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Die scliädlickii
Einflüsse der Bleibergwerke
auf di'
Gesundheit der Hausthiere.
isbesondc
des ISfiiidvielses.
mit Riicksicbl auf die im Auftrage eines liolicii Minisleriums der quot;pistliclien, Unterrichts- und Medicinal-Anseleaenheiten
an de
Tl
iierarzneiscmue in
Berli
angeslelllen
Versuclie nnl Bleierz
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Riudviel
Von
C. J. Fnclis.
ii.'iliC. DrpavtetaenU-Thicrarzflaquo; uncl Lefarcr an der ICüniquot;'! in Berlin.
raquo;.•ravzucischule
raquo;erlin. 1842,
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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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Die schädlichen
Einilüsse der Bleibergwerke
auf die
Gesundheit der Hausthiere,
insbesondere
lies Itintlvielies,
mit Rücksicht auf die im Auftrage eines hoben Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenbeilen
an der
#9632;
Thierarzneischnle in Berlin angestellten
Versuche mit Bleierzen beim Rindvieh,
Von
C. J. Fuchs,
qualir. Dt'|iartements-Tfaierarzte und Lehrer an der Küui^l. Tbierarznehrhnle in Berlin.
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Die scbädllclien Einflüsse der Bleibergwerke, der Bleiliütten und anderer Aufbereilungs-Anstalten dieses Metalls sind schon seit unerdenklichen Zeiten bekannt; auch sind sie in Bezug auf den Menschen bereits vielfach und ausfuhrlich gewürdigt worden, nicht so in Bezug auf die Haustbiere. Vermmutben lässt sich zwar, dass man auch für diese jene Einflüsse schon längst als Schädlichkeit kennen gelernt, aber ein sicherer Nach­weis fehlte, und fällt, so weit meine Forschungen reichen, erst in die neuere Zeit. Jedenfalls sind die Aufzeichnungen nicht von der Art, dass sie eine nähere Kenntniss des Gegen­standes begründen könnten. Daher dürfte die Miüheilung die­ser meiner Beobachtungen hinreichend gerechtfertigt erscheinen, besonders dann, wenn sie, wie ich es hoffe, eine wesentliche Aufklärung verschaffen. Einige geschichtliche Notizen, die ich voranschicke, werden die wissenschaftliche Kenntniss des Ge­genstandes fördern, und überdiess den Standpunkt bezeichnen, von welchem aus vorliegende Arbeit zu beurtheilen, und wel­chen sie selbst einzunehmen berechtigt ist.
Paulet's Beiträge zu einer Geschichte der Vieh­seuchen etc. (nach dem Franz. mit Anmerkungen und Zu­sätzen herausgegeben von G. L. Rumpelt, '21er Theil. Dresden 1776) enthalten Folgendes: Man liest in den Edinburgischen Versuchen (1761), dass Thiere, welche nahe an Schmelzbütten geweidet hatten, wo Blei geschmolzen worden, durch die da­von aufgestiegenen Dünste getödtet wurden; auch die daselbst
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2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
wachsenden Kräuter, welche von diesen Diinslen eine bläuli­che Farbe bekommen, sollen ihnen schädlich gewesen sein. Nicht minder hat man beobachtet, dass Wasser, so zum Wa­schen des Bleies gedient hat, eben die Zufälle, wie beim Men­schen verursacht habe. Die Wirkung davon äusserte sich vor­züglich bei Hunden. Wenn es soweit mit ihnen ging, dass sie die Bleikolik davon bekameu, so blieben sie ausgestreckt in einem Sfand der Unempfindlichkeit liegen, bissen und zerrissen alle Thiere, welche ihnen zu nahe kamen; selbst in die Erde bissen sie; man hat ihnen in diesem Falle zuweilen mit gutem Erfolg den „güldischen Schwefel des Spiesglasesquot; gegeben. Eben diese Beobachtung findet man in Herrn Thomas Per-civall's Abhandlung von den Bleigiften (Observations and Experiments on the poison of lead. London 1774.). Die Wie­sen, worauf Grubenwasser mit Blei geschwängert, sich ergos­sen, verursachten bei den weidenden Kühen und Pferden das trockene Grimmen; auch die Tauben, welche kleine Bleistück­chen aufpickten, waren diesem Uebel ausgesetzt.
Er. Yiborg's Sammlung von Abhandlungen für Thierärzte und Oeconomen (Isles Bdchen, aus dem Dä­nischen, Copenhagen 1795) enthält ähnliche Angaben, und diese sind oiTenbar auf die vorhergehenden gestützt.
Froricp's Notizen, Jahrg. 1827, No. 378, theilen nachstehenden Artikel mit: „Ueber den Einfluss der Blei­dämpfe auf die Hausthiere, von Dr. A. Trousseau.quot; Es befindet sich zu Tour eine Mennig-Fabrik, bei welcher zahl­reiche Arbeiter und einige Pferde Beschäftigung finden. Alle Jahre werden im Spitale mehre Personen aufgenommen und behandelt, die sich dieser Art von Arbeit überlassen haben, und sämmtlichc, der Bleikolik eigenthümliche Symptome dar­bieten. Die Pferde der Anstalt werden dann auch bald vom Keuchen befallen; die Respiration, welche rasselnd ist, wenn das Thier eine heftige Bewegung macht, wird mehr und mehr erschwert, und man ist genöthigt, wenn man das Pferd erhal­ten will, die Tracheotomie zu machen, und die klaffende Oeff-
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Geschichtl. Not. üb. BlcircrgiftuDgen der Thicro.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
aung durch ein weites Rührchcn (Canute) ollen zu erhallen. Sodann verschwinden alle Zufälle und die Respiration wird leicht und regelmüssig. Ich sah solche Pferde, welche aussei-ordentlich kräftig waren, und in der Stadt die schwersten La­sten zogen. Herr Pecard-Tachereau, der Director der An­stalt, bemerkte bei den Pferden nie andere Zufälle, die Katzen aber, die sich einige Zeit im Hause, und wahrscheinlich auch in den Werkstätten aufhielten, werden sogleich von Convul-sionen befallen, welche dieselben uuverzüglicb tüdten. Es ist zu bedauern, dass man die Körper derselben nach dem Tode nicht geöffnet hat, da dergleichen Scctionen für Meuschen-und Thierärzte gleich inlcressante Resultate geliefert haben wür­den. Höchst merkwürdig ist es, dass die Hunde des Hauses und diejenigen, welche den Arbeitern häufig in ihre Werk­stätte folgen, nie dergleichen Symptome zeigen. Die Einwir­kung der Bleipräparate auf das Nervensyslem ist sehr gross. Wie oft haben wir nicht beobachtet, dass Töpfer u. s. w. bald vou heftigen Koliken, bald von Convulsionen befallen wurden. Wem sind die fürchterlichen Neuralgien unbekannt, denen sie unterworfen sind, oder die noch schrecklicheren Paralysen? Ich sah im Spitale von Tour einen jungen Glaser, den wir erst an einer Bleikolik behandelt halten, bei den folgenden Anfällen eine ausserordentlichc Respirations-llemmmung zei­gen, obschon das Gewebe der Lungen vollkommen unverletzt war. Wahrscheinlich rcsullirle die Krankheit bei ihm aus einer unvollkommenen Lähmung des Larynx, analog derjenigen, wel­che die, den Bleidämpfen ausgesetzten Pferde zu jenem Keu­chen veranlasste. Aeusserst merkwürdig ist es, dass man in­nerlich enorme Dosen der Bleipräparate nehmen kann, ohne dass daraus ähnliche Zufälle erfolgen. Es giebt Menschen, wel ehe während einer Krankheit das essigsaure Blei bis zu eini­gen Unzen nach und nach haben nehmen müssen, und an de­nen sich doch nie die Phänomene zeigten, von denen ich hier sprach. Hr. Pecard-Tachereau gab mehreren Katzen eine grosse Quantität Mennige zu fressen, ohne dass sich bei ihnen
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
jene scbrecklichen Convulsionen gezeigt hätten, welche diesel­ben tödtclen, wenn sie sich nur einige Tage in den Werk­stätten aufgeliallen hatten, in welchen man dieses Oxyd he-reilet.
Morion sagt in seinem Manual ofPharmacie, second edition, London etc., in dem Artikel über die ßleikolik der Tbiere, dass Pferde und Hinder in der Nachbarschaft von Blei­gruben dadurch, dass sie Wasser zu sich nehmen, welches etwas kohlensaures Blei aufgelöst enthalte, oder Gras fressen, in welchem etwas Blcioxyd bald in kohlensaures Blei umge­wandelt werde, einer tödtlichen Affection der Därme mit hef­tiger Verstopfung sehr unterworfen seien. Die Annäherung der Krankheit zeige sich durch Störung der Verdauung und krankhaften Appetit. Die Tbiere frässen mit Begierde und gewännen anfangs Fleisch j sie verschmähten in der That nichts, denn sogar Messer, Stücke von Leder und Steine seien im Pansen des Rindviehes gefunden worden. Demnächst erfolge eine hartnäckige Verstopfung, eine angestrengte Respiration und andere Erscheinungen, welche sehr schwer zu beseitigen seien. Man habe den Schluss gezogen, dass die Energie der Bewe­gungsnerven durch das CJift erschöpft würde, und dass das Muskelsystem auch durch dasselbe blass und sclilall' werde. Seine adstringirende Wirkung habe man auf seine Kraft der Zusaramenziehung der Kreisfasern des Darmkanals bezogen; er sei indess geneigt, dieses vielmehr der erstem Ursache zu­zuschreiben, bei welcher eine partielle Lähmung stattfindet, und bei welcher der Nahrungsschlauch deshalb unfähig sei, seinen Inhalt auszuleeren. Endlich sagt er, dass kräftige Pur­ganzen von Bittersalz mit Croton, denen man Opium folgen lasse, diejenigen Mittel seien, zu denen man gewöhnlich seine Zuflucht nehme.
Tanquerel des Planches bemerkt in seinem, in 2 vo­luminösen Bänden erschienanen Werke: „Traite des mala­dies de plomb etc. etc., Paris 1839,quot; S. 189, aber ohne nähere Angabc der Quelle, und vielleicht mit Morton aus
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Gcschichtl. Not. üb. Bleivcigiftungen der Thierc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
dci'selbeu schupfend: dass Burzcrius und Stockhuscn die erslcu Autoren gewesen seien, welche auf die Elciafleclionen und unter andern auf die Bleikolik in den unteren Klassen der Tliicre aufmerksam gemackl hätten. Auch Wilson uud Sto­kes hätten interessante Beobachtungen in der Umgegend der Bleiminen in Schottland über Blcikolik der Tbiere angestellt. Sie hätten gefunden, dass Kühe, Pferde, Schafe und Hunde, und selbst Füllen, welche auf den Weiden der dortigen Blei­berge gehütet worden, jener Krankheit unterworfen seien, und endlich hchaupten sie, dass die in einer Entfernung vou einigen Meilen sich ganz wohl befindenden Thiere unausbleiblich von der gedachten Krankheit befallen würden, wenn sie unglück­licher Weise in der Nähe der Minen, und zumal dann, wenn sie in den tiefer gelegenen Gegenden weideten, welche im Winter durch einen Bach bewässert werden, der die Bleiminen durchzieht.
Dr. F. A. Kuers führt in seiner „Diätetik des Pfer­des, Schafes und Kindes, 2 Bände, Berlin 1839,quot; im Isten Bande, p. 38. an: ein Wirlhscliafts-Beamter hahe ihm erzählt, dass auf einem Vorwerke in Schlesien, dessen Boden wahrscheinlich viel Blei enthalte, indem in der Nähe ein Blei­bergwerk vorbanden sei, Schafe nicht gehalten werden könn­ten, trotz des schönen, sich dafür eignenden Graswuchses.
Die Wochenschrift für die ges. Heilkunde von Dr. Casper enthält in Nr. 2. des Jahrg. 1836 eine Mittheilung des Dr. Sander zu Zilicrfeld: „Ucber chronische Bleivergiftung auf einigen Silberhütten am Harzequot;, aus der das folgende hierher Gehörige entnom­men wird.
