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VERDAUÜNGSPHYSIO-
LOGISGHE STUDIEN
AN HOÊOTHURIEN

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H. A. P. C. OOMEN

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VERDAUUNGSPHYSIOLOGISGHE
STUDIEN AN HOLOTHURIEN

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UNIVERSITEITSBIBLIOTHEEK UTRECHT

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VERDAUUNGSPHYSIOLOGISCHE
STUDIEN AN HOLOTHURIEN

PROEFSCHRIFT TER VERKRIJGING VAN DEN GRAAD
VAN DOCTOR IN DE WIS- EN NATUURKUNDE AAN
DE RIJKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT OP GEZAG VAN
DEN RECTOR-MAGNIFICUS DR. J. PH. SUYLING,
HOOGLEERAAR IN DE FACULTEIT DER RECHTSGE-
LEERDHEID, VOLGENS BESLUIT VAN DEN SENAAT
DIER RIJKSUNIVERSITEIT TEGEN DE BEDENKINGEN
VAN DE FACULTEIT DER WIS- EN NATUURKUNDE
TE VERDEDIGEN OP MAANDAG 3 MEI 1926, DP:S
NAMIDDAGS TEN VIER URE DOOR

HENRICUS ADRIANUS PETRUS CANISIUS OOMEN

• GEBOREN TE HEES BIJ NIJMEGEN

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AAN DE NAGEDACHTENIS
VAN MIJN VADER

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VOORWOORD

Gekomen aan het einde van mijn biologische studie in de
schutse van de Alma Mater, herdenk ik met groote erkentelijkheid
allen die mij hielpen dit deel van mijn levensweg voorspoedig
af te leggen. En in mijn geest bouw ik hen een monument van
dankbaarheid, voor de moeiten die ze aan mij ten koste legden,
dat daar mijn geheele leven zal blijven bestaan.

De hoogleeraren en lectoren in de wis-, natuur-, schei- en
aardkunde hebben me de fundamenten er toe doen leggen.

Hooggeleerde NIERSTRASZ, WENT, PULLE en RUTTEN,
gij deedt me er het voetstuk van bouwen. Gij leerdet mij beurtelings
wetenschappelijke nauwgezetheid in theorie en praktijk, maar ook
de waarde van de wetenschap voor den geest en voor het leven.

Dat ik tenslotte U, Hooggeleerde JORDAN op dit voetstuk
heb geplaatst, dankt gij aan de zeer bekoorlijke wijze waarop gij
Uw leerlingen weet in te wijden in de geheimen van het levende
organisme. Gij hebt mij langs verschillende wegen getoond, dat
het leven zelf meer dan welke andere eigenschap ook de essentie
is van het levende wezen en dat de kinetische en meerdimen-
sionale beschouwing van plant en dier belangrijker is dan elke
andere. Naast zooveel ander goeds stel ik het in U op zeer
hoogen prijs dat gij Uw promovendi een zoo groote vrijheid
schenkt, ze dwingt hun eigen krachten te beproeven en uit te
buiten en ze opvoedt tot groote zelfstandigheid.

Mijn bijzondere dank gaat thans ook uit naar hen die bij-
droegen tot het welslagen van dit proefschrift. Het heeft zich
ontwikkeld in de physiologische afdeeling van het Zoologische
Station te Napels. Ik hoop dat het geen onwaardige spruit moge
zijn van deze met zooveel zorg en kunde toebereide en onder-
houden bodem. Den directeur Prof. R. DOHRN ben ik tot
hartelijken dank verplicht voor de werkgelegenheid die hij mij

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bood. Verder ook de St. Radboudstichting in Utrecht die de
financieele bezwaren van het werken in den vreemde aanmerkelijk
verlicht heeft.

Dr. E. JOEL te Berlijn getroostte zich vele moeite om de
taal waarin het geschreven was te verbeteren. Daarvoor en voor
zijn raadgevingen en behulpzaamheid wete hij zich nogmaals
van mijn hartelijken dank overtuigd.

Ik mag ook niet vergeten hier mijn dank te betuigen aan
Prof. W. E. RINGER die me menigmaal in technische en
theoretische moeilijkheden hielp en aan mijn vriend
van der
HEYDE die niet karig was met kritische opmerkingen.

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Verdauungsphysiologische Studien
an Holothurien.

von H. A. P. C. OOMEN.

(UTRECHT, Holland.)

Estratto dalle « Pubblicazioni della Stazione Zoologica di Napoli»
Vol. VII. 1926.

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Napoli — Tipografia Editrice Francesco Giannini & Figli.

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Verdauungsphysiologische Studien an Holothurien.

von H. A. P. C. OOMEN.

(UTRECHT, Holland.)

Mit 10 Textahhildungen, und 25 Tabellen. *

(Eingegangen am 22 Dezember 1926).

Inhaltsübersicht.

Einleitung...........

I. Biologie. Nahrungsaufnahme. Die Nahrung.

II. Der Darmtrakt und seine Umgebung.....

Ä. Anatomischer Bau .......

B. Histologischer Bau.......

C. Die Amoebocyten und die Sekretion. .
ni. Die Verdauungsflüssigkeit.......

IV. Die Verdauungsenzyme.......

Ä. Die Proteasen . . ......

B. Die Carbohydrasen.......

C. Die Lipasen........

V. Permeabilität und Uesorption......

A. Permeabilität und Resorption des Darmtraktes unte

physiologischen Umständen.....

1. Versucho mit Qhloriden.....

2. Versuche mit Glucose......

3. Versuche mit Harnstoff.....

4. Versuche mit Farbstoffen.....

B. Permeabilität unter pathologischen Verliältnissen

C. Die paradoxale Beschaffenheit der lobenden Darmwand

D. StofFaufnahmc aus der Aussenflilssigkeit

Zusammenfassung der Ergebnisse......

Literaturverzeichnis........

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Einleitung.

Die Tiergruppe der Echinodermen ist durch einige bemer-
kenswerte Besonderheiten gekennzeichnet. Von vergleichend phy-
siologischer Seite ist des öfteren betont worden, dass sie ein
beträchtliches Interesse für sich beanspruchen darf. Die diesbe-
zügliche Literatur muss jedoch als sehr lückenhaft und unzurei-
chend bezeichnet werden. Das wird bereits durch die Zurückhai-

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tung und Vorsicht illustriert, mit der Jordan und Winterstein
sie in ihren vergleichend physiologischen H<andbüchern behandeln.
Deutlicher geht es vielleicht noch hervor aus der in jüngster
Zeit erschienenen Schrift von
van der Heyde, dessen Absicht es
war, hier « clearing work » zu leisten.

So häufig z. B. Mollusken und Crustaceen als Versuchsobjekte
Verwendung finden, so selten wird mit Vertretern der Echino-
dermen experimentiert, obgleich sich doch diese in grösserer Zahl
und leicht zugänglich an jeder Küste vorfinden. Vergeblich sucht
man nach Darstellungen, die mehr beweisen als zerstreute Ein-
zeldaten über ihre Lebensvorgänge und so kann man noch gar
nicht daran denken, die Zusammengehörigkeit ihrer Organsysteme
oder die Physiologie einer einzigen ihrer fünf Klassen auch nur
in groben Zügen zu schildern. Am besten sind wir vielleicht noch
über die Klasse der Holuthurien unterrichtet. Hier muss die
Schrift von P.
Enriques « Digestione, circolazione e assorbimento
nelle oloturie » als klassisch bezeichnet werden. Aber die von ihm
inaugurierte Polemik anlässlich
Cohnheims « Versuche über Re-
sorption, Verdauung und Stoff\'wechsel von Echinodermen » harrt
noch immer ihrer Entscheidung. Auf dieses Gebiet bezieht sich
ferner noch die « Wanderzellen - hypothese » von
Frenzel, deren
Wichtigkeit manchmal unterschätzt wird, wenn auch eine genauere
Nachprüfung niemals vorgenommen wurde. Gerade derartige offene
Fragen Hessen mir die Verdauungsphysiologie dieser Tiere anzie-
hend erscheinen. Es kommt noch hinzu; dass die anatomischen
Verhältnisse relativ übersichtlich sind und, wie erwähnt, die Tiere
an geeigneten Stellen massenhaft vorkommen. Was dieses Gebiet
als eine gewisse Einheit erscheinen lässt, ist z. B. die ziemlich
weitgehende Individualität des Verdauungsstraktes und seiner
Adnexe. In diesem Zusammenhang denke man an den eigentüm-
lichen Autotomieprozess des Darmes, ein wohlbekanntes Phänomen
für jeden, der mit diesen Tieren zu arbeiten hatte. So ergab sich
der Aufgabenkreis dieser Arbeit, die Verdauungsphysiologie der
Holothurien etwas eingehender zu studieren, in der Hoffnung,
einen Beitrag liefern zu können zum besseren Verständnis ihrer
allgemeinen Organisation.

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I. Biologie. — Nahrungsaufnahme. — Die Nahrung.

Die beiden für die Versuche verwendeten eben erwähnten
Arten zeigen in ihrer Form und Lebensweise sehr viel Uberein-
stimmung.
H. stellaü ist gewöhnlich violett-schwarz mit vielen
weissen Pünktchen, die durch die Saugnäpfchen der Pedicellarien
gebildet werden. Die Grösse ändert sich sehr erheblich mit dem
Kontraktionszustand des Hautmuskelschlauches. Grosse Exem-
plare erreichen in gestrecktem Zustand eine Länge von 30-40 cm.
Wie bei der anderen Art scheint man auch hier je nach dem
Fundort bald grössere, bald kleinere Exemplare zu fangen. Wäh-
rend man
H. stellaü meist in den oberflächlichen Wasserschichten
findet, und sie unterhalb 10 m kaum mehr anzutreffen ist, zieht
H. tuhulosa im allgemeinen mehr die Tiefe vor und ist unterhalb
der erwähnten Tiefe die allein vorkommende Art. Sie ist fast
stets grösser als die vorige. Unter Umständen werden Längen bis
zu 60 cm beobachtet. — Ihre Bauchseite ist schmutzig weiss oder
bräunlich grau während die oberen Partien kastanien- bis schoko-
ladenbraun gefärbt sind. Weder durch Untersuchung des Darm-
inhalts noch durch Beobachtungen an den Fundorten haben
sich Unterschiede bezüglich der Lebensweise der beiden Arten
ergeben, welche grösser wären, als diejenigen, die man auch in-
nerhalb einer Art feststellen kann.

Man trifft die Holothurien fast ausschliesslich auf sandigem
Hoden oder wenigstens in der Nähe von Sand, immer zwischen,
bei oder unter Algenbuscheln
(Posidonia), deren Anwesenheit
unbedingt notwendig zu sein scheint, um ihnen eine ausreichende
Menge von Nahrung zu sichern. Man sucht sie vergeblich auf
felsigem, sandfreiem Boden. Bei nicht sehr seichtem Wasser muss
das Auge eine besondere Übung haben um die Tiere zu bemerken,
da sie sich derartig mit Algenstückchen, Sand und Steinchen bede-
cken, — zumal
H. stellati — dass man sie kaum erkennen kann.
Ich habe niemals beobachten können, dass die Tiere sich vergraben
wie viele dendrochirote Arten. Gewöhnlich kriechen sie langsam auf
dem Sande umher, und man bemerkt ihre Anwesenheit erst an
den wurstförmigen Exkrementen oder an ihrer Gurkengestalt.
Dann und wann findet man sie auch in den Algenbüschen selbst
oder in Algenrasen, die senkrechte Wände bewachsen.

Dort besteht ihre ganze Beschäftigung darin, dass sie mit
ihren vielen Fühlern die Umgebung abtasten, Nahrungsteilchen

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sammeln und rythmisch ihr Atemwasser einsaugen und aussprit-
zen. Andere Handlungen ereignen sich kaum im Laufe ihres Le-
bens. Seit ihrer Larvenzeit haben sie äusserst wenig Feinde —
wahrscheinlich nur grösste Prosobranchier. Ihre sexuellen Äusse-
rungen sind sehr passiv. Sie leben immer in Nahrungsfülle. Selbst
die geringe Romantik des Seesterndaseins, von dem
van der Heyde
(S. 79.) schreibt: «Constantly starving and having almost no
reserves these animals live from day to day and have to fight
for existence, » hat für unsere Holothurien keine Berechtigung.

Bei alledem ist die Beschaffenheit ihrer Nahrung das wich-
tigste Moment.
Ludwig gibt als solche für Holothurien im allge-
meinen an : « Ausser kleineren und grösseren Sand- und Schlamm-
teilchen, die Reste von kleinen Mollusken, Crustaceen, Würmern,
Moostierchen, Korallen, Quallen, Foraminiferen , Radiolarien ,
Diatomeen, seltener von kleinen Fischen. »
Semper gibt von einer
Art
(Phyllophorus mollis Sei.), an dass sie sich von Pflanzen
nährte. Für meine beiden Arten spielt pflanzliche Nahrung sicher
keine untergeordnete Rolle. Es sind Omnivoren, in deren Darm-
kanal man alle möglichen Nahrungsbestandteile aus ihrer Umge-
bung findet, sofern sie nur in Form kleiner Partikel aufgenommen
werden können, hauptsächlich pflanzlicher und tierischer Detritus.
Dieser ist mit Sand und kleinen Steinchen vermischt, deren Menge
und Grösse erhebhchen Änderungen unterworfen sind. Die meisten
Tiere beherbergten in ihrem Darmkanal ziemlich homogenen feinen
Sand, aber gelegentlich kam auch eine Füllung ausschliesslich
mit erbsengrossen Steinchen vor.

Ich weiss nicht, ob bei den von Cohnheim angegebenen Daten :
« 21 g Sand aus Holothuriendärmen enthält 8,1 mg N, 40 g
Seesand («frisch eingebracht») 2,6 mg N », unter « Seesand »
der Sand der Fundorte zu verstehen ist. Jedenfalls sind die Ho-
lothurien imstande, aus dem, was sie vorfinden, eine Auswahl zu
treffen. Das lehrt schon die Beobachtung an einem Tier, das in
Algenbüschen oder in einem Aquarium herumkriecht, wie dies
übrigens auch für die dendrochirote Art
Thyone gilt, von der
Pearse schreibt : « Th. is apparently a rather indiscriminate fee-
der but sand was unfrequent in the stomach contents and though
particles of sand were seen sticking to the tentacles as they
entered the mouth, most of them were brought again as the
tentacles emerged ». Bis zu einem gewissen Grade sind sie in der
Lage, Sand von Nahrungsteilchen zu unterscheiden, wobei sie den

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Sand, Avie ich annehmen möchte, als Autfüllungsmaterial benutzen.

Aus einer Anzahl mikroskopischer Darminhaltsuntersuchun-
gen gewann ich bei meinen Tieren den Eindruck, dass gewöhnlich
mindestens ebensoviele pflanzliche wie tierische Reste vorhanden
sind. Als Beispiel bringe ich die Aufzählung der bei einem Tier
vorgefundenen Nahrungsbestandteile.

(Protokoll vom 20, VII. 1925.). Tier lebte auf sandigem Boden
zwischen
Posidonia und Algenrasen in ungefähr 4 m Tiefe. Krop-
finhalt : Ein Stück
Cladophora prolifera, einige Stückchen abge-
storbener
Posidonia blätter, Teilchen von Sphacelaria spec. und
Stypicolon spec., einige kleine Crustaceenlarven, Schalenteilchen
von Bivalven, Bryozoen-Kolonien, zahlreiche Foraminiferen in zwei
Arten, einige Radiolarien, viele Diatomeen, fast kein Sand, nicht
näher bestimmbare Detritusreste. Enddarminhalt desselben Tieres :
Viele Reste von
Posidonia blättern mit Bryozeenkolonien, ein
Bruchstück von
Stypicolon, weisse Reste von Kalkalgen, unbe-
stimmbare, entfärbte Algenreste, leere Skelette von kleinen Crus-
taceen, Schale einer jungen Mytilide, Nadeln aus Spongienske-
Ictten, leere Foraminiferenschälchen, viele, meist farblose Diato-
nieenschalen, ein paar unverdaute kleine Eier, wenig Sand.

Was die chemische Analyse der Nahrung anbetrifft, möchte
ich auf die bereits erwähnten Stickstoff\'bestimmungen von
Coun-
UEiM verweisen. Weiterhin habe ich selbst den Gehalt an reduzier-
baren und reduzierenden Substanzen von Kropf und Enddarm

bestimmt.

Bei einer Anzahl frischer Tiere wurde der Inhalt der Krö])le
und der letzten Darmabschnitte gesammelt und 48 Stunden im
Trockenschrank getrocknet. Die Trockensubstanz des

Kropfinhaltes wog : 0,145 g.
die des Enddarms : 11,935 g.
Sodann wurden beide Trockensubstanzen mit je 100 ccm IN. HCl
Stunden digeriert, filtriert, mit NaOll neutralisiert und abermals
filtriert. Im Filtrat wurde die Zuckerbestimmung nach
Schoorl
vorgenommen. Als Glucose berechnet ergibt sich

für den totalen Kropfinhalt 14,5 mg,
für die totale Enddarmmenge
12,7 mg.

Zwischen Kropfinhalt und Enddarminhalt war also eine
Abnahme von 0,2,%% auf 0,106% des Trockengewichts an
reduzierende Substanz zu konstatieren.

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TIEÜEMAW
1810.

JOUUD.W
1883

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1884

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1887.

LUDWIG
1892

COHNHEIM
\' 1901.

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lil()3.

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DER HEYDE
192:>.

IN DIESER
ARBEIT

Schlund

j faringe

oesophage

Speiseröhre

esofago

oesophagus i

j

Schlund

Oesophagus ;

Magen

intestin
anterieur

intestin
buccal

Magen

ingluvie

muscular
stomach

Kropf

Darm . . \\

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Drüsenma-
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Magen

intestin
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terminal

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Dünndarm

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intestino

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Magendarm
Darm

Kloake

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Rektum

cloaque

Enddarm

Kloake

[

cloaca

cloaca
(rectum)

Kloake

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II.—Der Darmtrakt und seine Umgebung.

A. — Anatomischer Bau.

Bezüglich der Nomenklatur des Darmtrakts begegnet man in
der Anatomie der Holothurien, mehr als sonst , einer vollstän-
digen Anarchie. Der mehr oder weniger einförmige Verdauungs-
schlauch weist
keine so auffälligen Erweiterungen auf wie z. B.
der Magen anderer Evertebraten und vergeblich sucht man nach
etwas, was mit deren Mitteldarmdrüse Ähnlichkeit hätte. Infol-
gedessen hat jeder Autor, der sich mit dem Bau des Darmtraktes
zu beschäftigen hatte ,
eine ziemlich subjektive und Avillkürliche
Benennung angewandt. So unterscheidet z. B. Tiedemann, wohl
der erste Autor, der sich eingehender mit der « röhrenförmigen
Holothurie » beschäftigte, am Verdauungstrakt einen «Magen »,
einen « Darmkanal » und eine « Kloake ». Am einfachsten ge-
staltet
CouNHEiM die Namengebung, indem er den ganzen Schlauch
schlechthin « Darm » nennt. Den funktionellen und morpholo-
gischen Verschiedenheiten entspricht m. E. am besten die von
Enriques angewandte Terminologie, die ich im folgenden im we-
sentlichen aufnehmen werde. Die beigefügte Tabelle (Tab. I.)
kann viel- leicht übersichtlicher als eine Besprechung die zahl-
reichen hier vorkommenden Benennungen verdeutliclien i.

An dem Verdauungsrohr einer frisch eingefangenen, aufprä-
parierten Holothurie kann man verhältnismässig leicht folgende
Abschnitte unterscheiden :

1. den Schlund , ein kurzes wenig muskulöses Stück , das
nicht gefärbt ist und zwischen den Fühlerampullen vom Kalk-
ring bis zu einer leicht bräunlich pigmentierten Einschnürung
verläuft, die den ersten Sphinkter darstellt , die diesen ersten
Abschnitt trennt vom.

2. Kropf. Er ist ziemlich stark mit Muskeln versehen,
etwa 4-,5 cm lang und honigbraun pigmentiert. An beiden Seiten
wird er von den proximalen Enden der Gefässstämme eingefasst,
die dorsal und ventral den grössten Teil des Darmtraktes be-
gleiten. Kopf und Schlund sind beim frischen Tiere fast stets
mit nahrungshaltigem Sand prall gefüllt. In diesem Zustand ist das
proximale Ende mehr konisch verjüngt als das distale. Der Kropf

Fast alle angegebenen Namen beziehen sich auf Holothuria tuhulosa.

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wird abgeschlossen durch einen zweiten schokoladenbraun gefärbten
Sphinkter, den man immer in kontrahiertem Zustande findet.
Seiner dicken Wandung verdankt er wohl den Namen « Muskel-
magen y..

3. Der Äfagen hat eine bräunliche Wand , die hier und da
unregelmässige vom Tonus abhängige radiale Kontraktionen zeigt
und den flüssigen Inhalt ein wenig locker umschliesst. Diese Ver-
dauungsflüssigkeit enthält meistens keine oder nur spärhche .
Nahrungsteilchen. Er bildet etwa die untere Hälfte des ersten
absteigenden Schenkels des Darmtraktes und erstreckt sich dann
über den ganzen aufsteigenden Schenkel; in einzelnen Fällen noch
eine kleine Strecke darüber hinaus. Während er anfänglich ziem-
lich schlaff" gefüllt erscheint von dieser gelben Flüssigkeit, sieht
er in seiner zweiten Hälfte mehr gespannt aus und enthält
erst wieder an dieser Stelle zu wurstförmigen Paketchen zusam-
mengeballten Nahrungsmassen. Dieser Teil zeichnet sich aus durch
eine dickere muskulöse Wand und ein geringeres Lumen. W^enn
ich in den nachstehenden Seiten gerade diesen Abschnitt hervor-
heben möchte, so werde ich ihm als «
Magendarm « bezeich-
nen. Die Grenze zwischen beiden ist bei jedem Individuum ver-
schieden und dadurch schwer aufzufinden , dass beide Teile oft
fliessend ineinander übergehen. Magen und Magendarm kenn-
zeichnen sich durch die üppige Entwicklung der Gefässsysteme
an ihrer dorsalen und ventralen Seite.

4. Der eigentliche Barm ist vom Magen und vom Magen-
darm deutlich unterscheidbar. Um so vervvunderhcher ist es uns,
dass seine Grenze niemals von anderen Forschern hervorgehoben
wurde. Erstens vereinigen sich in ihrer unmittelbaren Nähe die
beiden Gefässgeflechte wieder zu einem einzigen dorsalen und ven-
tralen Gefäss. Zweitens kann man hier im Bau der Wand deut-
liche makrosko{)ische Verschiedenheiten zwischen den beiden scharf
an einander grenzenden Gewebearten feststellen. Die Magen wand
ist braun und verhältnismässig weich und grenzt mit einer schar-
fen Linie an die blasse muskulöse Darmwand, die von der Kon-
sistenz einer Gelatine - Gallerte ist. Wenn diese Übergangsstelle
gerade frei von Nahrung ist, markiert sich der Darmanfang durch
eine deutliche Verschmälerung. Der Darm bildet den zweiten
absteigenden Schenkel der Schlinge in die der Verdauungskanal
gewunden ist. An leeren Stellen erscheint er als geschlängeltes
Band. Distal mündet er in die geräumige.

