-ocr page 1-

fynbsp;Ynbsp;\' Hi 1quot;

-v/^ j;

\' ■■ HH/Wv tv I. V

te

gt; -1 y i-i .TA

mm.

^ ^nbsp;\\ rnbsp;i ^^ \' \\ V ^ X \\ ■

\'-ilnbsp;^-c-\' - h tquot;

-ocr page 2-

mm

i

r ■

-ocr page 3- -ocr page 4-

ft,,-4

I

I
i

I

ly

-ocr page 5-

^ivm 12 fr. - 20 ^Pîfî.

-ocr page 6-

^ü^nmim Büi^erd

l^£rauiggEß3gt;b£tt oon h2x ÄjiErrßti^tf^Bit JtBo-Q9Ef£ÜftJraff

tüirb eine Sammlung fein, bie fic| oon ä^nüdjen, bereits öor==
l^anbenen, baburc| unter)d)eibet, bofä fte mir forgfälttgcr ^UtSma^I
eilten beftimmtcn, wenn aud^ iiid)t eng bcfchtönften *P(an berfolgt. ®ie

foö in t^rer (Sejammt^eit eräiefjeriicl^ rotifen. ®ie foll affmäpc^
oHeS in fid^ anfnel;men, toaS in ben Srei§ ber allgemeinen 58ilbnng
gehört, gerne

baoon, ein ß^aoS jit bilben, in bem ber
I)errjd)t, foll fie tiielme:^r mitoirfen, bie organifd^e ginl^eit unferer
Gultur äu Befe[tigen.nbsp;nidjt im ©imte bec 9JioraI miifen

fönnte, ift anägcfc^Iofien. Sie KßjjBmetnE PüiflBvet foü eine

J^amt lien-Biamp;Kuf tißk

tüerben, bie man unbebenHid) jebem in bie |)anb geben fann. Sie
tuirb bemnad) and^ alle§ auafc^Iie^en, maS bie (Slänbigfeit an«
greifen Ißnnte.nbsp;Herausgeber fielen onf bem SBobcn be§

fat:^oIifd)en E^riftent^umg. ®iefer (Sttinbfjunft wirb aber
nid;t bie SBürbignng ber antifen, ber nationalen Sultnr«
demente au^id^Iie^en. ®ie ©ommlnng wirb im ©egent^eil im
ftrengften JRa^men bie größte ajiannigfaltigfeit nnb Sielfeitigfcit
jiiftreben. ©ie wirb an^er SJeubruden älterer Slaffifer aller
Sfationen auc^ SSerfe lebenber ©djdftfteHer fie wirb aufeer
äBerfen ber Ißoefie anc^ ^iftorifc^e, biogt ap^ifd^e, ^i^ilo\'
fopl^ifc^e, t^eotogifdje nnb äft^etifd^e Schriften bringen.

Stile 3ieubrude älterer SSerfe Werben einer iorgfaltigen,
wiffenfd^oftlidien nnb :))äbagogifdjen ^Bearbeitung öon gi^tnännern
unterzogen. Unter ben Elaffifern aller Sänber follen befonbers bie
Diel p fefir üernad^Iäffigten fat^olifd)eu Stutoren ju iljrem
Siedit fommen.

-ocr page 7-

Ih^

giir

—-----

®on

P.nbsp;O. S. B.

l®w« unb

muiitlm Bvsinmüïltt

t. H. l. uttb UitiSerfitäta-ffiuiSptibtei;.

/

-ocr page 8-

F

-ocr page 9-

maitd)etit SSebenfen ^at ber Sßerfaffer ber folgenben
Blätter in bereu a^eröffeiiÜic^ung gettilügt. S^w öirb ein
aro^er St\'ret§ reidje Slnregiutg p tieferem 58eftntten banfen.
®te SSeranttDortung aber für baê Unamp;e:^agen xinb bte
uerftänbmffe, bte ferne ©ebanïen bei ©inseïnen erregen
mögen, toill ber |)erau§geber gerne anf fic^ allein nehmen,
g^m festen eg not|it)enb.tg, bafs biefe Stitfd^auimgen im Biel=
!ö^gt;ftgen, aftï^etifcfien Parlament unferer STage pm SBorte
fämen. Stire ©ï)rad§e. toirb ftÄ fo frembartig auêne:^men,
toie wenn ein Sßroptjet bie gatt)ebra eineê 2lfabemie^jrcfefforë
befteigen tooffte, bie ©ebanfen toerben mit 58ebeufext, bie
tl}nen §ur Seite geljenben fflerïe mit SSorbe^^alten auf=
genommen merben. Stber foHte in nnferer 3eit, wo feber
SBerfitc^, jebe 9Jcobe, iebe Banne fid} anfbrängt, gerabe nur
ba§ Merer^abeufte, ba§ ©rnftefte, bo§ ïiefgrünbigfte, boS
IXberlegtefte fti^ feine 33ead)tung oerfdioffen bürfen? ^at
bernbsp;bie grioolität, bie ©ebanïentofigïeit, bie SRobe,

ba§ SSirtuDfent^nm, bie SKac^e, bte Sannen^aftigïeit nid)t
fi^on längft ben @t))fel be§ ÜBerbruffeg erftiegeit, fo bafê e§
itnfere tunft naä) ber gerben, aber gefnnben ©peife be§
Sebeng, naamp; ©infac^^eit, ïiof^wenbigfeit nnb ©rnft bürften
muffe ?

®ie folgenben brei Ka^jitel ftammen auê Berfdjiebenen
Seiten. britte, oom 3Kai 1865 anê ©c^Ianberg in 2;iroI
batiert, ift einem SOïemoranbum entitommen, bag ber ba=
malige S8ilb^auer\',/^eter Senäquot; an bag ^jreu^ifd^e SRinifterinm
ridjtete. ®ie beiben erften Kofjitel ftammen awg einem 2luf=
fa^r ben P. Sefibering Dor toeitigen Sauren bem 9lnbenïen
fetneg grennbeg P. ©abriet getoibmet ^at. @iit S:i)eil banon
ift in bennbsp;^Blättern abgebrudt getoe en.

SSon biefem Sirucï finb einige toi^tige ©tetten (im erften
gal^itel) toieber aufgenommett, bie §an^3tfa(^e aber (bag ganje
ätueite Kafjitel) ift ang bem Drigtttalmanufcri^)te ergonjt»

aïic^arb ®raïiï.

BT

-ocr page 10-

Ft

quot; r

rHàîjfc

Mi\'

M

A

-ocr page 11-

I.

3n aJlün^cn lernten fii^ im grü^ja^re 1851 groei
junge Mnjtler ïenncn, cinft Beftimint, bie Segrünber
berbIü^enbenSeuroner5lunflf(^uIe guroerben. (£s œaren
^eter fienj, fpäter ols ^der DeStberius Beïannt, unb Saïob
2Büger. I)iefcr,
Don cabinif^en ©Itern in Stodborn am
Unterfee, danton 2:^urgau, im ^a^te 1829 geboren,
^atte 1847 bie SJîûnc^ener Slïabemie Besogen. ^eter
Seng, im 3a:^rc 1832 gu $aigerIo(^ in ^o:^en3onern
geboren, œar Œnbe Sïooember 1850 na(| aRünd^cn
geïommen, guerft an bie aRobellierfc^uIe bes ^olgtec^^
niïums, bann erft roar er als Silb^auer in bie Sïïabemie
eingetreten. Sor^er, no(| als Änabe, ^atte er bie Sîn=
leitung bes Sauratl^es 3o6eI genoifen, eines il^m öäter=
lic^ gefinnten (Sönners, ber i^m feinergeit au(^ ben guten
9îat^ mit auf ben SBeg gegeben §attc: „(Sei) immer
ntit fieuten um, bie über bir fte:^en unb me^r ïônnen
als buquot;. Dann aber roaren Sa^re ber äußeren (£nt=
frembung oon ber ilunft geïommen unb Ratten alle
Grftlingsïunftfreuben glei(|fam Derf«^üttet. Darüber laffen
mir ben Sünger felbft reben.

mar in ein geiftig (glenb l^ineingerat^en; etroa
fünf 3a^re oergtengen, ba ïonntc ic^ mi^ frei mai^en,
unb nun maren alle jene olten Œinbrûde unb Smpfin=
bungen luieber neu erroac^t unb neu belebt non ber §err=
Iic^feitgfleu=9Jlünd^ens. Sllle biei^unfttoerïeaus ber ^eriobe
i^önig ßubffiigs 1. umgaben mid^ rote eine

-ocr page 12-

SIBer 3uglet(^ füllte it^ tnic^ um^üni töte oon einer
SBoHe Don gragen. ®et mir toar alles nur „Oefü^Iquot;
unb toarmer SJebel, oBer bie Sonne ber ilunft, i^r Si^t
tonnte ic^ nid}t fe^en. Dafs es mit IrBeiten, mit ber
^anbfertigfeit atlein ni(^t get^an fei, bes füllte gu
beutlid^, id) aBer l^atte ein Serlangen, Don ber ilunft
alles 3u töiffen. 3u biefem l^atte mir ber licBe ®ott
au^er einigen 9KitteIn gum SInfang eine unBegrengte
Sorglofigfeit Betreffs meiner ferneren föifteng gegeBen,
unb foctif(§ ^atte Er biefe Sorge auf genommen.
So toanbelBar unb tounberBar es oftmals _ pgieng, es
gteng immer, unb is^ toor bann am fröpis^ften, toenn
am ärmften taar.

SBüger loar SKaler, i^ ange^enber SBilb^auer.
9lm meiften toufste oon. Slrdjit^ltur. äReine ilraft
roar f(^ttia(|, alle toftfpieligen Stubien etioa na(^ ber
Statur mufste ic^ mir Derfogen unb ba ic^ auc^ o^ne
bie fo üBeraus nü^Ii(^e unb noi^toenbtge SorüBung
einer orbentIi(^en te(|nif(|en Seljrgeit fo plö^Iic^ auf
eine Stufe ^inaufgef^oBen tourbe, bie meit üBer meinen
i^räften ftanb (loenige SRonate früher toar no(^
S(^reiner geiocfen), fo toar id^ eigentli(^ töie einer, ber
feinen SBoben mc|r unter ben gü^en |ü|It. gieng
oiel allein in bie (5Igptott}ef, um bie Ortginaltoerfe
grie(^if^er ilunft, namentliil ber alten ^eriobe, gu
[tubieren, oor allem bie ^gineten mit il^ren 3eitgeTtoffen,
Sorfa^ren unb nä(^ften Nachfolgern. Diefe ilunft gog
mi(^\' magif(^ an, Befonbers bestoegen tooi^l, toeil für
ar(^iteflonifd}e formen in i^nen om meiften oorgeBilbet
unb im ©efü|l am meiften empföngli(^ toar,
erlaitnte tlar, bafs biefe ilunft fo gang onkrer 5lrt fei
als bie $Renaiffance unb alle i^re 3lBtömmlinge in ber
neueren ilunft. Dafs ^ier febe gorm unb gfalte fo ^ar=
monifti get^eilt unb oBgemeffen ift, fo unoerrüdBar an
i^rem ^la^e fte^t. bafs febe »erf(|teBung bas (£Bcnma^
unb bie Ba^r^eit ftören mürbe, bafs ber ilörper in
feinen fc^önen Proportionen unb feiner t^pifi^en (Sinfac^:^
^eit au^ ölle ©eioanbung fo fein unb ein^eitU(^ Bc=

-ocr page 13-

tDegt, fo filier acceniuieri, — bas erzeugt einen tDUTtber=
Barennbsp;bernbsp;Sammlung, aBinensHar^eü.

SBä^renb namenllit^ in ber S^enoiffance alles me^r nur
n)ie bur^ 3ufaII, auf ben öu^erften (Effect ^in orran=
giert erf^eint, formen unb galten nur oon untlarem,
blinbem ©efü^I öneinanbergef(^oöen, firömt ^ier alle©
ajta^ mn bem einen äRo^ftaB bes
ilörpers aus, alle
Sinien unb formen aui^ ber ©eroanbung a)illensein]^eit=

ie^errf^enb.

(£s it)cr niemanb ba, ber bie Slntife unb i^re ge=
^eimnisüDlIe 3:ed^nif l^ätte erflären fönnen; in ber
aJtalerei i^errfc^te Bejüglic^ ber garbe no^ ber gresfoftil,
o^ne bafs nod) eine flare Stellung gefunben mor gu
ben doloriften ber 5Renoiffance3eit ober ju ben älteren
garBencompofüionen,
3. S. ber aSofaüen.

