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STUDIEN
ZUR KOSTÜMGESCHICHTE
DER BLÜTEZEIT HOLLANDS

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FR. W. S. VAN THIENEN

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STUDIEN
ZUR KOSTÜMGESCHICHTE
DER BLÜTEZEIT HOLLANDS

Proefschrift

ter verkrijging van den graad van Doctor in de Letteren
en Wijsbegeerte aan de
Rijks-Universiteit te Utrecht,
op gezag van den Rector-Magnificus Dr. A. A. Pulle,
Hoogleeraar in de Faculteit der Wis- en

Natuurkunde, volgens
besluit van den Senaat der Universiteit te
verdedigen tegen de bedenkingen
van de Faculteit der Letteren en Wijsbegeerte
op Vrijdag 13. December 1929,
des namiddags te 3 uur
door

FRITHJOF WILLEM SOPHI VAN THIENEN

geboren te Delft

DEUTSCHER KUNSTVERLAG

BERLIN W8

BIBLIOTHEEK DER

rijksuniversiteit
utrecht«

1897 0149

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AAN MIJN OUDERS

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Die Dissertation ist ein Fragment eines
demnädist im Deutsdien Kunstverlag, Berlin, als sechster
Band der Kunstwissenschaftlichen Studien erscheinenden
reichillustrierten Werkes:

DAS KOSTÜM DER BLÜTEZEIT HOLLANDS

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EINLEITUNG;

Die Blütezeit Hollands! - Unmittelbar tauchen da Erinnerungen
auf an Namen wie Rembrandt, Seghers, Hals und Vondel... Namen
von Künstlern, die zu den allergrößten gehören, die die Welt je ge-
sehen hat. Dem zünftigen Historiker erscheint dabei auch noch das Bild eines
kleinen Staates, kaum zusammengewachsen aus einigen halb selbständi-
gen Provinzen, siegreich hervortretend aus erbittertem Freiheitskampf,
und dann auf einmal ökonomisch und kulturell eine Großmacht innerhalb
des europäischen Staatenkomplexes.

Wie viele von den besten und tüchtigsten Forschern haben sich
nicht gänzlich dem Studium dieser Periode gewidmet, ohne daß sich
die lockenden Perspektiven je geschlossen hätten.

Es ist geradezu erstaunlich, daß für diesen Zeitabschnitt eine syste-
matische, bis in Einzelheiten gehende kostümliche Untersuchung noch
immer fehlt.

Zwar ist die Zeit vorüber, in der die Kostümgeschichte ganz und
gar als das „Aschenbrödel der Kunstgeschichtequot; galt, aber dennoch
liegt hier noch ein großes Arbeitsfeld nahezu brach, denn allzuoft ist
bis jetzt das Kostüm, wenn man sich damit beschäftigte, doch noch
bloß als Kuriosum behandelt, und die Anzahl genauer Trachtenstudien
mit vorausgesetzt methodisch-wissenschafthcher Absicht blieb bis heute
noch gar zu beschränkt.

Natürlich - die allgemeinen Wandlungen der Tracht im 17. Jahr-
hundert sind jedem ernstlichen Forscher der Kunst jener Epoche
un-
gefähr
bekannt; aber derlei Kenntnisse bleiben gar zu sehr an der Ober-
fläche. Sie ermöglichen weder ganz genaue Datierungen zur Unterstützung
der kunsthistorischen Chronologie, noch eine tiefere Einsicht in das
besondere Wesen der niederländischen Tracht^.

In vorhegender Arbeit ist der Versuch zu einer solchen genauen
Analyse gemacht worden. Es wurde dabei in erster Linie danach ge-
strebt, Werdegang und Wandel der einzelnen Kostümstücke klarzustellen,
unter Berücksichtigung der Formengenesis jedes einzelnen Stückes.

Weitere Kapitel enthalten dann die Zusammenstellung dieser
Elemente zu ihrer synthetischen Absicht: der im Kleide stilisierten
Gestalt. Daß eine völlige Umstilisierung des Menschen in dieser Epoche

^ Ein einfaches Beispiel statt vieler: Niemals wäre Valentiner in seiner bekannten
Frans Hals-Publikation (Klassiker der Kunst) sonst dazu gekommen, das Damen-
bildnis aus der Sammlung Hollitscher, Berlin (Tafel 85), das nie vor den vierziger
Jahren gemalt sein kann, um 1630 anzusetzen, während ein anderes, beim Grafen
de Ganay, Paris (Tafel 169), das aus der Zeit um 1625 stammen muß, wieder zu spät:
1639, datiert worden ist.

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genau nach Perioden von zehn Jahren eintritt, ist dabei meines Erachtens
vorläufig als eine rein zufäUige Tatsache anzusehen, die jedoch einer
bequemen, übersichtHchen Einteüung des Stoffes sehr von Nutzen ist
Ich möchte aber nur betonen, daß dieses Dezimalsystem nicht a priori
der Bequemlichkeit halber ausgedacht ist, sondern, daß es sich rein
induktiv ergab.

Materialnbsp;Das zu dieser Arbeit verwendete Material ist in erster Linie aus

A. Bildliches reichlich fließenden QueUe der holländischen Malerei, inklusive der
Zeichnungen, geschöpft. Beispiele aus der Skulptur gibt es ja weit weniger.
Daneben sind aber natürUch auch Buchillustrationen und aUerhand lose
Stiche (Spottbilder und historische Stiche) herangezogen. Beim letzt-
genannten Stoff ist aber Vorsicht geboten, da manchmal ältere Platten
später noch einmal verwendet werden, wobei dann nur die Hauptfiguren
eine Änderung erleiden. Alles NebensächUche bleibt dabei jedoch ge-
wöhnhch unverändert; und zu diesem „NebensächHchenquot; gehören ja
auch die „Statistenquot;, die Nebenfiguren beim dargestellten Vorgang,
die also ihre ältere Kleidung behalten.

Die Beispiele aus der Malerei (Porträts und Genrebilder) sind nur
in den ersten vierzig Jahren durchaus zuverlässig. Wo man sich malerische
Freiheiten bezügUch der Form des Kleides erlaubte, da ist dieses doch
beim ersten Anblick gleich zu erkennen. Man denke bloß an Rembrandts
phantastische Aufmachungen!

Schwieriger wird die Sache aber manchmal nach 1640, wenn das
Theaterelement auch ins tägliche Leben hineindringt und sich, besonders
auf den Porträts, öfters Kompromisse zwischen Zeittracht und phan-
tastischem Kostüm emstellen. Ein scharfes Auge und etwas Intuition
sind da manchmal unumgänglich notwendig, um den Kostümforscher im
rechten Geleise zu halten.

Es kommt mh: vor, daß eme Liste mit sämtlichen aus den Beständen
der Malerei und der Stiche geschöpften Beispielen sich hier erübrigt.
Nur bei sehen vorkommenden Stücken habe ich im Text einige Beispiele
erwähnt. Im übrigen müssen die AbbÜdungen sprechen. Publikationen
über die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts gibt es ja in Hülle
und Fülle, und daraus könnte jedermaim sich mehrere Typen, die mit
den hier besprochenen und abgebildeten Stücken identisch oder ver-
wandt sind, herausholen.

B.nbsp;Weiteres Material haben zeitgenössische Literatur und Archivaha

Lueransches Hefern müssen. Dabei habe ich die aUerwichtigsten und amüsantesten
hterarischen Zitate aus der den deutschen Lesern nur
anscheinend leicht-
verständlichen Origmalsprache ins Deutsche übertragen. Bei den Gedichten
habe ich einer buchstäbhchen Übersetzung eine metrische vorgezogen, weü
es mir besonders darauf ankam, die „Atmosphärequot; beizubehalten.

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Eine Übersetzung der Archivalia schien mir überflüssig. Manch-
mal wird man bei der Behandlung eines gewissen Gegenstandes auch
noch Texte oder Archivalisches aus späteren Jahren zitiert finden. Dieses
ist nur geschehen bei solchen Stücken, die in späteren Jahren keine
wesentliche Veränderung erlitten haben, was ja bei dem Konservatismus
mancher Leute nichts Erstaunhches an sich hat.

Auch hterarische Beispiele ausländischer Herkunft habe ich ge-
legentlich herangezogen, wenn solche sich auf ähnliche Stücke wie die
hier vorgetragenen Bezug nahmen.

Die „Fachliteraturquot;, d. h. Bücher über Kostümgeschichte, erwies
sich für unsere Periode als total unzulängHch; sie hatte daher kaum etwas
Brauchbares zu bieten^.

Eingedenk des treflfhchen Wortes von Banco in seiner Bloemaert-
Pubhkation: Vorworte seien Anwälte der Bücher, möchte ich nun zu
allererst hier die Schranken, die ich zu ziehen hatte, darstellen und
nötigenfalls auch formuheren.

^ Bisher ist nur für andere Perioden eine genauere Untersuchung unternommen.
In erster Linie ist dabei an Paul Poats Buch „Die französisch-niederländische
Männertracht im Zeitalter der Spätgotikquot; (1910) zu denken. Seinem Beispiel der genau
andysierenden Methode folgte, mutatis mutandis, im Jahre 1916 Frl. de Jonge mit ihrer
„Bijdrage tot de kennis van de costuumgeschiedenis in de eerste helft van de 16 de eeuw;
het mannenkostuumquot;, ein Aufsatz, der später (in „Oud-HoUandquot;, 1918/19) über das
ganze 16. Jahrhundert ausgedehnt wurde. Sachlich und gut, obwohl nicht bis in alle
Einzelheiten vordringend und ohne eingehende ästhetische Würdigung ist „De kleeding
onzer vooroudersquot; von Frau Derkinderen-Besier, die an den Kostümbeständen des
Amsterdamer Reicbsmuseums die formale Entwicklung der Tracht im 18. und 19. Jahr-
hundert schildert. Die Verfasserin hat sich dabei mit „fachmännischenquot; Schnittmustern
sehr genau über die Form der einzelnen Stücke Rechenschaft gegeben. Damit ist weit
Besseres geleistet als von Emma von Sichart in ihrem übrigens sehr geschmackvollen
Buche „Praktische Kostümkundequot;, dessen Schnittmuster, wie mir ein Fachmann ver-
sicherte, trotz des Buchtitels sich als sehr unpraktisch erweisen und zum Teil vollkommen
unbrauchbar sind. Aus neuerer Zeit möchte ich nicht versäumen, auf einen besonders durch
die ästhetischen Beobachtungen außerordentlich schönen Aufsatz von Walter Fries hinzu-
weisen: „Die Kostümsammlung des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnbergquot;, in
den als „Festschrift Hampequot; erschienenen Jahrgängen 1924-1925 des Anzeigers dieses
Museums. Eine Fülle von ästhetisch feinen Bemerkungen gibt Oskar Fischeis „Chronisten
der Modequot;. Auch Margarete Biebers methodische Untersuchung über das griechische
Kostüm muß hier erwähnt werden. - Die meisten anderen mir bekannten Publikationen
bleiben hübsche und amüsant plaudernde Bilderbücher, die nicht einmal in den Datierungen
ganz zuverlässig sind. Wenn der alte Fairhold im „Costume in Englandquot; (1860) eine
Figur aus den „Knightly Pastimesquot; (1575) als Bild Jacobus I. aus 1614 gibt, so wird
diesem Beispiel der Nachlässigkeit noch immer nachgefolgt. Gibt nicht auch noch
Fr. Wendel in seinem interessanten Werke „Die Mode in der Karikaturquot; (1928)
u. a. ein DamenbUd um 1670 als Modefigur von 1730?

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Beschrän. Die Untersuchung beschränkt sich in erster Linie auf das sieht

der Kleidung mednger Schichten des städtischen Volkes sind nur ge-
legenthch e^ä^t worden; letzten Endes kommen diese ja doch alle
auf die modischen Formen „von gestern und vorgesternquot; heraus Die
eigenen mehr oder weniger unabhängigen Trachten vom Lande\'sind
ganzhch außer Betracht gelassen.

Der Kleidung des Mihtärs, die sich nur in Einzelheiten von der
Modetracht unterscheidet, wurde ein kurzes Kapitel gewidmet

Gruppm.^\'\'\'quot;\'\'\'nbsp;kostümhch gesprochen in zwei

A.nbsp;Die elegant und modisch Angezogenen, die also gänzlich dem
französischen Muster folgen 2.

B.nbsp;Die „Regentenquot; 3, die gediegen und stattHch in Gesinnung und
Kleid. Sie tragen im Kostüm das spezifisch holländische Element
zur Schau und verhalten sich immer einigermaßen ablehnend
den modischen Neuerungen gegenüber.

Gewissermaßen einen Übergang zwischen beiden Gruppen bilden
die ZusammensteUungen vom Modekleid mit typisch holländischen
Stücken, wie Haube und „Mühh-adkragenquot;.

Nebenbei sei hier bemerkt, daß das Kostüm der Frau in aUen Ländern
immer viel länger und viel deutUcher das typisch nationale Gepräge
trägt als die Kleidung des Mannes. Dies dürfte jeder Erwartung ent-
gegen sein. Man braucht sich aber nur flüchtig auch in der Kostüm-
geschichte des Auslandes umzusehen, um sich von dieser Tatsache rasch
zu überzeugen. Es bleiben so jetzt auch noch Hauben und Krausen recht
lange erhalten.

tZfnlTh .nbsp;^^^nbsp;Jahrhunderts

der ZeT «^^^nkt, in denen HoUand künstlerisch und wirtschaftUch zur höchsten
Blute emporsteigt. Es ist hier zugleich der Übergang vom sogenannten
„spanischen zum eigentlichen modernen Kostüm geschildert worden-
denn um 1660 tritt mit der Zunahme des „ Justaucorpsquot; eine neue Periode
em, die unmittelbar ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus in die

1nbsp;Man verzeihe mir, wenn ich auch die Dirnen ihrer Kleidung wegen den elegan-
ten Leuten besserer Kreise zurechne!

2nbsp;Etwaige nationale Nuancen werden sich dabei nur noch in kleinen, für uns kaum
mehr spürbaren Einzelheiten zeigen. Es gibt ja auch in unserer internationalisierten
Welt deutliche UnterscHedsnuancen zwischen Kleidern und Anzügen, die aus deutscher,
franzosischer oder englischer Werkstatt kommen.

3nbsp;„Regentquot; ist die hoUändische Bezeichnung für Vorsteher. Die alten Patrizier
und Ihre Gattinnen waren vielfach Vorsteher (bzw. Vorsteherinnen) einer Wohltätig,
katsanstalt Ich möchte daher das Wort „Regentquot; zur Bezeichnung jener ganzen gl
seUschaftlichen Klasse gebrauchen. 4.
nbsp;b J b b

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moderne Zeit hinüberführt. Es wird dann auch sogar im „Regenten-
kostümquot; die allmählich schon immer mehr zurückgedrängte nationale
Nuance endgültig abgestreift, und
über die ganze Linie tritt dann die
französische Mode eingestandenermaßen ihre Oberherrschaft an.

Alles m allem gibt es also Anlaß genug, die ersten 60 Jahre des
17. Jahrhunderts als eine in sich abgeschlossene Periode zu betrachten.

Wie schon gesagt, schien es mir in erster Linie notwendig, das Kostüm Methode
in seinen hauptsächUchen Bestandteilen „auseinanderzunehmenquot; und
jedes Stück für sich innerhalb des zu behandehiden Zeitraumes zu be-
trachten.

Es werden also nacheinander besprochen:
A. Im Männerkostüm:nbsp;B. Im Frauenkostüm:

Haar- imd Barttracht,nbsp;Frisur,

Kragen und Manschetten,nbsp;Hut,

Hut,nbsp;Haube,

Wams (Überwams),nbsp;Kragen und Manschetten,

Gürtel,nbsp;Mieder,

Hosen,nbsp;Rock (Über- und Unterrock),

Hantel,nbsp;„VHegerquot; und Bruststück,

Tappert,nbsp;„Spanischesquot; Überkleid,

Polnischer Rock,nbsp;Jäckchen, \'

Beinbekleidung (Strümpfe,nbsp;Überärmel,

Schuhe, Stiefel).nbsp;Heuke,

Beinbekleidung (Strümpfe,

Schuhe, Pantoffel),
Zutaten (Juwelen, Schmuck,
Masken usw.).

In diesen analytischen Kapitehi ist der betreffende Zeitraum in drei
Perioden von je 20 Jahren eingeteilt worden. Eine Einteilung in kürzere
Perioden von 10 Jahren schien mir nicht erwünscht, weil das Ganze
dann zu sehr zerbröckelt würde.

Die synthetischen Kapitel, die sich ja mit der Stihsierung der Gestalt
im Kleide beschäftigen, mußten hingegen in Abschnitte von 10 Jahren
eingeteilt werden.

Die Namen der Kostümstücke werden den nichtholländischen Leser Bezeich-
weniger interessieren. Wo sich aber für ein Stück mit vollkommener nungen
Sicherheit eine brauchbare und charakteristische Bezeichnung einstellte,
da habe ich diese dennoch verwendet („vliegerquot;, „bouwenquot;). In anderen
Fällen sind Bezeichnungen, die die Form eines Stückes charakterisieren
sollen, eigens erfunden (Diademhaube, Flügelhaube). Die übrigen Be-
zeichnungen, denen ich während des Studiums begegnete, sind hinter
der Besprechung des betreffenden Stückes jeweils erwähnt.

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Hollän-nbsp;Zum Schluß noch ein paar Worte über das kostümHche Verhältnis

disches und zwischen den nördhchen und den südUchen Niederlanden.

ländisches Hauptsächhch ist in diesem Buche das spezifisch holländische Kostüm
untersucht worden. Wenn aber gelegenthch auch emmal südnieder-
ländische Beispiele herangeholt wurden, so ergehen sich dadurch keine
Verwicklungen; denn die Stücke der Tracht smd durchaus dieselben
(dies gih sogar für den Vlieger), obwohl die südUchen Niederlande, die
ja unter spanischer Oberhoheit geblieben waren, natürHch Emflüssen
von jener Seite her immerhin mehr ausgesetzt waren^.

Die Unterschiede im Kostüm des Nordens und des Südens liegen nur
in Nuancen, wie vor allem der in Flandern viel dickeren Krause und der
häufigeren Verwendung der offen getragenen kleinen Unterhaube (man
vergleiche z. B. die frühen Porträts van Dycks).

Man sieht, der Schranken und Einengungen gibt es genug; dennoch
bietet das übrige Material eine Fülle des Beachtenswerten.

Wenn es mir gehngen sollte, durch die Untersuchung und Darstel-
limg dieses Stoffes in oben angegebenem Sinne einen Beitrag zu liefern
zum besseren Verständnis von der Erscheinung des Menschen in jener
merkwürdigen Zeit von Hollands höchster Blüte, so wäre damit vor-
läufig das Ziel dieser Arbeit erreicht.

1 Vgl. Breeroos „Spaansche Brabanderquot; (1617), wo der aus Antwerpen kommende
Jeronimo in seiner Beurteilung der Stadt Amsterdam u. a. sagt:

„\'t is wel een sehoone Stadt,nbsp;(Obwohl gar schön die Stadt,

Maer \'t volxken is te vies;nbsp;Das Volk ist doch nicht fein;

In Brabant sayn de liennbsp;Es pflegen in Brabant

Ghemeynelijck exkiesnbsp;Die Leut\' „exquisquot; zu sein

In kleeding en in drachtnbsp;In Kleidung und in Tracht

Dus op de Spaensche wijs.quot;nbsp;Auf spanischer Manier.)

(Der Name Brabant wird im 17. Jahrhundert nach wie vor gebraucht zur Bezeichnung
der südlichen Niederlande.)

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ANALYSE

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1600-1620
DAS MÄNNERKOSTÜM

Die Haartracht
Das Haar ist in den meisten FäUen kurz, so wie es von der spanischen
Mode herrührt. Nur vereinzelt findet man vor 1610 längeres Haar.
1610-1620 Nach 1610 kommt als elegante Tracht längeres Haar schon häufiger
vorl. Es fäUt aber nicht tiefer als über die Ohren. Oberhalb der Stirn
wird es dann mit Vorhebe zu einer Locke zusammengerollt.

Die Barttracht
Die Stutzer sind glattrasiert. Es werden aber auch ziemUch oft
kurze, zugespitzte Bärtchen getragen, wobei jedoch in vielen Fällen die
Backen rasiert bleiben.

Von Gelehrten und gelegentUch auch von evangehschen Geist-
Uchen werden manchmal, gewissermaßen als Kennzeichen ihrer Würde,
lange Vollbärte bevorzugt 2.

Der Kragen

Solange das Haar noch nicht bis auf die Schuher herabhängt, bleiben
im allgemeinen die Kragen hoch. Ende des 16. Jahrhunderts kommen
dabei die folgenden Formen nebeneinander vor:
I. Krause.

II. Flacher Kragen, der in diesen Jahren durchweg ungesteift, also
hegend ist.

Die kleine, steife, spanische Halskrause, die einzeln und doppelt
vorkommen kann - im letzteren seltener vorkommenden Falle besteht

^ Vgl. Breeroo: „Klucht van een huisman en een barbierquot; (zitiert von Schotel im
„Oud-Hollandsch Huisgezinquot;, S. 166): „Wiljet hayr kort of lang hebben, op sen boers
of sen steeds?quot; („Willst du das Haar kurz oder lang tragen, nach bäuerischer oder nach
städtischer Art?quot;)

Die langen Barte sind etwas Außermodisches und halten sich somit jahrelang.
Vgl. noch 1641 Godewijck: „Wittebroodskinderenquot;:

„Hij heeft een langen baert, hij draeght heel korte kragen,
en sijnen tabbaertsbef staet altijd opgeslagen;
hij draeght een langen hoet met eenen korten rant,
\'t is een seer statigh man, hij lijckt een groot pedant.
Hij treedt dick langhs de straet met swarte trijpe muylen,
ick wedd\' dat in dien man moet groote wijsheid schuylen.quot;
(Er trägt ganz lang den Bart, er trägt ganz kurz den Kragen,
den Tappertkragen hält er immer aufgeschlagen;
sein Hut ist hoch und lang, die Krempe ist nur klein,
der würdevolle Mann muß eingebildet sein.
Auf schwarzen Tripp-PantofiFeln betritt er oft die Straßen,
ich wett\', es steckt in ihm wohl Weisheit außer Maßen.)

1600-1610

1600-1620

Ende
16. Jhdt.

I. Krause

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sie dann aus zwei übereinander gestellten Reiben von Röhren - weicht
schon um 1580 gelegentlich einer breiter ausladenden Form, welche
locker gefältelt ist. Es kann dabei eine gänzUch unregelmäßige Fältelung
entstehen (französisch : „fraise à confusionquot;^). Manchmal auch ist die Krause
wenig massiv (etwa 4 cm dick) und aus flachen Röhren zusammengestellt.

Eine selten vorkommende Variante bildet eine so locker gefältelte Variante
Krause, daß sie wie flach erscheint. Sie soU jedoch nicht mit dem flachen
Kragen verwechselt werden.

Vereinzelt kommt in den letzten Jahren des 16. Jahrhimderts ein IL Flacher
kleiner, weicher, flachliegender Kragen vor, der mit einer schmalen K^ogen
Spitzenborte versehen sein kann. Zu Anfang ist dieser Typus noch wohl
immer wirkUch der Hemdkragen gewesen.

Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts kommen neben der 1600-1610
älteren spanischen Form auch die lockeren und die unregelmäßig ge- \'
fältelten Krausen wiederholt vor, sowie in einfacher, wie in der oben
beschriebenen doppelten Form. Sie sind dann alle schon lose getragene
Stücke Man verschließt sie vorn, wo sie beim Tragen auch gelegentlich
keilförmig aufklafien können. Sonst ist die Stelle des Verschlusses un-
sichtbar.

Der flache Kragen erscheint in diesen Jahren in zwei verschiedenen II- Flacher
Typen:nbsp;quot;

a)nbsp;Ungesteift;

b)nbsp;Gesteift.

Der ungesteifte, flache Kragen behält die schon oben beschriebene a) Ungesteift
Form, und auch jetzt kann er mit einem Spitzenrand verbrämt sein.

^ Das französische Wort „fraisequot;, dem wir hier nur in der Zusammenstellung
„Portefraesquot; begegnen werden (S. 11), soll nach den Wörterbüchern von Littrê und
Larousse hergeleitet sein vom vulgärlateinischen „frassaquot; (altfranzösisch „fräsequot;), einer
populären Bezeichnung für das wellenförmig gekräuselte Bauchfell (Mesentherion) von
Kälbern und Lämmern. Als die ersten Kragen dieser Form Moderage wurden, hielten
die Pariser Studenten, mit riesigen Papierkrausen um den Hals, 1579 einen Umzug
nach der „foire St. Germainquot;, indem sie Spottlieder auf die neue Mode sangen: „A le
fraise on connaist le veauquot;. Vielleicht wäre die Bezeichnung also ursprünglich ein Spott-
name.

\' Siehe Abb. 4—5, Spottbilder auf die Krausen, 1590-1600. Aus den Unterschriften
dazu geht zugleich die Bezeichnung „lobbequot; für die Krause hervor:
„Ne pouvons poinct à fort bon droit bien rire
puisque frases grands chascun sot désire?

Souden wij niet lachen om dit bedrijven
dat men deze groote lobben dus moet stijven?quot;
„Desfiants nous mêmes de nos propres vertuz
plaisir prenons aux frases trop grands et confuz.
Door seker mistrouwen van eigen duechde
nemen wij in deze groote lobben vruechde.quot;

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b) Gesteift Ein gesteifter, flacher Kragen (ähnhch der spanischen „Golillaquot;)
tritt um die Hälfte des Jahrzehnts in Erscheinungi. Er kommt in zwei
Typen vor, die beide mit Spitzen verbrämt sein können:

1.nbsp;Vom flach, aber ringsum geschlossen. Vermutlich bildete der
Kragen in dieser Form wohl immer ein loses Stück, obwohl die früheste
mir bekannte Abbildung, woraus dies deutlich hervorgeht, erst aus 1624
datiert (Job. de Brune: „Emblemataquot;, (Abb. 35), wo ein solcher
Kragen auf dem Boden liegt). Im ersten Jahrzehnt ist dieser Typus recht
selten.

2.nbsp;Vom oflfen, so daß er aus dem geöflheten Wamskragen empor-
ragt, etwa in der Art eines gesteiften und dann in die Höhe gezogenen
„Schillerkragensquot;. TatsäcUich scheint hier noch wirklich vom Hemd-
kragen die Rede zu sein, wenigstens in den ersten Jahren^; später mag
auch dieses Stück zu einer konfektionierten Attrappe geworden sein.

1600-1620 Um 1610 wird die modische Krause dick und massig (bis etwa 8 cm®).

Daneben bleiben aber die älteren Formen bei Leuten, die weniger An-
spruch machten auf Eleganz, fortbestehen. Die neue Krause ist entweder
einfach gefältelt in der regelmäßigen Art der spanischen Krause (aber
noch viel dichter) oder in einer sehr komplizierten Weise.

Bei der letzten Manier kann man noch zwei Typen unterscheiden:

1.nbsp;Der Abkömmlhig von der lockeren Krause, wobei sich regel-
mäßig dasselbe System der kompUzierten Fältelung wiederholt. Dieses
besteht z. B. aus einigen flachen Röhren übereinander, die von einer
großen mnden Röhre umfaßt sind ; in anderen Fällen ist auch die „Doppel-
krausequot; erhalten.

2.nbsp;Eine ganz dicht gefältelte Krause, die meistens mit Spitzen ver-
brämt ist, wodurch die schon an sich große UnübersichtKchkeit des
Fältelungssystems noch gesteigert wird.

^ Le Francq van Berckhey erzählt in seinem großen Werke „Natuurlijke historie
van Hollandquot;, Amsterdam 1776 (III, 1, S. 556), ohne dies jedoch zu belegen, daß solche
Kragen besonders von jungen Herren und unverheirateten Damen getragen wurden.

2 Vgl. 1605, „Les Hermaphroditesquot; (von Th. Artus?): „Aussi avais je oublié ä
vous dire qu\'au collet du pourpoint il y en avoit encore un autre attaché, d\'une autre
couleur que le pourpoint, fort piqué et cotonné, qui se plioit et renversoit: de sorte
qu\'alors que
le collet de la chemise estait dessus, il estoit fort éloigné du corps du pourpoint.quot;
Nach dieser Beschreibung zu schließen wäre der Kragen an sich weich und erhielt nur
durch das Gestell, auf dem er ruhte (s. unten), seine steife Gestalt. Auch auf Abbil-
dungen erscheint er manchmal weich oder wenigstens halbweich. Der Systematik wegen
habe ich ihn aber doch lieber bei den gesteiften Kragen eingereiht, weil die Wirkung,
welche diese Tragweise bezweckt, ja die eines steifen Kxagens sein soll.

® In Flandern ist sie sogar noch dicker. Dies ermöglicht es ja schon auf den ersten
Blick, ein Bildnis auch aus kostümlichen Gründen als vlämisch zu erkennen.

J, Krause

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Der flache Kragen erlebt besonders in seiner zweiten Form eine IL Flacher
gewisse Blüte, um dann im Laufe der zwanziger Jahre wieder gänzlich
zu verschwinden.

Auf mehreren Abbildungen sieht man ganz deutUch, daß die Krause Der „Porte-
sowie der flache Kragen auf einem Untergestell ruhen. Entweder dient /raesquot;
dazu der oben umgeklappte Wamskragen selbst^ oder ein anderer darauf
befestigter Stoff kragen. Für die größeren Krausen genügen diese jedoch
nicht, und so entsteht ein GesteU aus Metalldraht, das dann auch für
Kragen kleineren Umfangs Verwendung findet 2.

Diese Gestelle, „Portefraesquot; genannt, werden sowohl von Männern
als auch von Frauen getragen. Sie bestehen aus zu einem kompUzierten
Muster verflochtenem Draht (sogar aus Edelmetall werden Gestelle er-
wähnt!) und außerdem können sie mit kleinen Schleifen geschmückt
werden3. (Vgl. Textabbildung S. 35.)

1nbsp;Vgl. obiges Zitat von 1605 (S. 10) und weiter: 1611, Heath: „Grocers Companyquot;
(zitiert bei KeUy, „Shakespearian Dress-Notesquot;, Burlington Magazine, 1916): Verbot
für Lehrlinge zu tragen: „any piccadilly or other support in or about the collar of his
doublet.quot; - Nun sind „piccadiUiesquot;, holländisch: „pickedillekensquot;, nichts anderes als
die ausgezackten Ränder am Wamse (vgl. S. 14); in diesem FaUe also der Rand des
zur Stütze des (Hemd)kragen8 umgeklappten Wamskragens; später anscheinend
auch das stützende DrahtgesteU (vgl. G. WooUiscroft Rhead: „Chats on Costumequot;,
London 1906, S. 189 fif). - Der anonyme Autor der „Lois de la Galanterie françaisequot; (1644)
beschreibt die damals schon vergangene Mode mit folgenden Worten: „Nous avons au
commencement porté des rotondes de carte-forte sur lesquelles un collet empesé se tenoit
estendu en manière de théâtre.quot;

2nbsp;Schon 1583-1585 werden solche GesteUe beschrieben von Philip Stubbs in seinem
„Anatomy of Abusesquot; (zitiert bei Strutt and Planché: „Dress and Habits of the people
of England, II, S. 147): „There is also a certain device made of wires, crested for the
purpose and whipped over either with gold-thread, sUver or sUk; and this is called a
supertasse or under-propper. This is applied about their necks, under the ruff, upon the
outside of the band, to bear up the whole frame and body of the ruff from falling or
hanging down.quot;

3 Der Name an sich läßt keinen Zweifel übrig für den Gegenstand, den er bezeich-
net. Man vergleiche den Nachlaßinventar der Gooltje Willemsdochter, Witwe Molijn
(gestorben zu Delft am 5. Januar 1622), Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B1211: „Een
bef op een portefraes; een silvre portefraes.quot;

In den Rechnungen für Com. v. d. Bergh, 1623 (ibidem B 106): „Voor een porte-
fraes 4
St. 2 p.quot;

Rechnung für Maddalena Lambrechts, 1627 (ibidem B 716): „Een boortefraes 10 st.quot;
Zur Genüge erweist sich schon aus diesen wenigen Beispielen, wie der „portefraesquot; in ein-
facher und luxuriöser Ausstattung vorkommt: von dem silbernen Exemplar der wohl-
habenden Witwe Molijn bis zu dem billigen Gestell des vom Waisenvorstande versorg-
ten Comelis v. d. Bergh zu 4 „Stuiverquot; 2 „penningenquot;! (1 „Guldenquot; ist 20 „stuiverquot;
und ein „stuiverquot; ist 16 „penningenquot;.) - Le Francq v. Berckhey (a. a. 0. S. 555/56)
meint wohl dieses Stück, wenn er, ziemlich undeutlich, beim Beschreiben der Kragen
auch von einem „Halsbandquot; aus Eisen oder Messing, bei den Reicheren aus Silber und
Gold, spricht, das zur Befestigung der Kragenröhren dienen sollte und wovon in seinen

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Bezeichnung In der zeitgenössischen Literatur treflFen wir in erster Linie das oben-
erwähnte Wort „lobbequot;, das zweifellos Krause bedeutet. Dieses geht
schon zur Genüge aus den Unterschriften zu den genannten Spottbüdern
(S. 9 Fußnote 2) hervor. Auch noch viel später, im Jahre 1651, finden
wir in einem Nachlaßinventar i „vier lobbecragenquot;, die in der Versteige-
rungshste desselben NacUasses als „opgesette lobbequot; erwähnt sind.
OflFenbar unterscheidet man dieses streng von den anderen dort befind-
hchen Kragen.

Wir treflTen aber auch wiederholt die Bezeichnungen „cragequot; und
„befquot;, die ziemlich durcheinander gebraucht werden. Tatsächlich scheinen
sie dennoch durchaus nicht dasselbe zu bezeichnen. So finden wir z. B.
1620 in einem Inventar 2; „16 kragen, 16 beflfen.quot; 1623 heißt es 3:„13 kra-
gen, 14 beffen, 1 bef op een portefraes.quot; Am deuthchsten tritt der Unter-
schied zwischen den beiden vielleicht aber zutage in einer Rechnung
aus dem Jahre 1630^: „Noch betaelt voor een craege 11 gld. 10 st. Noch
betaelt voor vier befiquot;e 9 gld.quot;

Die weitaus größere Kostbarkeit der „craegequot; heße in diesem Falle
wohl darauf schließen, daß damit auch die Krause gemeint sei. Mit dem
Worte „befquot; verbindet sich dann also in erster Linie der Begriff eines
flachen Kragens. Dieses geht schon daraus hervor, daß auch der doch
immer flache Mantelkragen gelegentUch als „befquot;, bezeichnet wird 5 und
Godewijck spricht in den „Wittebroodskinderenquot; sogar von einer
„tabbaertsbefquot; zur Bezeichnung eines Tappertkragens

Die Manschetten

Zu Ende des 16. Jahrhunderts haben die Manschetten („ponjettenquot;,
„poverettenquot; 7) noch die Form kleiner Krausen. Im 17. Jahrhundert

Tagen bei alten Familien wohl noch Exemplare aufbewahrt wurden. Er spricht auch
von einem großen Kragen auf silbernem „Halsbandquot;, der von einem alten Herrn im
Nachlasse seiner Vorfahren gefunden sei. Dieses üeße vielleicht auf die Möglichkeit
schließen, daß der Kragen irgendwie auf dem „portefraesquot; befestigt wäre. Auch der
obengenannte „bef op een portefraesquot; könnte darauf hindeuten. Mit Sicherheit etwas
zu bestimmen, ist jedoch leider nicht möglich. Die schon erwähnten Schleifchen sind
anscheinend doch nur zum Schmuck da.

^ Nachlaßinventar von Elysabeth Robberechtsdr. van Schilperoort, Witwe Cou-
werack (Delft, Archiv, „wecskamerquot;, B 1523).

2 Inventar der Witwe Molijn (a. a. 0.).

® Nachlaßinventar derselben (ibidem).

* Rechnungen für Maddalena Lambrechts (daselbst B 716).

5 Schneiderrechnung für Pyeter Cam, 1631 (daselbst B 984): „Nu noch eenen nyeuwen
mantel ghemaeckt voor pyeter cam, de beff noch geboortt, daeraen verdyent 2 gld. 6 st.quot;

« Vgl. Zitat S. 8 Fußnote 2.

\' Vgl. u. a. Inventar Molijn: „18 pair ponjetten.quot; Inventar Couwerack: „10 paer
poveretten, 5 paer poveretten sonder cantquot; usw.

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bilden sie aber immer einen weichen, glatten Streifen um das Hand-
gelenk, der auf der Außenseite des Armes offen ist.

Während des ersten Jahrzehnts bleiben sie schmal und sind weder 1600-1610
durch Fältelung noch durch Garnitur mit dem Kragen in Übereinstim-
mung gebracht.

Nach 1610 werden sie größer durch eine häufig angewandte Spitzen- 1610-1620
Verbrämung. Aber auch diese Spitzen brauchen nicht dieselben zu sein,
die am Kragen vorkommen.

BezügUch des Stärkens von Kragen und Manschetten scheint, nach Stärken
den Porträts zu schheßen, zu Anfang des Jahrhunderts besonders eine
bläuhche Stärke verwendet zu sein, so wie es uns für England bezeugt
wird^. In späteren Jahren scheint hier aber, in Gegensatz zu England,
die blaue Farbe als besonders stutzerisch zu gelten

Der Hut

In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts kommen neben- Ende
einander verschiedene Huttypen vorMan trifft dann sowohl die fran- J^dt.
zösische „Tocquequot; als auch den steifen, schmalkrempigen, spanischen
Hut und Übergänge zwischen diesen beiden Formen. Daneben gibt es
aber auch weiche, breitkrempige Hüte mit niedrigem, flachem oder mit
hohem, sich verjüngendem Kopf.

Um 1600 bleibt nur der große Hut übrig; alles andere verschwindet 1600-1610
fast gänzUch. Die breite, sehr weiche Krempe kann nach Beheben auf
einer Seite, meist vorn, aufgeklappt werden. Der Kopf ist meistens hoch,
und er verjüngt sich nach oben zu. (Weit seltener kommt das Umgekehrte,
eine Verbreiterung nach oben zu, vor.) In den meisten Fällen ist er von
einer einzelnen oder zweifachen gedrehten Schnur umgeben, während
das Ganze außerdem mit einem Federbusch geschmückt sein kann.

Bis 1610 ist der oben beschriebene Typus vorherrschend; im zweiten 1610-1620
Jahrzehnt kommt er seltener vor und tritt zurück gegen eine Form, die
eine Art Wiederbelebung des spanischen Hutes genannt werden kann,

^ Bei Kelly, a. a. 0. Dieses ist auch für unseren Gegenstand wertvoll, weil, der
Tradition nach, die Kunst des Stärkens während der Regierung Elisabeths im Jahre
1564 aus Flandern in England importiert sein soll (G. W. Rhead, a. a. O., S. 184;
M.
V. Boehn, Menschen und Mode im 16. Jahrhundert, S. 132).

^ Vgl. S. 61. Von der englischen Vorliebe für andersfarbige Stärke (rot, grün),
habe ich in den Niederlanden keine Spur gefunden. In England tritt sie ja nur aus
literarischen Quellen an den Tag; vielleicht könnte es sich dabei um auf Gemälden kaum
bemerkbare Schattierungen handeln. Ausgesprochen rote Krausen und Manschetten sind
mir nur aus van Dycks genuesischen Porträts bekannt.

3 Ein besonders gutes Beispiel von den vielen Huttypen, die man nebeneinander
trug, gibt Goltzius\' Stich von dem Leichenzug des Prinzen Wilhelm von Oranien, 1584
(B 301).

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eine steife, sehr hohe Form mit schmaler Krempe, die meistens auf einer
Seite aufgeklappt ist. öfters hat man dann einen Schmuck mit senkrecht
gestellten Federn (Straußfedern oder Aigrette). Der Kopf ist außerdem
vielfach von einer starken, gedrehten Schnur umgeben.

Das Wams

Zu Ende des 16. Jahrhunderts gibt es zwei Wamstypen nebeneinander:
I. Wams mit „Gänsebauchquot;.

II. Gerades Wams.

Ende der siebziger Jahre kommt dieser Typus auf, um im nächsten
Jahrzehnt eine (besonders beim Militär) oft recht übertriebene Größe
zu erreichen. In den neimziger Jahren wird er dann seltener. Um 1600
trifft man ihn nur noch selten und in viel beschränkterer Form.

Wie schon der Name besagt, schließt dieses Wams unten gerade ab.
Außerdem hat es eine horizontale Taillenschnürung.

Beide Typen haben einen ganz schmalen Schoß; eine Aufteilung in
Klappen ist jedoch selten. GelegentUch sind aber die Ränder: der Saum
des Kragens, die Ansätze des Ärmels oben an der Schulter (dieses besonders
bei den ärmellosen Überwämsem, s. unten) und ebenfalls der schmale
Schoßstreifen „zinnenförmigquot; ausgezackt zu „PickediUekensquot;

Über beide Typen kann ein Überwams getragen werden, das sich
in der Form genau dem imterliegenden Wamse anpaßt, nur kann es
beim zweiten Typus einen größeren Schoß erhalten. Das Überwams ist
ärmellos oder mit lose hängenden Zierärmeln versehen.

Ob diese Zierärmel bloß Attrappen sind, läßt sich nicht bestimmt
feststellen; jedenfalls ist ihre Form nicht verschieden von den gewöhn-
lichen Ärmeln, nur sind sie der ganzen Länge nach an der Vordemaht
aufgeschhtzt.

Es kommen auch Überwämser vor, die zwar dem Wamse in der
Form genau entsprechen, jedoch auf den Seiten, von den Achseln ab-
wärts, ganz aufgeschhtzt sind, so daß sie dort zugeknöpft oder zugenestelt
werden können, was aber keineswegs immer geschieht

^ Vergleiche für diese Bezeichnung S. 11 Fußnote 1; G. W. Rhead gibt eine Erklärung
des Wortes (a. a. 0. S. 189, 190); weiter siehe Frl. Dr. C. de Jonge:„Bijdrage tot de
kennis van het N. Ned. Mannencostuumquot;, Oud Holland, 1919, und Kelly, a. a. 0. Im
17. Jahrhundert bin ich dieser Bezeichnung in Holland nicht mehr begegnet; in Eng-
land wird sie auch dann noch gebraucht: 1611, Heath, S. 11 Fußnote 1, und Cosgrave,
vgl. KeUy.

^ Bei Abraham Bruyn: „Costumes civiles et militairesquot; (1581) kommen einige
Beispiele vor, wo ein solches Überwams überquer getragen wird, so daß die Zierärmel
über Brust und Rücken fallen, während die vordere und hintere Hälfte des Überwamses
die Schulter bedeckt.

Ende
16. Jhdt.

I. Wams mit
Gänsebauch

II. Gerades
Wams

Überwa

Variante

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Nach 1600 ist das gerade Wams vorherrschend, und zwar richtet 1600-1610
sich dessen Entwicklung nach dem Überwamse, das zu einem selten
fehlenden Hauptstück der Kleidung wird^.

Vorn über die ganze Länge ist das Wams zum Knöpfen zugerichtet. Wams
Der Kragen geht bis hoch an den Hals hinauf. Der Schoß reicht bis kurz
über die Hüften; seme Kante verläuft fast immer horizontal; seltener
ist er vom etwas zugespitzt. Er ist jetzt oft in einige breite Klappen
zerlegt. Ich vermute, daß hier eine selbständige Weiterentwicklung der
Pickedillekensquot; vorliegt; sicherhch daraus entstanden (und zugleich
das letzte Rudiment früherer Ärmelbauschen) sind die flachen Schulter-
klappen, eigentUch ein Element, das mehr zum Überwamse gehört, das
aber auch dem Wamse kaum je fehlt. Diese Klappen bedecken die obere
Hälfte des Ärmelansatzes und haben die Gestalt von Streifen, die mittels
Schlitzen in einige rechteckige Flügel zerlegt sind.