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5. Kloake , die wohl keine grosse Rolle hei der Herausbe-
förderung der Excremente zu spielen hat. Sie steht hauptsäch-
lich im Dienste der Atmung durch die beiden Kiemenbäume, die
von hier aus in die Körperhöhle hineinragen. Durch verschiedene
Muskelbänder ist sie im distalen Teil des Hautmuskelschlauches
befestigt.

In inniger Verbindung mit dem Darmtrakt stehen die ven-
tralen und dorsalen
Gefässgeflechte. Sie werden gebildet durch
das ventrale und das dorsale Marginalgefäss, das sich distal vom
Kröpfe vom Verdauungsrohr loslöst. An beiden Seiten bildet sich
hier zwischen Gefässtamm und Magen ein ziemlich variables Ge-
fässnetz, das in den Spalten und Lakunen der Magenwand endet.
Während aber das ventrale Netz aus einer grossen Zahl einfa-
cher, meist paralleler, hier und da anastomosierender Quergefasse
besteht, ist das dorsale ein wesentlich, komplizierteres Gebilde.
Hier findet man nämlich am ersten absteigenden Ast des Darm-
traktes die sogenannten
v. Wundernetze ». Es sind dies eine Anzahl
gesonderter Gefässplexus , die dadurch zustande kommen , dass
ebensoviele kleine Gefässe sich plötzlich in zahlreiche dickwan-
dige, mehr oder weniger gefärbte Kanälchen aufteilen, um sich
nachher wieder zu einem Gefäss zu vereinigen , das in die Bin-
degewebslakunen der Magenwand einmündet.

Farbe und Grösse der Wundernetze sind erheblichen Schwan-
kungen unterworfen. Einmal findet man winzig kleine braun-
schwarze, ein anderes Mal sind sie gross und voluminös und gelb
oder orangegelb gefärbt. Worauf diese Variabilität zurückzuführen
ist, konnte ich nicht feststellen. Die kurze Hungerfrist, der die
Tiere in den Aquarien ausgesetzt sein können, hat mir niemals
deutliche Verä.nderungen vor Augen führen können. Ebensowenig
war es möglich, einen Kausalzusammenhang zwischen der erwähnten
Variabilität und den Wohnorten der Tiere zu linden. Axjch die
Anzahl der Wundernetze ist sehr inkonstant.

Diese Variabilität wird auch schon von Enriques betont. Er
schreibt : « Ma le possibili varieta di disposizione dei vasi di
questo sistema lacunare sono numerosissime ». Länge, Grosse,
Farbe und Anastomosen der Wundernetzregion sind individuell
ganz verschieden. Aber immer findet man die Wundernetze ein-
gebettet und verwachsen mit den Verzweigungen des linken Kie-
menbaums (Abb. 1).

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• In Hpr VPrdiuunff begriffenen Holollmria tubolosa. 1 Ivalkring mit Fühlerampullen, 2. Schlund, massig ge-
(■) Uebersicht des
"-■"»■\'«\'^fXkter v sehen SehCd u^ndTropf?! Kropf, prall gefüllt von Nahrungsmassen, 5. Sphinkter zwischen Kropf und
füllt mit Schla„.mbrocken. 3. Sphinkter sehen 7
Wundernetze, 8. Grenze von Magen und Darm, 9. Darm an den nicht

Magen, 6. Magen worm die wenig Schlan m entha«

- —• -- - Aufhangexnesen-

terien sind abgeschnitten.

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In den dorsalen und ventralen Gefässstämmen sowie in den
Quergefässen des ventralen Geflechtes beobachtet man unregel-
mässige Kontraktionen, die sich langsam fortpflanzen.
Tiedkmann
vertrat die Ansicht, dass dadurch eine regelmässige Cirkulation
entstehe und auch
Enriques hat zu zeigen versucht , dass ein
kontinuierlicher Strom vorlag. Verschiedene andere Autoren ,
(Semper, Joh. Müller, Baur und Herouard) fassten diese Bewe-
gung als eine ganz unregelmässige auf. Wenn eine Cirkulation
besteht, so ist sie doch wohl sehr langsam, selbst wenn die Kon-
traktionen längere Zeit regelmässig auftreten. Die Anordnung und
der Bau der « Blutgefässe » machen eine regelmässige Strömung
in einer einzigen Richtung ziemlich unwahrscheinlich ; ohne we-
teres ist aber einzusehen , dass aus diesen Pulsationen eine an-
dauernde Durchmischung des Gefässinhalts resultiert.

Proximal endigen beide erwähnten Gefässe in einen unschein-
baren , etwas pigmentierten Gefässring , der einen Zweig an die
benachbarten Gonaden abgibt und ausserdem—nach Angaben ver-
schiedener Autoren noch fünf andere kleine Gefässe, die Radial-
ge fasse.

Distal begleiten die grossen Gefässe noch eine kürzere oder
längere Strecke den eigentlichen Darm.

In der Wand des Darmtraktes , zumal in der des Magens,
sind eigentliche Gefässe nicht nachweisbar. Hier finden sich nur
zahllose reichverzweigte, unregelmässige Lakunen in dem Gewebe
zwischen Epithel und Muskelschichten.

Schliesslich möchte ich an dieser Stelle noch den innigen
Zusammenhang des Darmtraktes mit den « Blutgefässen » her-
vorheben. Nur hier erreichen diese einen relativ mächtige Ent-
wicklung , während sie in den anderen Körperregionen lediglich
«vus spärlichen kleinen Astchen, die man bisweilen kaum auffinden
kann, bestehen.

B. Histologischer Bau.

Die Wand des Verdauungstraktes lässt im allgemeinen fol-
gende Schichten unterscheiden :

1) das Ejnthcl, das in der Kropf und Magengegend kräftig
entwickelt
ist, während es im eigentlichen Darm schwächer aus-
gebildet ist.
Im Darm folgt es genau den Konturen der äusseren
Oberfläche
(Abb. 2). Ini Kröpfe und im Magen ist es dagegen

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durch viele in der Längsrichtung verlaufende Gruben und Falzen
ausgezeichnet, wodurch seine Oberfläche erheblich vergrössert wird.

Dieses Epithel wird von länglichen, strahlig angeordneten
Zellen gebildet, die meistens, so besonders in der Magengegend,
schöne grosse Kerne aufweisen.

Von einer Cuticula, einem Stäbchensaum oder einer Wimpe-

rung ist weder an den fixierten Präparaten noch am frischen
Material etwas zu bemerken.

Schwieriger ist es, am Darmepithel die einzelnen Zellen zu
unterscheiden, deren Kerne hier auch nicht so regelmässig an-
geordnet sind. Auch trifft man in grösserer Zahl, besonders in
der oberen hyalen Zone eigenartige, blasönformige ungefärbte

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Stellen, die wohl Spuren von ausgeschiedenen Sekreten, wahrsche-
inlich Schleim darstellen. Unter dem Epithel finden sich. (Tab.3).

2) einige liindegcrcchsschichten, die zuweilen sich der Epi-
thelschicht diclit anschmiegen, zuweilen geräumige Lakunen offen
lassen. Häufig ist das Bindegewebe durch senkrecht auf der
Oberfläche stehende Brücken in eine Anzahl Kammern eingeteilt.
In den fixierten Präparaten weisen diese Gewebe wegen ihres
lockeren Zusammenhangs und ihres Wasserreichtums ansehnliche

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Schrumpfungen und Veränderungen auf. Nach Beobachtungen an
frischen Geweben glaube ich aber, dass in den Mägen frischer
Tiere die Spalträume viel zahlreicher sind als im.Hungerzustand.
Die W^and solcher Mägen erscheint im lebenden Zustande
immer durch eine amoebocytenreiche Flüssigkeit ziemlich prall
gefüllt.

An günstigen Schnitten kann man drei verschiedene Schichten
am Bindegewebe unterscheiden. Die obere ist die dickste urid

färbt sich mit Haematoxylin-Eosin schwach blau. Die mittlere
färbt sich rötlicher und intensiver und ist reicher an Fasern. Die
untere nimmt nur sehr wenig Farbstoff an. Sie schliesst sich meist
dicht an die Muskelschichten an. Alle drei Schichten werden von
feinen radial gestellten Fasern gebildet.

3) Die Muskelschichten bestehen meist ans einer I^age dicht
ineinandergreifender llingfasern, die von einer Zone von Läng-
sfasern in wechselnder Dicke eingeschlossen wird. Ihre grösste
Entwicklung erreichen sie im Kropf und in den beiden Sphinkteren.

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4). Das Peritonealepithel begrenzt den Darmkanal an der
Aussenseite. Es zeigt eine ziemlich variable Entwicklung. Auch
diese Schicht prägt sich am deutlichsten wieder in der Magen-
gegend aus, wo die Zellkerne oft mehr oder weniger regelmässige
Guirlanden bilden.

Enriques (tav. 2, z. B. fig. 16) zeichnet das innere sowie

das Peritoneale{)ithel als mit langen Wimpern versehen. Nach
Joürdan wird es von kurzbewimperten Zellen gebildet. Diese sollen
von einer wechselnden Zahl von Wanderzellen durchsetzt sein. In
meinen Präparaten konnte ich hierüber nichts genaues feststellen.

Das niutgefässsystem hängt auf\'s innigste mit den Lücken
bn Bindegewebe des Verdauungstraktes zusammen. Dieser Zusam-

Pubblicazioni della Stazione Zoolo«ica di Napoli.-Vol. VIT. 2

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menhang wird besonders von Hamann hervorgehoben, der von
« Blutlakunen » und « Aussackungen » des Darmkanals auch dann
zu sprechen pflegt, wenn er die als deutlich gesonderte Schläuche
erkennbaren Hauptgefässe und deren Abzweigungen im Auge hat.
Ich werde jedoch bei dem traditionellen Namen « Gefässe » für
diese doch deutlich unterscheidbaren Kanäle verbleiben, während

ich den Begrifl" « Lakunen » für die nicht regelmässig begrenzten
Räume im Bindegewebe des Darmtraktes reservieren möchte. Auch
den Namen « Blut » für den Inhalt dieser Gefässe werde ich aus
traditionellen Gründen beibehalten (Abb. 5).

Die Lakunen in der Magenwand hängen an zahllosen Stellen
ventral und dorsal mit dem I^umen der Gefässe zusammen. Die
äusseren Schichten des Magens sind denn auch dieselben wie die
der Gefässe. Die « Intima » wird gebildet von einer dünneren
oder dickeren unregelmässig begrenzten Bindegewebsschicht die
identisch mit der des Magens ist. Nach aussen begegnet man dem

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an den Hauptgefässtämmen nicht wesentlich veränderten Perito-
nealepithel und an verschiedenen Stellen auch den beiden Mus-
kelfaserlagen der Magenwand. An den Wundernetzen aber er-
reicht dieses Epithel eine abnorme Dicke und Form. Hier stehen
seine Zellen fächerförmig um das enge Lumen. Die grossen Kerne
liegen im peripheren Abschnitt. Die Zollenden sind unregelmässig
und gegen die Körperhöhle zu etwas angeschwollen. Oft sind sie
von feinen dichroitischen bräunlich-griinen Körnchen erfüllt, von
denen weiter unten noch die Hede sein wird. Auch hier finde ich
in den fixierten Präparaten keine äussere Wimperbekleidung, wie
sie
Enriques angibt. Die ausserordentliche aktive Bewegung von
Amoebocyten in der Nähe der lebenden Organe, ist aber wohl
auf keine andere Ursache zurückzuführen.

C. Die Amoebocyten und die Sekretion.

Wohl jedem, der auf histologischem Gebiete mit der Echi-
noderniengruppe zu tun hatte, ist der ausserordentliche Reichtum
ihrer Gewebe an Amoebocyten aufgefallen. Zumal im Verdauung-
strakt der Holothurien ist ihre Häufigkeit in den oben beschrie-
benen Bindegewebsschichten und in den Wundernetzen überra-
schend. Auch wenn man ein Stück der lebenden Wundernetze mit
<lem Mikroskop nuistert, wird an ihrer Aussenseite ein angeregter
Verkehr von zahllosen Wanderzellen sichtbar. Hier vollzieht sich
ein so reges Konunen und Gehen von tausenden von Zellen, die
heran-und wieder weg gestrudelt werden, dass man vermuten darf,
CS hier mit einem der aktivsten Organe des Tieres zu tun zu
haben. Weiter kann man beobachten, dass die Amoebocyten einen
\'iiehr oder weniger ständigen Belag auf der Aussenwand des Ma-
gens bilden, ferner auch das die Umgebung der Kiemen ein Zen-
trum ihrer Verbreitung in der Körperflüssigkeit darstellt. Man
braucht sich demnach nicht zu wundern, dass man den Amoebocyten
verschiedene wichtige Funktionen! für den Stoffwechsel der Tiere
zugeschrieben hat. Ohne auf die ihnen manchmal zugeschriebene
cxcretorische Tätigkeit näher einzugehen, erinnere ich hier nur
\'i\'ii die Wanderzellenhypothese von
Frknzel, die durch die Beo-
l>\'\'ichtungen von
Enriques aufs neue beleuchtet ist. Letzterer Autor
^^^les darauf hin, wie sehr die dichroitisch grünen Körnchen in den
Wundernetzen und den Magenlakunen der Holothurien mit den
Permentkörnchen übereinstimmen, die die Mitteldarnulrüse (« fe-

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.ato «) der Mollusken produziert. Daher hält er diese Drüse mit
Ln Wundernetzen unserer Tiere für homologe Organe. Seiner
Meinung nach wird das Epithel der Wundernetze
von Drüsenzellen
gebildet" die ihr Sekret an den Inhalt der Netze abgeben. Hier
wird es von den Wanderzellen aufgenommen, von einem Häutchen
(« membranella >.) umgeben und nach den Magenlakunen trans-
portiert Dort sollen die Körnerhäufchen ihren Amoebocytenan-
hang verlieren und einzeln durch die Epithelzellen dringen, um

sich dann in Lumen aufzulösen.

Meine Beobachtungen stimmen im grossen und ganzen mit
denen von
Enriques überein. Ein exakter Beweis für seine Hy-
pothese ist aber bei der eigenartigen Organisation der Tiere kaum

zu erbringen. . ^ t i -ö-

In den grösseren Gefässen des m der \\erdauung begriffenen

Tieres sieht man sehr viele dieser Häufchen, die aus bräunlich-
grünen stark lichtbrechenden Körnern bestehen und umgeben von
Amoebocyten den Eindruck erwecken, als werden sie in der Längs-
richtung fortgerissen. Es dürfte aber sehr schwierig sein, fest-
zustellen, nach welcher Seite dies geschieht. Maximale Anhäufun-
gen dieses Farbstoffs trifft man in den Bindegewebslakunen der
Magenwand und in den W^undernetzen. Mehr zerstreut begegnet
man ihnen auch in den Lakunen des Darmes und in der Kiemen-
wand. Wenn, nach ihrer Form zu urteilen, die Körner auch ein
Excretionsprodukt sein könnten, so spricht doch ihre Verbreitung

ziemlich stark dagegen.

Trifft dies nicht zu, so gäbe es noch folgende zwei Möglich-
keiten : erstens, dass die Körner ein Zwischenprodukt des Nah-
rungsstoffwechsels bilden, welcher sich jenseits des Magenepithels
vollzieht, und von hier aus den Wundernetzen zugeführt werden ;
zweitens, dass die von
Enriques stammende Annahme zutrifft
und man hier tatsächlich nicht lokal entstandene Fermente vor
sich hat. Unterschiede zwischen Hunger- und Verdauungszustand
können uns hier keine Aufklärung verschaffen. Bei der Verdauung
beobachtet man nur eine relative Armut an Amoebocyten und an
dichroitischen Körnchen, verglichen mit den frischen Präparaten
von der Magenwand. Dass dies aber zu deutlichen makroskopi-
schen Färbedifferenzen führen könnte, wie
Enriques behauptet
(S. 6.) habe ich niemals beobachten können. Vielleicht hängt
dies mit der kurzen Hungerzeit zusammen, die die Tiere im Som-
mer auszuhalten imstande sind.

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Die Argumente dafür, dass diese Farbkörnchen enzymatischer
Natur sind, und nicht ein Zwischenprodukt in der Verarbeitung
der Nahrung darstellen, glaube ich in folgenden Punkten zusam-
menfassen zu können.

1. Fermentkörnchen dieser Art sind bekannt (Mollusken),
während derartige Zwischenprodukte niemals beschrieben würden.

2. Bei frischen (verdauenden) Tieren ist der Magen von einer
dichroitisch bräunlichen Flüssigkeit erfüllt, die schon nach kurzer
Hungerzeit verschwindet (vgl. den Abschnitt : Verdauungsflüssig-
keit). Nur diese braune Flüssigkeit enthält Enzyme ; die sie später
verdrängende wasserklare nicht. Bei zunehmender Hungerzeit wird
die Fermentaktivität des Magenwandextraktes geringer, während
gleichzeitig der Farbstoffgehalt abnimmt. Farbstoffgehalt und En-
zymwirkung gehen also einander parallel ; und zwar sowohl im
Magen, als auch in den Wundernetzen (vgl. Abschnitt : Enzym-
wirkung). Wenn die Enzyme, wie sonst zu erwarten wäre, in der
Magenwand selbst entstünden, so wäre die kräftige Enzymwirkung
des Wundernetzentraktes ziemlich rätselhaft.

Die Bindegewebsschichten in den Wundernetzen zeigen im-
mer eine sehr scharfe Abgrenzung gegen das Lumen. An dieser
Grenze findet man zahllose Amoebocyten , die dort eine an-
sehnliche Lage bilden können. In den kleinen Gefässen füllen
sie das Lumen manchmal gänzlich aus. Oft bekommt man den
Findruck, dass es sich hier geradezu um eine Bildungsstätte der
Waiiderzellen handelt. Man kennt hier auch wohl Teilungssta-
dien in der Kernmasse und das histologische Bild erinnert eini-
germassen an eine lymphoide Drüse. Im Epithel der VVunder-
netze beobachtet man niemals Amoebocyten an den Stellen, wo.
sich die Farbstoffkörner noch vereinzelt finden.

Daher stelle ich mir den Sekretionsprozess ungefähr folgen-
derinassen vor : die Epithelzellen der Wundernetze bilden die
dichroitischen Körner, die sich in Häufchen im Bindegewebe an-
sammeln. Von dort werden sie von den VVanderzellen mitgerissen
und nach den Bindegewebslakunen in der Magenwand transpor-
tiert. Hier werden die Körnchen frei, dringen durch die Epithel-
zellen und lösen sich in der Inhaltsflüssigkeit auf.

Dies wäre zweifellos eine bemerkenswerte Bild ungsweise von
Verdauungsekreten, die sicher nicht nur von vergleichend-phy-
siologischem Interesse sein würde und zu welcher Analogien schwer
^u finden sein dürften.

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In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine eigenartige
Enzymsekretion
hinAveisen , die in jüngerer Zeit M. I.oepkr und
G.
Marohai, (1. und 2.) beim Menschen aufgedeckt haben. Diese
Autoren beobachteten , dass man mit gewissen Nalirungsstotten,
z. B. mit Fleischbrühe , eine erhebliche Sekretion von polynuk-
leären Leukocyten im Magen hervorrufen kann. Ihre Proteasen
sind zwar weniger aktiv als das Pepsin ; sie können aber dessen
Wirkung erheblich steigern. N.
Fiessinger (S. 95) schreibt sogar
von ihnen : « Ce qui est interessant , c\' est que ces ferments
leucocytaires peuvent intervenir, dans certains estomacs apeptiques
et collaborer ainsi d^une façon très précieuse à la digestion ».

Wie dem auch sein mag, die Cooperation der Wundernetze
mit dem Magen bietet manche interessante Ausblicke, und viele
Probleme harren hier noch ihrer Lösung. Die Bearbeitung dieses
Themas würde jedenfalls einen besonders wichtigen Punkt in der
noch rätselhaften Verdauungsphysiologie der Echinodermen be-
treffen.

III.—Die Verdauungsflüssigkeit.

Wenn mau eine frisch eingefangene Holothurie öffnet, findet
man immer , weil die Tiere niemals hungern , Nahrungsmassen
im
Darmtrakt. Diese zeigen fast ausnahmslos eine bestimmte
Verteilung. Der Kropf ist stets gefüllt , sodass , wenn z. B. der
Darmkanal , wie dies am häufigsten geschieht , vor dem Kropf
abreisst, die in ihm enthaltene Nahrung zusammen mit dem vorn
befindlichen Sphinkter einen Verschluss bildet, der eher birst, als
.dass er dem Druck nachgibt. Der eigentliche Magen enthält nur
wenig Sandbrocken , die locker in einer goldgelben oder lionig-
farbenen Flüssigkeit liegen. Dass der eigentliche Magen keine oder
nur wenig Nahrung enthält , ist Avohl darauf zurück zu führen,
dass diese schnell und in kleinen Portionen passiert. In den meis-
ten Fällen reicht die Flüssigkeit bis dort,
avo im « Magendarm »
oder im Anfang des eigentlichen Darmes die Schlammmassen sich
unter dem Einfluss der Darmperistaltik wieder zu ei- oder Avurst-
förmigen Brocken verdichten. Diese Flüssigkeit füllt unter nor-
malen
Umständen niemalls prall den Magen. Unter günstigen
Umständen kann man aus grossen Tieren
15 bis 20 ccm Magen-
flüssigkeit geAvinnen, GeAvöhnlich aber handelt es sich um nicht
mehr, als
10 ccm. ZAvar sind Avie sonst in Hohlorganen die mit

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Muskeln versehenen Wände um den Inhalt zusammengezogen,
aber ein einfacher Versuch lehrt, dass man unter sehr geringen
Druck , aüch das doppelte des gewöhnlichen Volums einführen
kann.

In dem nächsten Abschnitt möchte ich versuchen , diese
eigenartige Flüssigkeit etwas genauer zu charakterisieren.

Zunächst müssen wir uns darüber klar sein , dass wir es
hier nicht mit einem Hungersaft zu tun haben. Ich habe schon
mehrmals hervorgehoben , dass es bei den Tieren unter natürli-
chen Verhältnissen keinen eigentlichen Hungerzustand gibt. Wäh-
rend man z. B. bei Schnecken und Krebsen den Vorderdarm mit
einer fermentreichen Flüssigkeit gefüllt fiinden kann , die keine
Nahrungsreste enthält , trifft dies für unsere Holothurien nicht
zu. Wenn man ein solches Tier an der Nahrungsaufnahme ver-
hindert, indem man es in ein sandfreies Aquarium setzt, so ver-
drängt in höchstens drei Tagen eine wasserklare Flüssigkeit, die
sich in nichts von Seewasser unterscheidet, die Schlammbrocken
und den Verdauungssaft. Es ist mir niemals trotz verschieden-
artiger Bemühungen gelungen , diesen Prozess rückgängig zu
machen. Die Tiere gehen langsam zu Grunde, nachdem sie erst
die Eingeweide autotomiert haben. Eine Nahrungsaufnahme,
im Aquarium, die auch nur teilweise die Bedürfnisse des Orga-
nismus befriedigen könnte, erwies sich als ausgeschlossen.

Um den Saft zu erhalten, präparierte ich das Darmsystem
heraus, spülte es gründlich mit Seewasser ab, um es von anhän-
genden Amoebocyten zu befreien, und fing den nach der Punk-
tion ausfliessenden Saft in einem Gefäss auf. Er enthielt dennoch
Schlammteilchen, Amoebocyten, Schleim u. s. w. Für die nach-
stehenden Untersuchungen wurde er erst immer flltriert.

