van Beneden\'s und Jülin\'s, welche die ver-
frühte Amnionbildung für die zeitweilige Umlagerung, Umkrämpelung der Keim-
blätter verantwortlich machen wollen. Denn erstens bleibt es unverständlich, warum ein
so ausdrucksloses Organ wie das Amnion im stände sein könne, aus eigener Initiati\\^e die
ganze Embryonalanlage zu revolutionieren, und zweitens wurde von mir nachgewiesen,
dass bei Arvicola und Mus die Amnionbildung erst beginnt, nachdem der Prozess der
Blattumkrämpelung nahezu wieder ausgeglichen ist. Die Definition dieser Autoren wäre
daher höchstens auf das Ei des Meerschweinchens und der Flattertiere anwendbar
(siehe unten).

Wenn es nun glückte, einen während der Gastrulation schon auftretenden Vorgang
zu entdecken, welcher allen Eiern mit späterer Blattumkehr gemeinsam zukommt, da-
gegen den Eiern sämtlicher übrigen Säuger fehlt, so wäre der Prozess vielleicht dem
Verständnisse näher geführt. Solch einen, die Blattinversion einleitenden Vorgang glaubte
ich früher schon gefunden zu haben, und ich sehe mich, nachdem ich die Blätterumkehr
bei allen Tierarten, wo dieselbe beobachtet ist, aus eigener Anschauung verfolgt habe,
genötigt, meine Anschauungen hier aufs neue zu vertreten.

Ich betrachte die Blätterumkehr als unmittelbare Folge der frühzeitigen
Verwachsung der Keimblase mit der Uteruswand.

Bei allen Säugern mit Blattinversion, nämlich bei Arvicola arvalis und A. (Hypu-
daeus) amphibius, bei Mus musculus und Mus decumanus, bei Cavia cobaya, Talpa,
Vespertilio und Pteropus verwächst die Keimblase viel früher mit dem Uterus, als dies
bei den übrigen Säugetieren geschieht. In der Eegel ist der Keimblase Zeit gelassen,
um auf der kugeligen Keimblasenfläche den Fruchthof anzulegen und danach, unter
gleichzeitiger Entstehung der Amnionfalten, gegen das Innere der Keimblase vorzurücken.
Wenn dagegen derjenige Teil der Keimblasenwand, aus welchem der Fruchthof hervor-
gehen soll, allzu zeitig mit dem Uterus zu verwachsen beginnt, so ist die Möglichkeit

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abgeschnitten, dass der Fruchthof\' sich normal anlegt. Je nach der Lage in welcher das
Ei verwächst mit dem Uterus, oder je nach der Schnelligkeit, mit welcher diese Ver-
wachsung vorwärtsschreitet, lassen sich, wie ich glaube, vier verschiedene Typen der so-
genannten Blätterumkehr, — besser gesagt vier verschiedene Modifikationen
der Einstülpung des Fruchthofes unterscheiden.

1. Die geringste Abänderung erfährt das Ei der Feld- und Wassermaus, Arvi-
cola arvalis und Arvicola amphibius, wo anfangs nur das ausserhalb des Frucht-
hofes gelegene Keimblasenektoderm mit dem Uterusepithel verwächst und wo die Keim-
blase noch Raum genug vorfindet, um sich frühzeitig zum Cylinder auszuweiten. Das
Fruchthofsgebiet vermag sich bei fortschreitender Vergrösserung aber nicht in der Ebene
auszudehnen, da der ganze Keimcylinder vom Uteringewebe fest umlagert ist, und Folge
davon ist die Einstülpung des Fruchthofes ins Innere des Keimcylinders hinein: Frucht-
hof nebst Amnionanlage, ofi:enbar durch Raummangel verhindert, sich scheibenförmig
auszudehnen, werden gezwungen, ebenfalls Cylinderform anzunehmen; und wenn man
diesen cylindrischen Fruchthof allein ins Auge fasst, so liegt das Entoderm aussen,
das Ektoderm aber innen, d. h. die Grundblätter sind eingestülpt, umge-
kehrt, invertiert. Dieser cylindrische Fruchthof entwickelt sich aber in typischer
Art weiter und breitet sich endlich, nachdem auch die beiden Amnionfalten aufgetreten
sind, flächig aus u. s. w. (Vergl. Tafel III und XVI dieser „Studien\'^).

Gleichsam den Beginn, den Anlauf zu solch einer Einstülpung des Fruchthofes
beobachtete
Heape bekanntlich im Ei des Maulwurfes; die Einsenkung vertieft sich je-
doch nur napfartig und verstreicht wieder schon vor dem Erscheinen der Amnionfalten.

2. Bei der Hausmaus und Wanderratte, Mus muscul US und Mus decumanus,
tritt eine neue Variante hinzu, indem die Keimblase noch früher als im Arvicola-Typus,
nämlich schon während des Auftretens der Urentodermzellen, also im Beginn der Gastru-
lation, mit dem Uterusepithel verlötet und alsbald, nach raschem Schwund des letzteren,
dicht von Mesodermgewebe der Gebärmutter umschlossen wird; nur der
Fruchthof-Anteil
der Keimblase bleibt vorläufig unbedeckt und schaut noch frei in das Uteruslumen. Die
engumkapselte cylindrische Keimblase benimmt nun offenbar den formativen (Embryo
und Amnion bildenden) Keimzellen, welche frei in das Uteruslumen schauen, die Mög-
lichkeit, sich ebenso zu entwickeln wie beim ersten Typus, und in der Gestalt einer Voll-
kugel, die anfangs aus etwa 50 Zellen bestehen mag, sondert sich das formative Ekto-
derm und wird von dem nachwachsend sich einstülpenden Chorionektoderm weiter ins
Innere der Keimblase vorgedrängt. Die distalen Zellen dieser „Ektodermkugel" treten
auffallender Weise bald wieder mit dem nachdrängenden Chorionektoderm in gewebliche
Verbindung, die Ektodermkugel erhält eine Höhlung und die gesamte Keimblase gleicht
jetzt ganz derjenigen des Arvicola-Typus. Das formative Ektoderm blieb während dieser
Veränderungen stets von dem einschichtigen Entoderm überlagert.

41

Selenka, Eiitwickelungsgescliiclite. V. 2.

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Ausdmcklicli sei nochmals hervorgelioben, dass in der „Ektodermkugel" auch die
Bildungsstätten der Mesodermlappen enthalten sind, mit anderen Worten dass dieselbe
auch noch entodermale Elemente umfasst.

3. Anders geschieht die Umkapselung durch uterine Bindesubstanz, und anders
erscheint daher auch die Blattinversion bei Cavia cobaya. Es wird hier die
ganze Keimblase ringsum vom Üteringewebe umwachsen, auch der Eruchthof-x\\.n-
teil derselben. — Gemäss unsern modernen Anschauungen, dass schon in dem sich ab-
furclienden Ei, um so mehr in der Blastula und Gastrula, die einzelnen Zellen mit einer
bestimmt vorgeschriebenen Eolle zukünftiger Gewebsbildung betraut sind, darf man er-
warten, dass die am Bildungspole des Eies gelagerten Ektodermzellen ihre Aufgabe trotz
der störenden Verwachsungsvorgänge erfüllen werden, indem sie sich zum Aufbau des
Embryonalleibes und des Amnion anschicken. Dies geschieht auch, ähnlich wde beim
zweiten Typus, durch rechtzeitige Abschnürung der formativen Zellen, welche Kugel-
gestalt annehmen. Da nun der Uterus des Meerschweinchens, der viel voluminöser ist
als derjenige der Batten und Mäuse, schon im Beginn der Trächtigkeit eine auffallende
Lockerung in der Umgebung der Keimblase erfährt, so hat letztere Gelegenheit, zum
langen Cylinder auszuwachsen. Das einschichtige Entoderm vermag sich ebenfalls zur
Cylinderform auszudehnen, wobei es die anklebende Ektodermkugel mitnimmt und weit
von ihrer Ursprungsstätte entfernt. Eine nachträgliche Verwachsung des formativen Ekto-
derms mit dem peripheren Keimblasenektoderm, wie dies beim zweiten Typus beobachtet
wird, ist dadurch ausgeschlossen. Zwar hat es den Anschein, als solle diese Verwachsung
dennoch
Zustandekommen; denn von der Ursprungsstätte der Ektodermkugel hebt sich
jetzt ein einschichtiges Zellenlager sackförmig los und wächst der ersteren entgegen, macht
aber bald wieder Halt und flacht sich endlich wieder ab, sobald der Keimcylinder in die
Kugelform übergeht. Diese ektodermale Membran halte ich für die Aussenlamelle des
Amnion, während der Bildungsherd der Innenlamelle desselben, das eigentliche Amnion,
in der Ektodermkugel enthalten ist.

Typus 2 und 3 der Fruchthof-Einstülpung gleichen sich demnach darin, dass
die Bildungszellen des wahren (ektodermalen) Amnion zusammen mit dem embryogenen
Ektoderm als Kugel abgeschnürt werden von der Bildungsstätte des falschen Amnion
(Aussenlamelle des Amnion); beide Typen unterscheiden sich dadurch, dass die ge-
trennten Bildungszellen des wahren und falschen Amnion beim Eatten-Typus später wieder
• in gewebliche Vereinigung treten, während sie im Meerschweinchen-Typus ein für alle-
mal getrennt bleiben!

4. Noch einen Schritt weiter modifiziert erscheint die Blätter- oder Fruchthof-
inversion bei Vespertilio und Pteropus. Übereinstimmend mit dem Meerschwein-
chen verwächst die Fruchthofregion der Keimscheibe auch bei diesen Thieren schon
während der Gastrulation mit dem Uteringewebe, und es hebt sich eine kleine Kugel

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formativer Zellen dauernd vom Chorionektoderm ab. Aber es unterbleibt die Son-
derung eines falschen Amnion gänzlich, indem vermutlich dessen Bildungszellen im
Chorion aufgehen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Blätterumkehr, Fruchthofinversion,
oder wie man sonst diesen Prozess bezeichnen will, unabhängig von einander 1) bei
Talpa, 2) den Murinen, 3) Cavia und 4) den Flattertieren sich herausgebildet habe; fer-
ner dass die Blattumkehr auch noch bei einigen anderen Deciduaten könne nachgewiesen
werden. Das wäre auch keineswegs wunderbar. Finden sich doch im Tierreiche analoge
Fälle zur Genüge! Beim Amphioxus, den Amphibien legt sich das Mesoderm in der ur-
sprünglichen Form von Urdarmsäcken an, aber bei vielen höheren und niederen Wirbel-
tieren entsteht das Mittelblatt in Gestalt solider Platten oder lockerer Zellennetze. Und
Ähnliches gilt von der Anlage der Leber, der Schilddrüse, des Oviduktes. Ebenso wie
beim Hai, bei den Sauropsiden die typische Anlage der Mesoderm sacke sich verwischt
hat, indem der massige ISTährdotter den Fruchthof abplattete, die Mesodermblätter zu-
sammenpresste und die eingeschlossene Höhlung verschwinden machte, ebenso ist bei
einigen Säugetieren durch die frühzeitige Fixierung der Keimzone eine Zusammen-
drängung oder Aufhäufung der formativen Zellen bewirkt, und dadurch die Fruchthof-
inversion hervorgerufen. Nicht eine rätselhafte, in ihren Ursachen ganz unbegreifliche
Acceleration der Amnion- oder Fruchtanlage scheint hier vorzuliegen, sondern eine ein-
fach mechanische, zeitweilige Yerlagerung der Keimzellen.

Die Blätter- oder Fruchthofinversion läuft nicht auf eine zeitliche Yer-
schiebung der Organanlage hinaus, sondern auf eine lokale Yerschiebung.

4r

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6. Dottersack und Placenta von Pteropus edulis, L.

Von

Dr. phil. Rud. Göhre.^^

Hierzu Tafel XLIL

Die folgenden Mitteilungen geben AufscUuss über die embryonalen Nähr-
organe des sundanesischen fliegenden Hundes. Lage und Beschaffenbeit der scheiben-
förmigen Placenta, sowie das Verhalten des Dottersackes erinnern durchaus an die gleichen
Gebilde der einheimischen Fledermäuse und bekräftigen damit die längst vermutete,
öfter aber auch angezweifelte Verwandtschaft der frugivoren Flattertiere mit den in-
sektivoren.