Die Ärmel sind in den ersten Jahren oft bauschig, sie werden aber
bald eng anliegend.

Eine Verzierung von reihenweis angeordneten oder zu Rosetten
zusammengestellten kleinen Schhtzungen ist besonders an den Ärmeln
behebt.

Das Überwams wird in den ersten Jahren des Jahrhunderts manch- Überteams
mal ofiquot;en getragen. Es ist trotzdem immer über die ganze Länge zum
Knöpfen oder zum Zunesteln zugerichtet. Seine Form stimmt übrigens,
wie schon gesagt, vollkommen mit der des Wamses überein. Auch hier
ist der Kragen hoch, obwohl er öfters nicht bis oben zugeknöpft, sondern
umgeschlagen wird, so daß der Wamskragen darüber hinausragt. Lose
Zierärmel kommen noch immer vor, und ihre Form unterscheidet sich
nicht von der oben beschriebenen. Der BequemUchkeit halber werden
die Zierärmel oft auf dem Rücken zusammengeknöpft oder verschlungen.

Wo man das Überwams ganz zugeknöpft trägt, werden die anders-
farbigen Wamsärmel häufig durch lose Ärmel ersetzt^.

1 Ich möchte besonders betonen, daß die Einteilung in Wams und Überwams zum
Teil theoretisch
ist. Notwendig ist eine solche Einteilung nur, um den komplizierten
Sachverhalt einigermaßen klar darzustellen. Tatsächlich ist der Unterschied über die
ganze Linie kaum scharf; namentlich bei den zugeknöpften „Überwämsernquot; mit losen
Ärmeln, die dann auch schon in der Zeit selbst als Wämser ohne weiteres betrachtet
wurden.

^ Vielleicht wurden diese Ärmel angenestelt. In anderen FäUcn waren sie an eine
kurze Weste von rohem Futterstoff befestigt. Ein Beispiel von der letzteren Manier
haben wir an einem im Berliner Zeughaus aufbewahrten Lederwamse mit losen Ärmeln
(publiziert von Hans Mützel in der „Zeitschrift für historische Waffen- und Kostüm-
kundequot;, Jahrg. 29, Bd. 9, S. 165). Das letztere tritt auch hervor aus einem Stück in der
Garderobe von Adr. Abrahamsz. Graswinckel (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 662):
„Een onderwambas met een paer groen satijne mouwen daerin.quot;

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Selten ist eine Variante, die auf den Seiten, von den Achseln ab-
wärts, ganz aufgeschhtzt ist.

Nach 1610 gibt es im Wamse zwei Haupttypen:

I.nbsp;Die oben beschriebene Form, die sich weiter erhält. Manchmal
ist es sehr kurz, mit einem in vielen Klappen aufgeteilten, schmalen
Schoß.

II.nbsp;Ein neuer Typus, und zwar ein stark zugespitztes, taiUiertes
Wams mit kurzem Schoß, der in mehreren, emander zum Teil bedecken-
den, trapezförmigen Klappen zerlegt ist. Jede Schoßklappe trägt eine
Schleife, gebildet aus den Schnürsenkeln, womit die Hosen an das Wams
angenestelt sind (vgl. S. 21)

Dieses Wams kommt auch ohne Ärmel (bzw. mit andersfarbigen
Ärmeln 2) vor. Die Grenzen zwischen Wams und Überwams verwischen
sich also allmähhch. Wenn auch durch „heterogenequot; Ärmel auf die Wir-
kung eines Überwamses hingezielt wird, so bestätigen anderseits die
Schoßnesteln doch deuthch die Tatsache, daß es sich hier doch um
Wämser handelt. (Es versteht sich nämhch, daß die Hosen an das Wams,
aber nicht an das darüber getragene Überwams festgenestelt werden.)

Die Achselklappen bleiben wie früher. Die Ärmel scheinen ab und
zu nur oben an die Ärmellöcher des Wamses festgeheftet zu sein, so daß
in der Achselhöhle das Hemd sichtbar wird. Ob hier etwa auch lose an-
geheftete Ärmel gemeint seien, ist nicht klar (man vergleiche ähnhches
beim weiten Überrock, S. 67). Auf der Innenseite haben die Ärmel
manchmal eine verzierte Naht. Oft können sie sogar ihr entlang auf-
geknöpft werden, was an der Armbeuge auch tatsächhch in vielen Fällen
geschieht.

1nbsp;Die Nesteln dienten nicht zur Befestigung loser Schoßklappen, wie Max v. Boehn
meint („Menschen und Moden des 17. Jahrhundertsquot;, S. 94).

2nbsp;Vgl. z. B. den Nachlaß von Abraham Vink (publiziert „Oud-Hollandquot;, 1888)
aus dem Jahre 1621: „Een feuillemorte satijne wamhics met graeuwe satijnen mouwen.quot;

Variante

1610-1620
Wams

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Als Ornament kommen neben den von Bandbesätzen stark betonten
Nähten noch immer kleine Schlitze vor, die reihenweise oder in Kreuz-
oder Rosettenform angeordnet sind.

Besonders an den Ärmeln verwendet man bisweilen eine Verzierung
mittels kleiner vertikaler SchUtzimgen, die zu horizontalen Reihen an-
geordnet sind. Der geschhtzte Stoff ist natürlich lockerer als der Stoff
an den anderen Stellen; so entsteht aus jeder Reihe von Schlitzungen
ein schmaler, gleichsam ringförmiger Bausch, der sich über die ganze
Länge des Ärmels vielfach wiederholt, dabei regelmäßig alternierend
mit einem glatt anHegenden Stück. Diese etwas abweichende Ärmelform
erhält sich bis in die dreißiger Jahre.

Das Überwams kommt in diesen Jahren in drei Haupttypen vor.
Dabei fehlen die Achselklappen nie, und alle können auch mit hängenden
Zierärmeln versehen sein.

I.nbsp;Die schon im vorigen Jahrzehnt vorkommende Form, die imten
gerade abschließt. Innerhalb dieses Typus gibt es zwei Varianten:

a)nbsp;Ganz kurz, mit vielen Schoßklappen.

b)nbsp;Mit langem Schoß, dessen Klappenteilung beschränkt wird auf
einen SchUtz hinten und einen auf jeder Seite^.

II.nbsp;Ein zugespitztes Überwams, in der Form dem in diesem Jahrzehnt
aufgekommenen Wams entsprechend, aber natürUch ohne Schoßschleifen.

III.nbsp;Die oben schon als „Variantequot; bezeichnete Form des auf den
Seiten aufgeschlitzten Überwamses, dessen Form sich übrigens nicht von
dem anderen unterschied, fängt jetzt an, sich selbständig weiterzuent-
wickeln :

a Die vorige Form, wobei die Schlitze mit Knöpfen oder Nesteln ver-
schheßbar sind.

1 Ob dieser Typus gelegentlich auch als „Wamsquot; getragen wird, sei dahingestellt.
Form und Beschaffenheit geben jedoch allen Anlaß, ihn den Überwämsern zuzurechnen.

Überioams

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b Ein kaselförmiger Überwurf, der auf den Seiten von oben bis
unten aufgeschlitzt ist, ohne daß Knöpfe oder Nesteln zum VerscHießen
da sind, so daß auf Brust und Rücken ein loser Zipfel hängt. Dazu natür-
hch die Achselklappen und immer auch Zierärmel.

Diese nicht sehr häufig vorkommende Gattung scheint vorzugsweise von
Knaben und vor allen Dingen von Pagen getragen zu werden. Sie gehörte
anscheinend auch zur Livreetracht der Pagen des Prinzen von Oranieni.

c Weitaus am meisten kommt die dritte Form vor, bei welcher der
Schlitz auf der Brust, oben in der Mitte beginnt, sich dann schräg über
oder mit einer Ecke der Achsel zuwendet imd von dort aus, also auf der
Seite, gerade heruntergeht. Auf der anderen Seite
kann das Überwams
von der Achsel abwärts, über die ganze Länge in einer geraden Linie
aufgeschlitzt sein. - Die Schütze sind mit Knöpfen versehen, auf den
Seiten werden sie aber öfters offen gelassen.

Die Überwämser von dem Typus III sind meist oben, vorn (dieses
bei der „kaselartigenquot; Form b) oder (bzw. und) unten, etwa vorn und
hinten, von der Taille abwärts, geschlitzt und dort oft noch mit Knöpfen
versehen, was hier freiUch als bloßes Ornament zu gelten hat, das an der
wesentlichen Form des Überwamses nichts ändert.

Bezeichnung Das Wams wird als „wambasquot;, „wambusquot; oder „wammesquot; be-
zeichnet (in der heutigen Sprache: „wambuis). Die Bezeichnung „Über-
wamsquot; ist aber im 17. Jahrhundert nicht gebräuchhch gewesen. Neben
dem Worte „kolderquot; (Koller), das wohl besonders zum Lederkoller ge-
braucht wurde (vgl. S. 108), finden wir „kasackquot;, „kasjackquot; und vor
allem „rockquot; 2.

^ Vgl. z. B. Adr. V. d. Venne, Besuch von den Prinzen an die Kirmes zu Rijswijk,
Amsterdam, Rijksmuseum 2488 (1613 oder 1618).

2 1601, Inventar von 01. Az. v. Stolk (a. a. O.): „Seven wambaysen, vyer rocgens
over de wambaysen te trecken.

1614, Hooft, „Warenarquot;, Z. 716; „\'k Heb daer een grofgrayne kasjack leggen, met
een paer versette mouwen.quot;

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Der Gürtel

Das gerade Wams und das dementsprechende Überwams kann ent- 1600-1610
weder mit einem Ledergürtel, an dem Schlaufen für den Degen befestigt
sind, gegürtet werden, oder mit einem einer Schärpe ähnUchen Band,
das vorn mit einer Schleife zugebimden wird. Der Gürtel wird hier immer
horizontal umgelegt.

Beim zugespitzten Wams bzw. Überwams folgt der Gürtel dem 1610-1620
Verlauf der Taille, oberhalb der Klappenschleifen. Es kann da aber
auch noch eine andere Art der Abgürtung vorkommen, die wir ebenfalls oft
bei den ganz kurzen Wämsern in diesen Jahren antreffen, wobei, sehr
atektonisch, hoch über der Taille ein Gürtel umgelegt wird, der mit
Metall beschlagen ist und dessen Enden mit Schnürsenkeln zum Zu-
nesteln versehen sind.

Das „kaselförmigequot; Überwams (Hlb) wird stets ungegürtet getragen.
Das Überwams mit schrägem oder eckigem VorderschUtz (IIIc) wird selten
gegürtet und dann meist mit dem ledernen Schwertgürtel.

Die Hose

Neben den kurzen, spanischen Pumphosen kommen schon um 1577
bauschige Kniehosen auf In den achtziger Jahren kommt außerdem eine
verhältnismäßig glatt anhegende Kniehose in Gebrauch, die auch vorkommt
in Zusammenstellung mit stark verkürzter, fast rudimentärer spanischer
Hose. Die beiden Elemente sind dabei aus demselben Stoff angefertigt, also
offenbar als ein Stück gedacht Die Kniehose wird nach 1590 oft weiter.

Ende
16. Jhdt.

1620, Breeroo, „Moortjequot;, 4. Akt, 7. Szene:
„Gij Waterlanders, Ghij Noorderboeren, Ghij ouwe Geusen,

Die soo menigen Spangert, hier op een kamp en daer op een kant van een sloot
Geduwt hebt en ghedrenckt en sloecht en slaetse doot . . .

En pluysteren haer van ghelt, van kleeren, van kasjacken en ruytersroeken. ..quot;
(Ihr Leute aus dem Wasserland, ihr Nördlichen, ihr „Geusenquot;,
die ihr manchen Spanier, hier auf dem Feld und dort auf der Kante des Wassers
gestoßen und zertrunken, getötet und zerschlagen . . .
und raubten ihnen Geld und Kleider, „Kasjackenquot; und Reiterröcke...)
1620, Nachlaßinventar von Jan Molijn (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 1211):
„Een swart satijn wambus met een laken rockjen.quot;

Und noch 1650, Nachlaßinventar des Böttchers Dirck Comelisz. de Groot (ibidem
B697): „Een borat wambas met een Casiack.quot; 1629, Inventar Piet Heins (a. a. O.):
„Twee swarte syde gebeeide rockgens sonder mouwen, met satijne koorden. Een pack
geboort met satijne koorden, het rockge met armosy gevoert sonder mouwenquot; usw.

^ Vgl. Abr. de Bruyn: „Omnium paene Gentium imaginesquot; (1577), wo dem „Anücus
Belgaquot; und dem „Nobilis Belga patrio ornatuquot;, beide in spanischen Pumphosen, der
„Novus amictus hollandi Adolescenüsquot; und der „Nobilis Belga recens nunc receptu
Omatuquot;, mit bauschigen Kniehosen, entgegengestellt sind.

^ Dieses sehr oft vorkommende Stück ist von Frl. Dr. de Jonge (a. a. O.) übersehen
worden.

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1600-1610 Nach 1600 ist im ersten Jahrzehnt der Tatbestand folgender:

I.nbsp;Kurze Pumphose, mit weichen Falten, ohne das Steife, Ausge-
stopfte der spanischen Hose, und bis zur Mitte des Oberschenkels rei-
chend. Die Seitennaht ist mit Knöpfen, Schnüren oder Besatz verziert.
Unterhalb hängen meistens aus breiten Schnürsenkeln gebildete Schleifen
zum Annestein der Stiefelschäfte.

II.nbsp;Verquickimg derselben mit einer ziemHch eng anliegenden Knie-
hose, die bis unter das Knie reicht. Die Verzierung beschränkt sich bei
diesem Typus nur auf den Oberteil und ist dort genau so wie bei den
Pumphosen.

III.nbsp;Dieselbe Kniehose allein (selten).

IV.nbsp;Pumphose, meistens bis unter das Knie. Auf der Außenseite
neben dem Knie ist sie manchmal besonders geräumig und bildet dort
einen Extrabausch i. Die Seitennaht ist mit Knöpfen, Schnüren oder
Besatz verziert und xmten gelegentlich aufgeschhtzt, so daß dort ein
Futterstoff hervortritt. Oben gibt es entweder in der Seitennaht eine
Taschenöffnung oder mehr nach vorn, auf jeder Seite Außerdem kommen
auf der Vorderseite Scheintaschenöffnungen vor, mit reichem Besatz,
und quergestellte Besatzstreifen, welche keine wesentUche tektonische
Linie betonen, höchstens die etwas plumpe Breite noch steigern.

Auch hier gibt es oberhalb des Knies öfters eine Reihe von Schleifen,
womit die Stiefelschäfte oder die Überstrümpfe angenestelt werden
können.

V.nbsp;Sehr weite, gerade Kniehose, deren Beinlinge nur in der Mitte
etwas nach außen geschweift, aber doch wohl nicht ausgestopft sind. Die
Taschen und die Verzierung sind wie beim vorigen Typus. Diese Form
kommt sehr viel vor und ist überhaupt charakteristisch für die hier
besprochene Periode®.

^ Französisch: „Cxilotte béarnaisequot;, die jedoch nach Hottenroth (Geschichte der
deutschen Tracht, S. 623) nur bis über das Knie reichte, während die deutsche Hose
unterhalb des Knies zugebunden wird. - In den Niederlanden scheinen die Einflüsse
von beiden Seiten zu kommen, jedoch herrschte der deutsche Einfluß vor.

2 In Hoofts „Warenarquot; wird „Leckerquot; von Warenar fouilliert; dabei sucht dieser
auch (Z. 917) „in de diessackenquot; (dij-zakken: Schenkeltaschen). - Der Kommentator
Leendertz meint, daß hier Taschen im Mantelfutter gemeint seien; dies trifft aber nicht
zu, weil Warenar schon vorher befohlen hatte, den Mantel abzulegen (Z. 911: „Manteltj en
of!quot;). Die Etymologie des Wortes scheint übrigens klar und läßt keinen Zweifel übrig.

® Vergleiche für die Kleidung des ersten Jahrzehnts die Beschreibung Carel van
Manders im „Schiläerboeckquot; (1604), Fol. 256 (\'t Leven van Lucas de Heere): „Maer
bij ons gaetmen somtijts vlechtebeenen met onder toegestropte broecken, datmen nauw
voort en can. Nu hebben wij ons buycken ghemaeckt, datse verre over den gordel hanghen,
dan comen wij weder voort, gheperst in onse cleeren, datmen quaüjck de ermen can
beweghen oft sijnen adem halen en hebben Galeybroecken gelijck als de roeyende slaven
end\'een is op Fransch, d\'ander op Spaensch en Portugaels. T\'somtijden mosten de

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Im zweiten Jahrzehnt bleiben die Typen I, II, III imd IV weiterhin 1610-1620
bestehen, der fünfte Typus aber, die weite, gerade Hose, verschwindet vöUig.

Von allen Modellen ist die große Pumphose am meisten vorherrschend, Neue Form
und zwar in einer neuen Form, wobei sie oben schon sehr faltig ist, aber
nach unten zu noch viel weiter wird, so daß rings um das Knie ein breiter
Bausch entsteht.

Die Besatzornamentik verschwindet dabei ganz oder sie ist nur in
vertikaler Richtung angeordnet, in Einklang mit dem ja aus aUen Elemen-
ten sprechenden Hange zur Verlängerung der ganzen Gestalt.

Schon als die Schleifen auf den Schoßklappen des Wamses erwähnt Befestigung
wrden, ist darauf hingewiesen, daß sie aus den Schnürsenkeln gebildet
waren, womit die Hosen an das Wams festgenestelt wurden i.

Der Mantel

Der umhangförmige Mantel ist entweder ganz kurz, oder er reicht
bis zum Knie. Er ist immer mit einem viereckigen Kragen oder mit einer
Kapuze versehenAm unteren Rande entlang können mehrere Besatz-

broecken soo enge sijn, dat mense met aentreckers had mögen aendoen.quot; — (Aber bei
uns wackelt man manchmal umher, mit unten zugeschnürten Hosen, so daß man kaum
gehen kann. Das eine Mal haben wir uns Bäuche gemacht,.so daß sie weit über dem
Gürtel hängen; das andere Mal sind wir wieder so in imsere Kleider gepreßt, daß man
kaum die Arme bewegen oder atmen kann; und wir haben Galeerenhosen wie die rudern-
den Sklaven; und der eine ist französisch, der andere spanisch und portugiesisch an-
gezogen. Manchmal auch sind die Hosen so eng, daß man gleichsam Stiefelzieher zum
Anziehen braucht.)

^ Wie das Nesteln vor sich geht, zeigt die auf Abb. 15 reproduzierte Illustration zu
„Allerhand kurtzweilige Stücklein, allen Studenten fümemblich zulieb, auss Ihren eigenen
Stambüchem zusamen gelesen und in Form gebracht zu Straßburgquot;, 1618 (mit zweitem
lateinischen Titel). Aber auch auf vielen anderen Abbildungen ist bei näherem Schauen
ganz deutlich zu sehen, wie die Hosen an das Wams festgenestelt sind, z. B. bei Ahr.
Bosse, „Jardin de la noblesse françaisequot; (1629), wo die Schnüre lose hängen und man
am Wamse deutlich die Löcher zum Durchziehen derselben erkennt. - Schnürsenkel
gewissermaßen als „Pars pro totoquot; für die Männerkleidung bei Johan de Brune in einer
Widmung an Const. Huygens vor dessen „Costelijck Malquot; (1625): Z. 49 und 50:

„.. . Sulcken slach van vrouwen
die liever nestels zien en broeken als een bouwen.quot;
Wo aber, besonders zu Anfang des Jahrhunderts, eine solche Befestigung am Wamse
nicht sichtbar ist, wird man annehmen dürfen, daß die Mitteilimg Lefrancq v. Berckheys
(a. a. 0., S. 559) zutrilTt, der beschreibt, wie die Hosen an ein Unterjäckchen angenestelt sind,
so wie es in seiner Zeit (1776) noch bei den Fischern an der Nordseeküste gebräuchlich war.

quot; Der Mantel mit Kapuze scheint besonders als spanisch zu gelten; vergleiche einen
anonymen Stich anläßlich des Waffenstillstandes von 1609 (Hist. St. F. M. 1273):
„De Koopluy sien dit wel, die met een Spaenschen Kap
Vast decken hun bedroch of dieve Coopmanschap.quot;
Dieses ist buchstäblich dargestellt, indem die „Coopluyquot; eine solchen spanischen Mantel
tragen.

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streifen vorkommenund außerdem Knöpfe und Ösen an den Seiten
über die ganze Länge.

Als Reisemantel dient besonders der Umhang mit Kapuze
Trauer.nbsp;Bei Leichenzügen werden lange, schwarze Trauermäntel getragen,

® die bis zum Boden reichen oder gar schleppen

Der Tappert

Der Tappert ist eine „ehrwürdigequot; Tracht, von alten Herren, Priestern,
Pastoren und ähnhchen Leuten getragen^. Daneben kommt er auch als

^ Vgl. den Inventar Piet Heins (Oud-Holland 1905): „Een swarte syde turcx
grofgreyne mantel met ongeschoore kaffa gevoert, ende geboort met vijf satijne koorden.
Een swarte laecken mantel gevoert met bay en vyf satijne koorden usw.quot;

2nbsp;1620, Inventar Jan Molijn (a. a. O.): „En laeken kapbogel om mede te rijsen.quot;

3nbsp;Vgl. 1621, J. J. Starters „Lijck Klacht op stadhouder Willem Ludwichquot; (aus dem
„Friesche Lusthofquot;):

„Ghij, die U graeg ghesicht nieusgierigh weyden laet
op dit seer treffich, doch seer treurighe cieraet,
op dezen droeven sleep der slepende gewaden
van Frieslands hoogste roem, met d\'hoogste druc beladen,
op al de roucleen, daer dit al te rouwigh volck
met langhs de straten zweeft, gelijck een zwarte wolk .. .quot;
(Ihr, die ihr hierher richtet neugierig das Gesicht,
wo aus der düstren Zier ein dumpfer Kummer spricht,
auf Mantelschleppen, jetzt in trübem Zug gezogen
von Frieslands höchstem Ruhm, vor Schmerzenslast gebogen,
auf manches Trauerkleid, getragen von dem Volke,
das durch die Straßen zieht -svie eine schwarze Wolke.)

Im allgemeinen scheinen die Mäntel für die Gelegenheit gemietet zu werden; ver-
gleiche Nachlaßinventar der Gooltje W. dr. Wittwe Molijn (a. a. 0.): „Dootschulden:
Voor\'t gebruyck van de roumantels van de buren die d\' overledene gedragen hebben drye
gulden, dus iii gulden.quot;

Vgl. (1619) Inventar von Hugo Grotius (publiziert: Oud-Holland 1902, S. lOlflF.):
„Een advocaetstabbert met fluele opslagen.quot;

« Vgl. weiter (1625) Huygens: „Costelijck Malquot;:

„Wie sal een Pleitervos sijn hoogh geleerde Mouwen,
wie sal een Rechterheer sijn Tabbaards eer onthouwen . . .quot;
(Wer wird dem Advokat die hochgelehrten Ärmel,
wer wird dem Richterherm die Tappertsehr entsagen.)
1637, Beaumont: „Tijtsnipperenquot;, N. 26:

„De muts en langen rock, baert en hayr langh en grijs,
die ghij draeght, maken U, o Grollert, geenszins wijs.
Wijsheyt moet zijn gesocht in \'t innerlijck gemoed,
waertoe kleed en gelaet en lichaem niet en doet.quot;
(Mütze und langer Rock, Bart und Haar, grau und lang,
erheben dich, o Grollert, nicht zu des Weisen Rang.
Die Weisheit steckt ja nur im Innern, aber nicht
in Dingen wie das Kleid,^der Körper, das Gesicht.)
1641, Godewijck: „Wittebroodskinderenquot;, zitiert auf S. 8.

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„Schlafrockquot; vor^. Er ist immer lang bis zu den Füßen. Die Ärmel haben
ungefähr zur Hälfte des Oberarmes und außerdem oft auch noch weiter
unten, ein Loch zum Durchstecken des Armes. Es wird der Arm aber
fast ausnahmslos durch das obere Loch gesteckt, so daß der übrige Teil
des Ärmels lose herunterhängt.

Auf dem Rücken hat er einen viereckigen Kragen, darunter fällt
der Tappert in einer oder in einigen Quetschfalten.

Sehr oft kann der Tappert auch mit Pelzwerk gefüttert und ver-
brämt sein, ebenso der Kragen.

quot;Weil dieses Kostümstück auf einer alten Tradition beruht und weil
es dieser treu bleibt, ohne weitere Annäherung an die modische Tracht,
erübrigt sich hier weitere Erwähnung.

Der polnische Rock

Mit dem Tappert soll man ja den polnischen Rock nicht verwechseln,
der lang oder halblang ist, meist mit hängenden Zierärmeln versehen, und
der auf der Brust mit einer Reihe von Schnüren geschlossen wird.

Im ersten Jahrzehnt kommt er mehrere Male vor, zum Teil als Winter- 1600-1610
mantel und einmal auch bei einer Serie von Mihtärs, Reitern mit und
ohne Rüstung Der polnische Rock ist aber oflfenbar immer als etwas
Fremdländisches betrachtet worden. So bildete er auch ein Element der
Bühnengarderobe ^ oder quot;vvurde sonst zur Andeutung des Fremden wohl
verwendet^. Es scheint mir deshalb nicht unberechtigt anzunehmen
(obwohl alle exakten Belege dazu fehlen), daß dieser Rock auf die Zeit-
genossen einen außerordentlich stutzerischen Eindruck machte, gcmsser-
maßen dem Träger ein exotisches Gepräge verleihen sollte, vorausgesetzt,
daß die damit abgebildeten Figuren tatsächUch keine Ausländer sind.

Die in Inventaren mehrfach vorkommende Bezeichnung ,, Nachttabbaertquot; muß
meines Erachtens auf einen solchen zu Hause getragenen Rock deuten. Ursprünglich
soll der Sinn dieses Wortes eigentlich „Galatappertquot; gewesen sein (vgl. Frl. de Jonge,a. a. 0.).
Als solcher wird der Tappert im 17. Jahrhundert aber, soweit mir bekannt, nie getragen.
Hingegen traf ich den Tappert gelegentlich als Haustracht, also richtig im Sinne des
heutigen Schlaf- oder Morgenrockes, z. B. 1623 bei Joh. de Brune, „Emblemataquot; (X, S.75).

2 Bei de Gheyn, 1608.
Vgl. Hooft, „Warenarquot;, 1615 (Z. 950ff.):

„Grietje Goossens was de Bruyt, daer zou ick voor mom gaen,
\'k Had een Poolsche rock aen, een boogh en een koker vol schuts,
Een sabel op zij, een Haneveer op mijn Muts .. .quot;

(Grietje Goossens hatte Hochzeit, da sollt\' ich gehn als Mime,

mit polnischem Rock und mit Bogen, mit Köcher und Schießzeug staffiert,

mit Degen, und dann noch die Mütze mit Hahnenfeder verziert.)

* So kommt er z. B. vor auf einem anonymen Gemälde der holländischen,
wohl Utrechter Schule (1600-1610): Bespottung Elisas; früher Amsterdam, Rijks-
museum 107, zur Zeit Kunsthistorisches Institut Utrecht.

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Die Beinbekleidung

Die ersten gestrickten Strümpfe kamen schon um 1540 auf (Hein-
rich VIII. von England soll zuerst solche Seidentrikots getragen habeni).
Sie fanden dann alsbald Aufnahme an vielen Fürstenhöfen, aber noch
lange galten sie als Gegenstände des höchsten Luxus 2. Es kann uns dann
auch nicht wundem, wenn wir noch 1572 aus Stoff zugeschnittene Strümpfe
antreffen 3. Erst nach der Erfindimg der Strickmaschinen von WiUiam
Lee im Jahre 1589 werden die gestrickten Strümpfe mehr allgemein,
und im 17. Jahrhundert sind sie allgemein übUch^.

Zu Ende des 16. Jahrhunderts werden die Strümpfe noch an die
kurzen Pumphöschen angenäht®. Vielleicht war dieses besonders mit den
zugeschnittenen Strümpfen der Fall; jedenfalls ist im 17. Jahrhundert
die Trennung der beiden Teile vollzogen. Nur in der Terminologie zeigen
sich die Spuren früherer Zusammengehörigkeit der beiden Elemente,
deim manchmal werden die Wörter „hosenquot; und „cousenquot; durcheinander
gebraucht, um das eine Mal Strümpfe, das andere Mal Hosen zu be-
zeichnen®.

Seit den letzten Jahren des 16, Jahrhunderts werden die Strümpfe
imterhalb des Knies von Strumpfbändern gehalten, welche auf der Außen-
seite in einer Schleife zusammengebunden zu sein pflegen\'\'. Die Strümpfe
werden nicht nur manchmal in mehreren Paaren übereinander getragen
(Quicherat erzählt, daß der französische Dichter Malherbe bis elf Paare

^ Georg Büß, Das Kostüm in Vergangenheit und Gegenwart, S. 66.

2 1569 schreibt Markgraf Johann zu Küstrin noch an seinen Geheimen Rat Barthold
von Mandelsloh: „Bartholde! Ich habe auch seidene Strumpfhosen, aber ich trage sie
nur des Sonn- und Festtags.quot; (Zitiert bei Büß.)

® Briefe eines Leipziger Studenten (Paulus Behaim): „Dabei thu ich dir auch zu
wissen, daß der Schneider kein guten bissen an meinem Kleidt gemacht hatt. Es sein
mir die Stimpff allzu lang, sie schlottern mir alle wie einem anderen bauer seine Stieffei.quot;

* Siehe für die Überstrümpfe S. 25.

® P. Behaim: „Den Schneider, welche mir die Stimpff an Hosen hinaufsatzte, welche
mir zu lang waren 12 d. Und mit wieder neue Stimpff an ein ides Bar Hosen hab machen
lassen 11 d.quot; - Vergleiche auch ein anonymes Spottbüd „Der Kampf um die Hosequot;,
Stich aus dem Kreise Maerten de Vos, um 1590 (abgebildet bei Frl. de Jonge [a. a. 0.]
imd bei Fuchs: „Karikatur der europäischen Völkerquot; [NB. bei letzterem als Spottbild
auf Catharina de Medici!]).

® Z. B. 1633, Inventar von Adriaen Jansz. Storm (Delft, Archiv, „weeskamerquot;
B 984): „Twee paer gebreide hoosen.quot; - 1636, Inventar von Jan Jansz. HaUemael (da-
selbst B 719): „Twee gebreyde hosen ... 24 st.quot;

\' Max V. Boehn (a. a. 0., S. 92) hält diese Strumpfbänder für Bänder, die dazu
dienen, die Hosen am Knie zu verschließen. Jedes genaue Zusehen lehrt uns aber sofort,
daß diese Ansicht durchaus unrichtig ist. — Wie groß die Strumpfbänder manchmal
sein konnten, geht aus einer undatierten Schneiderrechnung für Herrn Reyer Haja her-
vor (wohl um 1620-1635; Delft, Archiv, „weeskamerquot; B 716), wo „koussebande van vier
eilen met kantquot; zu 4 Gulden 15 „stuiversquot; erwähnt werden. 4 „eilenquot; ist ungefähr 2,70 m!

Strümpfe
16. Jhdt.

Tragweise

1600-1620

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zugleich trug!^), es gibt auch deutUch als solche charakterisierte Über-Üt^rsirürnjo/e
Strümpfe, die dann unter dem Knie umgestülpt werden, oder aber über
das Knie und den unteren Teil der Hosen hinaufgezogen werden können,
um dort mit verschleiften Schnürsenkeln an die BeinUnge der Hosen ange-
nestelt zu werden. Auf der Seite gibt es manchmal eine Öffnung, um die große
Schleife des darunter getragenen Strumpfbandes hervortreten zu lassen.

Diese Überstrümpfe sind, in Gegensatz zu den Strümpfen, immer
oder doch meistens aus Stoff geschnitten

Die aus sehr weichem Leder gebildeten Schuhe schließen sich der Schuhe
Form des Fußes eng an und enden vorn in einer stumpfen Spitze. Oben 1600-1610
sind sie in drei Klappen geteüt: Eine auf jeder Seite und eine größere
Mittelklappe über dem Spann des Fußes. An den Seitenklappen sind
Schnürsenkel befestigt, die über der Mittelklappe zusammengebunden
werden können und dort eine kleine Schleife büden.

Um 1615 verschmälem sich die Seitenklappen zu Bändern, die hori- 1610-1620
zontal über die Mittelklappe zusammenkommen. Der schmale Schhtz,
der früher die Klappen voneinander trennte, wird dabei zu einem größeren
(runden) Ausschnitt.

Die Schleifen werden größer, oder sie verwandehi sich gar in Roset-
ten. Vermuthch werden die Schuhe dann schon mittels von diesen Roset-
ten verdeckten Schnallen verschlossen.

Stutzer tragen bereits hohe Absätze®.

^ Zitiert bei Radnet: „Le costume historiquequot;, V.

2 Vergleiche den Inventar Piet Heins, 1629 (a. a. 0.): „Een paer laecken kousen
met fluweelde schilpen boven aen, tersijden met goude knoopen.quot; Die „Samtmuschel
obenquot; deuten darauf hin, daß die Strümpfe umgestülpt werden sollten oder jedenfalls,
daß die Oberkante gezeigt werden sollte, was bei den eigentlichen Strümpfen nie der
Fall war. Es waren also eine Art Gamaschen gemeint, die den oben besprochenen Über-
strümpfen entsprechen.

® Vergleiche für die Form der eleganten Schuhe eine anonyme Schrift: „Discours
nouveau sur la Modequot; (Paris 1613):

„N\'avoir pas les souliers camus comme autrefois

ny plat, à la façon des lourdats villageois

il les faut façonnés d\'une juste mesure

le talon eslevé et pleins de coupure.

Qui les porte autrement U entendra tout haut

que quelque courtisan l\'appellera maraut.

Comme qui, trop hardy, voudroit hanter le Louvre,

n\'ayant pas sur le pied une rose, qui couvre

la moitié du soulier, ou qui en porte encor

qu\'il n\'y ait alentour de la dentelle d\'or.

Mais qidconque, d\'honneur désireux a envie

au modelle de Court de conformer sa vie,

il ne faut pas tousiours estre chaussé ainsi;

il faut qu\'il ait souvent le botte de Roussy

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Stiefelnbsp;Die Stiefel sind weichschaftig und eng und gehen, falls sie nicht

umgestülpt werden, bis über das Knie hinauf, wo sie dann ebenfalls an
die Hosen angenestelt werden können. Zu Anfang werden sie im all-
täglichen Leben nur selten getragen, dann aber nimmt ihr Gebrauch
auch dort allmählich zu^
Pantinennbsp;GelegentUch trägt man über den Schuhen, später auch über den Stiefeln,

HalbpantoflFel, die nur den Vorderteil des Fußes bedecken, während
die Sohle unter dem ganzen Fuß durchgeht. Ursprünghch mögen sie wohl
dazu gedient haben, den Schuh vor Schmutz zu schützen, später werden
sie auch zu Hause über denselben angezogen Es ist kaum unrichtig, sie
als eine weiterentwickelte Form der alten „Trippenquot; zu betrachten, so
wie diese z. B. 1434 auf dem van Eyckschen Doppelbildnis des Kauf-
manns Arnolfini und seiner Frau (London, National Gallery) zu sehen sind.

Jetzt werden sie oflfenbar in Übereinstimmung mit den Schuhen
gewählt^.

Die Handschuhe

Als „finishing touchquot; in der Erscheinung sind auch die Handschuhe
unentbehrlich, und sie Heiben es die ganze Zeit hindurch^. Sie haben
immer Stulpen über dem Handgelenk, die mit Fransen oder Stickerei
verziert sein können.

Weil die Form der Handschuhe nicht wesentlich verändert, wird
sich weiterhin eine Besprechung des Stückes erübrigen.

1600-1620
DAS FRAUENKOSTÜM
Die Frisur

Noch am Ende des 16. Jahrhunderts zeigte die Frau sich kaum ohne
Haube, und erst um 1600 kommt sie gelegentlich dazu, ihre Frisur zur
Schau zu tragen. Aber ziemlich selten bleibt diese modische Neuerung
besonders noch im ersten Jahrzehnt, und im allgemeinen kann man

et l\'esperon aux pied, ancore qu\'il ne pense
que de passer le jour alentour d\'une danse.quot;

^ Vergleiche das vorige Zitat aus dem „Discours nouveau sur la Modequot;.

2 Vgl. Pieter Isaacs, Schützenbild, 1600 (Amsterdam, Rijksmuseum 1283).

® Vgl. 1597, Inventar J. Jz de Vlaming und Marietgen v. Driel, Rotterdam, Archiv,
„weeskamerquot;, 364 (Fol. 99): „Twee paer schoenen
met muylen.quot; - 1598, Inventar Pieter
Thybout und Digna Jansen (daselbst Fol. 313): „Twee paer stihoenen, een paer muylen; een
paer muylen
met schoenen.quot;

* Vgl. 1624, Johan de Brune: „Emblemataquot;, S. 200: „Een geleert man van onze
tijd bekent rondelick van de gewoonte zoo overheert te zijn, dat hij zoo qualijck zijn
handschoen, als zijn hemde zou kunnen derven.quot; (Ein Gelehrter unserer Zeit gesteht
öfifentlich, daß er so sehr von der Gewohnheit beherrscht wird, daß er seine Handschuhe
ebensowenig wie sein Hemd entbehren könnte.)

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meines Erachtens annehmen, daß es sich hierbei immer noch um die er-
strebten Zeichen höchster modischer Eleganz handelt i.

Nun kann man immer wieder beobachten, daß diejenigen, die an-
scheinend am meisten Anspruch machen auf besonders elegante Kleidung,
sich darin nach ausländischem Muster richten. Im Anfang des Jahr-
hunderts kommt dieses noch mehr oder weniger ausnahmsweise vor;
aber nach tmd nach nimmt es zu. Dasselbe gilt für die Frisur, in der man
zweifellos auch einer ausländischen Gewohnheit nachfolgen und somit
sich selbst ein exotisches, interessantes und preziöses Gepräge geben -will.

Im allgemeinen ist Frankreich vor allem der reiche Quell, aus dem 1600-1610
man sich in dieser Hinsicht Inspiration holt. Die Form der Modefrisur
nähert sich zunächst aber am meisten der gleichzeitigen itahenischen
Das Haar wird diademförmig über der Stirn in die Höhe gerafft. Spärüche
I.
RingeUöckchen lösen sich an der Stirn vom Haaransatz ab. Am Hinter-
köpf ist das Haar zu Zöpfen geflochten und zu einem flachen Knoten
zusammengelegt und aufgesteckt.

Es kann ein Schmuck mit kleinen Schleifen vorkommen (besonders
hinten am „Diademquot;) und ferner findet sich manchmal (nach französi-
schem Muster) auch ein eingesetzter Spitzenrand auf der Oberkante der
Frisur, hier also des Haardiadems®.

1nbsp;In Frankreich war in diesen Jahren die unbedeckt getragene Frisur in erster
Linie eine Tracht der adligen Damen, während die Bürgerfrauen die Haube trugen,
bei der die typisch nationale Nuance am längsten erhalten blieb. Man vergleiche die
erwähnte Schrift: „Discours nouveau sur la Modequot; (1613). Nach der Beschreibung der
Frisur (s. unten) wird gesagt : „. .. Mais c\'est là la façon des dames, le soucy des bour-
geoises n\'est pas de se coiffer ainsi. .und dann folgt eine Beschreibung der franzö-
sischen Haube, die sich hier erübrigt, weil sie anders ist als die hiesige.

2nbsp;Hier offenbart sich im „Aufbauquot; der menschlichen Erscheinung ein Zug von
Eklektizismus, der sich vor und um 1600 doch auch in der bildenden Kunst bemerkbar
macht, wo die klassische Kunst und Italien Trumpf waren. Nun habe ich überhaupt
den Eindruck (es ist mir leider nicht möglich, aus der Fülle des Materials den strikten
Beweis zu liefern, aber es ist immerhin ein starker
Eindruck), daß die Frisur, mehr als
jedes andere Stück zu dieser Zeit, das preziöseste und gezierteste Element der Gesamt-
erscheinung und also im wahren Sinne die Bekrönung der gepflegten Gestalt bildet.
Vielleicht könnte es daran liegen, daß man dafür eine Form wählt, wie sie in dem Lande,
das als die Wiege der Kunst angesehen wurde, üblich war.

® Die sog. „Diademhaubequot; wird meines Erachtens dieser Frisur wohl ihren Ur-
sprung oder besser ihre definitive Gestalt verdanken. Es ist nämlich interessant (und
es wird im Laufe dieser Betrachtung noch weiter darauf hingewiesen werden), wie die
Entwicklung von Haube und Frisur ästhetisch immer parallel geht, so daß eine Linie
oder eine Form, die in der einen betont wird, immer mehr oder weniger ausgeprägt auch
in der anderen erscheint. - Am frühesten bemerken wir dieses in Frankreich, wo in den
letzten Jahren des 16. Jahrhunderts eine Frisur getragen wird, die vorn, in der Mitte,
niedrig ist und sich auf den beiden Seiten, über den Ecken der Stirn, erhebt, wodurch
also genau die Linie der dann auch dort üblichen „Flügelhaubequot; entsteht (vgl. z. B. das

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1610-1620 , Nach 1610 kommt aixßerdem eine hohe Frisur vor^, die einigermaßen
^FrU^/ ™ vergleichen wäre mit der Haartracht um 1770. Wie früher lösen sich
auch hier über der Stirn einige Ringellöckchen vom Haaransatz ab. Der
Schmuck mit Schleifchen, Rosetten imd gar mit Edelsteinen wird aus-
gedehnt, so daß die Frisur über und über mit solchen bedeckt sein

kann

III. Schlichte Gegen Ende des Jahrzehnts wird die Frisur auch wohl ganz schUcht,
Frisur g^ j^ß die Haare glatt nach hinten gehen und dort in der übhchen Weise
aufgesteckt werden. Der Schmuck kann dabei aber in derselben Weise
angewandt werden.

Der Hut

Im allgemeinen sind die eleganten Hüte denen der Männer ungefähr
gleich so daß für deren Form nach den betreffenden Abschnitten der
Männertracht hingewiesen werden kann. Sie werden sowohl auf der Frisur
als auch auf der Haube getragen. Die Frequenz ist aber gering; in den
dreißiger Jahren kommen Hüte noch am meisten vor, aber durchwegs
zeigte man bei gutem Wetter auf der Straße die Frisur oder die Haube
unbedeckt, sonst trug man die „Heukequot; (vgl. S. 50). In den vierziger
und fünfziger Jahren ist der Hut gänzhch außer Gebrauch, man trägt
dann das Kopftuch (vgl. S. 92).

1600-1620nbsp;In Jen beiden ersten Jahrzehnten gibt es aber einige Huttypen, die

Frauet^üte- ^^^ Frauentracht gehören:

Stammhuch der Antoinette de Longueval, 1600, Berlin, Lipperheide-Bibliothek). Aber,
wie gesagt, auch in dem hier zu behandelnden Gebiete werden wir wiederholt Ähnliches
sehen.