Der frisch gesammelte sandfreie Saft ist mehr oder weniger
klar. Trübe Stellen sind ziemlich lokalisiert und erweisen sich
mikroskopisch als Anioebocytenhaufen, stark lichtbreclienden Kü-
gelchen, kleinste Nahrungsi)artikelchen u. s. w. Er flltriert relativ
leicht und ist dann völlig durchsichtig und von schöner goldgelber
bis honigbrauner Farbe.

Wenn man ihn aber einige Zeit an der Luft stehen lässt,
ändert sich die Farbe etwas und bekommt einen Stich ins Grüne,
während sich gleichzeitig eine leichte Trübung bildet. Letztere
lässt sich mehr oder weniger vollständig durch härteres Filtrier-
papier entfernen. In wenigen Fällen, wo die Flüssigkeit klar blieb

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und keine grünliche Nachfärbung aufwies, verdunkelte sich die
Honigfarbe, sodass sie nach einer Woche bei Aufsicht fast schwarz
erschien, bei Durchsicht noch immer bräunlich war. Ich vermute,
dass diese Änderung mit der Anwesenheit eines Melaninstoffe
bildenden Ferments, etwa einer Tyrosinase (vgl. d. Abschnitt :
Verdauungsenzyme) zusammenhängt.

Chloroform und Äther ziehen die Farbe aus , Amylalkohol
nimmt sie kaum an und bildet einen milchigen Niederschlag.

Beim Erhitzen entweicht ein starker Geruch; nach Abdamp-
fung entsteht ein ziemlich reichlicher schwarzer Rückstand, der
niemals den Geruch von verkohlenden Proteinstoffen abgibt, son-
dern einen aromatischen angenehmen , sofort zu beschreibenden
Duft. Dieser Rückstand ist ziemlich bald ausgeglüht und hinter-
lässt eine weisse Kruste anorganischer Bestandteile.

Der aufbewahrte Saft zeigt abgesehen von der oben erwähn-
ten Trübung, auch
nach Monaten keine bakterielle Zersetzung.

Der Geruch des Saftes , von dem soeben bereits die Rede
war, ist sehr autfallend und spezifisch und hat auch schon
En-
riques
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Ich glaube daran un-
terscheiden zu können 1. eine säureähnliche Komponente , etwa
wie bei Acetylessigsäure , 2. noch einer Estergeruch wie von ir-
gendeinem mehrwertigen Alkohol z. B. Amyl-Heptyl-oder Octyl-
alkohol. Er ist so stark, dass z, B. die etwa 10 ccm, die man
von einem Tiere erhalten kann, das ganze Zimmer parfümieren.
Beim kochen, zumal mit Säure, tritt besonders die Säurekompo-
nente hervor. Durch starke Chemikalien, wie die für die nach-
stehenden Reaktionen erforderlichen, verschwindet er nicht. Der
Geschmack des Saftes ist bitter.

Neutrales Lakmuspapier rötet sich nach kurzer Zeit bei Be-
rührung mit dem Saft. Genauer wurde die Reaktion festgestellt
mit folgender Tropfenmethode. Von einer Anzahl Pufferlösungen
mit bekanntem pH wurden eine stets gleiche Zahl Tropfen in die
seichten Vertiefungen einer weissen Porzellanplatte , wie sie zur
Mischung von Wasserfarben benutzt werden , gegeben. Daneben
wurde von den zu untersuchenden Magensaftproben die gleiche
Zahl Tropfen ausgezählt. Zu jedem Flussigkeitsquantum gab man
noch einen Tropfen Indikatorlösung (Methylorange , Methylrot,
Phenolrot und Neutralrot) und verglich die Farbtöne. Auf diese
Weise konnte man den Elnfluss der Eigenfarbe ganz ausschalten.

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So wurde gefunden, dass bei frischen Saftproben die Reak-
tion zwischen pH 5,1 bis 5,6 zu liegen pflegt, meist demer steren
Wert näher.

Es herrscht also eine ausgesprochen saure Reaktion, die. sich
erheblich unterscheidet von dem leicht alkalischen Seewasser
(pH = 8,1—8,2).

Van der Heyde (S. 32) fand bei Thyone auch eine relativ
saure Reaktion (pH 7,2—-7,9), die im Anfang vom « Intestine »
( = Magen ) am stärksten war,
Crozier bei Sticliopus während
der Verdauung ein pH von 4,8—5,5, in « leeren » Tieren 5,0—6,5.
Er schreibt dieser Acidität das Vermögen zu, kleine Quantitäten
des stark Ca-haltigen Sandes der Korallenriffe, wo die Holothu-
rien leben, auflösen zu können. Während man im Darmkanal von
Holothuria immer auch kalkJialtige Nahrungstoffe findet , habe
ich in den Nahrungsanalysen niemals eine solche Wirkung wahr-
scheinlich machen können.

Die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung beim frischen
Saft ergab ein A, das zwischen —2,13° und —2,21® pendelte.
Die Gefrierpunktserniedrigung des Aussenwassers betrug —2,26®
bis —2,28° C.

Das spezifische Gewicht der Darmflüssigkeit (gesammelt von
einer grösseren Anzahl Tieren und einige Zeit gut verschlossen
aufbewahrt) betrug 1,04 bei IS^C, das des Aussenwassers 1,03.

Viskosimetrische Bestimmungen mittels Ostwalus Viskosi-
meter ergaben folgende Werte :

Durchlaufszeit.

I. für Darmsaft 41,9 Sek., für Seewasser 39,0 Sek.

II. für Darmsaft 34,6 Sek., für Seewasser 33,7 Sek.

in zwei bei verschiedenen Temperatuien angestellten Versuchen.
Die Differenzen gegenüber dem Seewasser sind wohl auf deii Schleim
zurückzuführen , den man auch in dem filtrierten Saft findet.

Die stärkere Beweglichkeit der Oberfläche und die beträcht-
liche andauernde Schaumfähigkeit waren an sich schon ein Hin-
weis dafür, dass eine oder mehrere oberflächenaktive Substanzen
in der Flüssigkeit enthalten waren.

Die relative Oberflächenspannung wurde gemessen mittels
der für den stalagmometrischen Lipasenachweis benutzten Tropf-
pipette (P.
Rona und L. Michaelis 1). Zwei Proben von Saft

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und eine von Seewasser wurden filtriert und die Tropfenzahl be-
stimmt. Es ergaben sich nachstehende Werte :

Seewasser 97- 98 - 98 Mittelwert 97,6

Verdauungssaft I 151-155-152 >> 152,6

„ II 215 — 221 — 220 » 218,6

>> III 203 — 219— 213 )) 211,6

Eine bestimmte Drehung mittels des Polarimeters konnte nicht
beobachtet werden. Ebensowenig bekam man positive Resultate
durch die Untersuchung verschiedener Saftproben mittels des
Spektroskops.

Eiweiss wurde niemals gefunden. Die Xanthoproteinreaktion
gab keine Gelbfärbung, die
AoAMKiEWicz^schen und IlELLER\'schen
Ringreaktionen waren negativ ; Erhitzung allein oder mit Ess^
<Tsäure gab keinen Niederschlag, ebensowenig Sublimat oder Tri-
chloressigsäure. Wenn man die Flüssigkeit mit dem gleichen Volum
Alkohol 96 % oder mit etwass NaOH versetzte, erhielt man einen
gelatinösen Niederschlag, den zwar eine Kontrolle mit Seewasser
auch gibt, aber nicht in so reichlichem Masse. Die Biuret und
Ninhydrinreaktion zur Aufdeckung von Peptidstoffen bezw. Ami-
nosäuren gaben negatives Resultat.

• Es konnten weder reduzierende Zucker, noch andere hydro-
lysierbare Kohlehydrate gefunden werden.
Fehlings Reaktion war
immer negativ ; auch nach Kochen des Saftes mit 1 N. HCl und
anschliesssender Neutralisation. Um zu unterscheiden , "ob viel-
leicht pentoseartige Stoffe anwesend waren, wurden 5 ccm Saft
mit dem halben Volumen HCl versetzt und auf dem Wasserbade
gekocht, bis der Salzsäure Überschuss wieder verschwunden war.
Ein Stück Filtrierpapier mit einer Lösung von Anilinacetat ver-
setzt, nahm sodann in Dampfe eine rötliche Farbe an. Auch eine
zweite Reaktion auf Pentosen (und Pentosan) hatte einen gewis-
sen positiven Erfolg. 5 ccm Saft wurden gemischt mit ebensoviel
konzentrierter Salzsäure und ein wenig Phloroglucin dazu gegeben.
Nach Kochen auf dem Wasserbade wurde die ursprünglich grün-
liche Flüssigkeit schmutzig braunrot bei starker Niederschlagsbil-
dung. Dieser löste sich nach Abkühlung und Schütteln mit Amyl-
alkohol im letzerem mit schöner sepiabrauner Farbe. Die Spek-
tralanalyse zeigte aber das für Pentosen erforderliche Absor-
ptionsband zwischen D und E nicht. Doch glaube ich aus diesen

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zwei Analysen scliiessen zu können , dass ein pentoseartiger
Körper im Verdauungssaft enthalten sein könnte.

An besonderen Reaktionen seien noch die Murexidprobe ,
Reaktion mittels Ferrichorid und die von
Uffelmann erwähnt ,
die beide negativ ausfielen und zeigten, dass weder Harnsäure
noch Milchsäure in deutlichen Mengen anwesend waren,

Enriques (S.41) hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass
der Chloridgehalt des Verdauungssaftes stets kleiner ist, als der
der Körperflüssigkeit oder des umgebenden Seewassers. Dies ist
eine Tatsache, die am frischen Saft immer stark auffällt , wenn
die Schwankungen dort auch noch ziemlich erheblich sind. Bei
acht Tieren, die am gleichen Tage eingefangen waren, und sich
schon durch einen mehrstündigen Aufenthalt im Aquariuinwasser
an dessen etwas höheren Salzgehalt hatten gewöhnen können ,
fand ich folgende Werte (bezogen suf den Cl-Gehalt des Aus-
senwassers) für den Chloridgehalt der Verdauungsflüssigkeit :
81,15 % —84,5 % -82,3 % - 90,6 % — 92,1 % -93,G % -
92,8 % —87,6
%, im Mittel also 88,1 %.

Der Aschenrückstand zeigte mit Salzsäure versetzt keine Gas-
entwicklung. Nach Kochen und Abkühlen behält die Flüssigkeit
ihre saure Reaktion. Kohlensäure, ist also nicht vorhanden. Die
erwähnte, von
Crozier vermutete Abbauwirkung von Korallenkalk
kann also hierin nicht seine Begründung finden.

Schliesslich enthält die Verdauungsflüssigkeit immer nur
kleine Mengen der freien Verdauungsfermente. Niemals findet
man so einen Reiclitinn daran wie etwa in den Hungersäften
von
Ilelix und Astacus. Ich möclite das Verhältnis des verdauen-
den Effektes zwischen diesen und der von Holothurien in der
Grössenordnung von
100:1 schätzen. Man vergleiche hierzu Avei-
terhin den folgenden Abschnitt.

Wie ändert sich nun die Zusammensetzung des verdauungs-
saftes, wenn man die Tiere hungern lässt ? Schon nach 2-3 Tagen
(im Sommer wenigstens, im Frühjahr dauert es länger, in dieser
Jahreszeit leben die Tiere auch merklich länger in den Aquarien)
lässt sich keine der sehr charakteristischen oben beschriebenen
Eigenschaften mehr feststellen. Die Flüssigkeit unterscheidet sich
nicht mehr von dem Wasser, in dem die Tiere leben.

Ich lasse eine tabellarische Zusammenstellung dieser Verhält-
nisse folgen. Mit römischen Ziffern sind die Saftportionen ge-
meint, die 2 oder 3 Tieren entstammen und also einen gewissen

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Mittelwert angeben. Ich kann hier nur eine kleine Auswahl
geben, da nicht in allen Fällen alle Eigenschaften an demselben
Saft kontrolliert wurden.

Tab. II.

Saftprobe

Hungerzeit

Geruch

Farbe

pH

A
gr.C.

Tropfen
zahl

Cl-
Gehalt

Seewasser

_

fehlt

keine

8.2

2.26«

99

100.0

I

2 Tage

fehlt

keine

8.0

96.1

II

0 Tage

stark

braun

ö.l

83.2

III

2 Tage

fehlt

keine

2.26"

101

IV

0 Tage

stark

braun

2.17°

219

V

3 Tage

fehlt

keine

8.1

2.16°

101.0

Das Fehlen eines Hungersaftes scheint in Beziehung zu stehen
mit der kontinuierlichen Nahrungsaufnahme (Schlamm). So garan-
tiert meines Erachtens die Tatsache der kleinen Nahrungsflocken,
die sich immer im Magen vorfinden, eine möglichst vollständige
Verdauung. Die immer anwesenden Wanderzellen mögen eine
grosse Rolle bei der Verdauung und der Resorption spielen, die

ich erst später besprechen werde.

Die Flüssigkeit an sich ist im Vergleich mit solchen von an-
deren Tieren sehr bemerkenswert. Zunächst fällt die totale Abwe-
senheit von Proteinstoffen und Peptonen auf. Bei fast allen Inverte-
braten, die imstande sind, Säfte mit freien Enzymen zu produ-
zieren und nicht
ausschliesslich durch, phagozytäre Vorgänge ihr
Nahrungsbedürfnis decken, findet man diese.

Ich nenne hier nur die Schnecken, Tintenfische, Krebse und

Krabben.

Die zweite merkwürdige Erscheinung ist die ständige Anwe-
senheit von Wanderzellen im Darminhalt. Sie wurde meines Wis-
sens nur beobachtet von
Hamann, der von den « Blutzellen ,,
schreibt (S 50) : « In besonders grosser Menge trifft man sie im
Darmkanal, während in den Lakunen ihre Zahl oft sehr gering
erscheint )>. Im vorigen Abschnitt sahen wir, dass diesen eine
Funktion bei der Enzymsekretion zugeschrieben werden kann ;
im Kapitel über Resorption, dass sie sich auch an diesem Prozess
beteiligen können. An sich braucht man sich nicht über ihre

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Verbreitung bis in den Mageninhalt hinein zu wundern ; denn
bei den Holothurien gibt es wohl keine Flüssigkeit und kein
Gewebe, wo sie vermisst werden.

Sodann kommt ein Komplex von Eigentümlichkeiten, die of-
fenbar innig miteinander verknüpft sind, denn getrennt kann man
sie niemals in der Verdauungsflüssigkeit nachweisen. Es sind :
der Enzymgehalt, die Farbe, der Geruch, die Azidität, das De-
fizit an Chloriden und die starke Oberflächenaktivität.

Ich glaube hier nicht irre zu gehen, wenn ich sie alle auf
eine einlieitliche Sekretion zurückführe. In dieser wären dann zu
unterscheiden 1) die Enzyme, 2) ein brauner , aromatisch rie-
chender, saurer oberflächenaktiver Körper, der mit seinem osmo-
tischen Druck den der mangelnden Salzmengen ersetzt oder meh-
rere Körper, die zusammen den gleichen Effekt ausüben. Es dürfte
schwer sein, hier zu entscheiden, um welche Substanz oder Sub-
stanzen es sich handelt. Einen Hinweis nach einer bestimmten
Richtung geben uns nur die beiden Pentosenreaktionen. Die Fäl-
lungen durch Alkohol und Lauge beruhen ebenfalls auf den in
Frage stehenden Substanzen. Wenn man den ersteren Niederschlag
auswäscht, in Wasser löst und in einer Porzellanschale erhitzt ,
bekommt man eine grünliche, sauer riechende und lakmusrötende
Flüssigkeit. Später bildet sich reichlich eine schwarze Kohlen-
stoffkruste, die nach Glühung einen nur schwachen Aschenbelag
hinterlässt. Der Niederschlag der Laugeprobe zeigt durch seinen
Geruch bei der Erhitzung und durch die Verkohlung, dass auch
hier wirklich organische Substanzen mitgerissen sind. Bei
Aveiterer
Erwärmung des Trockenrückstandes entsteht ein stechender Ge-
ruch. Wenn man den Saft mit dem gleichen Volume konz.
Schwefelsäure versetzt, gibt es eine mässige Gasentwicklung. Bei
der Erhitzung wird die Probe braunrot und es entsteht eben-
falls ein charakteristischer saurer, stechender Geruch, der quali-
tativ dem des frischen Saften gleicht, aber in ungleich höherer
Konzentration. Sättigung mit
Ammoniumsulfat verursacht keinen
Niederschlag.

Ich kann vorläufig alle diese Tatsachen nur mit der Hypo-
these in Einklang bringen, dass ein kohlehydratartiger Stoff im
Verdauungssaft vorkommt , der Pentosenreaktionen gibt , sauer
reagiert, durch Alkohol und Lauge, nicht aber durch Säure gefällt
wird,
Fehling nicht reduziert und nicht durch Ammoniumsulfat

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30 H. A. P. C. Oomcn

gefällt wird. Der erwähnte Geruch dürfte diesem Stoff sicher
zukommen, wahrscheinlich aber auch die Farbe.

Eine genauere Charakterisierung hoffe ich möglichst bald

nachholen zu können.

Ich kenne nur einen Fall, in dem man bei anderen Tieren
etwas Analoges bezüglich der Verdauungsflüssigkeit gefunden hat.
Es ist das der von
Bottazzi beschriebene Magensaft von Aphjsia.
Der filtrirte Saft von 7 Exemplaren von Aphjsia limacina, die in
voller Verdauung begriffen waren, hatte ( S. 320) «une couleur
jaune vérdâtre qui rappelle celle du miel, riche de détritus ali-
mentaire. Le liquide filtré, très limpide plus où moins fortement
coloré, suivant la concentration, présente une reaction très acide
au papier de tournesol , à la phenolphtaleine (?0.) à la tropeo-
line (?0.) etc. Le liquide gastrique (en moindre quantité) des
animaux à jeun est acide , lui aussi , bien que le jabot et les
estomacs soient entièrement vides d\'aliments. » — « Toutefois ,
quelque forte que soit Tacidité du contenu gastrique, les reactifs
ne démontrent pas la présence d\'acide minerai libre. Il s\\agit donc
probablement d\'un acide organique.» Mit KOH bildet sich ein
gelatinöser, wenig wasserlöslicher Niederschlag. Mit 2 14
Alkohol gibt die enteiweisste Flüssigkeit in der Hitze ( OS^C. )
einen reichlichen weissen Niederschlag. Weiter führt er eine Zahl
von Reaktionen der Extrakte der
Mitteldarmdrüse an, die z.T.
auch für den Saft als solchen zuzutreflen scheinen. So z.
B.) eine
rote Farbe die entsteht, wenn man den mit Lauge entstandenen
Niederschlag mit ein paar Tropfen Cu
SO4 versetzt, und die bei

Erhitzung in Orange übergeht.

Es ist mir jedoch nicht gelungen, eine derartige Reaktion in
der Verdauungsflüssigkeit der Holothurien nachzuweisen.

Bottazzi vermutet, dass die Azidität des Saftes von einem
kohlenhydratartigen Körper bedingt wird, der sich aus dem Pen-
tosan von
Ulva, der ausschliesslichen Nahrung der Aplysien, bildet.
Er nennt diesen Körper deshalb «acide pentosique >), ohne jedoch
daran die üblichen Pentosereaktionen untersucht zu haben. Allein
wenn er den Extrakt der Mitteldarmdrüse auf längere Zeit mit
Salzsäure kocht , ist eine bedeutende Reduktion des in Alkali

gelösten Kupfersulfats nachweisbar.

Wenn man die gemeinsamen Eigenschaften beider Verdauungs-
säfte resümiert, ist ersichtlich :

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1. dass sie etwa die gleiche Farbe haben, (wenn auch,
nach
Bottazzi diese vom Aplysiensaft verursacht wird, indem sich
aus der Nahrung chlorophyllähnliche Farbstoffe herauslösen) ;

2. dass man hier vergeblich sucht nach dem Eiweissgehalt
der andere Evertebraten kennzeichnende Hungersäfte ;

3. dass beide eine saure Reaktion aufweisen, die nicht auf
eine Mineral- sondern auf eine organische Säure zurück zu
führen ist ;

4. die eigentümliche , aber leider in beiden Fällen noch
ungenügend bestätigte Tatsache, dass beide einen pentoseähnlichen
Stoff enthalten, der vielleicht mit der soeben erwähnten organischen
Säure identisch ist.

Meines Wissens nach wurde, ausser von B., niemals ein Hunger-
oder Verdauungss^ft bei Wirbellosen beschrieben, dessen Azidität
von einer organischen Säure verursacht wird. Diese Tatsache wird
vielleicht eher dadurch begründet, dass dieses ausgebreitete Unter-
suchungsgebiet noch so völlig brach liegt, als dass derartige Fälle
so selten sein dürften. Denn, wie ich z.B.vor einiger Zeit Gele-
genheit hatte, mich zu vergewissern, reagiert der braune Hunger-
saft des Fhisskrebses ebenfalls sauer (pH etwa 5.0) und auch hier
Avird die Anwesenheit einer Mineralsäure bestritten.

Eine Bearbeitung, in diesem Sinne, der vergleichende Physio-
logie der Verdauung, würde m.E, sehr fruchtbar sein und dürfte
noch manche unvermutete Verhältnisse klar machen können.

IV. Die Verdauungsenzyme.

Daten über Verdauungsenzyme finden sich bei Cohniieim ,
Enriques, Clerc und van der Heyde. Was die Ansichten über
die Anwesenlieit von Proteasen anbetrifft , so stehen sich auch
hier wieder die Ansichten der beiden erstgenannten Autoren dia-
metral gegenüber.
Coiinhkim gelang es nicht, ein proteolytisches
Enzym zu finden, während
Enriques allein schon durch das Zu-
sammenbringen einer Fibrinflocke mit der Verdauungsflüssigkeit
einen « effetto potentissimo » erzielte.
Van der Heyde hat einige
Verdauungsversuche mit Hühnereiweiss und Gelatine angestellt ,
wobei er das Substrat entweder mit Na^CO^ alkalisch machte
oder mit HCl ansäuerte. In beiden Fällen konnte er eine proteo-
lytische Wirkung nachweisen. Von den für die Kohlehydrate in
Betracht kommenden Fermenten beschreibt
Coiinheim ; « 1. ein

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diastatisches Ferment, das Stärke in löshche ^

umwandelt, 2. ein invertierendes Ferment, das Rohrzucker m
Dextrose und Lävulose spaltet ».
Enbiques und Clkkc fanden
eine Amylase und eine Invertase, van nEa HevBe hat bei
nur letztere feststellen können. Die meisten dieser Daten beziehen

sich auf Gewebeextrakte.

Eine Lipase wird nur von Ci.erc erwähnt.

Ich selbst habe mich etwas eingehender mit den Proteasen
und Carbohydrasen beschäftigt, weil ich glaubte , dass eine ge-
nauere Kenntnis der verschiedenen tierischen Enzyme nicht nur
den Zoophysiologen, sondern auch den Biochemiker interessieren

dürfte.