Herr Professor Dr. Selenka gewann auf Java das Untersuchungsmaterial von
Pteropus, und es wurde mir durch seine Liebenswürdigkeit der angenehme Auftrag,
Teil zu nehmen an der Bearbeitung der Ontogenie dieses Tieres, speziell der späteren, in
der Entwickelung weiter fortgeschrittenen Stadien. — Ich fühle mich meinem verehrten
Lehrer für alle mir dabei zu Teil gewordene Unterstützung, für die Anleitung und Ein-
führung in das mir früher ferner gelegene Gebiet der Entwickelungsgeschichte zu wärmstem
Danke verpflichtet. Auch Herrn Privatdozenten Dr.
Fleischmann muss ich Dank sagen
für mir immer bereitwilligst gewährte selbstlose Unterstützung.

Voraufschicken möchte ich einige Bemerkungen über die Klassifizierung und
den Bau des Pteropus edulis.

Den Chiroptera insectivora gleichen die Frugivora, zu denen der Kalong, Pte-
ropus edulis, gehört, ausserordenthch. Die Körperform, die auffallende Umwandlung
der vorderen Extremitäten durch enorme Verlängerung ihrer Knochen sind beiden gemein-
same Eigentümlichkeiten. Ebenso verbindet die Flughaut die Finger bis an ihre Spitze
vollständig mit einander, lässt jedoch den Daumen frei. Derselbe wird zwar durch Fehlen
der dritten Phalange etwas verkürzt, ist aber ausserordentlich stark und kräftig, wodurch
er zum Klettern, seiner hauptsächlichsten Verwendung, gut geeignet erscheint. Von den

1) Die hier folgenden Mitteilungen werden später auch als Erlanger philosophische Doctordissertation erscheinen.

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Vordergliedmafsen breitet sich die Flughaut auf die Seiten des Rumpfes aus; die hinteren
Extremitäten werden jedoch nur von einer schmalen Falte umfasst. Das Organ kann
schirmartig zusammengefaltet und an den Rumpf angelegt werden.

Die Behaarung, die übrigens an der Flughaut, den Füssen und Ohren fehlt,
ist braun bis schwarz gefärbt, dunkler am Rücken, heller am Kopf, Hals und Bauch;
auch die Flughaut ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt.

Der Kopf trägt lange, zugespitzte Ohren und erinnert in seiner Form und Phy-
siognomie ausserordentlich an den Hund oder Fuchs, daher auch der Name „Fiederhund«.

Die Milchdrüsen sind, wie bei anderen Ghiropteren, an der Brust gelegen. Das
einzige Junge saugt sich an denselben fest, mit den Vordergliedmafsen sich ankrallend
und wird ausserordentlich lange, bis zur vollen Entwickelung, von der Mutter umher-
getragen.

Wie bei den Insectivoren, so ist auch beim Kalong der Uterus zweihörnig; er
hat einen kurzen, gemeinsamen Körper, der mit einem Cervix in die Scheide einragt.

Die Kalongs sind, wie die Fledermäuse, Nachttiere; sie schlafen tagsüber, oft
zu vielen hunderten vereinigt, auf hohen Bäumen, an den Hintergliedmafsen aufgehängt.
Mit beginnender Dunkelheit werden sie lebhaft. Sie bewegen sich sehr gut im Fluge,
kriechen und klettern aber auch recht gewandt, indem sie sich mit den Krallen der vor-
deren Extremitäten einhaken und den Körper nachziehen.

Abgesehen von den Grössenunterschieden — der Körper des Kalong ist ungefähr
40 Centimeter lang und hat eine Spannweite der Flughaut bis zu 150 Centimetern — sind
noch einige andere Unters chiede der Chiroptera frugivora und insectivora aufzustellen.
Es ist bekannt, dass die Ernährung der Ghiropteren eine ganz verschiedene ist und zur
systematischen Trennung in frucht- und insektenfressende Flattertiere geführt hat. Dem-
gemäss sind auch die Zähne verschieden; die Eckzähne der Insectivora sind stärker und
kräftiger gebaut als die der Frugivora, die Reibflächen der Backenzähne bei den ersteren
spitzhöckerig, sehr scharf, bei den letzteren hingegen breit und stumpfhöckerig. Das
Gebiss von Pteropus edulis geht aus folgender Zahnformel hervor:

A 2 . 3

1 1 TTT"

Ein weiteres Unterscheidungsmoment liegt in der Bekrallung der Finger. Bei
allen Ghiropteren tragen sämtliche Zehen der Hintergliedmafsen ziemlich starke Nägel.
Von den Vordergliedmafsen besitzt bei den Fledermäusen nur der Daumen, bei den Ka-
longs ausser diesem auch der Zeigefinger einen krallenartigen Nagel.

Während ferner bei Pteropus kein Schwanz vorhanden ist, auch die geringste,
äusserlich bemerkbare Anlage desselben fehlt, haben die Fledermäuse einen solchen, wenn
auch rudimentärer Art.

Was nun die Entwickelung betrifft, so scheint die Übereinstimmung zwischen
den insekten- und fruchtfressenden Handflüglern in dieser Beziehung ebenso gross zu

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sein, wie die Übereinstimmung in der Gestalt. Darauf deuten die nachfolgenden An-
gaben hin.

Das von Java und den benachbarten Ivoralleninseln stammende, von Ende Juli bis
Ende August erbeutete Material bietet ungefähr 25 verschiedene Entwickelungsstufen, die
zwar keine fortlaufende Serie bilden, sondern in der mittleren Periode der Entwickelung
eine Lücke lassen, es dennoch aber ermöglichten, die Anlage und Umformung der wich-
tigsten embryonalen Nährorgane, des Dottersackes und der Placenta, zu erkennen.

Der mühevollen Erbeutung des Materiales entsprechend, unterlag auch dessen Kon-
servierung einigen Schwierigkeiten. Eür die Färbung und für Schnittserien allein geeignet
waren die in Spiritus und in
MüLLER\'scher Flüssigkeit konservierten Uterussegmente; fast
unbrauchbar erwiesen sich dagegen die in Salpetersäure aufbewahrten. Für die Färbung
der Präparate wurde teils Boraxcarmin, teils Hämatoxylin nach
Böhmer oder Alaun-
carmin benutzt.

Unter den bereits angeführten Verhältnissen konnte von einer Feststellung des
Alters der Embryonen nicht die Rede sein. Zur Orientierung über dasselbe muss ich
mich beschränken, einzig und allein die Grössenverhältnisse der Uterussegmente anzugeben.

Da ich nur die späteren Entwickelungsstadien des Kalong bearbeitet und nur
vergleichsweise junge Keimblasen ins Bereich meiner Untersuchungen gezogen habe, be-
absichtige ich, eine genaue Beschreibung des ältesten Entwdckelungsstadiums vorauszu-
schicken und darnach auf jüngere Stadien zurückzugreifen, um Anlage und Umbildung
der Eihäute und der Placenta, ihre Lageverhältnisse zu einander und zum Embryo aus-
einander zu setzen.

1. Das älteste Entwickelungsstadium.

Uterus und Fötus.

Das anscheinend älteste, das grösste der vorhandenen Uterussegmente (Fig. 7 u. 8)
ist 7,5 Centimeter lang, 6 Centimeter breit und 5 Centimeter hoch. Die scheibenförmige
Placenta ist mesometral gelegen, ihre äussere Abgrenzung (Fig. 7 R) eine sehr scharfe
und besonders auffällig gegenüber der übrigen, papierdünn gewordenen Uteruswand. Die
Eröffnung derselben wurde vom Cervix uteri her an der antimesometralen Curvatur vor-
genommen. An der gesammten, antiplacentar gelegenen Uteruswandung lagen die mit-
einander verklebten Eihüllen derselben innig an (Fig. 8 Am, AlF\', Ut), mit Ausnahme
einer kleinen Partie an der Einschnittstelle. Infolge dessen wurden die Eihüllen in Ge-
meinschaft mit der Uteruswand längs zerschnitten, so dass der Embryo freiliegt. Eine
künstliche Trennung der verschiedenen Embryonalhüllen ist allerdings mit wenig Schwierig-
keiten zu bewirken; am Rande der Placenta weichen dieselben von der Mucosa uteri zu-

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rück, und darauf ist eine weitere Trennung der Schicliten in Amnion und Allantois zu
beobackten, wie wir später selien werden.

Der Embryo ist weit vorgescliritten in der Entwickelung; seine Körperformen
sind bereits in cliarakteristisclier Form völlig ausgebildet. Er ist bedeckt von einer Schickt
Schleim oder Eiweissgerinnsel. Die leicht abhebbare Epidermis ist hell- bis schwarz-
braun gefärbt, die Krallen sind hart, und in der Nacken- und Rückengegend macht sich
der erste Anflug von Haaren bemerkbar. Der Körper ist stark gekrümmt und hat eine
Länge von 8 Centimeter, eine Dicke und Eückenbreite von ungefähr 4,5 Centimeter. Der
charakteristisch gebildete Kopf ist zwischen die Vordergliedmafsen eingezogen, das Kinn
der Brust angedrückt und von der Flughaut fast völlig bedeckt; die hinteren Gliedmafsen
sind fest an den Leib angezogen.

Die Bauchfläche des Embryos ist genau gegen die Placenta gerichtet und derselben
sehr nahe angelagert, während der Rücken antimesometral liegt. Der Kopf sieht nach
dem Cervix uteri hin, während das Körperende ovarialwärts gerichtet ist.

Der Nabelstrang (Fig. 7 u. 8 N) misst ungefähr 5 Centimeter, ist 7 Millimeter
dick und in drei Viertel bis ganzer Umdrehung von links nach rechts spiralig gewunden.
Derselbe tritt etwas seitlich, näher der Peripherie als dem Centrum der Placenta an die-
selbe heran. Er ist scheidenartig umhüllt vom Amnion und enthält drei Arterien und
zwei Venen; von diesen Gefässen kommen zwei Arterien als Arteriae umbilicales von der
Allantois (Fig. 7 Allg), das Blut vom Embryo in die Placenta führend, während in einer
Vene, Vena umbilicalis, das Blut zur Frucht zurückfliesst; eine Arterie und eine Vene
entfallen auf den Dottersack, nämlich die Vena und Arteria omphalo-mesenterica. Allantois-
gang und Dottersackkanal sind zurückgebildet und als Lumina in der Nabelschnur nicht
mehr nachzuweisen.

Nach Durchschneidung des Nabelstranges und Abhebung des Embryos wurden die
Eihäute, welche der Uteruswand am nicht placentaren Teile anhafteten, vom Rande
der Placenta aus durchschnitten. Im Bereiche der letzteren, vom Rande ungefähr einen
Centimeter entfernt, ist die Trennung der in der übrigen Ausdehnung miteinander ver-
löteten Eihüllen, Amnion und Allantois, zu beobachten (Fig, 7).

Das Amnion stellt eine geschlossene Blase von ziemlich dünner, durchscheinender
Wandung dar. Vom Körper des Embryos ist dasselbe durch seinen Inhalt, den Liquor
amnii, abgedrängt worden und hat sich im dorsalen Bereiche des Embryos dem anti-
mesometral gelegenen (soliden) Teile der Allantois angelegt (Fig. 8 Am). Nach der Bauch-
seite des Embryos zu, am Rande der Placenta, löst sich das Amnion von der Allantois
(Fig. 8). Am Hautnabel ist das Amnion mit dem Bauche des Embryos verbunden.

Die Allantois lässt einen Hohlraum nur in geringer Ausdehnung erkennen; in
diesem ältesten Stadium beträgt der Durchmesser des im Bereiche des Nabelstranges ge-
legenen Lumens ungefähr 1,5 Centimeter (Fig. 8 Allh). Vom Rande des Hohlraumes an
ist die placentar gelegene äussere Wand der inneren angelötet, doch so, dass mikroskopisch

k

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beide Wandungen noch deutlich voneinander zu unterscheiden sind (Fig. 8 All\'). Die
Allantois ist an der gesammten konkaven Fläche der Placenta innig mit ihr verbunden.
Am Eande derselben hört die Doppelwandigkeit der Allantois auf, sie ist weiterhin im
vollen Eikugelumfange zu verfolgen als einfache, solide Platte, der nach innen das Amnion
anliegt (Fig. 8 All\'\').