3n ben eomponierdäffen l^errfcf^te nod^ eine quaft=
ibeale «Richtung unb äRet^obe. g^a(^bem eine leibli^e
S!i35e gefertigt, follte unter 5Benü^ung »on 2lft, b.
lebenbem äRobell unb (öliebermann bas SBerl entftel^en.
ällit $ilfe ber antilen 93or6iIber unb ber SRet^obe ber
SPIeifter foIIte bie SiJatur fo unter ber $anb ettoas üer=
emfa^t unb ibealifiert merben; 3U fc^orf follte man i|r
nic^t ins Slngefic^t fi^auen, bamit man nic^t bem 5ReaI{s=
mus »erfiele. (ginige ilenntnis bes menfd^Ii^en i^örpers
üermittelten bie ^ur SBinters^eit allabenbli^ gepflegten
aiftftubien; bann ^a!f bas furge Stubium eines fpeciellen
SKobells, bie not^wenbigften ^altpunfte für bie Figuren
unb ©ruppen ber (Eompofition gu fixieren. SRit bem
ajleffen
Derlor man roenig 3eit. Denn oBroo^I man an
ein ®efe^ ber SSerpItniffe glauBte, üernünfttgcrroeife
glauben mufste, fo ^errfd^te barüber bo^ ein großes
Dunfel. 91ur bie wenigen »on Sitruo ous bem
ber 5IIten überlieferten SOla^e famen, wenn es gut
gieng, in Betracht. 3n ber J^at fann, roo bie ^erfpectioe
mottet, Don einem Steffen nic^t bie $Rebe fein.
bie »ilb^ouer mufsten mit ben na^ Sc^u^ unb 3oII
ausgemeffenen äRobellen bes S^aboto\'fd^en neuen
^olgflet menig gu ma^en. Selbft ^ier märe eine f(^ul=

-ocr page 14-

mäßige Sinfü^ruttg in bte 5lun[t bes SKeffens nöt^ig
geioefen. gtne eigentli(|e ©runbftgiir, ein llnit)erfoI=
[c^Iüffel für alle äJla^e, œar nid)! geboten; fo erf^ienen
bie beliebig œieberïe^renbennbsp;unb 3oIIe als eine

rein gufällige, inbioibuelte Sad)c, unb ba man o^nepin
genöt^igt mar, lebenbes SKobeu gu üertoenben, fo i^ielt
man fi(| lieber gleic^ gang an basfelbe. SSon g-cin|eit,
(ginl^eit ber Ser^ältniffe |attc man ïaum eine Stauung.
Die ©eroanbung mürbe im ©angen nac^ bem ©lieber^
mann gegeii^net ober aus (gingelmotioen combiniert, fo
gut es gieng; es mürbe oor allem auf fi^öne (ginget
motioe gefe^en, ober nidjt ouf bas Seben unb bie (£in=
^eit bes ©angen. Das führte not^menbig gu einer
Si^einnatur, nic^t gur magren 9îatur, nid|t gum 33er=
ftänbnis ber magren, an unb oom menf(|K^en Äörper
beroegten ©exoanbung. 9lur Cines rourbe immer noc^
als ^eilige S^robition ber Simule hochgehalten: ber gute
Sau ber Œompofition, ein arc^iteltonifdjes (Slement in
berfelben; bos mar bas mirîti^ 3beaîe, mas bie S[ïa=
bemie hatte. 3Iber ihre großen S(|ma(^en in gorm unb
garbe liefen nii^t über ein SJÎittelbing h^ûusïommen,
bas meber mehr gang ibeal, no^ au(| gang real mar.

Sngtoifchen mar ber 3eitgcift ein anberer gemorben.
aJîan murbe bes Sbealen überfatt; man hatte 2?erba(^t
gegen bie Ki^theit besfelben; man fieng on, nach ^^^^^
9îealen gunbsp;Darœin\'f(^e Sbeen griffen auch

ber 3BeIt ber Äunft um fi(^. ben (gingeœeiben ber
©efeïlfi^aft müthete bie gerfe^enbe, frioole Âritiï; bie
^ietät fi^manb mehr unb mehr. Dagu ïam bie gerftörenbe
Snoafion aus 3BeIf(^Ianb, meldte bie 3îotur gu einer
2lrt ©ö^en machte. Die Slfabemie tonnte fich ^eiit Sïnftumt
nid)t gang entgiehen, er richtete ftdh gegen ihre fchmai^e
6eite, gegen ihr untlares unb unreifes Verhältnis gur
5Ratur unb gur daffifs^en Kunft. So gog fi(^ allmöhltd)
über ihr ein unhetlf^mangercs ©eroitter gufammen. Ês
ïamen Jo manche, toeli^c nie ouf bas ^Programm ber
aïabemifchen ilunft gef^moren, fonbern fich SJnfang
mit ber behagli^eren Sîenatffonce oerbünbet hû^^quot;»

-ocr page 15-

roentger naä) 3bcalen ftrebten, als bem froren
Sebensgenufs unb Sinnenretj in ber Äunft :^ulbigten.
I)as Sefanntroerben mit ben SBerfen frangöfifi^er unb
belgifj^er Äünftler mit i^rem feineren ober berberen
5RaturaIismus berüdie bie Äöpfc. 23alb galt ein Sebuinen=
Überfall üon $oracß SSernet me^r als bes Eornelius
ilampf um bie Sei(^e bes ^otroüus, bas „6(^mer3=
Dergeffenquot; oon {Sallait me^^r als ber f(^önfte Ooerbed.
Sc^riftfteller mit emig nörgelnber, nagenber ilritif er=
^loben ft^ gegen bte 3lfabentie; alles Sbeale rourbe rücE=
f{(^t6lo5 in ben Stoub gegogen, alles, roas bem 5Ratura=
lismus biente unb gufteuerte, in ben Gimmel erhoben.

Gine gemoltige (£rf(^ütterung, ein unfidjeres 6(|u)an=^
!en, ein fieberhaftes Su(^en unb haften mar über bie
gange Äunft gefommen. Sie mor lebigüi^ Sac|e bes
inbiöibuellen Beliebens, ber fubfedioen Saune, bes
3eitge{ftes unb ber SRobe geworben, o^^ne feftes gorm=
princip in fi(^, fteuerlos bem 9laturaltsmus unb 3nbixgt;i=
Walismus preisgegeben, in bie gange Seränberlit^ieit
feiner gactoren mit ^ineingeriffen. Serloren gegangen
maren bie feften gorm= unb Sprad^princtpien, bie
bleibenben tgpifc^en (Elemente ber alten i^unft, mel^e
buri^ Sa^r^unberte unb Sa^rtaufenbe unoerrüdt blieben,
bie emtgen ©efetje ber Siatur, mel(^e bte Äunft btrigier=
ten, abelten, inbinibuelle S^ti)a(^I}eit, Hnbeftänbigfeit,
Älein^eit gu fic^ erhoben. I)er eingelne mar lebigKc^
auf fi^ felbft geftellt, o^ne feften objectirien Sianbpuntt
gegenübergeftellt ber Slatur mit i^ren taufenberiet itiec^=
felnben ßrfc^einungen, mit i^ren unenblii^en Variationen
ber ailenfdiengeftalt, t^nen gegenübergeftellt faft loie ein
mec^anifi^ arbeitenber 9?eprobuctionsapparat, ber mit ber
Photographie rioalifieren lüill; in ©efa^r, oor lauter
Säumen ben äßalb, »or lauter Spectes bie ©attung
ni^t mehr gu fehen unb gu finben. I)ie 5lunft felbft
mar fo lebigli^ auf bas funftübenbe Snbiüibuum ge=
baut, bamit einem beftänbigen giebern, §af(|en, Sagen
überantmortet, genöthigt, in febem eingelnen mieber gang
Don üorn angufangen.

-ocr page 16-

§ter fe^It üBeralI bas (5egcTigetDt(|f, bas $alt=
gebenbe, ber oBfediüc fiebensgrunb ber Äunft: bas
ïgptfi^e, bas Jïormaïe, ber 6ül, ber ouf ©runbga^Ien,
©runbformen, auf feften 9Jta|ien berust. 9ïur btefes
Élement ber fogenannten äfi^ettfi^en ©eometrie oermag
bas Wm ber Sartattonen in ber SRatur gum 61tII=
ftanb gu Bringen, orbitenb, f(^eibenb, oereinfac^enb m
bte üBerqueltenbe gülle ber Êr[c^eïnungen eingubrtngen.
Diefes erft Befähigt ben eingetnen, nid^t mec^anifi^ na(^=
bübenb, fonbern als vernünftig erïennenber unb unter=
fd^eibenber ©eift ber Slotur gegenüBergutreten. ÏRit
$ilfe btefes Elementes gelingt es, namentlt(| bie enb=
lofen Variationen ber aHenfc^engeftalt auf eine üBerfepare
unb unterf^eibBare »on (Ilf)ara!teren gurüdgufü^ren,
loeli^e fic^ ïDieber urn ben „Canonquot;, bie 9lorm reiden,
ber ni(|t aus ber lebenben 9latur, fonbern aus ber
äft^ett[(|en ©eometrie genommen ift. ©oet^e Bemerft in
feiner ^taUenifc^en 5Reife, bafs bie Oried^en in i^ren
aBerïen bie gange 9)i;enge ber uns umgeBenben (£^araïtere
in ber 5ÏRenfc^engeftaït auf etwa gtoölf rebuciert ^aBen,
unb er roirb perin bas 9ïid)tige getroffen ^aBen. Sllle
bie bagtoifc^en liegenben ga^ÏÏofen 9JlögIi(^feitcn jinb
nic^t meljr DBject ber 5ïunft, loeil fie fii^ nic^t me^r
f(^arf d^araïteriftifc^ unterfd^eiben loffen. 3Iu(^ unter ben
ailtersftufen bes SJlenff^en finb es nur ac^t, toetje rior=
iDiegenb ïünfüerifc^e ©ebeutung ^aBen: ilinb, ÄnaBe,
3unge, Jüngling, ÏRann, gereifter SJlann, alter SKann,
êrets. Das Dagioifc^enliegenbe gerfïie^t unb glei(|t ben
3iDifc^entönen in ber 9Jïufif, meiere ïeine guten ein=
fachennbsp;^aben unb bie man nii^t Brau(^t. So

gibt es au(^ in ber garBenbsp;roeli^e man, feIBft

o^ne fie mit anbern gu Dergleichen, c^aranerlofe, f(^Ie(^te
nennen ïann, ober gexoiffe ©rabe ber 3;iefe unb^ellig=
ïeit eines Scones, bie uns o^neioeiters angenehm Be=
rühren; fie |aBen in ber Scala ein gutes SJÏa^, unb
bas füllen oir unBeioufst. Ober geidjnen loir g. 5B. in
einen Äreis eine auffteigenbe SRei^e Don ^olggonen
ein, fo ïoerben loir alsBalb finben, bafs es uns leidet

-ocr page 17-

ift, Bis gum 3I(^te(ä mit bem 2Iuge rafd) gu folgen (nur
bas Siebened mad^t einige ©(^mierigleit), bie giguren
ni^t nur nai| i^rer ®eftalt aufgufaffen unb gu unter=
fsj^eiben, fonbern cud^ na(^ i|rem d^arafter, fogufagen
nad) ihrer Seele. 5öiel fc^roieriger. unb gule^t unmöglich
töirb uns bies, je compKcierter bie giguren merben.

2Bas fann aus all bem für ein anberer Schlufs
gegogen ©erben, als bafs bie einfac^ften giguren unb
formen, bie einfad)ften ©runbgahlen, (Srunbmo^e,
Sllang= unb garbentöne bie ebelften unb heften, bie
fünftlerift^ mertoollften feien; je näher bem Hrfprung,
ber Cluelle, bem (£ins, umfo beffer unb he^S^r unb.
fähiger, ^eiliges ausgubrüden. l\'Iuch ileplcr in feiner
harmouia mundi mad)t bie Semerfung, bafs btejentgen
3nteröone in ber SRufif bie beften feien, beren 2Boht=
flang am rafd}eften ins falten, unb bas feien gerabe
bie ber einfa^ften 3a^ten. Die alten Choraliften ma:hquot;=
ten, man folle nis^t über bie 3a:h^ fe«^)®, i\'os ßtte
narium htnausgreifen, unb bem »erbanft in ber
ber Choral feine SBürbe, ilroft, Erhabenheit, mit ber
bie feinfte 3atiheit fi(| oerbinben fann. Die airdjiteftur=
roerfe ber alten 3cit, ber claffifc^en ilunft gehen über
bte aRa^e ber fünf regulären Äörper nicht h^quot;ous;
^lato nennt biefe bie Quelle aller Schönheit; bas fei
es, loas ben 2Berfen bas Sntgüden gebe, fie able, aus
ber 2Birflt!|feit, ber Sphäre bes ©emeinmenfchli^en
hinaushebe.

Das ©nfaihe, 2lbgcflärte, 3:i)pifd)e, bas feine 3Bur=
geln in ben einfachften 3ahlen unb SKa^en hat, bleibt
baher bte ®runblage aller ilunft, unb bas älleffen,
3ählen unb SBägen bleibt ihre ,pi(^tigfte Function; bas
3iel aller hoh^quot;nbsp;b^® Übertragung, bie

teriftifi^e 3Int!)enbung ber geometrifdjen, artthmetif(|en,
fgmbolifiheTt ©runbformen aus ber 3latur im Dienfte
großer 3been. Den aJlenf^en felbft, 3lbam, bas Sbeal
oller Sreatur, hat ©ott nad) feinem Sbenbilb gef^affen,
ous bem ©eheimnis jener 3ahiequot;. toelshe fein eigenes
3Befen ausbrüden: brei in eins unb eins in brei, aus

-ocr page 18-

ber ©runbfigur bes Dretecfs, roe^e bas gerabe unb
bas Hngerabe, bas aRönnlt^e unb 2BetbIi(^e, bie 3tt)ei=
unb Dreit^eilung, na(h ileplers Slusbrud „bas 9Jiann=
SBeiBquot; in f^Iie^t.