A. Proteasen.

Als Substrat benutzte ich meist Lösungen von Witte-Pepton.
Dieser Stoff zeichnet sich durch leichte Löslichkeit und kon-
stante
Zusammensetzung aus, während die biologische Schwierig-
keit, dass das Witte-Pepton wahrscheinlich wenig mit der na-
türlichen Stickstoffnahrung der Tiere übereinstimmen wird, prak-
tisch kaum beseitigt werden kann. Gewöhnlich wurden die Sub-
stratlösungen auf ein pH gebracht, das ungefähr mit dem mi
Darminhait herrschenden übereinstimmte. Die Extrakte wurden
folgendermassen bereitet : Zerreiben der Organe mittels gewa-
schenen und geglühten Seesandes, Extraktion mit wenig Seewa-
ser dem in manchen Versuchen etwas Alkohol beigefügt war ,
Durchpressen durch ein Leinentuch. Die Extrakte enthalten also
immer noch viel Organeiweiss.

Die Hydrolyse wurde mittels der SöRENSEN\'schen Formolti-
tration gemessen. Die Verdauungsgemische befanden sich in Er-
lenmeyer-Kölbchen, aus denen in bestimmten Zeitabständen ein
aliquoter Teil entnommen und titriert wurde. Die Neutralisation
geschah mit
0, 2 N. NaOH. Als Mass der Hydrolyse werden im
folgenden die zur Neutralisierung benötigten ccm Natronlauge
angegeben. Im allgemeinen bewegt sich der Titrationsfehler um 1
ccm.
0,2 N. NaOH.

Zunächst überzeugte ich mich davon, dass sowohl die Wun-
dernetze, die Wand des Darnikanals wie auch die Verdauungsflüs-
sigkeit selbst eine Protease enthalten.

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Von 5 Holothurien, die bei 18o C. vier Tage im Aquarium
gehungert hatten, und deren Darm fast schlammfrei war, wurde
die gelbe Verdauungsflüssigkeit gesammelt und Extrakte aus
der Magenwand und den Wundernetzen hergestellt. Die beiden
letzteren hatten ungefähr gleiche Konzentration an Gewebe. Sub-
strat : 5 % ige Wittepeptonlösung in aq. dest. -f Thymol , mit
einer Spur NaOH auf pH 7,5 gebracht. Temperatur 41« C =t lo.
Zur Titration wurden immer 10 ccm. angesetzt. W\\N. Extr. =
Wundernetzaxtrakt. Die drei letzten Versuche dienen zur Kon-
trolle.

Tab. HI.

Substrat:

Enzym-

Bindung

V. 0. 2 N. NaOH nach

Zunahme in

Präparat :

0 Std.

18 Std.

66 Std.

66 Std.

50 ccm
Pept - Lös.

6 ccm
Verd. Saft

2,10

2,66

3,40

1,30

Idem

7 ccm
W. N. Extr.

2,60

3.30

4,20

1,60

Idem

7 ccm
Magenextr.

2,45

5,00

7,95

6,50

Idem

7 ccm
aq. dest.

2,00

2,15

2,30

0,30

60 ccm
aq. dest.

7 ccm
W. N. Extr.

0,60

0,65

0,60

0.10

Idem

7 ccm
Magenextr.

0,40

0,65

0,66

0,26

Die Protease findet sich also in allen drei benutzten Präpa-
raten, am meisten in der Magen wand.

Die zweite Frage, die ich zu beantworten versuchte, war, ob
das Vorkommen dieser Proteasen konstant ist , und welche Ein-
flüsse ihre Quantität ändern können.

Im vorigen Kapitel fand ich eine Beziehung zwischen Farbe,
Geruch, Azidität usw. der Verdauungsflüssigkeit. Daher interes-
sierte es mich, ob diese Abhängigkeit sich aucli erstreckt auf den
Proteasengehalt.

Dass dies wirklich zutrifft, geht z. B. aus dem folgenden Pro-
tokoll hervor.

Von 5 Tieren, die vier Tage bei 18» C. gehungert hatten ,
wurden die Verdauungsflüssigkeiten gesammelt.

PubbUcazioni dclla Stazione Zoologica di Napoli. — Vol. VII.

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Es ergaben sieh folgende Werte :

Tab. IV.

Probe

Farbe

Volum ,

pH

I

Farblos

18 ccm

7,3

II

Goldgelb

21 ccm

< 6.0

III

Hellgelb

20 ccm

6,8

IV

Goldgelb

7 ccm

< 6,0

V

Gelblich

23 ccm

6,6

Sodann wurden von den verschiedenen Flüssigkeitsportionen
je 5 ccm gegeben
zu .50 ccm 5 % Witte-Peptonlösung. Die Ergeb-
nisse ersieht man aus :

Tab. V.

Substrat :

Enzym-
Präparat :

Bindung
0 Std. 1

v. 0,2 N. NaOII nach
18 Std. 1 66 Std.

Zunahme in
66 Std.

ßO ccm Lös.

5 ccm
Verd. Saft. I,

2,10

2,20

2,50

0,40

Idem

Idem II.

2,15

3,35

4,30

2,15

Idem

Idem III.

2,05

2,20

2.65

0,60

Idem

Idem IV.

2,15

3,20

4,30

2,15

Idem

Idem V.

2,10

2,25

2,75

0,65

Voranstehende Tabelle zeigt, überdies , dass die individuellen
Schwankungen ziemlich gross sind; so erreicht ein Tier schneller,
als das andere den Zustand, den ich als « Hunger » bezeichnen
zu können glaube, nämlich die Verdrängung des Verdauungssaft.es
durch Seewasser. Sobald die Nahrung aus dem Darme verschwun-
den ist, kann man auch eine Abnahme des Proteasegehaltes fest-
stellen, zunächst in der Verdauungsflüssigkeit, später auch in der
Magenwand. Hierfür ein Beispiel.

Von je 4 Holothurien, die 1, 3 und 7 Tage gehungert hat-
ten, wurden die Verdauungsflüssigkeiten gesammelt. (70 bezw. 60
bezw. 20 ccm) und die Mägen mit entsprechenden Mengen Seewas-

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ser extrahiert. Substrat : 4,5 % ige Witte-Peptonlösung in aq,
dest Thymol, auf pH 7 gebracht. Temperatur 41« C. Titrierte
Mengen 10 ccm.

Tab. vi.

Substrat:

Enzym-

Bindung

V. 0,2 N. NaOH, nach

Zunahme in

Präparat

0 Std.

23 Std.

40 Std.

49 Std.

60 ccm
Lösung

Verd. Saft
7 Tage
10 ccm

2,80

2,90

2,95

0,15

Idem

Verd. Saft
3 Tage
10 ccm

2,80

2,85

3.00

0,20

Idem

Verd. Saft
1 Tag
10 ccm

2,85

4,00

4,50

1,65

Idem

Mag.-Extr.
7 Tage
10 ccm

3,15

4,50

5,25

2,10

Idem

Mac.-Extr.
3\'Tage
10 ccm

3,25

5,10

6,25

3,00

Idem

Mag.-Extr.
1 Tag
10 ccn»

3,10

5,30

6,40

3,30

Idem

Mag.-Extr.
gekocht
1 Tag
10 ccm

3,10

3,30

3,35

0,25

Die Darminhalte der Tiere, die 3 bezw. 7 Tage gehungert
hatten, Hessen die proteolytische Wirkung vermissen. Sie sind
praktisch nicht vom Seewasser zu unterscheiden. In der Magenwand
ist die Protease länger als im Verdauungssaft selbst bei extremen
Hungertieren noch nachzuweisen.

Änderungen im Proteasegehalt der Wundernetze lassen\' sich
viel schwieriger feststellen, weil die Extrakte kaum dosiert werden
können. Ich erhielt jedoch den Eindruck, dass der Proteasegehalt
ziemlich konstant bleibt.

Die Konzentration ist offenbar am höchsten in der Magen wand.
Vergleichungen des Proteasegehaltes der Wundernetze und der
Magenwand findet man bereits in der ersten Tabelle. Wir bringen
hier eine weitere, in welcher Magen-und Darmextrakte, die von

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gleich viel Ausgangsmaterial stammten, sowie Verdauungsflüssigkeit

untereinander verglichen werden.

Von 4 frischen Tieren mit noch gefülltem Darm wurden die
Verdauungsflüssigkeiten gesammelt, und aus Magen und Darm
Extrakte mit entsprechenden, minimalen Mengen Seewasser her-
gestellt. Der Darmextrakt ist im Gegensatz zum Magenextrakt
sehr reich an Schleim. Die sonstigen Bedingungen wie im^ voran-
gehenden Versuch.

Tab. VII.

Enzym-
Präparat

Bindung v. 0,2 N. NaOH nach

Zunahme in
96 Std.

Substrat :

0 Std.

26 Std.

96 Std.

30 ccm
Lösung

7 ccm
Darm-Extr

2,65

2,90

8,85

1,20

Idcm

7 ccm
Mag.-Extr.

2,85

G.70

10,10

7,25

Idem

7 ccm
Vcrd-Fliissigk.

1

j 2,.50

1

4,05

5,.35

3,15

Sodann sollte die hier vorliegende Protease etwas näher cha-
rakterisiert werden, um sie vielleicht mit einigen besser studierten
Enzymen vergleichen zu können.

Zunächst versuchte ich zu entscheiden , welche Proteinstoffe
hydrolysiert werden, und ob sich etwa je nach dem verwendeten
Substrat quantitative Unterschiede nachweisen Hessen.

Hierzu wurden aus verschiedenen Gruppen der Proteinstoffe,
je ein Vetreter gewählt. Für die Proteosen und Peptone : Witte-
pepton, für die Scleroproteine ; Gelatine , für die Phosphopro-
teine :
Natrium-Kaseinat aus Kasein (Hammarsten), und für die
Globuline gereinigtes Blutfibrin.

Von den ersten drei Eiweissstoffen verwendete ich 4 % ige
Lösungen, die auf ungefähr pH 7 gebracht waren, von dem Fibrin
eine feine 4 % ige Suspension in aq. dest. Extrakte und Ver-
dauungssaft von Holothurien wurden in der üblichen Weise ge-
wonnen, die weiteren Daten stimmen ebenfalls mit denen der vo-
rigen Versuche überein.

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Tab. VIII.

Substrat

Enzym-

Bindung

v. 0.2 N. NaOH nach

Zunahme in

Präparat

0 Std.

•31 Std.

97 Std.

97 Std.

50 ccm
Pept, Lös.

6 ccm
Extr.

2.70

3,95

5,40

2,70

50 ccm
Gelat. Lös.

Idem

1,05

1

1,20

1,45

0,40

50 ccm
Na-Kas.

Idem

1,35

2,10

2,85 ■

1,50

50 ccm
Fibrin

Idem

0,25

1,05

1,05

3,35

50 ccm
aq. dest.

Idem

0,25

0,30

0,05

50 ccm
Pept. Lös.

5 ccm
Verd. Saft.

2,30

3,05

3,35

1,05

50 ccm
Gelat. Lös.

Idem

0,90

1,10

1,25

0,35

50 ccm
Na-Kas.

Idem

1,15

1,60

2,15

1,00

1
[

50 ccm
Fibrin

Idem

0,15

0,50

1,15

1,00

Weitere Experimente wurden angestellt , um dem Einfluss
der Temperatur auf die Hydrolyse zu ermitteln. Die Resultate
findet man in der nächsten Tabelle.

Versuchsbedingungen wie früher. Substrat : 4 % ige neutrale
Peptonlösung.

Tab. IX.

Substrat

Enzym-

Temp.

Bindunj: v. 0,2 AI. NaOH nach

Zunahme in

Präparat

Gr. C.

0 Std.

22 Std.

106 Std.

106 Std.

60 ccm
Lösung

5 ccm
Extrakt

15,0

.3,15

3,65

4,80

1,65

Idem

Idem

29,5

3,15

4,15

6,05

2,90

Idem

Idem

40,5

3,10

4,70

9,05

5,95

Idem

Idem

51,0

3,15

5,25

8,45

5,30

Idem

5 ccm
gekochtes
Extrakt.

40,5

3,20

3,30

3,40

0,20

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Zu den charakteristischsten Eigenschaften eines proteolytis-
chen Enzyms gehört erstens, dass es bestimmte Proteinstoffe bis
zu einem gewissen Grade hydrolysiert und dass diese seine Wirk-
samkeit eine bestimmte Abhängigkeit von der herrschenden Was-
serstoffionenkonzentration zeigt.

Es gehörte nicht zum Aufgabenkreis dieser Arbeit, die Pro-
tease der Holothurien erschöpfend zu studieren, ich hoffe, später
genauere Daten hierüber zu bringen. Ich habe mich darauf be-
schränkt, den Einfluss der Reaktion auf die Verdauung auch von
Wittepepton zu studieren. Dieses Substrat erschien mir, vor allem
aus technischen Gründen, am zweckmässigsten.

Es wurdeu eine Anzahl 4 % iger Pepton-Puffergemische her-
gestellt, deren pH nach den Reihen von
Clark und Lubs mittels
1/10 mol. saurem Kaliumphtalats, 1/10 mol. sauren Kaliumphos-
phats , 1/10 mol. Borsäure gelöst in 1/10 mol. KCl, 1/10 mol.
HCl bezw. NaOH reguliert war. Ferner diente noch eine 4 % ige
Peptonlösung in aq. dest als Kontrolle. Auf diese Weise entstand
eine Reihe von Gemischen mit folgendem pH : 3,2 ; 4,2 ; 5,2 ;
6,2 ; 7,2 ; 8,2 ; 9,2 , denen je 5 ccm Magenextrakt zugesetzt
wurden. Die Verdauungsgemische wurden in üblicher Weise nach
bestimmten Zeitintervallen , ohne verhergehende Neutralisation ,
mit Formol titriert. Sie gaben nach der alkalischen sowohl , wie
nach der sauren Seite einen verschieden starken Niederschlag, der
bei der weiteren Untersuchung vernachlässigt wurde. Thermostat
40oC. ± lo. NaOH-Bindung desPeptonkontrollgemisches; 2,40 ccm.-
Fehlergrenze ; ±: 0,15 ccm. etwas höher als sonst, da sich der
Farbenumschlag in den Puffergemischen schwieriger feststellen Hess.

Tab. X.

Gemisches

NaOll - Bindung

in

Zunahme in

0 Sttl.

75 Std.

162 Std.

162 Std.

3,2

4,95

6,40

7,75

2,80

4,2

4,15

5,75

6,85

2,70

5,2

3,05

5,35 ,

7,05

4,00

6,2

4,25

6,75

8,95

4,70

7,2

3,30

6,25

8,80

5,50

8,2

3,80

7,80

12,45

8,65

9,2

3,00

8,70

11,90

8,90

-ocr page 51-

Da es in dem soeben vviedergegebenen Versuch zu keiner
deutlichen optimalen Reaktion gekommen war, und man zu der
Vermutung gelangen könnte, dass bereits ohne Ferment eine Hy-
drolyse eintreten könnte, wurde weiterhin folgender Versuch durchge-
führt.

In einer Reihe von Puffergemischen, ebenso wie die vorigen
zubereitet, mit den folgenden pH : 2,8; 4,4; 5,6 ; 6,4 ; 6,8 ; 7,6 ;
8,2, wurden je 50 ccm mit 5 ccm Magenextrakt und in der Kon-
trollserie mit 5 ccm aq. dest. versetzt. Beide Serien wurden sodann
titriert.

Zeichenerklärung ; -f- E = mit Enzym, —E = ohne Enzym.

Tab. XI.

pH des

Bindung

von 0,2

N. NaoH nach

Zunahme in

Gemisches

0 Std.

22 Std.

76

Std.

76 Std.

E

— E

E

— E

E

— E

E — E

2,8

ö,20

5,10

5,60

6,10

6,00

6,16

0,80 0,05

4,4

4,05

3,76

4,60

3,80

4,86

3,95

0,80 0,20

6,6

2,50

2,35

3,60

2,40

4,65

2,50

1,16 0,15

6.4

4,05

3,70

6,00

3,60

6,90

3,90

1,85 0,20

6,8

3,55

3,16

4,60

3,20

4.65

3,30

2,10 0,20

7,6

2,70

2,40

4,00

2,46

5,16

2,66

2,40 0,10

8,8

3,05

2,95

4,90

3,06

6,95

3,00

3,90 0,06

Hieraus ergibt sich einerseits, dass sich im pH-Gebiete zwi-
schen 2,8 und 9,2 offenbar kein Optimum für die Hydrolyse fin-
det, und andererseits , dass die Selbstverdauung des Substrates
sich innerhalb der Fehlergrenzen bewegt. Ohne Ferment tritt also
bei den in Frage kommenden Wasserstoffionenkonzentrationen
keine Hydrolyse ein. Die Verdauung wird nur durch Fermentwirk-
ung hervorgerufen und zwar in steigendem Masse mit der Zunahme
des pH. Anschliessend gebe ich hier eine graphische Darstellung
der mitgeteilten Daten (Abb. 7).

Schliesslich versuchte ich, auch auf quantitativem Wege näher
zu bestimmen , welche Produkte durch die Hydrolyse gebildet
werden ; qualitative Angaben können hier im allgemeinen nur
wenig Anhaltspunkte geben. Vergegenwärtigt man sich die grosse

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I

I

I

I

N

E

o
O

ü
<

X

P//

li/ASS£fiSTOFF/or/£/y/<oryzefiTßA T/o/y.

Abb. 7.—Abhängigkeit der Proteasewirkung von der WasserstoHionenkonzentralion, a Versuchserie der Tabelle,..,

b und b Versuchserie der Tabelle..

o

-ocr page 53-

Zahl der Spaltprodukte, die durch die Hydrolyse entstehen kön-
nen, so ist es meines Erachtens unzweckmässig , nach dem Ver-
dauungsprozess die Substrate lediglich auf die Anwesenheit eini-
ger Aminosäuren oder auf Aminosäuren überhaupt zu kontrollieren,
z. B. auf Tyrosin mit
Millon\'s Reagens oder auf Tryptophan
mit Bromwasser oder mittels der nicht immer gleichmässig arbei-
tenden Ninhydrinreaktion. Zwar ist es möglich , in einem be-
stimmten Zeitpunkt der Verdauung die vorhandenen Verdauungs-
produkte qualitativ und quantitativ zu bestimmen , aber die
meisten Verfahren sind für meine Zwecke äusserst umständlich.
Dabei bleibt auch noch zu bedenken, dass die hier verwendeten
Enzymquantitäten äusserst gering sind. Die relativ einfache For-
moltitration in Stadien nach V.
Enriques und J. K. Gjaldhaek
gibt zwar einen Eindruck vom Fortschreiten des Spaltungspro-
zesses, kann aber nicht eigentlich quantitativ genannt werden.
Bessere Aussicht schien die in neuerer Zeit von R.
WiLi.STäTTER
und E. Waldsciimidt-Leitz veröffentlichte Alkoholtitration zu
versprechen. Diese beruht darauf, dass ebenso wie Formol auch
Alkohol die bei der Verdauung entstandenen NH^-Gruppen für
eine weitere Dissoziation unwirksam nacht, und dadurch die Car-
boxylgruppen alkalimetrisch bestimmbar werden. Bei einem Alko-
holgehalt von 50 % werden unter Verwendung von Phenolphtalein
als Indikator alle Polypeptide und 28 % der Aminosäuren , bei
einem Alkoholgehalt von 90 % unter Verwendung von Thymol-
phtalein alle Polypeptide und Aminosäuren für die Titration zu-
gänglich. Durch eine einfache Berechnung kann man hieraus die
Aminosäuren und Polypeptide quantitativ ermitteln.

Um unsere Protease mit anderen proteolytischen Enzymen
vergleichen zu können, haben wir ihre Wirksamkeit mit der von
Trypsin verglichen.

Substrate : Neutrale 4 % ige Wittepeptonlösung und 4 % ige
Lösung von Na-Kaseinat, pH ±7,5. Enzympräparat: 1. Magen-
extrakt von Holothurien wie üblich bereitet. 2. 0,5 % ige Lösung
von Trypsin-Kahlbaum. 9 Versuche :

I. 80 ccm Peptonlösung mit 50 ccm Trypsinlösung.

II. Idem mit 5 ccm Magenextrakt.

III. 70 ccm Na-Kaseinatlösung mit 5 ccm Trypsinlösung.

IV. Idem mit 5 ccm Magenextrakt.

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Konservierung Thymol ; Thermostat : 35« C. Es wurden je 5 ccm
titriert, das erste Mal mit 6,6 ccm Alkohol 88 % und Phenol-
phtalein, das zweite Mal mit 95 ccm Alkohol 95 % und Thy-
molphtalein versetzt. Angenommen die 1. Alkalibildung sei = a,
die 2. = b, die Alkalibindung für die Aminosäuren x, die für
die Polypeptide = y, dann findet man x und y aus den Formeln:

und y = b-x.

x =

72

Der Titrationsfehler ist ziemlich gross : ± 0,07 ccm 0,2 N. NaOH,
weil die Flüssigkeiten dann und wann trübe sind. Dieser Fehler
kann sich noch stärker
ausprägen nach Anwendung der obigen
Formeln. In der folgenden Tabelle ist die Alkalibildung wieder
ausgedrückt in ccm 0,2 N. NaOH.

Zeichenerklärung : A.S. = die für die Aminosäuren benötigte
Bindung von Lauge. P.P. = die der Polypeptide.

Tab. XH.

Zeit in
Std.

Peptonlösung

Na-Kase inatl ösung

Mit Trypsin
A. S. P. P.

nit Magenextrakt
A. S. P. P.

Mit Trypsin
A. S. P. P.

Mit Magenextrakt
A. S. P. P.

0

0,42

0,53

0,42

0,68

0,50

0,20

0,40 0,35

41

0,70

0,80

1,04

0,73

0 62

0,90

0,53 0,57

96

0;65

1,47

1,87

1,75

0,80

1,20

0,40 0,95

Zunahme
in 96 Std.

0,23

0,94

1,45

1,05

0,30

1,00

(0,00) 0,60

Die Resultate obiger Tabelle werden weiter unten im Zu-
sammenhange mit den übrigen Ergebnissen besprochen.

Aus diesen Versuchsreihen ersehen wir erstens, dass sich die
Protease bei unseren Tieren unter natürlichen Bedingungen in den
Wundernetzen, in der Magenwand, wie auch frei in der Verdauungs-
flüssigkeit befindet. Dass letztere das Ferment in verhältnismässig
geringer Konzentration enthält, lässt sich leicht aus der Ernäh-
rungsweise der Tiere verstehen. In der Darmwand scheint keine
oder
nur wenig Protease vorzukommen. Im Hungerzustande reichert
sich die Protease nicht wie bei vielen anderen Invertebraten im Hun-
gersaft an, wie z. B. bei
Ästacus und Ociopus, sondern verschwindet

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im Gegenteil aus der Verdauungsflüssigkeit, die offenbar durch See-
wasser ersetzt wird. Vielleicht bildet dies z. T. die Erklärung
dafür, dass es
Cohnheim nicht gelang, bei den Holothurien eine
l^rotease nachzuweisen. Es erklärt aber andererseits nicht, dass
seine « Darmextrakte » (er meint offenbar vom ganzen Darmkanal)
Fibrin unverdaut Hessen. Weiterhin bestreitet C., dass eine Selbst-
verdauung der Darmwand stattfindet. Hierzu kann ich nur be-
merken, dass es entschieden leichter ist, aus Magen, der 24 Stun-
den sich selbst überlassen war , als aus dem entsprechenden fri-

sehen Organ Extrakte herzustellen. Eigentliche Versuche über
Autolyse habe ich nicht angestellt.

Wenn Enriques (S. 12) schreibt , dass er « per mezzo del
succo gastrico » eine sehr starke Fibrinverdauung bekommen habe,
so möchte ich dies nach meinen Versuchen dahin einschränken ,
dass bei andern Invertebraten
(Asiacus) der proteolytische Effekt
des Verdauungssaftes doch ungleich stärker ist.