Die Vaskularisation der Allantois ist in Anbetracht ihrer Funktion, die Ernährung
des Embryos von der Placenta aus zu vermitteln, eine sehr bedeutende. Diesem Placentar-
kreislaufe dienen zwei starke arterielle Gefässe (mit sehr starker aus Quer- und Längs-
fasern bestehender Muskelhaut [Fig. 7 Allg]), die nach ihrem Austritte aus dem Nabel-
strange sich sofort dichotomisch verteilen, und ferner eine weite Vene, die sich zuerst in
zwei Hauptäste gabelt, um dann in weiterer Verzweigung den Arterien auf ihrem cha-
rakteristischen Verlaufe zu folgen.

Dottersack.

In dem oben beschriebenen exoembryonalen, an der Placenta gelegenen Hohlräume
(Fig. 8 Ex), gebildet durch Auseinanderweichen der im übrigen Verlaufe verlöteten Ei-
hüllen, Amnion und Allantois, ist der Dotter sack (Fig. 7, 8 und 6, D) gelegen. Dies
Organ macht seiner Natur nach einen sonderbaren Eindruck und seine Deutung war mit
einigen Schwierigkeiten verknüpft, die noch erhöht wurden durch den Mangel jener Ent-
wickelungsstufen, in welche der Beginn der Umbildung dieser Eihülle fällt. Ein einziger
Uterus (in Fig. 6 abgebildet) gab darüber Aufschluss, und es wurde mit Sicherheit seine
Natur als Dottersack erkannt. Derselbe hat allerdings eine bedeutende, bisher wohl kaum
beobachtete Umwandlung erfahren: er stellt ein solides Gebilde dar, das auf den ersten
Blick den Eindruck von drüsigem Gewebe macht. Seine Gestalt ist scheibenförmig, un-
regelmässig rundlich, von grau-weisser Farbe. Bei sehr mürber, bröckeliger Konsistenz
ist bereits makroskopisch ein lappiger Bau zu erkennen. Der Durchmesser beträgt un-
gefähr SYa Centimeter, die Dicke in der Mitte Vg Centimeter, die nach den Eändern zu
allmählich sich verjüngt.

Die Lage des Dottersackes (Fig. 7 u. 8) in dem exoembryonalen Eaume ist nicht
konzentrisch: das Gebilde ist an seiner Peripherie mit dem Nabelstrange verbunden,
beiderseitig umgreifen denselben lappige Fortsätze, füllen aber den Llohlraum auf dieser
Seite nicht völlig aus. Anders liegen die Verhältnisse an der entgegengesetzten Seite,
hier füllt das Organ die Höhlung vollständig aus, ja es sind sogar, augenscheinlich in-
folge Eaummangels, die Eänder umgeschlagen und übereinander gefaltet, und zwar nach
der konkaven Fläche zu. Seine Lage zum Embryo ist eine einseitige und zwar links
von demselben, gegen dessen Kopf hin gerichtet. Auf einem Querschnitte durch den
Dottersack ist die lappige Natur desselben zu erkennen; im Centrum, gewissermafsen ein
Gerüst darstellend, liegt ein Bindegewebsstrang, der Gefässe führt. Ein Lumen, eine

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Dottersacldiölile ist iiicht vorhanden, auch nicht mehr im Dottersackstiele. Auf Quer-
schnitten desselben sind zwei Gefässe, ein arterielles und ein venöses zu finden.

Um den Bau des Dottersackkuchens festzustellen, wurde ein Stück desselben nebst
Nabelstrang und anhaftenden Teilen von Amnion und Allantois abgelöst, gefärbt und pa-
rallel dem Nabelstrang in Schnitte zerlegt. Auf diesen Schnitten sind zwei Zellformen
zu unterscheiden: grossblasige, blasse Zellen mit vollen, runden Kernen, die hier und da
noch Mitosen erkennen lassen, hegen in kleinen Häufchen zusammen; dLse sind begrenzt
von spindelförmigen, durch gegenseitigen Druck abgeplatteten Zellen, in ein-, seltener
mehrschichtiger Lage. Erstere sind offenbar anzusehen als Entodermzellen, letztere als
Zellen des Mesoderms. Die auf diese Weise gebildeten Läppchen legen sich \'zu grösseren
Lappen zusammen, die ebenfalls von mehrschichtigem Mesoderm umgeben sind, Ls, weil
freier liegend, mehr kubische bis cylindrische Form hat. Hierdurch entsteht ein drüsen-
artiges System von Lobi, die an der Basis und zum Teil auch an ihren Seitenflächen
untereinander zusammenhängen. In den Schnitten sind im Centrum des Organes bis an
dessen Spitze grössere Gefässe in Quer- und Tangentialschnitten getroffen.

Placenta.

Die deciduate Placenta ist scheibenförmig, discoidal und liegt mesometral.

In dem untersuchten ältesten Stadium hat dieselbe einen Durchmesser von ungefähr 5

und eine Dicke von VI, Centimetern. Nach den Rändern zu verjüngt sich dieselbe sehr

allmählich und geht in die papierdünn gewordene Uteruswand über (Fig. 8 P). Vom

Mesometrium aus treten zwei starke Gefässe, eine Arterie und eine Vene, an die Pla-
centa heran.

In einem durch das Centrum geführten halbmondförmigen Querschnitt der Placenta
zeigt dieselbe einen auffälligen, radiär streifigen Bau. Durch zwei tiefe Riffe ist dieselbe
in drei ziemlich gleiche Teile getrennt; in den Buchten verlaufen sehr starke Gefässe der
Allantois und senden von hier aus ihre Äste in die Placenta hinein.

Der mikroskopische Befund der Placenta ist folgender: der Uteruswand, die sich
zusammensetzt aus Serosa, äusserer circulärer und innerer longitudinaler Muskelschicht
legt sich ohne besondere Abhebung die Placenta an. Nach der
Verschiedenheit der Ge-
fässe kann man drei Schichten an ihr beobachten: eine äussere mit vielen, sehr weiten
längs- und quergeschnittenen Gefässen, welche die erste Verzweigung der vom Mesome-
trium aus eintretenden mütterlichen Arterie darstellt. Von dieser Schicht gehen stark
gewundene, kapillare Gefässzweige ab, die sich radiär anordnen und untereinander ana-
stomosieren. Durch Vereinigung der radiären Kapillaren wird die dritte, zu
innerst ge-
legene Schicht der Placenta dargestellt. In die Lücken dieses Gefässbalkengerüstes hinein
ist das Chorion in soliden Strängen gewuchert, dem später die Allantois mit Gefässen
gefolgt ist. Die Zotten liegen zwischen den radiären Kapillaren, stellen gleichsam deren

42

Selenka, Entwickelungsgeschichte. V. 2.

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Gerüst dar, folgen ihrem Verlaufe und verästeln sich wie diese, dringen jedoch nicht ganz
bis zur äusseren Schicht der weiten Gefässe vor.

Uterindrüsen waren im Bereiche der Placentascheibe nicht vorhanden, eine That-
sache, die nicht auffällt bei der frühen Umbildung der zur Placenta bestimmten Schleim-
hautpartie des Uterus. Ich werde auf diese Verhältnisse später zurückkommen.

Genauere Untersuchungen der einzelnen Schichten ergaben folgendes:

1. Innerste Schicht. Dies Gefässbalkenwerk, subchoriale Stratum (siehe auch
Fig. 4) ist begrenzt von spindelförmigen Zellen, den Endothelien. Diese bilden keine
abgeschlossene Wandung, nach ihrem vereinzelten, lückenhaften Auftreten auf Längs-
schnitten ist die Schicht als ein Maschenwerk von Endothelien anzusehen. Denselben
schliesst sich eine Schicht grossblasiger, dichtgelagerter, durch gegenseitigen Druck polye-
drisch gewordener Zellen an. Die Zellleiber sind blass, die Kerne jedoch sehr dunkel
gefärbt und gross. Diese Zellen sind ohne Zweifel aufzufassen als modifizierte Binde-
gewebszellen, entstanden durch Umbildung des ehedem interglandulären Bindegewebes
der Uterinschleimhaut.

Der Bindegewebsschicht legt sich, die Verbindung des mütterlichen mit dem fötalen
Gewebe herstellend, ein ein- oder mehrschichtiges Lager von Ektodermzellen sehr
innig an. Die Form dieser Zellen ist kubisch bis
niedrig-cylindrisch, ihr Zellleib, wenn
auch, nach Färbung mit Hämatoxylin, blasser als die sehr stark tingierten Kerne, ist doch
von dunklerer Färbung als der der Bindegewebszellen; diese kompaktere Ektodermzellen-
schicht tritt infolge dessen sofort hervor.

Von dieser Zellschicht sind infolge von Schrumpfungen die Allantoiszotten
(Fig. 4) zurückgetreten. Dieselben liegen eigentlich den anfänglich soliden Ektoderm-
wucherungen fest an; sie höhlen die letzteren durch Einwucherung aus, und die fötalen
Blutgefässe werden dadurch in die materne Placenta eingeführt.

Uterusepithel ist an der innersten Schicht, dem subchorialen Stratum der Pla-
centa nicht aufzufinden, dasselbe ging offenbar zu Grunde während der frühzeitigen Um-
bildung der Uterusschleimhaut und verschwand mit der Degeneration der Schleimhaut-
drüsen im Bereiche der zukünftigen Placenta, wie bereits hervorgehoben.

2. Die zweite Schicht bildet die Gefässzone kapillärer Natur. Ihren radiär
angeordneten Kapillaren fehlt der Endothelbelag vollständig, die Begrenzung bilden viel-
mehr die schon erwähnten, dickleibigen Bindegewebszellen in ein- oder zweischichtiger
Lage. Diesen liegt dann eng das Gewebe embryonalen Ursprunges an; dasselbe reicht
nicht bis zum äusseren Eande der Kapillaren, sondern nur bis ungefähr drei Vierteln
deren Länge. Von da an verlieren die Radiärgefässe ihren kapillaren Charakter, ihre
Lumina werden weiter und die Entfernungen zwischen den einzelnen Gefässen grösser.
Die Lücken werden ausgefüllt von Conglomeraten der oben genannten Bindegewebszellen.

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Die zu beobaclitenden Kernteilungsfiguren dieser Zellen deuten auf die Wichtigkeit der-
selben bei der Bildung der Kapillaren hin.

3. Die dritte Schicht, der Muscularis anliegend, bietet keine irgendwie wichtigen
Besonderheiten. In einer Schicht lockeren, weitmaschigen Bindegewebes sind Gefässe ein-
gelagert mit grossem, weiten Lumen; ihre Wandungen haben einen kontinuierlichen En-
dothelbelag, um die sich eine stark entwickelte Muscularis anlegt.

IL Anlage nnd UmMIdnng yon Dottersack, Allantois und Placenta.

Dottersack.

I. Die kleinste der van mir untersuchten Eikammern ist 10 Millimeter lang und
7 Millimeter dick; sie wurde in toto gefärbt in
Böhmer\'s Hämatoxylin. Die Medulla des
Embryos ist noch offen, die Cölomsäcke zeigen weites Lumen.

Der Dottersack stellt sich als eine Blase von ovaler Form dar; sein Ento-
derm hatte sich demjenigen Teile des Chorions angelegt, der antimesometral liegt und
in keine Verbindung mit der Placenta tritt, ist aber durch die erfolgte ümwachsung mit
Mesoderm, infolge Wucherung der Mesodermsäcke, vom Ektoderm wieder abgedrängt.
Durch die Mesodermschicht ist auch die Versorgung des Dottersackes mit Gefässen erfolgt.
Ein Sinus terminalis, Abschluss der Gefässe in einer Randzone, ist nicht vorhanden, da
das Mesoderm sich bereits über die volle Entodermblase ausgebreitet hat.

In diesem Stadium ist noch keine Spur von Anlage der Allantois vorhanden.
Das Amnion ist geschlossen, auch in den Querschnitten des Schwanzteiles des Embryos
zeigen sich die amniotischen Scheiden verlötet. Der Embryo selbst erscheint in dieser
Serie quer geschnitten.

2. In einem etwas weiter entwickelten Stadium, in dem die Eikammer ungefähr
II Millimeter lang und 9 Millimeter breit und hoch ist, erschien die Allantois in ihrer
ersten Anlage als kleiner Höcker des mittleren Keimblattes, mit dem sich das viscerale
Blatt des Entoderms ausstülpt.