Auf den Silberhütten zu Clausthal, Altenau und Lauten­thal, wo die Aufbereitung der Bleierze zur Gewinnung des Silbers und Bleies die schwerste und gefährlichste Arbeit er­fordert, sind gewöhnlich 200 Arbeiter beschäftigt, unter wel­chen sehr häufig chronische Bleivergiftung durch Bleidämpfe vorkommt. Dass aber auch die Bleidämpfe selbst ziemlich weit
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6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
von iliicin Ursprünge auf Menschen und Thiere nachlheilig ein­wirken, zeigt besonders die Altenauer Eiscnbülte, welche eine Viertelstunde unter der Altenauer Silberhütte an der Ocker liegt. Durch die Form und Lage der Berge und Thäler, wel­che diese Werke umgeben, werden die Bleidämpfe der Silber-hütle beinahe fortwährend nach der Eisenhütte getrieben, in deren Gegend sie sich niederschlagen. Alle Bestände, Pflanzen und Wohnungen, sind in der Nähe der Eisenhütte mit einem schwarzen Niederschlag bedeckt, welcher von den Bleidämpfen herrührt. Lassen sich die Zugvögel im Frühling, als Finken, Hänflinge, Kolbkehlchcn, Zeisige u. s. w. um jene Werke nie­der, halten sie sich hier eine kurze Zeit auf, und nähren sie sich hier, so sterben sie bald, und man findet sie todt in den nahen Wäldern, in denen kein Vogel nistet und kein Eich­hörnchen lebt. Kühe, Schafe und Ziegen, welche sich von dem in der Nähe der Silberhüttcn wachsenden Futter nähren, bekommen ßlutharnen und Verwerfen. Kaufen die Bewohner der Silberhütlen oder der nahen Umgegend trächtige Ziegen, so werfen dieselben zwar noch das eine Mal zur gehörigen Zeit, werden dann aber uufruchlbar und bleiben es lebens­länglich, oder doch während ihres Aufcuthaltes auf oder nahe bei Silberhütlen, wo man auch kein Geflügel hallen oder um­herlaufen lassen darf. Selbst hei dem auf den Allenaner Ilüt-lenbcrgcn stehenden Wilde, besonders bei Hirschen, findet mau oft Unterbrechungen in der Ausbildung ihrer Geweihe und Geschlcchlsthcilc, und beinahe jeder dort getödtetc Hirsch Irägt ein monströses^Geweib. Alle Berge, welche den Blei­dämpfen ausgesetzt sind, sind uufruchlbar, höchstens mit Heide­kraut bestanden. Selbst' an solchen Orten, wo in früheren Zeiten Silberhütlen wareu, und eine neue Generation längst andere Gebäude aufgeführt, Gärten und Wiesen angelegt hat, kann man, wegen des noch mit Blei augcschvvängerten Bodens, keine Art von Geflügel hallen, z. B. auf dem Förslcrhause hei Wildemanu, und am untern Schulcuburg clc. — Werden Thiere, z. B. Schweine; chronisch mit Blei vergiftet (welches sehr
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hauGg durch Kräuter geschieht, auf welche sich Bleidämpfe niedergeschlagen halten, und welche man vor der Fütterung nicht gehörig reinigte), so werden sie vor ihrem, gewöhnlich schnell erfolgenden Tode, immer im Kreuze gelähmt., Thiere, selbst grösserer Art, scheinen wenig Blei ohne tödlliche Fol­gen vertragen zu können etc. etc.
Nachrichten, welche alle andern, mir bekannt gewordenen, rucksichtlich des obschwebenden Bezugs an Ausführlichkeit und Gediegenheit übertreffen, enthält das, von dem Königl. Gross-brittanisch-Hannoverschen Oeconomie-Rathe etc. etc. G. F. Meyer, in zwei Theilen herausgegebene Werk: Die Ver­heerungen der Innerste im Fürstenthumc Hildes­heim; Göttingen 1822. Dasselbe ist durch eine, von der König]. Socictät der Wissenschaften in Göltingen vcröffentlichlc Preisaufgabe: „Gründliche Untersuchung der Ursachen nnd des „Schadens, den die Innerste den angrenzenden Läudcreicn auf „ihrem Laufe durch das Hildesheimische zufügt, nebst Vor­schlägen zu wirksamen und im Grossen ausführbaren Maass-„regeln, um denselben, so viel wie möglich Einhalt zu than.quot; veranlasst und auch gekrönt worden. Da diese gchiiHvolle Schrift unsern Lesern kaum bekannt sein dürfte, so wird eine gedrängte Relation des hier interessirenden Stoffs aus derselben gewiss am rechten Orte sein.
Die Innerste, ein am Harze, im Königreich Hannover ent­springender Bergstrom, führt von den dortigen, zum Berg- und Hüttenbetriebe auf Eisen, Blei und Silber dienenden Gewcrkcn verschiedene Abfälle mit sich fort, und setzt diese während seines Laufs durch das Fürstenlhum Ilildesheim, in häufig ein­tretenden Ueberschwemmungen, auf das ihm zunächst bclcgenc Terrain grösslentheils wieder ab. Diese Abfälle bestehen mei-stentheils, ausser einigen andern metallischen Beimischungeu, wesentlich in bleihaltigem Pechsande. Aber auch durch die bleioxydhaltigen Dämpfe der Hütten wird die Innerste verun­reinigt, indem sich diese anfangs in dem angrenzenden Terrain niederschlagen, alle dort befindlichen Gegenstände mit einem
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bläulich grauen Uebcrzugc versehen, der später durch Regen­güsse dem gedachten Flusse zugeführt wird.
Pferden und Kühen hat man den Genuss des Innerste­wassers, vorzüglich am Harze bei Wildemann und Lautenthal, nachlheilig werden sehen. Die Krankheit hebt bei den Pferden mit Trägheit, Traurigkeit und Mangel an Fresslust an; bald tritt Keuchen beim Bergangehen ein, und alsdann Absonderung von gelbem Schleim aus Nase und Maul, worauf der Tod bald zu erfolgen pflegt. Bisweilen tritt dieser plötzlich mit hefti­ger Koiik und unter wiederholten Zuckungen ein, bei denen die Thiere niederfallen und um sich schlagen. Dieselbe Krankheit hat man bei Füllen eintreten sehen, wenn sie auf Weiden getrieben wurden, auf denen feinere Theile des Pech­sandes und bläulicher Schlamm, der sich auf das Gras legt, und auf diese Weise mit gefressen wird, durch Ueberschwem-mungen abgesetzt worden waren. An wenigen Orten waren ältere Pferde unempfindlich gegen den Genuss eines so verun­reinigten Grases.
Unter den Kuhheerden der beiden ßergstädle Wildemaun und Lautenthal, die häufig an der Innerste geweidet werden, tritt regelmässig alle Frühjahre nach den ersten Tagen des Austreibens^ eine Krankbeit ein, die man dort mit dem Namen: Jammer belegt. Sie äussert sich durch heftige Krämpfe, bei denen die Tfaierc niederslürzcn, mit Kopf und Füsscn schlagen, und heftig brüllen. Bei heisser Frühjahrswilterung ist die Krankheit am stärksten. Es werden durebschuiltlich iu beiden Orten zusammen 15 — 20 Stück Rindvieh von dieser Krank­heit befallen, von denen gewöhnlich einige krepiren. Es sind aber auch schon Jahre cingetreleu, iu denen eine grössere Anzahl verloren gegangen ist. Der Eintritt des Todes erfolgt sehr verschieden, nach einigen Stunden, nach mehreren Tagen, auch erst nach mehreren Wochen. Kühe, die an dieser Krank­heit krepirt sind, zeigen beim Aufbruche oft Fehler an der Lunge und Leber, auch wohl au der Milz. Bei anderen ist der Herzbeutel mit vielem Wasser gefüllt. Ihr Blut soll nach
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Geschicbtl. Not. Üb. Bleivergiftungen der Thiere.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
der Aussage der Schlächter die Eigenheit zeigen, dass es oft am zweiten Tage nach dem Tode noch nicht geronnen ist. £amp; sind übrigens schon Kühe, die diese Krankheit bekamen, geschlacbtet und gegessen worden, ohne dass ein Nachtheil davon bemerkt worden wäre. Häufig tritt der Fall ein, dass Kühe in Lauleuthal und Wildeinann beim Kalben verwerfen. In den übrigen Bergstädten, die entfernt von der Innerste und den Hütten liegen, kennt man weder jene Krankheit, noch tritt diese Erscheinung häufiger als andern Orts ein. Dem ganzen ferneren Verlaufe der Innerste entlang schadet der Genuss des Wassers weder den Pferden noch den Kühen. Letztere saufen das Innerstewasscr sowohl am Harze wie im Lande mit besonderer Begierde, und ziehen es, den Aeusserun-gea von Hirten zufolge, dem Qacllwasser vor. Pferde, welche aus der Fremde kommen, saufen es anfänglich nicht, gewöh­nen sich aber bald an dessen Genuss.
Schafe saufen das tnnerstewasser, ohne dass es Krankheit bei ihnen veranlasste. Au mehreren Orten werden Schaf-heerdeu im Innerstethaie und in der Nähe der Hütten gewei­det, aber einen Nachtheil hat man nicht davon wahrgenom­men. Nur zuweilen wollen Hirten bemerkt haben, dass die Schafe zu gewissen Zeiten nach öfterem Saufen aus der In­nerste im Maule wund geworden sind.
Ziegen, die im Inncrstethale gebaltcu werden und in das Freie kommen, empfangen selten, wenn mau sie belegen lässt, oder verwerfen mebrentbeils, wenn sie als Ausnahme empfan­gen haben. Besonders hat mau diese Erfahrung bei Ziegen gemacht, die in der Nähe der Hütten unterhalten werden.
Auf Hunde und Katzen wirkt das Inucrstewasser am Harze wie auf die Kühe, doch kommt das Alter dabei sehr in Betracht. Nach Zurücklegung des zweiten Jahres bemerkt man keinen Nachlbeil mehr. Ein Bewohner Wildemann's machte wiederholte Versuche Hunde und Katzen aufzuzie­hen, die aber nie glückten. Die Tbiere kamen stets bald um. entweder plötzlich an Krämpfen, oder durch allmählige
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Abzehrung. Dem ganzen ferneren Verlaufe der Innerste ent­lang, ist das Wasser diesen Thieren unschädlicb.
Weit allgemeiner und auffallender, als auf die Säugeiliiere, erfolgt die Wirkung der Innerste auf die Thiere aus der Klasse der Vögel. Das Wassergeflügel, namentlich Enten und Gänse, sind derselben, vermöge ihrer Lebensweise am meisten unter­worfen. Es äussert sich der Einfluss auf eine sehr verschie­dene Weise. Bisweilen tritt ein plötzlicher Tod ein, der ge­wöhnlich mit Krämpfen verbunden ist, ohne vorherige Krank­heit. Zu einer anderen Zeit erfolgt der Tod 12—24 Stunden nach vorher bemerkbar gewordener Kränklichkeit. Am ge­wöhnlichsten tritt aber folgender Zusland ein: Die Thiere fangen an ihre Munterkeit zu verlieren und, ungeachtet des besten Futters und eines guten Appetits, abzumagern; sie wer­den heiser; gehen langsam mit krumm in die Höhe geboge­nem Rücken und zurückgebogenem Halse. Bald darauf er­folgt Lähmung der Schenkel- und der Flügelmuskcln, von der eine allgemeine Schwäche in den Beinen und Herabhängen der Flügel die Folge ist. Die Thiere fangen an wie betrun­ken hin und her zu wackeln, fallen bald vorn bald hinten nieder und verlieren zuletzt ganz die Fähigkeit zu sieben. Endlich erfolgt, mit stets zunehmender Abzehrung, bei fort­währender Fresslust der Tod. Die Zeit seines Eintritts ist sehr verschieden. Bisweilen ist ein Anschwellen des Kopfes mit jenen Symptomen verbunden, oft aber auch nicht. Bald findet Diarrhöe Statt, häufig tritt diese aber auch nicht ein. Nicht selten zieht sich der Hals zuletzt ganz gegen den lluk-ken hin. Die jüngeren Thiere sind dieser Krankheit in einem weit höheren Grade unterworfen, als ältere, welche das crslc Jahr bereits zurückgelegt haben. Bei den Icl zieren bestätigt sich dagegen fast allgemein die Frfahrung, dass sie wenige Eier legen und sich sehr häufig Windeier unter diesen finden. Die Enten sind allen diesen Zufällen in grösscrem Maasse un­terworfen als Gänse. Der Einfluss der Innersie auf beide zeigt
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Geschieht). Not. üb. Bleivergiftungen der Thiere. 11
den-Jahreszeiten nach eine, jedoch unbestimmte Verschieden­heit, nimmt aber mit der Entfernung vom Harze ab.
Hühner, Puten und Tauben sind ebenfalls, wiewohl im geringem Grade, als das Wassergeflügel, nachlheiligen Wir­kungen der Innerste ausgesetzt. Bei den Hühnern hat man ebenfalls eine doppelte Art der Wirkung beobachtet. Sie zeh­ren entweder bei einem immerwährenden Durchfalle ab, und sterben bald früher, bald später, oder es erfolgt der Tod bei nuscheinend gesundem Zustande plötzlich oder geht demsel­ben ein Umhertaumeln und Niederfallen der Thiere vorher. £rsteres ist der gewöhnliche Fall. Bei den Tauben erfolgte der Tod stets plötzlich ohne bemerkbare Krankheit, nnd zwar zuweilen während des Fluges mit plötzlichem Herabfallen zur Erde.