Was die Eigenschaften der Protease anbetrifft, so ist sie also
zweifellos imstande , alle untersuchten Proteinstoffe anzugreifen.
Dabei zeigen sich aber deutliche quantitative Unterschiede. In neu-
tralem Milieu ist ceteris paribus die Verdauung von Wittepeton
maximal, dann kommt Fibrin, dann Na-Kaseinat, während Gela
t,ine nur eine sehr geringe Hydrolyse erfährt (Abb. 8).

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Aus den Versuchen bei verschiedenen Temperaturen von 15
bis 510 c. geht hervor, dass ein Optimum bei 40° C. festzustellen
war ; zwischen
40» und 50° bestand eine breite optimale Zone.

Vom Einfluss der Reaktion auf die Proteolyse gibt Enrioues
(S. 11) an, dass die Verdauung in schwach saurem Milieu statt-
findet, ohne jedoch zu bestreiten , dass sie auch bei alkalischer
Reaktion vor sich gehen könne.
Van der Heyde (S. 21) konsta-
tierte Wirksamkeit sowohl bei Verdauungsproben, die mit HCl
angesäuert bezw. mit NaaCOs basisch gemacht waren. Die genauen
Reaktionsgrade werden nicht angegeben. Meine Versuche bestätigen
sowohl die Resultate von E. wie die
von v. d. H. Die durch Pro-
teasen bedingte Verdauung geht sowohl bei pH =
2,8 wie auch
bei pH =
9,2 vor sich. Die Wirksamkeit nimmt jedoch konstant
nach der alkalischen Seite hin zu.

Dass die früher wiedergegebene Kurve, die den Einfluss der
Reaktion auf die Proteolyse darstellt, keine gleichmässige Zunahme
aufweist, dürfte ohne weiteres dem Einfluss der benutzten ver-
schiedenartigen Puffergemische zuzuschreiben sein. Bei Verwendung
ein und desselben Puffergemisches ist jedoch die Zunahme kon-
stant und gleichmässig, wovon ich mich in andern Kontrollver-
suchen noch überzeugte. Die Unregelmässigkeiten der Kurve schei-
nen demnach nich mit der Wasserstoffzahl zusammenzuhängen ,
sondern mit der Beschaffenheit der Anionen. Es war mir technisch
nicht möglich, ein einheitliches Puffergemisch mit einem breiteren

pH-Gebiet herzustellen.

Nimmt man gemäss der üblichen Definition von Trypsin an,
dass es stärkere Wirksamkeit bei alkalischer Reaktion habe, dann
würde die hier studierte Protease « ein » Trypsin darstellen. Bevor
man jedoch eine derartige Klassifizierung vornimmt , scheint es
mir angebracht zu sein, den Begriff Trypsin genauer zu um-
schreiben. 1

Dabei stellt sich heraus, dass die in der Literatur vorliegen-
den Angaben über die Abhängigkeit der Trypsinwirkung von der
Wasserstoffzahl sehr auseinandergehen. L.
Michaelis und H. Da-

1 Tch möchte es nicht unterlassen hier aufmerksam zu machen auf die neu-
esten Untersuchungen von WiLLsräTTER und Mitarbeitern (Abhandlungen
über Pankreasenzyme, Zeitschr. physiol. Chemie, 1926). Das Trypsin - Erepsin-
Problem ist hierdurch in ein ganz anderes Lichte gerückt worden. Auch für
die Verdauungsphysiologie der Wirbellosen bieten W. \'s Ergebnisse manche
aussichtsreiche Gesichtspunkte.

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vidsohn (2.) fanden bei der Spaltung von Pepton durch Pankreatin
(Zeit
60-90 Min., Formoltitration) eine breite optimale Zone zwi-
schen pH 7 und
9, während unterhalb von pH = 4 keine Wirk-
samkeit zu erkennen war. S.
Palitzsch und L. E. Walbum stu-
dierten die Verflüssigung von Gelatine durch Trypsin und fanden
hierbei, ein Optimum das abhängig von der Temperatur zwis-
chen pH
8,0 und 9,9 schwankte. W. E. Ringer (1. und 2.) da-
gegen konnte kein Optimum ermitteln. Bei der Lösung von Fibrin
und der Spaltung von dialysierteni Serumeiweis nahm die Enzym-
wirkung mit der Alkalintät zu, bis bei pH
11,8 eine schnelle Des-
rtuktion des Enzyms stattfand. Nach J. H.
Northrop bezieht
sich die optimale Wirkung nicht auf das Enzym selber, sondern
auf das Eiweisssubstrat und zwar in dem Sinne, dass die maxi-
male Wirkung mit dem. Punkte vollständiger Salzbildung zusam-
menfällt. Er findet z. B. für Gelatine ein Optimum bei pH
7,4 —8,0
für Globin bei pH 10,4. E. Waldschmidt-Leitz behauptet , dass
die Resultate von
Ringer dadurch fehlerhaft seien , dass dieser
die durch die Reaktion verursachte Autolyse des Substrates ver-
nachlässigte. Wenn man aber die von
Ringer gebrachten Kurven,
die sich auf die Abhängigkeit der Trypsinwirkung von der Was-
serstoflionenkonzentration beziehen, ansieht , so muss einem dies
ziemlich unwahrscheinlich vorkommen. Bei pH
±12,0 geht die
Vernichtung des Enzyms ungleich schneller vor sich, als die durch
die OH-Zahl bedingte Autolyse des Substrates.
Waldschmidt-
LeiTz misst die Wirkung eines Pankreaspräparates auf eine 3 %
ige Gelatinelösung in 60 Minuten und bei 30° mittels der Alko-
holtitration, wobei er sich durch ein geeignetes Puffergemisch ein
pH zwischen
5,5 und 9,7 herstellte. Dabei findet er das Optimum
« bei pH
8,2 — 8,7 Avährend ein breiter optimaler Bcreich von pH
etwa =
7,7 bis pH = 9,1 sich erstreckt ».

Bezüglich der Technik sind meine Versuche am ehesten mit
denen von
Michaelis und Davidsohn 741 vergleichen , während
meine Resultate für die Memung von
Ringer sprechen. ^ In den

1 Es ist nicht nur das » Trypsin « der höheren Säuger, das sich in sei-
ner pH-Ahhängigkeit so benimmt. Nach den neuesten im Druck befindlichen
Untersuchungen des Herrn Professor
Ringek deren Mitteilung er mir hier
schon freundlichst gestattete, nimmt auch die Wirkung der pflanzlichen Pro-
tease Papaine (aus der
Carica papaya) und ebenfalls der sich im Hungersaft
vom Flusskrebs befindlichen Protease immer zu, bis endlich der gesteigerte
Alkaligehalt eine schnelle Vernichtung herbeiführt.

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beiden, oben wiedergegebenen Protokollen ist bei dem angewendeten
pH-Gebiet kein Optimum zu bemerken. Hierbei ist jedoch zu be-
denken, dass die verschiedenen Autoren als Massstab des Wirkungs-
optimums nicht ohne weiteres untereinander vergleichbare Erschei-
nungen zugrunde legten. Abgesehen davon ist bei den Fällen, wo
Wittepepton als Substrat verwendet wurde, noch mit der Möglich-
keit zu rechnen, dass bei verschiedenen aktuellen Reaktionen die
Art der Hydrolyse nicht die gleiche bleibt, sodass die wiederge-
gebene Kurve die Summe mehrerer Reaktionen gleicher oder verschie-
dener Art darstellen kann.

Bevor man also nicht zu einer besseren Kenntnis und schär-
feren Klassifizierung der Proteasen gekommen ist, täte man gut ,
Begriffe wie « Pepsin »,. « Trypsin », « Erepsin » in der Physiolo-
gie der Evertebraten nicht zu verwenden. Neuere Untersuchungen
haben ja übrigens gelehrt, dass der Neutralitätspunkt durchaus
keine natürliche Grenze zwischen den verschiedenen proteolytischen
Enzymen darstellt.

Aus den Resultaten der Alkoholtitration geht nun hervor ,
dass die in Frage kommende Protease imstande ist, sowohl Poly-
peptide als Aminosäuren aus Wittepepton und Kasein zu bilden.
Die früher gegebene Tabelle,die die Substrate miteinander vergleicht,
zeigte, dass die Verdaulichkeit von Wittepepton grösser ist, als die
von Na-Kaseinat. Gleiche Ergebnisse habe ich mit der Alkoholti-
tration erhalten, während jedoch Trypsin beide in gleicher Weise
zu verdauen scheint. Hierüber hinausgehende Schlüsse bezüglich
der Aktivität des Ferments im Tiere selbst wage ich nicht zu ziehen.
Wir wissen ja durchaus nicht, inwieweit unser Substrat mit der
Nahrung des Tieres übereinstimmt, abgesehen davon, dass es sich
dort auch unter ganz anderen Verhältnissen befindet.

Ich möchte hier noch bemerken, dass mir die Alkoholtitra-
tion von
WiLLSTäTTER uud Waldschmidt-Leitz ein wertvolles
Hilfsmittel bei der Unterscheidung der Wirkungsweisen der Pro-
teasen zu sein scheint.

Sie ist allerdings selbst in der vereinfachten Form wegen der
grossen Quantitäten Alkohol, die sie erfordert, kostspielig, wäh-
rend andererseits die indirekte Bestimmungsweise — Alkaliver-
brauch von Aminosäuren und Polypeptiden — die Fehlergrenze
erweitert. Ein Vorteil aber ist , dass der Umschlagspunkt bei
trüben und leicht gefärbten Flüssigkeiten besser bestimmbar ist,
als mittels der Formoltitration.

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Tyrosinase.

Bei vielen Verdauungsversuchen mit Proteinen wird die Flüs-
sigkeit, meist erst nach längerer Zeit dunkel oder gar schwarz.
Dies geschieht in Versuchen, bei denen die Hydrolyse nur kurze
Zeit erfordert und weiter hauptsächlich bei Verwendung von Ma-
genextrakten. In den Versuchsreihen, in denen die Abhängigkeit
der Fermentwirksamkeit von dem herrschenden pH studiert wurde,
ergab sich, dass nur der Inhalt der mittleren Gläser (pH 4,4—8,2)
schwarz wurde , während die Proben von pH 2,8—4,2 und die
bei 9,2 ihre ursprüngliche Farbe beibehielten. Offenbar kommt
also auch hier eine Tyrosinase vor, d. h. ein oxydierendes FiUzym,
das imstande ist, zyklische Körper wie Tyrosin in Melanine über-
zuführen. Weitere Versuche habe ich nicht angestellt , und die
Frage, ob und wie der Stoff im Tier wirkt, muss ich unentschieden
lassen. Manchmal nimmt auch die filtrierte Darmflüssigkeit nach
einiger Zeit eine dunkle, fast schwarze Farbe an, die auch
Bie-
dermann
an der Darmflüssigkeit hungernder Raupen beobachtet
hat ; er führt diese Erscheinung auf die gleiche Ursache zurück.

A. Die Carbohydrasen.

Auch beim Studium der Carbohydrasen habe ich mich mög-
lichst bemüht, quantitative Methoden anzuwenden, um die Re-
sultate untereinander besser vergleichbar zu machen. Meistens
habe ich mich zu diesem Zwecke einer von
Sciioorl (1. und 2)
angegebenen jodometrischen Titration bedient, wobei das durch
die Zucker reduzierte CuO von einer Fehlinglösung bestimmter
Zusammensetzung gemessen werden kann. Um reduzierende Disac-
charide von Monosacchariden unterscheiden zu können, benutzte
ich
Bareoed\'s Reagens. Da in einigen Fällen zwei Arten von re-
duzierendem Zucker gebildet werden können, und in einigen an-
dern die von
Sciioorl (1.) gegebene Tabelle das Reduktionsver-
mögen nicht angibt , ziehe ich es hier im allgemeinen vor , den
Reduktionswert der Verdauungsgemische in ccm 0,1 N. Thiosulfat-
lösung auszudrücken. (1 ccm Thiosulfat entspricht ±: 3,3 mg.
Glucose bezAv. zb 3,1 mg invertierte Saccharose bezw. ±:
2,8 mg
Amylum ; weitere Details findet man in der zitierten Tabelle).

Zunächst versuchte ich festzustellen, ob und wo kohlenhy-
(Iratspaltende Enzyme zu finden waren.

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Von frischen Tieren wurde Magenextrakt und Verdauungs-
saft gewonnen. Hiervon wurden je 5
ccm zugefügt zu je 50 ccm 1)
einer 2 % igen Lösung von löslicher Stärke in aq. dest., 2) einer
4% igen Saccharoselösung in aq. dest. Konservierung mit Thy-
mol Thermostat 41^. Zuckerbestimmung in 4 ccm ; diese ent-
sprechen bezw, einem totalen Amylumgehalt in von 72 mg, oder
einem totalen Saccharosegehalt von 144 mg.

. Tab. Xm.

Thio-
Bindung
in %

nach

Zunahme in
97 Std.

Thiobindnng von

97 Std.

15 Std.

OStd.

50 ccm
Am. Lös.

Idem

50 com
Saech. Lös.

Idem

5 ccm
Mag. Extr.

5 ccm
Verd.
Flüssigkeit

5 ccm
Mag. Extr.

5 ccm
Verd.
Flüssigkeit

4,6
4,5
33
8

11,15
1,10
15,00
3,65

11,25
1,10
15,20
3,75

6,60
0,75
11,26
2,00

0.10

0,00

0,20

0,10

Sowohl Magenwand wie Verdauungsflüssigkeit enthalten also
eine Amylase und eine Invertase , aber wie bei den Proteasen
findet sich nur wenig Enzym frei in der Verdauungsflüssigkeit
Dass man auch die wirksameren Präparate aus der Magenwand
erhält, dürfte aus folgendem Protokoll hervorgehen.

Von frischen Tieren wurden in je gleichem Volumen See-
wasser Extrakte hergestellt und zwar aus der Magenwand , den
Wundernetzen und der Darmwand.

Der letztgenannte Extrakt ist insofern schwer zu dosieren,
als er ausserordentlich reich an viskösem Schleim ist , welcher
sogar die Filtration verhindert.

Darum wurde hier der Organbrei mit Sand zum Substrat
zugefügt und die Quantität nach Augenmass bestimmt. Sub-
strate ; 2 % ige Amylose und Saccharoselösungen; in jedem Ver-
such 50 ccm mit 5 ccm Extrakt. Bestimmung des Reduktions-
wertes in 5 ccm, übereinstimmend mit 90 mg Amylose bezw.
Saccharose. Thymol. Temperatur 30° C.

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Verdaunngspliysiologische Studien an Holothurien."
Tab. XIV.

ccm 1/10 N. Thiobindung

Spaltnngs
grad

in %

Zunahme
nach
75 Std.

Substrat -f Enzym:

in %

Spaltungsgrad
nach

90 Std.

5 ccm
Mag. Elxtr.

4" 5 ccm
Mag. Extr.

50 com
Amylose

50 ccm
Sacch.

50 ccm
Amylose

50 ccm
Sacch.

50 ccm
Amylose

50 ccm
Sacch.

,39

11,50
12,70

45

-)- 5 ccm
W. N. Extr.

3,55
2,35
3,45
2,05

12

11

-f Idem
Darmoxtr.
Idem

Aus den eben erwälinnten technischen Gründen entschloss
ich micli, für die weiteren Versuche nur Magenextrakte zu ver-
wenden.

Zur Feststelhmg, welclie Carbohydrate durch die Verdauungs-
ferniente angegriffen werden , bediente ich mich 2 % iger Lö
sungen von Glykogen, Raffinose, Saccharose. Maltose und Lak-
tose und versetzte dieselben mit Magenextrakt.

50 ccm Lösung mit 5 ccm Extrakt. Nach 75 Stunden wird
der Reduktionswert mit
Sciioori.s Titrationsverfahren bestimmt.
Weiter wurden zwecks Unterscheidung der Monosaccharide je 5 ccm
zu 50 ccm siedender Lösung von frischbereitetem B
arfokhs Rea-
gens zugefügt und damit 3 Minuten gekocht. Es ergaben sich
folgende Resultate.

Tab. XV.

Substrat

Reduktion mit
FEHLING, in ccm. 0, I N
Thiolösung

Reduktion mit
BARFOED

Amylose

11,50

m.ässig

Glykogen

7,20

keine

Raffino.sc

0,G0

keine

Saccharose

12,70

sehr stark

Maltose

stark

Laktose

keine

Pubblicazioni della Stazione Zoologica di Napoli. — Vol. VII.

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Aus voranstehender Tabelle ist ersichtlich , dass Amylose,
Glykogen , Saccharose und Maltose verdaut werden , während
Raffinose und Laktose refraktär scheinen für die anwesenden
Enzyme. Vergleichen wir bei der Reduktion mit
Barfoed\' s Rea-
gens die ansehnlichen Unterschiede zwischen Saccharose und Am-
ylose, die mit
Fehling fast denselben Reduktionswert gaben,
dann wird klar, dass die Amylose in Disaccharide (Maltose) und
Monosaccharide gespalten sein muss. Die rotviolette Farbe der
Jodreaktion weist darauf hin, dass die Amylose selbst fast ver-
schwunden und zum Teil in Erythrodextrin übergeführt ist. Das
Ausbleiben der Reduktion mit
Barfoed\'s Reagens lässt darauf
schliessen , dass das Glykogen nicht bis zu den Monosacchariden
abgebaut ist. Die Jodreaktion andererseits zeigt, dass es auch noch
z. T. in unveränderter Form anwesend ist

Eine weitere Versuchsreihe beschäftigte sich mit dem Ein-
fluss der Temperatur.

Je 20 ccm 2 % ige Saccharose- bezw. Amyloselösung wurden
mit 3 ccm auf übliche Weise hergestellten Extraktes versehen.
Konservierung : Thymol. 4 ccm wurden titriert. Reduktionswert
nach 14 Stunden bestimmt. 4 ccm entsprechen zh 70 mg redu-
zierbaren Zuckers. Fehlergrenze 0,2 ccm Thio = 1 %. .

Tab. XVI.

Substrat

ïemp.

Zunahme in ccm
1/10 N Thio

Spaltungsgrad
in %

Amylose

20°

3,60

15

Idem

87"

4,30

18

Idem

57"

1,55

6

Saccharose

20°

1,25

6

Idem

37°

3,80

17

Idem

57°

0,00

In beiden Fällen ist also 37® optimal, während die Wirkung
bei
57° C. schon stark gehemmt bezw. aufgehoben ist.

Die Abhängigkeit von derWasserstoflSonenkonzentration wurde
auf dieselbe Weise wie bei den Proteasen bestimmt. Mittels der
Puffergemische von
Clark und I^ubs wurden Lösungen vön Amy-

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lose und Saccharose auf ein bestimmtes pH gebracht und mit
Magenextrakt versehen. Nur bei den Gemischen mit der stärkst
sauren bezw. stärkst alkalischen Reaktion ( pH = 2,8 ; 4,2 ; 9,0)
wurde eine Kontrolle gemacht , bei welcher statt Magenextrakt
das gleiche Volumen aq. dest. zur Verwendung kam.

Von 10 Tieren wurde Magenextrakt gewonnen , im ganzen
40 ccm. Zu jeder Probe wurden 20 ccm Substrat und 3 ccm Ex-
trakt verwendet. Substrate 2% ige Lösungen von Amy lose und
Saccharose mit Thymol. Wegen der Zusammensetzung der Puf-
fergemische vgl. die entspr. Protease-Protokolle , ferner auch
Kolthoff (S. 118). Temp. 39° C. Je 4 ccm titriert, die einem
Totalkohlehydratgehalt von dz 70 mg entsprechen. Die Ziffern
bedeuten, ccm 0,1 N. Thiosulfat. Fehler dz %.

Tab. XVn.

Substrat

pH

Thiobindung nach

Zunahme
in

Spaltungsgrad
in %

OStd.

24 Std.

72 Std.

72 Std.

72 Std.

Am. -f Mag. Extr.

2,8

0,3

1,0

3,2

2,9

12

Am. -f- aq. dest.

2,8

0,3

0,13

0,2

Am. 4- Mag. Extr

4,2

0,3

4,7

8,0

7,7

34

Am. aq. dest.

4,2

0,5

0,3

0,5

. —

Am. -f- Mag. Extr.

5,6

0,3

8,4

11,2

10,9

46

Idem

6.6

0,3

8.8

10.8

10,5

44

Idem

7,6

0,3

7,8

9,4

9,1

38

Idem

9,0

0,3

4,7

6,3

6,0

25

Am. -f- aq. dest.

9,0

0,3

0,4

0,3

Sacch. -f Mag. Extr

2,8

0,6

1,9

4,3

3,7

16

Sacch. \'iq. dest.

2,8

0,4

2,5

7,0

6,6

30

Sacch. -f Mag. Extr.

4,2

0,4

2,3

2,5

2,0

9

Sacch, -f aq. dest.. .

4,2

0,8

0,5

0,5

0,1

0,4

Sacch. -f- Mag. Extr.

5,6

0,5

9,3

12,7

12,2

56

Idem

6,6

0,4

11,2

14,8

14,4

66

Idem

7,6

0,1

10,0

12,2

12,1

55

In beiden Versuchsreihen kommt es demnach zu einen deut-
lichen Optimum. Es könnte auffallen , dass in den Saccharose-

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versuchen bei pH=2,8 der ohne Enzym erhaltene Reduktionswert
viel höher ist , als der mit Enzym. Ich glaube , diese Tatsache
dem Umstände zuschreiben zu
dürfen, dass im letzteren Falle das
Eiweiss des Magenextrakts eine Hemmung darstellte.

Die Abhängigkeit der Enzymwirkung von der Wasserstoffzahl
geht aus der hier folgenden Kurve hervor. (Abb. 10).

Um schliesslich noch eine Vorstellung vom Verlauf der Hy-
drolyse in vitro zu geben, seien die folgenden Kurven beigefügt,
worin die quantitative Zunahme der reduzierenden Zucker in %
vom totalen
Reduktionswert ausgedrückt ist (Abb. 10). In beiden
Fällen wurde die vereinfachende Annahme gemacht , dass die
Spaltung komplett verläuft, d. h. dass alle reduzierenden Körper
denselben
Reduktionswert geben wie die Glucose.

Aus den mitgeteilten Versuchen ergibt sich erstens, dass die
Verteilung der Carbohydrasen im Darmsystem in grossen Zügen
mit der der Proteasen übereinstimmt. Wir finden amylolytische
und sacharoly tische Enzyme in den Wundernetzen, der Magen wand,
der Darmwand wie auch frei im Verdauungsaft. Der Magenwand-
extrakt enthält auch hier am reichlichsten das Ferment. i Die
Konzentration der in der Verdauungsflüssigkeit enthaltenen En-
zyme ist hier wieder klein.