3. In den nächstgrösseren üterussegmenten zeigte sich die Allantois in fort-
währender Grössenzunahme, während der Dottersack seine im ersten Stadium beschrie-
benen Verhältnisse beibehielt. Die Allantois hat die embryonale Leibeshöhle verlassen,
nimmt im Exocölom, zwischen Dottersack und Amnion fortwuchernd, an Ausdehnung zu
und erreicht das Chorion, an dessen Innenfläche sie sich anlegt. Der
Blutgefässreichtum
der Allantois ist bereits früh ein grosser, besonders an der äusseren Fläche, mit welcher
sie an die seröse Hülle zu liegen kommt, um in deren solide Zotten mit blutgefässführen-
den Fortsätzen hineinzuwuchern.

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4. In einem Stadium der Entwickelung, dessen Grösse 14,5 : 12,5 Millimeter war
(abgebildet in Fig. 1 und 2), wurde die Uteruswand abpräpariert, so dass die beclier-
förmige Placenta frei lag. Nicht ohne Schwierigkeiten war die letztere abzulösen und
die Eikugel frei zu legen, deren äusserste Hülle, das Chorion, die übrigen Eihüllen
und den Embryo u.mgab; der Teil desselben, der der Placenta nicht anliegt, ist völlig
gefässlos. Das Grössenverhältnis von Allantois und Dotter sack ist ungefähr 1:3;
erstere zeigt sich auf ihrer Oberfläche dicht besetzt mit Zotten. An den Eändern der
beiden Eihüllen, die im übrigen keine innige Berührung eingehen, streicht das Chorion
frei über den Zwischenraum beider hinweg (Fig. 1 und 2 All, D, Ch).

In einer backschüsselförmigen Einstülpung des Dottersackes liegt der Embryo,
5 Milhmeter lang, umgelegt auf die linke Seite, den Kopf in den Dottersack eingedrückt;
die Rückenfiäche ist gekrümmt, die Anlage der Vorderextremitäten ist deutlich entwickelt,
die Hinterextremitäten sind erst angedeutet. Das Schwanzende ist stark gekrüm-mt und
umfasst den Allantoisstiel. Das Amnion liegt dem Körper des Embryos dicht an.

5. Ein bedeutend verändertes Bild bietet ein weiteres Stadium von 21 Millimeter
Länge und 15 Millimeter Breite. Der Versuch, die Eikugel in ähnlicher Weise heraus-
zupräparieren aus der Placentakammer wie im vorigen Stadium, gelingt nur zum Teil.
Das Lumen der Allantois ist nicht grösser geworden, allein dieselbe ist vom Eande
aus als solide Platte gewuchert und hat den Dottersack vollständig von dem
Chorion abgedrängt, womit ein vollkugeliges Allantochorion gebildet
wird. Der Prozess kann leicht von statten gehen, da der Dottersack keine Blutgefässe
führenden Zotten in die Wucherungen des Chorions bildet, an der Ernährung des Fötus
von der Gebärmutter aus nicht teilnimmt. Das Dottersacklumen ist kleiner g-eworden,

o ^

seine Form birnförmig, und es ist anzunehmen, dass mit Umwucherung des Dottersackes
durch die Allantois des ersteren regressive Metamorphose beginnt.

Bereits im vorigen, besser aber noch in diesem Entwickelungsstadium ist der Ver-
lauf der Gefässe von Allantois und Dottersack zu verfolgen. Direkt vom Allantoisstiel
treten zwei arterielle Hauptstämme an die Allantois heran, auf der sie sich wieder in je
zwei Zweige verteilen; mit den beiden arteriellen LIauptstämmen tritt eine Vene aus dem
Allantoisnabel heraus, die später, in vier Äste geteilt, mit den Arterien verläuft und sich
verzweigt. — Am Dottersack sind überhaupt nur zwei Hauptgefässstämme zu beobachten,
die sich strahlenförmig auf dem Dottersacke verzweigen, eine Arterie und eine Vene.

6. Ein annähernd gleichgrosses Uterussegment, 23 Millimeter lang, 15 Millimeter
dick (konserviert in
MüLLER\'scher Flüssigkeit, gefärbt in Alauncarmin), ist in einer Serie
"^on ungefähr 280 Schnitten enthalten; die Schnittrichtung liegt in der Fläche des Meso-
metriums. Wie in allen jüngeren Stadien, so hat auch in diesem in der Hauptsache der
Dottersack (Fig. 3 D Taf. XLII) seine Lage noch gegenüber der Placenta, dorsal
vom Embryo. Mit der Grössenzunahme desselben geht Hand in Hand eine Abnahme des

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Dottersacklumens, gleichzeitig flacht sich aber auch die Allantois (Fig. 3 All ders. Tafel)
wieder stark ab. In einigen Präparaten dieser Serie ist, in geringer Entfernung vom
Allantoisstiel, eine Strecke der Allantois als solide Bildung zu erkennen; ihre Wand ist
sehr verdickt und gefässreich und senkt sich tiefer in die Placenta ein. An dieser Stelle
ist der Dottersack, aus seiner ursprünglich antiplacentären Lagerung seithch verschoben,
in die Nähe der Allantois gebracht. Diese Veränderungen spielen sich linkerseits vom
Embryo ab. Obwohl der Dottersack kleiner geworden ist, erhält sich doch sein Blut-
gefässreichtum in der ursprüngHchen Fülle. Die zusammengefalteten Wandungen dessel-
ben zeigen sich an einzelnen blutgefässreichen Stellen verdickt. — Das Amnion liegt
dem Körper des Embryos nicht mehr dicht an.

Von dieser Periode der Entwickelung an sind ganz bedeutende Umwandlungen des
Dottersackes anzunehmen. Einmal wird derselbe durch Wachstum des Embryos und
durch Abnahme seines Lumens passiv aus der ehedem dorsalen embryonalen Lage auf
die linke beziehungsweise Bauchseite des Embryos verschoben, und weiterhin falten sich
die Dottersackwandungen, ähnlich wie beim losen Zusammenballen eines Tuches, so dass
sie in innigen Konnex treten. Wichtig und bemerkenswert ist dabei, dass die Degene-
ration des Organes sich nicht mit auf seine Vaskularisation erstreckt, \' im Gegenteil hält
die Erweiterung der Gefässe ziemlich gleichen Schritt mit derjenigen in der Allantois.
Durch den Druck des mit Fruchtwasser sich füllenden Amnions wird der gefaltete Dotter-
sack platt gedrückt. Auf diesen Prozess der Degeneration des Dottersackes folgt eine
AVucherung der zelligen Elemente des Organes, deren Beginn in einem Präparate, dem
Alter der Gravidität nach im nächsten nach dem zuletzt beschriebenen, gefunden wurde.

7. Das Uterussegment dieses nächsten Stadiums misst nur 2,3 Centi-
meter in der Länge und 1,9 Centimeter in der Dicke, ist also kaum grösser als das letzt-
beschriebene, und trotzdem ist die Entwickelung auffallend weit vorgeschritten (abgebildet
in Figur 6). Die Placenta ist abgeflacht und hat sich in ihrer ganzen Ausdehnung
an die üteruswand angelegt, während sie im vorigen Stadium noch deutlich becher-
förmig war. Das Amnion liegt, am Hautnabel angeheftet, weit gefaltet, locker um
den Embryo herum. Der Embryo ist relativ sehr gross, seine Lage auch hier die
gleiche wie in jüngeren Stadien, mit der Bauchseite der Placenta zugekehrt. Der Kopf
zeigt bereits seine charakteristischen Formen und ist durch starke Krümmung des Nackens
dicht an die Brust angezogen; die Gliedmafsen sind deutlich gegliedert, es sind vordere
und hintere Extremitäten mit der weit entwickelten Flughaut verbunden, ebenso auch die
-einzelnen Phalangen besonders der Vordergliedmafsen. Der Körper des Embryos hat in
seiner hochgradig gekrümmten Lage eine Länge von 1,6 Centimeter und eine Dicke von
ungefähr 1 Centimeter; der Nabelstrang ist 5 Millimeter lang. — Chorion und Al-
lantois liegen in der vollen Ausdehnung der Innenfläche des Uterus (Fig. 6) an. Die
Blasenform der letzteren ist fast gänzHch geschwunden, ihre Höhlung nur noch im Be-

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reiclie der Placenta vorhanden. Die Gefässverteilung auf derselben ist in der bereits
beschriebenen charakteristischen Weise zu erkennen.

Der Dottersack (Fig. 6 D) ist zum Teil an der ventralen Seite des Embryos,
zum grösseren Teile aber noch linksseitig von demselben gelegen, ist flach gedrückt und
hat einen Durchmesser von ungefähr 1 Centimeter. An Innen- und Aussenfläche des
Dottersackes sind flachgedrückte, übereinander gelegte Falten zu finden, und aus densel-
ben ist, obwohl das Organ durch Zellwucherungen bereits festere Konsistenz und lappigen,
drüsenartigen Bau angenommen hat, die Art der Umbildung zu erklären. Dieselbe hat
noch nicht gleichmässig am ganzen Organ begonnen, wie einzelne tiefe Buchten, beson-
ders aber sehr dünne Stellen unter den Falten schliessen lassen.

In der weiteren Entwickelung nimmt dann der Dottersack gleichmässig an der
Wucherung teil, zugleich aber wird der Grössenzunahme, der Ausbreitung desselben eine
Grenze gesetzt durch Yerlötung von Amnion und Allantois. Durch seinen Inhalt wird
das Amnion mehr und mehr ausgedehnt und kommt an den soliden Teil der Allantois
zu liegen, und beide Eihüllen verkleben dann miteinander, mit Ausnahme des Teiles, der
an der Placenta liegt. In deren Bereiche wird damit eine vollständig abgeschlossene
Höhlung, die also vom Amnion und der inneren Allantoiswand begrenzt wird, hergestellt,
und der in der Umwandlung begriffene
Dotter sack wird darin eingeschlossen.

8. In Anbetracht dieser Verhältnisse finden wir dann auch bereits im folgenden
Stadium der Entwickelung den Dottersack etwas modifiziert. Der Embryo ist hier sehr
viel,weiter entwickelt, das Uterussegment 4,3 Centimeter hoch und 3,1 Centimeter dick.
Da abgesehen von der Grösse dieses von dem untersuchten ältesten Entwickelungsstadium,
das eingangs ausführlich abgehandelt worden ist, im Befunde wenig abweicht, so will
ich mich auch ausführlich nicht darauf einlassen. Der Dottersack hat an Breite und
Dicke zugenommen, und da die Ausdehnung desselben an der linken Seite des Embryos
durch Abschluss des Exocöloms ein Hindernis findet, haben sich die Ränder umgeschlagen
und übereinander gelegt. Der gegenüberliegende Rand, der am Nabelstrang liegt, hat
für seine Ausbreitung Platz und umgreift den Funiculus mit einem linken und einem
rechten Lappen (Fig. 7).

In diesem Zustande verharrt nun der merkwürdig umgebildete Dottersack bis zum
Schluss der Gravidität, wie viele der älteren, in der Grösse wenig differierenden Uterus-
segmente zeigen. Welchen Zweck eine solch auffällige, bedeutende Umwandlung des
Organes haben kann, ob und was für eine Funktion demselben zufällt, ist allerdings
kaum erklärlich; dass er aber physiologisch eine wichtige Rolle spielt, darf wohl ver-
mutet werden.

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Placenta.

Die deciduate, discoidale Placenta von Pteropus edulis ist bereits in den frühesten
Stadien, voraussichtlich noch ehe das Ei sich anlegt, in einem hohen Grade vorgebildet.
Sie ist geformt wie ein rundlicher Becher (Figur 5), der ziemlich weit geschlossen
ist, dessen Wandungen von der üteruswand abgehoben und nur an einer kurzen, meso-
metral gelegenen Strecke mit ihr verbunden sind; an dieser Stelle treten die Blutgefässe
vom Mesometrium her in die materne Placenta ein. Der dieser Anheftungsstelle gerade
entgegengesetzte Pol der Becher-Placenta ist der nicht geschlossene Teil derselben; der
Rand ist rissig, gezackt, zum Teil übereinander gefaltet und sehr verdünnt. Die Dicke
der AVand nimmt allmählich zu bis zur erwähnten stielartigen Anheftung der Placenta an
die Mucosa uteri.

Mikroskopisch zeigt dieser zur mütterlichen Placenta umgewandelte Teil der
Uterusschleimhaut folgendes: auf den ersten Blick fällt der fast vollständige Mangel an
Uterindrüsen auf, selbst in den tiefsten Partien sind dieselben degeneriert. Während der
Placentation ist auch das Uterusepithel vermutlich zu Grunde gegangen. Dieser Degene-
rationsprozess führt indirekt zu einer gleich näher zu beschreibenden Neubildung von
Gefässen.