Sßer Don biefen\'Hrioahrheiten, toeïd^e roir ^ier nur
anbeuten ïonnten, ïeine Sl^nung ^at, ber ift ïein Äünfi=
Ier; i^m leui^tel bas höhere Si^t ni^t; er fann ^ö^ftens
mad)en, nii^t c^affen, roeil er nii
^t unterfc^eiben ïann.
Das
atBort platos ift abfolut ri(^tig: töenn man bas,
roas aJla^, 3ahl unb ©emi^t ift, non ber 5^unft
roegnimmt, fo ift bas, mas üBrig Bleibt, nii^t me^r
Äunft, fonbern blo^ no(h $anbmerï. 2ßas im 5Bu(he
ber SBeis^eit Don ©ott gefogt ift, bafs er alles noc^
SJla^, 3ahl unb ©emidjt georbnet ^abe (11, 21), bas
gilt auch bem, ber bie 2Berfe ©ottes quafi=f(^öpferif(h
nafhbenït unb nachbilbet.
Non est coatemnenda, ma^nt
St. siuguftin
(de civitate dei 11, 30), numeri ratio,
quae
in multis ss. scripturarum locis, quam magm
aestimanda sit, elucet diligenter intuentibus; nee frustra
in laubibus dei dictum est: omnia in mensura et
numero et pondere disposuisti.

Das alles maren aber Dinge, bie ïaum in ber
SIhnung exiftierten. gjjan fürdjtetc fi(| oor allem, mas
einem ©efe^ gleichfah- 5Ratur, Sïatur mar ouf allen
Seiten bas S(|Iagmort gemorben. 3Kan überfah DöIIig,
bafs Statur unb 5^un[t gmei fe^r oerfc^iebene Dinge
feien. Gs gab in ber Äunft ïeine feften ©rö^en, feine
untteränberli^en SBerte me^ir; ber mei^felnbe Sinn unb
©efd^mad, bie unoerftanbige ajlobe mar olleinig ©efe^.
3nfoIgebeffen ein franïhafter 2;rieb unb ^ang na^
Siteuem; bas S(hIagroort „originellquot; ïam auf, unb oberfte
Pflid^t bei Snansriffnahine einer Slrbeit finten, bafs
man alles grünere ükr ben Raufen marf, fid^i oom Seibe
f(^affte unb nur mehr rief: 5latur, 5Ratur! 9Kan mertete
bie claffifche Äunft ni(ht mehr; man rief nur 9iatur,
5Ratur! „9Bir müffen ben ilarren ous bem SRoroft
giehen, in ben Kornelius ihn hineingefd^oben hoi,quot; fugte
einer biefer gelben ber Jlotur, bie ni(^t ahnten, mas

-ocr page 19-

alles bas 9Iugc unb ber ©etft jener aiZänner geft^aut
^atte. ®te SKängel ber letjteren toaren lebtglti^ nur
bte golgeit i^^es unflaren 5öerpltntffes gur Slniüe, b:e
fie no^ ntd^t fo flar 3U erfaffen toufslen, oie bies uns
nai^f fünf3tg=, ja a{^t3tgiä^riger 2IrBeit unb ari^äologifi^er
gorf^ung mögltd^ ift, bte folgen t^rer nt(^t ^tnlänglt(^
funbiertennbsp;unb garbprincipien. Sluc^ fie maren

Bemüht, bie gormenfpra^e nic^t einfach ber Statur gu
Gntne^^men, fonbern fie in irgenbtoeli^cr SBeife gu ibea=
lifieren, gu vereinfachen, ber 3ufänig!eiten gu entfleiben;
aber bas alles blieb eben lebigli^ ©efü^Isfai^e bes
eingelnen. ^in $erumesperimentieren an ber SRatur

„per ©efü^Iquot; fonnte aber gu ni^ls führen, mufste
nol|töenbig bieilunftgebilbe flau, feaftlos, falglos machen;
bas ixior leine Slatur me^r, aber au^ !ein Stil, fein
X^pus, ber mit ber 3Jatur harmonierte, ber feft unb
fieser aus i^r ^erausconftruiert, na(^ ben ©efe^en ber
aiatur über bie 5Ratur ^^inausgel^oben roor- 2Bas fehlte,
mar bas SRonumentale, bas 6tatif(|e, bas bie 9Zatur
nic^t laben !ann, roeil fie Slugenblid ift, bas aber bie
monumentale ilunft, Dorab bie religiöfe, ^aben mufs.
Siefes ftatifj^e Klement |atte Kornelius in ber ©Igpio^
t^e!, in ber SinerleiligettTjoffird^e in bie Äunft
j^ineingebrac^t, bur(^ bie 5^raft i^res Oenies unb mit
$ilfe einerfeits ber 23orbiIber ber anti!claffif(^en 5lunft,
anberfeits ber Söorbilber ber alten 9Jlofai!en. Stber ben
meiften gelang bas nic^t, unb in ber Slfobemie fonnte
es ni(^t gelehrt toerben, eben roeil es nur ©efü^Isfad^e
mar; lej^rbor ift nur, roas flar oon ber Sernunft er=
fannt roirb.

aJlan mufs roeit gurüdgel^en, roeiter als bamals
bei ber noc^ ungenügenben Kenntnis ber alten unb
älteften Äunft mögli(| roar, um jenes Clement gu
finben, roel(^es bie Seele oor allem ber religiöfen 5^unft
bilbet: bas Xgpifd^e, in (ginfolt ©ro^e, ernft unb |ar=
monifd^ ©emeffenc unb .©ebaute. 2Bir finben es am
SInfang alter i^unft, in %9pten; es bilbet ben lXnter=
grunb ber claffif(^en i^unft; es finbet m bei ben

-ocr page 20-

Sggantmern, ben c^njtlid} geworbenen (5rie(|en, am
meiften in ben alten 3Hofai!en. 5Rur mar es bei ben
S^gantinern ni^t me^r Ilare, fejte 2Biffenf(^aft, fonbern
es tourbe irabitioneller aKe^anismus. 2Bir finben bas
(glement nod^ in Statten, in ber ©(^ule »on ©tena.
Bei eimaBue, Bei ben ^ifanern, Bei ©iotto unb feiner
Si^ule Bis gtefole. SBir finben es au(^ no(^ biesfeits
ber 3llpen in ber SRalerei ber romanif^en ^eriobe ols
bunRes ©efü^l für Sau, ©raoität, Einfalt, als flares
unb |id)eres ©efü|I für bas £iturgif(^=S(^icHi^e; au^
nod^ in ber ©ot^il, ber (£rBin ber lomanifc^en ilunft.
®rft in ber Spätrenaiffance gieng es gang oerloren.

-ocr page 21-

II.

©ar etnta^ mag ber 3tpparat bes 3Biffens fein,
mt bem ber jftunftler fi^ ber mm nähert. (£r mag
ft(h nur auf bte (glementar= unb ©runbformen BefArän=
fen^e einfacher, umfo foftBarer ift er oielleiAt unb
umfo mehr geetgnet, bem ©rösten, bem ^öchften gu
nahm,
fo bafs fi^ auch ^ter bas SBort Beioährt: „3e n4cr
bem Htfprung, fe mehr theilhaft feiner Sorgüge!quot; ©ott
per Ift bas ,emfa^equot;; feine Spraye, feine mufi! ift
ber a:Rono^orb, ber erfte Dreiflang, bas S Ä ö n e i n
ü: t n f a 11.

.^ie ©ef^e alfo bes Si^önen b. i. bes ©öttMen,
ftnb in ben 2Berten ©otfes in ber JRatur geheimnisooll
»erborgen mtrjenb, fotoeit fie ni^t gehemmt finb oon
ber JKa^t totbrtger Hmftönbe. Sie ftnb aber nicbt bte
|rf^etnung ber 9?atur felber, unmittelbar, als ob bte
ycatur nur belebte ©eometrie märe. Sie i t es ia in
gemtffem Sinne, ober ihre ©efe^e finben fich offen unb

Dte 5Rcitur felbft erfchliefet fie ni^t, toenn fie ihnen auÄ
nie freimillig toiberfpricht. Ks fann einer glauben, er
plge oufs genauefte ben Spuren ber 5Ratur unb er fiebt
fte ni^t unb ftreift fie nur roie Blinb unb fühlt foum
ihre ^aft, unb ihre 5lraft mtrb nicht bie feine.

fflitr müffen alfo mit biefen ©efe^en gerüftet
pr 5Ratur fommen, bann merben töir fie balb in ibr
fehen fonnen; mir merben bann fehen unb empfinben
bte „BeleBte ©eometriequot;, beren innerer, finniger 3u=

-ocr page 22-

fammcn^ang in 3:ie|cn führen toirb, roo Staunen
uns ergreift, ber Slt^em uns f^toinbet unb unfer Sic^t
nic^t me^r folgen fann. ïïBir a^nen eben nur nte|r
göttli(|e ^liefen unb 9ïei(^tpmer; oU unfer Vermögen
oerj^winbet, uns bleibt nur ber © I a u b e an unabfe^=
Bare liefen ber ^immlif(^en Harmonie unb SBeis^eit.

3ïIfo fd^on oorver ift ben Äünftlern nof^ig, o^ne
Unterlafs biefe ©eometrie mit i^ren oieloerfpre^enben
3ei(|en unb 3a^Ien, il}rer ©eele unb Deutung, in
Sluge unb ©efü^ eingutragen. Ês ift bies ïeine gro^e
üielme^r, loenn einmal bamit Begonnen, eine
angeneljme Sefi^öftigung. Der 9Ipparat ift ni(^t be=
laftenb,
nx6)i mü^eootl, fonbern einfa^, fe^r einfa^. ©r
»erlangt nur ein frommes, Be^arrK(^ getreues Slusl^arren
Bei feinen 3eic^en unb tiefen ©ebanïen, bamit er fie
na^ unb nad) felBer auff^Iie^en ïann, na^ bem SJia^e
unferer Sefä^igung gu füllen unb gu Begreifen. 9ïiemanb
toirb mit ©etoalt es i^m oBgwingen; er f(^Iie^t felBer
auf. ©rft füllen, bann fe^en.

eben roeil er fe^r einfai^ ift unb mir mit unferer
quedtfilBerigen Hnruie unb unferem Sieltoiffen uns nid^t
ru^ig oer^alten ïönnen, oerlangt er oor allem 2feftfte:hen,
Hus^arren, Slnf^ouen, auf ft^ roirfen laffen,
alles weitere t^ut er felBer. ©r ïommt uns entgegen,
mir aBer müffen roa^en. ïïSir müffen glauBen, bafs bas
©infa^fte bos $D(^fte, ©e^altoollfte, in SBa^r^eit
5Rei(^ftc fei; bann werben toir in üBerftrömenbem
erfahren, bafs es fo ift.

©s ift alfo biefe Äenntnis gu erftreben unb gtoar
gunä(^ft in ©egie^ung auf basjenige SBeil bes 6(^öpfers,
roeld)es bie Ärone ber ©ef^öpfe ift, bie ©eftalt bes
ajïenfc^en. ©s toirb fi(^ ^ier wie eine groeite, eine for=
male Offenbarung ©ottes erroeifen, nä(|ft bem ï^eiligen
©lauBen ben oon ber S^irc^e Semieten als bas $err=
li^fte, bas ©rfreuenbfte, mas a[Renf(^en pflegen ïönnen,
benn §ier finb ©eift, öerg unb Sinn glei(^ Berei^ert,
in ©inmütl)igfeit empfangenb, genie^enb, benn bas,
roas burd^ bie Sinne roafrgenommen, ftrömt ^ier toie

-ocr page 23-

mm.

Süpgfeii, harmonie, Siebe, .SBeis^eit, bem ^er^en
öottes bi reet entquollen, bem entgegen, ber I)ier p
ma^en oerfteht.

(Ês ift bies allerbings ïeine Sai^e für Siele, aber
bie in ber Äunft ooranfte^cn, bie bem Soïïe bie Seg=
nungen ber i^unft oermitteln mollen, bie follten h^er
eingemeiht \'fein. SBo ftammen ober biefe Dinge her unb
mie ïamen fie gu ben iUfcnfdien ?

Sie gehören — bas getraue mir getroft ous=
gufpre^en — mie fie in ben Sßerlen ber Mrgeit, in ber
ilunft ber Sllten, bemufst, als ausgebilbete 2Biffenfd)aft
angeroenbet fic^ finben, gur Uroffenbarung, bur^ bie
2ntoätcr com ^arobiefe her ererbt, ols ein grei^©ef(henï
©ottes an bie SKenfchen, unb in ber SIrche fehen mir
bas fefte, geoffenbarte Sorbilb.

Die Kraft ber principien liegt im
„©loubenquot;. Die beften ^rindpien ïönnen ni(^ts
mirïen, menn ber ©loube baron matt ift. Die Sllten
hatten ben ©lauben. Êr mor ihnen gong het^; Iei(ht^
fertig über bie ^rincipien hinmeggugehen, mar »ihnen
mie ein Verbrechen. Doburi^ ha^en fie bte ilunft er=
höht unb gerettet. Dos mor eine befonbere ©nobe, bie
fie oon ©ott empfongen. 2Bir fehen mit bem 3ufammen=
brud^ ber alten 2Belt, bem Untergänge bes ^eibenthums
biefe ^rindpien mehr unb mehr oerbunïelt, befonbers
iene, bie fich auf ben Sau ber S[RcnfchengeftaIt begogen,
giengen üollftänbig unter. 5Rur Fragmente bei Schrift=
ftellern aus ber alten 3eit finb uns geblieben, bie ihr
einftig Dafein uns begeugen. Seither mar es ni(iht mehr
mögli^, eine 9Kenf(^engeftaIt noi^ 2Beife ber 3llten in
ilroft unb 3;9pus unb Sau barguftellen unb gu ftubie=
ren. Das feinfte ©efühl ïonnte bies ni^t erreichen, borum
bas Diele Sushen na(| biefer 5Rorm bis gum heutigen
3;age. Darum auch einerfeits bas Sergid^ten auf ïunft=
gerechte Dorftellung berfelben, mie bei ben Sggantinern
unb bem frommen äRittelalter, anberfeits bos oorgeitige
Sroöen ber oerbotenen grucht burtfj Senü^ung bes
lebenben SRobells mit Verlegung bes heiligen ©ebotes,

Setiä, Sur äfi^eit! ber Seuroiier (ScCjvile.nbsp;2

-ocr page 24-

löic es bie 91eiiat|fattce get^an, bie ben i^o^en
baburd^ ni{|t erreichte, fonbern oielme^r moraIif(^
gugrunbe gieng, nerfaulte.