Gestützt auf die vorstehenden Beobachtungen und eine Reihe von Versuchen, welche der Verfasser der angeführten Schrift mit Vögeln, vorzugsweise mit Enten angestellt hat (welche näher anzuführen unterlassen werden darf), liefert er ausführliche Betrachtungen über die Wirkung der Innerste auf die Thierwell, die im Wesentlichen folgender Art sind:
Die Störungen der thierischen Lebensökonomie, als Fol­gen der Einwirkung des Innerstewassers und der dasselbe verunreinigenden Thcile, erscheinen als Resultate, sowohl me­chanischer und chemischer als auch dynamischer Potenzen. Sie wirken theils durch Erregung äusserer, thcils innerer Or­gane, und treten durch beide Formen der Erregbarkeit, je­doch vorherrschend durch die Irritabilität, weniger vermittelst der Sensibilität in Kraft. Der Einfluss mechanisch wirkender Kräfte zeigt sich von geringerer Wichligkeil, im Vergleiche mit den anderen beiden Causalmomenlen. Die Zufälle, die mit dem Genüsse des Wassers für Pferde, Kühe, Ziegen, Hunde und Katzen verbunden sind, und nur am Harze eintreten, sind vorzugsweise auf Rechnung des Hüttenrauchs zu schreiben. Das hier benaebtheiligende Prinzip ist das ßlcioxyd. Alle Symptome der, bei den genannten Thieren übereinstimmenden
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
Zufälle entsprechen den EiTahrungen über die Wirkungen des Bleies, als eines, im geringeren Grade adstringireud, im höhern Grade zugleich intensiv wirkenden Giftes. Die Con-vulsionen und Krämpfe, die bei den Hunden und Katzen un­bestimmt, bei den Pferden allgemeiner und bei den Kühen als eine regclmässige Krankheit auftreten, sind nichts anderes, als Acusserungen der Bleikolik, die eine der gewöhnlichsten Wirkungen der Bleigifte ist. Sie wird nicht allein durch den Genuss des Innerstewassers veranlasst; häufig, ja wohl in den meisten Fällen, wirkt der Antheil des Hüttenrauchs mit, der auf Wiesen und Weiden niedergeschlagen, durch den Genuss der Kräuter, und bei den Hausthieren durch anderweitige, dem Rauche ausgesetzt gewesene Nahrungsmittel in den Ma­gen übergeht, wie dies aus dem häufigen Eintritt bezeichneter Krankheit bei den Individuen hervorgeht, die auf den Hütten und in der Nähe derselben gehalten werden, ohne an die Innerste zu kommen. Ob die an Pferden durch Keuchen, Nasenlaufen u. s. w. sich offenbarende Krankheit mit dem Vergiflungs-Zustande direct zueammenhange, wird nicht be­hauptet; doch dürfte sie immer als eine entfernte Folge des, durch theilweisc Schwächung des Organismus gestörten Gleich­gewichts zwischen Secretion und Absorption eintreten. Das Bleioxyd wird erst alsdann vorzüglich wirksam, wenn es durch den Zutritt von Säuren in den auflölichen Zustand ei­nes Salzes geführt wird. Dies kann auf doppelte Weise ge­schehen, durch die Einwirkung der freien Säure der gastri­schen Säfte und durch Säuren der genossenen Nahrungsmit­tel. Während die Umänderung des ßleioxyds auf ersterc Weise langsamer und in geringerem Maasse erfolgt, so kann sie auf letztere Weise beschleunigt und befördert werden. Un­ter den Nahrungsmitteln der Thierc führen vorzüglich die Vegetabilien, im frischen Zustande genossen, dem Magen Säure zu, weil nicht allein der rohe Pllanzensaft viel Kohlensäure enthält, und sehr geneigt ist, mit anhebender Gährung diesen Säuregehalt, zum Thcil unter ciulrclcnden Ucbcrgange in Es-
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Geschieht). Not. üb. Bleivergiftungen der Thicre. i 3
sigsäure, zu vermehren, sondern auch die ausgebildeten Säfte verschiedener, hier in ßelrachl kommenden Gewächse, wie Humex- und Oxalis - Arten scharfe Säuren enthalten. Da­her zeigt sich auch das gegossene ^Bleioxyd bei Pferden und Kühen, als Ilcrbivaren am allgemeinsten wirksam. Diesem Umstände dürfte zum Theil der rcgclmässige Eintritt des Jam­mers, in den ersten Tagen des Austreibens der Kühe beizu­messen sein. Das Nachlassen der Krankheit nach Verlauf der ersten 3—4 Wochen liegt theils in der bis dahin, vermittelst des Regens eingetretenen, mehreren Reinigung der Wiesen vom Rauche, der mit dem Schmelzen des Schnees auf diesel­ben abgesetzt wurde; theils möchle die Ursache desselben in der Kraft der Gewohnheit zu suchen sein. Die Kühe sind durch die Winlerfüllerung im Stalle der Einwirkung des Blei-gifles ungewohnt geworden; die ersten Tage der wieder ein­tretenden Wirkung erregen daher Zufälle, die sich beim fort­gesetzten Genüsse verlieren. Die Einwirkung des Bleies auf die Funclionen der Geschlechts-Organe, die sich bei den Säu-gethicren durch Maugel an Empfängniss, durch Verwerfen u. s. w. und bei den Vögeln durch das häufige Legen von Windeiern zu erkennen giebl, tritt wahrscheinlich als Folge dynamischer Abweichungen der Erregbarkeit in den betreffenden Organen in Kraft. Bei dem grossen Einflüsse, den das Nervensystem auf deren Geschäftsverrichtungen hat, dürfte sie wohl zunächst durch den geschwächten Zustand der Nerven, vermittelst zu sehr gesteigerter oder verminderter Reizempfänglichkeit, deren Wirkungen pathologisch oft sehr mit einander verwandt sind, herbeigeführt werden.
Die Vorschläge unseres Verfassers zur Behandlung Behufs der Wiederherstellung der, durch schädliche Einflüsse der In­nerste erkrankten Thiere stützen sich auf die vorhergehenden Ansichten, und sind folgender Art: Im Allgemeinen ist es er­forderlich, dass man die Thiere, an denen man die oben be­schriebenen Wirkungen der Innerste-Substanzen zu bemerken anfängt, sogleich von der fortwährenden Einwirkung dersel-
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14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
ben durch Einsperren u. s. w. auf eine zweckmässige Weise bewahrt. Ist erst eiu höherer Grad der Krankheit eingetreten, so ist keine Hülfe mehr zu erwarten. Man lasse in den be­treffenden Gegenden das Vieh im Frülijahre nicht zu frühzei­tig auf die Weide gehen, sondern seize lieber die SlalJfiiUe-rung einige Zeit länger fort, bis die Wiesen und Weiden durch öfteren Regen vom Iliittenrauche gereinigt sind, und dieser auch in der Innerste mehr zur Vertheilung gekommen und fortgeschwemmt ist. Wenn das Austreiben anfängt, lasse man das Vieh nicht gleich täglich aus, sondern anfänglich etwa einen Tag um den andern, und verbinde die erstere Zeit die Stallfütterung mit dem Weiden im Freien, damit die Thiere anfänglich nur massig grünes Futter zu sich nehmen. Auf diese Weise werden die inneren Organe die Einwirkung der, etwa dennoch in den Magen übergehenden, nachtheiligen Sub­stanzen gewohnt werden. Die Versuche, welche von Orfila über die sogenannten Gegengifte bei Bleivergiftungen gemacht worden sind, beweisen es, dass schwefelsaures Blei, als eine sehr schwere, auflösliche Substanz, dem thierischen Organis­mus, wenn es nicht längere Zeit auf ihn wirksam wird, nicht schade. Hierauf gründet sich die Methode bei eingetretenen Vergiftungen durch Bleizucker, das im Magen im aufgelösten Zustande enthaltene Blei durch Beibringung solcher schwefcl-gesäuerten Stoffe, die an und für sich nicht naehlheilig sind, in schwefelsaueres Blei zu verwandeln, und dann dieses durch angemessene Mittel fortzuschaffen. Das Gegenmittel könne demnach in Glaubersalz, Bittersalz,*Doppelsalz u. s. w. beste­hen. Sie bewirken die Umwandlung des auflöslichen Bleies in unauflösliches, und schaffen vermöge der abführenden Kraff, mit der ihr Ueberschuss wirksam wird, die entstandene, un­auflösliche Verbindung fort. Die anzuwendende Quantität hängt von der Menge des genossenen Giftes ab; der Gang der Krankheit wird es darlhun, ob die gegebene Menge zur Um­wandlung des Oxyds hinreichte oder nicht. Als gewöhnliche Gabe können 12 —16 Loth Glaubersalz für ein Pferd, und
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Geschichtl. Not. üb. Bleivergiftungen der Thiere. 15
8—12 Loth für eine Kuh dienen. Am raihsamsten möchte es sein, dem Viehe zur Zeit des ersten Austreibens von Zeit zu Zeit eine angemessene Dosis als Präserval iv zu geben. Als Getränk gebe man bei eingetretener Krankheit Wasser mit Weizenkleie; sie ist geeignet, weil sie reinigend, einhüllend und abführend wirkt. Lassen heftige und wiederholt eintre­tende Convulsioneii innere Entzündungen vermuthen, so gebe man ein Decot von Leinsamen. Bis jetzt kennt man am Harze kein Mittel gegen die in Rede stehende Krankheit, Aderlassen, welches man wohl anwendet, kann nur dann von Nutzen sein, wenn örtliche Entzündungen eingetreten sind, um die Wirkung dieser zu schwächen; es kann daher in Ver­bindung mit jenen Mittel.n bisweilen nützen. Für sich allein angewandt isl es gegen die Krankheit selbst unwirksam und in den mehrsten Fällen ohne Erfolg. Bei der anhebenden Krank­heit der Hunde wendet man am besten sogleich starke 2__3
Mal wiederholte Brechmittel an, mit denen man Abführungs­mittel abwechseln lässt. Das erste Abführungsmittel kann 2—3 Stunden nach dem Brechmittel gegeben werden. Zum Getränk dient Weizenkleie, und wenn die Entkräftung sehr gross werden sollte, Fleischbrühe. Sind die Convulsioneii heftig, so kann der Hund läglich 1$ bis 2 Drachmen Theriak, in Verbindung mit 1—2 Gran Opium erhalten. Gegen be­reits eingetretene, vielleicht schon längere Zeit bestandene Lähmungen möchte kein Mittel mit Erfolg'^nzuwenden sein. Bei der Erkrankung der Gänse, Enten, Hühner u. s. w. ist im Allgemeinen Fütterung mit Weizenkleie in Milch geweicht, häufiger Genuss von Fettabfällen aus der Küche, Talg u. dgl. am anwendbarsten. Die Weizenkleie hat sich in mehreren Fällen sehr wirksam gezeigt. Selbst die Lähmung, wenn sie erst seit 2 — 3 Tagen im geringeren Grade eingetreten war, ist bei ihrer Anwendung ohne weitere Mittel rückgängig ge­worden. Hat die Krankheit erst einen höhern Grad erreicht, so helfen alle Mittel nichts. Auch bei diesen Thieren würde
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16 D. Bleivergift. d. Rindviehes a.Blcibergei.R.B, Aaehen.
Glaubersalz oder Bittersalz mit Weizenkleie vermengt, als Nudeln eingestopft, frühzeitig genug angewandt, vielleicht wirksam sein.
Von den Beobachlungcn Anderer komme ich zur Darstel­lung meiner eigenen über die nachtheiligen Einflüsse der Blei­bergwerke, so wie der Aufbereilungs- und Fabrikations - An­stalten dieses Metalls auf die Gesundheit der Hausthiere etc. mit besonderer Beziehung anf das Rindvieh. Der Kürze und Fasslichkeit wegen werden nur die Resultate mitgelheilt, welche, wie man sieh aus Nachstehendem überzeugen wird, als eine Erfahrung ausgegeben werden dürfen, da sie den Cri-terien einer solchen entsprechen. Wenn noch vorausgeschickt wird, dass die meisten der oben angeführten geschichtlichen Daten mir erst kurz vor dem Abschlüsse meiner Beobachtun­gen und Untersuchungen bekannt geworden sind, so konnte ich zwar bedauern, erst nach vielen Umwegen an ein Ziel gelangt zu sein, das ich mit jenen ausgerüstet, gewiss auf kür­zerem Wege erreicht hätte; aber bei wissenschaftliehen Unler-suchungen ist die Zeit und Mühe der Umwege nicht immer eine verlorene.
In den Jahren 1826—29 lebte ich als practischer Thier-arzt in Zülpich (Rcgierungs-Bezirk Coin, in der Preuss. Rheinprovinz). Zwei Stunden von dort erhebt sich in süd­westlicher Richtung das Eifel-Gebirge, in welchem sich Blei­bergwerke befinden. Da schon hörte ich Klagen fiber eine zu Zeiten auftretende, seit Menschengedenken in ihren mör­derischen Folgen bekannte und dem Genüsse von Bleierzlhci-len zugeschriebene Enzootie unier dem Rindvieh herüberkom­men. Natürlich konnten solche Klagen mich nicht ohne An­regung zur nähern Erforschung jener Calamität berühren. Und in des umsichtsvollcn und kenntnissreichen Kreisphysikus
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Topogr. Bcschr. des Bleiberges im Kreise Scbleiden. 17
Dr. Ludwig in Eiskirchen frenndlichem Erbieten gemein­schaftlich mit mir Forschungen über dieselben austeilen zu wol­len, erhielt ich eine unmittelbare Aufforderung dazu; aber wegen der bezeicbnelen Entfernung jener Gegend und wegen der Sorge um meine Snbsistenzmittel in einem nähern Wir­kungskreise mussle ich damals auf ein näheres Eingehen in die Sache verzichten. In den Jahren 1831—39 aber, wäh­rend welcher ich als Leib-Thierarzt des Veterinär-Bezirks der Kreise Schieiden, Malmedy und Mouijoie im Regierungs-Be­zirk Aachen fungirte, und in Schieiden wohnte, ward ich je­nem Seucbenrevier nicht allein näher gebracht, sondern meine amtliche Stellung zu demselben und eine frequente Praxis in ihm boten mir mit der Pflicht auch die Mittel und Wege zu näherer Erforschung der ortseigenen Krankheiten.