In dem auf Seite 225 beschriebenen ersten Uterussegment ist die Verbindung des
Embryos mit der Placenta durch Bildung solider Zotten der Serosa erfolgt. Die makro-
skopischen Verhältnisse sind die oben beschriebenen und erhalten sich mit wenig Modi-
fikationen bis zum sechsten Stadium. Mit dem fortschreitenden Wachstume der Keimblase
dieser Stadien flacht sich die Becherform der Placenta mehr und mehr ab, die Öffnung
des einen Poles wird immer grösser und die am entgegengesetzten Pole gelegene stiel-
artige Verbindung der Placenta mit der Uteruswand allmählich breiter.

Der Bau der Placenta in diesen ersten sechs Stadien ist ein deutlich zwei-
schichtiger (Fig. 3 und 4). Eine weitmaschige Bindegewebsschicht mit sehr vielen
grossen, starkwandigen Gefässen bildet der Becher - Placenta äussere Schicht, die in den
Placentastiel übergeht, in welchem die Zahl und Weite der Gefässe noch auffälliger
wird. Dieser Schicht lehnt sich die zweite innere an, ein Balkenwerk von Gefässen
mit engem Lumen, die direkt am Chorion sich ein Weniges erweitern. Die Räume
zwischen den Gefässen werden ausgefüllt von dickleibigen Bindegewebszellen (Fig. 4 B),
vermutlich hervorgegangen aus den zellulären, bindegewebigen Elementen der Mucosa
uteri, dem Teile derselben, der sich frühzeitig umbildet. Die Endothel-Begrenzung
dieser Gefässe ist eine vollständige und zu verfolgen bis zum Übergange in die Gefässe
der peripheren Schicht. In diesem Bereiche sind solide Sprossen von Endothelien zu
beobachten, keilförmige Zellconglomerate, die nach meinen Präparaten schliessen lassen,
dass die Bildung der inneren Zone der Placenta ausgeht von den äusseren weitlumia-en

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Gefässen. Dieser Prozess reicht ungefähr bis zu dem auf Seite 226 beschriebenen sechsten
Stadium. Es hört dann die Neubildung von Gefässen durch Endothelwucherungen auf.

Das Chorion, das sich an dies Gefässbalkenwerk anlegt, wuchert mit soliden
Zellsträngen (Fig. 4 Ch) zwischen dasselbe ein, so dass drei Zellschichten die Begrenzung
dieser Gefässbahnen bilden: Endothel, dickleibige Bindegewebszellen und Ektodermzellen
des Chorions. In die Schläuche des letzteren dringen dann Blutgefässe führende Binde-
gewebszotten der Allantois ein.

Nachdem nun allmähliche Abflachung der Placenta mit dem Wachstum der Em-
bryonalanlage erfolgt und dieselbe mit der üteruswand durch Verbreiterung des Stieles
in der vollen Ausdehnung verbunden ist, beginnt ein neuer Bildungsprozess. Die Zotten,
die in den ersten Stadien nur sehr langsam in die mütterliche Placenta eingedrungen und
dabei das Gefässnetzwerk gestreckt haben, beginnen im siebenten, auf Seite 227 beschrie-
benen Stadium weiter in die Tiefe zu wuchern. Das zwischen den Gefässen befindliche
System von modifizierten Bindegewebszellen hat sich durch Zellteilung vergrössert und hat
mit dem Dickenwachstum der Placenta die Begrenzung von Gefässbahnen übernehmen
müssen zur Verbindung des subchorialen Gefässnetzes mit der peripheren Gefässschicht.
Es ist zwischen beiden damit eine neue Zone von unregelmässig gewundenen Gefässbahnen
entstanden, die aber nicht mehr von Endothelzellen begrenzt werden. Strahlenartig dringen
die embryonalen Zotten zwischen diesen Kapillaren vor und ordnen sie radiär an. Von
diesem Stadium an behält die Placenta ihren nunmehr dreischichtigen Bau, nimmt weiter-
hin nur an Dicke fortwährend zu. — Der Befund des ältesten, im Anfang beschriebenen
trächtigen Uterus zeigte ja die gleichen Verhältnisse, auf die ich an dieser Stelle noch-
mals hinweisen möchte.

Sdihissbetraclitung.

Die Resultate der Untersuchungen von Pteropus edulis, die aus den vorhergehen-
den Darstellungen zu ziehen sind, mögen kurz in folgendem zusammen gefasst sein.

Die Eikugel legt sich mit ihrer Serosa der discoidalen, deciduaten Placenta an;
dieselbe ist gebildet durch eingreifende Veränderungen der Uterusschleimhaut, wie Dege-
neration der Schleimhautdrüsen und des Uterusepitheles und Neubildung von mehreren,
anfänglich zwei Schichten von Gefässen. Die Placenta nimmt dabei eine Becherform an^
die durch einen kurzen Stiel an der Uteruswand befestigt ist; peripher liegt eine Schicht
grosser weiter Gefässe, von deren Endothel aus durch Wucherung solider Zellstränge
sich ein gewundenes, am Eande der Placenta abschliessendes Gefässbalkenwerk kapillärer
Natur bildet. In späteren Stadien plattet sich die Placenta langsam aber beträchtlich ab,
so dass später ihr Stiel verschwunden und sie vollständig an die
Uteruswand angelegt
ist. Währenddem hat sie aber auch an Dicke zugenommen, und es hat sich eine neue

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ScMclit von Gefässen, zwischen den oben erwähnten gelegen, gebildet, die radiär an-
geordnet sind. Bei dieser Neubildung sind in hervorragender Weise modifizierte Binde-
gewebszellen der Mucosa uteri beteiligt, die die alleinige Begrenzung der Kapillaren
übernehmen.

Wir sahen aus den obigen Darstellungen, dass die embryonalen Zotten anfänglich
nicht weit in die Tiefe der Placenta eindringen; erst in der Zeit der Neubildung der
dritten Zwischenschicht von Gefässen nehmen auch die Zotten thätigen xinteil daran, in-
dem sie durch stärkeres Wachstum und Vordringen in die Tiefe die Streckung und radien-
förmige Anordnung der Gefässe dieser Schicht bewirken.

Die Ectoderm-Zotten des Chorions werden in späteren Stadien, nachdem die Al-
lantois sich gebildet hat, durch deren bindegewebige Wucherungen mit Blutgefässen ver-
sorgt. Ehe dies geschieht, liegt in weitem Umfange des Chorions diesem der vollblasige,
frühzeitig stark vaskularisierte Dottersack an, ohne aber Gefässe in dasselbe abzugeben.
Dies übernimmt vielmehr allein die Allantois; aus dem Cölom herausgetreten, wuchert
sie zwischen Amnion und Dottersack an das Chorion heran, legt sich an dasselbe zuerst
nur im Bereiche der Placenta an, um aber später durch Wucherung als solide Platte um
den Dottersack herum, ihn vom Chorion abdrängend, mit demselben zum vollen Kugel-
umfange sich zu verbinden. Damit ist ein geschlossenes Allanto-Chorion gebildet.

Abgesehen von der Verkleinerung ihrer Höhlung und der späteren Verlötung mit
dem sich ausdehnenden Amnion erleidet die Allantois weitere Veränderungen nicht. Be-
deutenden Umwandlungen hingegen wird der Dottersack unterworfen. Mit der Grössen-
zunahme des Embryos und der Ausdehnung des Amnions fällt der Dottersack, unter
Erhaltung seiner starken Vaskularisation, zusammen. Das Amnion drängt ihn auf
die
hnke Seite des Embryos und allmählich immer mehr an die Bauchseite desselben, näher
an die Placenta heran. Schliesslich, nachdem das A^mnion sich völlig ausgedehnt, an die
Allantois sich angelegt hat und mit ihr verlötet ist, mit Ausnahme des Placentarbereiches,
liegt er, sehr faltig zusammen gefallen, in diesem Räume zwischen Allantois und Amnion.
Die Zellen der beiden Blätter des Dottersackes, des Entoderms und Mesoderms, beginnen
nun zu wuchern, und
es entsteht ein solides, gelapptes Gebilde von drüsenartigem An-
sehen, dessen Gefässe im Inneren verlaufen. An den Rändern faltet es sich saumartig
infolge Raummangels um, an der entgegengesetzten Seite umfasst es den Funiculus. Ein
Lumen des Dottersackes ist nach dieser Umbildung nicht mehr vorhanden, auch in seinem
Stiele nicht. Histologisch sind in meinen Präparaten die Zellen nach ihrem Ursprünge
differenziert: die des Entoderms grosse, runde Zellen von hellerer Tinktion im Centrum
der Läppchen, die des Mesoderms platt-gedrückte, spindelförmige, durch Carmin dunkler
gefärbte Zellen, randständig die Läppchen begrenzend.

Mit dem Wachstume des Embryos schreitet auch die des Dottersackes bis zum
Ende der Gravidität fort; im ältesten Stadium trat mir dies ehemals morphologisch, wie
jetzt noch physiologisch rätselhafte Organ in dieser Gestalt zu Tage.

Selenka, Entwickelnngsgeschiclite. V. 2.

1

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Litteratur.

Die liier mitgeteilten Untersucliimgen werden wolil die ersten sein, welche über
die Ontogenie des Pteropus handeln. Wohl ist die Entwickelung näher oder ferner
Ter-
wandter Flattertiere bereits bearbeitet worden; ohne Ausnahme jedoch bezieht sich diese
auf die jüngsten Entwickelungsstadien. Soweit möglich wurden dieselben ins Bereich
meiner Arbeit gezogen und, der Wichtigkeit verschiedener derselben entsprechend, zum
Vergleich und zur Kontrolle, gebührend verwendet.

a\'an Beneden und Julin machen in ihren „Becherches sur la formation des an-
nexes foetales chez les Mammifères (Lapin et Chéiroptères)", Arch, de Biol., ïome V,
pag. 369 Angaben, die nicht für alle Flattertiere, wenigstens nicht für Pteropus eduiis,
Anwendung finden können. Dieselben geben an, dass der nicht an der Placenta liegende
Teil des Chorions in einen gefässführenden und einen gefässlosen zu scheiden sei; die
Vaskularisation geschähe an der Placenta durch die Allantois, an dem erwähnten, ausser-
halb derselben liegenden Teile durch den Dottersack. Auch in den jüngeren Stadien
konnte eine von den Verfassern geschilderte Gefässversorgang des der Placenta nicht an-
liegenden Chorions nicht beobachtet werden, dasselbe bleibt vielmehr in der ganzen frag-
lichen Ausdehnung gefässlos. Nach meinen Untersuchungen bei Pteropus eduiis kann
der Dottersack überhaupt nicht in Betracht kommen, da derselbe durch die wuchernde
Allantois vom Chorion abgedrängt und ein volles, kugeliges Allantochorion gebildet wird.

Die im j,Bulletin de l\'Académie royal de Belgique", 3 série, t. XV, no. 1 und 2,
1888 von
van Beneden veröffentlichten Untersuchungen über die Placenta von Vespertilio
murinus zeigen mehr Übereinstimmung mit den von mir gemachten Beobachtungen bei
Pteropus eduiis. Das Uterusepithel geht während der Placentation zu Grunde, beteiligt
sich also nicht an der Bildung der mütterlichen Placenta; ein Gleiches gilt von den
Uterindrüsen, so dass von Ernährung des Embryos durch ein Drüsensekret nicht die Bede
sein kann. Das mütterliche Blut zirkuliert in netzartigen Lakunen, deren Begrenzung
nach
van Beneden umgebildete Gefässendothelien (?) abgeben sollen; zwischen diesen
Gefässen liegen die Zotten mit den fötalen Blutgefässen, so dass der Austausch der Flüssig-
keiten dieser beiden Gefässgebiete nur auf osmotischem Wege vor sich gehen kann.