3n ber ^rc^tieftur geigen inbes fi^on bie ali^rift
Ii(^en ^Bauten, bie Safitüen, bofs bie Irabition für fie
ni^i burc[)aus abgebrochen rourbe in Segieljung auf
geometrifc^en Slpparat unb ®übungsgefe^c. (£s toaren
ja bie erften Saumeifier too^I felbft aus |eibnifc|er
S(^ule j^riftianifiert. 3Bir finben fol^e felbft bicsfeit ber
Sllpen in ber frü^^rontanifi^en ^eriobe, befonbers bei
ben claffifi^cn bauten ber Sij^ne bes Senebict, gur
3eit ber fäd)fif^en Äaifer unb in ber nät^fien ^eriobe.
2Btr finben fie in ber ©ot^it, am feinften in ber frühen
3eit berfelben; oereingelt finben toir fie in ber 9?ettaif=
fance unb fo eigentlii^ bis |erab auf unfere 3eiten.
SBas aber bie Sitten in unerrei^tem SWa^e ausgei(^nct,
bas toar nur iljre 5lritif ber SJlittel auf i[)re „5Rot|=
rocnbigMt unb 6d)i£lli^!eitquot; tjin, unb bas Befonnene,
feine, garte Durd^bilben ber formen, eine gang burd)
unb burd) feine unb getDiffen^afte 3:ed)ni!. Die ^riftli^en
^erioben konnten fie barin nid)t errei(^en, am toenigften
biejenige, bie man bie romantifc^en nennt, toeld^e in
bem toHen Dogma (ein fot(^es f(^eint es getoefen gu
fein),bafs jebes Ding, oui^ gleid)en Dienftes unb gleicher
©attung, immer anbers fein ntüffe, arge Sprünge mat^te.
Hnenbli^ Ieid)ter toar es aber, taufenb unb ge^ntaufenb^
mal neu ongufangen unb bas SIngefangene als Sfigge
fielen gu laffen, als eine 5Rorm oernünftig gu oolI=
enben. 3encs toirÜ gang unmoraIif(^, toar ein germent
ber 3crfet5ung am Anfang fc^on im Seibe ber Äunft.
Diefes ili^eln ber ^^antafie führte abtoörts,
Äunft unb Äünftler oerlamen babei.

So bienten benn bei ben 2lItoätern, ben ^otri=
ar(^en, biefe DKittel erft ber toa^ren ©ottesöereljrung;
fämmtlid|e 9Kotioe äggptifc^er Äunft finb gleii^fam prä=
^iftorif(|, ous ber 3eit ber roa^ren ©ottesoerei^rung. 3m
Serlaufe, als bie (£rfenntnis bes toa^ren ©ottes fi(^
auf bas 3SoI! ber 3uben Befi^räntte, toaren fie bas Hn=

-ocr page 25-

t^eil bei- $etbenn)eü geroorben, eine formale Offenbarung
©OttCS an jene Stlten, bem Œfn\'iftentfjum ben Soben
Bereitenben 5BöSer, bie S g g p t e n unb ® r i e c^ e n.

6oiî)ie bienbsp;^wï\'i) ^^^ OffenBarung bes

magren ©ottes — ber gu Ijoffenben (Srlöfung oom tiefen
Sünbenfall ber 93îenffhhett — in einer höheren geiftigen
SBeife ausgegetd}net maren unb gleii^fam ben „$aBitusquot;
bes neuenquot;leftaments für bie Slnïunft dtjrifti bes (£r=
töfers öorBilbetcn, ben großen, poetif(h4e®9etti Bilblii^en
aipparat unb Hntergrunb t|m oorausBereiteten, fo maren
aiii^ biefe Betben Suïturnôlîer bagu Berufen unb au5=
gegeiû)net, bie „Schönheit als finnlidje gorm ber SBa^ï^
|eitquot; (ScBiller) äuf^erlid) menigftens gu pflegen unb il)r
oiöljiihätig 9Bir!en gu oerBreiten, bamit bie ©emüt^er
erhellt, gefänftigt. Bereitet mürben gur 3Iufnahme ber
2Bahrheit, bie in Chriftus ift. Hnb in ber ï^i ^at lein
Soll fo ffiohl fi^ üorBereitet gefunben für bie Slnna^me
ber ^riftlii^en 3Bahrheit, als bie âgçpter, unb hat ïein
Sol! fo oiel unb fo roürbig ou(h für ben äußeren §a=
Bitus ber Äirdjc gearBeitet, als bie ©ried)en. î)urd) fait
1200 toaren fie ollein es, bie ber heiligen Äirihe
ben äußeren 5RimBus foft in jeglifher Äunjt, au(h in
ber he^-^ge^ 9Kuft!, üermiiielien unb Bereiteten. Sic
rooren bie Slrbeiter im Slltchriftcnthum Bis gum 93îittet
alter, fo roie früher innbsp;ihre ilunft bem

Stom ber Säfarcn biente.

3u biefem 3röede iDoren ihnen bie Slugen geöffnet
unb erleud)tet, bafs fie nun in ber JJatur felber, roie
mit 3nftrumenien gerüftet, »ernünftig lefen unb oerftehen
tonnten bie 9Bunber ©ottes oon 3ahl
toicht; bafs fie über bie 9latur felBer hinousgehen, Dinge
oerïôrpern tonnten, bie fi^lef^troeg nit^t exiftieren ober
einmal nur gu fdjauen loaren. Das ift fene altäggptif(he
aBeishcit, bie uns nicht innbsp;überliefert toorben,

bie toir oBer aus ihren ilunftmcrfen herouslcfen tonnen
unb bie unferer 3ctt oufbemohrt blieb, nicht um 2Ir(hä=
otogen Blo^ gu intereffieren unb gu Befi^öftigen, fonbern
bamit biejenigen, beren ®eruf es ift, fie gu oerftehen

-ocr page 26-

fic^ Bemühen tnös^ien, gum 93ei-ftänbnts gu gelangen.
Das mag frciltd) fcliroer fein, benn gu unoermittelt ift
ber ©ebanfe unb faft unmögli«^ ber Zutritt, o^ne einige
Kenntnis üon bem Slpparat gu beft^en. ber i^nen bienle.

Diefe Äunft Ijat auc^i ben Sdilüffel gut griedjifdien
Äunft; fie ^ob bie ©eljetmniffe biefer 3:od)icrhinft l)in=
toeg, um il^re Üccftnif gu j)erftef)en. 3n ben ®ricd)cn
ift ein Sc^o^ ber großen äg9pii|(|cn ^flange gur S3lüte
gefommen, roär)renb bie SBurgel, bie gleicfifam nod) »ie
in ber ©rroartung l)arrt, einen ber er^ebenbften
Äunfl roie im Äeime in fid) trägt für bas gro^e (^rifi=
Itc^e Äunfiprogramm, roenn beffcn gefommen fein
iTsirb. Denn biefe Äunft ift in i^ren ^rtndpien uninerfal,
naturgemäß, roo fie audj er)d)eint. Die (5ricd)en mögen
uns bann bas ®oHenben lehren bis gu bem ?ßun!te,
iBo bas ©efä^ bem ©eift, bem 3n§alt entfpre(|e unb
iljm barüber Ijinaus nic^t geftattet fei, für fic^ gu glöngen
burc!) übeniiudjernben SJlenfc^enroi^ unb Sirtuofent^um.

Das ift bas 5Rät^fel ber 5\\unftgefd)id^te, beffen t)cr=
fu(^tc fiöfung ben Serlauf ber i^.unftgefdjidjtc bcleiid)tct,
oon bem ©nbe, bem 3IbfterBen ber daffif(^en ilunft bis
auf unfere 3;age, oon ba an, als bie daffifd)e X^eorie
ber Äunft ins Dunfel oerfanf unb nur tl)cilmetfe ober
gang biefer Slüftung entbe|renb, bie Pfleger ber Äunft
fi^ i^re 9Bege fui^kn.

Die ©tjjantiner, bie d}iiftlid)en ©ricd)cn, festen
fid) am 2:^ore biefer oerfunlenen 6tabt, am ©rabe ber
erftorbenen 5lunft gleidjfam nteber unb pteien getreu
bie SRaffen berfetten, bie ^Reliquien, bie i^nen in
Fragmenten ber SOlet^obe, ber tcd)nifdjen Ürabition
geblieben, oere^renb unb oerroertenb in i^rer SIrt unb
bas bis guin heutigen 2agc.

Dafs ein SReffen, ein 2;^eilen, ein trtt SRaum
Disponieren, bas bis gur Seinften r)eruntergieng,
bafs bas ©efe^ ber Statif in 91u^e unb Seioegung,
in grof^cn, lebensoollen Sinten, ein frifi^er, naioer
SBurf bes (Scbanfens in lebensooller, contrafireidier
Xl^eilung, alles gleic^fam oom 3?aum bictiert, bafs ein

-ocr page 27-

logiff^ Denfen, ein SBö\'^Ien ber Mittel in raa^rer un=
gefuc^ter (Einfalt, ein gern^alten alles §o|len, Hn=
nü^en, nid)t gur Sadje ©e^örigen, bafs bies alles mit
gum SBegriff religiöfer Äunft gehöre, bas hielten fie
eft, foroie bafs ber 5Ruln berfelben ber Slaturalismus
ei; vor biefem letzteren l)ütctcn fie bis gum heutigen
üage i^re £rbf(^aft unb fie erfuhren ftets, bafs oon
bem 2:age an, too bas lebenbe SJlobell i^nen birect
bienen folite, es um ben ©eift i^rer Äunft gefs^e^en.

Hnb felbft biefes, roas bie Sggantiner in i|rcr
2Irt erreidjten, ift nod) berart, bafs ber allgemeine
sensus
communis
bes S^rtfienoolfes biefem, als ber relatio befien
Slrt ber religiöfen Äunft, bie ^alme rei^t (fie^e S^lctn
unb feine ^liadjfolger). faft alle ©nabenbilber bes
SIbenblanbes finb SCbgroeige, 2Bcr!e bi)gonttni[ci^er Äunft.

Die 2lbcnblänber, bte namentli(| in ber Malerei
erft im 13. 3cl)rl)unbctt in bie SIction traten (benn
vorder toaren es ©riedjen ober ©tted)enf(^iller) unb bie
ni(^t einer gamilie, eines gleifi^es unb Slutes mit
jenen altoergangenen iliinfileroöllern unb i^ünftkr-
gefd)le(^iern bes Dftens toaren, fui^ten bei biefen an=
guinüpfen, fo gut es gieng unb fo oiel gu entröt^feln
toie möglic^. 3Jltt biefem ©etoinne, ober too nichts toar,
mit eigener 3nltiattoe ober mit bem, toas fie ber 9latur
entnommen, roui^erten fie eine lang, i^r ©enügen
finbenb in bem erfreuenben unb immerhin foftbaren
gunb, ben fie gemacht. Bis fie immer toieber erfannten,
bafs fie nur einen 2:§eil bes ©angen fiotten, bafs fie
bie üolle KrBfdjaft no^ nid)t angetreten, bafs bos, toas
fie I)atten, nic^t ausreid}ej basnbsp;Sbeal ^eiliger

Äunft gu oerförpern, bas im Dlenfdjen fc^lummert unb
ii)m erreichbar ift. Dal)er jenes immer neu= unb immer
anbersproBieren feit 600nbsp;I^ne 5\\unft bes Sülsens

ober „ber freien gorfc^ungquot;, bie immer neu
anfangt, nas^bem bie Bisher geübten SRethoben ni^t
gumnbsp;geführt. Dod) mufs tnan Bei all biefen

^ReU\'SSerfuc^en ben guten SBillen aner!ennen unb
loenigftens fo lange Sob fpenben, als bie Intention

-ocr page 28-

nach ï\'enrnbsp;unb Sefferen ger!cT)id Wieb, ^enes

ungenügenbe Si^eaKfieren ber neuen Sïfabentte, roelc^e
bte Slufgabe nun einmal nis^t tiefer gu faffen mufste,
gemäft ben Xlritftänbcn ber 3eit, gugleid) fid) aber
ängftlid^ cor bent puren „5RaturaIismus pien müffen
glaubte, fomie auch F^es itberfpringen gur eiitfa^en, bloßen
9îatur, mit Vermerfung alles beffen, roas bis je^t aïs Sbeat
ober gum Sbeol führenb gegolten, aus Unmuth ob bes
Hngenügenben — es tonnte fc^Iechtmeg nii^t getabelt
merben,\' fo lange man es als Vorarbeit, als gor[^en
nach bem gangen gunbamente ber Slunft anfah- tïber
Sbeale Ite^e fii^ la aud) noch ftreiten. (Êrft oon bem
ipunïte an, mo biefe ^nientton fit^ trübte unb, meift
burc^ innere, moralifche ©rünbe »eronlafst, bas 5Be=
mühen fich bahin manbte, mehr bem Sbeal gu entrinnen,
bie 9îatur felber allein als Sbeal gu erMren, mürbe
bie 6aij^e bebenllic^er. Dod) mürbe auc^ in biefer
2Beife, menn aud) unbemufst, ber guten Sac^e gebient,
meil man babur^ ertennen fonnte, mos man thun
follte; auc^ ift es faft nid)t möglich, bafs bei irgenb
einem ernften Streben nid/t ouch ein 3;heil^en roirïlich
©Utes gepflegt mirb, mos bem Roheren mieber gugute
ïommt.