^ Vielleicht wäre diese Form als Ausdehnung der „Diademfrisurquot; zu betrachten.
Besonders stark ist dieser Eindruck bei der Frisur der in Rot gekleideten tanzenden
Dame im Vordergrunde von Vingboons „Gartenfestquot; (Amsterdam, Rijksmuseum, 2559),
das zwar undatiert ist, aber unbedingt im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ent-
standen sein muß. Übrigens fängt die ursprünglich viel breitere französische Frisur
ab und zu, wenn auch selten, auch an, eine ähnliche Gestalt anzunehmen (vgl. das Stamm-
buch des Jean de Beauchamps, 1616, Berlin, Lipperheide-Bibliothek, 1106).

^ Vergleiche wieder den „Discours nouveau sur la Modequot;, 1613:
„Une dame ne peut jamais estre prisée,
si sa perruque n\'est mignonnement frisée,
si elle n\'a son chef de poudres parfumé
et un millier de nœuds, qui ça, qiii là semé
par quatre, cinq ou six rangs, ou bien davantage,
comme sa chevelure a plus ou moins d\'estage...quot;

® Der Hut, den Isabella Brandt auf Rubens\' Münchener Doppelbildnis (1610)
trägt, bildet nur anscheinend eine Ausnahme. In der Form ist er doch durchaus mit
dem Mäimerhut vor 1610 verwandt, obwohl Stoflf und Ausstattimg feiner sind als bei
jenem. Ihr Gatte trägt hingegen schon den neumodischen hohen Herrenhut, dessen
Typus auch bald von den Damen übernommen wird.

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I.nbsp;Ein runder, spitzer Hut, in der Form eines sehr flachen Kegels. I, „Kegelhutquot;
Es ist dieser Typus, den wir (S. 52) in Zusammenstellxmg mit der Heuke
antrefien werden.

Besonders in den beiden ersten Jahrzehnten kommt er allgemein
vor. Nachher bleibt er zwar noch lange Zeit im Gebrauch; aber dann nur
bei dem Volke.

II.nbsp;Die kleine französische „Tocquequot; aus den Jahren 1560-1570 IL „Tocquequot;
bleibt in der Frauentracht noch längere Zeit gewahrt, und zwar in sehr
kleinem Format, so daß sie hoch oben auf der Frisur steht. Manchmal auch

hat sie die Gestalt eines sehr flachen, mit Federn geschmückten Baretts.

Dieses Hütchen ist selbstverständhch viel mehr zum Schmuck da,
als daß es irgendeinen praktischen Nutzen hätte; es gehört also vielleicht
mehr zum Gebiete der Frisur als zu dem der Hüte.

III.nbsp;Gelegenthch kommt auch ein breitkrempiger Sonnenhut vor, ƒƒƒ.
mit sehr flachem Kopf, der in späteren Jahren ebenfalls in der Tracht ^^Sonnenhutquot;
der Frauen aus dem Volke weiter fortlebt^.

Die Haube

Eins der am stärksten charakterisierenden Elemente für das nieder-
ländische Frauenkostüm ist die Haube.

Schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts (1504, Meister von Alkmaar,
Amsterdam, Rijksmuseum, 46 a) fällt die einigermaßen lockere, nicht
ringsum den Kopf anschUeßende Haube auf. Der leicht gestärkte Stoflquot;-
streifen steht hier an der Stirnnmdung zu beiden Seiten von selbst etwas
ab, ehe er an den Backen heruntergeht®.

Dieses Abstehen, das erst also von selbst durch die spezifische Art
des Stofl\'es und der Haubenform bedingt war, wird dann bei der weiteren
Entwicklung bewußt erzielt®.

Zu Ende des 16. Jahrhunderts hat sich die althergebrachte Form
zu einer Doppelhaube umgestaltet.nbsp;■\'ö.
Jhdt.

Die deutlich wahrnehmbare untere Haube schheßt sich vorn dem Unterhaube
Kopfe an, so daß Stirn und Haaransatz unbedeckt, die Ohren aber ver-
borgen sind, dabei ist er hinten weit und beuteiförmig angefältelt.

^ Der schwarze Stofifhut, mit hinten auf- und vom niedergeschlagener Krempe
gehört nur der Volkstracht und anscheinend besonders der Tracht der Fischersfrauen
an; zum modischen Kostüm kommt er nie vor.

2 Vgl. z. B. Scorels Bildnis der Agathe van Schoonhoven (Rom, Galeria Doria).

\' Bei der ursprünglich so ganz anderen französischen Haube zeigt sich merkwürdiger-
weise genau dasselbe. Schon 1550 steht auch sie zu beiden Seiten der Stirn ab (Bildnis der
Diane de Poitiers, bei Dimier: „Le portrait en Francequot;, I, Tafel 17; Margugrite de Navarre,
ibidem Tafel 18). Man vergleiche auch die englische „Stuarthaubequot;. Man könnte also
sagen, daß die Haube vor und um 1600 ziemlich international ist, während sich diese
Form wenig später umwandelt zu etwas Niederländischem „par excellencequot;,

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Der Rand ist manchmal mit einer schmalen Spitzenborte verbrämt.
Die meistens netzartig ornamentierte Unterhaube selbst pflegt aus Spitzen
gebildet zu sein\'^.

Darüber wird nun die Überhaube gestülpt, deren Vorderkante, auf
Draht gespannt, unmittelbar vor oder unterhalb der Ohren an die Backen
anschheßt; ebenfalls in der Mitte, oberhalb der Stirn oder des Haar-
ansatzes, dabei aber an den Schläfen flügelartig absteht. Am Hinterkopf
ist sie ebenfalls beuteiförmig angefältelt.

Offenbar wird dieser Typus, sowie die noch zu besprechenden Formen
von einer unsichtbaren Feder um den Kopf und auf den Backen festgeklemmt.
Diese Federn sind zu denken wie die „Ohreisenquot; der heutigen Bäuerinnen-
tracht, und wohl besonders wie die schmalen Ohreisen der Zeeländer
Frauen oder die ältesten, ebenfalls schmalen friesischen Ohreisen, die ja
in dieser Form gerade im 17. Jahrhimdert vorkommen, während sie sich
erst später allmählich verbreitern zur heutigen helmartigen Gestalt

Es scheint mir überhaupt angebracht, schon an dieser Stelle darauf
hinzuweisen, daß gerade im Kostüm der Bäuerinnen gelegentlich noch
einige Überreste der alten Tracht nachzuweisen sind. So kommt es mir
z. B. vor, als wenn die heutige bäuerische Haube ein wenn auch sehr
veränderter Abkömmling der Haube des 17. Jahrhunderts wäre; denn
erst nach diesem Jahrhundert trägt man sie auf dem Lande, wie weit
auch die lokalen Nuancen auseinandergehen mögen.

Ende des 16. Jahrhunderts erscheint die Überhaube in drei ver-
schiedenen Typen, von denen die beiden ersten unmittelbar der Gestalt
der älteren Haube folgen:

I. Mit langem Zipfel auf dem Rücken.

II. Mit zwei schmalen, getrennten Zipfeln, die gestärkt und gerollt,
wie die Fühler mancher Insekten, zu beiden Seiten des Kopfes
abstehen.

III. Am modernsten ist aber der dritte Typus: ohne Zipfel oder „Fühlerquot;
(wenn man diesen Namen, der am besten die Form charakterisiert,
gestatten will).

^ Weil die Unterhaube immer ein ausgeprägtes Netzmuster hat, ist es wohl nicht unbe-
rechtigt, das ganze Stück als den Überrest einer früheren regelrechten Netzhaube anzusehen.

^ Beispiele dieser ältesten Form werden im Original im „Friesch Museumquot;, Leeu-
warden, aufbewahrt. Sie haben die Form eines schmalen Reifens, der den Hinterkopf
umfaßt und sich auf den Seiten des Kopfes, über den Ohren, mit einer geraden Ecke
nach unten umbiegt, um auf den Backen in einem kleinen Knopf zu enden. Ein solcher
Knopf ist auch öfters auf Abbildungen der mit Hauben dargestellten Frauen des
17. Jahrhunderts zu sehen. Betreffs des „Ohreisensquot; selbst ist mir nur ein Beispiel be-
kannt, wo dieses sichtbar ist, nämlich am undatierten v. Mieris der Sammlung Six
(Versteigerung Müller 1928). Vgl. auch 1629, Inventar Neeltgen Aryensdr. Witwe Cam
(Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 984): „Een silver hooftijsertgen.quot;

Überhaube

.Ohreisen^\'

Typen der
Überhaube

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a)nbsp;Die Überhaube ist dabei aus einem durchsichtigen oder halb-
durchsichtigen Tüllstoff gebildet. Nur höchst selten hat sie eine
schmale Spitzenverbrämung. Das Haar Uegt, soweit es sichtbar
ist, meist ganz glatt, mit einer Scheitelung in der Mitte. Aus-
nahmsweise kann es zur Haube lockig geordnet sein^.

b)nbsp;Eine Haube mit breitem, ringsum aufstehendem Rand, der
oben, zu beiden Seiten der Stirn, am meisten auslädt und in
der Kontur also nicht von der alten Form des Typus a abweicht.
Nur unten, wo er an die Backen anschheßt, ist der Rand noch
öinigermaßen konkav und verrät, daß die Haube ursprünglich
nichts anderes ist als eine konfektionierte Form des vorigen
Typus.

Nach 1600 wird nur der dritte Typus, die Haube ohne Zipfel und
„Fühlerquot; regelmäßig, und zwar in beiden Formen, getragen. Dabei ist
die erstere Form diejenige, die noch jahrzehntelang die Tracht der Regen-
tinnen bleiben wird, ohne eingreifende Änderungen zu erleiden.

Noch immer sind diese Hauben aus Tüllstoff auf Draht gespannt;
nur die schüchteren Typen werden aus gestärktem Leinen hergestellt,
so daß sich dann bei so kleinen Dimensionen ein Drahtgestell erübrigt.

Die Unterhaube kommt auch selbständig vor. Sie hat in diesen Untcrhauhe
Jahren manchmal einen zackigen Spitzenrand, der in vielen Fällen leicht
gestärkt aufrechtsteht.

Gegen 1610 entwickelt sich die zweite Form b zu einem ganz eigenen
Typus, der am besten zu bezeichnen wäre mit dem Namen „Diadem-
haubequot; ^ Die eigenthche „Haubequot;, der Teil, der den Kopf bedeckt, ist
unverändert; das Charakteristikum dieser Gattung ist aber ein breiter
Rand, der den Kopf umschließt und sich wie ein richtiges Diadem erhebt,
wobei er dann oben die größte Höhe erreicht; manchmal endet er sogar
oben in einer Spitze. Der Kontur ist also wesentUch anders als beim
früheren Typus®.

In den meisten FäUen sind diese Hauben aus halbdurchsichtigem,

^ Vgl. um 1590-1600 ein anonymes Spottbild auf die Mode, eine Dame mit Spiegel
darstellend (Hist. St. F. M. 1112c), wozu u. a. die Unterschrift: „... Die boskens maeckt
en \'t haer leyt gerolt en plat Sulck meynt haer selve te sien, maer siet een Sottinne.quot;

^ Anfänglich habe ich gezögert, diese Haube als Abkömmling von dem Typus b
zu erklären, weil ihre Gestalt schon bald so ganz anders wird, bis ich das 1609 datierte
Bildnis der Digna de Both, von Jan v. Ravesteyn (Amsterdam, Rijksmuseum, 1975 b),
zu Gesicht bekam, das in deutlichster Weise den Übergang zeigt.

® Der diademförmige Rand steht in diesen Jahren immer aufrecht. Nur in dem
1603 datierten Bilde Verstralens (Leute auf dem Eise, Haag, Mauritshuis, 659) liegt
er flach, so wie sonst erst in der zweiten Hälfte des dritten Jahrzehnts. Ob etwa das
Datum irgendeine Unstimmigkeit aufweist oder gar gefälscht sein könnte?

1600-1610
Überhauhe

1610-1620
Überhauhe

„Diadem-
haubequot;\'

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Typus b

auf Draht aufgezogenem Tüllstoff gebildet, öfters sind sie auch mit einem
zackigen Spitzenrand versehen

Der Beutel am Hinterkopf wird versteift und hinten abgeflacht.
Auch er kann ringsum mit Spitzen geschmückt sein.

Unter dieser Diademhaube bleibt die Unterhaube entweder mit
oder ohne, gelegenthch noch aufstehendem Spitzenrand.

Für selbständig getragene „Unterhaubenquot; kommt eine neue Form
auf, die nur aus einem den Haarknoten umschUeßenden Beutel und zwei
dreieckigen „Flügelnquot; besteht, die glatt am Kopfe anhegen und die Ohren
bedecken.

Es wird zu dieser „Unterhaubequot; immer ein dunkler, kostbarer Stoff
gewählt, während der Beutel von einer Perlenschnur oder einem ähn-
hchen Schmuck umgeben sein kann.

Man trifft diesen Typus nur selten imd dann bei wohlhabenden
Damen; richtig populär war er in diesen Jahren nie

Beide Typen haben gelegenthch ein Perlengehänge an den unteren
Ecken vor dem Ohr®.

Besonders bei dieser Diademhaube kommt manchmal eine sonder-
bare Verzierung vor, nämUch eine Haarnadel in der Form eines goldenen
Stäbchens, mit einem Gehänge von Perlen oder Edelsteinen an der Spitze,
die auf einer Seite, über der Schläfe, zwischen Kopf und Haube, zum
Vorschein kommt und gerade nach vorn steckt. Vereinzelt kommt die-

^ Die scblicbten, undurcbsicbtigen Hauben ohne Spitzenbesatz werden als „Doeek-
huivenquot; oder ähnlich bezeichnet. Es soll bei diesem Namen also nicht etwa an ein Kopf-
tuch gedacht werden!

® In den südlichen Niederlanden kommt dieser letztere Typus viel mehr vor. Man
vergleiche nur die Porträts des jungen van Dijck oder Comelis de Vos. Vielleicht meint
Roemer Visscher dieses Stück, wenn er in seinem Werke „Schokkenquot; sagt: „Op Brabants
Betten zij het kap, Op Brabants is huyfken met een oorlap .. •quot; (Auf brabantische [süd-
niederländische] Manier setzen sie die Haube, nach brabantischer Manier ist ihr Häub-
chen mit Ohrklappen.)

3 Auch in der heutigen Bäuerinnentracht hängt man, wenn die Ohren bedeckt
sind, die Hänger an die Haube. (Vgl. Gallee: „Het boerenhuis in Nederlandquot;, S. 97.)

Unterhaube

Neue Form

der
Unterhaube

Haarnadel

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selbe Verzierung auch bei der offen getragenen Frisur vor. Dieses ist
aber selten, während die Frequenz in Zusammenstellung mit der Haube,
und zwar vor allem mit der Diademhaube (seltener mit der einzeln ge-
tragenen Unterhaube) sehr groß ist. Deswegen möchte ich dieses Stück
erst an dieser Stelle besprechen

Wie schon gesagt, bleibt aber auch die Flügelhaube noch weiterhin Die „Flügel-
gebräuchlich.

Der Kragen

Wie Ende des 16. Jahrhunderts, werden auch im 17. Jahrhundert
die Kragen in zweierlei Art getragen:

A. Ringsum geschlossener Kragen. B. Offener Stehkragen (Fächer- A. Ge-
kragen).nbsp;scMosjener

Von den ringsum geschlossenen Kragen gibt es wieder zwei Haupt- ragen
typen:

I. Krause. II. Gesteifter, flacher Kragen.

Die Krause in ganz geschlossener Form oder ringsum anschheßend, I- Die Krause
aber vorn keiLförmig aufklaffend, kommt in verschiedenen Größen vor. 1600-1610
Nur selten ist sie locker oder unregelmäßig gefältelt wie in der Männer-
tracht (vgl. S. 9). Ihre Dicke ist aber sehr verschieden: so kann sie
auch ganz dünn sein, mit flachen Röhren.

Die größere Krause ist schon ein lose getragenes Stück wenn sie
aber ganz klein bleibt, kann sie noch zum Hemdkragen gehören. Ob sie
etwa in dieser Form auch der größeren Krause als Unterlage dient, habe
ich nicht entscheiden können

In diesen Jahren ist die Krause selten mit Spitzen verbrämt.

In den meisten Fällen ist die Breite des Kragens rings um den Hals Variante
überall gleich; es kommen aber auch Exemplare vor, die vorn schmäler
sind als hinten. Diese Variante gibt es - immerhin etwas seltener als die

1nbsp;Kuriositätshalber möchte ich auf Ähnliches hinweisen, das ebenfalls in der heuti-
gen Bäuerinnentracht zu finden ist, nämlich auf die einseitige „naaldquot;: ein auf einer
Seite eingestecktes, gebogenes Metallband, das der Wölbung der Stirn folgt und dort,
in der Mitte der Stirn, mit einer Verbreiterung abschließt (Walcheren, Nordholland und
Friesland). Heute tragen unverheiratete Frauen diese „naaldquot; links und die verheirate-
ten rechts eingesteckt. Für die Stäbchen des 17. Jahrhunderts gibt es, soweit es zu be-
obachten war, keinen solchen Unterschied. Eine direkte Verwandtschaft zwischen der
alten und der modernen Haarnadel gibt es aber nicht, weil die letztere, nach der Aus-
führung im Katalog des „Friesch Museumquot;, erst im 19. Jahrhundert aufgekommen ist.
Die von Gallee im obengenannten Werke entwickelte Theorie, daß die Haarnadel der
friesischen Frauen aus einem mittelalterlichen Stirnband entstanden sei, verlöre damit
vielleicht den festen Grund.

2nbsp;Vgl. S. 9 und Abb. 4—5.

3nbsp;Auf Visschers Stich „Die Mahlzeitquot;, 1609 (Nagler 13), scheint dieses bei der
Mutter der Fall zu sein.

3nbsp;33

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gewöhnlichen Krausen - sowohl im ersten als auch im zweiten Jahrzehnt,
und die mir bekannten Exemplare sind aUe mit Spitzen verbrämt; offen-
bar handelt es sich hier also um feinere Kragen.
1610-1620 Im zweiten Jahrzehnt bleibt die Größe der Krausen verschieden,
aber alle werden dick (etwa 8 cm)i und steif, mit hohen, schmalen Röhren.
Es sind dann immer vom Hemde getrennte, lose getragene Stücke
(„Vorhemdchenquot; in gewissem Sinne), was schon die Tatsache bestätigt,
daß sich zwischen Hals und Kragen mehrfach eine schmale Rüsche zeigt:
das Rudiment eines früheren Hemdkragens
flacheKragen Besonders nach 1610 kommt der flache Kragen, der größer ist als
1610-1620nbsp;entsprechende, ringsum geschlossene und vom abgeflachte Typus

in der Männertracht (vgl. S, 10); denn er kann über die ganze Schulter
reichen. Das Maß ist aber der einzige Unterschied.

Wie der Männerkragen, kann er mit einer Spitzenverbrämung versehen
sein. - Vor allem scheint diese Form von jungen Frauen und besonders
von Mädchen getragen zu sein^.
Der „Porte- Wie die Männerkragen, ruhen auch diese beiden Typen auf einem
/roesquot; Gestell aus Metalldraht, das keinen wesentUchen Unterschied mit dem
schon besprochenen „portefraesquot; aufweist, so daß sich eine weitere Be-
schreibung erübrigt.

B. Steh-nbsp;Der Stehkragen setzt vom einen viereckigen oder spitzen Hals-

kragen ausschnitt des Mieders voraus. Er ragt dann auf beiden Seiten aus diesem
empor und wölbt sich wie ein Fächer Idnter dem Kopf in die Höhe. Dabei
geht die Seitenkante des Umrisses mit einer Ecke in die bogenförmige
Oberkante über. In seltneren Fällen bildet die Umrißlinie der Oberkante
einen Doppelbogen,

Es gibt beim Stehkragen zwei Haupttypen:

I. Krause.

^ Wie die Männerkrausen, sind auch die Krausen der Damen in Flandern noch
dicker!

^ Nur vereinzelt bleiben kleinere Kragen offenbar noch mit dem Hemd in Zu-
sammenhang, aber dann nicht mehr bei modisch gekleideten Damen.

® Auch weiter wird noch wiederholt vom Hemdkragen die Rede sein oder, beim
Halsausschnitt, von dem Stück des Hemdes, das sich dort in der Öffnung zeigt, und
theoretisch ist dieses auch richtig. Obwohl mir die exakten Beweise dazu fehlen, hege
ich aber die Vermutung, daß es sich praktisch dabei in vielen Fällen um Attrappen aus
feinerem und durchsichtigem Stoff handelt, ähnlich wie noch heutzutage in den nieder-
ländischen Volkstrachten der „beukquot; oder „kroplapquot; („kraplapquot;) getragen wird. Be-
sonders auf der Insel Walcheren stimmt dieses Stück, das dort aus feinem weißen Stoff
ist, mit dem „sichtbaren Teil des Hemdesquot; des 17. Jahrhunderts überein. (Vgl. dazu Gall6e,
a. a. O., S. 90, Tafel XLVIII.)

* Ich möchte dabei noch einmal erinnern an die oben schon zitierte Äußerung
le Francq v. Berckheys (a. a. O.), daß diese Form vorzugsweise von jungen Herren und
unverheirateten Damen getragen wird.

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1625 A. V. d. Venne

II. Flacher Stehkragen.

(Innerhalb dieser Verteüung gibt es noch massenhaft Varianten,
die aber keiner weiteren Erwähnung bedürfen, weü sie das System un-
berührt lassen.)

Die Krause ist meist nur von mäßiger Größe. Sie kann einzeln ge-1-Die Krause
tragen werden, des öfteren wird sie aber als Stütze unter dem flachen
Stehkragen gebraucht.

VermutUch ruht auch sie auf einem „portefraesquot;-artigen Gestell aus
Metalldraht.

Der flache Stehkragen ist die häufiger vorkommende Form. Sehr IL Der flache
oft trägt man deren zwei oder mehrere übereinander, wozu dann als untere
Stütze noch die Krause kommen kann^.
nbsp;1600-1620

\' In Frankreich sind schon um 1605 die Krausen völlig aus der Mode verschwunden,
und alle tragen den ofiFenen Stehkragen in derselben Form wie oben beschrieben, so daß
dafür die Schilderung im „Discours nouveau sur la Modequot; (1613) vollkommen zutrifft:
„II luy (d. h. der Dame) faut des rabats de la sorte que celles,
qui sont de cinq ou six villages damoiselles,
cinq collets de dentelle, hauts d\'un demi pié,
l\'un sur l\'autre montez, qui ne vont qu\'à moitié
de celuy de dessus; car elle n\'est pas leste,
si le premier ne passe une paulme la teste.
Elle a pour ses rabats les fraizes eschangé,
dont elle avait jadis tousiours le coi chargé,
quand elle désiroit avoir belle apparence,
ou à quelque festin ou à quelque danse;
Et lors il n\'y avait que celles qui estoient
d\'une condition honneste, qui portoient
deux collets joincts ensemble avec doubles dentelles,
et les estimoit on à demy damoiselles
l\'on ne parloit alors sinon de ccUes là
qui avoient à l\'entour du col ces collets là.
Les voilà maintenant laissez aux artisannes
et je croiy que bien tost aux pauvres paysannes
la volonté viendra de s\'en servir aussi. ..quot;

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Wo er einzeln getragen wird, ruht er auf einem „portefraesquot;. Öfters
kommt eine Spitzenverbrämung vor. In diesem Falle kann sich dieser
Spitzenrand längs dem Halsausschnitt des Mieders fortsetzen, und zwar
so, daß er über den Stoff des Mieders fäUt. Vor 1610 ist dieses selten,
erst gegen Ende des zweiten Jahrzehnts kommt es regelmäßig vor. Auch
dort, wo man zu dem Mieder mit Halsausschnitt die Krause trägt, pflegt
der Ausschnitt alsbald doch mit einem solchen Spitzenrand versehen zu
sein, während dabei in der Öffnung des Ausschnittes das bis an den Hals
hinaufgehende Hemd oder die dem entsprechende Attrappe sichtbar wird.

Über dem Stehkragen kann noch ein zweiter, kleinerer Kragen um-
gelegt werden, dessen Form nicht mit der des anderen übereinzustimmen
braucht. Es ist nicht unmöglich, daß dieser hauptsächlich den Zweck hatte,
die allzu große Blöße des Halsausschnittes zu bedecken; denn er läßt
nur ein kleines „en cœurquot; frei, während manchmal ein viel größerer Aus-
schnitt durch den halbdurchsichtigen Stoff dieses Überkragens durch-
schimmert^.

Die Manschetten

Die Manschetten haben, wie bei der Männertracht, Ende des 16. Jahr-
hunderts noch die Gestalt von kleinen Krausen, also im Typus der Saum-
verbrämung der Hemdärmel.

Inzwischen entwickelt sich in den letzten Jahren des Jahrhunderts
eine zweite Form ; flache und glatt anliegende, große oder kleine Streifen, die
auf der Außenseite immer offen sind und mit Spitzen verbrämt sein können.

^ Vgl. ebenfalls das „Discoursquot;:

La femme du bourgeois, qui aime l\'inconstance,
pour le moins tout autant que la dame de France,
pour se couvrir le sein la façon a appris
d\'user de points coupez ou ouvrages de prix,
et non d\'avoir le baut de la robe fermée
comme elle avoit jadis de faire accoutumée,
et comme font encor beaucoup de nations,
où je ne fais pas tant qu\'icy d\'inventions.

„Über-
Jaragenquot;

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Nach 1600 haben sie regelmäßig diese Form; die Krausen kommen 1600-1620
dann nur ausnahmsweise vor^.

Weil die Manschetten der Frauen bis um 1640 keinen Unterschied
aufweisen, mit denen der Männer, ist also eine weitere Besprechung bis
dahin überflüssig.

Das Mieder

Das eng anschließende, strafisitzende Mieder ist unten immer auf
der Vorderseite zugespitzt und gelegenthch auch hinten. Letzteres aber
wohl kaum mehr nach 1600.

Die vordere Spitze ist konkav nach vorn geschweift, und allmählich
nimmt dieses noch zu, so daß sie bei dem oben abgeflachten Rock (siehe
unten S. 41) bis an den Rand des flachen Teiles geht.

Nur ganz selten kommt es vor, daß das Mieder gegen den Rock hin
gerade abschließt. Diese wenigen Fälle gibt es dann nur nach 1610.

Das Mieder ist in der Mitte über die ganze Länge verschheßbar.
Manchmal sieht man eine Knopfreihe; sonst ist ein Verschluß mit Haken
und Ösen anzunehmen®.

WeU sowohl der geschlossene als auch der off\'ene Stehkragen zum
Mieder getragen werden, kommt es, je nachdem, hochgeschlossen oder
mit tiefem, viereckigem oder spitzem Halsausschnitt vor. Dabei ist zu
bemerken, daß der spitze Ausschnitt ursprüngUch dadurch entsteht, daß
man das hochgeschlossene Mieder nicht bis obenan zuknöpft. Später, aber
noch vor 1620, wird er dann konfektioniert.

Das Stück vom Hemde, welches in diesem Halsausschnitt sichtbar

1nbsp;So z. B. wohl kurz nach 1600, jedenfalls vor 1610, bei Miereveld: Damenbildnis
(Amsterdam, Sammlung Six, 48). Um 1615 auf einem Blatt in der Stichfolge: „Habitus
et Cultus Matronarum... apud Batavosquot; (Abb. 14) von Matham nach Dirc Hals, und in den
dreißiger Jahren auf Moreelsens (?) Büdnis der Ursula von Solms (Amsterdam, Rijks-
museum, 1663).

2nbsp;Vgl. z. B. eine Schneiderrechnung für Liesbeth MoUjn (a. a. 0.) aus dem Jahre 1623:
„Een damaste bowen met naede ende stricken ghemaeckt . . 5 gld. 10 st.

verleit aen stifsel tot het bowlieff (vgl. S. 42)............9 gt,

verleit aen vielt tot de bragoenen (vgl. S. 38)............6 st]

verleit aen haechen tot hct hotcliejjf . . , . ,nbsp;6 st

Aber auch früher werden schon Haken und Ösen erwähnt, so z. B. Ende des 16. Jahr-
hunderts (1572) in den obengenannten Briefen des Leipziger Studenten Paulus B^haim,
der sich mehrmals bitterUch beklagt über die Ungeschicklichkeit seines Schneiders. So
schreibt er am 27. AprU: „Dabei thu ich dir wissen, daß der Schneider keinen guten
bissen an meinem Kleidt gemacht hatt... Die heckla en meinem röckla sein gar un-
gleich genehet, daß ichs nicht kan zuthun und einheckeln...quot; - Im Original erhaltene
Stücke mit diesem Verschluß sind u. a. ein Lederkoller im Zentralmuseum in Utrecht
und ein Lederwams im Berliner Zeughaus, beide mit vorgetäuschtem Schnürverschluß.
Aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts u. a. ein sächsisches Hofkostüm im Germani-
sehen Nationalmuseum Nürnberg.

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wird, wenn man dazu anstatt des offenen Stehkragens den geschlossenen
Kragen trägt, ist schon erwähnt und ebenfalls die Spitzenborte, die den
Ausschnitt zu umgeben pflegt.

Die Verzierung des Mieders erfolgt hauptsächhch mittels Besätzen
an den Hauptnähten. (In
einer Rechnung von 1621 im Delfter Archiv
werden 13 „eilenquot; [8,81 m] Passamenten erwähnt, die zu emem Mieder
verwendet wurden!)

Im übrigen kann man die Mieder in zwei Haupttypen einteilen:

I. Mieder ohne Ärmel. II. Mieder mit Ärmeln.

Das Mieder ohne (eigene) Ärmel, wozu also Ärmel aus anderem Stoff
und (oder) anderer Farbe getragen werden, hat an den Ärmellöchern eine
stark betonte Abgrenzung durch emen wulstigen, geschhtzten Streifen,
der emzehi und doppelt vorkommt. Manchmal geht auch am Unterrande
des Mieders em ähnhcher, aber viel schmälerer Streifen entlang, der
sogar den Charakter einer Reihe kleiner Klappen annehmen kann^.

Die Wülste an den Ärmellöchern haben sich um 1600 zu drei ver-
schiedenen Typen entwickelt, die ich der Form nach bezeichnen möchte als

a)nbsp;„Schulterraupenquot;;

b)nbsp;„Schulterräderquot;;

c)nbsp;„Schulterklappenquot;

Die Schulterraupen kommen nur noch selten vor. Sie sind am meisten
der ursprünghchen Form ähnUch: kiemer und lockerer als die Schulter-
räder. Wie diese können sie einzeln imd doppelt vorkommen.

Manchmal sind sie noch durch Schhtze in kleine Stücke zerlegt, in
anderen Fällen sind diese Schhtze, wie bei den Schulterrädern, ebenfalls
zu einer strahlenförmigen Streifenverzierung erstarrt.

Die Schulterräder sind eine versteifte Form, wobei die Wülste einzeln
oder doppelt, radförmig den Ärmelansatz umgeben.

Die Verzierung durch SchUtze ist dabei meist zu strahlenförmig
angeordneten Streifen erstarrt. Längs der Oberkante kommt manchmal
eine Reihe von Schleifen aus Schnürsenkeln vor.

Die Schulterklappen kommen immer einzeln vor. Sie hegen flach
auf dem Schulteransatz auf, wie bei den Männerwämsern, und auch Form
und Verzierung stimmen mit jenen überein.

1 Vgl. die „pickedillekensquot;, S. 14.

® Im 17. Jahrhundert wurden die Schidterwülste der Frauen allgemein mit dem
Worte „bragoenenquot; bezeichnet. Eine nähere Bezeichnung nach der
eigentümlichen
Form der einzelnen Typen habe ich nicht finden können. - Man vergleiche z. B.
S. 37 Fußnote 2 und weiter u. a. die Schneiderrechnungen für Maddalena Lambrechts
1626 (a. a. 0.): „Noch een Ujf op een bouwen ghesedt ende bragoene ingheset ende
stricke mit kraele op de bragoene.quot; (Hier offenbar Schulterräder.) - 1630: „Noch aen
stijfsels op de schoeren 9 st., noch aen stijfsels in de bragoenen 8 st.quot;

I. Mieder
ohne Ärmel

1600-1620

a) Die
Schulter,
raupen

b) Die
Schulterräder

c) Die
Schulter-
klappen

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Sie können aber auch reduziert sein zu einem ganz schmalen Streifen.

Zu dem ärmellosen Mieder können hängende Zierärmel kommen.

Im ersten Jahrzehnt haben diese zwei Formen:

a)nbsp;Richtige Hängeärmel, die sehr lang sind und deren Schhtz zum
Durchstecken des Armes nicht ganz oben anfängt.

b)nbsp;Seltener ist der Zierärmel reduziert zu einem sehr langen und
schmalen Streifen.

Nach 1610 haben die Zierärmel im allgemeinen eine ähnUche Form
wie in der Männertracht.

Ausnahmsweise stimmen sie mit denen des spanischen „Überkleidesquot;
überein (vgl. S. 48).

Die Ärmel zu diesem Mieder sind, wie oben schon hervorgehoben,
aus anderem Stoflf und anderer Farbe i.

Besonders in Zusammenstellung mit den Schulterrädern und -raupen
sind sie über die ganze Länge weit, nur anschUeßend am Handgelenk,
und einigermaßen steif ausgestopft ^ oder locker. Seltener ist der ganze

^ quot;Wie in der Männertracht können auch diese einzeln angefertigt werden, wie uns
z. B. aus den Schneiderrechnungen hervorgeht. So finden wir z. B. 1622 in den Rech-
nungen für Neeltgen Aryensdr. (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 982): „Noch voor een
paer lakense mouwen: 1 gld. 3 st.quot; Daneben aber auch: „Noch voorstelt een laekens
lijfgen mett mouwen: 10 st.quot; - 1623, Rechnungen für Annetgen Jacops v. d. Bergh
(daselbst, B 106): „Voor een paer mouwen van maeken: 16 st.; voor een coorde tot de
mouwen: 6 st. 12 penn.quot; - 1628, Rechnungen für Maddalena Lambrechts (a. a. 0.):
„Noch een paar kaffe mouwen ghemaeckt, verdient 12 st.; noch een paer schaeibomme-
sijne mouwen met twe stijcksels: 14 st. usw.quot;

quot; Die Ausstopfung erfolgte mittels Draht oder Fischbein, was z. B. hervorgeht
aus den folgenden, bei Kelly (a. a. 0.) erwähnten Zitaten: 1596, S. Gorson: „Pleasant
Quippesquot;: „These monstrous hones that compass arms.quot; - 1603, Florio: „Montaignequot;:
„... as they make trunksleeves of wyre, and whalebone bodies, backes of lathes and
stiff bumbasted verdugals.quot; - Man vergleiche auch die mittels Reifen aus Fischbein
gesteiften Ärmel aus den dreißiger Jahren, aufbewahrt im „Friesch Museumquot;, Leeuwarden
(Beschreibung auf S. 78).

Die Zier-
ärmel
1600-1610

1610-1620

Die Ärmel
1600-1610

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ausgestopfte Ärmel aus vielen schmalen Bauschen zusammengesteUt,
die dem modernen Beschauer (man verzeihe mir den Vergleich!) immer
das Bild der bekannten „Michelinmännerquot; ins Gedächtnis rufen.

Eine Verzierung mittels kleiner, zu Reihen oder Rosetten angeord-
neter Schlitzungen ist bei diesen Formen allgemein üblich.

Enge Ärmel gehören anscheinend hauptsächlich nur zu den Miedern
mit flachen Schulterklappen. Auch sie können in ähnUcher Weise mit
Schlitzungen verziert sein oder sonst mit Besatzstreifen oder Schlitzen
auf den Nähten.

Nach 1610 wird die Frequenz der engen Ärmel bedeutend größer;
sogar zu den Schulterrädern und -raupen können solche vorkommen.

Als einziges Novum entstehen daneben aus den damals nicht mehr
gebräuchlichen „Michelinärmehiquot; solche, die aus einigen (4-6) größeren,
lockeren, geschlitzten Bauschen zusammengestellt sind.

Das Mieder mit Ärmehi hat niemals Schulterwülste. Vielmehr bat es
den Anschein, als ob es über einem anderen Mieder mit solchen Wülsten
getragen würde, nach der Form der Ärmel zu schließen, die glatt an-
liegen und nur an der Schulter nach oben zu ausgestopft sind.

Das Ornament an diesen Ärmeln besteht vorzugsweise aus Streifen
über die ganze Länge. Bei den weiten Ärmehi war im allgemeinen ein
horizontal gerichtetes Ornament bevorzugt, wodurch die Breite noch
betont wird; hier aber liegt auch durch das Ornament der Hauptakzent
auf der Länge.

Wie schon zur Genüge aus den bei der Besprechung des Mieders
zitierten archivalischen Belegen hervorgeht, wird das Mieder durchweg
als „li^fquot; oder ähnlich bezeichnet. Manchmal auch finden wir die Be-
zeichnung „zieltjequot; (bzw. „onderzieltjequot;), dessen Diminutivform mit
dem deutschen Worte Leibchen zu vergleichen wäre. Das Wort „zielquot;
findet sich dennoch nur höchst selten. Betreffs der Bezeichnung „borstquot;
vergleiche man S. 101. In den dreißiger Jahren treffen wir auch das

1610-1620

II. Mieder
mit Ärmeln

Bezeichnung

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Wort „hongerlijnquot; (vom französischen „hongrelinequot;, vermutKch von
„hongrequot;: „hongroisquot;). Dies soll aber (nach de Vries: „Verspreide taal-
kundige opstellenquot;, 246) vielmehr ein Jäckchen bezeichnen.

Der Rock

Um 1600 ist der Rock weit imd reicht bis zum Boden; manchmal Um 1600
bildet er sogar eine kurze Schleppe. Er liegt dann entweder flach an
oder steht einigermaßen von der TaiUe ab.

In Stoff und Farbe brauchen Rock und Mieder dann noch nicht
übereinzustimmen.

Im ersten Jahrzehnt ist die Gestalt derart, daß sie zu bezeichnen wäre als J 600-1610

I.nbsp;der rundhch aufgedunsene Rock. Nach einigen Jahren kommt dazu

II.nbsp;der tonnenförmige Rock.

Man fängt in diesen Jahren an das Abstehen an den Hüften mittels Der

eines nmden Wulstes zu erzielen, den man dort umbindet i. Der Rock
T quot;Tii -i ^ ^ nnbsp;oujgeaunsene

liegt ziemhch glatt über dem Gestell und geht dann gerade herunter Rock

bis zu den Füßen, ohne zu schleppen.

Der Überrock wird jetzt aus demselben Stoff und in derselben Farbe
getragen wie das Mieder. Manchmal klafft er vom über die ganze Länge
auseinander und zeigt den andersfarbigen Unterrock, und wo der Über-
rock noch ringsum geschlossen ist, wird er - eine Modegebärde, die schon
hier zu erwähnen ist - auf einer Seite mit der Hand etwas gehoben, damit
doch ein Stück vom Unterrock sichtbar wird.

Gleich unter dem Unterrande des Mieders kommt wohl einmal ein
schmaler Wulst vor, von dem es nicht sicher ist, ob er aus dem Stoff des
Rockes gebildet oder ob er nur ein loses Stück ist.

Um 1605 tritt neben dieser Form gewissermaßen eine strenger II. Der-
akzentuierte Stilisierung derselben in Erscheinung, indem der abstehendenbsp;k

Oberteil horizontal abgeflacht wird und der Stoff weiter gerade hemnter-
fällt, so daß eine richtige Tonnenform entsteht. In den meisten Fällen
ist die flache Oberkante von einer aufgelegten Krause in derselben Größe
und aus dem Stoffe des Rockes bekrönt Die Füße sind jetzt ganz frei3.

^ Auf einer Zeichnung von Jan Breughel im Amsterdamer Prentenkabinett, einen
Raubüberfall darstellend, zeigt sich noch ein anderes Gestell, das wie eine gesteifte und
geschweifte Fläche die Hüften umzieht. Die Wülste selbst waren aus Leder; vgl. 1626
eine Schneiderrechnung wieder für Maddalena Lambrechts (a. a. O.): „Noch aen roet
leer tot de vrongge en volsel in de vronghe saeme: 5 st.quot;

quot; Der Ursprung dieser sonderbar anmutenden Verzierung ist unklar. Mir kommt
es wahrscheinlich vor, daß er
formal aus dem schmalen Wulste am Unterrande des
Mieders entstanden sein könnte, daß dabei aber als wichtigerer Faktor die obenerwähnte
Tendenz zur Stilisierung in Frage kommt. Der lockere Faltenwurf des Stoffes über dem
flachen Teil wird eben in ein festes System gezwängt.

3 In dieser Form gleicht der Rock vollkommen dem französischen „vertugadinquot;
(vertu-gardien!), wie man ihn schon unter Heinrich III. von Frankreich trug (vgl. S. 116).

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1610-1620 Im zweiten Jahrzehnt bleiben die obigen Typen weiter bestehen.
aufge^fftenbsp;namenthch der erste Typus ein ganz anderes Aussehen,

Überrock weü das Sichtbarmachen des ersten unteren Rockes noch weiter durch-
geführt wird, mdem man jetzt den Überrock ringsum in die Höhe rafft.
Der Wulst um die Hüften kann auch da noch beibehalten werden, so
daß der aufgeraffte Rock ringsum einen starken Bausch büdet; an-
schemend wird er aber auch gelegenthch fortgelassen, so daß dann der
Rock, wenn man ihn nicht rafft, glatt herunterhängt.

Der Unterrock hat eme stark gegen die des oberen Rockes kontra-
stierende Farbe. Unten ist er mit emem Besatz aus emigen Bändern
versehen, die parallel zum Saume gestellt sind, und von dort aus vorn
in der Mitte vertikal in die Höhe gehen.

Bezeichnung Den Überrock bezeichnet man durchweg als „bouwenquot; i. In vielen
Fällen schemt dieses Wort jedoch auch auf das ganze Kleid übertragen
zu werden, also auf die Zusammenstellung von Rock und Mieder. Das
Mieder bezeichnet man dann als „bouwhjfquot;. Man vergleiche dazu z. B. die
auf S. 37 zitierte Schneiderrechnung, wo erst verzeichnet ist: „een
bouwen gemaecktquot; und wo dann die zum „bowheffquot; außer dem Stoff

Auch in HoUand trifft man gelegentlich die französische Bezeichnung, wenn auch oft in
verstümmelter Form. Vgl. z. B. die obenerwähnte Schneiderrechnung: „Noch een
fardegaHjn gemaeckt... Noch een fardegaüjn uit huis laete laesse ende opgemaeckt.quot; -
1628, Rechnung für dieselbe: „Noch een fardeUjn ghemaeckt, verdient 0.14.0 Noch
van versinen van het isser 0. 8. 0.quot; Hieraus geht hervor, daß der vertugadin wenigstens
m späteren Jahren auch mittels Metallbändem in der Form gehalten wurde. - Für die
Gestalt der Damen mit diesen Röcken vergleiche man C. v. Mander (a. a. 0.), der sagt,
sie seien so breit „als den seldtsamen Ros baeyaert, datse qualijck door eenige deuren
moghenquot;.

^ Vermutlich (nach dem „Alg. Woordenboek der Ned. Taalquot;) vom Mittelnieder-
ländischen „baldekijn - baudekijnquot; (französ seh „baudequinquot;), Bezeichnung von kost-
baren Seidenstoffen aus Baldac (Bagdad); daher ein Kleid aus diesem Stoff. Später wurde
das . Wort irrtümlich als Diminutiv eines nicht bestehenden Wortes „baudequot; angesehen,
das sich in der Umgangssprache schon bald zu „bauwequot; oder „bouwequot; umgestaltet hat.
Woher da aber das später selten fehlende n am Ende des Wortes gekommen ist, bleibt
nach dieser Deutung fraglich. - Bei Kiliaen: „Cyclas, vestis longa, spatiosaquot;. - Ver-
gleiche Stalpert van der Wiele: „Agnes Kleederpracht versmaadquot; (Vrouwel. Cieraet, 110):
„De bouwen, die om \'t lijff haap had gehangen sluik,
verheft ze op de heup met opgefronste wrongen;
en daer te voren was een ongeplooiden schoot
van zwart of donkergraauw, daer gloeit nu niet dan rood,
daer blinkt nu niet dan gout..