Die Beobachtungen in der Umbildung der Placenta meiner Untersuchungsobjekte
bekräftigen die von
FßOMMEL gewonnenen Besultate bei der Fledermaus, die er in seiner
„Entwickelungsgeschichte der Placenta von Myotus murinus", Wiesbaden 1888, angiebt.
Der Teil der Uterusschleimhaut, der mit der Eioberfläche verwächst, wird discoidale Pla-
centa; eine Decidua reflexa bilde sich nicht; das Uterusepithel geht zu Grunde. Obgleich
das Dottersacklumen kleiner wird, erhält sich bei Myotus murinus der Dottersackkreislauf
auch nach Ausbildung des Kreislaufes der Allantois aussergewöhnlich lange. Zur Zeit
„der Verwachsung des Eies mit der Uteruswand tritt eine enorme Gefässumbildung in

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den innersten Schichten der Uterusschleimhaut auf; es lassen sich frühzeitig subchoriale
Gefässe von aussen gelegenen, grösseren Gefässneubildungen unterscheiden. Die sub-
chorialen Gefässe bilden kapillarartige Radiärgefässe in der Decidualschicht. In der äusseren
Gefässzone tritt eine enorme Epithelwucherung auf, woraus eine eigene dritte Schicht
epithelialer, blutführender Schläuche und Stränge gebildet wird. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass auch eine Blutneubildung in diesen Decidualzellmassen stattfindet. Die
Gefässe dieser mittleren Zone ordnen sich radiär an und bilden an der äusseren Grenze
durch Konfluieren ein Gebiet grosser Blutlakunen, welche später durch Bildung zahl-
reicher Brücken von Decidualzellen in ein spongiöses Kanalsystem verwandelt werden."
Die Form der Placenta ist bei Myotus nicht von Anfang an wie bei Pteropus eine cha-
rakteristisch vorgebildete; die Placentaranlage wird vielmehr von der übrigen Uterus-
schleimhaut durch eine anfangs plattenepithelartig aussehende, später faserige Schicht
getrennt.

In Bezug auf die Lage des Dottersackes und Vergrösserung der Allantois über den
Placentarbezirk hinaus macht
Fleisciimann in „Embryologische Untersuchungen II, 1891"
bei der Fledermaus gleiche, allerdings ganz kurze, Angaben; die charakteristische Lage-
rung des (rudimentären) Dottersackes ist „am kranialen Rande der Placenta".

In Anbetracht der auffälligen, enormen Umwandlungen des Dottersackes musste es
eigentlich befremden, in der Litteratur nur eine einzige, dazu noch sehr karge Notiz über
den modifizierten Dottersack bei den Chiroptera zu finden. Es ist dies eine Veröffent-
lichung von
Robin in „Comptes rendus" T. XCII, 1881, 8. 1354; bearbeitet sind daselbst
die Eihüllen einer Reihe von Chiropteren, darunter auch einer Pteropusart, Pteropus ve-
tulus. Er ist zu der Uberzeugung gelangt, dass, wie
Ercolani bereits angenommen, der
Dottersack bis zur Geburt persistiere; der Gefässreichtum desselben fällt ihm auf, und er
schreibt ihm eine wichtige physiologische Rolle zu. Von ihm angefertigte Schnitte spä-
terer Dottersackstadien zeigen, dass das Organ zusammengesetzt ist aus
bindegewebiger
gefässreicher Grundlage, umgeben von zweierlei Zellen: innere, grosse polyedrische, mit
Fettkügelchen gefüllte und äussere, lange, prismatische. Über die Natur, den Ursprung
der Zellen etc. erwähnt
Robin nichts. Nur einer Angabe in seiner Arbeit möchte ich
noch entgegentreten: er schreibt, dass in einem gewissen Stadium, in welchem Allantois
und Dottersack ungefähr gleich grosses Volumen haben, beide Eihüllen sich mit den Rän-
dern berühren (Chorion streicht darüber hinweg) und ihre Gefässe Anastomosen eingehen.
Dabei bestreitet er aber mit Entschiedenheit die Beteiligung des Dottersackes an der Vas-
kularisation des Chorions. Wenn dieser letztere Punkt auch nach meinen Untersuchungen
vollkommen richtig ist, so ist es mir in keinem einzigen Stadium der Entwickelung mög-
lich gewesen, Gefässverbindungen zwischen Dottersack und Allantois zu beobachten. Es
ist mir nicht klar, durch welche Verhältnisse
Robin zu dieser unhaltbaren Annahme ge-
kommen ist.

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HYPSIPEYMNUS CUNICULUS.

Ch Chorda dorsalis. md Medullarplatte.

en Entohlast. ms Mesoderm.

ex Ektohlast. pr Primitivrinne.

gf Gefässe. st Sinus terminalis.
k Rand der Cölomlappen. 2; Granulosamembran.

Fig. 1. Grösster Schnitt durch die Primitivrinne der 2 Tage alten Keimblase.

In der Figur 1 der folgenden Tafel ist die Keimblase in der Aufsicht gezeichnet.

Fig. 2. Querschnitt durch die Mitte der Primitivrinne derselben Keimblase, bei starker
Yergrösserung.

Vergleiche Figur 1 und 10 der folgenden Tafel.

Fig. 3. Keimblase von 3 Tagen.

Fig. 4. Querschnitt durch diese Keimblase im Gebiete des vierten Urwirbels.

Fig. 5. Derselbe bei stärkerer Yergrösserung.

Fig. 6. Keimblase von öb\'g Tag, in natürlicher Grösse und Farbe.

Fig. 7. Dieselbe aufgeschnitten, bei schwacher Yergrösserung.

Die Dotterarterie, in der Wand der Dottersacknische verlaufend, entsendet beiderseits feinere
Gefässe in den Gefässhof und geht dann in den Sinus terminalis
st über. Zwei Dotter-
venen führen das Blut dem Herzen wieder zu. Das Maschenwerk der Blutbahnen im
Gefässhofe ist nur schematisch angedeutet; in Wahrheit ist es viel reicher entfaltet. Die
zwischen den Venae omphalomesentericae liegenden Gewebslücken des Amnion, welche
Gefässbahnen vortäuschen, sind fälschlich durch Rotdruck hervorgehoben. — VergL den
halbschematischen Längsschnitt Figur 3 der folgenden Tafel.

Fig. 8—9. Beuteljunges, von der Seite und von vorn, kurz nach der Geburt, in öVg-
maliger Yergrösserung. Nach dem Leben gezeichnet.

Fig. 10. Beuteljunges, vermutlich 4 Tage alt, 4V2 mal vergrössert. Nach dem Leben.

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Taf. XXXI.

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Fig. 1—3. Hypsiprymnus cuniculus.

Fig. 1. Ganze Keimblase im Alter toxi 2 Tagen, bei 32faclier Vergrösserung. Die Primitivrinne
ist vorne und hinten gegabelt. —
m Mesodermplatten.

Fig. 2. Schnitt durch den Gefässhof einer S^/a Tage alten Keimblase. ex Ekto-, en Ento-,
m Mesoderm; g Gefäss mit Blutkörpern. — Vergr. 500.

Fig. 3. Halbschematischer Längsschnitt durch den Embryo der Känguruhratte im
Alter von 5—Tagen.

Fig. 4—9. Querschnitte durch den auf Taf. XXXIII abgebildeten Embryo des Beutel-
fuchses. — Vergr. 60. —• Mesoderm rot, Chorda blau.

Ae Proamnion. EC Exocölom. i Darm.
ao Aorta. en Entoderm. Md Medullarrinne.
C Cöiom, ex Ektoderm. o Gehörblasen.
Ch Chorda. g Gefässe. Rw Eückenwülste.
Chr Chorion. h trichterartige Einsenkung der Uw Urwirbel.
Dv Dottervenen. hinteren ChordawurzeL
y Die beiden Parallelgefässe, welche das Blut aus zahlreichen Querstämmen der Aorta em-
pfangen und teils in feinen Ästen direkt in den Gefässhof, teils direkt in den Sinus ter-
minahs führen (Tafel XXXIII Fig. 4 Fig. 2).

Fig. 4. Schnitt durch liumpf und Kopf.

Fig. 5. Schnitt durch das hintere Körperende, wo die Medullarwülste noch nicht ge-
schlossen sind.

Fig. 6—9. Schnitte durch das hintere Chordaende.

Man vergleiche Figur 3—4 der folgenden Tafel.

Fig. 10. Querschnitt durch die vordere Gabelrinne des Primitivstreifs der Figur 1. —
Starke Vergrösserung.

en Entoderm. m Mesoderm.

ex Ektoderm. Z Granulosamembran.

ii die Gabelrinne.

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Tafel XXXIII.

PHALANGISTA OEIENTALIS, Beutelfuclis.

Fig. 1. Die Keimblase, nach Ablösung der Granulosamembran, circa 7 mal vergrössert.

Fig. 2. Gefässhof und Embryo derselben Keimblase, nach Abtragung der gefässfreien

Hälfte, von innen betrachtet.

Aus den getrennten Aorten entspringen zwei weite parallel verlaufende Dotterarterien, welche
Seitenäste in den Gefässhof abgeben, distal sich vereinigen und in den Sinus terminalis,
der vorne noch nicht geschlossen ist, übergehen.

Fig. 3. Der Filing vom Rücken betrachtet, bei stärkerer Vergrösserung.

Durch die Kopfbeuge ist ein Teil der Eihaut als proamniotische Tasche nach innen vor-
gebuchtet.

Fig. 4. Derselbe.

Ae Höhle des Proamnion. Ra Rumpfamnion oder hintere Amnionfalte.

Am Proamnion oder vordere Amnionfalte. st Sinus terminahs.

ao Arteria omphalomesenterica. Sz Stammzone.

ch Chorda dorsaUs. J-F Hintere Tasche der Medullarplatte, welche

Dv Venae omphalomesentericae. sich in die hintere Chordahöhle einsenkt

Ex Vordere Extremitäten. (Taf. XXXII Fig. 9).

Md Urwirbel. z Medullarrinne.
pz Parietalzone.

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TEAGULUS JAVANICUS, Kantjil.

Alle Abbildungen sind mittels der Camera gezeichnet.

A Augenblase. H Gehörgrübchen.

aaa Solide Bindegewebsstränge, mittels deren der i Vorderdarm.

Dottersack am Chorion befestigt ist. i\' Hinterdarm.

All Allantois. i" Hinteres Darmende, in die Allantois über-

Am Amnion. gehend.

h Allantoiswand (Fig. 5). Md Medullarwülste.

C Cölom. Ml Medulla spinalis.

c Chorda dorsalis. o Einmündung des WoLFr\'schen Ganges in den

Ch Chorion. Darm.

cor Herz. S Schwanzdarm.

D Dottersack. TJh Urnierenbläschen.

ent Entoderm. Un Urnierengang.

g Gefässe. üiv Urwirbel.
h Hirnplatte.

Fig. 1. Ureiblätterige Keimblase in natürliclier Grösse.

Fig. 2—5, Eine ältere Keimblase.

Fig. 2. Die unverletzte Keimblase in natürlicher Grösse.

Fig. 3. Dieselbe geöffnet, vergrössert. Der Eiling ist von der Flüssigkeit des Exocöloms rings

umspült, und wird allein durch acht feine Fäserchen am Chorion festgehalten. |

Fig. 4. Derselbe Embryo, etwas mehr vergrössert; von der Seite gesehen, a—y Schnittrichtungen. j

Fig. 5. Der gleiche Embryo vom Bauche gesehen. Der Dottersack ist in der Mitte abgeschnitten. |

Fig. a, ß, j\'. Querschnitte durch diesen Embryo.

Fig. 6—9. Eine etwas ältere Keimblase. Der Baueb der retortenförmigen Keimblase
steckt im einen, der gekrümmte Anhang im anderen Uterusborn.
In natürlicher Grösse.
Der Embryo vergrössert, von der Seite.

Derselbe vom ßücken. In der Allantois sind einige grössere Gefässe sichtbar.
Hinterende dieses Eilings. Rekonstruktionsbild.
)j. Querschnitte durch den Embryo.

Fig.

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Fig.

7.

Fig.

8.

Fig.

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Fig. 1—2. TRAGULUS JAVANICUS. Schnitte durcli Chorionzotten. Homogene Öl-
immersion.

Fig. 1. Querschnitt durch den Seitenast einer Zotte.

Ch Chorionektoderm. Die Zellen meist doppelkernig; hei i ein in Teilung begriifener Kern.
D Drüsenepithel des Uterus, nur angedeutet.
g Gefässdurchschnitt.

H Zottenhöhle, von lockerem Mesodermgewebe erfüllt.
Z Zwischenraum zwischen Zotte und Drüsenepithel.

Fig. 2. Längsschnitt durch das blinde Ende einer Btammzotte. Das Zottenende ragt frei in den
erweiterten Halsteil einer Uterindrüse, in welcher zahlreiche Leucocyten
L. Leucocyten-
reste
L\' liegen zerstreut im Zottengewebe; j Schleimgerinnsel. — Die Kerne des Chorion-
ektoderms sind einfach, nicht doppelt.