Das Revier, wovon es sich hier handelt, ist der soge­nannte Bleiberg, welcher im nord-östlichen Theile des Krei­ses Schieiden liegt. Er zieht sich von Süd-West nach Nord-Ost und zwar von den Ortschaften Call und Keldenich bis zum Faybache jenseits Mechernich. Die ganze Länge des Bleiberges beträgt ungefähr zwei Stunden, die Breite desselben im Durchschnitt eine halbe Stunde, nämlich vom Kücken des Berges bis zur Verflachung seines Abhanges in nordwestlicher Richtung in der Gegend der Ortschaften Wallentbal und Rog­gendorf. In dem eben bezeichneten nord-westlichen Abhänge des Blciberges zieht sich, fast mit dem Rücken des Berges parallel und durch die ganze Ausdehnung desselben die Erz-niederlage fort, die sich in der durchwüblten Oberfläche in einer grossen Zahl von Pingen und Halden und sonstigen Uc-berresten des Bergbaues als ein Sitz desselben seit der älte­sten Vorzeit aus der Ferne her schon andeutet. Der einzige Bach, welcher zum Terrain des Bleiberges gezählt werden kann, ist der sogenannte Bleibach, welcher süd-westlich bei den Ortschaften Calenberg und Schaefen aus im bunten Sand­stein entspringenden Quellen seinen Ursprung nimmt. Er zieht sich in nord • östlicher Richtung am Fusse des nord-westlichen
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18 D. Bleivergift. tl.Rindviehes a.Bleiberge i. R. B. Aachen.
Abhanges des Bleiberges, durch ein seichtes, mit Pochsand sehr verschüttetes Thal hin, und verlässt in der Gegend der Ortschaft Commern den Bleiberg und den Kreis Schieiden, Der Bleibach bestreicht nicht die ganze Länge des Bleiberges, sondern ein Theil desselben, dessen Länge ungefähr eine halbe Stunde beträgt, und an welchen die Ortschaften Dattel, Kel-denich. Call und Heistert anschicssen, bleibt von ihm unbe­rührt. Dagegen kann man die natürlichen Grenzen des Blei­berges durch andere Bäche näher bezeichnen: süd• westlich der Callbacb, nördlich der rothe Bach und östlich der Faybach, welche Wasser aber hier kein näheres Interesse gewähren. Für die Gegend des Blcigebirges ist der beschriebene Bleibacb, wie arm er auch gewöhnlich an Wasser ist, von der grössten Wichtigkeit, indem durch ihn fast alle dort befindliche Poch-, Wasch- und Hüttenwerke in Bewegung gesetzt werden. Da­her kommt es denn, dass — so wie der ganze Bleiberg auf seinem nordwestlichen Abhänge mit einem blendend weissen, sehr lockern, feinkörnigen Saude in wellenförmigen Erhaben­heiten und Versenkungen verschüttet ist — auch die Ufer jenes Baches damit bedeckt siud. Die fast gänzliche Abwe­senheit von thonigen Theilen in diesem Sande macht ihn für die Vegetation unzugänglich. Daher bleibt er grösstentheils nackt, und wird wegen der angeführten Feinkörnigkeit und Lockerheit leicht vom Winde bewegt und fortgeführt.
Das am Bleiberge in grösserer Menge geförderte Erz ist das sogenannte Kenlenerz, und ist dieses Vorkommen für den­selben characteristisch. Die an Form, Grosse und Menge sehr verschiedenen und in weissem Sandsteine gelagerten Knoten besteben hauptsächlich aus Bleiglanz (Schwefelblei); ausser-dem enthalten sie Kupfer, Eisen, Thon, Kalk, Quarz und an­dere in Zusammensetzung und Menge sehr wechselnde Be-standtheile. Die in geringerer Menge vorkommenden Knoten im rothen Sandsteine haben zum Hauplbestandtheilc kohlen­saures Bleioxyd; ausserdem kommt darin beständig ein gerin­ger Antheil Titansäure, mitunter ein grösserer von Bleiglanz
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Topogr. Beschr. des Bleibcrges im Kreise Schieiden. 19
vor und sie enthalten überdiess noch, ausscr dem Kupfer, die oben genannten Stoffe der Knoten des weissen Sandsteins. In ziemlich reichlicher Menge wird auch in der Gegend von Call eine werth volle rot he Bleierde (Lettenerz) gegraben, de­ren Hauptbestandtheil kohlensaures Bleioxyd ist, neben die­sem aber ähnliche Beimengungen, wie die Knotenerze hat. Auf den Silbergehalt der gedachten Bleierze ist um deswil­len keine besondere Rücksicht genommen worden, da er nur sehr gering ist. Versuche im Grossen haben nur ein halbes Loth dieses Metalls in einem Zentner Blei nachgewiesen, wäh­rend die reichsten Knoten gewöhnlich nur 12 p. C. des letzte­ren Metalls enthalten. Nur in einer kleinen Abtheilung des Blei­berges kommt das Weissbleierz (Katzenzahn) in geringer Menge und in zwei Varietäten, der gelblichen und weisslichen vor. Beide bestehen aus kohlensaurem Bleioxyd und Wasser, und rübrt die Farbe des erstem von einem geringen Antheil Eisenoxyd her. Auf alten, hauptsächlich aus Kies und Gerülle bestehenden Pol-den zwischen den Ortschaften Schaeven, Dattel, Keldenich und Call, findet man ausser Bleiglanz eine ziemliche Quantität Mennige, die sich wahrscheinlich bei einem Röstungsprocesse gebildet, den man in uralter Zeit als Vorbereitung zur Schmel­zung der Erze angewandt hat. Zu den gedachten Bleierzen kommt noch das in geringer Menge sich vorfindende (aus Bleioxyd, Phosphor- und Salzsäure bestehende) Grünbleierz und mehr oder weniger grosse, aus früherer Zeit herstam­mende Lagen von, dem Obsidian ähnlichen, und bis 20 p. C. enthaltenden Bleischlacken; und als mehr oder weniger zufäl­lige Vorkommenheiten des Bleiberges sind verschiedene Eisen-Zink-, Kupfer- und Manganverbindungen zu betrachten. Kaum durfte zu allem diesen zu bemerken sein, dass der am Blei­berge vorkommende Sand, und namentlich der in der Nähe des Bleibaehes bei den Poch- und Schlemmanstalten aufge­schüttete mehr oder weniger bleihaltig ist. Auch das Wasser des gedachten Baches in der Nähe jener Gewerke, so wie in seinem fernem Verlaufe, wenn es durch starke Regengüsse
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20 D. Bleivcrgifi. d. Rindviehes a. Bleibergo i. R. B. Aachen.
aufgelrübl ist, enthält suspendirtc Bleitheile. Davon habe ich mich durch mehrere Versuche überzeugt. In Brunnen und sleheudcn klaren Gewässern des Bleibergreviers ist es mir in-dess nicht gelungen, Blei nachzuweisen, obgleich die Gegen­wart dieses Metalls in letzteren, und zwar in schwebendem Zustande dann höchst wahrscheinlich ist, wenn sie durch verschiedene Umstände aufgerührt werden, weil die Ober­fläche des Bodens dort allenthalben bleihaltig ist. Die Schmelz-hülten des Bleiberges liegen grösstentheils an dessen Grenze. Der Hüttenrauch kann nur in untergeordneten Betracht kom­men, in sofern er Bleioxyd enthält', denn Arsenik ist bisher in den dortigen Bleierzen nicht nachgewiesen worden. (Vgl. Bergemann's chemische Untersuchungen der Mineralien und Hütlcnproductc des ßleiberges in Bheinpreussen. Bonn 1830). Das in Vorstehendem geschilderte Bleibergrevier ist seit Menschengedenken wegen seiner nachtheiligen Einflüsse auf Ilauslhiere jeder Art übel berüchtigt gewesen. Selbst Fische kommen im Blcibache nicht vor, oder in seinem fernen Ver­laufe erst dann, wenn sich mehre andere Wasser mit ihm vermischt haben. Wenn man aber weithin in den Ebenen des Rcgierungs-Bezirks Cöln die an den Ufern der grössern Bäche, worin sich der Bleibach ergossen hatte, mitunter vor­kommenden, seuchenartigen Krankheiten unter dem Rindvieh noch den mitgeführten Schädlichkeiten des letztern Baches zuschreibt, so kann ich dem nicht beistimmen; denn diese Krankheiten sind (nach meinen Beobachtungen Milzbrand und Lungenseuche) anderer Art, als die weiter unten zu beschrei­bende und im Bleibergrevier sehr gefürchtete Enzootie. In­dem auf die nachtheiligen Einflüsse des Bleiberges auf die Thierwelt überhaupt, als ausser den Grenzen dieser Aufgabe liegend, nicht weiter eingegangen wird, möge auch nur kurz bemerkt werden, dass in jener Gegend ebensowohl, wie, nach der angezogenen Schilderung Meyer's, am Harze und im Ge­biete der Innerste, tödtliche Krankheiten mit denselben Sym­ptomen unter dem Hausgeflügel und unter Katzen und Hunden
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Gang d. UntersucL. üb. d. Haukrankb. d. Rindviehes. 21
vorkommen. Die nachtheiligen Einflüsse des ßleiberges auf das Rindvieh, als eine ortseigene Krankheit, vorzugsweise Gegenstand unserer Betrachtung, bezeichnet der Bleibergbe­wohner mit dem Namen „Haukrankheitquot;. Die Ortschaf­ten, welche bis jetzt von dieser Krankheit heimgesucht wor­den, sind: Mecbernich, Roggendorf, Strempt und Kaimutli in der Bürgermeisterei Yussem; Bleibeur, Vaissel, Lückerath und Schutzendorf in der Bürgermeisterei Bleibeur; Schael'en, Dot-tel, Kaienberg und Heistert in der Bürgermeisterei Walien-thal, und Keldenich in der Bürgermeisterei gl. Ns. Diese Ortschaften haben stets mehr oder weniger Verluste durch jene Krankheit gehabt, je nachdem sie dem BIciberge näher oder entfernter liegen, oder je nachdem sie mehr oder weni­ger Wiesen und Weiden besitzen, welche zu dem Bezirk des Bleibergs gehören. In diesen Ortschaften sind, nach den mir vorliegenden Berichten, welche sich auf die Aussagen der OrlsschöiTen stützen, in den Jahren von 1826—37 ungefähr 250 Stück Rindvieh an der Haukrankheit krepirt. Nach dem einstimmigen Urtheile der Bleibergbewohncr sollen jedoch früher die durch jene Krankheit bewirkten Todesfälle weit zahlreicher gewesen sein. Den Grund der jetzigen Vermin­derung setzt man vorzugsweise in den Umstand, dass nun die Schädlichkeiten besser gekannt seien, und daher möglichst ver­hütet würden, und dass dem entsprechend, seit Einführung der Berg-Polizei-Ordnung d. d. Berlin, 30. Juni 1824, der Saud an den Pochwerken nirgends mehr in den Bach gestürzt, sondern über die Halden gefahren wird. Bevor ich eigene Beobachtungen über die sogenannte Haukrankbeit des Rind­viehes am gedachten Bleiberge gemacht, und dieselbe nur aus Berichten von Nichtsachverständigen kennen gelernt, und dann noch, als ich selbst einzelne Beobachtungen gemacht hatte, konnte ich der gangbaren Ansicht: dieselbe habe ihre Entste­hung im Verschlucken von Bleierztheilen, nicht beitreten. Die in acuter Weise mit stürmischen und überraschenden Erschei­nungen auftretende Krankheit bot so manches den mir bisher
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22 D. Bleivorgift. d.Rindviehes a. Bleibergei. R. B. Aachen.