2Benn mir nod) einmol lurg recopitulieren mollen,
mos ben Sturm im 3îei^e ber Kunft am (£nbe ber
Viergiger= unb in ben günfgiger=3ühren heraufbefc^moren,
bem bis heute, nach »«rgig Sohren, bas heitere Si^t eines
neuen, fchönen éloges noch flsfolgt ift, fo ift gu
bemerfen, bofs bie fogenannte 9îeftauraiion burd) (£or=
nelius, Ooerbel, Veit u. f. m unb bereu ©inleiter (£arftens,
Sd)td, aBöchter n. f. m. bas Problem, bas ber
gu ihrem $eile geftellt ift, nämli^ au^ in ber Äunft
ber heiligen Äir^e ©ottes bas gange, oolle Sbeal gu
fuc^en unb gu erringen, nicht errei^t hat, ober boc^ nur
theilmeifc, meil ihr gunbament nit^t alles bos oorgefehen
hatte, mos h^ergu erfotberlich, meil fie nic^t auf bie
ungeheure Vorarbeit 5lildfi)^t nahmen, meld)e bie olte
Äunft gurüdlie^.

-ocr page 29-

Dtefc S(hule mu sie alfo an biefer Ss^mai^e fter=
Ben unb berjentgenbsp;ber ftd^ „bte ^ïagarenerquot;

nannte, ber bas Sïeligtöfe ex professo aïs Seruf er=
mastte, mufste ebenfo au^er Sours ïommen ; benn Sbeen,
bte BIo^ mit bem gunb ber Sïaturftubien oerarBeitet
finb, roenn out^ mitunter oïs SlRanier ein Sichtftraht
eines alten SKeifters barauf ju fallen fc^eint, geBen
Blos eine „tlluftratioequot;, aBer ïeine „tgptfch=
monumentalequot; iïunft.

Das Swrü^oIIen bes Sollsgeiftes auf bie alten,
ari^aifchen 5Ïubimente unb beren Blinbe Slac^a^mung
ift ein Sefenntnis, bafs biefe, toeil nos^ im Sefi^e bes
igpifi^en, immer Beffer feien, als bie „gro^gemalten
Sïluftrationenquot;. Das Solt toilï cinfa(h in ber Riïd)c
oon „5RaturaIismusquot;, fei er fein ober groB, nidjts miffen.

-ocr page 30-

III.

Seit metner Beroufslcren i^ünftletlaufbo^^n mar es
mir ftets ein banges ©cfüljl, bie 9(rbeil unn bem ©ntrourf
3itm fertigen SBer! beginnen p müffen, ba id) bur^quot; bie
leutgutage übH(^e SIrt ber ©ntroidlungsp^afen bes 2Ber=
les ftets bas oerfeljlte unb mit Sammer bas 58efte
Derloren fa§. Die SIrbeit ined)tcte mi(^ ols einen blinb
SIrbeitenben. Sd) mufste fein SBarum. Die i^riiif Der=
nid)tete mir ftets alles, ic^ ober be:^errf(^te bie 3Irbeit
nie. 3n9?om lüurbe mir bies immer me^r pr fc^roeren
dual. Hm ni^t barin unterguge^en, um mid) p erholen,
monbte xä) mi(^ non 3eit pnbsp;fon 3ugenb

auf geliebten Slrc^iteftur. $ier mürbe mir mit ber 3^^
flor, bafs ber 2Beg, ben id) als Silb^auer bis fe^t
gegangen mar, grunbfdlf^ fei, bafs ein alter, grie=
^ifc^et\' arceifter lä(^eln mürbe über mi(^ unb mo^l über
bie gonge moberne 58iIb|!ouerei, bie auf i^ren SBegen mit
allem peinli(|en 5Raiurcopieren unb Stubieren nai^ iljrer Slrt
noc^ ni(^t ^albmegs eine eingige SIntife, ein SBerf Don
biefer Dualität gemalt ^ot, nod) ma^en mirb. Sie Der=
mag bas ni(^t — au(^ nic|t mit bem reblic^ften SBillen
an bem es ja oielfoi^ nic^t fe^lt. Um ein 3Ber! gu
ma(^en oon ber Dualität ber SIntifen guter müfste
mon au(^ nad^ ben ^rincipien ber antifen SKeifter ben
tec^nifc^en ?ßrocefs oollbringen. Denn fo menig bas ©0=
pieren oonnbsp;unb Kräutern ein funftgered)ies

Ornament gibt, fo menig gibt bas
einer Slnga^l gormen aus ben unenbli^en Soriationen

-ocr page 31-

ber Slaiur ober ber Serkffertf^aft »ergangener 5lunft=
perioben, bie unter fit^ toillens^ unb djarafterfremb finb
unb ber gemeinen 9Bir!Ii(^!eit entfiammen,^ ein lebenbiges,
magres Äunftioer! ober ben Slusbrud einer ^o^zn 3bee,
bie unter uns ocrförpert td)Ied)inicg nidjt eiiftiert. Unb
ob üiid) burd) äußerliches Sertuf^en unb ©lötten eine
3Irt (Einheit, Harmonie unb Seben erreicht loürbe,
bas §ohIe, ^erjleere, SJlarSofe läfst fid) nid
;t oer-
bergen.

T)as ift eben bie ^Rai^t unb Stärfe ber alten grtö(hif(^en
^laftif, bie ungeheuihelte, innere, abgeflärte SBahrheit
unb cble .^onnonie, bie fie jur ecbt religiöfen ilunft
ma(^t. 3hre Äunft ^)aik mit ben (Sefetjen ber Statur
3U thun, nid)t aber mit ben (£rfcheinungen berfelben in
ber Slrt, bafs fie felbe copieren müfste. Diefe Aunft ift
ber 2Iffe ber 91atur. — ?!a(h jenen ©efe^en aber bie
hi)d)ften ©ebanfen unb SBahrheiten gu oerförpern, bie
hiegu nöthige Snbioibualität na^ bem Seifpiele ber
Slatur aus bem ©eban!en felber gu entroideln — bas
loar ihnen ajliffion ber himmlifd)en Äunft, bie fähig
ift, bem SRenfdjen gum ©ang nach ciufroarts bie $anb
gu reidjen. SBas aber bem ©ehalte na(h fo nieber,
blöbe loar, bafs es biefen ^rocefs nii^t oertrug, bas
loar ihnen fein Object für bte Äunft.

23on biefer 3eit an ftrette ich foi Dingen
gu erfahren, toie bie alten SReifter bie 5Ratur ftubiert
unb für ihre 2Ber!e angetoenbet hätten.

Slltgrie^if^e SJofenbilber, mir gu guter Stunbe
unter bie 2lugen gefommen, gogen mich niagifch an.
SJlir fchien es, als fehe h^er ben SBeg mit mathe=
matifchem Setoufstfein gegongen, ben ©iotto in feinen
2Berfen bem Snftinct unb ©efühle nai^ gieng. SBenn
es toohr ift, bafs bte technifc^en ©efe^e für bie Slrt unb
SBeife, Segriffe barguftellen, immer bie gleichen bleiben
muffen, toie bte !Ratur unter allen S^^^en unb 3oncn
ftets einerlei ©efe^e hat, fo ift biefer Unterfchieb roohl
bebeut am unb birgt t)iellei(|t bie Söfung in fi^, toarum
bie ©tottofihule bie Sollenbung nie fah, toShrenb jene

-ocr page 32-

alk »afcnlimfi eine »ongtltige Sorftufe ber fpäteren
Äunfioonettbung mar.

SRit tSifcr fiid^te id) mir ttuii gu [ammein unb
eigen gu machen, mas Don ben uorgüglic^jten
Safenbilbern fanb. fu^te auf, mas id^ »on alt=
griec^ifc^er, art^aifc^er ^loftif unb m-c^iieüur finben
fonnte, oB hier ihre ^rinctpien, ob ihre 3Irt bes Schaffens
unb ?iaturftubierens gu finben märe. Denn mas hilft uns
bie 2tnti!e, menn mir bie ^rincipien, mobur| fold^e
SdjiJpfungen ermöglii^t mürben, nid^t ïennen ? Dafs
©eometrie unb ïheüung ^auptfactoren feien, hatte i^
längft erfannt; aber biefe (Elemente hot üor allen auA
bie alti^riftlii^e 5^unft in ben SRofatfbilbern, mohl als
legten 9?eft ber grie^ifchen S^rabition, unb mieber baran
antnüpfenb bie ilunft ©iottos. (Es mufsten bei 2In=
menbung biefer gactoren aber noi^ befonbere, beftimmte
©efe^e fein. Hnb meldte maren biefe ©efe^e ?

Seit Sahren, burd^ frühern Seruf angeregt, be=
fc^äftigte ich quot;ïitf) fiel mit bem Stubium ber ^flangen,
ihres SBaues unb ihrernbsp;befonbers ber Slätter.

^ier fanb oor allem bie aufrichtigfte, präcifefte Êin=
heit bes SBilIens unb (Eharaïters; im Äleinten bem
©engen getreu, bie Befcheibenfte Dïonomie in ben
®iitteln unb bie Kebensmürbigfte, munberbarlichfte 2gt;oII=
enbung berfelben, ooilenbet, echt architeïtonifi^ aus bem
©runbrifs, alles gebout.

(Es ift, als ob einem unb bem^felben aTcotio ein
gemtffes ^hema in ber (Eharatterifiiï feiner (Erf^einung
gegeben märe, mie breit, hoc^, fc^ïanï, bünn, gerippt,
gegadt, runblich, ober auch beftimmte 3ahl, ober
geometrifche gorm, melihe bis gum tieinften har=
monifch burchgeführt erf^eint. So fam bas gleiche
ajlotio ungöhligemal burc^ oeränberte ïhsüung (Schnitt)
cinberen unb ftets neuen (Eharoïter erhalten unb es läfst

Ï)kï in ber ^flangennatur bas 2;ronsponiercn
gleicher SRotioe oon einem Charafter in ben anberen
mit einer fonft nirgenbs ermijglii^ten 5Ruhe, »eharrIiA=
ïeit unb ©enauigïeit Beobachten. Slis bebeutfam läfst

-ocr page 33-

hier onfügen, bafs Bei ber rocrbenben großen
Äunftepoihe ber (Srieshett bas Ornament ber übrigen
tünftlerifdjen Êntmidîung noraiisgieng.

3)nrd) biefe Se£)ba(|tungen glaubte ish oietfacf) bas
3Iuge für bie STceihani! ber Statur unb baburi^ für bas
Serftönbnis ber 3;ed)ni! ber ^Iten gefchör-ft gu haöeit,
namentlid) murbe mir nun ftor, mit metih immenfer
©i^ärfe bie Ilten i^rerfeits bie 9latur beobat^teten,
melt^e ïeufd^e, sorte Siebe unb Verehrung fie ihr enl=
gegenbrachten im (Öegenfa^ gu onberen 3eiten, m fie
in plumper SBeife, mie ein feiler Äneiht ober eine
3Jlagb, oBgemanbelt mirb.

Snbes mar id), fortfd)reitenb im Stubium oIt=
grie(hifd!er Äunft, Bei ben Sgijptern angefommen, bei
ihrer îXempeïBaulunft, biefen ÏBerïen ootl alles amp;än=
bigenber (Seroatt unb ergreifcnben Êrnftes. SJlir erfchien,
ots ob bie ajlittel hiebet pfgi^otogifi^ Berei^net mären,
als oB ihnen SBiffenfi^aft gemefen roöre, bas ©emüth
gu ergreifen, bas SBübe gu Bänbigen, geheimnisoolten
retigiöfen Sthauer gu erregen. Hnb gmeierki Slrt
f(hienen mir biefe 9JîitteI gu fein: erft bie Sogt!, bie
unerBittliihe Äritit Bis in bie ïiefe bes £ebenbig=
5ïîothmenbigen, melihe SBilIïûr unb Spiel
hafste mie ©ift, ober furg: bie leBenbige Äroft
bie Harfte äöahrheit. 3töeitens fonb ic^, bafs bie 3tgijp=
ter es maren, bie bas ©efetj bes ©Benmaf^es, ber
$ 0 r m 0 n i e b e r © r ö e n in ber 9îatur gefunben unb
ongeroenbet hatten — jene gehetmnisoolle Slheilung,
bie im ©röf^enreiihe bas ift, mas bas 3nteroaIl, ber
aiccorb im ^Reiche ber 2önc ift. 2Bie bie 3;heitung ber
Octooe auf îîaturgefe^en Beruht unb ni^t bas ïleinfte
Verrüden leibet, ohne ins Hnhormonifche, 9îohe gu Dcr=
fallen, fo ift biefe îïheil^ttg eine unoerrüdbare S)rei=
harmonie. DiefelBe, oerbunben mit obgenonnter 5lritiï,
haben bie ©rieben, mie i^ mi(h gleichfalls übergeugte,
ats ©runbprincipien aufgenommen unb ihre ilunft
ftönbig barauf gebaut. Soroie bie 3Jiu\'i! aïs ilunft oon
ber Äenntnis bes Slccorbes an botiert unb mie innere

-ocr page 34-

^alB biefcs Dogmas jebes aud) nod^ fo retd^e muftfalt=
fi^e ÏÏBerï baftert, ba ftc^ biefer eine Sïccorb in bie oer=
fc^iebenarligften Œ^aroïtere burc^ oiel getoe^feße Ü^eilung
unb 3ufammenfe^ung gu einer beœegli(|en Sprad^e
umbilben ïöfst, fo bafiert auc^ bas ^armonifi^e, gefte,
Hnoerrüdbare ber claffifj^en i^unft auf biefem Dogma
ber ©rö^enljarmonie.