Die in der Nahrung des Tieres wahrscheinlich in Betracht
kommenden Carbohydrate , wie Stärke und Zucker , werden bis
auf die Monosaccharide
herunter gespalten, während auch ich mir
über die Zwischenprodukte der Glykogenspaltung keine Vorstel-
lung bilden konnte. Auch das bei der Stärkehydrolyse enste-
hende Produkt Maltose wird gespalten, während jedoch ein an-
deres Disaccharid, L,aktose , nicht angegriffen wird. Eine « ab-
norme » Zuckerart wie die Raffinose wird ebenfalls nicht abge-
baut. Im Zusammenhang damit sei mitgeteilt , dass ich in Ver-
suchen, die ich früher mit Extrakten aus den Radialdivertikeln
des Seesterns
Ästropecten auranüacus anstellte , zu genau den
gleichen Resultaten gelangte. Uber Cytasen sind keine Versuche
angestellt worden. Dass ein derartiges Enzym anwesend ist, macht
der Vergleich des natürlichen Inhalts im vorderen und hinteren Ab-
schnitt des Darmkanals wahrscheinlich. Während man im Kropf

Auch hier wieder lassen sich die kraftigsten Enzymprapärate bereiten
aus Extrakten der Gewebe, im Gegensatz zu dem was man sonst zu finden
pflegt.

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reichlich lebensfrische Algenstückchen findet, sind diese im End-

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darm meist entfärbt und teilweise aufgelöst. Bei harten Geweben

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wie z. B. in toten Posidoniablattresten , und Holzstückchen ist
aber niemals eine Veränderung der Struktur nachweisbar.

Die Versuche bei verschiedenen Temperaturen hatten bei 37°
eine optimale Spaltung , während bei
57° die Wirkung der Amy-
lase schon stark gehemmt, die der Invertase bereits gänzlich auf-
gehoben war. Die Amylase hätte danach ein viel weiteres Wir-
kungsgebiet als die Invertase.

Was den Einfluss der Reaktion auf die Kohlehydratspaltung
betriff"t, so äussert sie sich auch hier in einem deutlichen Opti-
mum. Bei der Beurteilung der Amylasekurve darf man nicht ver-
gessen , dass man hier mit wenigstens zwei sich summierenden
Reaktionen zu tun haben kann, nämlich dem Abbau von Amy-
lose bis auf Maltose und von Maltose bis auf Glukose.

L. Michaelis und P. Rona fanden , für die Spaltung der
Maltose und des Methylglykosids durch Hefe-Maltase ein Opti-
mum bei pH =
6,1—6,8 bezw. 5,8 — 6,6, während die Akti-
vität bei pH =
5,02 und 7,71 schon fast o war. H. v. Euler
und O. SvANüERG bestimmten bei 37° die Mengen der durch
Malzdiastase in reduzierenden Zucker übergeführten Amylose und
das Verschwinden der Jodreaktion in ihrer Abhängigkeit vom
pH Sie fanden in beiden Fällen ein Optimum um pH =
5,0,
das gut mit den früher von L. Adler mitgeteilten hierhergehö-
rigen Zahlen übereinstimmt.

Die von mir gezeichnete Kurve , die die Abkängigkeit der
Amylasenwirkung vom pH zum Ausdruck bringt, entspricht ganz
den obigen Resultaten. Das Optimum liegt bei pH
5,6 — 6,6,
und die Kurve stimmt mit denen der genannten Autoren überein.

Die hier studierte Invertase verhält sich jedoch bezüglich
der Abhängigkeit vom pH anders als es den bisher bekann-
ten Tatsachen entspricht. Ich finde das Optimum bei pH = 6,6,
Avährend auch bei einem pH von 5,6 und 7,6 die Spaltung noch
sehr ausgiebig stattfindet.
Sörensen aber (Versuchsbedingungen:
polarimetrische Bestimmungen des Inversionsgrades bei
18°) wies
für Hefe-Invertin ein Optimum von pH
4,4 — 4,6 nach, in des-
sen Nachbarschaft (von
4,0 — 6,0) wie seine Tabelle (S. 268)
zeigt, eine breite Zone grösserer Aktivität bestekt. Später haben
L. Michaelis und H. Davidsohn (1.) eine solche von pH=3,01
5,19 angegeben (Abb. 10).

Der Spaltungsgrad erweist sich nach 24 Stunden mit den
verwendeten Extraktmengen, übereinstimmend mit etwa 6—8 %

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frischen Magengewebes, als ziemlich stark. Amylose gibt dann
keine Blaufärbung mit Jod mehr, nur einen rötlich-violetten Far-
benton, während ein Teil schon als Glukose vorhanden ist. Der
Reduktionswert nach 75 Stunden bei 34« beträgt in den Amy-

Ssccharose Z7e
4mylosc 27o

23 75

ZEIT m STunoEn

lose- und Saccharoseversuchen ungefähr 45% vom Totalwert.
Das Glykogen wird ebenfalls abgebaut, aber nicht so schnell
als die Amylose und die Saccharose. Auch scheint die Spaltung
nicht so komplett zu verlaufen als bei den beiden erstgenannten
Stoffen.

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C. — Die Lipasen.

Die Beschaffenheit der verwendeten Extrakte (trübe Verun-
reinigungen durch Gewebeteilchen) führte im Verein mit technis-
chen und methodischen Schwierigkeiten dazu, dass ich hier nicht
streng quantitativ arbeiten konnte. Die Methode der Tributy-
rinspaltung von
Rona und Michaelis (1.) konnte deshalb nicht
in Betracht kommen. Von Versuchen mit Hydrolyse von Olivenöl,
Eidotters usw. wurde abgesehen, weil sie mit zu vielen Fehler-
quellen arbeiten.

Wie Cler seine Lipasen gemessen und bestimmt hat, konnte
ich nicht ersehen ; er gibt an , mit einem Glyzerinextrakt eine
lipolytische Kraft 6 nach dem Vorgang von
Hanriot erreicht zu
haben.

Ich habe nur einige Versuche mit den Estern Amylacetat
und Aethylbutyrat angestellt.

10 % ige Amylacetat-bezw. 8 % ige Aethylbutyratlösungen
(z. T. suspendiert) wurden mit den auf Esterase zu untersuchenden
Säften: Verdauungsflüssigkeit und Magenextrakt, versetzt. Neu-
tralrot und Thymol wurden zugegeben. Versuchstemperatur 35°.
Nach bestimmten Zeiten wird die gebildete Säuremenge durch
Alkali gebunden und die Probe wieder auf ihr Ausgangs-pH = 8,0
gebracht. 3 Versuche :

I. 50 ccm Amylacetat10 ccm Verdauungsflüssigkeit.

II. Idem-|-5 ccm Magenextrakt.

III. 25 ccm Aethylbutyrat -f 2,5 ccm Magenextrakt.

Nach 2, 4, 8 Stunden wird titriert.

I. verbraucht bezw. 0,2 -f 0,2 -f 0,5 = 0,9 ccm 0,2 N. NaOH.
n. » 0,9 0,8 4-1,1=2,8 ccm 0,2 N. NaOH.
m. » 0,4 0,45 0,55 = 1,4 ccm 0,2 N. NaOH.

Auch Esterasen sind also bei unsern Tieren vorhanden und
zwar ebenfalls wieder frei in der Verdauungsflüssigkiet wie auch
in dem Magenwandextrakt. Die Quantität in dem letzteren erscheint
aber auch hier wieder ungleich grösser.

Aus einem weiteren Versuch mit Wundernetzen ergab sich ,
dass auch dort Esterasen zu finden sind, ungefähr in gleicher
Menge wie in Magenwandextrakt.

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V. Permeabilität und Resorption.

Auch von physiologischen Standpunkt erscheint der Wirbel-
tierdarm verglichen mit den entsprechenden Organen anderer Tiere
als höchst entwickelt und differenziert. Es sei hier nur hingewiesen
auf die Produktionsweise der Enzyme und die sehr volkommene Re-
sorption.

Bei den Wirbellosen begegnen wir bei den einfachsten Formen
der Verdauungsphagozytose als einzigem Mittel zur Assimilation.

G. C. Hirsch hat in jüngster Zeit eine Unterordnung der
Begriffe der intra|)lasmatischen Verdauung vergenommen. Er teilt
die Resorption in drei verschiedene Prozesse ein ; a). «
Molekel-
permeatxom,
b). « Kolloidpermeation », c). « Phagocytose, » ,
wobei er die Grösse der permeierenden Teilchen als Masstab an-
nimmt. (bzw. a. <0,001 [i, b. 0.001 n —Ol [JL, c. > 0,1 (ji).
Es will mir vorkommen, dass eine derartige Verteilung von zu
wenig praktischer Bedeutung ist.

Seine Behauptung (S. 185.), cs sei : « heute schwer, von den-
jenigen Tieren , die eine Verdauungsphagozytose besitzen , phy-
siologische Typen zu bilden nach dem Verhältnis der intraplas-
matischen zur extraplasmatischen Verdauung » , wird auf weit
grössere Schwierigkeiten stossen , solange keine experimentell be-
gründeten Kriterien vorliegen.

Daher möchte ich im folgenden den Begriff « Verdauungspha-
gozytose )) nur für jene Fälle vorbehalten, in denen entweder die
Beute als Ganzes von einer amöboiden Zelle umschlossen wird
(Protozoen), oder grössere Nahrungspartikel als solche in amöboi-
den Zellen oder Plasmodien aufgenommen werden. Ob hier das von
von Möllkndorfk angewandte Kriterium, « mit dieser Aufnahme
von Partikeln müssen deutlich wahrnehmbare Gestaltsveränderun-
gen der Resorptionszellen verknüpft sein », Anerkennung verdiene,
muss m. E. bis auf weitere Untersuchungen dahingestellt bleiben.

Ich möchte diesen Begriff nicht mehr verwenden, sobald nur
allerfeinste feste Teilchen, z. B. Tuschekörnchen hindurchgeschleust
werden können, ohne dass dies Gestaltsänderungen der in Betracht
kommenden Zellen herbeiführt, wie in
von Möllendorff\'s Versu-
chen an den Därmen von Mäusesäuglingen geschah, ebenso auch
in den von mir und
van »er Heyde beschriebenen Tuschespeiche-

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rungen in den Rektaldivertikeln von Jsterias rubens, (vielleicht
auch\'in den Tuschefütterungsversuchen von
Vonk bei Austern).

Es wäre vielleicht angebracht hier von einer « N a n n o p h a-

g o z y t o s e » zu reden.

Auch die im Laufe dieses Kapitels zu beschreibende Erschei-
nung, wo wandernde Elemente in einem nicht phagozytären Ma-
genepithel « phagozytieren )) (S.129) bedingt, wie mir vorkommt,,
einen neuen Namen. In dieser Hinsicht könnte ich z. B. weiter
auf die «Phagozytose von Flüssigkeiten » im Sinne
de Haan\'s

verweisen.

Die soeben erwähnte Verdauungsphagozytose kann bei den
meisten Wirbellosen durch andere Vorgänge unterstützt und ergänzt

werden.

Zum Beispiel Ileüx, das klassische Beispiel hierfür, hat einen
total permeablen Darm (Dialysierschlauch) , der also auch hin-
durchdiffundierende Nahrungsstoffe an das umgebende Blut abge-
ben kann, ferner eine Mitteldarmdrüse, die sowohl phagocytär als

auch resorptiv tätig ist. (Jordan 2.).

Es erhebt sich nun die Frage, welchem Typ das Verdauungssys-
tem einer Holothurie angehört. Die beiden über diesen Gegen-
stand vorliegenden hauptsächlichsten Arbeiten zeichnen sich durch
den schlagenden Gegensatz aus , zu denen die Autoren in ihren
Ergebnissen gelangen. Während
Cohnheim für die Durchgängigkeit
isotonischer Lösungen wie z. B. Seewasser eine aktive Resorption
annimmt, fasst er im übrigen die Darmwand als eine einfache
Diffusions membran auf, die für Zucker und Salze in beiden Rich-
tungen permeabel ist.

Durch Enriques wurden diese Resultate in ihren Hauptpunk-
ten widerlegt. Er führt
Cohnheim\'s Ergebnisse auf fehlerhafte
Versuchsbedingungen zurück. Aus seinen Versuchen ergibt sich
eine absolute Semipermeabilität des Darmes, während eine aktive
Resorption von
isotonischem Inhalt nicht stattfindet.

Dies in Kürze die Kontroverse, auf die meines Wissens bisher
von keiner
Seite, auch nicht erneut von Cohnheim, weiter einge-
gangen wurden.

Die Darstellung von Enriques weist dem Holothuriendarm
eine Sonderstellung zu, die im Zusammenhang mit den von den
niederen Tieren her bekannten verdauungsphysiologischen Tatsa-
chen nicht ohne weiteres verständlich ist.

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A. Die Permeabilität und die Resorption unter physiologischen

Umständen.

Meine erste Aufgabe bestand also darin, den Darm auf seine
Permeabilität zu untersuchen. Um meine Resultate mit denen von
Enrjques und Cohnheim unmittelbar vergleichen zu können, Avählte
ich möglichst die von den genannten Autoren gebrauchten Me-
thoden. Weitere Versuchsmöglichkeiten liegen hier auch kaum
vor. Eine Versuchsanordnung, wie sie z.
B. Jordan und Bege-
mann
bei Schnecken und Fröschen, und in jüngster Zeit A. Wass-
iljeff
bei Fröschen verwendeten : Füllung und Unterbindung des
Darms beim lebenden Tiere, kommt hier nicht in Betracht, weil
die Holothurien auf jeden stärkeren Reiz mit Autotomie des
Darmes usw. reagieren. Infolgedessen wurden die hier mitgeteilten
Versuche am isolierten Darm angestellt.

Meine Anordnung war dabei folgende : Die Tiere wurden
durch einen raschen Längsschnitt, unter sorgfältiger Schonung
des Darmkanals aufgeschlitzt. Sodann entfernte ich den ganzen
Verdauungsschlauch und präparierte mit feiner Schere die Wun-
dernetze und das weitere Gefässystem möglichst dicht an der
Oberfläche ab. Magen, Magendarm oder Darm wurden dann ge-
leert, wenn nötig ausgespült, an einem Ende mittels eines starken
Baumwollfadens abgeschnürt und aus einer Bürette mit der Ver-
suchslösung gefüllt. Während der Operation schwamm das Organ
in einem kleinen Präparierbecken. Es wurde dafür gesorgt, dass
der verhältnismässig zarte Magen niemals prall gefüllt war. Der
muskulöse Darm musste gewöhnlich unter etwas grösserem Drucke
mit Inhalt versehen werden. Nach der Füllung wurde ein am an-
deren Ende des Darmes schon gesclungener Faden zugezogen.
Möglichst vorsichtig wurde dann das Organ in das endgültige
Becken übertragen, durch dessen Aussenwasser ständig O2 perlte.
Wenn die Versuchsbedingungen es zuliessen, wurde die Aussen-
flüssigkeit kontinuierlich erneuert. In solchen Versuchen, wo es
der späteren Behandlung nicht schaden konnte, war die Innen-
flüssigkeit zur Entdeckung etwaiger lecker Stellen mit einem Farb-
stoff versetzt. Nach Ablauf des Versuchs wurde das Darmstück
an den Fadenenden aus der Flüssigkeit herausgenommen, schnell
und nicht zu vorsichtig auf weichem Fliesspapier getrocknet (bei
diesem Vorgehen konnten evtl. noch nachträglich undichte Stellen

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nachgewiesen werden.), mittels einer kleinen Schere geöffnet , der
Inhalt unter sanftem Druck über einer mit Trichter versehenen
Bürette entleert, und das Endvolumen festgestellt.

Um gelöste Substanzen zu messen, habe ich in den ersten Ex-
perimenten stets mit Seewasser bzw. aq. dest. nachgespült, unter-
liess es aber bald, da es, z. B. in den Chlorid versuche, die Fehler-
grenzen nur vergrösserte.

Aus den Vorversuchen hatte sich ergeben, dass man , um
sicher zu sein, an überlebenden und nicht an absterbenden Där-
men zu arbeiten , die Dauer der Permeabilitätsversuche keines-
falls über 18 Stunden ausdehnen darf. Bei längerer Dauer werden
die Resultate durch die wechselnde Vitalität der einzelnen be-
nutzten Stücke äusserst inkonstant. Auch hier prägt sich wieder
eine ziemlich starke Individualität von Organen aus, die im übrigen
unter gleichen Bedingungen verarbeitet wurden. Im allgemeinen
dauerten meine Experimente etwa 6 Stunden, wobei die Stücke
fortwährend peristaltische Bewegungen zeigten, die ich allerdings
nicht als ausschliessliches Kriterium für die Vitalität des Darm-
epithels beurteilen möchte, da sie ja von durchaus anderen
Gewebselementen abhängt. So habe ich z. B. beobachtet , dass
ein mit 0,4 % Glucose-Seewasser gefüllter Magen seine peristal-
tischen Bewegungen sofort einstellte ; hier dürfte man kaum an
eine unmittelbare Vergiftung denken.

Auch in diesen Versuchen möchte ich den Unterschied zwi-
schen Magen und Darm aufrechterhalten, weil Organe, die in
histologischer und chemischer Beziehung Differenzen aufweisen,
sich auch in
physikalisch-chemischer Beziehung von einander

unterscheiden könnten.

Ich habe mich immer bemüht, für die Versuche ganz frische
Tiere zu verwenden, möglichst solche , die durch mehrstündiges
Verweilen in Aquarium vom Darminhalt frei waren.

1 . Versuche mit Chloriden.

Zunächst galt es zu entscheiden, ob bei unserem Versuchs-
material echte Resorption vorkommt, d. h. ob entgegen den
osmotischen Gesetzen eine isotonische Lösung aus dem Inhalt
nach aussen verschwindet. Es wurden dazu eine Anzahl Mägen
und Därme mit Seewasser gefüllt und in strömendes kräftig von
Sauerstoff durchperltes Seewasser gehängt.

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Das Anfangsvolum ergab sich aus der Bürettenablesung vor
und nach der Einfüllung, das Endvolum ist die zurückgefundene
Flüssigkeitsmenge. Der absolute Chloridgehalt wurde nach
Mohr\'s
Titrationsmethode mit AgNOg bestimmt. Man gibt zu der Chlorid-
lösung ein paar Tropfen neutraler Kaliumchromatlösung und gibt
so viel Ag NO3 hinzu, bis eine bleibende Fällung von rotem Sil-
berchromat entsteht. 1 ccm O. 2 N. Ag
NO3 = 7,094 mg Cl.
Dauer des Versuchs : 6 Stunden. Fehlergrenze ±: 0.15 ccm vom Vo-
lumen der Einfüllungsflüssigkeit und ±: 0.3 ccm O. 2 N. Ag
NO3.

Tab. XVIII.

Objekt

Länge

Anfangs-
volumen

End-
volumen

Gesamt - Cl - Wert
in ccm 0,2 N AgNOs

in cm

ccm

ccm

vorher

nachher

1. Darm

25

1,7

1,8

5,5

5,6

2. Magen

25

7,1

7,1

22,0

23,3

3. Darm

35

5,8

5,6

18,7

18,3

4. Magen

30

3,0

3,4

9,7

10,3

ß. Magen

1

40

0,1

0,2

29,3

30,0

Diese Reihe zeigt ohne weiteres, dass unter genügenden Vor-
sichtsmassregeln
keine Resorption stattfindet. Sobald man aber
die Versuche zu lange dauern lässt, z. ü. 20 oder mehr Stunden,
oder keine Ventilation vornimmt, oder die Darmstücke zu stark
füllt, gelangt man zu stark schwankenden Resultaten.

Gewöhnlich zeigen dann auch die verwendeten Organe schon
pathologische Veränderungen, werden schlaff und brüchig , das
Darmepithel löst sich ab usw. Derartige Organstücke kommen
für die Volumen- und Chloridbestimmungen gar nicht in Betracht;
sie platzen bereits während des Abtrocknens auf dem Fliesspapier.

Erwähnt sei noch, dass sich meines Erachtens für derartige
Versuche mehr die massanalytische Bestimmung von Volum und
gelöster Substanz als die gewichtsanalytische empfehlt, wie sie
z. B. noch in neuerer Zeit bei
Yonge an Nephrops-d&vn\\Gn zur
Anwendung kam. Die Fehlergrenze ist hier bei ersterer Bestim-
numgsart einerseits bei einiger Übung kleiner , andererseits ver-
meidet man den Wasserverlust, der durch das « Durchschwitzen »
bei einem derartig gefüllten Organ nicht ausbleiben kann.

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Zunächst wurden einige Versuchsreihen angestellt, bei denen
zwischen « innen » und « aussen » osmotische Unterschiede bestan-
den. Bei einem Tier, dessen Leibeshöhlenflüssigkeit praktisch See-
wasser ist, und das auch in der Natur schwankende Salzkonzen-
trationen auszuhalten vermag, darf man wohl annehmen , dass
Variierung des Salzgehaltes die einwandfreieste Bedingung für Ver-
suche mit anisotonischen Lösungen darstellt. Daher wählte ich
hier drei NaCl-Lösungen, nämlich 1) Seewasser,
2) 4 Teile See-
wasser 1 Teil aq. dest. und 3) Seewasser 0,8 % NaCl , und
untersuchte, welchen Einfluss der überlebenden Magen- und Darm-
wand auf die aussen und innen von ihr befindlichen Flüssigkeits
gemische zukommt.

Es ergeben sich hier sechs Kombinationsmöglichkeiten :

1. Aussen Seewasser, Innen Seewasser.

2. idem , Innen verdünntes Seewasser.

3. idem , Innen Seewasser 0,8 % NaCl.

4. Aussen verdünntes Seewasser, Innen Seewasser.

5. Aussen Seewasser 0,8 % NaCl, Innen Seewasser.

6. » » , Innen verdünntes See-

wasser.

Die erste Kombination ist in der soeben wiedergegebenen Ver-
suchsreihe durchgeführt. Die letzte habe ich nicht angestellt, weil
mir das osmotische Gefälle zu hoch erschien. Die Ergebnisse der
mit den früher angegebenen Bedingungen durchexperimentierten
vier anderen Kombinationen folgen hier.

Tab. XIX.

Aussen: Seewasser. Innen: 4 Teile Seewasser 1 Teil aq. dest.

Länge in

Anfangs-

Entl-

6 Stunden

Objekt

volum

volum

Gesamt - Gl

- Gehalt in

cm

m ccm 0,2 M. Ag MO3

ccm

ccm

vorher

nachher

6. Darm

12

0,8

0,65

2,0

2,0

7. Magen

8

0,4

0,8

1,0

1,2

8. Magen

10

1,8

1,05

3,3

3,5

0. Darm

12

4,0

(2,2)

10,1

10.6

10. Darm

12

1,0

0,8

2,5

2,5

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Tab. XX.

Aussen: Seewasser. Innen: Seewasser 0,8% NaCI.

6 Stunden

End-
volum
ccm

Länge in
cm

Objekt

Gesamt - C1 - Gehalt in
in ccm 0,2 N. Ag N03
vorher nachher

11. Ma-
gendarm

12. Magen

13. Darm

14. Magen
lö. Magen
16. Darm

7,3

17,7
15,0
23,4

5,8

2,4

5,7
4,7
7,2
17,8
1,9

7,8

18^5
15 1
23,0

5,8

16

1,9

35

4,6

40

3,9

35

6,1

50

15,1

18

1,5

Tab. XXI.

Aussen : Verdünntes Seewasser. Innen : Seewasser.

5 Stunden

End-
volum
ccm

Gesamt - C1 - Gehalt in
in ccm 0,2 N. Ag N03
nachher

vorher

17: Magen

18. Darm

19. Magen

12
38
17

4,9
4,9
4,0

15,8

15.8

12.9

15,3
16,5
13,2

5.2
5,7
4,6

Tab. XXII.
Aussen: Seewasser 0,8 % NaCl. Innen Seewasser.