bekannten Phänomenen der Bleivergiftungen Widersprechen­des dar; und selbst der intelligentere Theil der Bleibergbewob-ner war in jener herrschenden Ansicht dadurch schwankend geworden, da die Flaukrankheit auch in solchen Weiderevie­ren vorkommt, deren Verunreinigung mit Bleierztheilen we­nigstens nicht nahe lag. Dagegen wurde es mir sogleich klar, dass die Krankhciterzcngenden Ursachen local sein müssen, da jene Enzootie auf das Gebiet des Bleiberges genau be­schränkt ist. Unbefangen und ohne Vorurtheil schritt ich da­her zu ferneren Untersuchungen, und richtete zunächst die Aufmerksamkeit auf die climatischen Verhältnisse des Bleiber­ges, auf den Zustand der Wiesen und Weiden, auf die auf diesen vorkommenden Pflanzen, und endlich auf die Wartung und Pflege des Rindviehes. Zur Auffindung von Pflanzen, denen eine Schädlichkeit beizumessen wäre, verwandte ich um so mehr Sorgfalt, als eine Volksmeinung solchen die Ent­stehung der Haukrankheit zuzuschreiben geneigt war; aber ausser Anemone Pulsatiila konnte keine übelberüchtigte Pflanze im Bereiche des Bleiberges und des Weidereviers aufgefunden werden. Der in dieser Pflanze enthaltene scharfe Stoff kann aber nur im Vorsommer bei junger und blühender Frische seine vollen Wirkungen hervorbringen, wogegen die Hau­krankheit auch in andern Jahreszeiten bemerkt wird, abgese­hen davon, dass das Vieh nicht leicht solche Pfläuzeu be­rührt, es sei denn, dass es aus grossem Mangel andern Fut­ters dazu gelrieben würde. Endlich habe ich jene Anemone anderwärts auf sandigem und kalkigem Boden weit frequen­ter angetroffen, ohne dass dort die Haukrankheit jemals be­merkt worden wäre. Hierin also konnte eben so wenig, wie in den oben bezeichneten Bedingungen eine genügende Auf­klärung gefunden werden. Dieser Umstand nun und der, dass auch unter andern, in ganz abweichenden Lebensverhältnissen stehenden Hausthieren (wie Hnnde, Katzen und Federvieh) dem Einflösse von Bleierztheilen zugeschriebene Krankheitszu-stände beobachtet wurden, mussten meine Aufmerksamkeit
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Gang d. Untersuch, üb. d. Haukrankheit d. Rindviehes. 23
doch wieder auf eine mögliche Bleivergiftung lenken. Daher stellte ich sorgfältige Sectionen und Untersuchungen mit Hülfe der Chemie an, die sowohl den Nachweis mechanisch beige­mengten Bleierzes in den Magencontentis, als auch aufgelö­sten Bleies im Chymus des Darmkanals lieferten. Mancher würde sich mit diesen Resultaten begnügt haben; nichts aber ist so sehr geeignet, eine Wahrheit fest zu begründen, als Entgegenstellung vernünftiger Zweifel. Und so halte ich denn auch in diesem Falle Bedenken , die Entstehung der Hau­krankheit dem Genüsse von Bleierztheilen allein zuzuschrei­ben. Denn 1) die, den Magencontentis mechanisch beige­mengten Bleisubstanzen konnten von nicht grosser Erheblich­keit in diesem Betrachte sein, da man oftmals in den Magen des Kindviehes fremde, weit mehr reitzende und verletzende Körper in einem grösseren Maasse antriiTt, ohne dass dadurch eine wahrnehmbare Krankheit, und zumal eine solche, wie im obschwebenden Falle hervorgebracht würde; 2) Das im Chy­mus aufgelöste Blei schien auch etwas zu geringfügig, um die beobachteten Erscheinungen hervorbringen zu können. 3) Das in den meisten Fällen plötzlich eintretende Erkranken des Rind­viehes blieb unerklärt; und endlich 4) bei Pferden, Schaafcn und Ziegen wurden keine ähnlichen Beobachtungen gemacht, ob­gleich namentlich die letzt gedachten Wiederkäuer Weideplätze ohne Nachtheil benutzten, welche im Bezug auf Rindvieh übel berüchtigt waren. Diese Bedenken zu mildern müsstc man ad 2 die Wahrscheinlichkeit unterstellen, dass sämmtliche Contenla und Körpertheile mehr oder weniger mit Blei saluriit sein könn­ten, und demnach doch das ganze Gehaltsquantum ein Bedeu­tendes sein durfte, und ad 3) annehmen, dass erst dann die Krankheit zur offenbaren Eutwickelung komme, wenn ein ge­wisser Sättigungsgrad eingetreten sei, oder wenn eine andere, noch nicht gekannte Ursache die nähere Veranlassung zum Ausbruche des Leidens gebe, und eudlich ad 4) supponiren, dass Pferde, Schaafe und Ziegen wegen Organisations-Eigeu-thümlichkeilen nicht leicht vom Blei uachtheilig bsrührt wer-
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24 D.Bleivergift.d.Rindviehesa.Bleibergei.RB.Aachen.
den, oder dass man in Bezug atif das Pferd, wie es allerdings der Fall ist, das irgend verdächtige Futter und Wasser vermeidet. Man möge hiernach erkennen, wie schwierig es sei, von einem gewissen Standpunkte aus manche pathologische Probleme ge­nügend aufzuklären, and dass es daher räthlich erscheinen musste, anderwärts unter ziemlich gleichen Verhältnissen ge­machte Beobachtungen mitzuberucksichtigen. In der Eifel be­finden sich, ausser dem hier in Rede stehenden Bleiberge des Kreises Schieiden, noch mehrere Bleigruben, die entweder nicht mehr oder doch nur in einem unbedeutenden Grade betrieben werden. Die bei Bleialf im Kreise Prüm und die bei Müd-scheidt im Kreise Rheinbach besuchte ich, um meine Beobach­tungen zu vervollständigen. Auf diesen beiden Gruben kommt der Bleiglanz nicht im Sandsteine, wie am Bleiberge, sondern im Grauwackenschiefer vor. Die Gruben am Blei­alf waren seit langer Zeit nicht mehr betrieben worden, aber doch die Schädlichkeit der Bleierze für die Hausthiere, der Sage nach, dort bekannt; sie sollte es aber auch bald wieder durch eine neue Erfahrung werden. Denn im Jahre 1835 fand von armen Leuten das polizeiwidrige Aufrühren alter Halden und Ausspülen derselben im Alfbache zur Gewinnung des noch darin enthaltenen Bleierzes Statt. Die uachtheiligen Folgen desselben für Rindvieh — erhellen aus dem, mir in Ab-schrift vorliegenden, darüber gepflogenen Untersuchungs-Pro­tokoll. — Auf der hohen einsam liegenden Bleigrnbe bei Müd-scheidt, die auf kein anderes Vieh nachtheiiige Einilasse ha­ben kann, als auf das, des dort bei den Aufbereitungswerken wohnenden Steigers, erzählte mir dieser, dass er das Bleierz immer als sehr nachtheilig für das Rindvieh gehalten. Daher habe er stets Sorge getragen, dass seine Kühe nicht zur Be-weidung der, von ihm als gefährlich bezeichneten Stellen ge­kommen seien; doch habe dies einmal wider seinen Willen stattgefunden, worauf dann auch alsbald Eine von krampf­haften Zufällen befallen worden, und nach einiger Zeit cre-pirt sei. Bei der Oeffnung will der gedachte Steiger eine ge-
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Gang (1. Untersuch, üb. d. Haukrankb. d. Rindviehes. 25
wisse Menge Bleiglanzes in den Magen dieses Tbieres gesehen haben. Fürchtend, dass auch die andere Kuh Bleierz ver­schluckt haben möchte, wovon sich die nachtheiligen Folgen später zeigen könnten, Hess der Eigenthümer dieselbe, trotz dem, dass sie fortwährend gesund blieb, etwas mästen und dann schlachten; aber die Section hat bei dieser kein Bleierz nachgewiesen. Die Krankbeitszuslände, welche man in den beiden letztem Fällen beobachtet hatte, waren der Haukrankheit so viel aus den Berichten zu entnehmen war, sehr ähnlich, und da sich als Ursache jener das Bleierz mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit herausgestellt hatte, so konnte man auch ohne grosses Bedenken das gedachte Erz als Ursache dieser annehmen. Nicht habe ich es dabei bewenden lassen, mir eine möglichst viefäli ige, eigene Anschauung zum Behufe der Auf­klärung über die sogenannte Haukrankheit zu verschaffen, son­dern ich habe mich auch in der Literatur umgesehen, und das Glück gehabt, an dem bereits früher gedachten Werke des Dr. Meyer „Die Verheerungen der Innerste etc.quot; (wenn auch etwas später) einen guten Fand gethan zu haben; denn die hierin unter dem Namen „Jammerquot; beschriebene, am Harze vorkommende und einer Bleivergiftung zugeschriebene Krank­heit hat ebenfalls viel Uebereinstimmendes mit der Haukrank­heit. — Wenngleich es, dem Vorhergehenden gemäss, so ziem­lich feststehen musste, dass der Genuss des Bleierzes die Haupt­ursache zur Erzeugung der Haukrankheit ist, so hielt ich den­noch die Anstellung directer Versuche zur Erlangung der möglichsten Aufklärung, welche die bis dahin vorhandenen, bei andern Tbiergattungen mit verschiedenen Bleipräparaten angestellten nicht gewähren konnten, für erspriesslich. Es sind zwar auch ein Paar Beobachtungen von Bleivergiftungen des Rindviehes bekannt, so die, vom Kreisthierarzte Bid er­linden bei zwei Kühen angestellte (General-Veterinär-Bericht des Rhein-Pr.-Med.Collegiums p. 1804), und die bei 10 Stück dieser Thiergattung gemachten, worüber Prof. Dr. Prin (Gurlt und Hertwig Magazin d. Tbierheilkunde 3. Quart.
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26 D. Blei vcrgi it. d. Rindviehes a. Bleiberge i. R. B. Aachen.
Hft. 1835.) referirt, aber dies vergiftende Mittel war in jenen Fällen Bleizacker, und hatten die Intoxicationszufälle und Se­ctions • Ergebnisse nur wenig Uebercinstimmendes mit der Uaukrankheit, weshalb jenen Beobachtungen nur ein sehr bedingter Werih für die Aufklärung des obschwebendes Ge­genstandes beigemessen werden darf. Den Zweck der be-absichtiglen Versuche stellte ich also fest: 1) zur vollständi­gen Gewissheit zu gelangen, wie die mit Bleierztheilen ge­schwängerten Futterstoffe oder Getränke auf den thierischen Organismus überhaupt wirken, und oh durch den Genuss der­selben, insbesondere beim Kindvieh, die sogenannte Uaukrank­heit künstlich erzeugt werden könne; dann zu erforschen, welcher Art der, am Bleiberge vorkommenden Bleiverbin­dungen, oder welchem Produkte der Aufbereitung die bereglc Schädlichkeit vorzugsweise beizumessen sei; 2) zur Kenntniss über diejenigen Mittel zu gelangen, welche die kunstlich her­vorgebrachten Bleikrankheiten, und insbesondere die etwa be­wirkte Haukrankheit zu beseitigen vermögen. Die Vorlheile, welche ich aus solchen Versuchen ableitete, waren ad 1) Be­seitigung jedes Zweifels, den die Wissenschaft in dieser Sache erheben könnte; Wegräumung jedes Zweifels bei den Bewoh­nern des Bleiberges, und daraus fliessende Norm für die künf­tige Wahl des Futters, der Wartung und Pflege bei den Hausthieren überhaupt, besonders aber beim Rindvieh; Entfer­nung jedes Zweifels für die Medizinal-Polizei, und Anleitung für dieselbe, wie sie ihre Vorschriften zur Verhütung der Nachtheile zu geben und auszuführen habe; ad 2) eine Berei­cherung für die Wissenschaft und für die Praxis, die Auffin­dung einer Norm, wie die Bleikrankheiten bei den Thieren überhaupt behandelt werden müssen, oder beziehungsweise die Angabe der Gegenmittel; insbesondere aber das Bekannt­werden mit einer Vorschrift, wie die Haukrankheil des Rind­viehes mit Glück auf dem geradesten und billigsten Wege zu curiren sei. — Nachdem diese Intentionen einer, aus Berg-, und Communal - Beamten, aus Bergwerksbesilzern, Land-
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Gang d. Untersuch, üb. d. Haukrankb. d. Rindviehes. 27
wirtlien und dem Ref., unter dem Vorsitze des Königlichen Landrathes des Kreises Schleiden zusammengetretenen Com­mission, — deren Hauptzweck Austausch von Ansichten über die Ursachen der Haukrankheit und über die Vorkehrungen, durch welche derselben am sichersten und dauerndsten zu begegnen sei — vorgelegt und gebilligt worden waren, habe ich denselben bei der Königlichen Regierung in Aachen, welche den lebhaftesten Antheil an der in Rede stehenden Angelegenheit des Bleiberges nahm, Eingang zu verschaffen gesucht. Die Verwendung dieses Gouvernements bei den be­treffenden hohen Ministerien, um Gewährung der peeuniären Mittel zu den beabsichtigten Versuchen, hatte, nachdem ei­nige Rückfragen und erläuternde Berichte von meiner Seite gefolgt waren, die Entschliessung und den Befehl jener hohen Staatsbehörden bewirkt, dass die zweckdienlichen Versuche aus­geführt werden sollten, und zwar durch das Lehrerpersonal; denn Referent war mittlerweile als Repetitor an dieses Institut berufen, zur Zeit also ausser Stande die Aufgabe am Bleiberge selbst zu lösen. So hatte ich die Befriedigung, an den Ver­suchen thätigen Antheil zu nehmen, welche vorzugsweise zur Beantwortung der Fragen dienen sollten: 1) ob die sogenannte Haukrankheit des Rindviehes in einer Vergiftung durch Blei ihren Grund hat, und 2) welche Mittel in diesem Falle als vorzüglich wirksam in Anwendung zu ziehen sein dürften? — In Rücksicht der unzureichenden Mittel wurde zunächst nur die erste Frage in's Auge gefasst, durch die Direction der Königlichen Thierarzneischule, vom Bleiberge des Kreises Schiei­den her, die verdächtigen Erze bezogen, und 3 Stück gesun­des, und wohlgenährtes Rindvieh von gewöhnlichen Niede­rungen angeschafft, nämlich eine vier Jahr alte mittelgrosse Kuh, eine zwei Jahr alte Färse und ein anderthalb jähriger, kräftiger Bulle. Die erstere erhielt innerhalb 4 Tagen 1 Ci­vil-Pfand Lattwerge in getheilten Gaben, jedesmal 2 Unzen mit Kleie zu einer sogenannten Lecke gemacht, und zwar an den beiden ersten Tagen dreimal, am dritten und vierten
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28 D.Blcivcrgift.d. Rindviehes a. Rlelbcrgel.R.B. Aachen.