(Der „bouwenquot;, der einst glatt ihr um den Körper hing,
den hebt sie auf die Hüft\' und fältelt ihn zum Wulste;
und wo sich früher zeigt\' ein grader, glatter Schoß
von Schwarz oder von Gran, da glüht jetzt alles rot,
da glänzt jetzt nichts als Gold .. .)

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noch extra verwendeten MateriaUen erwähnt werden. Die Bezeichnung
„houwhjfquot; allein kommt auch manchmal vor^.

Den Unterrock, besser den zweiten Rock, pflegt man als „keursquot;
zu bezeichnenobwohl der eigenthche Unterschied zwischen „keursquot; und
Überrock nicht immer streng bewahrt bleibt. In Rechnungen der fünfziger
Jahre werden wir dem Mieder dann auch häufig unter dem Namen „keurs-
hjfquot; begegnen, der in derselben Weise wie „houwhjfquot; entstanden sein
muß. Es hat sich nur das Wort „keurshjfquot; bis auf unsere Zeit bewahrt
und ist dann schheßhch manchmal wieder zu „keursquot; abgekürzt worden,
das also in dieser Weise den Sinn gewechselt hat und jetzt „Miederquot; bedeutet.

Auch das Wort „onderrokquot; (Unterrock) wird wiederholt gebraucht.
In erster Linie scheint dieses aber den wirkhchen, also unsichtbar ge-
tragenen Unterrock zu bezeichnen.

Das Aufraffen gilt als ein Zeichen modischer Eleganz. Puritanisch
gesinnte Frauen, die Wert auf schhchtes Aussehen hielten, heßen den
Überrock glatt herunterhängen, dasselbe war auch bei Trauer der Fall®.

^ Außer dieser vergleiche man noch z. B. eine Rechnung für Liesbeth Molijn
a. d. J. 1621: „Een bovlief gemaeckt geboert met twee coerden, van maecken: 1 Gld.
16 st.quot; usw. - 1630, Rechnung für Maddalena Lambrechts (a. a. 0.):

„Een grofgreine bouwen ghemaeckt. Noch aen stijfsels op de schoerennbsp;9 st.

noch aen stijfsels in des bragocnennbsp;8 st.

noch aen balijnen ende aen haeke en lussennbsp;7 st.

noch 22 eilen gaellom tot de strikken, d\'elle 1 st. 4 p. comtnbsp;35 st.

^ „Keursquot; soll ursprünglich die Bezeichnung eines weiten Überkleides gewesen sein.
Das Wort „Keursquot; (Kürsche) bezöge sich dann auf die Pelzfütterung solcher Eileider in
ihrem oberen, auch äußerlich markierten Teil. Als sich später Rock und Leibchen trennten
- Anfang des 16. Jahrhunderts -, blieb der Name, ohne daß die Sache sich erhalten hätte.
Im 16. Jahrhundert kommt das Wort dann schon als Unterrock vor. Man vergleiche
„Den triumphe ende \'t palleersel van den vrouwenquot;, übersetzt nach Olivier de la Marche
(zitiert bei Frl. Dr. de Jonge, Oud-Holland, 1919): „Den onderrock oft cours / een cleer-
maker behoeft ons ghereet / om mivrouwe eenen cours te maken ter stede.quot; — („Ung
consturier nous convient rencontrer pour coste simple tailler a ma princesse.quot;) - lm
übrigen z. B. 1635, Adr. v. d. Venne: „Tafereel van de belacchende wereltquot;:

„Deck jou Aensicht mitje Hoetje,nbsp;(Bedeck\'s Gesicht dir mit dem Hütchen,

duyckje, deckje mitje goetje,nbsp;duck dich, deck dich mit den Kleidern,

setje Keurs en ongderrocknbsp;zieh\' dir „Keursquot; und Unterrock

als een Heuckje of een Klocknbsp;wie ein Heukchen, wie \'ne Glocke

Over \'t Hooft, of om jou Schoere.quot; über Kopf und über Schultern.)
Im Dialekt der Bevölkerung Zeelands heißt auch heute noch „Kensquot;: Rock.

\' „Ze is een beniste-zus, de bouwe glijdt er van \'t lijf / wat is ze stemmig met er
platte bouwe!quot; (Ein Mennonitenschwesterchen ist sie, der „bouwenquot; geht ihr glatt
herunter, wie sittsam schaut sie aus mit ihrem flachen „bouwenquot;.) Zitat bei Schotel:
„Oud-Holl. huisgez.quot; (S. 127), ohne Angabe woher; im „Algemeen Woordenboek der
Ned. Taalquot; in derselben Weise zitiert, mit Hinweis auf Schotel. Dies könnte sich aber
auch auf die fehlende Wulstunterlage beziehen. - Vondel (2, 241) als Trauer: „Dat de
sluier met zijn vouwen / gord\' den neergeslagen bouwen.quot;

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fchünlnbsp;Taüle eine andersfarbige Schärpe.

Über dem Rock wird regelmäßig, und nicht nur wo es die Praxis
verlangt S eine Schürze getragen, die man entweder unter die Spitze des
Mieders schiebt oder darüberbindet,
so daß es dann beim ersten Anblick
scheint, als ob das Mieder gegen den Rock hin gerade endete.
Die Schürze kommt in mehreren Formen vor:

I.nbsp;Groß, über den Rock gespannt, wobei hinten zwei Zipfel zusammen-
geknotet werden,

II.nbsp;Schmal, umgebunden mit Bändern, die auf der Oberkante (nicht
an den Ecken) anfangen, so daß die Ecken wie lose Zipfel herabhängen.

III.nbsp;Schmal, mit Bändern an den Oberecken (die heutige Form also).
In den meisten Fällen hat die Schürze die Länge des Rockes und ist

dann, wie dieser, unten mit einem Band gegen das Abnutzen versehen
(Wohl ähnUch wie die Besenlitze, die sich noch bis in die ersten Jahre
des 20. Jahrhunderts erhielt.) Weil man die Schürzen in vielen FäUen
als reine Zutat zur Vervollständigung des Ganzen trägt, können sie auch
aus feinen Stoffen hergestellt werden und mit Spitzenborten versehen sein,
die Farbe ist jedoch meist weiß, schwarz oder violett 3.

Der Vlieger

Das Typische am niederländischen Kostüm Uegt neben der Haube
in erster Linie in dem „vliegerquot; ^ ein schwarzes, tappertartiges Über-

1 Vergleiche die auch zum Sonntagskleid nie fehlende Schürze der heutigen Bäuerinnen-
tracht. - Die Schürze ist manchmal notwendig zur Vervollständigung des Kostüms zum
Ausgehen! Vgl. J. J. Starter: „Kluchtig \'t Samenzang van drij personagiënquot;, 1621 Z.77 ff.:
„Hoe soud\' ick met U uytgaen, ick ben toch niet gekleed?
Ick heb geen kraegh, geen schorteldoeck, geen huyf, noch niet een beet;
en sagen dat de Meisjes, zij souwen met mij gecken;
Maer wilje na mij wachten, ick salse aen gaen trecken.quot;

(Bin doch nicht angezogen, wie köimt\' ich ausgehn denn mit dir?
Hab\' keinen Kragen, keine Schürz, und auch fehlt noch die Haube mir.
Kein Mädchen bei dem Anblick das Lachen halten kann;
Willst du nun aber warten, so zieh\' ich gleich mich an.)
^ Vgl. Schneiderrechnung, 1629 (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 716):
„Noch een laeke rock gemaeckt met twee koorde en de naen met lynt beleit, verdient 1 gul.
noch een stoetkant daertoe gecoft van 1 gul. 5 st.

noch een rasse schort gemaeckt met een stoetkant ende ondergestyckt, verdient 14 st.quot;

® Vgl. 1619, Rechnungen van den Berch (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 106):
„Noch paers hontskoet tot twee schoortekleen 2 gd - 7 - 0.quot;
1622, Nachlaßinventar der Witwe Molijn (a. a. O.):

„Twee witte schortecleen..... II guld.

een swart sije schortecleet.....IUI „

een borat schortecleet.......III „

een heeresaye schortecleet..... II „ IX st.quot;

* Der Vlieger wird immer in Zusammenstellung mit der Haube und dem geschlosse-
nen Kragen, meist Krause, getragen,

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kleid, dessen Ursprung, meiner Ansicht nach, wurzelt in dem „weiten
Rockquot;, dem untaillierten, weiten Überkleid der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, das mit und ohne Ärmel vorkommt und sich nach unten zu er-
weitert, so daß es dem Körper eine kegelförmige Gestalt verleihti.

1570 (bei Maerten de Vos im Doppelbildnis von Gilles Hoffman und
Margaretha van Nispen, Amsterdam, Rijksmuseum, 2595) hat das Kleid
noch halbe Puffärmel, und zum erstenmal zeigt es sich mit einer TaiUie-
rung im Rücken, in einer versteiften Form also. Dazu ist es nur am Halse
geschlossen und klafft sonst über die ganze Länge auf, so daß darunter
das Mieder sichtbar wird.

In den nächstfolgenden Jahrzehnten kann man die weitere Ent- 1600-1610
Wicklung verfolgen. Die Farbe bleibt schwarz, und in den Ärmeln richtet
sich der VUeger nach dem Mieder: er hat also entweder keine eigenen
Ärmel und Schtdterwülste oder -räder an den Ärmellöchern, oder er
hat die oben radförmig ausgestopften Ärmel.

Nebeneinander erhalten sich eine versteifte und eine lose Form des
Yhegers.

Gern wird das dazu getragene Mieder in einer anderen Farbe ge-
wählt. Der Rock, der unter dem Vlieger getragen wird, kann der oben
geschilderten, modischen Entwicklung folgen und also in einer der dort
beschriebenen Typen vorkommen.

In den Jahren gegen und um 1610 verliert der VUeger seine lockere 1610-1620
Form; das ganze Kostüm wird stattlicher, alles Zufällige, wie es sich bei

1 Mehreren Schriftstellern ist es, wenn sie diesen sehr oft vorkommenden Namen
erwähnen, nicht recht klar, was damit eigentlich gemeint sei, obwohl sie eine Ahnung
haben, daß es sich um ein weites Überkleid handelt (Le Francq v. Berckhey, a. a. 0.,
III, S. 587/588; Schotel, „Oud-HoU.quot; huisgez,, S. 129; eine richtige Beschreibung im
„Kabinet van Mode en Smaakquot;, III, 1792, S. 290). Jede Unsicherheit wird behoben bei
Jac. Cats, „Houwelijckquot;, Kap. Vrouwe (in der Ausgabe von 1642, S. 95/96), wo im Text
von einem „vliegerquot; die Rede ist und eine Illustration ganz deutlich Auskunft gibt über
die Form des Stückes.

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emem locker waUenden Vlieger hervortun kann, wird ausgeschieden, und
im Schnitt ist die Wirkung schon im voraus bestimmt. Der Vheger ist
dann nicht länger am Halse geschlossen, so daß er nach unten aufklafft,
sondern er hängt oder besser „stehtquot;, über die ganze Länge offene Der
Oberteil schmiegt sich dem Oberkörper an, der untere Teil ist m der
Taille angefältelt. Manchmal ist dies so stark durchgeführt, daß das
Kleid voUkommen den Typus emes gesonderten Überkleides verhert
und sich vielmehr wie eme zweite Robe anschmiegt.

Die Ärmel, auch die „Miederärmelquot; des „ärmellosenquot; Vhegers,
werden jetzt immer schwarz; sie erhaben also nicht länger die Farbe des
Mieders, das übrigens selbst erstarrt ist zum lose getragenen Bruststück
(s. unten S. 47). Dieses trägt noch dazu bei, den ursprünghchen Em-
druck eines „ t/Äcrkleidesquot; zu mmdern. Hinten hat man oft einen flachen,
viereckigen, etwas abstehenden Kragen, und bei den reichen Patrizierinnen
wird das Statthche und zugleich immerhin einigermaßen Flatternde, dem
dieses Stück ursprüngUch semen Namen verdankt 2, noch besonders ge-
hoben durch einen Rückenmantel aus demselben Stoff®.

1nbsp;So wird der Vlieger in der Regentinnentracht zu einem Hauptstück, sein statt-
üches Gepräge bestimmt dann das ganze Aussehen.

2nbsp;Vergleiche die Erklärung des Namens „vUegerquot; in der obenerwähnten Beschrei-
bung im „Kabinet van Mode en Smaakquot;: „In een dictionnaire van 1654 wordt het ver-
taald door Stola, vrouwentabbaart. . . Een vUeger, zegt Georgius Colvernius, is bij de
Nederlanders een opper- of overkleed, van voren open en nu genoegzaam aan de vrouwen
aUeen behoorende, ontleenende zijn naam van de vUegende beweging (a volando) welke
hetzelve, door den aankomenden wind maakt. Schertsenderwijze wordt het doorgaans
een hond (canis) genaamd, omdat, wanneer dit kleed van den wind opgetüd wordt,
hetzelve achteraan, als een hond volgtquot; (im Sinne des späteren „suivez-moiquot;). (In einem
Wörterbuch von 1654 wird es übersetzt als Stola, Frauentapperl... Ein „Fliegerquot;, sagt
Georg Colvemius, ist bei der Niederländerin ein vorn offenes Überkleid, das jetzt nur
zur Frauengarderobe gehört, und den Namen der fliegenden Bewegung entnimmt, die
dieses Stück durch den Zug des Windes macht. Im Scherze nennt man es manchmal einen
Hund, weü das Kleid, wenn es vom Winde aufgenommen wird, von hinten wie ein Hund
folgt.)

3nbsp;Eine deutüche Abbildung mit Rückenansicht fehlt mir leider bisher; man muß
also nach den Porträts mit mehr oder weniger frontaler Ansicht zu schUeßen versuchen.
Daß diese Zutat nur bei feineren Exemplaren, also nur von den vornehmsten Damen^
getragen wird, ist sicher. Bezüglich der Form kann man nur mit
Sicherheit bestimmen,\'
daß eine breite Quetschfalte nicht in Frage kommt; denn wo ein Gürtel über dem Vlieger
getragen wird, geht dieser unter dem „Rückenmantelquot; durch. Daß man erst an Schein-
ärmel denkt, ist klar, aber nirgends kann man es mit Sicherheit beweisen, obwohl dieses
Stück merkwürdigerweise besonders oft bei dem „ärmeUosenquot; Vlieger vorkommt. Für
einen Rückenmantel könnte vielleicht obiges Zitat sprechen, aber vor aUem die Tat-
sache, daß am BUdnis einer knienden Stifterin von Thomas de Keyser (1628, BerUn,
Kaiser-Friedrich-Museum), obwohl diese in ganzer Figur dargestellt ist, doch nichts
WesentUches auf Zierärmel hindeutet. Auch vergleiche man Goltzius\' Stich von der
Königin EUsabeth (B 225) mit Vlieger und dazu ähnHchem Rückenmantel aus Pelzwerk.

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1625 Frans Hals
aus einem vertikalen Bande als Borte,

Die Verzierung besteht
schwarz wie der Vlieger selbst, aber aus anderem Stoffe; gelegentlich
gibt es auf den Schulterrädern einen Besatz von Schleifen aus Schnürsenkeln,
und auf den Ärmeln ein Band oder Rosettenbesatz auf den Nähten und
(oder) über dem ausgestopften Oberteil.

Als Wintertracht kann der Vlieger auch mit Pelzwerk gefüttert sein,
und längs den vorderen Borten ist er dann auch damit verbrämt.

Wie oben schon angedeutet, wird nun der Vlieger tatsächlich aus Das
einem Überkleid zu einem regelrechten Kleid, und damit wird auch das ■^\'■quot;«\'s\'quot;«*\'
früher unter ihm sichtbare Stück des Mieders konfektioniert zu einem
losen Bruststück, der „borstquot;, aus anderem Stoff und manchmal auch
aus anderer Farbe, der als richtiges Konfektionsstück einzehi käufhch ist 2.

^ Vgl. 1622, Inventar Witwe Molijn (a. a. O.): „Een boratte vlieger met een lijf-
eoorde ende fluweelen opslagen.quot; - 1644, W. D. Hooft: „Jan Salyquot;: „Als voor ierst ien
grofgrijne vlieger / met fraije zijdeachtige legetuure opslagen . .. / In daerbij noch ien
lakense vlieger van heur alderbeste Bouwen / daer hetse ien paer bratte opslagen in laeten
zetten / om voor haer Sundaeghse te houwen.quot;

^ Vgl. 1617, Breeroo: „Spaensche Brabanderquot;:

„\'t Hantwerpen gheen soo siecht, die haer vrouwen niet koopen
borsten van goud en zijd, geeiert met gouwen knoopen.quot;

1622, Nachlaßinventar Witwe Molijn (a. a. 0.):

„Een sijsatijne borst........10 guld. 9 st.

een

swart sijsatijne borst . . .

»»

2 „

een

sijdamaste borst.....

»»

19 „

een

swart fluweele borst . , ,

... 9

9?

19 „

een

swart roulaken borst . . .

... 8

1 „

een

swart laken borst.....

... 2

99

12 „

1628, Inventar Christina Everaerts (Oud-HoUand, 1907, S. 59/60): „Zijddamaste
vlieger met een geborduurde borst metgoud en swart satijn: 44 guld.quot; - 1644, W. D. Hooft:
„Jan Salijquot;, Beschreibung einer Brautaussteuer: „...vier borsten, het ierst ferwiel,
de tweede zatijn, de derde sijdbeelt, \'t vierde van een heeresaaitje.quot; - 1620, im ersten
Inventar Molijn (nach dem Tode des Jan Molijn) liest man: „Een lakense vlieger met een
fluweel lijflF.quot; Daß hier auch das Bruststück gemeint wäre, ist wohl wahrscheinlich.

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Die „bomquot; ist sehr lang. Oben geht sie bis an den Hals hinauf,
ihre untere Hälfte ist stark ausgewölbt und sehUeßt dabei rund ab^
An dieser Unterkante kann eine Reihe von Klappen entlanggehen oder
sie kann auch in anderer Weise ausgezackt sein. Eine Knopfreihe läuft
öfters in der Mitte über die ganze Länge. Die besseren Exemplare sind
mit reichen Stickereien^ oder gar mit Edelsteinen geschmückt und geben
Anlaß zum größten Aufwand.

c J^r rnbsp;schwarze Bruststücke trägt, wird dazu der

Stoff der Ärmel gewählt, „borstquot; und Ärmel bilden dann eine GamiturS

Unter dem Vlieger wird jetzt, im zweiten Jahrzehnt, nicht mehr
jeder behebige Typus des modischen Rockes getragen, sondern immer
em Kock, der auf den Seiten nur wenig absteht, aber sehr stark vorn
unter der Wölbung des Bruststückes. Er wird dazu an dieser Stelle von
emem untergelegten Kissen unterstützt*.

Auch dieser Rock kann vorn offen sein, so daß der Unterrock sieht-
bar wird. Aufgerafft wird er aber nie.

Das „spanischequot; Überkleid

In wenigen Fällen trifft man ein richtiges spanisches Überkleid, das
untadhert und kegelförmig bis auf den Boden heruntergeht«. Es ist
immer mit Zierärmehi versehen, die besonders in den folgenden Typen
vorkommen:nbsp;onbsp;/ r

a) Wie richtige Ärmel, in der Mitte aber durch einen horizontalen
Scl^tz m zwei Teile geteilt, so daß die obere Hälfte den Oberarm um-
schließt, die untere aber lose herabhängt.

^ Das Bruststück wird mittels Fischbein und Lederfutter oder Ledereinlagen
versteift. Man vergleiche z. B. die Rechnung des Schneiders, der die Brautaussteuer
der Elysabeth van der A, Tochter einer sehr wohlhabenden Delfter Familie, versorgte
(November 1626, Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 1): „Aen baleyn, malietges ende leer in
de schooten van deze vier borsten: 3 gld. 4 st.« Dieses belehrt uns zugleich auch dar-
über, daß die Bruststücke mittels (misichtbarer) Nesteln an das Kleid befestigt wurden.

Vgl. 1616, Hooft: „Warenarquot; (Z.702£F.):.....het is haerBruydts-borst, \'t Bloemt-

jen sal bmnen gout wesen en men sal om de rant groenen.quot; - 1623, „Zeeuwsche Nachte-
gael : „Een borst van gouden laecken/ dat gUnsterglans sal blaecken/ oft borduursel
Ott graveer/ met klmkant en weerschijn weer.quot;

« Vgl. 1622, Inventar Witwe Molijn (a. a. 0.): „Een swart caffa borst ende mouwen;
een oude gecoleurde borst mit swarte mouwen.quot; Ob letzteres darauf hinwiese, daß ge-
legenthch auch ein farbiges Bruststück mit den schwarzen Ärmeln zusammen eine Gar-
mtur bilden könnte?nbsp;,

« Vgl. 1619, Nachlaßinventar der Witwe Graswinckcl (a. a. 0.): „Vier buyck
cussentgens.quot; - 1623, Versteigerungsliste des Nachlasses der Witwe Molijn (a. a. 0.)-
„Twee buyckcussentjes: 1 gld. 8 st.; twaalf buyckcussesloopen: 20 stquot;

« Beque^chkeitshalber wird dieses Kleid als „spanischquot; bezeichnet. In Italien
hZai^\') \'\'\'\'\'\'nbsp;übernommen, ebenfalls gebräucUich (vgl. z.B. „Vestiti

Der Rock

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b) quot;Wie die vorige Form, mit dem Unterschiede, daß die beiden Hälften
vom über die ganze Länge aufgeschhtzt sind, so daß sie beide frei von
oben herabhängen.

Populär oder nur einigermaßen volkstümhch ist dieses Stück hier
nie geworden. Wenn in den wenigen Fällen, in denen wir ihm auf bild-
Uchen Darstellungen begegnen, die Trägerinnen nicht gar Ausländerinnen
sind, so verrät das Tragen des spanischen Überkleides doch immerhin
einen Zug eklektischer Preziosität. So wird es bei Fürsthchkeiten ge-
troffen. (Der Hof verhielt sich gegenüber den Trachten des eigenen Landes
immer ablehnend und hat die richtig „nationalenquot; Stücke, wie Haube
und Vheger, nie angenommen.)

Der Ursprung des „spanischenquot; Überkleides ist, wie der des Vhegers,
wohl im alten, kegelförmigen „weiten Rockquot; zu suchen (vgl. S. 45).
Der erste und meist charakteristische Unterschied hegt aber jetzt in den
Zierärmeln. Nun ist es merkwürdig, daß (wohl aus demselben Hange nach
Preziosität) gerade diese im folgenden Jahrzehnt häufig auch am Mieder
übernommen sind (vgl. S. 39).

Das Jäckchen

Besonders von einfachen Leuten und schhchten Bürgersfrauen wird
über das Mieder ein ärmelloses (?) Jäckchen getragen. Ob die dazu vor-
kommenden Schulterräder xmd -raupen zum Mieder selbst gehören, ist
fraglich. Beim Tragen sind die beiden vorderen Schoßecken der Be-
quemhchkeit wegen immer nach hinten zusammengenommen und dort
verknüpft; meist mittels eines Bandes, das die beiden Schoßecken ver-
bindet und mit Knöpfen darauf befestigt ist.

Überärmel

Ebenfalls bei Bürgerfrauen (und deshalb hier bei den Jäckchen er-
wähnt) trifft man Überärmel, die vom Handgelenk bis über den Ellbogen
gehen und die als Ärmelschoner dienen sollten^.

1 Auch in der Männertracht scheinen diese Ärmel gelegentlich vorzukommen. ^
Zwar habe ich davon keine Abbildung finden können, aber aus einem Satz in Breeroos

4nbsp;49

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Die Heuke

Auf Winter- und Eislandschaften mit Staffage fällt es immer auf
\\vie wenig man sich durch Mäntel gegen die Kälte zu schützen pflegt i!
Schhttschuhlaufende Damen sieht man kaum anders angezogen als zu
Hause; barhäuptig oder nur mit der Haube und mit unbedecktem Mieder.
Wenn man den VUeger trägt, so dient oft dessen Pelzfütterung als Mantel!
Sonst muß man annehmen, daß man sich nur durch Übereinanderanlegen
vieler Bekleidungsschichten gegen die Kälte schützt. Daß schon damals
die HoUänder (wie jetzt noch die Bauern, Fischerfrauen und alte Leute)
vor so lästigen vielen Lagen von Kleidern keineswegs zurückscheuten,
bezeugt auch OUver Goldsmith 2; „Der richtige HoUänder ist die sonder-\'
barste Figur auf der Welt. . . (er) trägt. . . keinen Rock, aber sieben
Westen und neun Paar Hosen, so daß seine Hüften beinahe unter den
Achseln anfangen ... Die HoUänderin zieht für jedes Paar Hosen ihres
Gemahls zwei Unterröcke an . .

Als einziger Überwurf wird die „huikquot; (Heuke) getragen: ein langer
Mantel, der über den Kopf geht und dann gerade herunterfäUt; manch-
mal bis zum Saume des Rockes.

Man trägt die Heuke auf der Straße, und ebenfaUs soll die schwarze
Heuke auch als Begräbnistracht bei den Amsterdamer Frauen aUgemein
gebräuchUch sein^.

„Moortjequot; („het tweede deel, eerste uytkomenquot;) geht dieses hervor: „Steeds was hij op
\'t kantoor en met de nues in \'t Boeck; sijn mutsjen op sijn hooft, sijn mouwen an voor
\'t wrijven.quot;

1 „Pour acquit de consciencequot; muß ich es aber nicht unerwähnt lassen, daß in
Inventaren u. dgl. manchmal von Mäntelchen die Rede ist, z. B. 1622, Nachlaßinventar
der Witwe Molijn: „Een bourat manteltgen; een heeresaye manteltgen.quot; - 1629, Inventar
der Witwe Cam (a. a. 0.): „Een heresay mantelken met bragoenen. Een heresay mantel-
ken sonder bragoenen. Een schoermantelken.quot; - Noch 1652, Brief von Antony de Man
an seine Nichte Aeltgen van Halmael (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 721): „. .. ende
meteen die vijftien gulden van het kaffa mantelken, die mijn huysvrou van u moeder
heeft gekocht.quot; VieUeicht ist mit „schoermantelkenquot; (Schultermäntelchen) ein kurzer, bis
zu den Ellbogen reichender, capeförmiger Umhang gemeint, wie dieser
ausnahmsweise dar-
gesteUt ist bei A. v. d. Venne (Amsterdam, Rijksmuseum, 2495), wo eine Schlittschuh-
läuferin ein solches Cape, mit Hermelinverbrämung (und wohl auch Fütterung), trägt. Die
anderen Mäntelchen mit „bragoenenquot; müssen aber Ärmel haben. Das einzig Mögliche schemt
mir, daß hier nicht gar Mäntel in unserem Sinne als vielmehr Jäckchen gemeint sind, so wie
diese in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr gebräuchlich wurden.

^ Zitiert von Hottenroth: „Handbuch der deutschen Trachtquot;.

® Schotel: „Maatschapp levenquot; (S. 448). Er belegt diese Behauptung aber nicht.
Man vergleiche jedoch Breeroo: „Spaansche Brabanderquot;, 1617 (Z. 404ff.): „. , . Wabbetje
Klonters weeter of.., Sij weetje op een prick hoe veel volcx datter mee te groef gaet,
hoe veel rouwmantels, hoe veel korten, hoe veel huycken, hoe veel falyen.quot; (Wabbetje
Klonters weiß davon... Sie weiß ganz genau, wieviel Leute mitgehn zum Grabe, wie-
viel Trauermäntel, wieviel kurze Mäntel und Heuken und Schleier.)

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Die Heuke gilt als charakteristisch niederländisches Stück im weite-
sten Sinne. Sie war also über die nördhchen und südlichen Niederlande
sowie in den angrenzenden niederdeutschen Gebieten bis an die Ostsee-
küste verbreitet^.

Die ungeheure Popularität des Stückes beweist wohl die Tatsache,
daß sich einige daran entlehnte Sprichwörter noch bis zu dem heutigen
Tag erhalten haben

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trifft man die Heuke
in zwei ganz verschiedene Typen an, von denen ich den ersten selten in
Holland, häufig abelt in den südlichen Niederlanden habe nachweisen
können und die zu bezeichnen wären als

I. „Verdeckheukequot;, II. „Schnabelheukequot;.

Die Verdeckheuke hat einen, wohl mittels Draht oder Fischbein I-
gesteiften Oberteil, so daß dieser „wie ein Kutscherverdeck über jem
Kopf vorstehtquot; 3.

Bei dem zweiten Typus schheßt der „Mantelquot; auf dem Kopfe an und II- Schnabel-
ist
dort angefältelt an einem schnabelförmigen Handgriff, dessen Gestalt ^^^^^
vielleicht am besten zu vergleichen wäre mit einem länglichen, spitzen
Spaten1.

^ Vgl. auch Hottenroth: „Deutsche Volkstrachtenquot; (II, S. 67). Den Namen des
Stückes treffen wir schon im 15. Jahrhundert und offenbar war die Heuke schon damals
ein Mantel. Man lese nur eine von Schotel (Oud-HoU. huisgez., S. 288) zitierte Heirats-
besc^eibung in Utrecht im Jahre 1466: „... daer Geertruyde voors. een soon, geheeten
Gerrit, tegenwoordigh bij bare handt ende onder bare heuke hadde, die sij voertijts
bij denselven Peter, so hij seghde bij wäre woorden, gewonnen ende verworven had .. .quot;
Dieses bezieht sich auf den Brauch, die vor der Heirat geborenen unehelichen Kinder
bei der Trauung unter der Heuke mitzuführen.

2nbsp;Z. B,: „De huik naar den wind hangenquot; (sich den Umständen anpassen); „Onder
de huik schuüen de voddenquot;; „Samen huikenquot;; „Onder de huik trouwenquot; (vgl. dafür
die vorige Fußnote). Ein vermutlicher Abkömmling der Heuke, wenn auch in veränderter
Form, fand ich noch heutzutage in der schwarzen Kappe der Frauen auf der Insel Ter-
schelling: ein Hütchen, das am besten zu beschreiben wäre als ein mit schwarzem Stoff
überzogenes Diadem, das aber auch oberhalb des Kopfes geschlossen ist, von dem ein
ebenfalls schwarzes Tuch über den Rücken, etwa bis unter das Schulterblatt, fäUt. Man
trägt diese Kappe noch immer nur im Freien und setzt sie dann über die Haube auf;
also genau wie die Heuke getragen wurde.

3nbsp;Hottenroth: „Deutsche Volkstrachtenquot; (S. 67). Nicht nur in den südUchen Nieder-
landen, auch in Deutschland ist diese Form gebräuchlich. Sie behauptet sich dort, mit
nur geringen Varianten, viel länger ah in den Niederlanden; noch um 1645 auf Wenzel
Hollars Stich „Kölnerinquot; (P 1841) und 1648 auf Terborchs „Einzug des holländischen
Gesandten in Münsterquot; (Hist. St. F. M. 1944 E). Kuriositätshalber vergleiche man die
noch heute von den Malteser Frauen getragene „OnneUaquot; (italienisch: Faldetta), die
ebenfalls mittels einer Versteifung durch Pappe und drei oder vier Fischbeine in ähn-
licher Weise über dem Kopfe vorsteht.

1nbsp; Schotel überliefert uns im „Oud-HoU. huisgezinquot; für diesen Typus den Namen
„slonshuikquot;, leider wieder ohne dieses zu belegen.

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Beim Tragen steht dieser Handgriff vor dem Kopfe nach vorn und
bildet dort also zugleich em Gegengewicht gegen die Stoffmasse. Der
„Handgriffquot; ist anfangs ziemUch flach, aUmähhch wird er dann höher, und
zwar oben konkav, unten konvex. In dieser Form, mit emem geschweiften
Rand, der nach vom zu in der Höhe abnimmt, bleibt die Heuke weiter
bestehen^.

Um 1600 ist in de Niederlanden kerne Spur mehr übrig von der
„Verdeckheukequot;. Wir treffen dann aber nebenemander:

I. Die „Schnabelheukequot; in der oben beschrieben Form;

II. die „Hutheukequot;, eine Zusammenstellung ^von dem Hexdcen-
„Mantelquot; mit dem mnden, oben zugespitzten Hut (vgl. S. 29).

Der „Mantelquot;, den man zu diesem Hut trägt, ist wie bei der „Schnabel-
heukequot; oben am Kopfe zusammengefältelt, entbehrt jedoch selbstver-
ständhch des schnabelförmigen Handgriffs, auf dem der Hut ja auch
wohl nur sehr unfest mhen könnte. Einzehi, ohne Hut, wird dieser Heuken-
mantel, soweit ich es habe beobachten können, nie auf dem Kopfe ge-
tragen; es kommen aber vereinzelt Abbildungen vor, wo man ihn auf
dem Arm trägt und nur den Hut aufgesetzt hat. Diesen wenigen Ab-
bildungen verdanken wir die Kenntnis der wahren Gestalt dieser Heuke.
Ob etwas später der Heukenmantel mit dem Hut in dieser Form zu
emem Stück zusammengewachsen ist, bleibt immerhin möghch, obwohl
exakte Beweise dazu fehlen. Die folgende Entwicklung der Heuke deutet
aber jedenfalls in diese Richtung2.

Der „Mantelquot; der Heuke ist aus Tuch® oder jedenfalls aus emem
festen, schweren Stoff.

^ Auch hier gibt es einen mehr oder weniger ähnlichen Typus in Deutschland. Man
vergleiche den Atlas „Civitates orbis terrarumquot; (um 1578), wo Damen aus Wismar und
Rostock mit einer verwandten Heuke abgebildet sind. Der „Handgriffquot; ist dabei aber
wie ein viereckiges Tablett geformt, das auf dem Kopfe getragen werden kann oder,
wenn man die Heuke nur als Schulter- oder Rückenmantel verwendet, hinter dem Kopf
als Kragen steif in die Höhe steht. Sonst gibt es noch in Bremen die „Tiphoikequot;, mit
sehr langem, geschweiftem Handgriff (Hottenroth: „Deutsche Volkstrachtenquot;, Tafel 35
und Abb. 39).

2 Ich möchte aber hinweisen auf einen Inventar von 1649 von Johan van Halmale
(Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 719): „Een brabantse heuyck
met twee hoeden: 8 guld.quot;
Natürlich bleibt es immerhin möglich, daß hier zwei nicht zusammengehörende Stücke
zusammen erwähnt sind.

\' Vgl. 1620, Breeroo: „Moortjequot;: „Ick ken der oock een deel, die heele groote läppen/
van wolle laacken uyt haer Rock en Huycken kappen.quot; (Ich kenne manche auch, die
übergroße Stücke / von Wolltuch aus dem Rock und aus den Heuken schneiden.) -
1644, W. D. Hooft: „Jan Salijquot;, wo bei der Beschreibung von der Heuke von Trijn
Rateis gesagt wird, sie sei „van het ouwe-testamentslaken, die dick en starck is, ghelijck
een iecke planckquot; (vom Alten-Testaments-Tuch, das dick und stark ist wie ein Brett
aus Eichenholz).nbsp;lt;

1600-1610

Der Heukeri\'
mantel

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Gegen 1610 wird er auch manchmal pUssiert getragen^.

Der „Handgriffquot; der „Schnabelheukequot; beugt sich im zweiten Jahr- 1610—1620

zehnt in vielen Fällen mehr nach oben.nbsp;L „Schnabel-

heuke

Als neue und besonders elegante Form entsteht aus der „Hutheukequot; II.
ein Typus, wobei die beiden Stücke; Heukenmantel imd Hut, unzweifel- »Hutheuke*\'^
haft verbunden
sind Letzterer ist kleiner geworden und mehr rundhch
gewölbt; weiter hat er an Stelle der früheren Spitze ein senkrecht in die
Höhe gehendes Stäbchen als Handgriff. Anscheinend ist das Hütchen
immer mit dem Stoff der Heuke überzogen.

Der kleinere Umfang des Hütchens macht es notwendig, des Gleich-
gewichtes wegen, es schräg nach vom auf der Stirn zu tragen.

In Inventaren, Rechnungen u. dgl. trifft man neben der schon er- Bezeichnung
wähnten® Bezeichnung „brabantsche huikquot; auch eine „Amsterdamschequot;
Heuke Mir ist es bisher aber leider nicht gelungen festzustellen, auf
welche von den uns bekannten Typen sich diese Bezeichnungen beziehen.

Die Beinbekleidung

Von den Strümpfen ist selbstverständhch nur in wenigen Fällen Strümpfe
etwas zu sehen. Meistens kann man dann keinen Unterschied mit denen
der Männer feststellen; wie jene werden sie auch unter dem Knie mit ver-
schleiften Bändern befestigt.

Einmal sehen wir halbe Strümpfe, etwa wie die heutigen Herren-
socken (auf dem schon S. 24 erwähnten Spottblatt „Der Kampf um

1nbsp;Viel später, im Jahre 1652, finden wir im Naehlaß einer nicht einmal sehr alten
Dame (Lysbet Heynderix de la Paey, Witwe Gromme [Delft, Archiv, „weeskamerquot;
B 696]): „Een hnyckpers.quot; Ob dieses etwa ein altes Instrument zum Plissieren war?

2nbsp;In Verbindung mit der Hutheuke möchte ich hinweisen auf eine Tracht, die in
Spanien (Burgos, Toledo, Valadolid, Granada), wenigstens Ende des 16. Jahrhunderts,
sehr gebräuchlich war und wobei über einem Überwurf wie die Heuke auch ein kleines
Hütchen getragen wurde, schräg vor der Stirn (u. a. abgebUdet auf einem französischen
Stich mit Darstellung einer Hinrichtung zu Valadolid, 1559 „Mort d\'Anne du Bourgquot;,
abgebildet im „Musée criminelquot;). 1572 gibt es mehrere Abbildungen im Atlas „Civitates
Orbis terrarumquot;. Ob etwa in den Niederlanden eine spanische Anregung die Form der
„Hutheukequot; bestimmt hat, sei dahingestellt; es ist vielmehr der Kuriosität halber, daß
ich diese Tracht erwähne.

3nbsp;Vgl. S. 52 Fußnote 2. - Weil die Möglichkeit, daß hier eine ältere Hutheuke ge-
meint sei, nicht ausgeschlossen ist, könnte vielleicht für diesen Typus der Name „bra-
bantschquot; zutreflfen. Solange es aber keine exakteren Beweise dafür gibt, sei man vor-
sichtig mit einer Konklusion.

* Vgl. 1623, Versteigerung des Nachlaßinventars der Witwe Molijn (a. a. 0.):
„Een amsterdamse heuyck: 19 guld. 15 st.; noch een amsterdamse heuyck: 38 guld.
15
St.quot; - 1629, Nachlaßinventar der Witwe Cam (a. a. 0.): „Twee beste Amsterdamse
heucken. Een loopheuck.quot;

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die Hosequot;, um 1590). TatsächHch werden solche auch noch in späteren
Jahren in Rechnungen mehrfach erwähnt i.

Die Schuhe folgen im aUgemeinen dem Modell der Männer, und sie
entwickehi sich vorläufig wie diese. Sie bedürfen also keiner eingehenden
Beschreibung.

Zu Hause, und bei Frauen aus dem Volke auch auf der Straße,
werden Pantoffel getragen 2. Manchmal haben diese die Form von Pan-
tinen, wobei nur die vordere Hälfte des Fußes vom Leder bedeckt ist.

Dergleiche Pantinen trugen die Damen wie die Herren (vgl. S. 26)
auch über den Schuhen.

Die Handschuhe

Die Handschuhe haben dieselbe Form wie bei den Männern und
behalten diese auch weiterhin.

Zutaten zum Kostüm

Ein oft erwähntes Stück ist der „onderriemquot; („ongerriemquot; — Hunger-
riemen?), eine von der TaiUe abwärts, auf einer Seite neben dem Rock
herabhängende Kette, an deren unterem Ende der Schlüsselring mit
sämtUchen Schlüsseln samt Köcher mit Schere, Messer, Nadeln und
ähnhchen Gegenständen hängen.

Wo man es sich nur einigermaßen leisten konnte, wurden Kette und
Gegenstände aus Süber getragen

Der „onderriemquot; wurde anscheinend mit einem Haken oben an den
Rock befestigt. Man trug ihn durchweg über dem Unterrock, so daß er
beim aufgerafften „bouwenquot; unter diesem sichtbar wurde.

^ Vgl. 1623, Rechnungen für Cornelia und Annetgen v. d. Bergh (Delft, Archiv,
„weeskamerquot;, B 106): „Aen een paer halleve kousen 1 guld.quot; und „Voor een paer halve
hosen: 1 guld. 2 st.quot; (Über die Verwirrung zwischen „hosenquot; und „kousenquot; vgl. S. 24.)

2 Als „klickersquot; oder „muilenquot; bezeichnet. Vgl. 1617, Breeroo: „Spaansche Bra-
banderquot; (Z. 577ff.): „Heer, ick heb sulcken sin in klickers op sen Frans / Ick worder
schier wilt van als ickse maer hoor kraacken.quot; (Ach Gott, wie gerne hätt\' ich „klickersquot;
nach französischem Modell! / Und wenn ich sie bloß krachen hör\', so werd\' ich schon
ganz toll.) - 1625, Schneiderrechnung (Delft, Archiv, „weeskamerquot; B 716): „Een paer
helle soeUen op die tripte klyckers 8 st.quot; - 1644, W. D. Hooft: „Jan Salijquot;: „Sinne
je klickertjes beslickt, ick selse ofveegen en swarten.quot; - 1622, Rechnung (Delft, Archiv,
„weeskamerquot;, B 1211): „Een paer rooleeren muylen: 10 st. 8 p.quot;

® Vgl. Nachlaßinventar der Witwe Molijn (a. a. O.), 1623: „Een silvre onderriem,
een silvre sleutelraecx. Een messekoker mit silvre banden ende punct, mit een ketting,
darinne twee messen mit silvere hechten.quot; - Inventar Witwe Cam, 1629: „Een silvre
slootelraecx. Een silvre onderriem.quot; - Vgl. ebenfalls 1616, Hooft: „Warenarquot; (Z. 1322ff.):
„En wat sei ick een Bruyloftsstuck krijgen, ten minste ien sulvre sleutelreecx, mit
ong\'eriem, mes en schie.quot; (Und was werde ich [nicht alles] zur Hochzeit geschenkt be-
kommen, wenigstens eine silberne „sleutelreecxquot;, mit „onderriemquot;, Messer und Scheide.)

Schuhe

Pantoffel

A. Der
„Onderriem^\'

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Wie gesagt, der eigentliciie Name der Kette ist „onderriemquot; da- Bezeichnung

neben wird zur Bezeichnung des Schlüssehringes mit den dazu gehörigen

Schlüsseln „sleutelreecxquot; oder „sleutelraecxquot; gebraucht

Schheßhch ist der Sammelname sämtlicher an der Kette hängenden

Gegenstände „tuichje\'\'^.