G emeinsame Bezeichnung für Fig. 3—12 (Javaaffe und Lutung).

Am Amnion. E Embryo (nebst Dottersack). Ms Lockeres Gewebe der Somato-

Amh Amnionhöhle. ect Ektoderm. pleura.

Art Arterie. \' en Entoderm. Ms\' Splanchnopleura.

Bl Bluträume. Ex Exocölom. Pr Primitivstreif.

C Cölochorion. f Medullarfurche. Ut Uteruswand.

C?i Chordarinne. G Gerinnsel zwischen ventralem ut Uterus- und Drüsenepithel.

ChE Chorionektoderm. Haftfleck und Keimblase. üw Urwirbel.

T) Dorsalhälfte des Uterus. gf Gefässanlagen. v Ventrale Uterushälfte.

Dr Uterindrüsen. HS Haftstiel. V Venen.

DP Dorsoplacenta. K Keimblase. -Z\' Chorionzotten.

Dt Dottersack. L Uteruslumen. VZ Chorionzotten der Ventroplacenta.

Medullarplatten.

Fig. 3—9. LUTUNG (Semnopithecus pruinosus) von Borneo. — Embryo B.

Fig. 3. Der trächtige Uterus, aufgeschnitten und aufgeklappt, in nahezu doppelter Grösse. Photo-
graphische Aufnahme.

Fig. 4. Die Keimblase. Die der Dorsoplacenta gegenüberliegende Wand ist geöffnet, das Gerinnsel
aus dem weiten Exocölom entfernt, um den Embryo mit Dottersack
{E) frei zu legen,
^/j. Nach einer Photographie.
Fig. 5. Querschnitt durch diese Keimblase bei schwacher Vergrösserung. Camera. Breite des Frucht-
hofes 0,41 Millimeter.

Fig. 6. Der Embryo in der Seitenansicht. Gezeichnet nach einem Wachsmodell, welches aus der

Schnittserie rekonstruiert wurde.
Fig. 7. Derselbe in der Aufsicht; der Haftstiel ist nicht gezeichnet. Ebenso.
Fig. 8. Querschnitt durch die Rückenfurche. Vergl. Fig. 7.
Fig. 9. Querschnitt durch den Primitivstreif. Vergl. Fig. 7.

Fig. 10—12. JAVAAFFE (Cercocebus cynomolgus) von Java. — Embryo C.

Flg. 10. Dorsalhälfte des trächtigen Uterus mit der Keimblase, von innen. Die der Dorsoplacenta

gegenüberliegende freie Fläche der Keimblase ist dem Beschauer zugekehrt. Vergr.
Fig. 11. Querschnitt durch Uterus nebst Keimblase. Schwache Vergrösserung. Camera. — Bei

ist der Übergang einer Uterindrüse in die Zottenscheide zu erkennen.
Fig. 12. Querschnitt durch den Embryo nebst Haftstiel und benachbarten Zotten, "o/j^. Camera.
— Die Zotten sind noch gefässfrei.

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Gemeinsame Bezeielinung.

Am Amnion. Dr DrüsenscMcht. DP Dorsoplacenta.

Amh Amnionhöhle. e Chorion laeve. VP Ventroplacenta.

D Dottersack. F Fundus uteri. L Uteruslumen.

Ms Mesodermpolster.

Fig. 1. SEMNOPITHECUS MAUEUS, Lutung von Java, in doppelter Naturgrösse.

Die rechte Seite des Uterus ist abgetragen und der Uterus ein wenig auseinander gebogen, so dass die
Keimblase nicht mehr ganz ihre natürliche Gestalt zeigt; der Eand der etwas kleineren Dorsoplacenta
hat sich sogar von dem Uterus abgelöst (»), während der Umschlagsrand der Ventroplacenta (o) seine
natürliche Lage und Gestalt zeigt. — Der Embryo besitzt nahezu schon die Form des auf Taf. XXXVII
abgebildeten.

Fig. 2. CEECOCEBUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Java, in natürlicher Grösse.

Die ventrale Hälfte des Uterus ist abgeschnitten und die Ventroplacenta von der üteruswand abgerissen
und an der Eiwand hängen geblieben. Die Dorsoplacenta, die hier verdeckt ist, hat die dreifache
Flächenausdehnung der Ventroplacenta. Der Embryo besitzt ungefähr die Grösse des in Figur 6 ab-
gebildeten.

Fig. 3. CEECOCEBUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Singapore, doppelte Natur-
grösse. — Nach einer Photographie.

Isolierte Keimblase, linksseitig aufgeschnitten und aufgeklappt. Das Exocölom ist dicht mit lockerem Binde-
gewebe aufgefüllt, in welchem der mit dem Amnion überzogene Embryo eingebettet liegt. Der gefäss-
haltige Dottersack ist von dem anhaftenden Mesodermgewebe befreit. — K der durchschimmernde Kopf,
E die Extremitäten der Frucht.

Fig. 4. Gleichalterige Frucht derselben xYffensp ecies von Java, in dreifacher
Naturgrösse.

Das Mesodermpolster war weniger stark entwickelt und ist vollständig herauspräpariert. Das Amnion ist,
bis auf einen kleinen Eest
Am, entfernt. Der Körpernabel K ist noch sehr kurz.

Yig. 5—6. SEMNOPITHECUS MAUEUS, Lutung von Java, in natürlicher Grösse.

Fig. 5. Das isolierte Ei mit den Placenten. Das glatte Chorion trennt die, dem Beschauer zugekehrte
kleinere Ventroplacenta von der Dorsoplacenta, welche die Ausdehnung des Eiumfanges besitzt und zu
welcher der Nabelstrang tritt.

Fig. 6. Das Ei rechtsseitig aufgeschnitten und auseinander gelegt. Der Embryo liegt im spitzeren Ende
des Eies, umhüllt von dem Amnion
Am. Der grösste Teil des Exocöloms ist mit dem Mesodermgewebe
dicht erfüllt, in welchem auch das (hier nicht sichtbare) Nabelbläschen eingepolstert liegt.

Fig. 7. Isolierte Keimblase mit Placenten des CEECOCEBUS CYNOMOLGUS von
Java, in doppelter Grösse. Von der linken Seite gesehen.

Das ringförmige Chorion laeve e trennt die beiden, gleich grossen Placenten.

Fig. 8. Stück einer Chorionzotte desselben Eies, bei 45facher Vergrösserung.

a abgeschnittene Zottenäste.

Fig. 9. Das isolierte Ei eines SEMNOPITHECUS PEUINOSUS (Lutung von Borneo),
rechtsseitig aufgeschnitten und aufgeklappt. Natürliche Grösse.

Das Amnion hat sich ausgedehnt und das Exocölom verdrängt. Der Dottersact wurde nicht mehr auf-
gefunden. Dorso- und Ventroplacenta stehen beiderseits durch je drei Gefässbrücken mit einander in
Verbindung; beide Placenten sind von gleicher Grösse.

Fig. 10. CEECOCEBUS CYNOMOLGUS von Singapore, in Naturgrösse.

Das isolierte Ei ist linksseitig geöffnet und aufgeklappt. Der Nabelstrang zieht zur grösseren Dorsoplacenta.
Das Amnion ist mit dem Chorion bereits verwachsen.

Fig. 11. Dasselbe Ei, den Embryo im Profil darstellend.

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JAVAAFFE (Cercocebus cynomolgus) von Java. — Embryo F.

Alle Figuren beziehen sich auf das gleiche Exemplar.

All Ällantoiskanal.

Am Amnion.

Zufällige Haftstränge, zwischen Dottersack und
Chorion ausgespannt.

Bl Blutlakune.

ChE Chorionektoderm.

Cn Canalis neurentericus.

dd Die unregelmässig gefalteten, soliden und ver-
zweigten Blindenden der Zottentaschen
(Uteringewebe).

D Dottersack.

DC Deciduazellen.

DB Dorsoplacenta.

Dr Drüsenzone des Uterus.

en Entoderm.

Ex Exocölom.

HS Haftstiel des Eilings, bestehend aus dem ver-
dickten Amnionnabelstrang.

M Muskularis des Uterus.
Mi Splanchnopleura.
Ms Lockeres Mesoblastgewebe.
Ms\' Mesodermgewebe der Zotten.
ut Uterusepithel, die Uterushöhle begrenzend.
ut\' Verflachtes, mit dem Chorionektoderm verlöte-
tes Uterus- und Drüsenepithel.
V Vorderhii\'n.
VB Ventroplacenta.
W Uterushöhle.

Z Chorionzotten mit dem anhängenden Uterin-
gewebe. (Das Mesodermgewebe hat sich in-
folge der eintretenden Schrumpfung vom
Chorionektoderm abgehoben.
zf Zottenfreie Ringzone des Chorion (Chorion laeve).
sw Zwischenraum, künstlich durch Schrumpfung
des lockeren Mesodermgewebes entstanden.

Fig. 1. Der längs geöfihete Uterus.

Die Keimblase mitsamt dem anhängenden Uteringewebe ist abgelöst.

Fig. 2. Die Keimblase in der Seitenansicht. Vg. (11 Millimeter im grössten Durchmesser.)

Fig. 3. Dieselbe.

Die kleinere oder Ventroplacenta ist dem Beschauer zugekehrt.

Fig. 4. Dieselbe geöffnet und die Ventroplacenta nach links zurückgeschlagen.

Die Höhlung war mit Grerinnsel und vereinzelten Bindegewebsfasern erfüllt; nach Entfernung
derselben tritt der Dottersack zutage.

Die Keimblase im idealen Längsschnitt; der Embryo ist plastisch gezeichnet.
Camera.

Nach Eröffnung der Keimblase wurde der Embryo am Haftstiel abgeschnitten, in verschiede-
nen Lagen gezeichnet (siehe folgende Tafel) und darauf in Querschnitte, die Keim-
blasenwand in Schnitte parallel dem Embryo zerlegt.

Fig. 5.

Fig. 6.

Der zottenfreie Rand der Keimblase im Schnitte (aus der Gegend B der Fig. 5).
Starke Vergrösserung.

Die Figuren 2—5 sind nicht mit der nötigen Akkuratesse und Zartheit auf Stein übertragen. _

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JAVAAFFE (Cercocebus cynomolgus) von Java. •—■ Embryo P.

Die Figuren stellen den Embryo der Taf. XXXVII bei 42 facher Vergrösserung dar. Camera. — Fig. 3 in 4 facher Vergrösserung.

AI Blindende des Allantoisschlauches. i Darmrinne.

All Allantoisschlauch. Kä Kopfdarmhöhle.

am Amnion. L üteruslumen.

Ch Chorda. Mi Splanchnopleura.

Cn Canalis neurentericus. Ms Mesoblast.

D Dottersack. Pr Primitivstreif.

Dr Weitung der Uterindrüsen. Btv Eückenwülste.

en Entoderm. üt Uteruswand.

ex Ektoderm. JJiv Urwirbel.

h Herzanlage. V Primäres Vorderhirn.
HS Haftstiel (Amnionstiel).

Fig. 1. Der auf dem Dottersacke liegende Embryonalschild ist von der Dorsoplacenta
abgetrennt, indem der Haftstiel durchschnitten wurde (siehe Fig. 5 der vorigen

Tafel), Das Amnion überdeckt die Embryonalanlage (vergl. No. 15). Bei auf-
fallendem Lichte gezeichnet.

Fig. 2. Derselbe bei durchfallendem Lichte (Amnion durchsichtig).

No. 15—124. Querschnitte durch diesen Embryo in den bei Fig. 2 bezeichneten Stellen.

Fig. 3. Längsschnitt durch Uterus und Dorsoplacenta des auf der vorigen Tafel in Fig. 1
abgebildeten Präparates. Nach einer Photographie. Die Lage der Keimblase
ist später einskizziert. Vergr. y,.
Dr Drüsenfundus.

dr Mündungen der Drüsen in die Lichtung der Gebärnautter.
L üteruslichtung.
K Keimblase.
Ut Uterus.

y y Zwei jener Uterindrüsen, deren Halsteil bis in die Placenta hinein verfolgt werden
kann (vergl. Tafel XXXV Fig.
11 x).

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Gemeinsame Bezeiclinung.

F Fundus uteri oder dem Fundus angelagert. l linke Seite des Uterus.

O Cervix uteri oder am Cervix liegend. DP Dorsoplacenta.

r rechte Seite des Uterus. VP Ventroplacenta.