3ene Âritiï unb biefes §armonie=
gefe^ ins ïünftï erifi^e, mat^emaiif^e
©etoufsifein übergegangen, finb es, roas
claffif^e ilunft ooraus Ijaite oor
(^riftent^umunbSîlittcIaUer, loasfiegur
cîaffifc^enmai^ie — roebes bereinft, roenn es
im ^kne ber Sorfe^ung bef(^ïoffen fein toirb, fener
oergangenen, ^riföit^en Kunft, jener milben Srömmig-
feit unb jenem ^paffionsmitfeiben, befonbers ber beut=
fd)en 5lunft, eine oerflärte Sluferftel^ung bereiten roirb,
bafs fo ©i^önes unb ^errlit^es auf (Erben nie roar.

Die äggptifc^e Xempeïbaulunft ober finbe i^ als
eine ei^t menf^It(^=reïïgiöfe in einer Sbeenbreite an=
gelegt, bafs mir fdreint, es Ratten bie ©riechen nur ein
totüd baoon roie gur $robe oollenbet, als märe grie^if^e
ilunft nur ein 3lbleger oon ber oielgliebrigen, ägijpttf(^en
^flange unb in biefer ©infeitigfeit gur rei(^en Slüte
^eraufgefommen, roä^renb jene, bie äRutterfunft, in ber
Änofpe, ober anbers gefprod^en, in ber gurd;t, in ber
geljeimnisoollen ©rroortung fteden geblieben ift. Db für
immer, bas œei^ ber Rimmel. Unb wenn alles eamp;t
menfc^li(^e, mirfltc^es Seben unb ©eift in fi(^ îragenbe,
nic^l oerloren fein fann, fonbern loieberfe^ren mufs,
bis es feine »ollenbung erlangt ^at, fo fann i^ mir
nid)t benfen, bofs biefe Sbeen bem 3îi(^ts für immer
oerfollen fein follten. 3d; fönnte mir fie, in ibrer gangen
Srette, ^riftli^e Sïnmutlj unb Siebe barauf gepfropft,
als eine roaljre SBonne, bas ©r^obenfte aller i^unft
benfen.

3ene beiben ©runbmö(^te ber alten Äunft, leben^
bigc Sîot^îoenbigfeit ber îî^eile unb Siebe ber î^eile

-ocr page 35-

uttteremanber finb es nun, bie biefe auf bas (Sebiei ber
Slr^iteïtur, ber obtoiegenben ©eometrie hinüBermiefen.
Da begann nun bie Äunft in großen, pfeilerfefien
^öia^en gu orbnen unb gu geftaften, oon biefen als einen
ftets feften i\\ern f)crausgebenb gegen bte beroegte, uns
umgebenbe Slatur, i^re\'SBeobad)turtgen gu machen unb
guriidge^enb, biefe nai^ jenen ©efet^en gu oerarbeiten,
bie bemeglii^c Species abguHären gur ibealen ?lorm,
gur ©emott bes Stils — fo nod} unb na(^ bas 5lunft=
roerf in ber Verpuppung ber fidjeren, primitioen \'Einlage
gur conftructiuen unb harnionifdjen Vollcnbung ftill
öorgubereiten, inbem fie nidjt ben Heinften Schritt itjai,
ohne ihn nor ihren ©runbprtncipicn gu ccrantmorten,
um fihliepch, nachbem bte Summe ber nothmenbigen
5Raturbeoba^tungen ooll mar, bas 5^.unftmerf gur VoH^
enbung herausguführen.

Diefes fd)etnt mir bie gange antüe Äunft beherrf^t unb
gehalten gu Ijaben unb bie gange (gntmicïlung fener
iUilfer mag ihren Vorth eil unb thcümcifen §olt barin
gefunben hc^en, bcnn eine .Uunft, foldjen ^rincipicn
entworfen, ïonnte ober mufste ihnen in ihrer SIrt
Soangelium ber 2Bahrheii fein. — Unb berart mor
biefe grünbli(he, gebiegene SIrt gu fchauen unb gu beuten
ienen olten ilänftlern ins SJtarï gebrmtgen, in ihrer
ïechniï gleidjfom oerïnödiert, bafs, als nod) uralter
Äunftübung bos innere Sluge burd) Ccrblcicheu bes
Sebensernftes, ber reltgiöfen Sbeen fc^on erbHnbet mar,
ihre 2;ed^niï noch ols geiftlofer STcechanismus iohr=
hunbertelang SBerfe heroorbrachte, bie ber Äunftübung
jener Seiten, bie fid) in bos fflleer ber Speciolitöten
ftellten unb, oon ihren SBogen bemegt, nun gu fifd)en
unb gu geftalten fuchten, nod) meit überlegen finb.

fprei^e hier öon bem ^ßrocefs, mie ber ïïare,
tiefempfunbene Vegriff gum i^unftmerïe geftoüet mirb.
Den Vegriff, bie 3igt;ee felber, nenne ich a^s au^er
ber Ä u n ft ft e h e n b, ba er eher mar, als bie ilunft,
meil ihn anbere mit bem Mnftler theilen, ober üielfo^
beffer haben ïönnen. Der Äünftler aber mirb erft ilünftler

-ocr page 36-

baburth, bafs er biefen Segriff in gorm bringen lann.
5Bei ben ©riedjen felbft xoar erft ein ^onter unb bann

Hnb fo glouBe id), angefidjts ber antifen 5^unft
läfst fid) fagen, bafs es eine auf Dogmen be=
r u 1) e n b e, religiöfe 51 u n ft, eine a t u r=
gefd}ichte ber \'2;ecl)nt! gibt, foroie auc^ bie
S^latur na(h eroig gütigen Dogmen baut; unb gtoar nac^
ben gleichen Dogmen in S\'gijpten, in (5rte(^enlanb,
DeutfÄlanb, SImerifa, in 9iorb unb Süb, bafs, foroie
es nur eine bogmatifd)e SBa^rBeit, es aud) nur eine
in iljren gormaigefetjen bogmatifdje i\\unft gibt — bafs
biefe Dogmen ber Äunft fo nothioenbig finb, ane bie
Dogmen ber Rirdjc felber, roenn bie Äunft als Dar-
ftellerin ber I)öd)ften 3Baf)rr;eiten Ijeilig bleiben, nid)t in
Sermtrrung unb auf 3rrrocge gerat^en unb ben 3eüen
ferneres llnheü gufiigen foH, inbem fie biefe ho^en
©ebanfen in bie gemeine 5Hegton Ijeruntergieht, inbem
fie fi^, ftatt bas ©teuerruber ber S^itm mit gu fein,
oon biefen unb i^ren ©tnflüffen überroältigen unb
treiben läfst, tote ^Ireibljolg.

Hm nod) öggpti|d)e ^Blaftif gu enoohnen, i^re geo=
metrifche ^rfc^einung, beljerrf^enbe unb gugleic| bemüthige
5Ruhe, fo ift mir ni^t möglid), jenen beiguftimmen, bie
ba beljaupten, Befi^ränfter äe{|nif unb mongelnben
SBiffens roegen ptten fie es fo gemad)t. (£s ift getoifs
immer noch leichter, einen SZaturabgufs gu copieren,
als bie 93lafee unb SBinfel für eine äg^ptifche
Statue gu geben. Dort ift Sluge unb §anb, aber
nod) etroas anberes babei. Der jenes mac^t, fann ein
Saffe fein, ber biefes mad)te, mufste ein männlicher,
ernft benfenber ©eift fein. 3ch glaube, es roar ihnen
barum gu thun, bas SBefen ber allgeit mä^tigen,
pflidjtgetreuen, ber mohtth^ttö herrfd^enben unb md)t bie
fleinfte Hnorbnung bulbenben ©ottheit gu geben.

Seincrfeits lehrt uns bas hl- 33uch: „Der $err
mohnt nii^t in ber Seioegungquot;, „©ott ift ein ©ott ber
Orbnungquot;. Die heilige Äirc^e erfleht für ihre;2?erftorbenen

-ocr page 37-

bte etoige Seligfeit, bamü teiinfc^enb: „(5ib i^nen,
§err,_ bie eioigc giu^equot;. 3Iuit beute! aber fi^ott\' ber
begriff „eroigquot; für uns SRenfchen „\'Mu^equot;; benn alles
Setöegen oergehrt unb mufs [(^lie^lii^ gerftörenb fein.
— So fi^einen biefe alten Silbhauer ni(|t auf falfi^er
Spur gemefen gu fein, begriffe ber (Sottheit barguftellen.
3enes ©eometrif^e in ber äußeren ßrfdjeinung beutet
loieber auf ein ©eoiuetrifd)cs, b. i. (5eorbnetes| geftes,
Sicheres unb $armonifches im Sunern berfelben — unb
bas ift es ja, roas Vertrauen, ®h^erbietung errocdt unb
fogar bie HnterxDetfung leicht ntacht, möhrenb anberfeits
bie Sribulation ols Bürgel unb Stamm ber Sünbe,
bie llnflarl)cit, bas Hnoerüiögcn, bie Seibenfehaft, olles
©egenfät)e bes ©iittUchen finb.

(£s ift barum bie Unruhe in ber \'ipiafti! einer
©ottheit gong unmürbig unb giöedoerfehlenb. Hm nM)=
tig gu mollen, brüud)t bie ©ottheit nii^t lcibcnf^aftlid)cs
®emegen. „3eus roinö mit ben ®rßuen feiner Slugen
unb ber Olgmp ergiitert,quot; fogen felbft f^on bie ©riedjen.
Hnb um loie oiel ift ber fehriltengott tioch erhöhet?
SBenn aber ein ^^^rophet, ein Dichter biefes 23ilb ber
33eroegung benn bod) gebraudjt unb uns als SBirtmtg
baoon bie unermefsliihen ©emalten benennt, bie booon
unb bamit bemegt merben, fo erretd)t er fein bos
ubermenf«hli»he gu geben; ober bem 5lünftler, ber bas
erfte gibt unb bos gmeite nicht geben tonn, bleibt bas
blo^ 5Kenfd)lichc in ben $änben.

9Kit Segeifterung fa| ish barum, mie fotoohj bte
©rie(hen, als bie erfte, d^riftli^e ilunft biefe primitioen
SBinfe ber Slgqpter ftd) gu eigen gemalt, fei es nun
bei ben Shriften burih 2;rabition ober befonbere Offen
barung geft^ehen. Sluf jeben galt fönnen fie, bie noih
aus bem erften $olge finb, bie erfte ilraft in fi^ fühl=
ten, uns ma^gebenb fein für bie 2luffoffung oon Shriftus,
9Jlaria unb ben Slpofteln unb bgl.

Von ber gangen $errli(§feit unb SBürbe eines
oollenbeten (Eultusbilbes aus ber grie(hif(heit Vlütegeit
lönnen mir uns freilid) toum eine filtere Vorftcllung

-ocr page 38-

moeien unb werben wo^ï immer gurücfbleiben. (Es war
ber 2;riymp^ i^rer ÏBiffenfc^aft unb 2;e^niï, unb bie
Soge, welche com ^^ibios\'fc^en 3eus gieng, bofs, wer
i^n einmal gefe^en, nii^t wieber unglüdlid^ werben
ïbnne, l^at gewifs einige\' Sebeutung.

2)ie c[)rifÜic^en Darfteïlungen oon un[ercm ©rlöfer
unb ber allerfeligften SJlutfer u. f. w. blieben auf jeben
gall gegen fene SBoIlenbung ouf einer ber unterften
Stufen fielen unb wenn wir fe^en, bofs biefe SJleifter
bei bem SerfoH ber Äunft in bie S^ule giengen, jener
alte\'©rieche eine burd) Sa^r^unberte forgföltig gepflegte
unb wiffenfc^afttid) ausgebitbete Xe^ml |inter fi(^ ^otte,
fo begreift fii^ biefes. ffis war ni(^t unb noc^ lange nic^t
bie gefommen, bie man bie 5|3eriobe ber Äunft
nennen mag. Das eijriftentljum war neu. (Srft mufsten
feine Segriffe unb (£f)araäere iit iljrem reellen 2Bert
unb ©ewic^t, in bem erften SRaterial, bem 3Bort,
fertig unb ans fiidjt geftelü fein, ©rft mufste aud) bie
-Runft oI)ne ilritü, frei aus bem ©cifie unb ber
©mpfinbung heraus, um fo unbeengt bie gittige bc=
wegen gu ïönnen, arbeiten, fid) mit fo oiel te(|mf(^er
Kenntnis begnügenb, um fii^ gerabe ausfpred^en gu
ïönnen. Dann erft mag bie ^o^e i^unft, bie ilunft
©ottes in ber 9Iatur fi$ biefer bemächtigen unb fie
gur ©ewa Ii ergeben. l^ü^e mit ber Äritif be=
|aftet, ptte bie Äunft fid) in ben Sc^ön^eitsbeftrebungen
oerlteren müffen. ©s wäre wo!)! ein Siüdfan in einfeitig
äft^etifc^es Streben ber fpäteren Sitten geworben. So
aber ift biefe olte, c^riftlic^e i^unft, oor allem bie ilunft
bes 5KitteIaÖers als ^emmenber ileil bogwif^en=
gefi^oben. Dtefe wirb in feelif^er ©egie^ung bie ©r=
gie^ertn ber ilünftler bleiben, fie über ber gorm ben
wa|ren ©eift ni(|t oergeffen laffen unb fo ïönnen fie
bann nod) ber erften getroft unb aus allen i^räften
ftreben.