einmal; die zweite erhielt in zwölf Tagen vier und ein hal­bes Civil-Pfund reinen Bleiglanz und zwar in getheilten Ga­ben auf die Weise, wie im vorigen Falle; der dritte endlich bekam wärend acht Tagen drei Civil-Pfund des, von dem grö­beren Gerolle befreiten HaldenstoiTes, wie sich solcher auf den alten Halden bei Keldenich und Dattel vorßndet, und, den früheren Angaben zufolge, Bleiglanz und Mennige, jedoch nicht in grosser Quantität, als hier in Betracht kommende Bestand-theile enthält. Auch dieses Versuchsmittel wurde auf die vor­gedachte Weise gereicht, während sämmlliehe Thiere mit hin­reichendem guten Heu und reinem Wasser genährt wurden. Nachdem das gedachte Versuchsmittel bei dem Bullen nur vorübergehende Wirkungen gehabt hatte, erhielt derselbe spä­ter noch in mehreren Tagen in früherer Weise und Gabe 3^ Pfd. C. G. Bleisand (gepochten Knotensandstein, also ein Ge­menge von Bleiglanz mit vielem Sande). In Folge dieser Versuche crepirte die Kuh und der Bulle, die Färse aber er­holte sich nach schwerer Krankheit bis zur vollständigen Wiedergenesung, obgleich bei ihr eben so wenig wie bei den anderen Thieren, ein Gegenmittel in Anwendung gebracht worden war. Demzunächst war es der Zweck, wie oben angedeutet, die Wirkung der angewendeten Mittel einzusehen. Auf die Details der, wie sich leicht denken lässt, mit der mög­liebsten Sorgfalt angestellten Versuche und der gemachten Beobachtungen ihrer Wirkungen hier näher einzugehen, dürfte zu weit führen; aber der von dem Director und dem Lehrer-personal der Königlichen Thierarzneischule abgegebene, gut­achtliche Aasspruch, welcher sich auf die Resultate stützte, ist gewiss am rechten Orte. Er lautete im Wesentiichen: Da die Haukrankheit des Rindviehes am Bleiberge im Kreise Schieiden wirklich mit den, bei den Ver­suchen wahrgenommenen Erscheinungen auftritt, und da die Ergebnisse der Sectionen bei den Vcr-suchsthieren im Wesentlichen mit denen überein­stimmen, welche sich am Bleiberge herausgestellt
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Schilderung der Haakrankbeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
haben, so dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die sogenannte Haukrankheit des Rindviehes amßlei-berge im Kreise Schieiden in einer Bleivergiftung besteht.
Die Entwickelung wäre sonach bis zu dem Punkte ge­langt, wo es feststeht, dass die sogenannte Haukrankheit des Rindviehes am Bleiberge in der Preuss. Rheinprovinz in einer Bleivergiftung besteht. Die bisher erfolgte Darstellungsweise hielt ich für nothwendig, um einestheils den Leser auf einen Standpunkt in Mitten des Gebietes zu fuhren, der ihm den Schlüssel zur möglichst klaren Einsicht und den Stoff zur ei­genen ßeurtheilnng des obschwebenden Gegenstandes bieten dürfte; anderntheils aber, um die nun folgende Schilderung der sogenannten Haukrankheit, wie sie am roehrgedachten Blei­berge auftritt, so wie die nähere Darstellung ihres Causal-Verliältuisses, ihrer Prophylaxis und Therapie, so viel es thun-lich, rein von geschichtlichen Nebenbemerkungen zu halten.
Als Vorläufer der Krankheit geben sich zu erkennen: eine gewisse Trägheit, daher häufiges Liegen; Unregelmässig-keit in der Fresslust und im Wiederkäuen.
Der offenbare Ausbruch der Krankheit wird durch gänzliches Ablassen vom Fressen oder durch auffallende Ver­minderung der Begierde zum Futter bezeichnet, während Nei­gung zum Saufen gewöhnlich noch vorhanden, oft sogar in einem sehr gesteigerten Grade zu bemerken ist. Das Wieder­käuen ist nun entweder ganz unterdruckt, oder es geschieht sehr unregelmässig, während beim Heraufholen des Futters ein leises Stöhnen gehört wird. Die Darmausleerungen erfolgen entweder nicht mehr, oder nur sparsam und mit härtlicher, zuweilen aber auch mit breiiger Consistenz; Urin wird sehr selten und in geringer Menge abgesetzt, und hat eine fast was­serhelle Farbe. Die Thierc stehen von der Krippe zurück mit gesträubtem Haare, gesenktem Kopfe, gekrümmtem Rücken, mit zwischen den mehr nach vorn unter den Leib gerückten Hin­terbeinen geklemmtem Schwänze, mit eingesunkenen und härt-
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30 D. Bleivergift. d. Rindviehes a. Bleiberge im R. B. Aachen.
lieh anzufühlenden Hungergruben und unterbrochenem Zahn­knirschen. Wenn sie liegen, so wird die Lage oft gewechselt, indem Kopf und Hals gestreckt auf dem Boden oder auf eine Körperseite gelegt werden, und indem der Körper zuweilen auf die Seite gewendet wird, während die Schenkel ausge­streckt und wieder eingezogen werden. Der Puls ist klein, härtlich und an Frequenz etwas vermindert, und mit dem deutlich fühlbaren Herzschlage synchronisch; das Alhmen ge­schieht entweder ohne auffallende Störung, oder es geschieht in einer geringern Zabl von Zügen. Die Ohren und Hörner haben, so wie die ganze Körpcioberfläche der Thicie, eine gesunkene Temperatur. Der Blick der Augen ist stier; deren Bindebaut, und die übrigen sichtbaren Schleimhäute weder ver­mehrt warm, noch roth. Im Gegentheil sind sie oft bläulich-blass. Obgleich die Ortsbewegungen noch ziemlich frei gesche­hen, so hört man doch zuweilen ein Knacken in den Gelenken.
Wenn jene Symptome das erste Stadium der Krankheit bezeichnen, welches selten länger als 3 Tage dauert, so wer­den in dem zweiten Fieberbewegungen durch wechselnde Wärme und beschleunigten Puls, der übrigens seine Beschaf­fenheit beibehält, deutlich erkannt. Das Athmen ist beschleu­nigt; es geschieht zuweilen mit zitternder Bewegung der Bauch­muskeln, oder wie beim Asthma der Pferde. Das Zahnknir-schea erfolgt häufig und heftig. Futteraufnahme und Wieder­kauen wird nicht mehr beobachtet, und aus dem sich in einer fast beständigen und kauenden Bewegung befindlichen Maule iliesst zäher Speichel, oder es bildet sich Schaum vor demsel­ben. An verschiedenen Körpertheilen bemerkt man, ausser einem krampfhaften Heben der Hinterscbenkel, Zuckungen, so an den Maulwinkeln, am Bug u. s. w.; häufig beobachtet man heftige Zuckungen, die im Hinterleibe zu entstehen schei­nen, und sich dann auf den Yordertheil des Körpers fortpflan­zen, den Hals und Kopf ruckweise in eine convulsivische Be­wegung setzen, während ein leises Stöhnen wahrgenommen wird. Die Hungergruben erscheinen stärker eingesunken. Aus-
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Schilderung der Haukrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31
leerung von Koth und Urin erfolgt fast gar nicht mehr, und bei milchenden Thieren hört die Milchabsonderung auf. Die Körperbewegungen geschehen sehr unfrei mit auffallendem Schwanken im Hinter- und steifer Haltung im Vorderleibe. Die Augen sind ganz stier; die Augenlider werden nur selten geschlossen, und nur dann, wenn man den Augapfel mit einem Finger berührt. Bei vielen Thieren sind die Augäpfel nach den innern Augenwinkeln gewendet; die Iris zeigt keine Rea­ction gegen das auffallende, vermittelst eines Spiegels rcfleelirte Licht; die Tbiere stossen mit dem Kopfe an alle Gegenstände und zeigen hierdurch, dass sie erblindet sind.
Nachdem das vorhergehende Stadium 2—4 Tage ge­dauert hat, wird das dritte dadurch bezeichnet, dass die be­reits erwähnten Zufälle an Intensität zunehmen, ausserdem aber auch noch andere eintreten. Hauptsächlich wird dieser Zeilraum der Höhe durch fast gänzliches Unfühlbarwerden des Pulses, durch periodisch eintretende Zufälle von Raserei, wie bei Gehirnentzündung, bezeichnet. Die Thiere steigen alsdann in die Krippe, bohren mit den Hörnern in die Wand etc. Während solcher Anfälle, aber auch in ruhigen Perioden, brül­len viele Thiere kläglich, und es haben jene Paroxysmen das mit dem rasenden Koller des Pferdes gemein, dass sie durch Be­unruhigung der Thiere hervorgerufen werden können. Gehörs-Empfindungen zeigen die Thiere in diesem Stadium noch, da abwehrende Bewegungen bei einem am Kopfe angebrachten Geräusche erfolgen; auch wird das Treten auf die Knochen und das Stechen mit Nadeln an allen Körpertheilen empfunden, aber die Art der Reactionen beweist eine vorhandene Störung des Bewusstseins, wie es sich übrigens auch ans dem ganzen Benehmen des Thieres abnehmen lässt. Die Thiere sind end­lich unvermögend sich von ihrem Lager zu erheben. Die Zuk-kungen nehmen zu. Die Athemnoth steigt aufs höchste, und unter steter Bewegung der Schenkel erfolgt der Tod.
Geringe Abweichungen kommen bisweilen in dem ent­worfenen Krankheitsbilde vor; auch werden die Vorläufer in
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32 D. Blcivergift. d. Rindviehes a. Bleiberge im R.B.Aachen.
der Regel, zuweilen auch das erste Stadium der Krankheit, von den Vieh - Eigenthumern übersehen, und scheint dieselbe alsdann sogleich mit den heftigsten Erscheinungen aufzutreten. Bei Berücksichtigung aber der constanten und durchgreifenden Symptome der Haukrankheit lässt sich folgendes kürzere Bild von ihr geben, welches auch mit dem übereinstimmt, das das Lehrerpcrsonal der hiesigen Königl. Thierarzneischule aus sei­nen Versuchen ableitete:
Anfangs verminderte, später ganz aufgehobene Fresslust; bald vermehrte, bald verminderte Neigung zum Saufen; anfangs Unordnungen, später gänzli­ches Aufhören der Rumination; anfangs Unordnun­gen in der Darmexcretion, welche sich durch Ab­gang eines mehr breiigen oder mehr trocknen Mistes zu erkennen geben, später aber Verzögerung oder gänzliches Aufhören des Kothabsatzes. Verminde­rung oder gar Unterdrückung der Harn- und Milch-Secretion; anfangs verlangsamte, später beschleu­nigte Respiration und Circulation des Blutes; er-stere begleitet von krampfhaften Zufällen der dazu dienenden Muskeln, letztere einen kleinen und har­ten oder fast verschwindenden Puls offenbarend; eigenth um liehe Körperhaltung durch Aufwärtskrüm­mung des Rückens, Einbeugung des Schwanzes und Vorgreifen mit den Hinterfüssen; Abnahme der Kör­perwärme und Wechsel derselben an Ohren. Hör­nern und Füssen; eigenthümliche kauende Bewe­gungen mit Bildung von Schaum vor dem Mundlaquo;, oder häufiger Ausfluss von zähem Speichel; zuwei­len Anfälle von Raserei und Verlust des Sehver­mögens.
DieSectionen der, an der Haukrankheit umgekommenen Thiere ergeben manche Abweichungen, mitunter Desorganisa­tionen in den Lungen, in der Leber u. dergl., welche als zu­fällig zu betrachten sind; immer aber findet man in dem Ma-
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Schilderung der Haukrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
gcninlialt cutweder schon durch das blosse Auge erkenubare, meclianisch beigemengte Bleierztheile, oder durch die chemi­sche Analyse nachweisbares, aufgelöstes Blei. Uebrigens sind die wesentlicheu und übereinstimmeDdcii Ergebnisse der Sectio-ueu dieselben, wie sie sich auch nach dem Urttieile des Leh­rerpersonals der Königl. Thierarzneischule bei den Versuchs-Ihieren herausgestellt haben, nämlich: abnorme Anfüllung der venösen Gefässc in der Schädelhöhlc; blutiges Serum auf der Schädelgrundfläche und in den Ge-hirukammern; Blutreichthum der Lungen, der Herz­kammern und der, in denselben entspringeudeu Ge-füssstämme; Blutarmuth in den Organen der Bauch­höhle; Verengerung des Diinudarras und geröthete Stellen im Labmagen, besonders in der Nähe des Pylorus.
Die meisten der von der Haukrankheit befallenen Thiere sterben, doch können sie auch in jedem der oben bezeichneten Stadien in Genesung übergehen; aber nur unter ganz allmäh-liger Abnahme der Symptome, so dass die Krankheit dann einen langwierigen Verlauf nimmt. Starke Salivation, reichliches Er­brechen und ergiebige Darmausleerungen sind günslige Zeichen. Steißgkeit in den Gliedmaassen und geschwächtes Sehvermö­gen weichen bei der Wiedergenesung am spätesten. Die über-standene Haukrankheit schützt nicht vor ferneren Anfällen.