Fig. 1, 1 a, 2 stellen Bilder der äusseren und inneren Flächen einer aus dem Uterus iso-
lierten Keimblase von SEMNOPITHECUS MAURUS, Lutung von Java, in
natürlicher Grösse dar.

Fig. L Die hintere Fläche der Keimblase mit dem kleineren dorsalen Placentarfelde. Vi-

Fig. la. Vordere Fläche derselben mit der grösseren Ventroplacenta.

Fig. 2. Das linke glatte Chorion ist durch einen Längsschnitt eröffnet und das Chorion
aufgeklappt. Der Embryo ist aus der Amnionhöhle in der Achsenrichtung nach oben
geschoben; er zeigte Steissendlage. Die Nabelschnur geht zu der die linke Embryonal-
seite deckenden Ventroplacenta, welche dicker und grösser ist als die Dorsoplacenta.
Die beiden Placentarfelder stehen nur auf der rechten Seite in direkter Gefässverbin-
dung.
Vi-

Fig. ö. CERCOCEBUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Singapore. Natürliche Grösse.

Die vordere Hälfte des Uterus ist nach oben geklappt, der Embryo, welcher Steissendlage
zeigte, auf die rechte Seite geschoben. Die Nabelschnur geht zur Dorsoplacenta,
welche die linke Embryonalseite deckt. Beide Placentarfelder, von denen das dorsale sehr
gross ist, stehen sowohl rechts wie links in Gefässverbindung.

Fig. 4. SEMNOPITHECUS NASICUS, Nasenaffe von Banjermassin (Südost-Borneo).
Natürliche Grösse.

Der Uterus ist durch einen Längsschnitt der linken Seite eröffnet. Die Nabelschnur des
Embryo, welcher sich in Steissendlage befand, geht zur Ventroplacenta, die dicker
ist aber von gleicher Grösse wie die Dorsoplacenta. Beide Placenten stehen rechts und
links in Gefässverbindung.

Fig. 5. CERCOCEBUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Java. Natürliche Grösse.

Der Uterus ist links aufgeschnitten und aufgeklappt. Nur eine scheibenförmige Placenta,
welche im wesentlichen dorsal liegt, aber auf die Ventralwand des Uterus übergreift.

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Tafel XL.

Gemeinsame Bezeiclinung.

F Fundus uteri. i linke Seite des Uterus.

C Cervix uteri. df Dorsoplacenta.

r rechte Seite des Uterus. TP Ventroplacenta.

Fig. 1. SEMNOPITHECUS MITRATUS, Suriii von Java, in natürlicher Grösse.

Uterus rechts eröffnet. Der Nabelstrang geht zur grösseren ventralen Placenta, welche
fast die ganze vordere Innenfläche des Uterus einnimmt, während die Dorsoplacenta kaum
halb so gross ist. Beide Placenten stehen rechts und links in Gefässverbindung.

Fig. 2. CERCOCEßUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Java, in halber Naturgrösse.

Der Uterus ist an der rechten Seite aufgeschnitten; der Embryo zeigte Kopfendlage. Der
Nabelstrang geht zur grossen und dicken Ventroplacenta; die Dorsoplacenta ist auf-
fallend klein.

Fig. 3. SEMNOPITHECUS MAURUS, Lutung von Java, in halber Naturgrösse.

Dorso- und Ventroplacenta sind verwachsen; der dorsale Teil ist der grössere und zu ihm
tritt der Nabelstrang.

Fig. 4. CERCOCEBUS CYNOMOLGUS, Javaaffe von Java, in halber Naturgrösse.

Der Embryo besitzt Kopfendlage; seine Nabelschnur geht an die mächtigere Dorso-
placenta. Beide Placenten stehen rechts und links in Gefässverbindung.

Fig. 5. SEMNOPITHECUS MAURUS, Lutung von

Java, in halber Naturgrösse.

Der Embryo zeigt Kopfendlage. Die Nabelschnur geht zur Ventroplcenta, welche
beiderseits mit der etwas kleineren Dorsoplacenta in Gefässverbindung steht. Die Frucht
ist nahezu ausgetragen.

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Gemeinsame Bezeiclinung.

a Amniogenes Ektoderm (Fig. 7j. L Leucocyten.

Ae Proamnion (Ektoderm Entoderm). M Mesometrium.

Am Amnion (Ektoderm Mesoderm). Md Medullarwülste.

Amh Amnionhöhle. mes Mesoderm.

B Deciduazellen. p Zerfallende Ektodermzellen (Fig. 6).

Ch Chorion. P Placenta.

Che Chorionektoderm. PI Placentarstiel.

Coel Cölomtasche (Fig. 7). R Eand der becherförmigen Placenta.

D Dottersack. Rf Kückenfurche.

d in Eesorption begriffener Ektodermzapfen. S Schnittflächen des Uterus.

Dfx Decidua reflexa. ü Umschlagsrand des Chorionektoderms auf die

Dr Uterindrüse. Decidua.

Drp Drüsenepithel. ut Uteruswand.

E Embryonalanlage. Ut Uteruslumen.

en Entoderm. Utep Uterusepithel.

ex Ektoderm. Y Die formativen Ektodermzellen (Fig. 2, 4).

g Durchschnittene Gefässe des Uterus. Z Solide Zottenwucherungen des Chorion-

i Zapfenartige Keimanlage („Keimscheihe"). ektoderms.

Fig. A—C. Halbscliematisclie Durchschnitte durch Keimblasen verschiedenen Alters.

Die gewellte Linie deutet das Mesoderm, die punktierte das Entoderm, die vollen Striche das
Ektoderm an (vergl. den Text auf Seite 000).

Fig. 1. Dünnwandige, zweiblätterige Keimblase.

Von scheibenförmigen Zotten Zf erbebt sich im Innern die zapfenförmige Keimanlage i.

Fig. 2. Keimanlage desselben Eies bei 400facher Vergr. im Längsschnitt. Camera.
Y der Kegel formativer Ektodermzellen.

Fig. 3. Querschnitt durch den Uterus. ^Vi- Camera.

Ch die Keimblase. Der Placentarzapfen PI ist noch wenig ausgebildet (vergl. Fig. 9). Die
Gefässbahnen sind nicht eingetragen.
Dr die stark erweiterten Drüsenräume des Placentarstiels
sind mit Schleim und Leucocyten erfüllt.

Fig. 4. Keimblase der Fig. 3 bei 200facher Vergr. im Schnitt. Camera.

Das freie Chorion Ch ist etwas zusammengefallen. Die Drüsenräume Dr besitzen zum Teil noch
ihr Epithel
Drp^ zum Teil ist dasselbe zerstört, wie z. B. bei f. — Leucocyten L liegen so-
wohl im Drüsenräume, als in dem Gewebe.

Fig. 5. Etwas ältere Keimblase mit ilirem Placentarstiel. Camera.

Fig. 6. Der formative Teil („Keimscheibe") derselben Keimblase, Camera.

Der Hohlraum Amh oder die Amnionhöhle entstand durch Zerfall der centralen Zellen (/>).

Fig. 7. Halbkugelige Hälfte einer anderen Keimblase, etwas älter als die in Fig. 6
dargestellte.

Nach einem rekonstruierten Wachsmodell gezeichnet. — Rückenteil der Embryonalanlage ist ab-
getrennt, sodass die distale Hälfte nur noch die Kopfanlage
Md und den Primitivstreif, sowie
das amniogene Ektoderm
a sehen lässt.

Fig. 8. Trächtiger Uterus. V,.

Die üteruswand ist geöffnet, um den frei vorragenden Placentarstiel PI zu zeigen,

Fig. 9. Älteres Stadium, schwach vergrössert. Camera.

Der Embryo ist im Rücken quer durchschnitten. Nur die grösseren üteringefässe sind berücksichtigt.

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Gemeinsame Bezeichnung.

All Allantois.

g durchschnittene Gefässe des

Z Zotten.

D Dottersack.

Uterus.

Che Chorionektoderm.

Ch Chorion.

D\' Dottersackhöhle.

B Deciduazellen des Uterus.

M mesometrale Seite.

Dg Dottersackgefässe.

N Nabelstrang.

aM antimesometrale Seite.

Allg Gefässe in den Allantoiszotten.

Ex Exocölom.

Cx Cervix uteri.

E Embryo.

Amh Amnionhöhle.

Ut Uteruswand.

S Allantoisstiel.

All\' verlötete Blätter der Allantois.

Ut\' Uteruslumen.

Am Amnion (Ektoderm plus Somato-

All" solide Allantoiswand.

PI Placentarstiel.

pleura).

P Placenta.

Allh Allantoishöhle.

R Eand der becherförmigen Placenta.

Fig. 1 u. 2. Eikugel aus der Uteruskammer herauspräpariert. Vergrösserung ^jy.

Dottersack sowie Allantois sind hutpilzförmig, vaskularisiert; über beide zieht das Chorion hinweg. Der
Kopfteil des Embryos liegt in einer nieschenartigen Einbuchtung des Dottersackes, während sein Schwanz-
teil die Allantois nur unbedeutend eindrückt.

1 Ansicht des Embryos.
Flg. 2. Ventrale j

Fig. 3. Schnitt durch einen älteren Embryo, parallel dem Mesometrium geführt.

Die gefässführenden Allantoiszotten haben sich infolge von Schrumpfung von dem Chorionektoderm zurück-
gezogen, welches mit dem üteringewebe fest verbunden ist.

4. Chorionzotten desselben Embryos bei 165 maliger Vergrösserung.

5. Becherförmige Placenta eines etwas älteren Entwickelungsstadiums. Vergr.

Uteruswand zum Teil entfernt, zum Teil zurückgeschlagen, so dass die stielartige Verbindung von Placenta
mit Uteruswand sichtbar wird. Zwischen dem zugeschärften, eingekerbten Eande R der Decidua reflexa
tritt die Keimblase
Ch frei zu Tage.

6. Geöffnetes Uterussegment, in 3 maliger Vergrösserung.

Der Uterus misst 2,3 Centimeter in der Länge, 1,9 Centimeter in der Dicke und ragt hier und da über die
Uteruswand heraus. Die Uternswand mit dem daran festverbundenen Allantochorion (solide Platte der
Allantois) ist deckelartig bis ungefähr zur Placenta abgehoben; zurückgeblieben ist nur der am Meso-
metrium gelegene Teil der Uteruswand mit der Placenta, die überzogen ist von der Allantois. Die
Placenta ist nicht sichtbar. Im locker gefalteten Amnion liegt der 15 Millimet. lange und 10 Millimet.
dicke, stark gekrümmte Embryo; an seiner linken Seite ist der solide Dottersack sichtbar. Das Amnion
ist geöffnet, der Embryo vom Nabelstrange abgelöst und zurückgeschoben. Der zu Tage tretende Dotter-
sack ist 10 Millimeter lang und 8,5 Millimeter breit und sitzt wie eine Blattspreite am Blattstiele dem
Nabelstrange an.

Fig.
Fig.

Fig.

Dottersack einer nahezu ausgetragenen Frucht nebst Umgebung, in natürlicher
Grösse.

Die Uteruswand ist aufgeschnitten und nach rechts und links zurückgeklappt, der Embryo vom Nabelstrang
N abgetrennt und in das Amnion ein Fenster geschnitten (vergl. Fig. 8); ein Teil des Amnions ist am
Nabelstrang belassen. In dem eröffneten Exocölom liegt der nierenförmige, abgeplattete und an den
Eändern eingeschlagene Dottersack (vergl. Fig. 8). Ein Teil der Allantoisgefässe
Allg schaut unter dem
Dottersacke hervor; der Eand der Placenta
R schimmert durch.

Halbschematischer Durchschnitt durch das gleiche Objekt der vorigen Zeichnung,
in natürlicher Grösse.

Der Embryo ist abgeschnitten und nur der Placentarteil des Uterus berücksichtigt. Zur Orientierung sei
gesagt, dass ausserhalb des Bereiches der Placenta üteruswand, Allantochorion und Amnion fest unter-
einander verlötet sind, während im Gebiete der Placenta das Exocölom, in welchem der Dottersack ge-
lagert, noch erhalten geblieben ist. Das Allantoislumen ist auf unbedeutenden Eaum beschränkt und
umgiebt ringförmig den Allantoisgefässstiel. Das Lumen des Dottersackes ist vollständig geschwunden,
und man bemerkt seine Anheftung an den Nabelstrang, sowie auf der linken Seite den eingeschlagenen
Eand.

Fig. 7.

Fig.

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Br. Gö.hre del.

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