Sis gu ben Silb^auern ber ^ifaner Schule unb
©iotto meinen Slicï oon ber altd)riftlid)en ilunft weiter
wenbenb, fe^e idi bto iriftiidje 5^unft in ber alt^ergebrac^^

-ocr page 39-

teti SBciJe fi^ Beroegen, ftc^ mit ben von Sïnfang an
^bräu(^I{(|en SJlitteln Begnügen, ütjne Befonbetes
Streben, biefe na^ 5Raiurgefe^en gu Begrünben unb fo
ben Äetm gur SoIIenbung brein gu legen.

Da, in jenen Silbhauernquot;, in ©iotto, begann bie
Äunft aufs neue gu ertoarinen, in einem neuen
grü^Iing aufguthouen, fit^ über neue, größere ©eBiete
gu oerbreiten. Diefe 9Kcifter fc^ufen mieber neu jenen
garten unb feierlidjen S^igt^mus unb glufs in Se=
iDegung ber ©eftalten unb befonbers im ©etoanbe, unb
ber ernjtere ©iotto führte bie jlunft entft^iebenquot; ins
Dramatif^e heraus. Sie roaren es, bie jene
feine, inbioibuelle Sentimentalität im
©egenfa^ gu ber me^r abftracten\'D ar=
fteUungsroeife ber alten Äunft fc|ufen
unb baburi^ gu- ben Sïusartungen fpäterer 3eiten ben
2ßeg eröffneten, inbem biefe „(gtoigesquot; unb „aRenfd)=
Ii(hesquot; mit bem gleichen ^Kaf^ftaB ma^en. Die Sbeen
bes ©œigen, ©öttlid^en aber finb für uns abftract unb
laffen fic^, ohne aBgöfd)a)ä(ht gu ©erben, nicht ous biefem
©eBiete hei\'untei\'^rängen; fie laffen fi^ nie in nur
menf(^Iiche 2lrt unb SBeife üBerfe^en. Selbft ber ©ott=
ÏRenf^ ©hïpws ift nii^t gegeben, menn ich «quot;«h ^as
erhabenfte SRobell roiebergebe, es blelBt immer nodj ein
„Hnausfprechlichesquot; übrig, »elches id) nur burch
i9pifch=geometrif(^e ailitte! onbeuten
îann. Ratten bie obgenannten SReifter aber bas (gr=
haBene unb Starte ber atten i^unft barangegeben, fo
hatten fie bennoch hohen Stil; hatten fie bie i^unft
bem menfchlid) SnbioibueHen, Segrengten entgegen^
geführt, fo toar ihnen bos geteriiche bod) nid)t entmidjen.
Sie hatten inftinctioe ©rö^enharmonie unb ibeeïïe, a)in=
einheitli^e Sinien. 2Iber ihre Äunft toar auf bas per=
fönliche ©efühl bcgrünbet, fie empfanben oielmehr ben
fflSert ber antiîen ^rincipien, als fie beren innere
Ux=
unb SRedjaniî tlar unb feft ertannt hätten, ^s
fien bas ni^t ihre Slufgabe. (£-rft mufsten nod) oiele,
\'quot;r bie Äunft oerBorgene Sd)ö^e ber \'5tird)e an bas

Senj, Sm tpetiï ber »euroner S^nle.nbsp;3

-ocr page 40-

Sicht gcBrocht tDerben. 3enes frifc^e, glaubens- unb
KebeooHe 3eitalter mar fo re^t bagu gef^affen, Slblern
gki(^, bie 3:iefen unb fflSeiten ber Äirc^e ausgufpähen,
p fammein, loas fich ihnen »on ïoftBarem (gbelgeftein
üorfanb, bie gaffung berfelben lühleren unb ruht=
geren übertaffenb.

2IIs bie ilunft hunbert ^ahre fpäter no^ fortfc^ritt,
bröngenb bur^brad^ auf bie Seite bes ^Realismus ber
conftructioen 3;echnii unb fi(h in biefer eine S^ule ent=
midelte, oerfchmanb, mie biefe junahm, jenes hofe, ruhig
$armomfch=feierIi(J)e, unb Élii^elangelo, in bem biefe
Schule gipfelte, hatte hieöon am allermenigften. ffir mar
es cor allen, ber bie einfeitige, conftructioe 3;echniï
(nach ^er Sïuffaffung feiner ^Rachfolger) quafi als 3rocd
unb ftatt ftaren ©ehaltes bie Sribulation, bie Unruhe
in bie Äunft eingeführt unb biefe barauf begrünbet hat-
gür jene 3eit ober mor es no^ bie einzig möglid^c
gorm, unter roeliher ber 5lunft bas Seben Dergönnt
mar. Roheres ïonnte fie ni^t mehr faffen unb fie hatte
ihm bofür gu banïen. 3n feiner SIrt erreii^te er mahr=
hoft ^erfulifihes. — SBenn ober jebe ilunftgrö^e, bie
fihon üergongen, gmeifod) gu beurtheilen ift, mos fie in
ihrer 3eit mar unb inmiemeit fie uns 21 n=
inüpfungspunït fein borf nach unferen 5Be=
griffen »on mahrer ilunft, fo haben mir uns an biefes
lettere oHein gu halten. 3111er (Slang im erfteren
Soll ift für uns nichts mert, fonbern gehört ber alh
gemeinen ©ejchid)te, bem allgemeinen ©erii^te an. So
mufs i(h für meinen 2:heit ols mahr erïennen: SJÏi^et
angelo mar in feiner 3eit ein ^eros ber i^unft, für
uns ober ift er basjenige (Element, mel(hcs mir uns om
meiften »om Seibe gu halten haben; benn on jener
holtlofen SBillïür unb OTribuIation litten faft breihunbert
Söhre unb bie Sobesmübigïeit liegt uns noch int
©ebeine.

®s liegt in ber aRenfchheit ein 3ug, nur ihres=
gleichen gu fehen; bos ©ro^e, erhobene brüdt felbe unb
fie fud)t es herobgugiehen. So mor es aud) in ber Slunft

-ocr page 41-

üon jeher. Die ©riedjen höBen ihre alten, erhabenen
©ötteribeen heruntergebrMt Bis gu menfchlich [«haaren
.^nbmibuen unb ^lato matht fi^ Suft in bem ©eftänb^^
nis, ben Horner hätte man prügeln müffen, meil er bte
hoheit ©ötter fo erniebrigt unb gemein menfd)Iich ge-
malt haBe. Die ^riftliihe 3eit unb ilunft fieng mit
bem ©rhaBenen unb ©ro^en an. 9Beit man ohne ©ihule
mar unb barum ni^t aus bem ©roBen ïam, ïenïte bas
ajïitteloïter in bas rein 9Kenfd)K^e ein. Die SRenfdjen
ftelïten fi(^ felBer bar in ihren ^eiligen, in (Ehriftus
unb aJloïia, Befchränit inbioibuelL SBas biefer ilunft
an ©rö^e ber Sluffaffung unb SoIHommenheit mangelte,
erfe^te ein unglaublich guter 2BiIle unb fromme 3nBrunft.

SlBer üon ber S(hule jener großen, bas ÏRittel^
alter Befi^Kefeenben SKeifter an, bie au^er einfeitig
conftructioer gertigïeit faft nishts gerettet hatte, fehlte
jene geheimnisootle unb miffenfd)op(he 3;e^nif unb
VoIIenbung ber Sitten, ber erhabene, menn aud) rohe
(grnft unb S^roung bes Sllt^riftenthums, fomie ber
mnige, ehrliihe SBille unb ©lauBe bes SRiitelalters.
Der ilunft unb 3eit felBer hatte fid^ bas Silb bes
^eiligen, bes Bahren in ber ilunft oermifdjt, fie
mo^te nur noch ï\'as StauBoermanbte, gemein 2Birïli(ie
leiben unb Begreifen. Die ilunft gieng fortan (menige
SOIeifter ausgenommen) burdh bid unb bünn mit bem
[ogenannten 3eitgcifte, nach i^rer fdjeinBaren Seftimmung
biefen ftets ftxierenb; fie mar aus ber ilir(he gelaufen,
ao ihre $eimat ift unb mar, fie lief bem 3eitoertreiB
ber 2Belt nad), unb menn bie ilirche benn bo(h ihrer
Beburfte, fah man, mes ©eiftes ilinb fie gemorben.

Hnb nun freue ich miih, gu fehen, mie bur(^ ©ottes
^athfchlufs ein eherner, fraftooller ©enius erftanb, ber
mmitten einer 9?eihe glei^ftreBenber ©enoffen mit ilühn=
hett unb Stärle über biefen SIBgrunb bes tollen Ver=
fölles hinüber bte gebrochene ilette ber hohen, ernften
iwnft mieber gu einer gangen fchmiebete, ouf bafs alle
^te (£ntmidlung eine inetnanbergreifenbe, burch niÄts
Sauics unterbro^ene fei.

-ocr page 42-

^eter (Eornclius Dor allen toar bte Slufgabc
gelungen, ben ©entus ber Sugenbïraft bes K^rtjtent^ums,
bes ©riec^entfjums ^erauf3ubef(|a)ären, unb befjen gaâel
leud^tete i^m, als (eine §anb jene ^ol^en Silbercgïlen
f^uf, bie fein SBolï t^m »erbanft, bie eine Duelle bes
Segens geœorben, au(| ben Si^reiber biefer 3eilen
einfü|rten in ben îempel ber p^en, wahren Äunft, in
roe^ent er einem Sïîeifier ftets 3;reue unb Danïbarïeit
betoa^ren œtll. 3ene bes 3Iuff(^töunges, ber Äunft
(1800 bis ungefähr 1840) ift »ergangen. Deutfd^Ianb ^at
feine erfe^nte ©eftaltung no(g nis^t erlangt. 3ene Meifter
f^einen auf gelengrunb p ftel^en, benn alle blieben
t^rem erften ©rebo getreu. Sie Ratten im gangen bei
ber grü^=5Renaiffance felbft bei ©iotto, §emling u. f. dj.
angeïnûpft. 3lber in ber ©mpfinbung bes heutigen SSoHes
lebte no^ ein anberes unb biefes Ratten fie ni(^t er=
reicht toeber in gorm nod^ garbe. — Sîielleii^t toar
es, bafs bas erfte, alte gunbament ber 5lunftübung un=
Berücffi^tigt geblieben (toas ©oet:^e bamals bebauerte).

So ïam es, bafs fie ni(^l me^r genügten, nid^t ber
^eiligen Äird^e unb nic^t ber 2Belt. Das ifolierte fie, unb
f(^on bie gtoeite ©eneration gieng bem SSertoeHen ent=
gegen. ©oben, auf bem biefe nun fte^en, ift burd)
tmmer me^r oon au^en lommenbe, gcrfe^enbe ©inflüffe
gerbrödelt. Die Äraft, ben großen Vorläufern gu folgen,
ift i^nen Dcrf(^rumpft unb i^r ©eftreben (bas roa^rfte
3etd|en bes Da^infiei^ens) fuc^t fii^ in ^unbert aRanie=
ren Suft unb ©rlei(^terung, finît immer me^r tn ^rofa
^erab, gleid^ioie ein ïranïer ©aunt am gu^e feine
Schößlinge treibt, oben aber, in ber freien Ärone, ni(^ts
me|r oermag. Das ©olï jeboch ift confus unb t^eilna^ms--
los geworben; es wor bte natürlid^c golge. ©s brängt
einen, |cute gu fragen: 9Bas ift bie Urfa^e unb loas
foll baraus werben? Soll bei fo oiel gutem Hillen
bie wa^re ilunft abfterben an eigener, innerer 3Irmut
unb Ärojtlofigleit, ober foll ein neues ©lentent fidh_ er=
^eben, bie Si^öpfungsfeaft wieber gu Beleben, in biefes
©haos fiid)t gu werfen ?

-ocr page 43-

Slis eines ber bcbeutenbften (£rlebni|fe ift, mie mir
fi^cint, bas 2Biebererftehcn löngft Begrabener, onti!=
grie^if^er 5^unftmerïe gu nennen, jener Äunft, bie tm
ailterthume eine fo fittli^e ergie^enbe SKa^t mar, bas
fi^ bas Seben unbnbsp;ganger Vötïer glei^fam

barum breite, barauf baute. Unb gmar meniger baburi^,
bafs fie hohe, fittli(he SBahrheiten »erfünbet hätte (mas
ber chr{ftli(hen Offenbarung oorbehalten blieb), als bafs
fie üieïmehr auf bte Offenbarung in ber
5Ratur, auf ihre ©efe^e ber ® erechtigïeit,
ber SBahrheit, harmonie hinmies, biefe
mieberum in fichfelber oerförperte, burch
eine hohe Xechniï, bie barauf begrünbet
mar.