Zu den ursächlichen Verhältnissen der llaukrank-heit übergehend, möge zunächst die Bemerkung Raum finden, dass das eingebrachte Vieh eher erkrankt, als das einheimisch gewordene, ferner dass die Krankheit in allen .lahies/.cilen vor­kommt, vorzugsweise aber im Frühling beim Weidevieh, bevor starke Gewitterregen die mit Bleierztheilchen verunreinigten Futterkräuter gereinigt haben, welche früher durch Sturmwinde oder Wasserfluthen zugeführt wurden. Bei Stallfütterung tritt im Ganzen dasselbe Vcrhäitniss ein; mir sind die Krankhcits-lalle dabei seltener, am häutigsten noch bei armen Leuten, welche auf verdächtigeu Stelleu Futter zu holen gcnöthigl
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34 D.Bleivergift.d.Rindviehes a.Bleiberge iinR. B. Aachen.
sind. Im Winter erseheint die Krankheit zwar selten, aber dann immer bei Fütterung nicht gehörig gereinigten Wuriel-werks. Die verunreinigenden und vonugsweise schädlichen Theile der Futterstoffe sind: Bleiglanz, kohlensaures ßieioxyd und Mennige, letztere jedoch in geringerem Grade. Da der Bleibach sorgfältigst vermieden wird, so sind die Tränken sel­tener Veranlassung zur Haukrankheit; dann aber, wenn nach Gewitierregen im Bleibergreviere entstandene Pfützen dazu die­nen, woraus das Rindvieh gern zu saufen pflegt. Es ist nicht zu erweisen, dass hier der Hüttenrauch die Veranlassung zur Verunreinigung des Viehfutters mit Bleitheilen giebt, da die in der Nähe von Bleihütlen befindlichen Wiesen, welche so ge­legen sind, dass ihnen nicht leicht durch Wind und Fluthen Bleierztheile zugeführt werden können, sich als unschädlich für das Rindvieh erwiesen haben.
Mit der Vorbauung der Haukrankheit hat es grosse Schwierigkeiten am Bleiberge. Die erste und nothwendigste Bedingung dazu ist: Verhütung der Schädlichkeit. Durch die bergpolizeiliche Aufsicht und durch die Sorgsamkeit der Vieh­besitzer ist schon Vieles gewonnen; denn ehedem kam jene Krankheit in einem weit bedenklicheren Grade vor, als jetzt. Auch steht zu erwarten, dass, wenn die Königl. Regierung in Aachen, welche nun über die wahre Ursache der Haukrankheit durch die an der hiesigen Thierarzneischule angestellten Ver­suche hinreichend aufgeklärt ist — weitere, geeignete polizei­liche Maassregeln ergreift, und die Bewohner des Bleiberges durch eine zweckmässige Belehrung unterrichtet — dass dann, sage ich, Erkrankungsfälle immer seltener vorkommen wer­den, zumal, wenn den früher ergangenen Vorschlägen zufolge durch stellenweise Bepflanzung mit Nadelholz, durch Graben-Anlagen, Einzäunungen, Bedeckungen der Felder mit Rasen oder Erde etc. etc., der leichtern Fortbewegung der Abfälle der Bleibereitung ein möglichst sicherer und dauernder Damm entgegengesetzt wird. In arzneilicher Beziehung hat sich als aweckdienlich zur Prophylaxis das Glaubersalz erwiesen; we-
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Heilung der Haukrankheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35
nigstens ist dasjenige Vieh von der Haukrankheit verschont geblieben, welchem im Frühjahr beim beginnenden Weidegange alle 2—3 Tage 2—4 Unzen davon gegeben wurden. Eine Er­klärung hierfür liegt in der antidotischen Wirkung jenes Sal­zes, indem es die in den Yerdauungssäften entstandenen auf­löslichen Bleiverbindungcn decomponirt, und sie zum unauf­löslichen schwefelsauren Blei umwandelt.
Wenn es mit der Yorbauung der Haukrankbeit, wie oben auseinandergesetzt wurde, Schwierigkeiten hat, so steht es doch mit der Heilung derselben viel misslicher. Es sind allerdings Fälle vorgekommen, wo sich das Vieh von einem hohen Grade der Krankheit bei Anwendung wenig bedeuten­der Hausmittel erholte; auch hat der Ausgang des einen, an der hiesigen Thierarzneischule angestellten Versuchs aufs Be­stimmteste dargethan, dass, ohne Anwendung irgend eines Ge­genmittels, jene Krankheit durch Selbsthulfc der Natur besei­tigt werden könne; indess unterliegen bei weitem die meisten der im hohen Grade ergriffenen Thiere, selbst bei sorgfälliger Anwendung entsprechender Heilmittel. — Hülfreich hat sich die ärztliche Behandlung zwar oft erwiesen, wenn die Krank­heit erst im Entstehen war; welche günstige Zeit jedoch nur dann wahrgenommen wurde, wenn man durcli den offenbaren Ausbruch der Krankheit bei dem einen oder andern Stücke eines Viehstandes, auf die Eutwickelung derselben bei den an­dern geführt wurde. AufAnralhen eines Ärzles ist die Schwe­felleber gegen die Haukrankheit von einigen Viehbesilzern an­gewandt worden; die Anwendung dieses Mittels hat aber we­gen ihres geringen Erfolges keine Ausbreitung gewonnen. In zwei ausgebildeten Fällen habe ich sie selbst ohne Nutzen ge­reicht, es scheint daher nur im Beginn der Krankheit etwas von ihr zu erwarten zu sein. Unter allen Heilversuchen habe ich, und zwar nur in den geringen Graden der Haukrankheit, den meisten Nutzen von einem, der Constitution der Thiere entsprechenden Aderlass, von häufiger Application eröffnender Klystiere, anfangs von einer starken Gabe (bis zu 1 C. Pfd,)
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36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
Glaubersalzes und darauf folgenden kleinen (2 Unz.) dieses Sal­zes alle 2—3 Stunden in Leinsaamen-Scbleim aufgelöst, — ge­sehen. Dabei wurde, wie es sich versteht, das im Verdachte der Yciunreiuigung mit Blei stehende Futter nicht allein als cine Condilio sine qua iinn, entzogen, sondern bei etwa noch vorhandener Neigung zum Fressen und Saufen nur saturirte Kleien- oder Scbrooltränke gereicht.
Bis hierher habe ich der Abhandlung eine rein historische, der rationellen Empirie entsprechende Fassung zu geben mich bestrebt, eine Fassung, wie sie einem pathologischen Gegen­stande, der auf dauernde Gültigkeit Anspruch machen will, meines Erachtens gegeben werden muss. Der Geist des Men­schen aber und die Wissenschaft stellen die Forderung eines lie­feren Eingehens. Und so ist nicht zu zweifeln, dass aufmerke same Leser der vorhergehenden Blätter, hier und dort eine Reflexion angeknüpft haben werden. Diesen aber dürfte es nicht unwillkommen sein, wenn sie in den Stand gesetzt wer­den, die ihrigen mit den meinigen, welche 1 bei Is pathologi­scher und therapeutischer, theils pharmacodynamischer Natur sind, zu vergleichen, um demnach die einen oder die andern rectificiren zu können. Vor Allem will ich bemerken, dass der am Bleiberge übliche, allerdings etwas barbarisch klingende Name „Haukrankheitquot; für die abgehandelte Bleivergiftung des Rindviehes von einem hervorstechenden Symptome derselben, nämlich von der mit Salivation verbundenen, beissenden und kauenden Bewegung der Kiefer, entnommen ist. Diese Be­merkung habe ich bereits bei einer meinen damaligen Beob­achtungen zufolge gegebenen Beschreibung der in Rede ste­henden Krankheit in meinem kreisthierärztlicben Veterinär-Bericht pro 1836 gemacht, welche in den General-Veterinär-Bericht des Rheinpreussischen Medicinal-Kollegiums ej. an. über­gegangen ist. Hieraus hat Hering die Schilderung der Krankheit mit der gedachten Bemerkung in seine spcciclle Pathologie und
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Der Name „Haukrankheitquot;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37
Therapie (Stuitg. 1841) überfragen, und der letzteren ein —! — angehängt. In der Rheinprovinz nennt man „Hauenquot; ein plötz­liches und ungestümes ßeissen der Thiere, z. B. der Hand haut (anstatt beisst) um sich. Da nun das Symptom, wovon der Name „Haukrankheitquot; vom Volke entnommen wurde, allerdings zu­weilen Aehnlichkeit mil einem wüthenden Beissen hat, so dürfte jene Bezeichnung gerechtfertigt erscheinen, zumal wenn ich zur Vertheidignng meiner Landsleute bemerke, dass das Wort „Hauenquot; auch in jener Bedeutung in der Jägersprache üblich ist, namentlich für das Beissen der wilden Schweine: daher denn auch die Fangzäbne dieser Thiere Hauzähne, und selbst die Eber von einem gewissen Alter „Hauerquot; genannt werden. Dies wird hoffentlich zur Beseitigung eines ironischen —!— genügen; was ich aber dringender wünsche, ist: dass Hering, welcher meine damaligen Beobachtungen über die Haukrankheit in eine seiner schätzbaren Schriften aufzunehmen würdigte, bei einer etwaigen neuen Auflage derselben das be­zügliche Kapitel, dem Vorliegenden gemüss, berichtigen und vervollständigen möge. Wegen der Aehnlichkeit der Haukrank­heil mit der Bleikolik (Colica saturnina) des Menschen könnte man auch für jene diesen Namen wählen. Man unterscheidet aber bei dorn Menschen verschiedene Formen der Bleiaffectio-nen; so Tanquerel de Planches in seinem angef. Werke 1) Intoxication saturnine primitive, 2) Colique de plomb, 3) Arthralgie saturnine, 4) Paralysie salurnine, und 5).Encc-phalopalhic saturnine, welcher lelztern er die Unlerablheiluii-gen: deliranle. comaleuse und convulsive giebl. Es diirfle daher, und weil die Haukrankheit in der Regel alle diese For­men durchläuft, am rälhlichstcn sein, sie schlechtweg „en-zootische Bleivergiftungquot; zu nennen, sed quid velit usns, sit lex et norma loquendi!
Bei weitem erheblicher, als die vorhergehende Belrach-tung, muss uns der Umstand erscheinen, dass am Bleiberge im Kreise Schieiden keine Bleivergiftungen unter den Pferden, Schaafen und Ziegen bemerkt werden, während von andern
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38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
Autoren, wie aus der geschichtlichen Einleitung zu ersehen ist, solche Fälle aufgeführt worden sind. In Betreff der Pferde könnte dieser Umstand dadurch erklärt werden, dass man sie am gedachten Bleiberge allerdings sorgfälligst vor dem Genüsse eines möglicherweise mit Blei verunreinigten Futters und Was­sers bewahrt; den Schaafen und Ziegen lässt man indess diese Sorgfalt nicht angedeihen. Sie beweiden selbst diejenigen nbel-herüchtiglen Stellen, wovon man das Rindvieh fern hält. Die eigentliche Ursache aber, warum Pferde am Bleiberge nicht an Bleikolik leiden, dürfte sich aus folgenden Angaben näher ergeben. Ilertwig (Pract. Arzneimittellehre, 2te Aufl., Ber­lin 1840, p. 443) gab einem rotzkranken Pferde 1 Pfd. Blei-sucker in Wasser gelöst auf einmal; es zeigte hierauf, unter andern, Kolikzufälle; nach 12 Stunden indess war es wieder ganz munter, und starb 7 Tage nachher am Rotz. Ich gab einem 12 Jahr alten, wohlgenährten, rotzkrankea Pferde, wäh­rend 4 Wochen täglich 3 Unzen Lettenerz in getheilten Ga­ben, während das Thier täglich eine Metzc Kleien und 10 Pfd. Heu frass; aber keine anderen Symptome wurden bemerkt, als dass der Mist einige Tage nach Eröfinung des Versuchs irockner und kleiner geba'lt wurde; auch später ward nichts Krankhaftes an dem Thierc bemerkt, welches dem Blei hätte zugeschrieben werden können. Kreis-Thieraizt Dominick (Veterinär-Bericht für das 3. Quartal 1840) gab einem 10 Jahr alten Pferde am 28. Seplbr. gen. Jahres 2 Loth Bleioxyd mit i Pfd. kalten Leinöls, worauf bis zum 29. ej. keine Wirkung erfolgte. An diesem Tage erhielt das Pferd 2 Loth Bleioxyd mit Wasser, worauf eine Stunde später ein bedeutendes Deh­nen der Gliedmaassen, krampfhaftes Verdrehen der Augen, Krümmen in den Lenden und öfteres Uriniren eintrat; 6 Stun­den später waren indess diese Symptome verschwunden, wäh­rend sich nach 16 Stunden eine bedeutende Diarrhöe ein­stellte, welche 24 Standen anhielt, worauf dann am 2. Oclbr. alle Vergiftungszufälle verschwunden waren. Am 3. Octbr. erhielt dasselbe Thier 4 Loth Bleioxyd mit lauwarmem Was-
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Wirkung des Bleies bei Pferden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39
eer. Nach einer halben Stunde stellten sich die früher ge­nannten Symptome wieder ein, welche im Verlaufe von 4 Stun­den in der Krampfkolik ähnliche Zufälle übergingen; nach 8 Stunden zeigten sich Symptome der Darmentzündung, die 12 Stunden anhielten, und nach 48 Stunden waren alle Erschei­nungen vorüber. Am 6 Octbr. erhielt das Thier nun endlich 12 Loth Bleioxyd mit warmem Wasser; hierauf trat nach einer halben Stunde Krampfkolik, nach 2 Stunden krampfhaftes Ver­drehen des Halses und Kopfes, krampfhaftes Zusammenziehen der Flanken und stossendes, nach Luft schnappendes Alhmen ein, und sofort der Tod unter Erstickungszufäilen, indem Kopf, Hals und Gliedmaassen ausgestreckt wurden. Die 2 Stunden nach dem Tode unternommene Section lieferte folgendes £r-gebniss: Mastdarm vorgedrängt und etwas gerölhet; Zellgewebe zwischen Haut und Muskeln trocken; nirgends eine Spur von Irritabilität und Elasticität (?); Magen und Darrokanal luftleer, spasmodisch verengert; die Conlenta derselben sehr trocken; ihre Schleimhaut ebenfalls trocken, wie gegerbt und nicht leicht von der Muskelhaut zu trennen; Leber und Milz sehr aufgetrieben; Nerven welk; Harnblase leer; Gefässe des Pfort­adersystems vom Blute sehr ausgedehnt; Lungenflügel wie zu­sammengeschrumpft, rechter bleifarbig, linker gerölhet (das Pferd krepirte auf dieser Seite); rechte Herzkammer nebst Vor­kammer blutleer, die linkerseits mit coagulirtem Blute ange­füllt, so wie auch die grösscren Arterienstämmc, jedoch nicht in dem Maasse, wie jene: die kleineren Arterien, namentlich an den Extremitäten^ blutleer; Zunge, Gaumen, Schlund und dessen Kopf blass, letzterer verengert; Lull röhre und deren Kopf etwas geröthet, doch bläulich schimmernd; Gefässe des Gehirns stark mit schwarzem Blute angefüllt, in seinen Ven­trikeln mehr Serum als im normalen Zustande; Gefässe des Rückenmarks, wie die des Gehirns, und endlich viel Serum in der Rückenmarksscheide. — Aus vorslchenden That-saehen geht nun mit ziemlicher Evidenz hervor, dass das Pferd nur eine geringe Empläiiglichkeit für Blei-
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40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
vergiflungeii lial. wenigstens eine bei weitem gerin­gere, als das 11 in dv ich, wie es sich aus dieser Ab­handlung ergiebt. In welchem Organisations- und Fun-clions-Vei'hiillnisse dicss seinen Grund hat, weiss ich zur Zeit nicht, wenn nicht in einem grösseren Säuregehalt der gastri­schen Säfte des Rindviehes im Vergleich zum Pferde, was al­lerdings nachweisbar ist. In BetreiT der Schafe und Ziegen miissten ebenfalls noch directe Versuche den fraglichen Punkt entscheiden, weil die angezogenen Beobachtungen nicht aus­reichen können.