Objekt

Länge in
cm

Anfangs-
volum
ccm

End-
volum
ccm

7 Stunden
Gesamt - Gl - Gehalt in
in ccm 0,2 N. Ag NC3
vorher | nachher

20. Magen

30

8,5

7,0

27,4

28,0

21. Darm

12

1,0

0,8

3,2

22. Darm

20

3,9

3,2

12,6

12,5

23. Darm

14

1,1

0,9

3,5

3,6

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Aus den Tabellen ist ohne weiteres ersichtlich , dass eine
Permeation der Chloride nach keiner Richtung stattfindet. Wäh-
rend aber der Chloridgehalt dauernd um dem Anfangswert pen-
delt, zeigt das Flüssigkeitsvolumen stets eine ausgesprochene Zu-oder
Abnahme, je nachdem der Inhalt des Organs mit Bezug auf die
Aussenflüssigkeit hypo- oder hypertonisch ist. Für die Chloride
ergibt sich also unter, meinen Versuchsbedingungen eine absolute
Impermeabilität oder doch eine sehr schwere Durchgängigkeit. Das
W^asser permeiert aber leicht.

Die Frage war nun, ob andere gelöste Stoffe sicli ebenso

verhalten.

Benutzt wurden folgende Substanzen : Glucose, Ureum, Methy-
lenblau und Trypanblau.

2. Versuche mit Glucose.
«

Um pathologische Verhältnisse auszuschliessen , und mich
möglichst den physiologischen Bedingungen zu nähern, erschien es
mir angebracht, die Konzentration dieser relativ ungewöhnlichen
Stoffe recht niedrig zu wählen. Zunächst verwendete ich zu qualita-
tiven Versuchen eine 1 % ige Glbcoselösung in Seewasser, entstanden
durch die Mischung von 1 Teil 20 % iger Glucose und 19 Teilen
Seewasser. (Diese Lösungen sind ungefähr isotonisch).

In bestimmten Zeitabständen wurde dann in der Aussenflüssig-
keit auf Glucose mittels
Fehlings Reagens gefahndet, wobei aber
erst nach längerer Zeit eine Reduktion auftrat. In der Vermutung,
dass hier eine Vergiftung durch den Zucker vorliegen könnte, wur-
den die Versuche nochmals quant itativ wiederholt, und zwar mit
einer 0.4 % igen Glucoselösimg. Die Bestimmung der Glucosewurde
mittels
Schoorl"\'s Titration (vgl. Abschnitt über Karbohydrasen)
vorgenommen.

Es stellte sich heraus, dass meine Technik nicht genügend
genau war bei der Bestimmung kleinster Glukosemengen, die hier
passieren können. Jedenfalls konnte keine Permeation, die sich
ausserhalb der Fehlergrenze bewegte, beobachtet werden. In den
verschiedenen Versuchen, wo ich die Durchgängigkeit von kleinen
Mengen nur mit qualitativen Methoden gemessen habe, erhielt ich
immer nur ein negatives Ergebnis innerhalb der Vitalitätsdauer
der Organe.

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Wenn also unter physiologischen Umständen eine Permeierung
der Glukose bestehen dürfte, so ist sie jedoch allenfalls äusserst
gering.

3. Versuche mit Harnstoff.

Als zweiter Nicht-Elektrolyt kam Harnstoff zur VerAvendung,
der für das Darmgewebe, wohl als ziemlich indifferenter Körper
angesehen werden darf. Weiter lässt er die beiden Eingenschaften
der Harnsäure (die als Exkretionsprodukt bei den Echinodermen
eine ziemlich grosse Rolle zu spielen scheint) : relative Giftigkeit
und geringe Löslichkeit, vermissen. Die quantitative Bestimmung
in der Aussenflüssigkeit geschah mittels der Xanthydrol-Methode
von
Fosse.

Es wurden Lösungen von 0.4 und 0.8 % Harnstoff in Seewasser
verwendet. Eine Korrektur für die allerdings sehr geringe Erhöh-
ung wurde nicht angebracht. Zwei Versuchsreihen ; Jedesmal 50 ccm
Aussenwasser mit ständiger O2-Versorgung. Nachherige u- Bestim-
mung in 10 cc.

Erste Reihe ; 0,4 % ige u I..ösung.

Tau. XXm.

Länge
in
ccm

Flüssigkeits-
Volumen
cm

Total - U - Gehalt

Zeit
Min.

Objekt

bei Beginn des
Versuchs
innen mg

bei Schluss des
Versuchs
aussen mg

Magen

20

2,6

100

0

170

Magen

12

2,6

104

0

120

Magen

10

2,3

90

0

110

Scewasser-
Kontrolle

0

Zweite Reihe: 0,8 % ige U - Lösung.

Magen

4.1

328

0

210

Darm

2.9

1

232

0

210

Ergebnis. Weder Harnstoffkonzentrationem von 0,4 ojo, noch
solche von 0,8 0/0 sind imstande, die Magen- oder die Darmwand
zu passieren.

Pubblicazioni della Stazione Zoologica di Napoli. —Vol. VII.

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4. Versuche mit Farbstoffen.

Hier wurden nicht nur Darmstücke ohne Gefässe, sondern
auch solche, bei denen das Gefässsystem gänzlich intakt gelassen
war, verwendet. Diese letzteren Versuche werden noch eingehender
im Abschnitt über Resorption besprochen ; solange die Organe
im überlebenden Zustand waren, trat
kein Farbstoff (weder Me-
thylenblau noch Trypanblau) hindurch. Diese Art Versuche stel-
len geradezu eine Methode dar, um das Überleben von derartigen
Organstücken kontrollieren zu können. So beobachtete ich einmal,
dass ein vollständiger Darmkanal mit einer 0,1 % igen Lösung
von Trypanblau versehen, 12 Stunden lang, bei ständiger 02-Durch-
lüftung keinen Farbstoff durchtreten liess. Nach Abstellung der
Ventilation war jedoch 24 Stunden später die Peristaltik ver-
schwunden und die Aussenflüssigkeit himmelblau gefärbt.

Auch diese Experimente lassen sich also dahin zusammen-
fassen, dass der überlebende Magen oder Darm Farbstoffe wie
Methylenblau oder Trypanblau nicht permeieren lässt.

B. Die Permeabilität unter pathologischen Verhältnissen.

Wie gestalten sich aber die Ergebnisse, wenn man bei den
Versuchen etwas weniger vorsichtig zu Werkgeht ?

Wir haben schon früher darauf hingewiesen , dass bei aus-
gedehnterer Versuchsdauer die Resultate unsicherer und schwank-
ender werden. Das Endergebnis ist hier, wie ich mich in Versu-
chen mit anisotonischen Chloridlösungen überzeugen konnte, dass
die Magendarmwand sich wie eine vollkommene permeable Mem-
bran, also wie ein Dialysierschlauch verhält.

Man könnte sich fragen , ob auch der künstlich vergiftete
Darm Abweichungen vom vitalen Verhalten zeigt. Bei derartigen
Versuchen würde aber das Darmepithel durch Mittel wie Sublimat,
Formol, Alkohol, Natriumfluorid u. s. w. sofort brüchig werden
und sich ablösen, was natürlich zu unbrauchbaren Werten bezügl.
Volum und Cl-Wert führen würde.

Um die Eigenschaften des geschädigten Darmepithels studieren
zu können, wurden deshalb unter sonst gleichen Bedingungen wie
bei den Chlorid- und den früheren Glucoseversuchen einige Darmab-
schnitte mit hochkonzentrierten, aber ungefähr isotonischen Glu-

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coselösungen gefüllt. Nach etwa zwei Stunden wurde der Gehalt
an Chloriden und Glucose in der Innen- und Aussenflüssigkeit be-
stimmt. Als Füllung benutzte ich eine 18 % ige Glucoselösung ,
2. eine etwa 9 % ige Glucoselösung mit Seewasser, 3. eine 4.5 %
ige Glucoselösung mit Seewasser. Beide letzteren wurden durch
Verdünnung von Glucose 18 % mit Seewasser hergestellt. Aus der
Analyse der Innenflüssigkeit ergibt sich folgende Tabelle :

Tab. XXIV.

Volum der Innen-
Flüssigkeit

Glucosegehalt der
Innenflüssigkeit

Chloridgehalt der
Innenflüssigkeit
in ccm 0,2 N. AgNOs

Objekt

Zeit

vorher

nachher

vorher

nachher

,

vorher

nachher

Min.

ccm

ccm

mg

mg

ccm

ccm

Darm

140

5,0

8,8

900

557

.0,0

21,0

Magen

185

5,0

7,8

900

670

0,0

17,0

Dann

125

5,0

—- ■

450

298

8,0

18,5

Magen

105

3,6

4,1

160

1

81,5

8,6

12,0

Derartigen abnormen Verhältnissen ist also die lebende Darm-
wand nicht gewachsen. Ob abgestorben oder überlebend , was
hierbei ziemlich gleichgültig sein dürfte, wird sie von beiden Seiten
mit Gewalt passiert ; die Chloride wandern von aussen nach in-
nen, und die Glucose in umgekehrter Richtung. Einen zweiten
Versuch stellte ich noch an, um zu entscheiden, ob diese Schädi-
gung von der Richtung abhängt, in welcher die Kristalloide die
Darmwand zu passieren suchen. Hierzu legte ich mit Seewasser
gefüllte Darmschlingen in 19 % ige Glucoselösung und machte
wiederum eine Analyse der Innenflüssigkeit.

Tab. XXV.

Zeit

Volum der Innen-
Flüssigkeit

Glucosegehalt der
Innen flüssigkeit

Chloridgehalt def
Innenilüssi gkeit

Objekt

in

vorher

nachher

vorher

nachher

in ccm 0,2 N. AgNOa

Min.

vorher

nachher

ccm

ccm

mg

mg

ccm

ccm

Darm

250

3,5

0,75

0,0

106

11,2

0,9

Magpn

260

6,8

2,4

0,0

213

21,8

3,2

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Die Aufhebung der normalen Verhältnisse scheint offenbar
von beiden Selten gleicherweise vor sich zu gehen. Sowohl Glucose
wie Chloride (letztere vielleicht noch schneller) durchbrechen von
beiden Seiten das geschädigte Epithel.

Alle diese Experimente stimmen also eindeutig mit denen von
Enriques überein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass
Cohnheim\'s Ergebnisse auf fehlerhafte Versuchsbedingungen zu-
rückzuführen sind. Um ein einziges Beispiel zu nennen : man
kann doch kaum von einer so zarten Membran wie das Magen
epithel erwarten, dass sie einen fast doppelt so hohen osmotischen
Druck wie sont, und einen Zuckergehalt von 20 %, der zur Kan-
dierung genügen dürfte, 18 bis 22 Stunden auszuhalten vermag ,
ohne in ihrer Vitalität geschädigt zu werden ! (S. 26.) Die von
mir mitgeteilten Tatsachen über das Verhalten von Magen-und
Darmwand unter pathologischen Bedingungen zeigen deutlich genug,
wie empfindlich unser Versuchsmaterial ist. Ich kann mich daher
der Kritik von E. über diesen Teil der ConNiiEiM\'schen Arbeit
durchaus anschliessen und glaube daher hier weiter niclit darauf
eingehen zu brauchen i.

C. Die paradoxale Beschaffenheit der lebenden Darmwand.

Wenn man die oben wiedergegebenen Resultate mit den bei
anderen Tieren bezüglich der Resorption gewonnenen vergleicht.

1 Wenn Cohnheim in seinen Permeabilitätsversuchen den eingebrachten
Zucker am Schlüsse nicht mehr oder nur noch teilweise zurückfinden kann ,
nimmt cr an, dass der fehlende Anteil » verbrannt « sei, ohne aber Beweise
für diese Hypothese zu bringen.

Um zu entscheiden, inwieweit überhaupt das lebende Darmgewebe der Ho-
lothurie ein Verschwinden des Zuckers bzw. eine Glucolyse herbeizuführen ver-
mag, stellte ich folgenden Versuch an:

In zwei Bechergläser wurden ca. 900 mg Glucose zu je 250 ccm Seewasser
zugesetzt. Der Inhalt des einen Glases wurde zum Kochen gebracht und unmit-
telbar darauf der totale Darmtrakt (aber ohne Wundernetze) eines gros.sen Tieres
in die siedende Flüssigkeit hineingelegt. In das zweite Glas kam ein möglich.st
gleich grosses frisch entnonnnenes Organ, das ständig mit Sauerstoff ventiliert
wurde. Nach 3 Stunden wurde in jedem Becken der Gesamt-Glucose-Gehalt
bestimmt. Das erste — die erwärmte Portion also — enthielt noch 880 mg Glu-
cose, das Gefäss mit dem lebenden Darm 870 mg. Da 10 mg hier innerhalb der
Fehlergrenze der Methode liegen, kann man wohl sagen, dass hier zumindest
keine nennenswerte Glucolyse vorgelegen haben kann.

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SO bemerkt man, dass der Darmkanal unserer Holothurien einen
schwer zu verstehenden Sonderfall bildet. Wenn die mitgeteilten
Versuche unter physiologischen Bedingungen gemacht sind , ihre
Ergebnisse also eine biologische Funktion des lebenden Darmwand-
gewebes darstellen — und in der Tat hat ja, wie ich zeigte , der
abgestorbene Darm andere Eigenschaften — wie gestaltet sich dann
hier die Resorption ? Der histologische Bau kann uns hier keine
Aufschlüsse bringen. Wir haben früher gesehen , dass der ganze
Darmkanal , vom Kropf bis zur Kloake , eine ununterbrochene
Innenbekleidung von Epithelzellen hat. Distinkte Öffnungen, durch
die ein mechanisches Wegströmen des nahrungsbergenden Inhaltes
stattfinden könnte, fehlen. W^ie kann in einem Tiere, bei dem die
lebende Darmwand weder resorptionsfähig, noch imstande ist, an-
dere Stoffe als Wasser passieren zu lassen, die verdaute Nahrung
dem Stoffhaushalt zugute kommen ?

Ich möchte von vornherein darauf aufmerksam machen, dass
für dieses Verhalten hauptsächlich das Epithel verantwortlich zu
machen ist, denn Muskelschichten und Endothel sind durchzogen
von « Blut » lakunen und von den Öffnungen der bei der Präpa-
ration abgeschnittenen Gefässe. Lakunen und Gefässe stehen in
kontinuierlicher Verbindung.

Bei dem in Verdauung begriffenen Tier muss dieses Epithel
also auf irgendeine Weise durchlässig werden. Es fragt sich , ob
sich experimentell entscheiden lässt, wie dieses vor sich geht.

Die einfachste Methode wäre die, den Tieren durch künstliche
Fütterung irgendwelche Indikator-Substanzen zuzuführen, die man
später in den Geweben nachweisen könnte. Dies kommt aber leider
nicht in Betracht, weil sie in den Aquarien nicht fressen und
anderseits kaum dazu zu bringen sind, passiv in den Darmkanal
eingebrachte Nahrung bei sich zu behalten, ohne den Verdauungs-
trakt gänzlich zu autotomieren. Zwar kann man die Tiere in
Seewasser das mit einem indifferenten Stofl" gefärbt ist, und kräftig
mit Sauerstoff durchlüftet wird, längere Zeit in Leben halten. Und
dabei treten, wie wir sehen werden, eigenartige Beziehungen zwi-
schen Tier und Aussenwasser zu tage, man kann aber, wie ich
meine, derartige Versuchsumstände nicht benutzen, um die Funktion
der normalen Darmwand zu studieren.

Ich wandte mich daher schliesslich folgender Versuchsanord-
nung zu. Ich entnahm ganz frischen Tieren , die sich vermutlich
im Zustand der Verdauung und der Resorption befanden, das ganze

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Darmsystem (d. h. also Darmkanal mit Getasssystem und rechtem
Kiemenbaum ) und legte es in ein kleines Becken , das mit der
Körperhöhlenflüssigkeit des gleichen Tieres gefüllt war. Ein 02-Strom
deckte das Sauerstoffbebedürfnis der lebenden Gewebe und jagte
gleichzeitig die entstehende Kohlensäure hinaus.—Nach kurzer
Zeit koagulierten die Anioebocyten zu Schlieren und Fäden, worauf
wir hier nicht weiter eingehen wollen. Darauf füllte ich vorsichtig,
nachdem ich den Darm distal abgebunden hatte, einige ccm Me-
thylenblau oder Trypanblaulösung in Seewasser ein, und schnürte
dann auch am proximalen Ende ab. Der Farbstoff" mischte sich
nunmehr langsam mit dem übrigen Darminhalt und gelangte, wenn
nicht zu viel Sand im Darm vorhanden war, schlieslich in ein Paar
Stunden bis an das andere abgebundene Ende.

Drei Versuche zeigten nach 4 Stunden (keines dieser Experi-
ment wurde über 5 Stunden ausgedehnt) bei makroskopischer und
mikroskopischer Kontrolle keine auff\'ällige Veränderung. Der P\'arb-
stoff war nicht herausdiffundiert, sondern befand sich immer noch
im Darmlumen, während weder eine diffuse noch eine lokalisierte
Anfärbung der Wand zu bemerken war. Das einzige, was ich hier
hervorheben möchte, war, dass Plasmodien und Schlieren von den
in der D a r m f 1 ü s s i g k e i t enthaltenen A m o e 1) o -
cyten sich intensiv blau gefärbt hatten.

Zwei weitere Experimente mit Methylenblau ergaben noch
wichtigere Ergebnisse. Während bei Schluss des Versuches die
Füllungsflüssigkeit fast völlig entfärbt war, bis auf wenige tiefblaue
Amoebocytenschlieren, sah bereits makroskopisch die Magenwand
blau aus. Bei der Untersuchung unter dem Präpariermikroskop
zeigten sich Cuticula und Epithel ungefärbt, wohingegen sich in
den Darmlakunen fast nur A m o e b o c y t e n vorfanden,
die d e n \'F a r b s t o f f z u grossen blauen Vakuolen
gespeichert hatten. Weiter waren blaue Anioebocyten in
dem grossen ventralen Gefäss zu beobachten, und an Schnitten
(vom lebenden Gewebe) konnte man hier und da bemerken , wie
die Wanderzellen durch die Anastomosen im Begriffe waren, von
den Lakunen her in das Gefäss einzudringen oder bereits dort
angelangt waren.

Die Wanderzellen sind also offenbar imstande, g e 1 ö-
te Produkte aus dem Magenlumen in die (xe-
fässe zu transportieren. Hier sind also Stoffe dem
Mageninhalt entzogen worden und zwar nicht direkt durch die

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Epithelzellen, sondern offenbar unter Umgehung derselben von
wandernden Elementen.

Ich glavibe hier für die von Enriques und mir gezeigten pa-
radoxen Eigenschaften des Darmkanals, nämlich das Fehlen einer
aktiven Resorption seitens der Magen- und Darmwand und ihre
Undurchlässigkeit für gelöste Körper die Erklärung gefunden zu
haben : Die Wanderzellen können sich vielleicht mit den im Ma-
genlumen befindlichen Substanzen beladen und diese nach den
Gefässen transportieren.

Diese Art des Farbstofftransportes habe ich nur im Magen
deutlich erkennen können.

D. Stoffaufnahme aus der Aussenüüssigkeit.

An zweiter Stelle kommen hier jene Versuche zur Erörterung,
wo Tiere in ein Milieu gebracht waren, welches Farbstoffe oder
Nahrungssubstanzen enthielt.

Da Enriques (S. 46) aus einem derartigen Versuch weiter-
gehende Schlüsse auf die Resorptionsmöglichkeiten zieht, möchte
ich auch auf diese Dinge etwas ausführlicher eingehen.

E. setzte eine Anzahl Holothurien in 10 Liter Seewasser, dem
er « ein Glas Milch » und etwas NaCl (um Hypotonie auszuglei-
chen) zugefügt hatte. In verschiedenen Zeitabständen nahm er
Tiere heraus und fand : « nel saiigue dei vasi e della cavitä coe-
lomatica — delle goccioline di grasso, ed e difficile stabilire dove
prima ; ma attorno ai loro vasellini, interpositi con essi, esistono
dei cumuli di gocce molto interessanti. »

Diese weissen Häufchen werden durch Fettröpfchen gebildet.
Gleichzeitig war ein eiweissartiger Niederschlag zu bemerken, den
E. auf Kasein bezieht. Er legt sich die Frage vor, ob diese
Tröpfchen und Körnchen den Gefässen entstammen und sich in
die Leibeshöhle begeben, oder umgekehrt, « E evidente che i cu-
muli non potrebbero addensarsi attorno alle reti in quella ma-
niera come fanno, se fossero un ammassamento delle gocce con-
tenute nel sangue coelomatico: se rimanessero semplicemente ar-
restati dai sottili vasellini, dovrebbero fissarsi anche intorno agli
altri vasellini, mentre che i cumuli si trovano soltanto intorno
alle reti. — Siamo dunque costretti a ritenere che la via seguita
dal grasso e dalle sostanze proteiche nelPassorbimento sia quella
•conforme alla ipotesi fatta ». (D. h, dass die Adsorbenda aus dem

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Darminhalt in die Gefässe Übergehehen.) Er beobachtete weiter,
dass diese Fetttröpfchen mit der Zeit wohl in der I.eibeshöhlen-
flüssigkeit zunehmen, aber nicht im « Blut » der Gefässe und fol-
gerte hieraus, dass sie so schnell (« con altrettanta rapiditä »)
die Wand der Wundernetze passieren, dass keine Anhäufung im
Gefässsystem erfolgen kann. Die Wundernetze der Holothurien
würden also die gleiche Arbeit leisten wie die Mitteldarmdrüse
der Mollusken: sie scheiden digestive Enzyme ab und dienen gleich-
zeitig der Resorption.

Meines Erachtens könnte man noch an andere weitgehende
Schlüsse denken. Man könnte annehmen, dass wenn verdünnte
Milch — die eine Lösung (Kasein) und eine Emulsion (Fettkü-
gelchen) darstellt — derartig leicht durch den Darmtrakt aufge-
nommen wird, auch unter natürlichen Bedingungen im Seewasser
gelöste Substanzen via Darmtrakt dem Stoffhaushalt des Tieres
zugute kommen könnten, ja dass dies auch für suspendierte ge-
formte Nahrung z. B. Nannoplankton zuträfe. Ich möchte hier
aber hervorheben, dass
Enriques nirgendwo erwähnt, ob sich die
Milch im Darmkanal selbst vorfindet. Seine ganze Darlegung be-
zieht sich nur auf den Gefässinhalt, aber der Darm selbst und
seine Rolle bei diesem eigenartigen Vorgang wird nicht bespro-
chen. Daher glaubte ich noch einige diesbezügliche Versuche an-
stellen zu sollen.

I. Versuche mit Kongo rot.

Erstens brachte ich ein paar Tiere in eine 0,05 ^jo Lösung von
Kongorot, die sich z. T. noch in feiner Suspension befand. Nach
1 und 2 Stunden wurde konstatiert, dass beide Kiemenbäunie
mit roten Körnchen und Häufchen vollgepfropft waren. Das Ende
des Darmes zeigte nur da, wo es in die Kloake mündet , eine 3
bis 4 cm. weit vorgedrungene Rotfärbung. Nach dem Zentrifu-
gieren war ein sehr schwach rötlicher Ton in der KörperHüssig-
keit wahrnehmbar; einzelne Amoebocyten enthielten rote Ein-
schlüsse.