Als Schmucksachen kommen in erster Linie die Halsschnüre in®- Schmuck-

Frage. Diese gibt es den Maßen nach in zwei verschiedenen Sorten.nbsp;j quot;

Die großen Halsschnüre, meist Perlenketten, werden besonders im Halsschnüre

zweiten Jahrzehnt häufig getragen. Man pflegt sie dann mittels Aeraffen, gt; ,
i-T rnbsp;.Tinbsp;i 1.1 /.IT.nbsp;Armbänder

die des öiteren mit Kosetten geschmückt sind, auf das Mieder zu be- a) Große

festigen, und zwar hinten in der Mitte, unter dem Halsausschnitt, und Hahschnüre
vom auf der Brust. Die von links und rechts über die Schulter nach vom
kommenden Teile der Schnur werden von dieser Agrafi\'e auf der Brust
zusammengenommen und gehen von dort aus gerade herunter. Die An-
ordnung der Schnur ist also vollkommen symmetrisch und folgt in ihrem
Verlaufe gänzlich den HauptUnien des Mieders.

Die Schnüre sind nicht nur einfach; sie können aus mehreren Reihen
bestehen. Der Verlauf bleibt aber derselbe.

Es kommen hier sowohl Perlenschnüre, als auch solche, die aus Metall-
ghedern zusammengesetzt sind, vor. Auch werden mit Juwelen besetzte
Goldketten getragen.

Neben und unabhängig von den großen Halsschnüren werden auch b) Kleine
noch kleine getragen, die nur den Hals umgeben. Diese können ebenfalls Halsschnüre
Perlenschnüre, sowie Goldketten sein. In letzterem Falle bestehen sie
manchmal aus mehreren sehr dünnen, kleingUedrigen Schnürchen.

^ Le Francq v. Berckhey (a. a. 0., III, 1, S. 571) versteht dieses Wort nicht und
denkt, es bezeichne einen Unterrock. Eine Seite weiter gibt er aber eine richtige Be-
schreibung bei der Besprechung des Namens „tuigjequot;, welches Stück er schildert als
eine Zusammenstellung mehrerer kleiner silberner Ketten, an denen die schon genannten
Gegenstände hängen. Er erzählt auch, daß dieses Stück in seiner Zeit (1776) noch bei
alten, ansehnlichen Bürgerinnen und bei Bäuerinnen gebräuchlich war.

^ Neben den obigen Archivalien vergleiche man kuriositätshalber noch die drohen-
den Worte der entrüsteten Moyael in Breeroos „Moortjequot; (1620, „vierde deel, eerste
handelingquot;): „Ick wou dat hij \'t hart had, dat hij \'er dorst antasten, / ick sal hem met
die reecx so wieck kloppen en kleumen, / alsmen de stockvis doet... / soo hij mij stoot
of slaat, dat mes sal op hem passen!quot; (Ich wünscht\', er hätt\' den Mut, sie auch nur an-
zufassen, / ich würd\' ihn mit der „reecxquot; verprügeln und verhau\'n, / ob er ein Stock-
fisch wär... / falls er mich stößt und haut, da wartet sein das Messer!). - Bei Abraham
Bosse bleibt es nicht nur bei einer solchen Bedrohung; dort wird ja doch ein Mann von
seiner Frau auch tatsächlich mit dieser weiblichen Waffe tüchtig verprügelt. („Monsieur
le coquin dit eile / vous faites le mauvais en vain/ car ja tiens des clefs en main/qui
vous ouvriront la cervelle.quot;)

® Bei Breeroo: „De Meisjes van de Vecht en van de Vinckebuurt, die hadden heur
Tuichjes te wongderlijk eschuurt.quot; (Die Mädchen von dem Vecht imd von dem Vinken-
viertel, die hatten ihre „Tuichjesquot; gar wimderlich gerieben.)

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Sogar in Zusammenstellung mit den hohen Krausen werden solche
getragen, und zwar entweder über oder unter denselben. (Das letztere
ist jedoch weit seltener.)

Weit seltener kommen noch Schnüre mit Gehängen vor. Die Schnüre
selbst smd dabei meist schmale Bänderchen, während aller Luxus von
Geschmeiden und Edelsteinen auf die Gehänge konzentriert wird^.

Sie hängen bis auf die Brust herab.

Die Armbänder bilden manchmal eine Garnitur mit den kleinen
Halsschnüren 2. Wie diese sind sie aus einer oder mehreren Reihen von
Perlen oder dünnen Metallschnürchen zusammengesetzt. Sie sind höchst
selten steif, meistens kettenartig weich.

In Zusammenstellimg mit dem VHeger der wohlhabenden Damen
wird gern eine schwere goldene Kette um die Taille getragen, von der
vom ein Stück herabhängt, das in einem kostbaren, reich bearbeiteten
Knopf endet. Die GUeder der „Gürtelkettequot; können in kostbarster Weise
mit Edelsteinen besetzt sein oder von feinem Geschmeide angefertigt sein.

Man trägt diese „Gürtelkettequot; über dem „vhegerquot; und über dem
vorstehenden „Bauchquot; des Bruststückes, auf dem er anscheinend fest-
gesteckt ist; denn er verläuft immer parallel zum Rande desselben, gleich
über der ausgezackten Borte.

Die Agraffe vorn auf der Brust, welche die Halsschnur befestigt,
ist, wie schon gesagt, manchmal von einer klemen Bandrosette bedeckt.
Manchmal ist sie aber auch eine richtige Metallagraffe, die mit Edel-
steinen besetzt sein kann.

Ringe wurden allenthalben getragen. Im Inventar MoHjn finden
wir „een houpringquot; (?), „een wapenringquot;, und weiter noch Ringe mit
Diamanten, Rubinen und Perlen besetzt, außerdem einen Heiratsring
(„trouringetgenquot;) mit einem Rubüa und einen anderen, mit einem kleinen
Diamant geschmückt.

Man tmg die Ringe manchmal am Zeigefinger, sogar am Daumen!
Auch der Heiratsring wurde manchmal am Zeigefinger getragen, ob-
wohl es früher die Gewohnheit gewesen war, ihn an den Ringfinger zu
stecken. Der gute „Vater Catsquot; kann auch nicht umhin, diesen altväter-
lichen Gebrauch der moderneren, mehr preziösen Tragweise nicht nur vor-
zuziehen, sondern auch wärmstens zu empfehlen®.

^ Vgl. Inventar Molijn (a. a. O.), 1623: „Een satijn geborduurt hartgen, dair aen
een sivere ketting.quot; (Dieses „hartgenquot; ist wohl ebenso ein Gehänge.)

® Inventar Molijn: „Een corale vijftich met een teyckentgen om den hals. Een paer
corale braceletten.quot;

8 Cats: „HouweUjckquot;, 1625, Kap. „Bruytquot;:

„Maer waerom desen ring niet daer het dient gesteken
en van een goet gebruyck moetwillens afgeweken?

c) Schnüre

mit
Gehängen

Armbänder

II.

Gürtelketten

III.

Agraffen

IV. Ringe

Tragweise

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Als Heiratsringe waren, ebenfalls nach Cats, die glatten Ringe,
dem heutigen Modell entsprechend, gebräuchUch^. Aus dem eben zitier-
ten Ringbestande der quot;Witwe MoHjn geht aber hervor, daß auch Ringe
mit Steinen besetzt als solche verwendet wurden.

Etwaige andere Schmucksachen lassen sich nicht im allgemeinen V. Übriges
beschreiben.

Auf der Straße trugen die Damen Masken, um den „Teintquot; gegen C. Masken
Einfluß der quot;Witterung zu schützen.

Es waren dies einfach flache und rund geschnittene Stofl\'stücke, mit
zwei Löchern für die Augen versehen. Sie bedeckten dann auch nur die
obere Hälfte des Gesichts und heßen den Mund frei (Abb. 6).

Het was gelijck het blijckt de vinger naest de pink
aen wien het troujuweel in ouden tijden hinck;
Die heeft een hooger macht, op wel gegronde reden,
die heeft een beter recht, voor al de cleyne leden,
te draghen dit kleynoot, een pant van ons ghemoet,
dan nu door enkel pracht de voorste vinger doet..

(Warum steekt man den Ring nicht dort, wo\'s nur kann passen?
wozu die Absicht denn, die Sitte zu verlassen?
Der kleine Finger steht demjenigen zur Seit\',
an dem die Heiratszier stets steckt\' in alter Zeit.
Das hat auch seinen Grund: in ihm ruh\'n große Mächte;
vor allen Fingern doch hat er die besten Rechte
zu tragen diesen Schmuck, in dem das Herz gelegt,
den jetzt, aus Lieb\' zum Prunk, der erste Finger trägt.)
Es folgt dann eine Erklärung, daß eine Ader vom Herzen nach dem Ringfinger geht.
Und weiter: „Noch overtreft de pracht uyt sötte waen ghedreven,
die heeft de trou verplaetst en aen het oogh ghegeven;
want siet! In onze tijt de Wijser draeght het gout,
dies is (ghelijck het schijnt) het lijf alleen getrout...
Wel, sooje niet te nieuw of niet te los en zijt,
soo draecht het trou-gemerck ghelijk in ouden tijt.quot;

(Der Sinn für reichen Prunk, von dummem Wahn getrieben,
verschob das Pfand der Treu, um es ins Aug\' zu schieben;
denn, schaut! der Zeiger trägt den Goldring heutzutag;
so scheint es, daß man bloß den Leib vermählen mag...
Wenn ihr nicht zu modern, nicht zu leichtherzig seid,
so traget dieses Stück wie in der alten Zeit.)

1 Daselbst:

„De deucht haet alle pracht. Men gaf in oude tijden
maer ringen sonder steen en ront aen alle zijden...

... En siet de ronden draet
wort heden noch gebruyckt ontrent den echten staet.quot;
(Die Tugend haßt den Prunk. Man gab in alter Zeit
nur Ringe ohne Stein und rund auf jeder Seit\'.

.. . Und seht, der Ring ganz schlicht und mnd
wird heute noch gebraucht für ehelichen Bund.)

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Man steckte sie an die Frisur fest oder band sie mittels Bänderchen
um den Kopfi.

Gelegentlich trifft man in diesen Jahren auch Damen, die etwas
wie einen Schirm tragen, der wie ein Schutzdach über der Stirn vorsteht;
offenbar ist hier auch ein Schirm gegen die Sonne gemeint, gewissermaßen
als Ersatz der Maske (Abb. 17), ähnlich wie die heute manchmal beim
Tennis getragenen Augenschirme.

II

1620-1640
DAS MÄNNERKOSTÜM
Die Haartracht

1620-1640 Die Haartracht bleibt anfängUch dieselbe. Um 1625 kommt aber
neben den älteren Trachten, welche sämthch erhalten bleiben, langes
Haar, in der Mitte gescheitelt, das bis zu den Schultern reicht, in Mode.
Trotz der Scheitelung bedeckt es öfters einen großen Teil der Stirn.

1 Vgl. das Lied des Autolycus in Shakespeares „Winter\'s Talequot; (4. Akt, Szene III)
von 1610 oder 1611, wo sämtliche Luxussachen der Frau erwähnt werden, und unter
diesen fehlt auch die Maske nicht:

„Lawn as white as driven snow;

Cyprus black as e\'er was crow;

Gloves as sweet as damask roses;

Masks for faces and for noses;

Bugle-bracelet, necklace-amber;

Perfume for a lady\'s chamber;

Golden quoifs and stomachers;

For my lads to give their dears;

Pins and poking-sticks of steel;

What maids lack from head to heel;

Come buy of me, come; come buy, come buy;

Buy, lads, or else your lasses cry:

Come buy.quot;

Auch vergleiche man den schon mehrfach zitierten „Discours sur la Modequot;, 1613:
„Aussi faut-il durant le temps de son ieune âge.
Soigneusement garder le teint de son visage.
Il faut tousiours avoir le masque sur les yeux.
De peur que peu à peu le clair flambeau des cieux
De ses raiz estancez ne bazane sa face.
Où de la femme gist sa principale grace.quot;

Eine französische Dame mit Maske (um 1590), im Stammbuch von Julius und
Stephan Bayer dargestellt (Berlin, Lipperheide), hat die Maske anscheinend an
dem vorderen, bis auf die Stirn reichenden Zipfel der Haube befestigt. Die Maske selbst
ist dazu über den Augen mit einer an der Stirn hinaufgehenden Spitze gebildet, anstatt
in der oben beschriebenen kreisrunden Form.

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Auf einer Seite wird von Stutzern gern eine ganz lange Locke ge-
tragen

Sobald langes Haar anfängt, stellt sich auch der Gebrauch von
Perücken ein, obwohl vorläufig noch ausnahmsweise Das Beispiel
Ludwigs XIII., der schon 1624 notgedrungen zur Perücke griff, wird
nicht ohne Einfluß geblieben sein auf die elegante Welt 3.

Blond ist vor allem die beUebte Farbe, und auch die Männer scheuen Die Farbe
gelegenthch nicht davor zurück, sich das Haar zu pudern, um künstlich
die gewünschte Farbe zu erzielen*.

1nbsp;Eine Mode, die hier aus Frankreich übernommen wurde, wo man diese Locke
(cadenette) mit einer Schleife von der Geliebten (faveur) zu verflechten pflegte. Dem
Worte „faveurquot; bin ich auch in Holland begegnet, zwar nicht in demselben, aber doch in
verwandtem Sinne, nämlich als Bezeichnung von am Arme getragenen Bändern, die
mit Haar der GeUebten durchflochten sind (eine Gewohnheit, für die ich keine Belege
aus der bildenden Kunst gefunden habe). Aber lassen mr lieber den puritanisch gesinn-
ten Autor, Johan de Brune, dem keine Derbheit den ihn erfüllenden Abscheu genügend
auszudrücken scheint, selbst am Wort („Emblemataquot;, XXXVIII, aus dem Jahre 1624):
„Deze draeght eenige bandekens om den arm, die hij faveurkens noemt, gevlochten
van sijdesnoeren en dat hoofdgewas, dat Juffrouws herssens als een vetten rook uyt-
gedompt hebben.quot; - Für Beschreibungen der „cadenettequot; vgl. Heemskercks „Batavische
Arcadiaquot; (Anhang, S. 166) und das unten zitierte Fragment von Herckmans.

2nbsp;Vergleiche den bei Le Francq v. Berckhey (a. a. 0., III, 1, S. 597) zitierten Brief
von P. C. Hooft an Anna Roemer Visser, die für ihn eine Perücke angefertigt hatte.

® Vgl. Max V. Boehn: „Menschen und Moden im 17. Jahrhundertquot;, S. 103.

* Vgl. z. B. 1625, C. Huygens: „Costelijck Malquot; Z. 30fr.:
„Twee opgetoomde locken, een
overmeelden top.quot; - 1639, Tengnaegel: „Aemsterdamsche
Lindebladenquot; (S. 30): „. .. jonkers ... juffers . . . \'k meen die quijlders zonder slabben,
met hun vuns gepoeiert hair.quot; - lm übrigen vergleiche man auch die Fußnoten zur Damen-
frisur auf S. 69. Für die ganze Form der Haartracht vergleiche man Justus Herck-
mans: „Encomium Calvitiiquot;; „Lof der Kaalkoppenquot;, 1635 (Oud-Holland, 1893, S. 170),
dessen Entrüstung auch vor keiner Plattheit zurückscheut:

„Een doorgepoeyert vael en vruchtbaer neetennest,
een slinckerneksche tuyt en wederzijds geblest;
een overooghde kruyf, gordijn voor scheele oogen,
een vlecht, een toy, een krul, een kronckeling geboogen.
Ay loop, haal Meester Jan, men is van \'t ouds verbastert,
die scheurtet op sen frans, \'s lands wijze werd gelästert,
en die \'t sus niet en heeft, of so, die mach niet mee:
Ja, dat was recht, daer lagh \'t, die knip, die schrab, die snee,
die geeftet eerst sen stal. Wat isser aen bedreven?
Het blond of gout-geel moet het sap der kruyden geven.
... Wat sal de kam of schaer of krulpriem hiertoe doen? ...
En deckt U stiefvaers hooft nu met een blonde pruyck.quot;
(Durchpudert und ganz fahl, fruchtbares Nissenhaus,
mit einer Locke links; zu beiden Seiten kraus.
Über dem Aug\', das schielt, verhüllend ist\'s frisiert.
Ein Zopf und Lockenschmuck, gekräuselt und geziert.

Die Perücke

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Die Barttracht
Die Barttracht bleibt m den folgenden Jahren mehr oder weniger
eme mdividuelle Sache. So bleiben Vollbarte auch jetzt noch besonders
bei alten, würdigen Herren, Gelehrten und Pastoren behebt i.

1620-1630 Als modische Tracht kommen Bärtchen ziemhch oft vor; sie bilden
dann aber selten mehr als eme Spitze am Kinn, bei rasierten Backen.
Dazu trägt man einen kleinen, zugespitzten Schnurrbart.

1630-1640 Gegen 1640 wird auch noch dieses Bärtchen reduziert zu emer wm-
zigen Kinnfliege

Der Kragen

1620-1630 Von den obengenannten Typen wird die locker gefältelte Krause
sowie die Krause mit komphziertem Fältelungssystem recht selten. Der
gesteifte, flache Kragen verschwindet bis auf wenige Ausnahmen gänzhch.

Im übrigen bleiben sämthche schon besprochene Kragentypen
weiterhin fortbestehen.

^che^Kr^ln ^^^^^ ^^^ jedoch zu bemerken, daß der weiche, flache Kragen größer
ragen ^^^ ^^^nbsp;^^ Quasten versehenen Schnüre zum

Zunesteln vorn sichtbar trägt.

Die liegende Eme neue Kragenform, die gleich nach 1620 aufkommt, ist die
rause üggende Krause, die weniger dick ist als die gewöhnhchen Krausen
(ungefähr 4-5 cm) und sehr dicht gefältelt. In den meisten FäUen bedeckt
sie die Schulter ungefähr bis zur Achselklappe; selten ist sie nur ganz
schmal und dementsprechend dünn.

So wie wir es bei dem flachen Kragen beobachteten, werden auch
zu dieser Hegenden Krause die Schnüre zum Zunesteln in einigen Fällen
sichtbar getragen. Weil dieser Kragen ringsum geschlossen ist, treten
sie vorn, oben am Halse hervor und fallen dann über die Krause. In
Gegensatz zu den immer weißen „akertjesquot; am flachen Kragen können
sie hier eine andere Farbe haben.

Hol Meister Jan! Der kennt französische Manier!

[Denn man beträgt sich gern stets auf ausländisch hier.]

Ja, so war\'s schön ... da ist\'s . . . Und wer es so nicht trägt

In ähnlichem Modell, Beachtung nicht erregt.

Das ist der rechte Schnitt!... Wie man das alles schafft?

Das Blond oder das Gold schenkt hier der Kräuter Saft.

Was tut da Scher\' und Kamm und Lockenzange gar?

Blond sei jetzt, anstatt grau, des Schwiegervaters Haar!)

^ Man vergleiche z. B. das Zitat aus Beaumonts „Tijtsnipperingenquot;, 1637 (S. 22
Fußnote 4) und aus Godewijcks „Wittebroodskinderenquot;, 1641 (S. 8 Fußnote 2).

2 Le Francq van Berckhey beschreibt (a. a. O., III, 1, S. 551), wie diese Tracht
in seiner Zeit (1776) noch, gewissermaßen als zur Livree gehörendes, antikisierendes
Element, bei Kutschern und auch in der Armee der „Staaten von Hollandquot; gebräuch-
lich war.

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Nach 1630 ist der flache, weiche Kragen am meisten ühhch. Er 1630-1640

kann manchmal recht groß werden, so daß er bis an den Ärmelansatz/»e/; »eicÄe

°nbsp;-nbsp;,nbsp;flache Kragen

reicht, und ist jetzt öfters mit einer breiten Spitzenborte verbrämt.

Die „akertjesquot; werden beinahe immer sichtbar getragen; seltener
steckt man sie unter das Wams und läßt dann nur die Quasten durch
den VorderschUtz des Wamses hervortreten.

Diese Quasten werden jetzt übrigens meist ersetzt durch ein kleines,
rundes Stückchen Spitze als Beendigung der Schnüre.

Daneben trifi\'t man noch sehr oft die liegende Krause. Die Mode Die liegende
der farbigen „akertjesquot; hat aber nur eine kurze Lebensdauer gehabt. Krause

Die steifen Krausen verschwinden gänzlich aus der „elegantenquot;
Tracht. Bei konservativen Leuten bleiben sie jedoch noch fürderhin
erhalten.

Die Manschetten

Die größeren Manschetten bleiben. Wenn der Kragen mit Spitzen
verbrämt ist, haben auch sie eine schmale Spitzenborte. Wie früher braucht
dabei aber die Art der Spitzen nicht mit der am Kragen verwendeten
Sorte übereinzustimmen. Die Spitzenverbrämung geht an der Ober-
kante der Manschette und an den beiden Seitenkanten der öflhimg
entlang.

In diesen Jahren ist im aUgemeinen eine weiße oder leicht gelbUche Stärken
Farbe für die Stärke von Kragen und Manschetten bevorzugt. Eine
bläuliche Färbung scheint hingegen als besonders stutzerisch zu gelten^.

1 Man vergleiche dazu J. J. Starters „Mennistenvrijagiequot;, ein Gedicht, das als
Schilderung des puritanischen Kostüms wertvoll ist und zwischen 1621, dem Jahre
des Erscheinens des „Friesche Lusthofquot;, und 1626, dem Todesjahre des Autors, ge-
schrieben sein muß:

„Ick vrijden op een tijd een soet Mennisten-susje...

... Sij sagh niet aen mij, of het scheen haer te mishaghen,

dan was mijn hayr te langh, dan al te wild mijn kragen,

ponjettcn al te weyts, het stijfsel al te hlaeuw,

dan was mijn broeck te wijd, dan \'t wambus al te naeuw,

elck koussebandt te langh, \'k had roosen op mijn schoenen;

In\'t kort, sij maeckte sond, so werltschen man te soenen .. .

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Der Hut

Durchaus charakteristisch für die ganze Periode von 1620 bis 1640
ist der große, breitkrempige Hut mit verhältnismäßig niedrigem Kopfi.
Oft ist er mit Federn, und zwar vorzugsweise mit Straußenfedern ge-
schmückt.

Das Wams

Die verschiedenen Typen der Wämser, bzw. Überwämser, des vorigen
Jahrzehnts erscheinen auch in der Periode 1620-1630.

Dabei ist jedoch zu bemerken, daß das vorn zugespitzte Wams gegen
Ende der zwanziger Jahre einen längeren Schoß bekommt.

Manchmal weist es einen Mittelschhtz im Rücken auf, der mittels
Knöpfen verscHießbar, jedoch gewöhnlich nicht verschlossen ist.

Das gerade Überwams wird jetzt vorzugsweise lang getragen: etwa
bis zur Mitte des Oberschenkels. Es schheßt sich dem Körper ziemhch
eng an und bedarf keines Gürtels. Vom kann es entweder über die ganze

. , . En\'t was niet langh daema, iek kwam weer bij baer treden,
verandert bey in spraeck, in wesen en in Heden:
mijn mantel was ganscb siecht en swart, mijn hayr gekort,
mijn wit gesteven kraegh soo plat gelijck een bort,
op al mijn kleeren sat niet één uytwendigh koordje,

............ick noemde haer niet als snster,

doe stelden sij (soo\'t scheen) haer hartje wat geruster. .

(Ein Mennonisten-Schwesterlein wollt\' ich einmal poussieren. ..
Sie schaute nicht nach mir, ohn\' daß ich ihr mißfiel,
dann war mein Haar zu lang, der Kragen viel zu wüst,
Manschetten zu pompös, die Stärke war zu blau,
die Hosen viel zu weit, zu enge war das Wams,
Strumpfbänder viel zu lang, Rosetten auf den Schuhen!
Den Lebemann zu küssen, das wäre eine Sünd\'. . .
. . . Und kurze Zeit nachher, da kam ich zu ihr wieder,
verändert in der Sprach\', im Wesen und im Kleid:
mein Mantel war ganz schlicht und schwarz, gekürzt mein Haar,
mein Kragen, weiß gestärkt, war wie ein Teller flach,
ich hatt\' auf dem Kostüm kein Schnürchen zur Verbrämung,

............ich nannte sie nur Schwester,

da schlug ihr, wie mir schien, schon ruhiger das Herz.)
Und so weiter. Am Ende gelingt es unserem Helden dann auch, die junge Dame gänzlich
zu erobern.

Ï Deutlich zeigt sich der Umschwung der Hutmode um 1620 in den Stichen, die
den Leichenzug des Grafen Johann Albrecht zu Solms (gest. 1623) darstellen (Hist. St.
F. M. 1499). Zum größten Teil sind hier nämlich die Platten des Leichenzugs Walrave
van Brederodes (gest. 1615) verwendet (Hist. St. F. M. 1305), nur mit veränderten
Namen. Bei mehreren Figuren ist deutUch zu sehen, wie auf diesen Platten die hohen,
schmalkrempigen Hüte umgestochen sind zu Modellen neuerer Fasson, während die
neu hinzugefügten Figuren (u. a. die der beiden Prinzen Moritz und Friedrich Heinrich
von Oraiden) alle den modischen, breitkrempigen Hut tragen.

1620-1640

1620-1630
Zugespitztes
Wams

Gerades
Überwams

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Länge geöffnet werden (manchmal ist dann nur die obere Hälfte zuge-
knöpft) oder nur oben, auf der Brust. Einige Schütze, die etwa von der
Mitte abwärtsgehen, teilen den Schoß in wenige große Flügel auf.

Die Verzierung mit Besätzen, Knöpfen oder Schnüren betont dabei
nicht mehr die Nähte, sondern beschränkt sich auf das Verbrämen dieser
Flügel und des Vorderschlitzes.

Flache Schulterklappen und gelegenthch auch Zierärmel können
auch jetzt wieder dazukommen.

Neu ist eine Wiederbelebung der besonders im Laufe des 16. Jahr-
hunderts so beUebten Schütze, welche einen andersfarbigen Unterstoff
durchscheinen lassen. Jetzt erscheinen sie aber nur groß und werden
so des öfteren am zugespitzten Wams angewandt, und zwar vertikal, Geschlitztes
oben in einer Reihe nebeneinander auf Brust und Rücken (vorn 4-10, \'quot;ÇfJ^f^^
hinten 5-11) und (oder) auf dem Oberarme, welcher dann dem glatten
Unterarme des Ärmels gegenüber als bauschig erscheint

Besonders bei den Ärmelschlitzen bringt nicht nur der in den Öffnungen
erscheinende Unterstoff eine andere Farbnote ins Ganze; auch das eigene
Futter der Bänder, in die der Oberärmel durch die Schütze zerlegt ist,
wird gelegentlich sichtbar, und gern wählt man auch noch dazu eine
kontrastierende Farbe

1nbsp;Diese Mode gilt offenbar als französisch. Man vergleiche z. B. eine Schneider-
rechnung aus 1631 (Delft, Archiv, ..weeskamerquot;, B 984): „Den 18 mey voor pyeter
(Cam) een pack laecken kleeren gemaeckt op sijn frans, overall open op den erm in de
rugh; onderaen de broeck overaU voll knopen, daeraen verdyent 5 gld. 5 st.quot; - Ver-
gleiche auch die Beschreibung der Hochzeit von Wolfert van Brederode mit Louise
Christine von Solms, 1638 (zitiert bei Schotel: „Oud-HoU. huisgez.quot;, S. 275-276): „H
estoit vestu à la françoise d\'un habit de satin noir, ayant les ouvertures du devant, du
dernière et des manches de son pourpoint.quot;

2nbsp;Man vergleiche z. B. Th. de Keyser: JünglingsbUdnis (Kassel, Galerie, 223),
wo ein schwarzes Wams mit rotem Futter über goldbrokatem Unterstoff getragen wird.
Damit ist nicht gesagt, daß (um bei unserem Beispiel zu bleiben) das ganze Wams rot
gefüttert sei. In den meisten FäUen verwendet man ein einfaches, grobes Futter, und
nur an den SteUen, wo dieses sichtbar sein könnte, wird es von Attrappen aus feinerem

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Neuer^Typus Aus diesem geschützten, zugespitzten Wamse entsteht em neuer
geflitzten ^ypus, wobei die Schhtze in derselben Art angewandt sind, während
der Schoß sich verlängert und in große, trapezförmige Flügel zerlegt
wird, die zum Teil überemander fallen. Rumpf und Schoß gehen dabei
allmähhch ohne Abgrenzung ineinander über.
Jeder Schoßflügel kann eine Schleife tragen.

Die Schuherklappen fehlen auch hier nicht. Hängende Zierärmel
^ kommen aber bei diesem Typus nicht vor^.
„Reiterrockquot;nbsp;^tte des Jahrzehnts kommt ein Rock auf, den man geneigt

wäre, zu den Mäntehi zu rechnen, der aber zu jener Zeit nicht als Mantel
betrachtet wurde 2 und der also an dieser Stelle zu behandehi ist, wobei
er dann
theoretisch (ob auch tatsächhch, sei dahingestellt) bei den auf den
Seiten aufgeschhtzten Überwämsem - imd namenthch zum kaselförmigen
Typus dieser Gattung - einzuordnen wäre.

Es betrifft hier einen ebenfalls kaselförmigen Umhang, wobei aber
auf die ofi\'enen Seitenteile lose Flügel geknöpft sind, so daß dann das
Ganze etwa wie eme Glockenkasel aussieht® (Abb. 37).
Diese Röcke kommen kurz und lang vor.

Sie werden m den meisten FäUen von Reitern getragen und es wäre
wohl nicht zu gewagt anzunehmen, daß die Bezeichnung „ruiterrockquot;
sich auf diese Form bezieht^.
Im ganzen haben wir also:

I. Gerades Wams, kurz, mit vielen Schoßklappen.
Gerades Überwams, das meist lang ist.

Stoff ersetzt. Man vergleiche z. B. die im Original erhaltenen quot;Wämser im Nürnberger
Germanischen Museum oder, um 1630, das Spottblatt: „Eigentlicher Abriß der jetzigen
Kriegesleute, wie sie mit der allmodo aufgezogen kommenquot; (hier freilich mit Bezug
auf die in Holland kaum vorkommende Gewohnheit, die Unterärmel umzustülpen):
„... Der Ermel lang pracht auch nicht wol/ zurück man den uffschlagen soll / Da klebt
ein fleck, grün oder roth / ein Knopf helts ein, da hats kein Noht / Das sieht vor der
Welt ganz fein / als wenns inwendig auch möcht sein...quot;

1nbsp;Zwei Originale Wämser dieses Typus enthält das Germanische Museum in Nürn-
berg.

2nbsp;Vgl. 1629 das deutsche Spottblatt: „Ala modo Monsiersquot;, wo vier Herren ab-
gebildet sind, von denen zwei in Wämsern dastehen, einer im langen Überrock und einer
in diesem „Reiterrockquot;. In der dazugehörigen Unterschrift heißt es aber u. a.: „... Die
vier auff ala modisch sich haben kleiden lahn /
ohn Mäntel auf gut stutzerisch damit
treten auf den Plan . . . Wolt aber jemand fragen was doch die Ursach sei / daß wir kein
Mantel tragen . . .quot; usw.

® Ein Originalexemplar ebenfalls im Germanischen Nationalmuseum in Nürn-
berg. Schnittmuster bei Emma von Sichart: „Praktische Kostümkundequot;.

* Vergleiche wieder das schon mehrfach erwähnte Inventar des Admirals Piet
Hein, 1629: „Een ruytersrock van engels grau laecken sonder mouwen, met bay
gevoert, met knoopen ter sijden. Een blaawe ruytersrock van vilt met een kap daertoe
met sij-damast.quot;

Wamses

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II. a Zugespitztes Wams mit später verlängerten Schoßklappen.
(Überwams in derselben Form mit Zierärmeln?)
b Variante mit senkrechten Schützen auf Brust und (oder) Ober-
ärmeln.

III. Längeres Wams mit denselben senkrechten SchHtzen.

(Möghch eine Verquickung der neuen langen Form des Über-
wamses mit der ebenfalls neu erschienenen Variante des zu-
gespitzten, geschützten Wamses.)

IV.nbsp;a Überwams, das auf den Seiten, von den Achseln abwärts auf-

geschlitzt und zum Zuknöpfen oder Zunesteln eingerichtet ist.
b (Kaselförmiges) Überwams, das auf den Seiten, von den Achseln
abwärts aufgeschhtzt und nicht zum Verschheßen eingerichtet ist.
c Überwams, dessen Schlitz auf der Brust anfängt, sich daim
quer über, oder mit einer Ecke, der Achsel zuwendet und von
dort ab gerade heruntergeht, während es auf der anderen
Seite von der Achsel abwärts in einer geraden Linie über die
ganze Länge aufgeschlitzt und verschließbar sein kann.

V.nbsp;„Reiterrockquot;, kaselförmig mit angeknöpften Seitenflügeln.

Die Periode 1630-1640 gestaltet das Wams einheitHch, ohne Be- 1630-1640
tonung der Taille i.

Außerdem führt sie - eine Konsequenz dieses Strebens zur Ein- Einheit.
heitlichkeit - zur endgültigen Auflösung der - scheinbar für das Auge
noch immer existierenden — Zweiteilung in Wams und Überwams. Dort,
wo eine traditionelle Gesinnung das „Überwamsquot; noch bringt, fehlt ihm
doch das wichtige und überaus charakteristische Merkmal der Zierärmel.
Die neueren Typen, wie das zu rascher Aufnahme gekommene längere,
geschlitzte Wams (Typus III), sind selbständig und ohne Überwams gedacht.

Das in den dreißiger Jahren entstehende Wams behält bezüglich der
Form des Leibes im allgemeinen die Gestalt des Typus III, nur meist ohne
Schütze. Die Schoßflügel werden etwas breiter, und die Schleifen auf
denselben, jetzt zu Rosetten erstarrt, sind weiterhin vielmehr bloßes
Ornament Sie werden höher in der Taille, und zwar ziemlich dicht
nebeneinander angebracht.

Die Schulterklappen sind verschwunden.

Es ist oben schon einmal hervorgehoben (S. 16), daß die glatt an- Die Ärmel
liegenden Ärmel der Vordernaht entlang aufgeknöpft werden konnten
und daß dies an den Ellbogen auch manchmal geschah.

^ Es hat deswegen den Anschein, daß die Form vom längeren „Überwamsquot; be-
einflußt ist, da auch hier das Verschwinden der starken Abgrenzung zwischen Rumpf
und Schoß in Erscheinung tritt.

^ Dieses ist zu kontrollieren an einem wieder im Germanischen Nationalmuseum
in Nürnberg erhaltenen Originalexemplar aus diesen Jahren.

5nbsp;\'nbsp;65

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In den dreißiger Jahren hat sich dieses über den ganzen Ärmel aus-
gedehnt. Die weiteren Ärmel sind jetzt über die ganze Länge der Vorder-
naht offen, so daß sich der Stoff der Hemdärmel zeigt.

Der Gürtel

Bei dem Verschwinden der TaiUe verschwindet auch bei dem modi-
sehen Kostüm der Gürtel, zumal da ein solcher keinem praktischen Zweck
mehr dient, denn der Degen hängt jetzt im Bandeher.

GelegentUch erinnern die dicht gesteUten Schleifen oder Rosetten
noch einigermaßen an eine lose Gürtung.

Die Hosen

Letzter Rest ■ ^^^nbsp;Pumphosen und die Vereinigung derselben

der kurzen ^^ glatt anUegenden Kniehosen (vgl. S. 20) bleiben manchmal, an-
Pumphosen scheinend als Reitertracht und sportUches Kostüm, gebräuchlich. Daneben
behauptet sich eine solche Form bei Pagen als Livree und hin und wieder
bei alten Herren sehr konservativer Gesinnung.

Am meisten trägt man jedoch die längeren Pumphosen i, welche bis
zum Knie (sehener darüber) reichen. Sie sind dann nicht mehr konisch
„sackförmigquot; wie im vorigen Jahrzehnt, sondern überaU gleich weit.

Die Verzierung erfolgt mittels senkrechter Besätze oder Knopfreihen,
besonders an der Seitennaht.

Ab und zu sind unten Schleifen oder Schnürsenkel angebracht
(vgl. S. 25).

1630-1640 Nach 1630 beobachten wir aUmähUch eine neue Form; es dauert

Hosennbsp;beinahe das ganze Jahrzehnt, ehe sich diese über die ganze Linie

durchgesetzt hat.

Es sind hier die Hosen gerade und nicht sehr weit. Sie gehen bis unter
das Knie.

Auf der Seitennaht können sie mit einer Borte oder mit Knöpfen
geschmückt sein, und die Unterkante der BeinUnge trägt auch manch-
mal einen Besatz und hängende ZiemesteP.

Wo die Hosen nicht länger am Wams angenestelt sind (und wir sahen,
daß dieses in den dreißiger Jahren der FaU ist, wo die Schleifen lauter
Ornament sind), werden sie mit Haken an die Innenseite des Wamses

1 Ganz enge Pumphosen gibt es außer den genannten Typen im Ausland (Frank-
reich, Spanien?); in HoUand habe ich sie aber nicht finden können. - Geschützte Hosen
gibt es hier kaum; trotzdem schreibt Huygens 1625 im Anfang des „Costelijck Malquot;:
„Een
opgesnoeide broeck, een sackende bragoen.quot;

quot; Vergleiche die schon vorher erwähnte Beschreibung der Hochzeit des Grafen
van Brederode (1638): „... et les deux costés de ces chances bordées de boutons de
diamants. L\'agrafe de la fente de ces chances garnie d\'une enseigne ou boète de di-
amans...quot;nbsp;^

1620-1630

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befestigt so wie es Kelly 2 berichtet, oder sie werden gar um die Taille
zugeschnürt.

Der Mantel

In den zwanziger Jahren bevorzugt man längere Mäntel. Fast 1620-1630
immer drapiert man diese um den Körper, und zwar meist so, daß man
die Exemplare, deren Länge dazu ausreicht, über einer Schidter trägt,
wobei die Hälfte, die über den Rücken fäUt, unter dem Arme durch
nach vom quer über den Bauch gezogen wird®.

Nach 1630 sind auch kürzere Mäntel behebt.nbsp;1630-1640

Der Überrock

In den dreißiger Jahren treffen wir einige Male einen Überrock mit
Ärmeln, den man auch wohl mal wie den Mantel umdrapiert, so daß die
Ärmel dann lose hinterher flattern. Er kommt in zwei Typen vor:
I. Kurz. II. Lang.

Der lange Überrock wäre vielleicht als Abkömmling vom polnischen
Rock zu betrachten. Er ist sehr weit und reicht bis über die Knie. Vom
ist er entweder über die ganze Länge oder nur oben verschheßbar. Die Ärmel
sind ebenfalls weit und am imteren Ende zu enormen Manschetten umgestülpt.

In Holland bleibt dieses Stück doch ziemhch selten^.

Die Beinbekleidung

Strümpfe und Überstrümpfe (diese letzteren kommen sogar doppelt Strümpfe
vor!) bleiben wie früher. Ebenso die Strumpfbänder unter (sehen über)
dem Knie.

1nbsp;Vgl. 1631, Schneiderrechnung (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 984): „Voor haken
aen de broeck: 6 st.quot;

2nbsp;a. a. 0.

\'\' Schotel teUt im „Oud-HoU. huisgezinquot; (S. 155) mit, es gäbe sogar Schriften über
das graziöse Tragen des Mantels. Leider gibt er keinen Titel an, und mir ist es nicht
gelungen, ein solche Schrift zu finden.

« In Deutschland ist es um 1630 sehr beliebt; es fehlt nur auf wenigen „alamodoquot;-
Bildern. Dort ist es aber noch länger als hier. Seine ganze Form stimmt übrigens sehr
wohl überein mit dem Hange für sich senkende, schwere Lockerung, der im damaUgen
Deutschland so stark zutage tritt. Man bezeichnet dort den langen Rock als „Mutzequot;.
Vergleiche dazu ein Spottblatt von 1629: „Alamodische Höllenfahrtquot;:
„Daher die Alamodisch Knabn
überausz lange Mutzen habn,
welche sie als Polnische Gauchen
in Regen und zu Pferd gebrauchen.quot;
Es sind gerade diese beiden letzten Zeilen, die Vermutung einer Verwandtschaft mit
dem polnischen Rock führen. - Auch in Frankreich findet man in diesen Jahren eine
ähnliche Form, die aber so gut wie immer umdrapiert wird anstatt „angezogenquot;. Merk-
würdig ist dabei, daß von den Ärmeln nur der obere Teil des Ärmelansatzes in die ent-
sprechende Öffnung des Rockes angeheftet ist. Man vergleiche z. B. die lUustrationen
zum „Théâtre de Francequot; um 1630.

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Auch die Schuhe behalten ihre schon früher beschriebene Form und
Verzienmg bei^.

Die Stiefel, welche zu Anfang der zwanziger Jahre noch hohe, enge
Schäfte haben, werden gegen 1630 weit und meistens umgestülpt getragen.
Manchmal sind auch durch die Weichheit der Schäfte, die aufwärts ge-
richteten Stulpen auf die Knöchel herabgesimken.

Die Überstrümpfe bilden zugleich einen Schmuck der Stiefel, indem
man sie ebenfalls umstülpt über den Stiefelstulpen oder indem die Borten
der Überstrümpfe über den herabgesimkenen Stulpen hinausragen.

Die HalLpantoffel habe ich in diesen Jahren nur in Frankreich ge-
funden (Ahr. Bosse, 1633); sie werden aber zweifellos auch in den Nieder-
landen wohl getragen worden sein, denn in den folgenden Jahrzehnten habe
ich wieder Beispiele dieser Tracht gefunden. Eine zeitweilige Unterbrechung
einer solchen Tradition wird es dabei nicht gegeben haben.

Schuhe

Stiefel
1630-1640

Pantinen

1620-1640
DAS FRAUENKOSTÜM
Die Frisur

In den zwanziger Jahren ist die hohe Frisur wieder verschwunden.
Die Diademfrisur bleibt aber anfänghch noch erhalten, obwohl sie be-
trächtUch niedriger geworden ist.

Um 1625 ist sie aber schon auf der ganzen Linie der schon oben
erwähnten schlichten Frisur gewichen.

Ein Juwelenschmuck kann auch hier noch vorkommen; vor allem
ist dieser aber am Knoten gebräuchhch, den man außer mit Perlen auch
noch mit Schleifchen oder gar kleinen Federbüscheln schmückt.

Um die Wende des Jahrzehnts erscheint auf einmal ein ganz anderer
Typus: es findet nämhch jetzt in Holland die neue französische Haar-
tracht allgemein Eingang. Dabei ist das Haar auf den Seiten des Kopfes
gekürzt und zu dicht gekräuselten Massen zusammengeballt, während
die Stirn von Simpelfransen bedeckt wird. Der Knoten und seine ge-
legentUche Verzierung mit Perlen und Schleifchen behalten ihre frühere
Form Ausnahmsweise trägt man, wie die Männer, auf einer Seite eine
längere Locke.

^ Vgl. Tengnagel: „Aemsterdamsche Lindeblaenquot;, 1639:
„Daerbij heb ick...nbsp;(Dazu hab\' ich aeidne Strümpfe,

zljdde koussen, magh\'t aers helpen,nbsp;Bandrosetten auf dem Schuh.)

banden roosen op de schoen ...quot;

^ Vergleiche die Beschreibung der Vermählung des Johan Wolphert van Brederode
mit Louise Christine von Solms, 1638 (bei Schotel: „Oud-HoD. huisgezinquot;, S. 273):
„ .. .Sur le rond tressé de ses cheveux, reliés au derrière de la teste... elle portait une

1620-1630
„Diadem-
frisurquot;

Schlichte
Frisur

1630-1640

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-ft

KM

1633 J. V, Ravesteyn

1624 A. V. d. Venne

1626 N. Elias

Mehr als je scheint nun aber zu dieser Frisur Blond die vorgeschriebene
Haarfarbe zu sein^, und zum Erreichen dieses Zweckes wurde dann, so
wie wir es auch schon bei der männlichen Haartracht beobachteten, eifrig
Puder verwendet, nämlich ein gelbes „Poudre de Chyprequot;.