3IIs eine gmeite unb furchtbare ©rf^etnung, als
ob fie bem ©efolge jener antiïen Silbmerle entftammte,
erhebt ich bie ilritiï, bic, obgleich heute bereits gur
tgrannif^en aRad^t entmideït, feiten ïlar mei^, mas fie
mill unb uur Krittelei gu nennen ift. ©nes nur läfst
fi(| als rother gaben burchgehenb »erfolgen, bafs fie
nämlich bei ber claffifdjen 5lunft Vorgüge bemerït unb
als mirïlid)e Vorgüge liebgemonnen ha^, ^^e gu miffen
bei neueren unb fchon oergangenen ^robuctionen ihr un=
angenehm mirb. Äurg, mir f^eint, bie Derftönbige
Rïitiï oerlange na^ dafftfcher 6d)ule
u n b g e ft i g ï e i t — bie »erftänbige Äritif, bie auf
bem Verlangen nach mahrer 5lunft beruhenb, felber
fähig x\\i bie iïunft oller Seiten gu empfinben, gu bc=
greifen unb bie baraus bas 5Rothmenbige für bie 3uïunft
gu ahnen »ermag.

3rgenb einen SBeg hiegu angugeben ober nur bte
erften Schritte gu thun, eine SRaturgefchichte jener Xtä)--
nil gu begrünben, ift ihr bis je^t meines ÏÏBiffens ni^t
gelungen. Sie mufste aber theilmeife mit großer Präci=
fion bie Vorgüge oorhanbener, antiïer 5lunftmer!e gu
nennen, — fo bas Verlangen nad^ biefen gu fteigern,
immer grotere Sieblofigïeit gegen alles gu erregen, mas,
menn no^ fo ho^en ©eiftes, nicht ben Verglei^ in

-ocr page 44-

gormüollenburtg aushatten moitié. 60 îfi fie eine Sîîac^t
geiDorben, bie bie ilunfi gœingen œiïl, neue Elemente
in fi^ aufgunehmen unb ihr immer peinli^er unb
Der=
nichienber guleibe geht. Das 2Bas oermag fie aus=
jufpred^en, aber nicht bas 2Ö i e, roas gu erforfi^en aller=
bings eigenfte Sai^e jener bleibt, bie fi(h Sünger ber
i^unft nennen. — £gt;b biefes SSerïangen œohï geregt,
mog bie 3ett entf(heiben. 3(h meinerfeits mufs biefes
Sîerîangen ois ein bere^tigtes erïennen, oermag fogar nur
in ihm eine neuenbsp;fü^ îôie h^h^ ^unft gu fehen.

SBenn rnir es für einen SBinï ber ®orfehung
hatten müffen, bafs eben in unferem Sahrhunbert bie
ûîte, griedh^î\'^Ê Slunft toieber ans Sicht geftellt, bie alten
35afenbiîber, bie oielteic^t an breitaufenb ^ahi^
Borgen lagen unb fo Sebeutenbes in fic^ Bergen, toieber
entbedt finb — bafs ^gçptens i^unft, toenn nicht ihre
gangen fallen, uns toenigflens ihre ©runbriffe, bie
bas ©ranbiofefte, ßnttoictlungsfähigfte in fi^ Bergen,
Betoohren mufste, fo glaube ich, müffen toir es auc^ für
einen 20inï ber 23orfehung hatten, bafs toir allen Êrnftes
Bei biefen äBerfen in bie Schule gehen unb forfchen,
toas jenes ©tement benn fei, toel^es ber often cloffif^en
i^unft ©etoatt gab, helbnifchen SöHern ben SBegriff bei=
guBringen, bafs bieSBelt oufDrbnungunb
§ a r m
0 n i,e g e g r ü n b e t i ft, bafs bas 5Rohe, l[n=
gegügette, ÜBermüthige bes SRenfd^en geinb unb un=^
roürbig fei. Sïls einen SBint ber Sorfehung mufs ich es
Betrachten, aïs ein ©eBot, bafs in jenem oerMrten ©etoanbe
bie alten Sbeen bes «hriftenthums, bie ilunft, ber
©eift bes ajlittelotters toieber erftehe, bafs, toas unfere
großen, beutfd^en ÏReifter, in bie îïiefen ber guten
Sorgeit fteigenb, begonnen ha^en, gur Sottenbung
ïomme unb bie ilunft toieber eine ^flonge in bem
©arten ©ottes toerbe, »ott Einmuth, ooll Sffiahrheit, ooll
fü^en îlroftes, bem Sügner, Stolgen unb Xlngüd^tigen
ober auch ooll fchrecïenben ©rnftes.

3n biefem Sinne fcheint mir, hat fi^ bie ilritiï,
toelc^e ber mobernen Äunft ben îlob gu Bringen broht

-ocr page 45-

burch bennbsp;ber SieBIoftgfeti bes oernichtenben

2Btberfpru(hs, abguïlâren gur 9îalurgef(htd)te ber Zt^--
ni! int Sinne ber 3ïlten, auf bafs roir unterf^eiben
lernen, roas 3Bahrheü, leBenbige ÏRothœenbigïeit, roas
fiüge unb ÏBilïîilr, toas fiiebe ber 3;heile untereinanber,
œas rohe» ictube Diffonang ift, bafs îoir erïennen bie
mothematif(hen ©eheimniffe unb bie SBeisheit ber §ar=
monte in ber 3îatur unb auch unierfcheiben lernen, mas
!inbli(h=bemüthige Seelenregung, ©ottesKebe unb mas
heudhlerifd)e unnatürliche Sentimentalität ift.

Die alte, ihriftlidhe Äunft foII auferftehen. Dem ©eifte,
aber nii^t ber gorm na^. Diefe folt oollenbet fein
naih ber S(hute ber SÏIten. Ohne biefe Schute mirb fi^
bie ilunft nie mieber gur claffif^en §i)he, babur^ gur
hetlbringenben ©ematt erheben ïônnen.

3BohI mag biefes ïritif^e iBeftreben, bas ©rbc ber
näd)ften 3ii!unfi, mie mi(h bûnït, manchem bie gtügel
feines ^hantafus lahm f(|lagen; aber an 2Berïen ber
^hantafie haben mir eben ïeinen 9Kangeï, es oerlongt
uns heute na(h etmas anberem, unb es hat oon |eher
nur jenes Sdhauen, roelihes x)on ber $öhe aufeinanber=
fotgenber Vernunftf^tüffe, fei es burih Offenbarung ober
bur(h gorj^ung geroonnen, gef(hah, mahrhaft gef^affen
unb nur ihm mar bas VoÏÏenben eigenthümKch. Das
geflügelte Schauen, burch ©efühl getragene prophetifshe
Sichauffchmingen ift aïs ©rftes nöthig, um ben ©tauben
an bas Dafein unb ben ©ehaït einer Sadjc gu ermeden;
aber über ein unb biefelbe Sai^e bei gemiffen 9?efuï=
taten angefommen, müffen au(h bie mathematifchen
ilräfte bes äRenfd}en ihre Xhätigfeit beginnen.

So fehït es uns heutgutage in ber ^riftïiihen Äunft
ïetnesmegs an 3bcen, an ©rfinbungen, moht aber an f e r=
tigen Sbeen. Die ciaffifi^en SKeifler haben aber bie ilunft
ni^t babur^ gu jener munberbaren $öhe gebras^t, bafs fie
eine Saihe immer mieber anbers anfiengen, um fie immer
halbfertig gu ïaffen, fonbern bafs ©enerationen eine unb bie=
felbe 3bee in ihrem auffteigenben ©rab ber Voltenbung
loieber aufnahmen, beren inneren, mahren ©ehalt immer

-ocr page 46-

me^r unb fii^erer gu erïennen unb aus benifclben bie
gornt nalurgentä^ ju entroideln ftrebten.

(Eine ^oïie, bem 9}ïenf^en ^eilige 3bee in foldj
gefunber, organifc^er 2Beife in einem Âunftroerï, glei(|=
fam in einem (Sefä^e ber SBoÇr^eii unb harmonie oor
3lugen geftellt, n)irb i^m 2;roft unb eine Quelle ber
Seïe^rung werben, weil es bei bauernbem 5Betro(^ien
bes (Se^aïtes felber gewinnt unb basfeïbe aud^ er=
tragen mag.

So beginne benn, wer fic^ berufen fü^It, an biefer
Slufgabe gu arbeiten, unb ber $err, weli^er ber alten
ilunft eine taufenbiö^rige unb ber ©ot^iï eine brei
3al)r^unberte alte 3:rabilicin gab, ber alles bewahrt,
was ber Dauer wert ift, wirb auch ^os Sîot^wenbige
geben, bamit bie SBemü^ungen bes einzelnen nid^t Der=
loren feien.

©s mag woj^l ^nit bem SBieberbeginnen ber ilunft
nach ctntiîen ^rincipien wie mit bem ©rlernen einer
Sprache geljen, beren ©rammatit »erloren ift. 2Bo will
man fie faffen ? Se^en wir bo(^, bafs bie 3llten hierin
felber äu^erft be^utfam iljren SBeg machten.

Sic begannen i^re ilunft mit einer Slufrii^tigïeit,
mit einer (E^h^furdht oor ber SBa^h^^ßi^» materiell unb
geiftig f(^idli4 bie wir mit Staunen betrai^ten, bie uns
wie befpotifc^er ©rnft erfcheint; benn unfere ^^antaf^ie
ift nergärtelt, meifterlos unb ïranï^aft geworben. Sie ift
ausgeartet in blinbe SBilHür unb fü^rt uns an ber
9iafe, inbes in ber ilunft bei oernünftigen 9Jienfchen
biefe 3Irt als 3;augenichts i^ren ^la^ fat unb oorn
bie Vernunft, ber Dürft nai^ bem lebenbig 2Ba^ren,
nicht na(^ ©ffect, platsne^men müfste. — So fe^en
wir bei ben Sitten erft bie Slri^iteïtur in ben einfa^ften
3ügen mit ber äu^erften Dïonomie gegeben. Die ^laftiï
entwidett fidh erft in faft ari^itefturgleii^er Stiliftif;
benn ber ^rocefs, bie Harmonie ber erïannten lebenbigen
X^)tik 3U geben, ift in gerablinigen, regulären ©rij|en
ein einfacherer, fid)erer guöollbrtngcnber, in ben irregulären
gebogenen ober oielgetljeilten ©röfjen aber ein ^rocefs

-ocr page 47-

empfinbfamcrer SIrt unb erft bem burd) tanges Setrai^ten
harmontfd)er unb befonbers archtte!tonifd)er aBerïe geübten
Sluge, fomie bem non 5\\inb auf in gleifc^ unb Sïut
übergegangenen 6inn für harmonie unb 9ïoi6menbig=
ïeit mbglid).

Die Sïïten fatten 3ur 3cit, cis ibre Slüte
53orbereitete, bereits einen Sc^a^ ber gebi\'egenften SBerïe
nor Slugen. 2Bir ha^equot; grofje Sd)fitje non Sbeen unb
2Berïe freier ïci^ni! oor uns. SIber mit erfteren finb
mir fi^mach befteïlt unb müffen uns an fene menigen,
antiïen gragmcnte gölten, bei ihnen in bie Schule
gehen, umringt non Raufen oft tollen, phon^af^if^en
Seugs, Don nieberen, finnitchen ^robucten. Die Anfänge
mögen barum milbe SJachficht finben.

ÊS erfd)einen biefe ^hMorien üieUcid)t atlgu lübn,
oieHei^t ho^ntüthig unb oermeffen; aber biefe ©ebanlen
finb bie JJefuItate bes Setras^tens ber mich umgebenben
Äunft aller Serien, unb ber mir bas Sluge gegeben,
gu fehen, unb bie ©nabe, bas
2Bahre gu moUen, ift es
ja aui^, melier bas äu
|5ere Sehen in bas innere üer=
manbelt. Sein SBille fei es allein, ber mid) bemege!

SJiit biefen ©ebonfen f(^lie^e i(| meine Theorien
ob; fie oufgufihreiben fi^ien mir nü^lish, um mit mehr
Sicherheit hinfüro meinen SBeg gehen gu ïönnen, fie
in ber praxis ongumenben, fie meiter gu bauen gu
einem Seitfoben bernbsp;unb erften Serfuch, fie

auf Sogiï unb ©efe^ gu grünben, auf bofs jüngere
unb reichere Solente mit ber erften ilroft in biefe Sohn
gelenït, es meiter führen mögen.

Schlonbers in ïirol, im Sïïai 1865.

Peter Seng,
Silbhauer.

-ocr page 48-

©jerJag IDilQetm PraHmünsr
f. u. f. u. UniciecfttätesBudjtfänbler, IDieti u. Ceipjtg.

3ÜlÖlll}tXt imb\' Mtllltx

ber

öo«

Miil. m«r. profsITor bsr pfropoIagiB an ösr l^tsnsr HntBsrjliäl n.
«Ösrnan^em Its^J^siquot; Änaiomis an bsr 3RFtsbKtntB isc Siinffv; in
Bsrltn.

3Jlit 29 $ol3f^niüen oon $ ermann ^aar.

3 w e i t e imoerönberte Slufloge.
SRtl bem Silbnis bes SSerfaffers.

8. 1893. 3 p. - 5 m.; sUg.- BbB- 4 p.- 6.50 IE.

®ie

2tuf ben Spuren bes @auben3to ^errari.
(Ein Somnternadjtstraum in ber tDall^aUa.
Hat^gelaffene Sd?rifteti.

ffiDIt

8. 1892. 2 p. 40 te. — 4 an.

ilMlMquot; fiiilinbsp;3kWi

Beiträge gur ^ftEjetif ber Did^tfunft unb ZITalerei.

S8ßn

XaurjEi HlüHncr

fl.-B. prüfeftor an ber Ii. h. Mntesrptäi in Wxtn.

gr. b\\ 1895, 2 fl. 40 fr, - 4 3Jt,