II. Versuche mit Glucose.

Ein paar weitere Tiere wurden in ein 0.5 «/o ige Glucose enthal-
tendes Gefäss mit Seewasser gesetzt. Gute Durchlüftung. Die Tiere
zeigten gänzlich normales Verhalten. Nach einer Stunde wurde von

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einem Tier die Körperhöhlenflüssigkeit gesammelt und zentrifugiert.
Sowohl Zentrifugat wie aufgekochter Amoebocytenrückstand zeig-
ten nach Prüfung mit
Fehling\'s Reagens die Abwesenheit von
"Zucker. Nach zwei Stunden wurde bei einem zweiten Tier mittels
ScHOORLS Titration in 25 cm zentrifugierter Körperhöhlenflüssi-
gkeit eine quantitative Glucose-Bestimmung ausgeführt. Ergebnis:
2.5 mg Glucose, d. h. innerhalb der Fehlergrenze. Man bedenke,
dass jeder Kubikcentimeter Aussenwasser 5 mg Glucose enthält
und dass beide Flüssigkeitsysteme nur durch die dünne Kiemen-
wand voneinander geschieden waren. Aufgekochter Amoebocyten-
rückstand enthielt keine Glucose.

III. Versuche mit Methylenblau.

Einige Tiere wurden in ein Becken mit Methylenblau-Seewas-
ser gesetzt. Nach bestimmten Zeitintervallen kontrollierte ich, ob
und wo im Innern etwas vom Farbstoff\' nachzuweisen war. Um
zu verhindern, dass die in den Kiemen enthaltene blaue Flüssig-
keit sich mit der perivisceralen Flüssigkeit mischen könnte, setzte
ich die Tiere vor der Präparation jedesmal etwa 10 Minuten in
frisches Wasser. Nach mehreren Stunden ergab sich in jedem Falle,
dass die Körperhöhlenffüssigkeit gefärbt war, und zwar, wie sich
beim Zentrifugieren zeigte, hauptsächlich die Anioebocyten. Das
distale Ende des Darms wurde ebenfalls blau, und zwar mit zu-
nehmender Versuchsdauer intensiver und extensiver. Eine Anfär-
bung des Kropfinhaltes wurde niemals beobachtet. Dehnte man
den Versuch über längere Zeit, z. B. 24 Stunden aus, dann war
die Farbe an den oben genannten Stellen besonders kräftig ge-
worden. Ausserdem hatte sich dann noch eine blauer Belag von
gefärbten Wanderzellen auf dem ganzen Darmtrakt gebildet, vor-
nehmlich an der Magenwand und den Wundernetzen. Gleichzeitig
hatte die Menge der in der Körperflüssigkeit anwesenden Wander-
zellen sehr deutlich abgenommen.

Auch auf anderen Geweben, z. B. auf den Muskeln und den
Gonaden konnte dieser blaue Belag nachgewiesen werden. Der
Darminhait war ebenfalls gefärbt, wobei sich das Maximum in
seinem hinteren Abschnitt ergab, während vorn (in Kröpfe z. B.)
fast kein Farbstoff\' zu finden war.

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IV. Versuche mit Milch.

Endlich stellte ich auch Versuche an, hei denen Holothurien
eine Zeit lang in Seewasser verblieben, dem eine kleine Menge
Milch zugesetzt war. Dies schien die Tiere stärker zu reizen,
als die in den vorigen Versuchen benutzten Stoffe, denn ziemlich
bald, nach etwa 6 bis 10 Stunden wurde gewöhnlich der Darm
autotomiert. Bei einer Versuchsdauer von ca. 4 Stunden fand ich
die Leibeshöhle mit einer mehr als sonst trüben Flüssigkeit ge-
füllt. Zwischen den Wundernetzen fanden sich weisse Schlieren,
wahrscheinlich aus koaguliertem Milcheiweiss bestehend, die sich
im Mikroskop von unzähligen Amoebocyten umgeben zeigten.
Diese konnte man zwar auch in der Flüssigkeit selber beobachten,
aber immerhin wies die Umgebung des Gefässystems eine deut-
liche Anhäufung auf. Die mikroskopische Beobachtung lehrte im
übrigen, dass die Flüssigkeit grosse Massen von Fetttröpfchen
enthielt, von denen nicht immer mit Bestimmtheit gesagt wer-
den konnte, ob sie in Wanderzellen eingeschlossen oder frei sus-
pendiert waren. ^ Auch der distale Darmabschnitt war von Fett-
tröpfchen und Eiweissniederschlägen erfüllt, wohingegen weder im
Magen noch im Kröpfe derartiges zu finden war. Ob auch der
Inhalt der Gefässe solche Einschlüsse aufwies, konnte ich leider
nicht entscheiden.

Ich glaube die Resultate dieser Experimente dahin zusam-
menfassen zu dürfen, dass die Wand des Kiemenbaums unter ge-
wissen Umständen für gelöste oder fein susj)endierte Stofle
permeabel ist. Diese Termeabilität ist aber nicht die einer Diffu-
sionsmembran, sondern wird ganz oder wenigstens hauptsächlich
von den Wanderzellen vermittelt. Wenn also die Membran « leckt » ,
geschieht dieses an den Stellen, wo sich die Wanderzellen vor-
finden.

Die Beobachtung der normalen Kiemenwand lehrt übrigens,
dass auch dort mannigfache Einschlüsse vorkommen, die teilweise

1 In einem weiteren Versuch mit durch Trypanblau gefärbter Milch, fand
ich ebenfalls beide Stoffe zurück in den Amoebocyten der Körperhöhle. Der
FarbstolF war e ngeschlossen in deutliche blaue Vakuolen, während ich auch
Fettkügelchen und Ei weisschlieren an und in den Wanderzellen beobachten
konnte.

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sogar als Excrete angesehen werden ! (Vergleiche den Abschnitt
über den Bau des Magen-Darmkanals). Auch an der Innenseite
der Kiemenwand ist immer ein ständiger Verkehr von Wander-
zellen nachzuweisen, die diese Einschlüsse anscheinend mitschleppen.
Umgekehrt können auch Stoffe aus der Kiemenhöhle von Amoe-
bocyten hereingeholt werden , wie wir oben gesehen liaben. Es
wäre hier sinnlos, an Schädigungen des zarten Kiemembaumes zu
denken. Und wenn dies wirklich zuträfe , so können die einheit-
lichen Ergebnisse dieser relativ harmlosen Versuche uns darüber
belehren , dass diese Läsionen , diese lecken Stellen eine biologi-
sche Bedeutung für das Tier haben. Die Anhäufungen von Nie-
derschlagsschlieren in der Nähe der Wundernetze lässt sich un-
gezwungen durch die Tatsache erklären, dass dort stets ein sehr
reger, wohl der lebhafteste Verkehr von Wanderzellen statt-
findet.

Die Vermutung von Enriques , dass in seinen Versuchen die
Milch durch die Darmtraktwand hindurch in die Gefässe und von
dort in die Leibeshöhle gelangt war , möchte ich nach den oben
angeführten Experimenten als unzutreffend bezeichnen. Dass die
Nahrungsstoffe aus dem Magenlumen in die Gefässe übergehen,
steht für mich ebenso fest wie für E. Aber die
anatomischen und
physiologischen Verhältnisse lassen nicht die von ihm in diesem
Fall angenommene Nahrungsaufnahme zu , wenigstens nicht bei
normalen Tieren.

Die Durchlässigkeit der Kiemen führt uns auf die Frage, ob
sie auch beim normalen Tier für die Ernährung in Betracht kom-
men. Was die Aufnahme fester Teilchen--z. B. Planktonten —
anbetrifft , glaube ich dies bezweifeln zu können , weil man nie-
mals derartige Einschlüsse in den Wanderzellen findet. Mit der
zweiten Möglichkeit — ob vielleicht an dieser Stelle dem Körper
gelöste Nahrung zuströmen kann — be rühren wir den Fragen-
komplex der viel umstrittenen
PüxTER\'schen Theorie,

Es liegt nicht in meiner Absicht, neue hierhergehörige Tat-
sachen zusammenzustellen. Ich möchte lediglich im Zusammenhang
mit den soeben referierten Versuchen einige Bemerkungen zu
Püt-
ter\'s
Arbeiten machen und kurz auf die Kritik eingehen, der sie
begegneten.

Dem unbefangenen Leser muss es auffallen, dass die Pütter
sehe Theorie hauptsächlich wegen der ihr zugrunde liegenden

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Versuchstechnik und- Methodik angegriffen wurde ; dagegen hat
man kaum untersucht , ob seine Auseinandersetzungen mit den
physiologischen Funktionen der in Betracht kommenden Gewebe
vereinbar sind. Meines Wissens gibt es z. B. keine Untersuchungen,
die sich mit der Frage beschäftigen , ob Fischkiemen imstande
sind, gelöste Stoffe aus dem Wasser aufzunehmen i. Diese Frage
ist vom
biologischen Standpunkt aus wohl bedeutungsvoller als
die z. B. von
van der Heyde angeführten (S. 100) Argumente,
dass
Pütter\'s Bestimmung der gelösten organischen Verbindungen
im Wasser fehlerhaft sei, oder dass seine Angaben über die CO2-
Produktion von Holothurien nicht die von
Bohn ausgesprochene
Meinung berücksichtigen, dass die Echinodermen durch bestimmte
Pigmente oder Symbionten bei Belichtung O2 bilden können.

Ich kennen nur zwei Arbeiten, die sich mit der physiologi-
schen Seite dieses Problems beschäftigt haben. Die erste ist von
CnuRcniLi , der Muscheln in Wasser hielt , dem er verschiedene
Nahrungsstoffe (z. B. neutrale Seife , Eieralbumin und Stärke)
zugesetzt hatte. Er beobachtete , wie die Kiemenzellen von im
Albumin-Wasser lebenden Tieren nicht schrumpften im Gegensatz
zu denen der Kontrolltiere , wie sich Fetttröpfchen im Kiemene-
pithel der « Seifen-Tiere » ansammelten und das vielleicht auch
mit Jod blau gefärbte Stärke aufgenommen wurde. Derartige Re
Sorption fand ausschliesslich im Kiemenepithel statt und nicht
an anderen Stellen der Körperbekleidung. Er stellte weiter fest,
dass die in den Kiemen aufgenommenen Fetttröpfchen durch
Amoebocyten nach den anderen Körpergeweben transpor-
tiert wurden. Die Äusserungen des Autors über die Art der Auf-
nahme — phagocytär oder diffus als Lösung — sind nicht recht
klar. Jedenfalls konstatiert er die Möglichkeit einer Aufnahme
gelöster Stoffe.

1 Kiuzenecky berichtet in der Riv. di Biologia (VI-1924-S. 601-613,
besonders 603) über
Kaulquappen, die mit ausschliesslich gelöster Nahrung bis
zur vollkommenen Metamorphose gelangen und teilt mit, dass wenn man dieso
Nahrungsart noch mit Verfütterung « geformter » Nahrung kombiniert, « eine
mächtige Steigerung des Kaulquappcnwachstums hervorgerufen » wird.

üas Vermögen der Kaulquappen, gelöste Stoffe aufzimehmen, wird m. E.
schon wahrscheinlich gemacht durch die vielen Angaben über die Wirkung ge-
löster Inkrete auf das Wachstum der Tiere, M-enn inan nicht gerade annimmt,
dass diese Stoffe wieder durch Aufnahme ungeheurer Quantitäten Wasser via
Darmkanal ihren Einfluss ausüben.

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Die zweite Arbeit — von M. E. Canegallo — handelt gleich-

O

falls von den Ernährungsmöglichkeiten der Muscheln. Ihre Ver-
suchsbedingungen stimmen im grossen und ganzen mit denen-
Chürchill\'s überein. Sie hielt die Tiere in Seife- und Milchlö-
sungen und fahndete dann in den Geweben mit Sudan IIT-Fär-
bung auf Fett. Eine reichliche Aufnahme fand sie im Darme-
pithel , was an sich nicht verwunderlich erscheinen dürfte, und
weiter : « Scarse gocciole giallo-rosse dentro le cellule epiteliali
delle lamelle branchiali ed ancor piü raramente nelle cellule del
tessuto lacunare ». Ob diese sich dort von aussen her gesam-
melt haben, oder ob sie dorthin durch zirkulierende Wanderzellen
verschleppt sind, vermag sie nicht zu entscheiden.

Wenn man Churchill\'\'s und Canegalio\'s Ergebnisse an
Unionen mit den meinigen an Holothurien vergleicht , so sieht
man , dass in den beiden ersten Fällen zumindest die Möglich-
keit gegeben ist, dass durch die Kiemen gelöste Substanzen auf-
genommen Averden ; in Falle der Holothurien , wo ein vorheriger
Umweg der Wanderzellen über den Darm ausgeschlossen war,
wird diese Möglichkeit zur Gewissheit.

Und weiter wird ersichtlich, dass auch an dieser Stelle wieder
die Wanderzellen, wenn nicht ausschliesslich, so doch zum grös-
sten Teil den Transport auf sich nehmen.

Nicht nur die Magenwand sondern auch die Kiemenwand
unserer Tiere stellt also eine Membran mit Foren dar, an deren
präformierten oder funktionellen Stomata die Wanderzellen sitzen.
Hiermit ist die prinzipielle Möglichkeit für eine Art Nahrungsauf-
nahme gegeben, wie sie
Püttkr vielen Wassertieren zuschreibt. Es
ist jedoch nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, inwieweit dieser
Eigenschaft bei den Holothurien praktische Ikdeutung zukommt.

Schiesslich möchte ich darauf aufmerksam machen, dass von
vielen Autoren (ich nenne
Danielssen und Koren, und Hkrouard)
die Entfernung von Fremdkörpern wie Farbstoffe, Tusche u. s. w.
durch Wanderzellen via Kiemenbäume öfters als Excretionspro-
zess beschrieben ist.
Herouard lindet sognr Stomata in der Kie-
menwand von
Stichopus, die hierzu präformiert sein dürften. Die
Permeation scheint also in beiden Richtungen gleichmässig statt-
finden zu können und unabhängig zu sein von den Mengen und
der Rescliaffenheit der aussen und innen befindlichen Substanzen.

Zusanunenfassend möchte ich die HyiJothcse aufstellen, dass
gelöste Nahrungsstoffe im Magen durch \\Vanderzellen aus dem

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Inhalt « gesogen » werden , dass die so beladenen Wanderzellen
sich in die Gefässe begeben und sodann :

1) durch diese zu den nahrungsbedürftigen Geweben ge-
langen ;

2) durch die Gefässwand hindurch in die Leibeshöhle kom-
men und von dort aus die nicht mit Gefässen versehenen Gewebe
versorgen. — Ob es zutrifft, dass die durch die Kiemen mögliche
Aufnahme von feinst verteilten oder gelösten Stoffen praktische
Bedeutung für die Nahrungszufuhr hat , muss ich unentschieden
lassen.

Zusammenfassung der Ergebnisse.

1. Von H o 1 o t h u r i a t u b u 1 o s a und H o 1 o t h u r i a
s t e 11 a t i, den beiden zu meinen Versuchen gebrauchten Arten,
wird die Nahrungsbiologie beschrieben. Vom Kropf- und Enddarm-
inhalte machte ich teils mikroskopische, teils chemische Analysen.

2 Es wird eine Übersicht der vielerlei Namen gegeben ,
die frühere Autoren den Teilen des Darmkanals verliehen. Der
Autor schliesst sich hauptsächlich denen von
Enriques an und
begründet ausführlich die Einteilung in K r o p f , Schlund,
Magen, M a g e n d a r m und D a r m , anlässlich der Unter-
schiede in Form und Funktion. Die Bedeutung und der Bau des
Gefässsystems, und der Wundernetze werden erörtert.

Die Wand des Darnikanals besteht aus den folgenden Schich-
ten ;
a.) das E p i t h e 1 , b.) mehrere B i n d e g e w e b s s c h i c h-
t e n ,
c.) eine M u s k e 1 s c h i c h t , bestehend aus radiären und
Längsfasern ,
d.) das T e r i t o n e a 1 e p i t h e 1. Diese Schichten
sind nlle von Wanderzellen , die auch in allen weiteren Geweben
dieser Tiere ungemein zahlreich sind, durchsetzt.

Die Vermutung, dass die verschiedenen Stoffe (Enzyme, usw.)
der Verdauungsflüssigkeit in den Wundernetzen entstehen erweist
sich als begründet. Sie werden mit Hilfe der Wanderzellen als
dichroitisch grüne Körnchen nach dem Magen, in dessen Lumen
sie sich auflösen, befördert.

3. In der Natur hungern unsere Tiere nie. Im Gegensatze
zu dem übrigen Verdauungstrakte enthält ihr Magen nur wenig
Nahrungsmengen, ist aber immer mit einen eigentümlichen Ver-
dauungssaft gefüllt. Dieser ist gold- bis grünlich braun, verbreitet

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einen ganz charakteristischen Geruch, hat einen bittern Geschmack
und reagiert sauer, (pH etwa 5,1).

Trotz seines um etwa 12 % geringeren Gehaltes an Chlor,
verglichen mit dem Seewasser, ist seine Gefrierpunktserniedrigung
diesen ziemlich gleich.
(A = — 2,13-2,21« C.) Er hat einen hohen
Stalagmometerwert und bildet einen dauernden Schaum. Viskosi-
metrische Bestimmungen ergeben ungefähr den Seewasserwert.
Eiweiss- und Biuretreaktionen sind negativ. Der Saft enthält geringe
Quantitäten Proteasen, Carbohydrasen und Lipasen. Die Azidität
wird von einer organischen Säure verursacht. Wanderzellen sind
immer darin anwesend. Der filtrierte Saft erleidet kaum eine bak-
terielle Zersetzung.

In Hungertieren ersetzt das Seewasser innerhalb weniger Tage
die obenerwähnte Flüssigkeit.

4. Auch die Extrakte der Magenwand und der Wunder-
netze enthalten Proteasen, Karbohydrasen und Lipasen. Es fehlt
jedoch dem eigentlichen Darm fast an jeglichen Verdauungsen-
zymen.

In grössten Konzentrationen findet sich die Protease in der
Magenwand. Mit der Abhängigkeit ihrer Wirkung vom Substrate
und von der Temperatur hat der Autor sich eingehend befasst.
Der Einfluss der Wasserstoffionenkonzentration wurde bei der
Spaltung von Wittepepton untersucht. Hier findet man zwischen
pH =2,8 bis 9,2 eine Hydrolyse, die allmählicli nach der alkali-
schen Seite hin steigt, ohne ein Optinuini zu erreiclien. Mit der
Alkoholtitration wurde die relative Zunahme an Pej)tiden und
Aminosäuren kontrolliert.

Die kräftigsten Karboliydrasepräparate erhält man ebenfalls
aus Magenwandextrakten. Die Karbohydrasen spalten Amylose ,
(Glykogen, Saccharose und Maltose bis auf Monosen. ^Veder Lak-
tose noch Raffinose werden verdaut. Auch hier wurde der Tem-
peratiu-einfluss kontrolliert. Die enzymatische Hydrolyse von Amy-
lose und S.accharoselösungen in Puffergemischen weisen ein deutli-
ches Optinuun in der Nähe von pH = ß auf. Die hlnzyiiiwirkung
zeigt dieselbe Abhängigkeit von der Wasserstoffionenkonzentration,
wie die anderen bisher studierten Amylaseri und Saccharasen.

5. Eine Resorption isotonischer Lösungen aus den überle-
benden Magen oder Darm konnte nicht nachgewiesen werden. Un-
tei physiologischen Bedingungen zeigt sich ihre Wand imper-
meabel für Natriumchlorid, Harnstoff, Try])anblau und Methy-

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lenblau, höchstwahrscheinlich auch für Glukose, Eine Permeation
des Wassers findet jedoch statt. In diesen Fällen erweist sich also
das Magenepithel als eine absolut semipermeabele Membran.

Bei pathologischen Versuchsverhältnissen (Absterbung, Ver-
giftung, bei hohen osmotischen Druckunterschieden) benimmt sich
dasselbe Epithel als eine physikalische Membran (Dialysier-
schlauch).

Etwas gelöstes, in den Magen frischer , aktiv resorbierender
Tiere gebrachtes Methylenblau, befand sich nach Avenigen Stun-
den fast ausschliesslich noch in den Wanderzellen des Magenepi-
thels, der Magenwandlakunen und der Gefässe. Deshalb vermutet
der Autor dass auch in den normalen Tieren andere gelöste, zu-
mal Nahrungsstoffe arf diese Weise aus dem Magenlumen in die
Gefässe befördert werden können.

An den Stellen, wo sich Wanderzellen befinden, ist das ab-
solut semipermeabele Magenepithel also für bestimmte gelöste Stoffe
oder für Amoebocytendiapedese durchgängig.

Bringt man Tiere in Seewasser, dem man gewisse Indikator-
stoffe, (Milch, Farbstoffe.) zugesetzt hat, so findet ein Durchtritt
durch die Kiemenwand hindurch, und ene Anhäufung in den Wan-
derzellen der Körperhöhle statt. Es existiert offenbar die prinzipielle
Möglichkeit, dass auch in natura die Tiere gelöste Nahrungsstoffe
zu sich nehmen. Auch hier wäre die Aufnahme derartiger Stoffe
auf Rechnung der in der kiemenwand befindlichen Wanderzellen
zu setzen.

Zum Schlüsse danke ich dem Herrn Prof. Dr. R. Dohrn in
Neapel für die Überlassung eines 7\\rbeitsplatzes an der zoologis-
chen Station, wie auch der St. Radboudstiftung in Utrecht, die
zum Teil vorliegende Untersuchung durch eine finanzielle Unter-
stützung ermöglicht hat. Herrn Prof. Dr.
II. Jordan, meinem
hochgeschätzten Lehrer , verdanke ich manche Anregungen und
Ratschläge.

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STELLINGEN.

I.

Een enzyme is niet noodzakelijkerwijze aangepast aan de
omstandigheden waaronder het in een levend organisme werkt.

II.

De zijdelingsche gang der krabben wordt beinvloed door hun
wijze van chemoperceptie.

III.

Het begrip phagocytose verdient splitsing in eenige onder-
begrippen die beantwoorden aan onze empirische kennis. Daarom
heeft een te theoretische verdeeling zooals
Hirsch ze voorstelt,
weinig practische waarde. (Zeitschr. f. vgl. Physiol. 3. Bd., 2. Hft.)

IV.

Tryptische proteasen bezitten geen pH-optimum.

V.

Een hongertoestand komt bij normale zeekomkommers niet voor.

VI.

De pogingen om een genetisch verband te zoeken tusschen
de Nematoden en andere diergroepen moeten als vruchteloos
beschouwd worden.

VII.

Het begrip homologie ot morphologische gelijkwaardigheid
bezit geen verklarende beteekenis voor den bouw der dieren.

VIII.

De volgorde van reductiedeeling en aequatiedeeling bij de
vorming van basidiosporen is niet dezelfde bij alle Basidiomyceten.

IX.

De embryo\'s van Zea mays zijn in staat amylase af te scheiden.

X.

Het vak „natuurlijke historie" dient geschrapt te worden
uit het gymnasiale leerprogramma. De vervanging daarvan door
de „biologie"", die verplichtend gesteld worde op de A-, zoowel
als op de B-afdeeling, lijkt mij een dringende eisch des tijds.

XI.

De gymnasiale opleiding is de eenig geschikte voorbereiding
voor universitaire studie.

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DRUCKFEHLERBERICHTIGUNG

Die Unterschrifte der Abb. 9 und 10 sind verwechselt.

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