Zwar ist dieses kein Novum: auch schon früher wird ein künstliches
Blond gern erzielt den AbbÜdungen nach scheint dieses Pudern aber
in den dreißiger Jahren seinen Gipfel zu erreichen.

petite couronne de perles et de pierreries... elle avait... son voile, ouvert des deux
costés de la teste rattaché au rond tressé de ces cheveux par un apretador on serre-
teste..

^ Auch dieses ist französisches Beispiel. Vergleiche die Stiche von Ahr. Bosse, wo
die Damen aus den dreißiger Jahren alle mit blonder Frisur dargestellt sind, während
in späteren Jahren auch wieder dunkles Haar, in der natürlichen Farbe also, vorkommt.
Dasselbe ergibt sich, wenn man Dumonstiers beide Porträtstiche von Elisabeth de
Moussy, Comtesse de la Noue nebeneinander stellt, von denen der spätere, aus dem
Jahre 1640, von derselben Platte, nur mit umgestochener, modernisierter Frisur ge-
druckt ist (Abb. „Gazette des B. A.quot;, 1904, I, S. 211). Für Holland kann man solches
beobachten im Honthorstschen Bildnis des Prinzen Friedrich Heinrich und seiner Ge-
mahlin, um 1637 (Haag, Maurishuis, 104). Die sonst schwarzlockige Amalia von Solms
zeigt dort auf einmal eine Frisur mit blondem Haar (Abb. 50 und 51).

quot; Vgl. 1625, Huygens: „CosteUjck Malquot; (Z. 232ff.):
„... een stof daervan de fijnste rest
een trouwe toevlucht is voor wangeschapen vlechten;
door saeytse met dat meel, men sal hem noch berechten
dies* anders keurt als blond ...quot;
Dazu Bemerkung des Dichters: „Poudre de Cyprès.quot; - Daß nur blondes Haar für schön
galt, stellt sich u. a. heraus aus folgendem (1621), J. J. Starter: „Kluchtig \'t Samen-
zang van drij personagiënquot; (Z. 45ff.):

Lijsjen: „Sij (näml. die Jünglinge) prijsen, sij loven ons tot den Hemel toe /
... Ons oogen sijn helder, ons voorhoofd hoogh en wit /
ons hayr is geel, al ist so
swart als git.quot;
/ (Sie preisen, sie loben uns himmelhoch / ... Unsre Augen sind klar,
die Stirn hoch und weiß /
das Haar ist gelb, und wenn es wie Gagat so schwarz.)

1620-1625, Derselbe: „Klucht van Jan Soetekouwquot; (Z. 65): „AI is heur hayr bruyn,
ßegh jij dat\'t geel is.quot; (Auch wenn ihr Haar braun ist, so sag* doch, es sei gelb.) - 1650,
Huygens: „Oogentroostquot;: „... het stuyft *er stof van boomen / in die gekrulde lock:
heel Cypers en heel Roomen/ staen tusschen u en mij — waer zijt ghij?quot; (... es stäubt
da Staub von Bäumen/ in jener Locke kraus: ganz Cypem und ganz Rom/ steht zwischen
dir und mir - wo bist du?)

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Die Haube

Zwischen 1620 und 1630 ist die „Diademhaubequot; vor aUen Dingen
die eigenthch elegante Tracht. Anfangs (bis um die Hälfte des Jahr-
zehnts) kommt sie noch mit aufstehendem Rand vor, daneben aber doch
auch schon mehr flach anliegend.

Die Spitzenverbrämung erscheint dann schmäler als bei der Vor-
form. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts hat die „Diademhaubequot; mit
hegendem Rande die Oberhand, und allmähhch ändert sich ihre Form:
die größte Breite schwült nach den Seiten zu.

Die alte „Flügelhaubequot; kommt nur noch aus Leinen vor und wird
von einfachen Frauen, alten Damen und allen, die Wert darauf legen,
„puritanischquot; zu erscheinen, getragen.

Die Unterhaube trägt man wie vorher. Selten steht ihr Spitzenrand
aufrecht und zeigt sich dann demgemäß vor dem Rande der Überhaube.
Manchmal tritt aber auch etwas vom hegenden Spitzenrande unter der
Überhaube hervor. Dieses ist speziell bei der „Diademhaubequot; der Fall.
Auch als selbständiges Stück bleibt sie wohl gebräuchhch; sie kann dann
sehr luxuriös ausgestattet sein^.

Die kleine „Unterhaubequot;, die nur aus Beutel und „Backenflügehiquot;
besteht (vgl. S. 32), wird auch weiterhin getragen, wenn auch ebenso
selten wie früher.

Als besonders schlicht, bestimmter rehgiöser Gesinnung angepaßt,
gilt eine Haube (wohl Flügelhaube?) mit Halsbändern2.

^ Auf Frans Hals\' Doppelbildnis aus diesen Jahren (Amsterdam, Rijksmuseum, 1084)
besteht die Unterhaube der Frau zum Teil aus broschierter Seide, mit einer Verbrämung
von Goldspitzen und mit einem durchgezogenen rosa Band verziert. Der „Beutelquot; am
Hinterkopf ist dazu aus femer Seide. - Überhaupt scheint die Unterhaube gern mit
Band geschmückt gewesen zu sein; ist dieses doch die einzige Möglichkeit, um das in den
Rechnungen oft erwähnte „lint tot de mutsquot; zu erklären. Man vergleiche etwa die Rech-
nungen für ComeUa v. d. Bergh, 1617 (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 106): „Voor wit
lint om in ses mutsen te steken: 3 st.quot; - Auch die gelegentliche Erwähnung von seidenen
Hauben möchte ich nicht unbeobachtet lassen. Aus den Abbildungen ist meines Er-
achtens nur bei den luxuriös ausgestatteten Unterhauben auf die Verwendung von
Seide als Material zu schließen. Man vergleiche aus dem Nachlaßinventar der Neeltgen
Ariensdr. Witwe Cam (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 104), 1629: „Ses sijen vrouwe
mutsen.quot;

2 Vgl. 1625, J. J. Starter: „Steeckboexkenquot;:

„Menniste-Trijn, die is so fijn als\'t fijnste ragh,
alleen maar in den naem en van het grofste slagh;
al draeghtse een siechte muts, met een keelbant onderaen,
men sietse lijckewel ind\' Beniste bniyloft gaen.quot;

(Ganz orthodox bis dort hinaus scheint Mennoniten-Trijn;
tatsächlich ist sie gar nicht so... es ist nur alles Schein.
Und wenn sie schlichte Hauben trägt, mit Halsband um das Kinn,
für Mennonitenfeste\'fehlt ihr gleichfalls nicht der Sinn.)

1620-1630
Überhaube
I. „Diadem-
haubequot;

IL „Flügel-
haubequot;

Unterhaube
I. Richtige
Unterhaube

IL Kleine
„Unter-
haubequot;

Haube mit
Halsbändern

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Auch nach 1630 bleiben obige Typen weiterhin erhalten.nbsp;1630-1640

J X) * rf

Die Diademhaube hat sich nun definitiv umgebildet zum Typus mit \' haubequot;quot;*\'
flach liegendem, auf den Seiten breitem Rand. Die Frequenz der Haube
als Hauptstück ist infolge der Zunahme der offen getragenen Frisur
geringer. Ihre Form folgt ja sowieso der Form der Frisur, die eben
auch oben flach und auf den Seiten ausladend ist (vgl. S. 68).

Manchmal werden jetzt beide kombiniert, indem vor der Haube
die Haare zu beiden Seiten des Gesichts aufgebauscht werden und dann
die Haube bis auf deren Rand bedecken. Es versteht sich, daß die Haube
dazu mehr nach hinten getragen werden muß und daß sie schon dadurch
mehr von den Haaren frei läßt als früher. Die Unterhaube wird dabei
vermuthch fortgelassen, jedenfalls ist sie nirgends zu sehen.

a)nbsp;Einigermaßen als Variante, weil ihre Wirkung anders ist, wäre Varianten
die selten vorkommende ungesteifte „Diademhaubequot; zu betrachten^.

b)nbsp;In den spärlichen FäUen, wo sich die nach den Seiten hin verbrei-
terte „Diademhaubequot; nicht ganz flach gelegt hat, entsteht eine Form,
die große Ähnhchkeit aufweist mit der „konfektionierten Flügelhaubequot;
vom Anfang des Jahrhunderts, der Form, der die „Diademhaubequot; ihr
Entstehen verdankt (vgl. S. 31).

Die „Flügelhaubequot; ist wie im vorigen Jahrzehnt nur den alten II.
Damen, den einfachen und den puritanischen oder konservativen Frauen
vorbehalten. In ihrer strengsten Form bleibt sie dabei unverändert

Oder „Groot Hoorns, Enkbidzer, Alkmaarder en Purmerender Liedboeckquot; (S. 157)
(aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts; zitiert bei Schotel: „Maatsch. Lev.quot;, S. 261),
wo der Hausierer sagt:

„Siet wat of ick hier noch vind,nbsp;(Schaut, was ich hier nicht alles find:

wolle, fijne, bratte lind,nbsp;wollnes, zartes, borattes Band

voor de klopjes mutsjesnbsp;für die Spitzenhäubchen fein

en oock swarte keelebandnbsp;und dann noch schwarzes Halsband auch

voor de menniste-susjes.quot;nbsp;für Mennoniten-Schwesterlein.)

^ Eine ungesteifte, weiche Diademhaube fand ich als Ausnahmefall 1636 bei
Th. de Keyser (Damenbildnis, Kunsthandel).

^ Als Beweis für die puritanische Bedeutung der „Flügelhaubequot; in diesen Jahren
ziehe man heran: „Ware afbeeldinge van eenige der allergrootste en doorluchtigste
Vrouwen van het geheele Christenrijk, vertoont in de gedaente als Harderinnenquot;, 1640,
mit Stichen von Crispin de Passe. Es wird da die „Flügelhaubequot; ausgerechnet von einer

FlägeU
haubequot;

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Im übrigen richtet auch sie sich manchmal einigermaßen nach der herr-
schenden Haubenform, indem die Umrißlinie der „Flügelquot; nicht un-
gebrochen verläuft, sondern ehe sie sich unten an die Backen anschließt,
eine Ecke bildet, so daß dadurch an dieser Stelle die „Flügelquot; ihre größte
Breite bekommen, genau so wie es die Mode bei den „Diademhaubenquot;
vorschreibt.

Sie kommt aber auch schon in dieser Form mit schmäleren Flügeln vor.

Für ganz alte Frauen trifft man schließlich eine Haube, die in Zu-
sammenstellung mit den übUchen als dritte getragen werden kann. Diese
geht glatt über den Kopf und bedeckt die Stirn. Man trägt sie unter oder
über der eigentHchen „Unterhaubequot; und, wie gesagt, kann über diesen
beiden noch die gewöhnliche Überhaube getragen werden.

EigentUch nicht mehr zum Gebiete der Hauben im engeren Sinne
gehörend, aber doch wohl am besten an dieser SteUe zu besprechen, ist
eine andere, selten vorkommende Tracht, die anscheinend ebenfalls nur
bei alten Damen gebräuchlich ist, nämhch eine große, schwarze Kappe,
breit ausladend auf den Seiten und unten mit einer Ecke auf den Hals
zugehend, wo sie wohl verschlossen wird.

Man trägt sie über der Haube i.

Der Kragen

Zwischen 1620 und 1630 bleiben die Kragen wie früher: also ent-
weder ringsum geschlossen als Krause oder flacher Kragen, oder als
offener Stehkragen.

h^näckig ledig bleibenden Jungfer, einer Witwe und einer geschiedenen Frau getragen,
wie uns die Legende zu den Abbildungen lehrt.

1 Die ursprüngliche Vermutung, daß es sich hier um eine Witwentracht bandelt,
trifft nicht zu; denn es trägt sie z. B. 1637 Maria Petitpas, Gemahlin des Pfarrers Johan
Wttenbogaert, der in diesem Jahre noch am Leben war (Abb. „Oud-Hollandquot;, 1908,
gegenüber S. 141). Vielleicht wäre es nicht ausgeschlossen, daß diese Kappe nur zum
Straßenanzug gehörte und die Damen sich, gewissermaßen wie heute mit Hut haben
malen lassen. In diesem FaUe könnte sie ein letzter Rest der in Deutschland und früher
auch in den südHchen Niederlanden übUchen großen Heuke sein, die ich als „Verdeck-
heukequot; charakterisiert habe (vgl. S. 51).

III. Haube
für alte
Frauen

Die„Kappe^

1620-1630

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Die dünne Krause kommt nur noch selten vor, und zwar bei alten
Damen. Sie bildet also keinen wesentUchen Teil des Modebestandes mehr.

Vereinzelt trägt man auch Uegende Krausen.

Im übrigen ist die Krause dick (bis etwa 7 oder 8 om in den nördUchen
Niederlanden, im Süden hingegen erreicht sie eine noch größere Dicke,
vieUeicht gar bis 10 cm. Man vergleiche S. 10). Sie besteht aus sehr dicht
gefältelten, regelmäßig geformten, hohen und sehr schmalen Röhren ^
und kommt dabei in aUen Größen vor, bis zu dem
„Mühlradkragenquot; 2.
Auch bei reicherer Tracht kann die kleinere Krause vorkommen; trotz-
dem scheint aber der „Mühlradkragenquot; besonders vornehm zu sein.

Die Variante: eine Krause, die vorn schmäler ist als hinten, bleibt
auch in diesen Jahren, wenn auch vereinzelt, fortbestehen.

Eine Spitzenverhrämung zur Krause ist in diesen Jahren besonders
selten.

Die Halsrüsche des Hemdkragens ist jetzt immer sichtbar.

Der flache Kragen wird in derselben Form auch jetzt besonders von
Mädchen getragen, und wie beim Stehkragen kann auch wieder über
diesen flachen Kragen ein zweiter kleinerer umgelegt werden, obwohl
dies aus keinem praktischen Zwecke zu erklären ist. Dieser zweite Kragen
kann klein und rund sein oder vorn in zwei rechteckigen häflchenartigen
Zipfeln enden.

Auch der Stehkragen behält seine frühere Gestalt. Ausnahmsweise
bildet die Oberkante auch jetzt noch einen Doppelbogen. In diesem
FaUe besteht der Kragen dann aus zwei Hälften, die sich hinter dem Kopf
zusammenfügen.

1nbsp;Zu diesen Kragen braucht man ungeheure Stoffmassen. So erzählt Le Francq
V. Berckhey (a. a. O., S. 555-556), er habe ein aufgetrenntes Exemplar in den Händen
gehalten, dessen Länge 48 „eUenquot; (32,50 m) betrug und ein Bekannter von ihm besäße
eins zu 60 „eilenquot; (über 40 m!).

2nbsp;Der Vergleich der Krause schlechterdings mit einem Mühlrad ist schon 1580 von
VignSre in seinen „Notes sur Tacitequot; gemacht worden.

I.

Geschlossener
Kragen

a) Die
Krause

Variante

h) Der flache
Kragen

„Über,
kragenquot;

IL
Stehkragen
„Über,
kragenquot;

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Um die Blöße des Halsausschnittes zu bedecken, wird zu dem Steh-
kragen ein Tuch, und bei den feineren Exemplaren gar ein loser Über-
kragen getragen, in derselben Form wie oben bei dem flachen Kragen
beschrieben ist. „Überkragenquot; und „Halstuchquot; fallen vorn bäfiquot;chenartig
mit zwei rechteckigen oder spitzen Zipfeln auf die Brust und lassen
manchmal einen keilförmigen Ausschnitt unbedeckt. Sie sind also wohl
als die weiterentwickelte Form des früheren Überkragens zu betrachten.

Dieses „Halstuchquot; (bzw. dieser „Überkragenquot;) ist sehr behebt, und
daraus ist es wohl zu erklären, daß man das Stück auch dort trägt, wo
es nicht aus praktischen Gründen notwendig ist, wie über dem „flachen
Kragenquot;.

1630-1640nbsp;Um 1630 gehört die Krause besonders der konservativen Tracht an.

„nbsp;Sie kann zwar auch zum modischen Kostüm vorkommen, zu dem sie

irescnlossener . i. , . , , ,nbsp;,nbsp;n t.

Kragen. eigentlich mcht mehr gehört, dann allerdmgs fast immer in Verbindung

a) Die mit der Haube. Es wird dann gewissermaßen ein Kompromiß zwischen

rause angestammter, gewohnt gewordener niederländischer Tracht und dem

modischen Kostüm geschlossen.

Vorzugsweise trägt man die Krause jetzt als großen „Mühlradkragenquot;,
der von nxm ab deutlich als vornehme Form zu erkennen ist, denn damit
geschmückt zeigen sich auf ihren Büdnissen die statthchen Regentinnen,
während die kleine Krause jetzt ausschheßhch den ofiquot;enbar puritani-
schen Damen vorbehalten bleibti. Die schhchteste Form ist sogar so dünn
und flach, daß sie beinahe aussieht wie eine ringsum runde „Golillaquot;.

Auch jetzt kommt vereinzelt noch die hegende Krause vor.
b) Der flache Der flache Kragen kommt nur noch selten vor und hat eigenthch
Kragennbsp;jj^^^jj Kindern die oben geschilderte Form.

II.nbsp;Die wesentUche Modetracht ist in den dreißiger Jahren der Abkömm-

Stehkragen jjj^g j^g ofiquot;enen Stehkragens. Wie früher kann dieser einzeln sein oder
mit mehreren von verschiedener Größe übereinander getragen werden.
Der obere ist dann manchmal der kleinere. Es entstehen so die ungeheuer
kompUzierten Kragen, von denen es sogar bei einer deutUchen Abbildung
kaum oder gar nicht möglich ist, die Form der verschiedenen, mehr oder
weniger durchsichtigen Einzelschichten zu bestimmen, sowie die Art
und Weise, in der sie zusammengestellt sind. (Man versuche z. B. einmal,
die Kragen auf dem von Miereveldt im Jahre 1629 gemalten Bilde der
Prinzessin Amalia von Solms, oder gar die so viel einfacheren Kragen-
schichten der von van Dyck gemalten Maria Louise de Tassis [Wien,
Liechtenstein-Museum] genau zu „entziflernquot;!)

Allmählicher Der Charakter des ganzen Kragens wird aber anders, weil er anfängt,
Übergang

zum „Liege-nbsp;i Für die kleine Krause gilt dasselbe, was bei der „Flügelbaubequot; gesagt worden ist

ragennbsp;g Fußnote 2). Es kaim dafür auch dasselbe Literaturbeispiel herangezogen

werden.

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sich zu legen, und zwar zeigt sich das zunächst auf den Seiten, die alsbald
schon ganz flach auf der Schulter anliegen, während der Kragen hinten
noch etwas steif absteht. Schon in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts hat
er sich dann aber ringsum flach gelegt.

Es kommt manchmal vor, daß sich im Ausschnitt das Hemd zeigt,
das bis an den Hals hinaufgeht und dort, wie früher, mit einer Rüsche
abschließt.

Aber auch sogar über diesem ganz verhüllten Ausschnitt wird, wie
über dem richtigen „Décolletéquot;, sehr oft der verhüllende „Überkragenquot;
gelegt, der in den ersten Jahren noch durchwegs die eigens zugeschnittene,
konfektionierte Gestalt behält. Später weicht er über der ganzen Linie
dem „Halstuchquot;, einem richtigen, viereckigen Tuch, daß, der Diagonale
entlang, doppelt gefaltet ist und so umgelegt wird, daß die mittlere Spitze
auf dem Rücken hängt und die beiden anderen auf der Brust. Bezüghch
des Faltens ist noch zu bemerken, daß der Saum der unteren Hälfte unter
der oberen Hälfte herausragt. Das Halstuch, dessen ursprünghche Be-
schaflenheit im Namen „neusdoekquot; (Nasentuch) deuthch Ausdruck
findet^, ist oft mit einer Spitzenborte versehen.

Das Mieder

Nach 1620 erhält das Mieder keine wesenthche Veränderung. Es 1620-1630
bleibt also straff, über einem zugeschnürten Korsettvorn zugespitzt®,
und wie früher ist es hoch geschlossen oder mit einem Halsausschnitt
versehen. Neu ist aber, daß es diesen Ausschnitt nicht nur auf der

^ Vgl. Anhang: Heemskerck: „Bat. Arcadiaquot;.

® Man sehe den väterlichen Rat des Dichters Jacob Cats (im „Houwelijckquot;, Kapitel
„Bruytquot;): „Ey wacht u, jonge vrou/ de leden in te binden,/ en met een naeuwe praem/
te woelen en te winden.quot; usw. - 1621, J. J. Starter: „Kluchtig tafelspel van Melis Thijsenquot;
(Z. 116): „Ick sou jou \'s morgens rijgen, klien en opproncken wel terdegen.quot;

3 Vgl. Huygens: „Costelijck malquot;, 1625 (Z. 45): „Een stege walvischromp, plat
achter, spits van voren.quot;

„Über,
kragenquot;

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Vorderseite, sondern auch vom und hinten geben kann. FreiUch wird
hinten immer das an den Hals hinaufgehende Hemd (oder die dem ent-
sprechende Attrappe) sichtbar, imd dort, wo man zum ausgeschnittenen
Mieder den hohen, geschlossenen Kragen trägt, wird, wie früher, die Blöße
des Ausschnittes auch vom vom „Hemdquot; bedeckt.

Den Halsausschnitt umzieht jetzt immer eine nach auswärts, also
nach unten gerichtete flache Spitzenverbrämung.

Auch die Einteilung in Mieder mit und solche ohne Ärmel läßt sich
weiterhin durchführen.

Bei dem ärmellosen Mieder kommen die flachen Schulterklappen
jetzt am meisten vor.

Schulterräder und besonders Schulterraupen werden seltener. Wo
sie noch vorkommen sind sie nie mehr doppelt, sondem immer einzeln i.

Sehr oft werden jetzt Zierärmel getragen, und zwar in den folgenden
Typen:

a)nbsp;Aus einem Stück, in derselben Form wie bei den Märmern.

b)nbsp;Wie richtige Ärmel, in der Mitte durch einen horizontalen Schlitz
in zwei Teile geteilt, so daß die obere Hälfte den Oberarm um-
schUeßt, die untere Hälfte aber lose herabhängt.

b^) Eine Variante der vorigen Form, wobei die beiden Hälften von
oben herab, über ihre ganze Länge in der Mitte aufgeschlitzt
sind, so daß sie beide frei von oben herabhängen

c)nbsp;Als Neuform entstehen hieraus kurze, weite Überärmel, die nicht
weiter reichen als bis über den Oberarm und ringsum geschlossen oder

^ Bei einfachen und bei streng gekleideten Leuten fristen die Schulterräder dann
noch ihr langes Leben, wenn sie aus der Modetracht schon längst verschwunden sind;
80 z, B. noch
1635 auf den Illustrationen zu v. d. Venne „Tafereel van de belacchende
wereltquot; und noch 1642 bei der Magd auf Versproncks Bildnis der Vorsteherinnen des
Heilig-Geist-Spitals (Haarlem, Frans-Hals-Museum).

2 Die Typen b und b^ sind also dieselben, die wir am „spanischen Überkleidquot; (S. 48)
getroffen haben.nbsp;♦

J. Mieder
ohne Ärmel

Die
Zierärmel

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vom aufgeschlitzt sind. Diese kann man schließlich betrachten als
Zierärmel vom Typus b oder b^, deren untere Hälfte fortgelassen ist.

Die Ärmel aus anderem Stoff imd (oder) in anderer Farbe, die man Die Ärmel
zu dem ärmellosen Mieder trägt, sind jetzt immer eng.

Das Mieder mit Ärmeln bleibt ebenfalls wie früher. Nur ist zu be- I. Mieder
merken, daß die aus mehreren geschützten Bäuschen zusammengesteUten Ärmeln
Ärmel nach und nach an Häufigkeit zunehmen.

Zu den letzteren gehören flache Schulterklappen (selten Schulterräder
oder -raupen), die damit zum erstenmal auch an diesem Miedertypus
Verwendung finden.

Nach 1630 gewinnt auf einmal das „einheitliche Kleidquot; die Über- 1630-1640
band (s. S. 78); das Mieder gehört dann nicht zur Modetracht und wird
in diesem Jahrzehnt nur in einfacheren Kreisen in imveränderter Form
weitergetragen. Dasselbe gilt dann auch für die alte Form des Jäckchens.

Der Rock

Fast ausnahmslos wird der Überrock jetzt in die Höhe gerafft. Der 1620-1630
Wulst als Untergestell um die Hüften wird dabei aber noch manchmal ^
beibehalten!.
nbsp;Übl\'^ock

Der tonnenförmige Rock mit aufüegender Krause wird selten und jj. Der
ist um die Hälfte des Jahrzehnts bereits völüg verschwimden^.nbsp;för^quot;eRock

Für das nächste Jahrzehnt güt dasselbe, was oben bei dem Mieder
gesagt ist: auch der Rock bleibt als Sonderstück nur bei dem Volke ge-
bräuchhch, in derselben Form wie früher.

Der Vlieger

Der „vüegerquot; bleibt auch in den zwanziger Jahren die typische, 1620-1630
als statthch geltende Tracht.

Die Form des „vÜegersquot; bleibt dieselbe, er ist aber durchwegs ärmellos.
Wie beim Mieder kommen jetzt seine Schulterräder
immer einzeln vor.
Es werden aber auch Schulterklappen getragen oder, besser, eine Form,
die als Übergangsform zwischen den Schulterrädern und den Schulter-
klappen zu betrachten wäre und das eine Mal mehr dem einen, das andere
Mal mehr dem anderen ähnÜch ist. Es werden dabei die „Schulterräderquot;
nach auswärts geklappt, so daß sie in einem größeren Winkel zu der
Schulter stehen, wenn sie nicht gar ausladend die Schidterlinie nach außen
hin fortsetzen.

^ Vgl, 1624, Johan de Brune: „Emblemataquot; (XIII), wo ein solcher Wulst auf dem
Boden liegt (Abb. 36).

2 Eins der letzten Beispiele gegen 1625 in Cats\' „Houwelijckquot; (Gesammelte Werke,
S. 290), bei einer Französin und, wie es mir vorkommt, zur Charakterisierung des Aus-
ländischen; denn in Holland hat sich die Tracht schon überlebt, wie aus den übrigen
Cats-Illustrationen dieser Jahre hervorgeht.

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Der angebliche Rückenmantel bleibt. Hinten ist der „vhegerquot; außer-
dem noch mit dem flachen, steifen Kragen versehen, der, obwohl nieder-
geklappt, doch etwas absteht und der wohl die Beendigung der Aufschläge
längs den Kanten des „vhegersquot; bildet.

In reichverzierten Bruststücken treibt man besonders in diesen
Jahren den höchsten Luxus.

Der schhchte „vhegerquot; hat ein kleines, schwarzes Bruststück aus
dem Stoff der Ärmel und gilt so als die behebte, puritanische Regentinnen-
tracht.

In den zwanziger Jahren hat die luxuriöse Ausstattung des „vhegersquot;
ihren Gipfel erreicht. Nach 1630 ist er weit schhchter, mit kleinerem,
dunklem Bruststück, das der reichen Goldstickereien entbehrt.

Das einheitliche Kleid
Neben der zuvor beschriebenen Tracht, die sich auch in diesem
Jahrzehnt behauptet, kommt eine neue Form auf, als Äußerung eines
starken Hanges zur allgemeinen Verbreiterung der Figur. Zuerst zeigt
sich dieser Hang in den Ärmehi, die aus zwei großen, in der Länge
vielfach geschhtzten, gleichsam aus Bändern zusammengestellten Bauschen
bestehen

Bald wird auch die allzu scharfe Einschnürung und Trennung an der
Überkleid Taille vermieden, indem man ein weites Überkleid trägt, das wenig oder

^ Das „Friesch Museumquot; zu Leeuwarden enthält ein Paar Originalexemplare dieser
Gattung, die keine losen Ärmel bildeten, sondern, wie noch deutlich sichtbar, mit einem
starken Faden ans Kleid festgeheftet waren. Die Breite der Bauschen ist 30 cm, ganz
beträchtlich also bei einer Totallänge des Ärmels von 50 cm. In den Öffnungen der mit
Goldposament verbrämten „Bänderquot; wird der Unterstoff aus weißem Nesseltuch sicht-
bar. Als Futterstoff dient weißer Boi und im schmalen Teile am Handgelenk weißer Atlas.
Vier Reifen aus
Fischbein dienen zur Versteifung des Ganzen. (Diese Mitteilungen ver-
danke ich dem Herrn Direktor Vieweg, dem an dieser Stelle verbindlichster Dank dar-
gebracht sei.)nbsp;lt;

Das
Bruststück

1630-1640

1630-1640

Das

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Um 1637 G. Honthorst Um 1635^D. Santvoort
„Einheitliches Kleidquot;.

nicht tailliert ist, vorn über die ganze Länge aufklaflft und hoch unter der
Brust lose gegürtet wird, mit einem verschleiften oder gar mit Rosetten
geschmückten Band^,

In Holland kann man es ab und zu nicht unterlassen, der alten Ge-
wohnheit folgend, das Überkleid rmgsum aufzuraflFen; dieses entspricht
aber kaum dem ursprünghchen „Smnquot; dieses Kleides.

Die Ärmel des Überkleides sind in ihrer eigenthchen Form halblang Die Ärmel
und weit. (Genau so wie die Überärmel des Mieders im vorigen Jahr-
zehnt. Sie wären also ebenfalls zu betrachten als die zur Hälfte ge-
kürzten
spanischen Zierärmel.) Dazu sind sie vorn aufgeschhtzt, wodurch
auch der obere Bausch der darunter getragenen Ärmel sichtbar wird.

Eine öfter vorkommende Variante bilden aber lange, weite (Über-)
Ärmel, vorn der ganzen Länge nach aufgeschhtzt. Der Schhtz
kann
dabei in der Mitte wieder zugeknöpft oder verschleift sem, so daß gleich-
sam zwei Schhtze entstehen, entsprechend den doppelten Bauschen des
ünterärmels.

Man trägt das Überkleid fast ausnahmslos über emem Mieder, mit
tiefem, viereckigem Halsausschnitt, das sich einem Jäckchen nähert,
weil es neben der Vorderspitze einen kurzen, m Flügel zerlegten Schoß
hat, von dem sich vorn in der Öffnung die beiden vorderen Flügel neben
der Spitze zeigen.

Der zu diesem Mieder getragene Rock ist nicht mehr mittels Hüft-
wülsten oder ähnhchen Instrumenten ausgestopft. Nur vorn unter der
Miederspitze kommt eine leichte Wölbung nach außen vor.

Rock und Mieder des Unterkleides haben immer dieselbe Farbe, und
zwar wh-d dazu vorzugsweise eme heUe Farbe gewählt, die scharf gegen
den dunklen Ton des Überkleides kontrastiert.

1 Es ist wohl nicht unangebracht zu vermuten, daß dieses Überkleid seinen Ur-
sprung findet in dem S. 48 besprochenen „spanischenquot; Überkleide.

Das
Unterkleid
Mieder

Rock

Farbe

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Die Ärmel des Unterkleides haben immer die oben beschriebene Form,
d. h. sie bestehen immer aus zwei großen, vielfach geschhtzten Bauschen!

Zur Verzierung des Überkleides werden vorzugsweise kleine Schleifen
und Rosetten verwendet, z. B. vom am Kragen, am Verschluß des
A^elschhtzes und am Gürtelband, besonders an der Stelle, wo dieses
die Borten des Überkleides überschneidet.

Weil die Form des Überkleides eine Ähnhchkeit mit dem „vhegerquot;
aufweist, versteht es sich, daß sich aus diesen beiden auch Mischformen
büden. Dies zeigt sich im Schnitt (oben anhegend, in der TaiUe angefältelt),
im Unterlassen der Gürtung und vor allen Dingen in der Vergrößerung
und dem selbständigen Herausarbeiten des sichtbaren Stückes vom
„Miederquot;, das zwar nicht den Umfang und die luxuriöse Ausstattung der
früheren „borstquot; am „vhegerquot; erreicht, aber doch eher als lose Attrappe,
denn als wirkhcher Vorderteil des Mieders anzusehen wäre.

Der große, viereckige Halsausschnitt bleibt. Wie immer ist er auch
hier mit Spitzen verbrämt, und falls man zu diesem Kleide die Krause
trägt, zeigt sich in der Öffnung das bis an den Hals hinaufgehende Hemd.

Das Jäckchen

Von Bürgerfrauen werden noch immer gern Jäckchen getragen,
und zwar in den folgenden Formen;

I.nbsp;Das schon früher (S. 49) beschriebene Jäckchen, das jetzt nur
bei einfachen Frauen vorkommt.

II.nbsp;Ein lockeres Jäckchen mit schmaler Verbrämung aus Pelzwerk.

III.nbsp;Eng anschheßendes Jäckchen, gleichsam ein Mieder mit Schoß.
Weil vom über dem Schoß des Jäckchens immer die Schürze gebunden
ist, ist es weder mögUch, dessen Form gänzhch zu bestimmen, noch dem
Verhältnis zum Mieder nachzuspüren.

Im nächsten Jahrzehnt bleibt in erster Linie der dritte Typus un-
verändert, der, wie das Mieder (vgl. oben S. 77), in dem nicht direkt von
der herrschenden Mode beeinflußten Kostüm fortlebt.

IV.nbsp;Wichtiger ist aber ein Jäckchen, das neben dem modisch^
Kleide getragen wird und sich ganz deren Gestalt anschheßt. Es hat einen
kurzen, öfters in einige große Flügel zerlegten Schoß mit horizontaler
Unterkante und ist wenig oder gar nicht taiUiert und wird nur, wie das
Überkleid, von einem horizontalen Bande hoch gegürtet. Die Ärmel
stimmen mit denen des Überkleides überein, sind jedoch meist kurz. Die
damnter sichtbar werdenden „Unterärmelquot; sind weit und bauschig, nur
am Handgelenk anhegend.

Im Gegensatz zu den anderen Jäckchen gehört dieser Typus durch-
aus auch der eleganten, richtig „modischenquot; Tracht an.

Hollän-
dische
Umge-
staltung

1620-1630

1630-1640

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Das weiße Cape

Als Haustracht findet man in diesen Jahren wiederholt einen kurzen,
bis an die Ellbogen reichenden capeförmigen Umhang aus weichem,
weißem Stoff, oben mit einem kleinen Liegekragen versehen. Umhang
und Krägelchen können mit einer schmalen Spitzenborte verbrämt sein.
VermutUch trug man dieses Stück zu Hause anstatt des für häusUche
Tätigkeit zu lästigen Kragens i.

Die Heuke

In den zwanziger Jahren bleiben die beiden Typen: „Schnabelheukequot; 1620-1630
und „Hutheukequot; ohne eingehende Veränderung weiterbestehen.

Erst um 1630 setzt sich die Konfektionierung der „Hutheukequot; fort, 1630-1640
indem das Hütchen zu einer gewölbten Scheibe zusammenschrumpft,
noch immer mit dem Stäbchen als Handgriff in der Mitte. Sehr oft ist
dieses am Ende mit einem Federpompon geschmückt.

Die älteren Formen der Heuke bleiben in diesen und den folgenden
Jahren noch bei dem Volke weiter gebräuchUch; aus dem Gebiete der
modischen Tracht sind sie dann aber verschwunden.

A. Der
.Onderriem^\'

suchen
L

Halsschnüre

Zutaten zum Kostüm

Der „Onderriemquot; wird wie früher in derselben Weise getragen. Für
Form und Beschaffenheit siehe also S. 54.

Die kleinen Halsschnüre bleiben wie früher. Es zeigt sich aber inB. Schmuck-
den dreißiger Jahren, in Zusammenstellung mit dem „einheitlichen Kleidequot;
und dem flachen Kragen darüber, eine neue Tragweise der großen Hals-
schnüre. Diese werden nämUch nicht mehr umgehängt, sondern vielmehr
über dem Kragen imsymmetrisch „arrangiertquot;, und zwar von der Agraffe
auf der Mitte der Brust aus nach einer Seite, wo sie auf der Vorderseite
der Schulter wieder mittels einer Agraffe befestigt sind, dann von dort
wieder über die Brust nach der anderen Schulter, auf der man sie noch

^ Bei Wenzel Hollar zeigt sieh in solchem Umhang die „Femme hoUandaise au logisquot;^.
6 81

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einmal feststeckt oder sonst (vieUeicht) nach dem Rücken hinüberführt
wo sie dann vermutUch auch so befestigt werden, daß der horizontale
Verlauf gewahrt bleibt. (Eine deutUche Rückenansicht fehlt mir leider
bisher; die Halsschnüre sind ja nur auf den Porträts vornehmer Leute
abgebüdet, wo es also bloß eine frontale Ansicht gibt.) Die Agraffen die
dazu dienen, die Schnüre auf den Schultern festzustecken, sind jetzt
ausnahmslos mit kleinen Bandschleifchen oder Rosetten verziert. Die
Mittelagraffe auf der Brust kann jedoch aus Gold mit Edelsteinbesatz
angefertigt sein.

Mit der Zunahme der offen getragenen Frisur nimmt auch das Tragen
der Ohrringe zu, zu denen man besonders gern birnenförmige Barock-
perlen verwendet

Die über dem VUeger getragenen „Gürtelkettenquot; sind Anfang der
dreißiger Jahre vöUig verschwunden.

Im übrigen ist von den Schmucksachen nichts AUgemeines zu sagen.

Auch jetzt sind Masken zum Schutze des Gesichtes noch gebräuch-
Uch. Sie sind in diesen Jahren oben und unten horizontal abgeschnitten
^d scheinen ein Zeichen aUerhöchster Eleganz gewesen zu sein, nach
der preziösen Beschreibung bei Heemskerck (Batav. Arcadia, 1637) zu
schUeßen». In den Inventaren habe ich sie aber nicht angetroffen.

Zur Erhöhung des Teints durch lebhaftesten Kontrast wurden auch
Gesichtspflästerchen als unentbehrUch betrachtet; dabei war man mit
deren Verwendimg keineswegs sparsam\'.

III

1640-1660
DAS MÄNNERKOSTÜM
Die Haartracht

Neben aUen vorigen Variationen: kurz und halblang, erscheint jetzt
lang waUendes, in der Mitte gescheiteltes Haar.

Die Barttracht

In den Jahren 1640-1650 wird am meisten die kleine Kinnfliege mit
Schnurrbart getragen.

1 Man vergleiche die Juwelen der 1642 verstorbenen Saskia van Uylenburg (publi-
ziert „Oud-Hollandquot;, 1885, S. 89): „Twee peerpairlen.quot; Weiter noch: „Een groote dia-
mandt rinck, twee diamanten pendanten, een toer gouden doppen met paerle geeiert,
een paer goude geamailleerde braseletten, een snoertie paeden usw.quot;

® Zitiert im Anhang.

® Vergleiche ebenfaUs Heemskercks „Batav. Arcadiaquot; oder schon früher Huygens
„Voorhoutquot;, wo Z. 345 ff. eine Beschreibung der modisch gekleideten Frau gegeben
wird. (Ebenfalls im Anhang.) t-

II. Ohrringe

III.nbsp;„GürteU
kettenquot;

IV.nbsp;Übriges
C. Masken

D.

Pflästerchen

1640-1650

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Nach 1650 ist man gern glatt rasiert.nbsp;1650-1660

Die Haar- und Barttracht bleibt aber immer noch eine einigermaßen
individueUe Sache, so daß unsere Regel nur die aUgemeinste Form be-
zeichnen kann, neben welcher es noch viele persönhche Nuancen gibt.

Der Kragen«

Alle vorher schon besprochenen Kragentypen, bis zur großen, un- 1640-1650
regelmäßigen Krause, bleiben weiterhin, wenn auch nicht alle innerhalb
des Bezirks der „modischenquot; Tracht, bestehen.

Die eigenthch modische Kragenform bildet der große, weiche, liegende
Kragen, der über die ganze Schulter fällt. Vielfach ist er, wie früher, mit
sichtbar getragenen Schnüren und Quasten zugeschnürt. In den letzten
Jahren des Jahrzehnts kommen aber auch kleinere Kragen auf, die be-
sonders nach 1650 das ganze Terrain erobern.

Die kleinen Kragen kommen aus dem offenbar noch hohen quot;Wams-
kragen zum Vorschein und fallen dann auf den Seiten schräg bis an die -.......

Schulter herab. Dabei sind sie noch genügend gesteift, daß keine Yalte^^^^\'\'^^^\'^
entsteht und also die ganze Oberfläche des Kragens glatt bleibt.

Gegen 1660 werden die beiden Zipfel nach vorn zu größer und fallen
dann auf die Brust, so daß eine Form entsteht, die direkt in die wenig
späteren, richtig bäffchenförmigen Kragen überführt.

Die Verschnürung bleibt immer dieselbe.

Sonderbar ist noch in den vierziger Jahren eine Tracht, die ver-
einzelt beim Mihtär vorkommt, nämlich eine Art von kurzem, weißem
Halstuch, dessen beide Zipfel vom mittels eines farbigen, verschleiften
Bandes zusammengebunden sind und die also wie eine kurze Krawatte
über die Brust fällt. Erst viel später, in den sechziger Jahren, wird ein
ähnlicher Krawattentypus auch in der bürgerhchen Mode erscheinen.

Die Manschetten

Der flache
weiche
Kragen

1650-1660
Der kleine

„Bäffchen-
kragenquot;

Militär,
kragen?

Die Manschetten bleiben wie früher. Erst gegen 1660, wo den Hemd-
ärmeln eme wichtigere Rolle in der Gesamterscheinung zugewiesen wird,
schUeßen diese sich mit einer flachen Krause um das Handgelenk.

6*

83

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Der Hut

Kurz nach 1640 zeigen die Hüte kleinere Krempen - sie können
bis auf die Hälfte zusammenschrumpfen dabei wächst der Kopf des
Hutes in umgekehrtem Verhältnis zur Krempe. Er verjüngt sich dabei
nach oben und schheßt flach ab.

Eine andere Nuance - als solche, nicht als anderer Typus aufzufassen -
zeigen die Hüte mit ringsum aufgeklappter Krempe. Diese ist aber nicht
ringsum regelmäßig und in gleicher Weise aufgeklappt, denn an der
Vorderseite ist sie es manchmal am wenigsten.

Die Verzierung mit Schnüren und Straußenfedern bleibt dieselbe,
obwohl sie weit seltener vorkommt, denn sehr oft werden jetzt die Hüte
ohne Zutaten getragen.

Ein zweites, neu aufgekommenes, Verzierungsmotiv besteht in einem
Büschel Schleifen auf der Krempe.

Nach 1650 werden die Krempen wieder größer, während der hohe
Kopf bleibt.

Das Wams

Neben dem bestehenden Wams fängt man gegen 1640 ein anderes
zu tragen an, zwar in derselben Form, aber kürzer und unten geöffnet,
so daß vom, über den Hosen, ein Stück des Hemdes als Zwischensatz
sichtbar wird. Die Mode des offen getragenen Wamses herrscht und geht
dann auch auf die anderen Typen über,
sogar auf das noch immer nicht
ganz verschwundene zugespitzte Wams mit kurzen Schoßklappen.

Die Ärmel bleiben wie früher, d. h. je nachdem glatt und geschlossen
oder oben bauschig und mit Schhtzen (selten!). Das richtig Modische ist
aber die dritte Form: längs der Vordernaht über die ganze Länge offen,
so daß die Hemdärmel zum Vorschein kommen.

Nach 1650 gibt es keine bedeutenden Änderungen. Erst gegen 1660
wird das Wams so sehr verkürzt, daß darunter ringsum das Hemd sicht-
bar wird.

1640-1650
I. Mit kleiner
flacher
Krempe

IL Mit
aufgeklappter
Krempe

1650-1660

1640-1650

Offen
getragenes
Wams

Die Ärmel

1650-1660
„Innocentquot;

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Die Ärmel und deren Öffnung werden weiter und der Hemdärmel ist -^\'\'mel
sehr bauschig. Gegen 1660, also zugleich mit der starken Abkürzung des
Wamses, kommt die Neigung auf, auch den Oberärmel abzukürzen, so
daß über die ganze Gestalt immer mehr vom Hemde sichtbar wird.

Die VerzierungbestehthauptsächhchinBesätzen anSäumen undNähten.

In den archivahschen Quellen aus den fünfziger Jahren kommt als Bezeichnung
neues Wort der Name „innocentquot; vor, der sich vermutUch auf dieses
kurze Wams bezieht. Wo in einem Nachlaßinventar ^ ein „gecoleurd
innocent met bont gevoerdquot; (mit Pelzwerk gefüttert), sowie „een stael-
graeuwen innocentquot; erwähnt werden, während in der Versteigerungsliste
desselben Nachlasses die Rede ist von „een mans-innocentquot; und „een mans-
rock met bontquot;, da wird man, wo weiter kein eiaziges Stück mit Pelzwerk
erwähnt wird, darauf schUeßen können, daß dieser „mansrockquot; und dieser
mit Pelzwerk gefütterte „innocentquot; identisch sind. Damit ist dann schon
einigermaßen die Beschaffenheit des Stückes festgestellt. Wenn uns nim
weiter eine Rechnung^ darüber belehrt, daß zu einem „innocentquot; nur
2 Yz „eUenquot; (1,70 m) Stoff verwendet werden, da erhält der schon aus
dem Namen entstandene Eindruck, daß es sich hier um ein stark ver-
kürztes Wams handelt, noch weitere Bestätigung. Für das kurze Wams
und bald darauf für das gar kindisch anmutende „Jäckchenquot; hätte man
schwerhch einen besseren Namen finden können.

Die Hosen

I

Die Hosen bleiben in der Periode 1640-1650 wie vorher. Bei dem 1640-1650
verkürzten und offen getragenen Wamse zeigt sich der Verschluß, der
mit hängenden Schleifen verdeckt zu sein pflegt, die übereinander in
einigen, sich nach unten verschmälernden Reihen angeordnet sind.

Um 1650 bleiben die Hosen in derselben Form. Sie werden aber be- 1650-1660
deutend weiter. Die Schleifen am Unterrande der Beinlinge verUeren
den Charakter von Schnürsenkeln und sind ganz dicht nebeneinander
gestellt.

Die Tragweise verändert sich in diesen Jahren einigermaßen, weil
man die Hosen jetzt etwas heruntersinken läßt, damit möglichst viel
vom Hemde sichtbar werden kann®.

^ 1665, Nachlaßinventar des Jan Momael (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 1212).

® 1653, Rechnung für Pieter Gromme (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 696): „Mon
frère Pieter Gromme is débit voor dese navolgende door ordre van voochden voor hem
gecocht en betaelt Ao 1653: Cosijn Baverlingh voor 2^4 ellen laken tot een innocent
à 6 gld. 8 st. d\' el: 26 gld. Mon frère Gilles voor sijn innocent 10 gld.quot; - Pieter Gromme
hatte damals das Alter von 18 Jahren und war also erwachsen. Auch wenn das Tuch
breit gewesen wäre, scheint es für ein richtiges Wams reichlich wenig.

3 Racinet erzählt (a. a. O., V, S. 340), daß die französischen Straßenjutfgen den
Herren nachriefen: „Monsieur, vous perdez vos chausses!quot;

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^^^ ^^^^ wachsen dann die beiden sehr weiten Bein-
quot; quot;s linge zu einem Röckchen zusammen, das aber nie aUein getragen wird,
sondern immer ein Stück formt mit darunter getragenen Pumphosen, die
bis zum Knie reichen i. Diese ZusammensteUung von Röckchen und
Pumphosen ist es, die als „rhmgravequot; bezeichnet wird. Ob dieser Namen
auch in HoUand gebräuchUch war, habe ich leider nicht feststehen
können

v^SZgnbsp;^^ „rhingravequot; sind reichhch mit Band

und Schleifen geschmückt, und zwar besonders oben ringsum der TaiUe
und zu beiden Seiten, so weit vom Unterrande, daß die in dicken Büschehi
herabhängenden Schleifen und Bandschiuppen gerade bis zur Unterkante
von Hosen oder Röckchen reichen.

Rändle Holme belehrt uns in der eben (unter Fußnote 1) erwähn-
ten Handschrift, daß die oben sehr weiten Strümpfe inwendig an die
Beinhnge der weiten Hosen festgenestelt wurden. An dieser SteUe zeigt
sich dann zugleich auf der Außenseite eine Reihe von Schleifen 3. Ob
hier etwa eine Andeutung der inwendigen Nestehi der direkte Anlaß
war zur Schleifen- und Schiuppenverzierung gerade an dieser SteUe?

1nbsp;In vielen Fällen ist es sogar kaum zu bestimmen, ob nocb eine richtige Hose mit
ai^erordentUch weiten BeinUngen gemeint sei, oder ob schon ein Röckchen dargestellt
sei. Eine gute AbbUdung von diesen Übergangsformen geben die bei Fairhold (a. a. 0.)
abgebUdeten Zeichnungen von Rändle Hohne aus den Jahren 1658 und 1659 im „British
Museumquot;. Hier sind aber noch wirklich Hosen dargesteUt, - Vergleiche denAnf^g von
Pepys\' „Diaryquot;, geschrieben am 1. Januar 1660: „This morning ... I rose, put on my
suit with great skirts, having not lately worn any other clothes but them.quot; - In einigen
Kostümbüchem (z. B. bei Weiß) wird die Pumphose unter dem Röckchen als „rhin-
gravequot; bezeichnet; es ist aber weder diese, noch das Röckchen allein, sondern die feste
ZusammensteUung von den beiden Stücken, die vermutlich sogar untrennbar waren.
Eine Abbüdung, freilich aus späteren Jahren (1678), nämHch Jean Berains Stich von
einem Pariser Modemagazin (AbbUdung bei Max v. Boehn, a. a. 0., S. 169), zeigt im
Hintergrunde zwei ganz fertig dahängende „rhingravesquot;, bei denen auch noch ein kleines
Stück von den darunter befindlichen Pumphosen sichtbar ist. - Wie v. Boehn (und nach
ihm auch Jo de Jong [„50 eeuwen kostuumquot;, S. 68]) behaupten können, die „rhin-
gravequot; sei hoUändischen Ursprungs, ist mir rätselhaft. Er sagt, sie komme zum ersten-
mal im Fechtbuch des Girard Thibault (Leyden 1628) vor. Im ganzen Thibaultschen
Buche habe ich aber keine Spur von dem Stück gefunden! Daß es vom Rheingrafen Salm
zuerst bei Hofe in VersaiUes vorgeführt ist, ist immerhin möglich; jedenfaUs scheint
der Name des Stückes diese Legende zu bestätigen.

2nbsp;^ Eejj keursbroeck, daer een bond van onder in kan springenquot; (Eine Rockhose,
in die ein Hund von unten hineinspringen kann) nennt sie um 1660 Johan de Brune im
„Banket van goede gedachtenquot;.

® „Long stirrop hose, two yards wide at the top, with points through several eyelet
holes, made fast to the petticoat breeches. A simple row of pointed ribbons at bottom
of breeches.quot; Dieses sei die neueste Mode im September
1658. Obwohl die Schleifen,
dem Texte nach, unten an den Beinlingen befestigt sind, gUjt die dazugefügte Abbüdung
sie auf einiger Höhe, ungefähr gleich unter der Hälfte der Beinlinge wieder.

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Dieselbe Verzierung am Oberrande könnte vielleicht in Reminiszenzen
an die früheren Hosennestehi wurzeln.

Wie es auch sei, man hat solchen äußerhchen Anlaß als „technisches
Ornamentquot; gern gebraucht, um höchsten Bänderaufwand zu treiben^.

Der Mantel

Der Mantel bleibt in Gestalt und Tragweite ohne wesenthche Um-
änderung. Er ist nur hinten öfters, etwa von halber Höhe abwärts, auf-
geschhtzt, was vor aUen Dingen dem bequemeren Tragen des Degens
zugute kommt.

Die Beinbekleidung

Die Strümpfe bleiben anfänghch wie früher und auch der Gebrauch Strümpfe
von Überstrümpfen bleibt unverändert.

In dem Laufe der fünfziger Jahre werden sie aber oben außerordent-
hch weit und können dann entweder an die Innenseite der weiten Hosen-
beinlinge angenestelt werden, so wie es aus der zitierten Beschreibung
von Rändle Holme hervorgeht, oder man kann sie (und in diesem Falle
sind es offenbar die Überstrümpfe) unterhalb des Knies nach imten zu
umstülpen, wobei dann die Stulpen („canonsquot;) öfters reichlich mit Spitzen
verbrämt sein können

Die Schuhe sind überaus lang®, laufen etwas spitz zu und sind vorn Schuhe
rechtwinkhg zugeschnitten und abgeflacht.

^ Vergleiche, was Pepys am 24. Januar 1660 in seinem „Diaryquot; verzeichnet:
„... There, when we came, we found Mrs. Carrick very fine, and one Mr. Lucy, who
called one another husband and wife, and after dinner a great deal of mad stir. There
was pulling of Mrs. bride\'s and Mr. bridegroom\'s ribbons, with a great deal of fooling
among them, that I and my wife did not like.quot; - Max v. Boehn erzählt ja (a. a. 0.,
S. 114), es würde schon 1656 von einem nach der Mode Gekleideten verlangt, daß er
5-600 Bandschiuppen an sich haben müsse!

® Rändle Holme beschreibt, man trüge August 1659 „large stirrup hose, tied to
breeches,
and another pair of hose drawn over them to the calf of the leg and so turned
downquot;. Das Wort „stirrup hosequot;, Steigbügelstrümpfe, deutet also darauf, daß den
Strümpfen die Füße fehlten und nur ein schmales Band unter dem Fuß zur Befestigung
diente. - Der Name „canonsquot; ist auch in den Niederlanden üblich. Man vergleiche die
Rechnung für Pieter Gromme, 1653 (a. a. 0.): „2% eile linde tot canons â 30 stuv. d\'el:
3 gld. 15 st.quot; - Auch Pepys erwähnt diese Stücke am 24. Mai 1660: „Up and make
myself as fine as I could, with the linning stockings on and wide canons that I bought
the other day at the Hague.quot;

® Welche Länge die Schuhe erreichten, geht hervor aus einem bei Racinet (a. a. 0.,
V, S. 340) zitierten Satz aus den „Lois de la galanterie françaisequot; (1644), wo erzählt wird:
„Que l\'on y ficha une fois un clou à quelqu\'un dans le bout, cependant qu\'û était at-
tentif à quelque entretien en telle façon qu\'il demeura cloué au plancherquot;. Der Autor
kann es dann aber nicht unterlassen, das Lob dieser neuen Mode zu singen; denn wenn
der Schuh kleiner gewesen wäre, so wäre der Fuß des Besitzers ja vom Nagel ganz durch-
bohrt worden!

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Der Verschluß bleibt wie früher und ist ebenfaUs von Schleifen oder
großen, runden Rosetten verdeckt. Nach 1645 smd diese Schleifen ganz
steif.

Noch immer werden gelegenthch Pantinen über den Schuhen getragen.
Es finden sich sogar Fälle, wo solche Pantoffel mit den Schuhen zu emem
Ganzen verwachsen sind und wobei die ganze Sohle mit Absatz auf einer
zweiten Sohle ruht^.

Es werden die Stiefel sehr weit und erhalten steife Borten. Man trägt
sie, als ob die mächtigen Stulpen zu schwer für die Schäfte, bis auf die
Knöchel herabgesunken wären.

Darüber ragen dann die Spitzenborten der Überstrümpfe aus.

Der Wirkung dieser richtig weichschaftigen Stiefel entsprechend
werden bald auch Stiefel angefertigt, deren Stulpen tatsächhch bis an
die Knie reichen. Nach Racinet werden diese ia Frankreich als „bottes
mignonnesquot; bezeichnet.

1640-1650

1640-1660
DAS FRAUENKOSTÜM
Die Frisur

Ende der dreißiger Jahre fallen die Locken zu beiden Seiten des Ge-
sichts bis auf die Schultern herab und sind dabei nicht mehr so dicht
gekräuselt wie früher.

Das übrige Haar wird glatt nach hinten gelegt und ist dort, wie
früher, zu einem flachen Knoten aufgesteckt.

Auf die Stirn fallen meistens einige kleine, durch eine Furche sehr
scharf von dem übrigen Haar getrennte Löckchen (garcettes) 2.

Wie früher bleibt besonders am Haarknoten em weiterer Schmuck
mit Perlenschnüren und Schleifen. Auch wird ab und zu der ganze Knoten
von einem schachteiförmigen Beutel umgeben.

^ Ein Originalexemplar dieser Gattung fand ich im „Friesch Museumquot; in Leeuwarden.
Auch in der Pariser Jacquemart-Sammlung gibt es einen solchen\'^Schuh, irrtümlich als
Schuh der Catharina von Medici in der „Gazette des Beaux Arts\'\\(1874, S. 434) publiziert.

® Vgl. 1643, Godefridus Udemans (Irenaeus Poimenander)|;(s.\'S.quot;^105): „De wilde
manslokken strijden niet alleen tegen de natuur . . . maar ook de wilde,quot; vliegende lokken
der vrouwspersonen, en hare garzetten op het voorhoofd, waarvoor zij min of meer
haar hoofd moeten ontblooten en het hair eenigszins scheren, \'t gene volgens de wet der
natuur in eene vrouw schandelijk en oneerlijk is.quot; (Nicht nur die wilden Haarlocken
der Männer sind widernatürlich ... aber auch die wilden, fliegenden Locken der Frauens-
leute, und ihre garcetten auf der Stirn, wozu sie sich einigermaßen den Kopf entblößen
und das Haar abschneiden müssen, welches nach den Gesetzen der Natur für ein Weib
schändlich und ehrlos ist.)

Pantinen

Stiefel

„Botte
mignonne^

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Um eine größere Haarfülle zu erreichen, sind natürhch auch falsche
Haare reichhch verwendet

Nach 1650 wächst die Verschiedenheit der Frisurtypen. Im aUgemei- 1650-1660
nen ist zu sagen, daß die Seitenlocken manchmal niedriger ansetzen
(nicht höher als die Ohren), und daß man sie gern mittels Schleifen zu
Zöpfen bindet: einer auf jeder Seite. Außerdem werden die Stirnlöckchen
seltener.

Der Haarknoten besteht jetzt oft aus einer zusammengelegten,
wiederholt mit Band umwickelten und mit Schleifen verzierten Strähne.
Jedenfalls ist der Knoten immer irgendwie mit Schleifen oder (bzw. und)
Perlen geschmückt. Ein sehr oft vorkommendes Verzierungsmotiv be-
steht dabei aus zu beiden Seiten getragenen Schleifenrosetten.

Die Haube

In den vierziger Jahren zeigt sich auf der ganzen Linie das Bestreben, 1640—1650
die Hauben auf den Seiten möghchst zu verschmälern.

I.nbsp;In der Flügelhaube war dieser Hang zur Verschmälerung schon ƒ. „Flügel-
im. Laufe des vorigen Jahrzehnts an den Tag getreten; jetzt wird er (aus- haubequot;
genommen bei den sehr konservativen Damen) allgemein, sowohl bei

den Hauben mit unten eckigen „Flügelnquot; vgl. S. 72), als auch bei den
anderen. Die Flügel werden dazu rückwärts flach gegen den Kopf der
Haube gelegt und laden dann seitwärts nur noch wenig aus.

II.nbsp;Auch die „Diademhaubequot; wird jetzt ringsum beträchthch ver- jj. „Diadem-
schmälert, so daß auch hier das Ausladen möghchst eingeschränkt wird.

III.nbsp;Daneben kommt jetzt in diesen Jahren ein dritter Typus auf:
die schwarze „Zipfelhaubequot;.

Der Ursprung dieses neuen Typus hegt anscheinend in der schwarzen
französischen Haube, die hier bisher unbekannt gewesen war

haube\'

III.

Schwarze
„Zipfel-
haubequot;

1 Vgl. 1644, Vogellius (s. S. 105):
„De tuyten sijn gevlochten,
\'t Zij eyghen, \'t zij gekochten
met snoeren kostelijck,
met struycfcen ende trossen,
ja met geschoren bossen
verciert haer acrd\' en slijk.quot;

(Die Locken will man zeigen
[Ob nun gekauft, ob eigen]
vor reichen Schnüren stramm.
Es sei mit krausem Haar,
gestutzten Löckchen gar
geschmückt der ird\'sche Schlamm.)

2 Man trifft sie schon 1632 in den Illustrationen zu Cats\' „Spiegel van den ouden
en den nieuwen Tijdquot;. Wie der Autor aber im Vorwort sagt, hat er sich bemüht, bei der
Illustration der Sprichwörter, die Figuren darzustellen in der Tracht des Landes, wo das
Sprichwort herstammt. So trifft man die Frauen mit dieser Kopftracht auch nur in den
Illustrationen zu den französischen Sprichwörtern. - In Frankreich ist diese Haube
übrigens kein Novum. Schon um 1575 bildet Bruyn in „Omnia gentium habitusquot; eine
„Foemina Parisiensisquot; mit einer solchen ab. 1577 findet man sie wieder im Stammbuch
des Job. Adr. v. Glauburg (Berlin, Lipperheide-Bibliothek). Für das 17. Jahrhundert

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1643 B. V. d. Heist 1656 A. Palamedesz 1639 Rembrandt 1640 Rembrandt

In der niederländisclien Umwandlung bildet diese Haube Hinten am
Scheitel einen schachteiförmigen Beutel, der den Haarknoten umschheßt.
Von dort aus geht dann ein spitzer Zipfel bis an die Stirn über den Kopf.
Um den Beutel ist gelegenthch eine Perlenkette geschlungen^.

In dieser Form trägt man die Haube entweder auf der beiderseits
langlockigen Modefrisur oder über der schon früher erwähnten Unterhaube
von kleinerem Umfang und dunkler Farbe, so daß es sich bei vielen
Abbildungen erst nach längerem Schauen herausstellt, daß dort tat-
sächhch zwei übereinander getragene Hauben dargestellt sind.

stMun\'^mdlrnbsp;schwarzen „Zipfelhaubenquot; waren aus Seide oder Samt an-

Zipfelhauhe gefertigt 2.

Der spitze, schwarze Zipfel auf dem Kopfe wird außerdem noch
(obgleich selten) sogar auch in ZusammensteUung mit anderen Hauben
angetroffen. So kommt sie vor mit einer schwarzen „Diademhaubequot;».
Selten bekommt auch die alte Flügelhaube einen schwarzen Zipfel, der
jedoch anders, breiter ist und wobei hinten der Beutel fehlt.

beschaue man z. B. Abraham Bosses „Jardin de la Noblessequot; (1629). - Die französischen
Hauben haben aber alle diesen Unterschied, daß der Zipfel auf dem Kopf dort immer recht-
eckig endet.
Anstatt hinten beuteiförmig zu sein, können sie auch ganz flach den Hinter-
kopf bedecken.

^ Obwohl es auf sehr vielen Abbildungen unmöglich zu erkennen ist, ob der schachtei-
förmige Beutel oder bloß ein mit Schleifen und Schnüren geschmückter Haarknoten dar-
gestellt sei, scheint es sich doch um die oben geschilderte Form zu handeln.

2 Vgl. 1651, Nachlaßinventar von Elysabeth Robberechtsdr. van Schilperoort,
Witwe Couwerack (Delft, Archiv, „weeskamerquot;, B 1523): „Een zije capge.quot; - 1652, Nach-
laßinventar Lysbet Heynderixdr. de la Paey, Witwe Gromme (daselbst, B 696): „Een
filpe capge.quot; - 1665, Nachlaßinventar Reynier Gevers und Trijntge Jorisdr. Boot (da-
selbst, B 617): „Een swart sije capge.quot;

® Dieses kommt wiederholt vor bei den Bildnissen von Margaretha de Geer, Gattin
des Jacob Trip (vgl. Hofstede de Groot, „Oud-HoUandquot;, 1928, S. 255). Die beiden
Bildnisse von Cuyp (Amsterdam, Rijksmuseum, 754, und Sammlung Hofstede de Groot)
sind aus dem Jahre 1651; jene von Nie. Maes (Budapest, 369) und von Rembrandt
(National Galery London, 1675) sind beide um 1660, bevor Margaretha de Geer Witwe
war (Jacob Trip starb 1661). Es ist also nicht absolut notwendig, hier eine Trauertracht
anzunehmen.nbsp;lt;

mit anderen
Hauben

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Wie zuvor, so treffen wir auch in diesem Jahrzehnt zwei Unterhauben Unterhaube
nebeneinander:

I.nbsp;Die richtige weiße Unterhaube, die, wie wir früher schon einmal I. Groß
beobachteten, auch aus feineren Stoffen und mit einer Verzierung in Glatt an-
farbigen Motiven vorkommen kann. Die Farbe des Ganzen bleibt jedoch

immer heU.

Eine zweite Form desselben Typus hat einen schmalen, steifen, auf- b) Mit Rand
stehenden oder rückwärts überfallenden Rand.

Wo diese Unterhaube in Zusammenstellung mit der „Diademhaubequot;
getragen wird, steht der Rand vor dem Diadem vor. Beide Ränder ver-
laufen aber nicht paraUel, weil der Rand der Unterhaube die größte Breite
oben erhält, während das „Diademquot; noch immer auf den Seiten am
meisten auslädt, wenngleich das Abstehen bedeutend geringer geworden
sein mag.

II.nbsp;Die kleine, dunkelfarbige Unterhaube, die schon in Zusammen- II. Klein
steUung mit der schwarzen „Zipfelhaubequot; erwähnt wurde, kommt mit

dem Zunehmen dieser letzteren mehr und mehr vor. Auch als selbständig
isoherte Tracht erfreut sich das Stück einer weit größeren Beliebtheit
als in früheren Jahrzehnten.

Zugleich mit dieser weiteren Verbreitung und Demokratisierung
wird sie jetzt auch aus einfacheren Stoffen hergestellt. Die Farbe bleibt
jedoch immer schwarz oder besonders dunkelbraun.

Noch immer werden die Hauben mittels einer Metallfeder am Kopfe „Ohreisenquot;
festgeklemmt vgl. S. 30)^.

An den unteren Spitzen dieser „Ohreisenquot;, also auf den Backen, Schmuck
gleich vor den Ohren, kommen Perlengehänge jetzt besonders häufig vor.

Von den oben beschriebenen Typen ist nur zu sagen, daß die große 1650-1660
Unterhaube nach 1650 fast immer den rückwärts umgeschlagenen, leicht
aufstehenden Rand hat.

Als Haustracht (?) kommt um die Mitte des Jahrzehnts in Holland GrojSe Haute
eine Haubenform in Gebrauch, die vorher in Frankreich schon übhch ^-oc^er

1 Vgl. Inventar Couwerack (a. a. O.): „Een silver hooftijsertge.quot; Ebenfalls Inventar
van Schie (a. a. 0.).

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gewesen war (1638 bei Abr. Bosse), aber bisher anschemend von dort
aus nur bis nach England und Antwerpen vorgedrungen war.

Es ist eine lose, große, weite Haube, die den ganzen Kopf bedeckt
und deren Zipfel bis an die Schultern reichen. Der Vorderrand, manchmal
mit einem Spitzenbesatz, wird, anscheinend aus Bequemhchkeitsgründen,
gern nach rückwärts geschlagen.
h) Steifnbsp;quot;Wohl aus dieser großen, lockeren Haube hat sich in späteren Jahren

eine versteifte Form gebildet. Dabei sind dann die Zipfel zu beiden Seiten
des Gesichts gesteift und gehen ohne Spitzenborte gerade herunter, so
daß sie das Gesicht wie eine Nonnenkappe einrahmen.

Unten sind die Zipfel leicht auswärts geschweift und hinten, unter
dem Beutel für den Haarknoten, mit einer schmalen, schwarzen Schleife
verbunden

In sehr stark gesteifter Form hat diese Haube eine Schniepe oben
auf dem Kopf; dabei stehen die Ränder etwas vom Gesicht ab und haben
Zipfel, deren untere Enden hinten sehr stark nach außen geschweift sind.

Ob diese Haube immer aus einem Stück gefertigt ist, oder ob nur die
vordere Hälfte, also der Teil, der auf dem Kopfe hegt samt der beiden
Seitenzipfel, abgetrennt wäre und nur lose über die Unterhaube getragen
wurde, habe ich nicht mit voller Sicherheit entscheiden können.
Kopftuchnbsp;Kaum mehr zum Gebiete der doch immer besonders genähten, bzw.

geformten Haube gehörend, erscheint der Brauch, den Kopf mit einem
weißen oder schwarzen Tuch zu verhüllen, das doppelt gefaltet über den
Kopf, seltener auch über einen Teil der Schulter gezogen wird und dessen

^ Vielleicht ein direkter Abkömmling dieser Haube, nur etwas lockerer, mit runden
Zipfelecken und großem, weichem Beutel am Hinterkopf, wurde noch im 19. Jahr-
hundert von den Brabanter Frauen getragen. Man vergleiche den Stich von H. Brown
nach H. ten Kate zur Illustration von Hildebrandts „Brabantsch Meisjequot;. Eine ähnliche
Haube trägt auch die bei Rosenberg (Geschichte des Kostüms, Tafel 326 Nr. 3) ab-
gebildete „Milchfrau aus der Gegend von Ostendequot;. Letzten Endes hat auch noch die
heutige Kopftracht der Frauen im nordholländischen Dorfe Huizen einige Ähnlichkeit
mit der geschilderten Haube, obwohl es vielleicht zu weit ginge, auch diese unmittel-
bar auf den speziellen alten Haubentypus zurückzuführen.

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Zipfel dann unter dem Kinn zusammengeknotet werden. Dieses kommt
besonders gegen 1660 imd in den folgenden Jahren vor^.

Dieses Kopftuch trägt man nicht nur zu Hause; auch für die Straße
ist es durchaus gebräuchhch, wo dagegen jetzt Hüte ganz außer Gebrauch
geraten sind

Der Kragen

Von der Krause gibt es nichts Neues zu sagen. Aus dem modischen 1640-1650

A V

Kostüm ist sie vollkommen verschwunden; in der alten Form fristet sie krause
ihr weiteres Leben nur in der konservativen Tracht.

Der hegende Kragen erreicht um 1640 seinen größten Umfang. Er B. Liegender
hegt dann glatt über den Schultern und bedeckt somit den Oberarm fast -Kragen
bis an den Ellbogen. Nachher ist er oft steif mit rund geschnittenem Umriß.

Das doppelt gefaltete Halstuch ist ein selten fehlendes Stück. Zu
Anfang der vierziger Jahre hat es die vorher (S. 75) geschilderte Form.
Noch vor der Hälfte des Jahrzehnts wird das lose Tuch aber versteift
und konfektioniert zu einer Art zweitem Kragen, der oben um den Hals
geschlossen, bis auf den Oberarm heruntergeht, vorn aber die beiden
Zipfel behält.

Kurz nach 1645 ist es mit dem unterhegenden Kragen gar zu einem
glockenförmigen Ganzen verwachsen, das oben am Halse anfängt (es
braucht nicht dicht am Halse anzuschließen) und in einer geraden Linie
bis auf den Oberarm heruntergeht, dabei vorn und hinten gerade ab-
schheßt. Vorn kann dieser Kragen keilförmig aufklafien und dann mit
einigen Schleifen verschlossen sein.

UmgestaU
tung des
Halstuches
zu einem
Kragen

1 Vergleiche Inventar Grietgen Tennis, Gattin des Jan Momael, 1665 (a. a. 0.):
„Twee hooftdoucken.quot;

® In diesem Zusammenhange möchte ich nur kuriositätshalber hinweisen auf einen
englischen Grabstein von 1657 in der Moley-Church, Derbyshire (abgebildet bei Fair-
hold, a. a. O,, S. 252), worauf sogar die Tote mit einem solchen Kopftuch abgebildet
ist. Daß es sich aber nicht um eine spezifische Totentracht handelt, beweisen die Stiche
von englischen Damen in Wenzel Hollars „Theatrum Mulierumquot; (1643).

Halstuch

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Das einzige Rudiment seines Ursprungs ist, daß der Charakter des
Doppeltgefalteten erhalten bleibt. Dieses bemerkt man am Halse und
am Saume, wo, wie früher, die imtere Schicht unter der oberen hervorragt.

Weil der Kragen in dieser Form oft aus halbdurchsichtigem Stoff
angefertigt ist, läßt sich gelegenthch der Schnitt verfolgen. Er pflegt
folgendermaßen zu verlaufen: die untere Schicht hegt auf den Schultern
bis dicht an den Hals, dann geht der gesteifte Stoff senkrecht in die Höhe
bis oben an den Hals und biegt sich nach außen, um als obere Schicht
in einer geraden Linie herunterzugehen.

Innerhalb dieses Typus gibt es mehrere Varianten. Das System bleibt
aber überall dasselbe. Der hauptsächhche Unterschied hegt darin, daß
die Halsöffnung sowohl weit, wie eng sein kann. Bei weiter Halsöffnung
wird das bis an den Hals huiaufgehende Hemd innerhalb derselben
sichtbar.

Zur Verzierung wird nur äußerst selten eine Spitzenverbrämimg ver-
wendet. Manchmal baumelt aber an den beiden spitzen Ecken auf der
Brust eine kleine Quaste.

Es versteht sich, daß dieser glatte, aUes verhüllende, schhchte Kragen
sich für die Regentinnentracht ganz besonders eignete. Tatsächhch wird
er auch in diese aufgenommen, um es seitdem aUmähhch zu größerer
Behebtheit als der Mühlradkragen zu bringen.

In den fünfziger Jahren bleibt bei strengerer Kleidung der Kragen
in derselben Form. Gelegenthch kann er auch mehr rund auf den Schul-
tern anschheßen, so daß also in diesen Fällen deren Form weniger streng
verhüllt und negiert wird wie vorher. Außerdem wird die Verschieden-
heit der Halsöffnungen noch größer.

Die meist vorkommende Variante zeigt vorn abgenmdete Kragen-
hälften, so daß die Unterkante sich mit einer Kurve der Oberkante (dem
Halsausschnitt also) zuwendet. Die Stelle des Verschlusses ist dann
mit einer Schleife verziert.

Als elegantere Form wird die Halsöffnung so weit, daß der Kragen
bis über die Schultern herabsinkt, so daß diese entblößt sind, falls sie
nicht das Hemd bedeckt, das übrigens in diesem FaUe auch einen weiteren
Ausschnitt zeigt als gewöhnhch.

Der Kragen ist dabei schmäler, denn nach imten zu reicht er nicht
weiter als früher.

Manchmal verhert er seine Steifheit und erhält mehr den Charakter
eines umgebundenen Fischüs oder eines breiten, glatten Spitzenrandes
am Mieder.

Die Schleifen, deren Zweck es ursprünghch war, den Kragen zu
schheßen, werden auch dann als bloßes Verzierungsmotiv beibehalten.
Zum schmalen, gesenkten Schulterkragen trägt man oft vorn eine Schleife.

Schnitt dieses
Kragens

Varianten

1650-1660

Variante

„Décolletté-
kragenquot;

Fischü

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Der gesenkte, fischüartige Kragen kommt jetzt sowohl in weißer, Farbe
als auch in schwarzer Farbe vor.

Man fängt aber auch an, ihn gänzhch wegzulassen, und zwar an- Kragenloses
scheinend sowohl zu Hause in „Négligéquot;, als auch in Gala, als Zeichen Décolleté
allerhöchster Eleganz. Der Halsausschnitt des Mieders zeigt sich dann
unbedeckt, nur wird gleich innerhalb des Randes am Ausschnitt ein
ganz schmaler Hemdrand (?) sichtbar.

Das Halstuch wird durchweg als „halsneusdoeckquot; i) oder ähnhch Bezeichnung
bezeichnet. Deuthch genug geht aus diesem Namen (Hals-Nastuch)
hervor, daß das Stück ursprünglich einfach ein über den Kragen gelegtes
Taschentuch war, das sich dann allmählich mehr konfektioniert hat.
Auf Schritt und Tritt kommt in diesen Jahren außerdem der Name
„neerstickquot; vor^. Dem eigenthchen Sinne nach bedeutet das Wort „Unter-
stückquot;, also etwas, was unter den Kleidern getragen wurde. Daher ent-
wickelt es sich dann wohl zur Bezeichnung der Attrappe, die das im Hals-
ausschnitt sichtbar werdende Stück vom Hemde darsteUen soll (vgl. S. 36),
also dem „kroplapquot; der modernen Bäuerinnentracht. (Dieses Wort kommt
übrigens auch schon in der hier besprochenen Periode vor.)

Es würde mich gar nicht wundern, wenn das Wort, bei der großen
Frequenz dieser Bezeichnung, aUmäUich den Shin gewechselt hätte und
zum Namen des großen, konfektionierten Überkragens geworden wäre®.

^ Vgl. z. B.1665, Nachlaßinventar Gevers-Boot (a. a. 0.): .,Sess halsneusdoecken.quot;
1651, Nachlaßinventar Couwerack (a. a. O.): „Tien neusdoecken om den hals.quot; — 1657,
Nachlaßinventar van Schie (a. a. O.): „Vier neusdoecken om den halsquot; usw.

2 Vgl. 1651, Nachlaßinventar Couwerack: „Negen ronde cragen met neersticken.quot;
Krausen können hier nicht gemeint sein; denn die werden einzeln erwähnt als „(op-
gesette) lobbenquot; (vgl. S. 9). Was diese „ronde cragenquot; dann sind, ist nicht mit voller
Sicherheit zu bestimmen. - 1652, Nachlaßinventar von Sara Gromme (Delft, Archiv,
„weeskamerquot;, B696): „Drieentwintich neersticken, acht croplappen.quot; - 1665, Nachlaß-
inventar Gevers-Boot: „Elf neerstickequot; usw.

® Zu Anfang des 18. Jahrhunderts scheint dieses Wort ein Fischü oder ähnliches
bezeichnet zu haben. Man vergleiche z. B. van Haps: „Verliefde Brechjequot; (1705): „Ick
geloof \'et is met jou en de Jonkersknecht mee niet al te klaar; ick sie jou neerstick en

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Die Manschetten

1640-1650 quot;Wenn sich in den vierziger Jahren die abgekürzten Ärmel erweitem,
so werden auch die Manschetten weiter und weichen somit zum ersten-
mal von denen der Männer ab. Sie behalten dabei erst die Gestalt weicher,
glatter Streifen bei und folgen in Stolfart und Verzierung gänzlich dem
Charakter des Kragen.

1650-1660 In den fünfziger Jahren kommen zum erstenmal mehrere Man-
schettenformen nebeneinander vor:

I.nbsp;Locker, in Ubereinstimmung mit dem weichen Fischükragen. Dies
geht so weit, daß z. B. etwa eine Agraffe, mit der dieser Kragen befestigt
ist, auch an der Manschette wiederkehrt.

II.nbsp;Als Hemdärmel mit lockerer Manschette; eine Form, die wieder
ganz mit einer ähnUchen in der Männertracht übereinstimmt. Dieser
Hemdärmel kommt aus dem verkürzten Miederärmel zum Vorschein
und seine locker wallende Manschette fäUt dann über den Unterarm.

III.nbsp;Als richtiger Ärmelumschlag, beim kragenlosen Mieder. Von
einer eigentUchen Manschette, im Sinne eines stoffhch oder in der Mach-
art „heterogenenquot; Ärmelumschlages, kann hier also nicht mehr gesprochen
werden.

Das Mieder

Um 1640 kehrt die Abgrenzung von Mieder und Rock wieder. Das
Mieder (mit oder ohne schmalen Schoß) fällt vorn ohne jede Wölbimg
mit einer langen, geraden Spitze über den Rock. Gleich oberhalb der
Schulter ist es horizontal abgeschnitten. Wiederholt öffnet sich das Mieder
auf der Bmst keilförmig über einem andersfarbigen Latz, wobei sich
dann in der Öffnung die Schnüre des Mieders zeigen oder eine davon ab-
geleitete Verzierang, wie Querbänder oder ähnliches.

Aber auch wenn es sich vorn nicht öffnet, wird an dieser Stelle doch
ein Keil durch Besätze gebildet. Weitere Besatzstreifen betonen vorn
und hinten die vitalen Linien des Mieders, also von der Achsel abwärts
in einer leicht einwärts geschweiften Kurve nach der Mitte der Unter-
seite, vorn nach der Spitze, und ebenfalls an der Vordemaht der Ärmel
entlang.

Die Ärmel sind gerade und ziemHch weit, dabei abgekürzt bis knapp
unter die Hälfte des Unterarms.

In dieser Form bleibt das Mieder in den vierziger sowie in den fünf-
ziger Jahren ziemhch unverändert. Der einzige Unterschied hegt darin,

je voorschoot hebben meer as gewone vouwenquot; und weiter: „Nou tree toe dan, maar
mijn neerstik niet kreuken.quot; (Ich glaube, es ist mit dir und dem Jungen nicht alles im
reinen: ich sehe, daß dein „neerstickquot; und die Schürze ganz außergewöhnliche Falten
haben.quot; Und „Komm heran, aber zerknittere meinen „neerstickquot; nicht.quot;)

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daß die Ärmel um und nach 1650 noch kürzer werden und oberhalb der
Manschetten sogar manchmal bauschig sind.

Der Rock

Wie die Spitze des Mieders gerade heruntergeht, ohne jede Wölbung,
so ist auch im Rock jedes Ausladen vermieden. Dieser ist jetzt lang und
schleppend imd klafft manchmal vom über einem andersfarbigen Unter-
rock auf.

Wie früher kann der Uberrock aber auch in die Höhe gerafft werden,
nur ist er dann durchwegs glatter aufgesteckt und nicht zu einer Wulst
zusammengenommen. Der Unterrock, der dann ringsum sichtbar wird,
reicht nur bis zum Boden, ohne zu schleppen. Auf der Vorderseite ist er
manchmal mit einem vertikalen Streifenbesatz geschmückt.

Die früher erwähnte Bezeichnung „keursquot; für Rock habe ich in Bezeichnung
diesen Jahren nicht mehr angetroffen. Das Wort „bouwenquot; wird in diesen
Jahren zu „beuijenquot;!. Für das Mieder allein jedoch kommt jetzt die Be-
zeichnung „keurshjfquot; in Gebrauch, neben dem (in ähnhchem Sinne) auch
„beuijenshjfquot; (vgl. das frühere „bouwhjfquot;) vorkommt 2.

Das Jäckchen

In den vierziger Jahren bleibt das Jäckchen in den oben (S. 80)
beschriebenen Formen weiterbestehen.

Im nächsten Jahrzehnt entsteht aus dem Hausjäckchen jener be- 1650-1660
kannte Typus aus farbigem Atlas oder Samt, mit einer Verbrämung aus
weißem Pelzwerk, dem wir auf so zahlreichen Gemälden Brekelenkamps,
Terborchs, Metsus, Vermeers usw. begegnen.

Dieses Jäckchen ist am Halse anschheßend oder auf den Schultern
horizontal abgeschnitten, so wie auch das Mieder. Dazu hat es halblange
Ärmel und einen weiten Schoß. Die Pelzverbrämung zieht sich am Unter-
rande, an den Ärmeln und vorn über die ganze Länge, manchmal auch
am Halse hin.

Zum Jäckchen, das offenbar nur Haustracht ist, kann der große
flachliegende Kragen getragen werden.

1 Vergleiche das Nachlaßinventar der Sara Gromme, 1652 (a. a. O.): „Een toersse
(türkische?) bevijen, een turxe hevijen, een heresaije hevijen.quot; - Schneiderrechnnng für
Indiek Gromme, 1653 (daselbst): „Een swarte tnrcxe bevijen: 18 gld.quot;

^ Vgl. Nachlaßinventar Couwerack, 1651 (a. a. 0.): „Een keurslijflF.quot; Weiter die
oben genannte Rechnung für Judick Gromme: „Voor een ceurslijf 2 gld. 10 st.quot; -
1657, Nachlaßinventar Marie Jansdr. Witwe van Schie (Delft, Archiv, „weeskamerquot;,
B 1521): „Een root keurslijff.quot; - Schneiderrechnung für Judick Gromme\'aus dem Jahre
1656: „234 eile turcx tot een beuyensUjf ä 3 gld. 6 st. d\'el: 7 gld. 8 st. 8 p.; \'t boorsel
en sijn toebehooren beloopt 7 gld. 9 st.quot;

7nbsp;.nbsp;97

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Die Heuke

1640-1650 In den Jahren nach 1640 bleibt die Heuke noch in demselben Typus
wie früher. Noch immer trägt man die Schnabelheuke in fast genau
derselben Form. Auch die Heuke mit der Stirnscheibe, Abkömmling der
Hutheuke, bleibt wie früher. In einigen Fällen werden aber Heuken-
mantel und Stirnscheibe gänzhch voneinander gelöst, indem nur ein
schmales Band über dem Kopf das Bindeghed bildet.

1650-1660 Nach 1650 ist die Heuke aus der modischen Tracht verschwunden.

Bei dem Volke wird (wie immer) auch dieses Stück aber noch lange
erhalten, zwar nur in der Form, die immer die meist volkstümliche war:
der Schnabelheuke.

Zutaten

A. Dernbsp;Auch jetzt noch finden wir diese Stücke erwähnt, wenn auch aus-

„Ondernem\'\' schließlich bei älteren Damen, so wie uns auch die Abbildimgen bezeugen,
daß sie nur der „Regentinnentrachtquot; angehören (faUs man sie nicht unter
dem modischen Kleide unsichtbar trägt),
B. Schmuck- Die großen Halsschnüre verschwinden mit dem Anfang der vierziger
Sachen Jahre vöUig aus dem Gebrauch. Man trägt dann nur die kleinen Halsschnüre
icJ^re sowie jene, die mit einem Gehänge versehen sind.

Nur nochnbsp;Über die Armbänder gibt es nichts Neues zu sagen, weil diese ihre

kleine althergebrachte Form behalten.

II. Agraffen Die Agraffen und Broschen sind jetzt besonders gern mit abhängenden,
II I.Ohrringe birnenförmigen Perlen verziert, die ja auch noch immer einzeln oder in
komphzierteren ZusammensteUungen als Ohrgehänge getragen werden.

IV. Übriges Von den übrigen Schmucksachen läßt sich wiederum nichts All-
gemeines sagen.

C.nbsp;Die Pflästerchen auf dem Gesicht sind auch jetzt noch eine Zutat,

Pflasterchen ^^ gewissermaßen als „finishing touchquot; der Erscheinung ein besonders
elegantes Gepräge gab^. Aber nicht nur die elegantesten Frauen trugen
solche. Meister wie Mieris und Metsu bilden ja auch einfachere Mädchen
mit einem großen, runden Pflaster an der Schläfe ab
D. Maskenbsp;Die Masken wurden wie früher getragen 3.

1nbsp;Vgl. Samuel Pepys\' „Diaryquot;. Beim Besuch im Haag, Mai 1660, beschreibt er,
wie er vom Strande nach der Stadt fuhr in „a coach where in were two very pretty ladies,
very fashionable and with black patches, who very merrily sang and were very free to
kiss the two blades that were with them.quot; Auch als er in der Stadt spaziert, bemerkt er:
„The women many of them very pretty and in good habits, fashionable and black spots.quot;

2nbsp;Metsus „Frühstückquot; (Amsterdam, Rijksmuseum, 1553). Fr. v. Mieris, (ehemals
Sammlung Six, Amsterdam). Weiter noch z. B. Netscher: „Kranke Damequot;, 1664 (Dresden,
Gemäldegalerie, 1345); derselbe: Bildnis einer alten Dame, 1670 (Kassel, Galerie, 206) usw.

3nbsp;Vgl. die Spottschrift van Nispens, Anhang S. 174.

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DAS REGENTENKOSTÜM

Schon mehrfach war bei der Behandlung des quot;Werdeganges der ver-
schiedenen Trachtenformen auch die Rede vom „Regentenkostümquot;.
Bequemhchkeitshalber wurde dieser Name gewählt zur Bezeichnung
jener Gattungen, in denen spezifisch holländische - aber gelegenthch auch
im allgemeiuen niederländische - Nuancen, Schattierungen und Eigen-
formen auf den Gesamtcharakter der Erscheinung einen entschieden
bestimmenden Einfluß ausüben und ihm das für diese Gattung charak-
terische strenge Gepräge verleihen

Es kommt dabei in erster Linie die Kleidung der richtigen „Regentenquot;,
der Patrizier also, in Betracht; daneben aber auch, mehr im allgemeinen,
die damit immer verwandte konservative und puritanische Tracht2. Das
Regentenkostüm hat immer eine gewisse Strenge und - wie gesagt - einen
Stich ins Puritanische. quot;Wenn Stoßquot; imd Ausstattung bei den vornehmen
Leuten manchmal auch recht kostbar sein mögen, so bleibt die Farbe
doch ausschheßhch schwarz®, und etwaige „FrivoUtätenquot;, wie z. B. das
Dekollete, sind gänzUch ausgeschlossen. Es wird hier auf einen Gesamt-
eindruck des überaus Gediegenen und Statthchen hingezielt, woraus
ja von selbst eine Abneigung wider alles Extreme und Phantastische
hervorgeht. Natürlich hängt es auch mit solchen Absichten zusammen,
daß die Formveränderungen sich innerhalb dieser Sonderart in lang-
samerem Tempo voUziehen als im schnell wandelbaren Modekostüm.

Da nun aber solche Formveränderungen außerdem nicht immer
über die ganze Linie gleichmäßig vor sich gehen - es gibt ja individuelle
Unterschiede, je nach dem Grade einer eventuellen Bereitschaft zum
Annehmen und Aneignen gewisser modischer Neuschöpfungen - so ist
es hier nicht recht möghch, quot;Werdegang und quot;Wesen der einzelnen in
Frage kommenden Kostümstücke mit absoluter Sicherheit innerhalb
abgegrenzter Zeitabschnitte zu schildern. Es genüge also folgendes:

Im Männerkostüm erzielt man die erstrebte quot;Wirkung in erster Linie Männer-
durch Beibehalten der steifen Krause in irgendeiner ihrer Formen. Später
kann diese auch von einem schhchten, hegenden Kragen ersetzt werden,
so wie man ihn auch in der modischen Kleidung trägt (jedoch nur selten
mit Spitzenbesatz). Am hebsten wählt man dazu gerade quot;Wämser (bzw.
„Überwämserquot;) von abwechselnder Länge und ganz einfachem Schnitte.

^ Also nicht jene Zusammenstellungen vom modischen Kleide mit etwaigen hol-
ländischen Zutaten (Haube oder Mühlradkragen), wie sie auf so manchem Gesellschafts-
bUd (Buytewech, Dirc Hals) vorkommen.

^ Die bunte Kleidung des Volkes käme hier natürlich nicht in Frage.

® Daher die fälschlich verbreitete und gelegentlich zu beredten Ausschweifungen
über den holländischen Charakter führende Ansicht, das holländische Kostüm der da-
maligen Zeit sei durchaus schwarz gewesen.

7«nbsp;99

kostüm

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AUes aUzu Zugespitzte, aUes aUzu Kurze, jedes Gewimmel von Schleifen
und Bändern wird gemiedeni. Auch die mehr phantastischen „Über-
wämserquot;, wie z. B. jene, die auf den Seiten verschließbar sind, erfreuen
sich bei den Regenten keiner Behebtheit^.

Die Hosen weichen kaum von den modischen Typen ab, wenn sie
diesen auch gewissermaßen nur in einiger Entfemxmg und in gemäßigter
Form folgen, so daß auch hier ein gewisser Konservatismus nicht zu
verkennen ist.

^auere-nbsp;Im weiblichen Kleid erscheinen die spezifischen Charakteristika des

Regentenkostüms deuthcher ausgeprägt als in der männhchen Tracht.
Zuerst tragen die Frauen immer eine Haube. Als Kragen wird dazu
die Krause, und zwar besonders gern die Mühlradkrause, gewählt. Erst
verhältnismäßig spät (um 1645-1650) gerät man dazu, anstatt deren,
auch den aus dem Halstuch gebildeten Überkragen anzimehmen.

In Zusammenstellimg mit der Krause ist es der Vheger, der den
Inbegriff eines „regentenmäßigenquot; Kostüms symbohsiert. Man braucht
nur etwa einen Bhck auf Frans Hals\' Bildnis der Catharina Both van der
Eem® zu werfen, um zur Erkenntnis vom äußeren Wesen der wohlhaben-
den Patrizierin zu kommen: beinahe abweisend streng und geschlossen,
aber kostbar durch die Stoffart, durch den reichen Spitzenbesatz an Haube,
Krause und Manschetten, und vor allem durch die prachtvollen Sticke-
reien am großen Bruststück.

Obwohl der reich ausgestattete Vlieger nur bis rund 1630 existiert,
führt das Stück, wenn auch in weniger luxuriöser Ausführung, noch ein
recht langes Leben. Sogar noch zu Anfang der fünfziger Jahre ist es nicht
ganz verschwunden. (1652, Büdnis der CeciHa van Beresteyn von A. Pala-
medes, Amsterdam, Rijksmuseum, 1836, wohl eins der spätesten Bei-
spiele^.)

^ Spitze Wämser sind selten. Es kommt z. B. eins vor auf einem Herrenbildnis
von Ferdinand Bol (Roelof Meulenaer, 1650, Amsterdam, Rijksmuseum, 543). - Ein
Regent mit blauen Strümpfen, weißen „eanonsquot; und gelblichen, rotgefütterten Stiefeln,
bei schwarzem Atlasanzug, erscheint 1647 auf Janssen van Ceulens Gruppenbild der
Haager Magistratur (Haag, Gemeindemuseum); so früh ist dies jedoch eine für sich
stehende Ausnahme.

^ Vielleicht einen Ausnahmefall zeigt uns das gestochene Bildnis des 55 jährigen
Zacharias Heyns, in der Ausgabe von dessen „Emblemataquot; (1625), wo er das auf der
Brust mit winkelförmigem Schlitze verschlossene Überwams (Typus IIIc, vgl S. 18),
trägt.

® Paris, Louvre (Klassiker der Kunst, 17). Aus dem Anfang der zwanziger Jahre.

* Um diese Zeit fand ich auch die letzte archivalische Erwähnung des Vliegers,
nämlich 1651 im Nachlaßinventar der Witwe Couwerack (a. a. O.): „Een boratte vlieger;
een laecke rouvlieger.quot; Es versteht sich, daß sich hier auch Krausen vorfinden, die ja
doch immer noch in Zusammenstellung mit dem Vlieger getragen wurden; es sind die
schon vorher (S. 95) erwähnten „Ibbbekragenquot; und „opghesette lobbenquot;. Natürlich ge-

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Wie ablehnend man sich auch der Mode gegenüber verhalten wollte, Durchdringen
es war unumgänghch, daß man allmähhch, bezüghch der Einzelheiten der \'^f®
Kleidung, doch in den großen Strom geriet und von ihm mitgeführt wurde. quot;
Es wurde ja schon darauf hingewiesen, wie die Konturen der Hauben
der von der Mode diktierten Form der Frisur folgen, und auch die Form-
wandlung der Schulterräder am Vheger deutet auf ähnhches. Nur in
wenigen Fällen bleiben diese mehr oder weniger in ihrer ursprünghchen
Gestalt erhalten, wie bei der sog. Frau Bodolphe von Frans Hals, 1643
(ehemals New York, Sammlung Pierpont Morgan; Klassiker der Kunst 190),
imd auch bei einfachen Frauen, wie die Magd der Vorsteherinnen des
Haarlemer Heihgengeist-Spitals, auf Versproncks Gruppenbild von 1642
(Haarlem, Frans-Hals-Museum) Und wenn die obengenannte Ceciha
van Beresteyn einigermaßen abgekürzte Ärmel trägt, so gibt auch diese
alte Dame darin eben in bescheidener Weise der herrschenden Mode nach.

Diese Annäherung an das Modische erlangt nun aber allmähhch ein
schnelleres Tempo und damit wird für uns die an und für sich große
Schwierigkeit, zu einer genauen Datierungsmöghchkeit etwaiger Regenten-
porträts zu. geraten, doch erheblich erleichtert.

Wir sahen schon, wie der Vlieger später allmähhch weit weniger
kostbar ausgestattet wurde und wie man das reich bestickte Bruststück
durch ein einfacheres aus schwarzem oder jedenfalls dunklem (violettem)
Stoff ersetzte. Damit ist nicht besagt, daß die Regentinnen auf einmal
jeghches Luxusbedürfnis aufgegeben hatten, sondern vielmehr, daß
diejenigen, die eine luxuriösere Ausstattung ihres Kleides wünschten,
sich von dem alten „Nationalkleidequot; abgewandt hatten, um sich zu jener
Robe zu bequemen, die gewissermaßen einen Kompromiß zwischen dem
Vheger und dem herrschenden einheithchen Modekleide bildete.

Und als um 1640 wieder das in Mieder und Rock geteilte Kleid auf-
kam, da haben die Regentinnen auch dieses Stück angenommen und
es dem von ihnen gewünschten und erstrebten Stil angepaßt; denn auch
hier bleibt dann der strenge, geschlossene Charakter gewahrt: der „Hals-
tuchkragenquot; geht bis hoch hinauf und die Ärmel bleiben gerade und
schUcht, auch wenn sie - als Konzession an die Mode - etwas kürzer
werden. Alle Spielereien mit „arkadischemquot; Einschlag, wie man sie zu
jener Zeit besonders hebte, bleiben da selbstverständhch ausgeschlossen.

Das Durchdringen des modischen Triebs offenbart sich aber noch, jinahme der
auf andere Weise, und zwar durch die Abnahme der Frequenz des Regen-des
tenkostüms überhaupt.nbsp;^Süms

hören dazu auch einige „Portefraesenquot;. - Die Bezeichnung „borstquot; bleibt noch längere
Zeit (noch 1665 im Nachlaßinventar Gevers, a. a. O.). Es wäre vielleicht nicht uimiöglicb,
daß das Wort in diesen späteren Jahren auch zur Bezeichnung des Mieders gebraucht wurde.

1 Die Magd trägt natürlich keinen Vlieger, sondern ein Mieder mit Schulterrädern.

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Zu Anfang des Jahrhunderts war z. B. der Vheger ein Stück, das
auch von
jungen verheirateten Frauen durchweg getragen wurdeAll-
mähhch können wir nun beobachten, daß nicht nur dieses Stück, sondern
das Regentenkostüm überhaupt, mehr und mehr ausschließhch den
alten Leuten vorbehalten bleibt, während die Jugend sich immer mehr
nach der Mode kleidet, nicht nur bezüghch des Schnittes, sondern auch
in bezug auf die Farbe des Kleides. Auf manchem Famihenbild ist dies
zu beobachten; man denke nur an das bekannte, kostümlich wichtige
Gruppenbildnis der Famihe des Amsterdamer Bürgermeisters Dirck Bas
von D. Santvoort, um 1635 (Amsterdam, Rijksmuseum, 2129), oder noch
aus späteren Jahren (1662) an Jurriaen Jacobsons Büd von der Famihe
des Admirals Michiel de Ruyter (Rijksmuseum, 1287 a). Mit deuthchen
Worten wird uns dasselbe auch von Breedenburg in dessen Lobrede zu
den Gedichten von Johan Hartigveld mitgeteilt. Dieser erzählt nämhch,
der Dichter sei 1645, im Alter von 27 Jahren, nach dem Tode seines
Vaters bedenklich krank geworden und nachher habe er „den weltlichen
Kleiderschmuck, den gestickten Rock und den mit Spitzen besetzten
Kragenquot; abgeschworen und sich zur „schwarzen Kleidung und dem
glatten, flachen Kragen
der alten Leute\'\'\'\' bekannt. „Die schönen langen
Locken wurden auf dem Kamm abgeschnitten und jeder Anflug von
Luxus und Ehrgeiz wurde streng
gebanntquot;

Natürhch ist damit nicht gesagt, daß nun gleich aUe jungen Leute
modisch gekleidet gingen; das bheb eben eine Frage von persönlicher
Bereitschaft zur Annahme und vor allem eine Frage der allgemeinen
persönhchen Gesinnung. Johan Hartigveld war doch auch erst 27 Jahre
alt, und man denke an die Tracht der jungen Witwen (vgl. S. 71) .und
an das schlichte Kleid der „Mennoniten-Schwesterleinquot;.

Gerade in diesem Punkte zeigt nämlich die bisher ziemhch einheithch
verlaufende Entwicklung des Regentenkostüms eine Spaltung. Das eigent-
hche Regentenkostüm im engsten Sinne des Wortes, also die Tracht der
wohlhabenden Patrizier, trennt sich von dem nicht spezifisch dem
Regentenstande angehörenden puritanischen Kostüm, deren Träger
bewußt, infolge ihrer rehgiösen oder morahschen Gesinnung an ihre alt-

^ Es hat den Anschein, daß der Vlieger nur den verheirateten Frauen vorbehalten
war. Auch in den Rechnungen und Inventaren der „weeskamerquot; fand ich das Stück
nie bei jüngeren Mädchen und unverheirateten Frauen erwähnt, wohl aber in Braut-
aussteuem. Weitere exakte literarische Belege zu dieser Vermutung könnte ich aber
nicht anführen.

^ Johan Hartigveld war der Sohn eines Amsterdamer Bürgermeisters und gehörte
also zum Patriziat, zum richtigen Regentenstand. 1641 hat er den Prinzen von Oranien
noch nach England begleitet zum Abholen von dessen Braut, der Mary Stuart. Das
Zitat, von dem ich hier eine deutsche Übersetzung gebe, findet sich bei Scharp: „Over
de beffen of halskragen, inzonderheid der kerkehjkenquot; (1802), S. 103 und 104, Fußnote.

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hergebrachten Kleiderformen hafteten und alles Neumodische verab-
scheuten.

Der Unterschied zwischen den beiden wurde - wie wir schon sahen-
in den dreißiger Jahren zuerst deuthch bemerkbar, da die Kinder der
Regenten anfingen, die Modetracht anzulegen und allmählich wird die
Kluft größer. Immerhin dauert es noch bis gegen 1660, ehe wir zum
erstenmal auch eine Mutter in farbiger, modischer Atlasrobe inmitten
ihrer Kinder sehen (z. B. auf dem Pieter van Anraadt zugeschriebenen
Familienbild von Jeremias van Collen mit Gattin und zwölf Kindern,
wohl um 1660 (Amsterdam, Rijksmuseum, 363 a). EbenfaUs auf dem
sog. „Abschied des Heerführersquot; desselben Meisters, aus derselben Zeit
(Rijksmuseum, 363).

Auf dem Famüienbilde der Terborch-Schule in der Galerie Liechten-
stein, Wien, erinnert nur noch die schwarze Farbe des Kleides der Mutter
(freihch hat sie einen roten Unterrock) an eine Tradition, die noch aus
dem Regentenkostüm herstammt, und es kann uns nicht wundern, wenn
schließhch auch richtige Regentinnen, also Vorsteherinnen irgendeiner
Anstalt, auch in ihrer Funktion als solche, gänzhch der Mode nachgeben.
Die im Jahre 1668 von Ferd. Bol gemalten drei Vorsteherinnen des Aus-
sätzigenspitals (Amsterdam, Rijksmuseum, 542) tragen ein Kleid nach
modernem Schnitt, bei offener Frisur. Die einzigen Überreste der vorher
erstrebten Strenge offenbaren sich im Schwarz des Überkleides und in
dem die Schultern weich modellierenden Kragen. Daß diese Entwicklung
aber keineswegs gleichmäßig vor sich gegangen war, zeigen die beiden
Spätwerke des Frans Hals von 1664, die Vorsteher und Vorsteherinnen
des Haarlemer Altmännerhauses (Haarlem, Frans-Hals-Museum). Auf
beiden Bildern gibt es da nur eine Figur, die einige Annäherung an die
Mode aufweist. Am stärksten ist diese bei dem rechts sitzenden Vor-
steher zu beobachten, mit seinem „Innocentquot;, seinen „canonsquot; und den
farbigen Strümpfen, die das eine Knie als so starken Farbakzent aus dem
tonigen Ganzen herausleuchten lassen. Bei den Damen hat die mittlere
einen weicheren Kragen, wie ihn die Mode vorschrieb; im übrigen bleiben
alle streng, zurückhaltend und gediegen.

Wenn das Kleid der Regenten also schließlich der Mode nachgab. Puritanische
so war es mit der Tracht der Leute ausgesprochen puritanischer Gesinnung Tracht
anders bestellt. Jede Neuerung, jede Änderung wurde da nach wie vor
mit größtem Eifer bestritten. Die anscheinend unwandelbare Tatsache,
daß in allen Zeiten die Gediegenheit der väterhchen Sitten der Frivohtät
eigener Zeiten entgegengehalten zu werden pflegt, hat natürlich auch
im 17. Jahrhundert ihre Wirkung nicht verfehlt. Man denke sich nur,
was eine strenge, allgemein gültige Frömmigkeit vermag. Zugleich aber
wird man mit jener gewissen Hartnäckigkeit und dem Mangel an Neigung

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zu jedweder Anpassung rechnen müssen, die durchaus charakteristisch
sind für einen jungen, ehen gefestigten und schwer erkämpften Glauhens-
standpunkt.

„Waer noch de Broecken vorm, de Rocken maat gevonden,
daer oud\' en jonger eew voor eewig aen gehonden,
voor eewigh onder kroop; stond noch de kap, de kraegh,
of nu als gisteren, of morgen als vandaagh?quot;

(Wo kann man noch den Rock und wo die Hosen finden,
an deren Form sich stets noch jung und alt wiU binden,
worin man stets sich hüllt? Sind immer Haub\' und Kragen
wie man sie gestern trug und morgen noch wird tragen?)

So nörgelte leise schon Constantijn Huygens („Costehjk Malquot;,
1625, Z. 329 ff.), und das war dann doch nur der im Grunde mondän ver-
anlagte Huygens! Um die große Erbitterung kennenzulernen, mit der
sonst gekämpft wurde, müßte man die Predigten zur Hand nehmen und
die vielen Publikationen von Seiten der donnernden Pastoren. Besonders
Streit aufschlußreich ist in dieser Hinsicht der Streit um die Haartracht. Es gab
Haartracht vielleicht kein Element der äußeren Erscheinung, das mehr umstritten
imd schwerer zur neuen Entfaltung gekommen ist als eben dieses, welches
gewissermaßen als Inbegriff sämthcher modischer Torheiten galt^.

Um 1640 loht dieser Kampf am heftigsten. Nicht nur von der Kanzel
herab wurde gewarnt und gemahnt, nein, es erscheint in diesen Tagen
eine Unmenge von Schriften „fürquot; oder „widerquot;, um noch von den regel-
rechten kirchhchen Vorschriften gegen das „wildhairquot; von Männern
und Frauen zu schweigen. Schon zeigte ein Zitat aus Justus Herckmans
„Encomium calvitüquot; - „Löf der Kaalkoppenquot; - wie man gelegenthch
über diesen Gegenstand schimpfen konnte (S. 59 Fußnote 4); aber auch
vor reichhcher Verwendung von hier anscheinend einschlägigen Bibel-
texten scheuten die würdigen Herren nicht zurück; waren diese Stellen
doch gar zu schön dazu angetan, ihren Warnungen - und somit ihrer
Person - das Gepräge einer autoritativen, frömmelnden Gelehrsamkeit
aufzudrücken.

Einer der ersten war der Dordrechter Pastor Jacob Borstius mit
seiner „Predicatie over \'t lange hayr, naar aanleiding van 1. Cor. XI, 14quot;.
Diesem folgt ein ganzer Strom von „predicatienquot;. Im allgemeinen wurde
dabei das Alternativ: kurzes Haar mit Vollbart oder langes Haar ohne
(oder mit kleinem) Bart umstritten. Neben direkten Verboten zum An-
nehmen der Modetracht seitens der Kirchenvorstände zu Amsterdam,
Haarlem und Gouda gibt es im selben Jahre (1640) eine Frage der

1 Ausführliches darüber bei Schotel: „Bijdrage tot de Geschiedenis der kerkelijke
en wereldlijke kleedingquot; (1856).

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„Classisquot; (Gruppe kirchUcher Gemeinden gleicher Richtung) an die
„Synodequot;, ob man nicht achten sollte auf jene Pastoren und Proponenten,
die in langem Haar und neumodischer Kleidung („nieuwe fatsoenen van
kleedingquot;) umhergehen. Drei Jahre später gemahnt dann die in der Stadt
Brielle versammelte Synode: „Om agt te nemen op de habituagie en lang
hair van sommige
Studenten en proponentenquot; (um auf die Kleidung und
Haartracht mancher Studenten und Proponenten zu achten).

1643 pubhziert Godefridus Udemans eine ausgedehnte Auseinander-
setzung über die Haartracht: „Absaloms haiyr off discours, daeriane
ondersocht wordt wat daer te houden zij van de vhegende hayrtrossen
off afhangende hayrlokken, die binnen onsen tij dt van allerley mans
ende vrouwspersonen gedragen worden.quot; Er gibt hier verschiedene
Gesetzregeln, sämthch mit einem wichtigen Bibeltext zu belegen. Als
Beispiel zitiere ich hier die zehnte Regel:

„Dat de mannen lang hair dragen als de vrouwen is zoo monstrueus
en onnatuurhjk, alsof zij tanden hadden als leeuwen-tanden; want het
een zoowel als het ander is het brandmerk van de anti-christische sprink-
hanen (Apoc. IX: 8).quot; (Daß die Männer langes Haar tragen wie die Frauen,
ist so monströs und widernatürhch, als ob sie Zähne hätten wie Löwen-
zähne, denn eins wie das andere ist das Brandmal der antichristhchen
Heuschrecken usw.)

Vogelhus verteidigt im „Godts volks oude ende huydige klagende
beeden tot Godquot; (1644) den langen Bart mit folgenden Worten:

„Is u niet de baert gegheven
tot ontzagh en tot cieraet
voor die sonder baerden leven?

Doet ghij dan gheen schandehjck quaet,
dat ghij laet u baert afscheeren,
of beknippen spits en kleen? . . .quot;

(Ist euch nicht der Bart gegeben

als ehrfurchtsvolle, strenge Zier,
denen, die ohn\' Bärte leben?

Scheint dann \'s Übel euch nicht schhmm,
wenn ihr ihn rasieren lasset

und beschneiden, spitz und klein? . . .)

Boxhorn, im „Spiegeltjen vertoonende \'t lanck hayr ende hayrlocken
bij de oude Hollanders ende Zeelanders gedragenquot;, verteidigt hingegen
das lange Haar aus historischen Gründen.

Johan Polyander ä Kerckhoven versucht aber noch im selben Jahre,
die beiden Parteien zu versöhnen mit seinem „Judicium et consihum de
coma et vestium usu et abusuquot;.

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Das vorläufige Resultat dieser langjährigen Streitigkeiten war,
daß künftig in der wallonischen Gemeinde das lange Haar getragen
wurde, während man in der reformierten („Nederduitsch-hervormdequot;)
Kirche zum größten Teile die kurze Haartracht auch weiterhin bevor-
zugte.

Das sind nur wenige Beispiele zur Illustration der Gesinnung kon-
servativer und streng kirchlich gerichteter Leute. Es kann uns kaum
wundern, daß die Regenten jahrzehntelang ihr Kleid zu einem ähnhchen
Aushängeschild der Gesinnung wählten. Zwar haben bei der reichen Kauf-
mannschaft die Weltabgerücktheit und Freudlosigkeit der offizieU auch von
ihr eifrig gepflegten Rehgion den „irdischenquot;, praktischen Geschäftssinn
keineswegs beeinträchtigen können, aber auf das Aussehen einer ablehnen-
den Würde und einer würdevollen Ablehnimg wurde doch größter Wert
gelegt. Das Gefühl der eigenen Bedeutung und der patrizischen Würde,
dieses Gefühl für das „Deftigequot; (es ist kein Zufall, daß es in keiner Sprache
ein genaues Äquivalent gibt für dieses typisch hoUändische Wort, mit
seinem typisch holländischen Begrifiquot;!), fand eine gar zu schöne Verkör-
perung eben in jenem zur Schau getragenen Puritanismus des Kostüms.
Freihch machte - wie wir schon sahen - dieser Puritanismus seine Adepten
keineswegs den teuren und kostbaren Stofiquot;en abhold. Es fand jedoch seinen
spezifischen Ausdruck in der Strenge der Form und vor ahen Dingen in der
schwarzen Farbe. Die bunte Farbenreihe überheß man in diesen Kreisen
den jungen Leuten und dem Mihtär; selbst hegte und pflegte man „den
Geschmack am ernsten Schwarz, als Ausdruck repräsentativer Noblessequot;.

DAS MILITÄRKOSTÜM

Am Ende des 16. Jahrhunderts stand der große Befreiungskrieg gegen
Spanien in voller Glut. Das Land wird durchstreift von Banden beider
Parteien; es ist die Zeit der „Geusenquot;, die sich mit übermütiger Frech-
heit und heldenmütiger Abenteurerlust bemühen, den Feinden ihre
Streiche zu spielen. Der ganze Krieg des kleinen Volkes mit seinem er-
drückend großen Gegner ist wie ein blutiges Hasardspiel, von allen Zeit-
genossen im Lande in atemloser Spannung miterlebt, wo jeder Tag neue,
sensationelle Ereignisse bringen kann.

In einer solchen Zeit ist das Mihtär recht eigenthch in seinem Element.
Goltzius\' fanfaronierende Freibeuter stolzieren in vollem Übermut, in
krasser Keckheit vorbei. Alles wird dem Rhythmus der Epoche ent-

1 Zwar kennt man es heute noch in der Hamburger Gegend. Aber soweit ich er-
mitteln konnte, ist es dort doch eher im Zusammenhang mit dem Begriffe der Kost-
barkeit zu verstehen. In Holland ist jedoch auch eine ärmliche „Deftigheidquot; durchaus
möglich.nbsp;^

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sprechend ins Übertriebene gesteigert: phantastische Schnurrbarte,
große läppische Krausen und ungeheure Gänsebäuche.

Wenn im 17. Jahrhundert der Krieg weitergeführt wird, noch viele
lange Jahre, ist dann das AktueUe, das aufreibend Neue und Abenteuer-
hche daran verloren. Hier wird mal eine Festung belagert und dort mal
eine Stadt nach langer Umlagerung oder durch List genommen; eigent-
hch spürt man im aUgemein-kulturellen Niederschlag davon aber recht
wenig mehr, weil für den größten Teil des Landes die unmittelbare Gefahr
vorüber ist. Man kennt eben den Kriegszustand schon und erkennt ihn
als legitim an, um inzwischen ruhig weiterzuleben. Ohne Hemmung ent-
wickelt sich das wirtschaftliche Tun zu hoher Blüte. Man beginnt sich
sicher zu fühlen, und wenn 1648 der Frieden zu Münster geschlossen wird,
so sanktioniert dieser eben einen Sieg, der schon jahrelang eine Tat-
sache war.

Das zivile Leben nimmt wieder Oberhand und saugt das Mihtär Schützen\'
gewissermaßen auf. Es wird „verbürgerhchtquot;. Neben dem Berufsmihtär E^den
gelangen ja, gleichsam als Zwischenghed und Übergang, die Schützen-
gilden zu höchster Blüte. Im 16. Jahrhimdert gehörten nur die ansehn-
lichsten Bürger einer Stadt zur „schutterijquot;, deren Aufgabe es war, die
Stadt zu bewachen (wie eine Art Bürgerwehr also), aber vor aUem bei
Feiern zu Ehren einer Fürstlichkeit als repräsentativ-dekorative Staffage
zu dienen. Die geringeren Bürger waren in anderen „Compagnienquot; ver-
sammelt und mußten die Stadt verteidigen. 1580 werden beide Gruppen
vereint, und seitdem gebraucht man auch die Bezeichnungen „schutterijquot;
und „bürgercompagniequot; im selben Sinne durcheinander.

Allmählich wurden die „schutterijenquot; nun mehr und mehr zu Gesellig-
keitsvereinen, wurden doch im Jahre 1649 die Exerzierplätze einiger
Amsterdamer Compagnien aufgehoben. Zwar leistete man auch noch
Pohzeidienste bei Aufruhr oder Feuersbrunst, zwar mußte man in
Zeiten der Gefahr noch wohl einmal die Städte an der Grenze besetzen^,
aber die wichtigste Aufgabe war doch wohl nur noch die Parade. Der
Aufzug der „schutterijquot; war ein gehebtes, nie genug gesehenes Schau-
spiel, an dem die Bevölkerung der Stadt jeden Sonntag ihre Freude
erlebte. Und was das interne Leben der „schutterijquot; anbelangt - so ist
es gar bezeichnend genug, daß die Offiziere sich nicht selten beim feier-
hchen Schmause verewigen heßen!

Im Kostüm dieser Schützengilden wurden nun aber nicht mehr Kostüm
die bürgerlichen Kleiderformen übertrieben, so wie das früher geschah,
sondern man kleidet sich einfach in Bürgertracht, gleichsam als be-
waffnete „Zivilistenquot;, betonte aber dabei mit einer gewissen Vorhebe

^ So zog z. B. die Amsterdamer „schutterijquot; im Jahre 1622 nach Zwolle, um dort
zeitweise die Garnison zu ersetzen.

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Farbe die Farben. Dies gilt in dieser Epoche sowohl für den Berufsmilitär,
als auch für den „schutterquot;. In letztem Falle bleibt dabei nur zu be-
merken, daß zu den „schutterijenquot; natürUch auch mehr ältere Herren
gehörten, die ihren spezifisch bürgerUchen Charakter in der schwarzen
Kleidimg hervorzuheben bestrebt waren. Durchweg aber ist die Freude
an Farben und Putz (Feder auf dem Hut!) hier nicht abzuleugneni.

Schärpenbsp;Als einziges Rang- und Uniformabzeichen trägt man die sehr breite

Schärpe in der Farbe der Kompagnie. Die Kapitäne und Leutnants der
Schützengüden erhielten seitens des „Kriegsratesquot; bei ihrer Ernennung
eine Extrazulage von 23 Gulden 10 „stuiversquot; für ihre Schärpe, die man
mit dem Worte „sluierquot; zu bezeichnen pflegte.

Lederkoller Das einzige wirkUch besonders miUtärische Kleidungsstück ist das
LederkoUer, in der Form eines ärmeUosen Überwamses ohne Achsel-
klappen, auf der Brust zugenestelt und gelegentUch auch an den Achseln
mit Schleifen versehen Dieses Koller, wohl ursprüngUch unter dem
Küraß getragen, trifit man nun sehr oft beim BerufsmiUtär und manch-
mal auch beim „schutterquot;. Daher kommt es, daß man es auch wohl
einmal im tägUchen Leben (heute würde man sagen: zum zivilen Kostüm)
trägt (wie z. B. auf dem später, S. 137, noch zu erwähnenden Bilde
Duysters, das angebUch die Hochzeit des Adriaen Ploos van Amstel
darstellen soU).

Das Koller hat beinahe ausnahmslos eine horizontal verlaufende
Unterkante. Es kann (wie die geraden Überwämser) lang imd halblang
vorkommen. Hin und wieder ist der Schoß in einige große Flügel zerlegt.
Weil sich die Form ohne eingreifende Änderungen erhält (nur von weitem
wird den Änderungen des Wamses gefolgt), erübrigt sich eine weitere
Besprechung.

Ringkragen Als einziges Rüstungs-Stüch trägt man einen metallenen Ring-
kragen, der sogar auch in ZusammensteUung mit dem modiösesten Wamse
vorkommen kaim.

^ Auf dem Titelblatt von „Houwelijckquot; von Jacob Cats (1625) siebt man u. a.
Knaben, die Militär spielen. Dabei hat sich einer, der keine Feder auf dem Hute trägt,
anstatt deren einen Zweig aufgesteckt, um die Feder als unentbehrliches Element des
Militärkostüms zu ersetzen. - Eine nette Beschreibung der Offiziere gibt Adr. v. d. Venne
im „Tafereel van de belacchende Wereltquot;, 1635 (S. 124):

„Houw je Stil; ick sie nouw bravennbsp;(Sei still, ich schau nach Offizieren,

Cappiteyns, gelijck as Graven,nbsp;Die gleichsam Grafen dort stolzieren,

Witt beset, en moy en wreet.nbsp;Schön angetan, voll Tapferkeit,

Meest in softe zijd\' gekleet.nbsp;Gekleidet meist in zarter Seid\',

Dat vol gout en sulver blickertnbsp;Die jetzt voll Gold und Silber glänzt,

Nouw de Sonn\' daar snel op flickert. Wo\'s Sonnenlicht darüber tänzt.
Eick een heyt verstaalt Geweer,nbsp;Mit starkem Degen auf der Seit\'

En daarbij een slappe Veer.quot;nbsp;Und weichen Federn, schön und breit.)

^ Der Schnürverschluß ist manchmal vorgetäuscht (vgl. S. 37).

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Einen Küraß tragen die Schützen nur selten (auf van der Heists Küraß
großem Schützenbild: Das Fähnlein Bickers und Blaeuws, 1639-1643
[Amsterdam, Rijksmuseum, 1134], trägt einen solchen nur einer von den
dreißig Dargestellten.) Beim Berufsmihtär wird der Küraß besonders
von den Spießträgern getragen, nicht von den Musketieren. Er wird dann
meist über das Koller (bzw. den Überwams) angelegt und hegt glatt an,
mit einer Schniepe in der gerade geführten Taillenlinie und darunter aus-
wärts gebogen. Dazu kommen dann auf der Vorderseite manchmal zwei
breite, krebsartige, in horizontale Schichten eingeteilte Klappen vor den
Oberschenkeln.

Der Helm wird von den Schützenoffizieren nie getragen, wohl aber Helm
von den Mannschaften und dem Berufsmihtär. Seine Form ist eine Variante
des mit dem Namen „Morionquot; bezeichneten Typus. Dabei ist der Kopf
rund, mit einem schmalen Kamm, der ihn von vorn nach hinten über-
zieht. Außerdem hat\' er einen schmalen, rechteckig abstehenden Rand.

Uniform und Livree

Uniform in unserem Sinne gibt es beim MiUtär nicht. Auch wenn
man etwa durch die Bepanzerung den Eindruck einer uniformierten
Gruppe bekommt, so entdeckt man bei näherem Zusehen doch, daß diese
Uniformierung nicht weiter geht als eben diese Bepanzerung und daß
z. B. die Beinbekleidung individuell bleibt.

Eine Neigung zu mihtärischer Uniform habe ich im Auslande ge- Li^j-ee-
legenthch nur bei Leibgarden getroffen (also viel mehr als Livree), und
Uniform
zwar in Frankreich und Lothringen am Hofe bei den „Schweizernquot; und
den Hellebardierern, wie heute noch am päpsthchen Hofe.

Die „Schweizerquot; haben da eine „läppischequot; altdeutsche Tracht
mit vielen Schhtzen bewahrt^. Die Hellebardierer hingegen tragen halb-
lange Tuniken mit halben weiten Ärmeln Die Uniformierung wird da
aber nicht bis auf Hüte, Kragen usw. durchgeführt.

In einer Beschreibung des Einzugs Heinrichs IV. von Frankreich
und der Maria de Medici in Caen im Jahre 1603® wird auch gesagt, daß
die Mihtärs, die dem hohen Paare zur Begrüßung entgegengesandt wurden,
ausgestattet waren „avec écharpes de taffetas, acoustrementz faits
exprez des couleurs de leurs Majestésquot;; auch hier ist also der eigenthche
Livreecharakter nicht zu verkennen.

^ In den Illustrationen zu Thibaults „Académie de l\'Espéequot; (1628), welche von
niederländischen Stechern herrühren, trifft man auch Gruppen von „Suissesquot;, die inner-
halb der Gruppe gleich geUeidet sind. Untereinander aber sind die Gruppen verschieden.

quot; Vgl. 1611, „Kirchengang Heinrichs II. von Lothringenquot; und 1627, Pluvinel:
„Instruction du Roy à l\'exercice de monter à chevalquot;.

® „Discours de l\'Entrée faite par . .. Henri IUI, Roy de France et de Navarre.quot;

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In Deutschland trifft man auch hier und da einmal gleichgekleidete
HeUehardierer, ähnhch den „Schweizernquot;.

Uniforme Livree bei Pagen traf ich sowohl in Frankreich (Pluvinel)
als auch in Holland (die Pagen des Prinzen von Oranien, vgl. S. 18)
und in Deutschlandi. Wie schon S. 66 hervorgehoben wurde, hat sich
in dem Pagenkostüm besonders die kurze Pumphose bewahrt, wenn
diese auch sonst völhg aus der Mode verschwunden war. So kommen
noch in späteren Jahren bei Terborch und im Album seiner Schwester
Gesina (Amsterdam, „prentenkabinetquot;) solche Pumphöschen vor, hier
freihch in einer sonderbar anmutenden Zusammenstellung mit den
modischen Hosen. Es tritt hier also eine ähnhche Tendenz zum Gebrauch
„althergebrachterquot; Stücke an den Tag, wie etwa heute noch in den Knie-
hosen der Lakaien und den weißen Perücken, die zum großen Ornat der
Hofkutscher gehören.

Als Kuriosum sei die Uniformierung der städtischen Musiker in
Groningen erwähnt. Bei der Beschreibung von seinem dortigen Besuche
im Jahre 1617 erzählt Buchehus in seinem „Monumenta quaedam sepul-
craha et publicaquot; darüber folgendes: „Bis in septimana ex suggestu in
foro ad basihcam pubhcam musice canitur a pubhcis citharedis, purpureo
paUeo et rosa insignitis.quot;

Kaum mehr zum Gebiete der Uniform gehören die Amtstrachten
gewisser städtischer Magistrate in Deutschland: eine große, lange Schaube
in den Farben der Stadt

Eine andere, weniger offizielle „Amtstrachtquot; bildet das Kostüm
der so oft abgebildeten Quacksalber und ihrer Helfer und Helferinnen.
Durch besonders auffaUenden Schnitt, durch ein Beibehalten altertüm-
hcher Elemente, wie Bäusche und Schlitzungen, und durch einen aus-
gesprochen ausländischen Charakter versuchten jene Leute sich das
exotische, sonderbare und „wunderbarequot; Gepräge aufzudrücken, das
sie, ihren wilhgen und leichtgläubigen Patienten gegenüber, um so mehr
interessant erscheinen heß®.

^ „Quetzisches Hochzeitsbüchleinquot;, Regensburg 1641 (publiziert von H. Doege in
der Zeitschrift für bist. Kostüm- und Waffenkunde, Jahrg. 26, Bd. 6). Bei der Beschrei-
bung des Brautkutschers heißt es dort: ,,.. . Die Gutscher hatten Roth und gelbe Röckh,
auch solche Binden umb den Hut. So waren auch meine zwei Jungen, die bey der Brautt
hergingen in Roth und Gelber liberey mit Grüen aufgemacht bekleidet..

^ Z. B. im Stammbuch des Heinrich von Einsiedel auf Gnandstein (Berlin, Lip-
perheide).

® Freilich waren die auf den Jahrmärkten umherreisenden Quacksalber meistens
Ausländer: „Gaauwe (gehen wir) na den Duytschen Poffertquot; heißt es in v. d. Vennes
„Tafereel van de belacchende Wereltquot;. Auf der dazugehörenden Abbildung trägt der
Quacksalber eine Pluderhose, wie sie in Deutschland am Ende des 16. Jahrhunderts
üblich war, und die Helferin hat ein richtiges Holbeinkleid.

Pagenlivree

Städtische
Livree

Amtstrachten

Abzeichen
der Quack-
salber

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SYNTHESE

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.\'r.\' .y;

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DIE STILISIERUNG DER GESTALT IM KLEIDE

Nachdem wir so die Kleidung in ihre emzehien Teile ausemander
genommen und jedes Stück emer Betrachtung unterworfen haben, ist es
nunmehr nötig, unsere Aufmerksamkeit der ganzen Erschemung, der
Summe dieser Elemente zuzuwenden. Denn nicht nur ordnen sich die
Emzelteile dem Ganzen unter, sondem ihre Form ist umgekehrt bestimmt
von der plastischen Wirkung des Ganzen, sowie von der Umrißwirkung
der Silhouette, die dieses Ganze, den ästhetischen Anfordemngen der
Zeit entsprechend, anzunehmen bestrebt ist. Selbstverständlich kommen
bei emer solchen Besprechung nur jene Formen in Betracht, bei denen
die jeweils neuen Prinzipien der Stihsiemng am stärksten ausgeprägt
erscheinen. Daneben gab es im Leben natürhch fortwährend Beispiele
neutraleren Charakters, wo man z. B. noch bei älteren Formen bheb
oder es, mit halbem Konservatismus, nicht wagt, diese neuen Tendenzen
bis zu ihrer letzten Konsequenz durchzuführen. Aber sogar wenn diese
letztgenannten Fälle häufig erscheinen, so soll man doch, wo es sich um
eme klare Aussondemng handelt, m erster Lmie das Auge auf die „modern-
stenquot; Bestrebungen richten.

Ein Versuch, sich klarzumachen, in welche Richtimg die Stihsierung
der menschhchen Gestalt durch das Kostüm sich bewegt, hat immer
etwas GefährHches. Vor allem kommt es darauf an, daß der Untersucher
sich in die Formen der betreffenden Epochen einzuleben versucht. Als
beste Stütze erweist sich freihch dabei die Arbeit jener Künstler, die
Prof. Fischel als „Chronisten der Modequot; bezeichnet: das sind also eben
diejenigen, denen das Modeproblem selbst wichtig war, die sich für den
ästhetischen Effekt der Tracht offensichthch interessierten und somit
die wechsehiden Stihsiemngstendenzen bewußt erlebten und auf jeden
neuen Kniff der Mode sofort reagierten. Von einer freien, nur dem per-
sönhchen Geschmack folgenden Korrektur von den Formen der Klei-
dungsstücke ist in den ersten vier Jahrzehnten nicht oder kaum die Rede.
Erst später werden wir bei den Malem eine Vorhebe beobachten für phan-
tastische Aufmachung der Modelle; auch sogar beim Porträt.

Ebenso wie immer ein gewisser Subjektivismus seme Rolle spielen
wird, wo es sich um Vergleiche des Kostümstils mit zeitgenössischer Kunst
handelt, entwindet man sich schwer und kaum gänzhch der Verlockung,
etwas hineinzudeutein und herauszutüfteln, was schheßhch nur ein Pro-
dukt von „der Herren eigenem Geistquot; ist. Aber schheßhch können wir ja
doch frühere Zeiten auch nur von unserem Standpunkte verstehen.

Man darf außerdem nicht vergessen, daß eine Mode in ihrer zwingen-
den Uniformität viel mehr international ist als der an anderen Stellen
sich offenbarende Kunststil, der ja in den einzehien Ländern große Unter-

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