Sowohl in gesundheitspolizeicher Rücksicht — in wiefern das Fleisch der an einer Bleivergiftung leidenden und gelödleten Thiere für den Genuss zu gestalten sei, oder nicht — als auch zur Aufklärung der Intoxication selbst, ist unstreitig die Frage von Wichtigkeit: ob das Blei überhaupt in die organische Masse, und insbesondere in welche Theile übergeht? — Bei den frü­her angedeuteten, an der hiesigen Thierarzneischule gemachten Versuchen beim Rindvieh mit Bleierzen war mau bemüht, diese Frage zu beantworten, und zwar zunächst des Zweckes wil­len, möglichen Falls auf chemischem Wege die An nab me der Bleivergiftung näher zu begründen. Es wurden senach von der vergifteten Kuh: Fleisch, Theile des Labmagens und des Dünndarms, Milch, Blut und Urin; ferner von dem vergifteten Bullen Fleisch, Lungensubstanz, Galle und Urin, einer sorgfältigen chemischen Untersuchung auf Blei, und zwar nach zwei Methoden, auf nassem und auf trocknem Wege unterworfen. Die erslere beslaud wesentlich in Folgen­dem: Die thierischen Substanzen wurden in einem Porzellan-schälchen über Spiritusfeuer mit Salpetersäure eine Zeit lang gekocht, wodurch eine gänzliche Zerstörung der organischen Theile erfolgte; die Flüssigkeit wurde sodann abilltrirt, und der Rückstand mit Wasser ansgesüsst. Zu sämmtlichen abfiltrirten und abgedampften sauren Flüssigkeiten wurde nun Schwefel­wasserstoffwasser gesetzt, wodurch, wenn Blei vorhanden, ein schwarzer Niederschlag (Schwefelblei) entstehen musste. Die
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Uebcrgang des Bleies in die tbierischen Säfte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
zweite Methode hatte zwei Modificationen. Nach der einen wurden die thierischen Stoffe in einem Porzcllanschälchen all-mählig über der Spirituslampe verkohlt; die entstandene und zerriebene Kohle sodann mehrere Male mit Salpetersäure und Wasser vorsichtig ausgekocht, und die Flüssigkeit abflltrirt; den ablUtrirten, im Wasserbade concentrirten und sehr sauer rea-girenden Flüssigkeiten etwas kohlensaures Natrum zugesetzt; endlicb zu der noch sauren Flüssigkeit eine hinreiebende Menge Schwefelwasserstoffwasser gegossen, wodurch ebenfalls, wenn Blei zugegen, ein schwarzer Niederschlag entstehen musste. Nach der andern Modification wurde die Substanz mit Salpe­tersäure in einem Porzellanscbälcben ebenfalls über der Spiri-tuslampc verkohlt, die so erhaltene Kohle zerrieben, und mit salpelcrsaurem Kali verpufft; der Rückstand mit destillirtem Wasser übergössen, erwärmt, filtrirt, und die filtrirte Flüssig­keit mit soviel verdünnter Salpetersäure verseizt, dass sie sauer reagirle, und hierzu endlieh eine hinreichende Menge Schwe­fel wasseistoffwasser gegossen, wodurch bei gleichen Ursachen dieselbe Erscheinung, wie in den vorhergehenden Fällen ent­stehen musste. — Zur näheren Ueberzeugung aber, ob die nach vorstehender Art erhaltenen schwarzen Niederschläge wirklich Blei enthielten, wurden dieselben von ihren Flüssigkeiten durch Fillriren gesondert, sodann entweder in Salpetersäure gelöst, und zu dem, mit destillirtem Wasser verdünnten Fillrat Scbwe-felsäuie gesetzt, wodurch nach einigem Stehen ein weisser Niederschlag (schwefelsaures Bleioxyd) entstand; oder endlich der schwarze Niederschlag wurde mit der erforderlichen Quan­tität kohlensauren Natrums vermengt, auf Kohle vor das Löth-rohr gebracht, und auf diese Weise ein Bleikorn erhalten. — Zu bemerken dürfte endlich noch sein , dqss, wenn nach der einen Methode kein Blei in- den thierischen Stoffen entdeckt wurde, dann zur mehren Gewissbeit alle andern Verfabrungs-weisen angewandt wurden. — Die nach vorstehenden Metho­den ausgeführten Untersuchungen haben ergeben: dass das von der Kuh herrührende Fleisch, so wie die Frag-
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
mentc des Labmagens und Dünndarms (welche letztere vor der Untersuchung von den anhängenden Futtertheilen durch mehrmaliges Waschen gereinigt wurden) Blei enthiel­ten; dagegen Blut, Milch und Urin nicht; und dass ferner sich in keiner der von dem Bullen herrüh­renden Substanzen Blei nachweisen liess. — Diese Hesulfale müssten allerdings in so fern auffallend erschei­nen, als in dem einen Falle Blei in dem Fleische nachgewiesen wurde, in dem andern aber nicht. Die Lehrer der hiesigen Thierarzneischule, welche sich damals ausser Stande sahen, eine genügende Aufklärung jener Abweichungen zu geben, glaubten jedoch annehmen zu dürfen, dass eine Erklärung in der Verschiedenheit der angewandten Vergiftungsmitlel zu su­chen sei; denn die Kuh hatte ein Bleierz erhalten, welches hauptsächlich aus kohlensaurem Bleioxyd besteht, der Bulle aber den aus Schwefelblei bestehenden Bleiglanz. Die Art und Weise aber, wie sich die Bleivergiflungen bei Menschen und Thieren durch relativ langsame Aufeinanderfolge der Symptome manifestiren, was auch immer für ein Bleipräparat die Vergiftung bewirkt haben mag; und dann die bekannte Thatsache, dass eine Bleivergiftung ebensowohl von Wunden, als auch vom Magen und Darmkaual aus zu bewirken ist, sprechen zu deutlich für den Uehcrgang des Bleies in die Saftemasse, als dass man einer blossen Erklärung der Wirkungen dieses Metalls von den Nerven aus Raum ge­ben dürfte. Manche Forscher sind daher bemüht gewesen, das Blei in Vergiftungsfällen im Blute und in andern thienschen Theilen nachzuweisen. Hierher gehören, unter andern Dr. C. G. Mitscherlich, welcher zu dem Resultate gelangt ist, dass das Blut der mit essigsaurem Bleioxyd vergifteten Kanin­chen nach dem Tode entweder nur sehr wenig oder gar kein Blei, dass aber der Urin jedenfalls nichts von diesem Metalle enthalte. (Müller's Archiv etc. Jahrgang. 1836. p. 298 ff.) Ausset (chef de service an der Thierarzneischule zu Alfort) will im Blute eines Pferdes, dem essigsaures Blcioxyd in gros-
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Uebcrgang des Bleies in die thierischen Säfte. 43
sen Dosen gegeben worden war, vermittelst der Orfila'schen Methode Blei nachgewiesen haben', und bemerkt hierbei, dass die Menge des Bleies im Blute immer dieselbe zu sein seheine, es mochten kleinere oder grösserc Gaben des Bleizuckers angewandt worden sein, so wie es sich auch bei der Un­tersuchung des Blutes eines Pferdes auf Antimon, dem Brech­weinstein gegeben worden war, herausgestellt habe. (Ro-cueil de medecine velerinairc pratique. Septbr. 1840. p. 562.) Dagegen behaupten Merat und Barruel (Traile de la Colique metallique), in dem Urin eines an Bleikolik leidenden Men­schen kein Blei gefunden zu haben, dem Tanquerel de Planches nach 12 von ihm selbst angestellten Untersuchun­gen beistimmt. Andererseils geben Tiedemann und Gme-lin wiederum an, in dem Blule der Gekrös- und Milzvenen von mit Bleizucker vergifteten Hunden Blei nachgewiesen zu haben, während Chevalier dieses Metall in dem Blute der unteren Hohlvenc, der Pforlader und der rechten Herzhälfte eines an Bleikolik verstorbenen Menschen vergeblich suchte. Endlich will Alphonsc Devergie in den Häuten des Ma­gens und Darmkanals, in der Galle enthaltenden Gallenblase, ferner in der Harnblase, in der Lungen-, Nieren-, Gehirn-und Muskelsubstanz, und selbst im Blute eines an den Folgen der Bleikolik verschiedenen Menschen Blei entdeckt haben. Angeblich hat er zwar auch dieses Metall und Kupfer im Darmkanal von Menschen nachgewiesen, welche keiner Blei­vergiftung ausgesetzt gewesen waren; in jenen Theilen aber soll das Blei überwiegend gewesen sein. Dasselbe Resultat soll sich auch in Bezug auf Gehirnsubstanz zweier an Ence-phalopathie saturnine verstorbener Menschen bei den gemein­schaftlichen, jedoch nach verschiedenen Methoden ausgeführten Untersuchungen von Devergie und Guibourt ergeben haben:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
während doch Vauquelin, der sich durch treffliche Unter­suchungen der Gehirnsubstanz (welche von Individuen her­rührte, welche nicht mit Blei vergiftet waren) bekannt ge­macht hat, jenes Metall nicht als ein constitutives Element der
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4inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
Gebirnmasse betrachte. (Vergl. Tanquerel de Planches Traite des maladies des plomb. Paris 1839. T. I. p. 319 ff. u. T. II. p. 362.) Jene widersprechenden Angaben konnten mich nicht ohne Anregung zur nähern eigenen Prüfung des Gegen­standes lassen. Den früher angegebenen Gründen zufolge muss man den Uebcrgang des Bleies in die Säftemasse statuiren; aber sollte vielleicht das jedesmalige Gehaltsquantum im Blute über­haupt so geringfügig sein, dass das Blei nicht immer durch Keagentien nachzuweisen ist, oder gehen die Bleimitlel mit den thierischen Säften Verbindungen ein, in denen es bei An­wendung der gewöhnlichen Prüfungsmiltel versteckt bleibt, oder endlich wird das Blei bald nach seinem Uebergange durch die Festgcbilde gebunden? Diese und ähnliche Fragen, wozu man durch das Inlegritäts-Bestreben des Organismus überhaupt und durch die rege Assimilation des Blutes, welche kaum eine heterogene Wesenheit in sich selbst dulden möchte, bestimmt werden könnte, haben mich zu folgenden Versuchen aufgefor­dert. Einem Pferde injicirte ich in eine Drosselvene eine Auflösung von 2 Quentchen Bleizucker in einer Unze lauwar­men Wassers aufgelöst, und nahm demselben, sobald die Ver-giftungssymplomc sich auf einen gewissen Grad entwickelt hatten, eine gewisse Menge Bluts aus der andern Drosselvenc. Durch die genaueste, in Beistand des Hr. Prof. H. Erdmann ausgeführte Untersuchung war kein Blei darin aufzufinden. Derselbe Versuch wurde sodann mit einer doppellen Menge Blcizuckers bei einem andern Pferde wiederholt, und lieferte ein gleiches Resultat. Wo blieb denn das Bleisalz, oder was ist mit demselben im Organismus vorgegangen? — Das Ausse­hen der Lunge des secirten letzten Versuchsthieres Hess so­gleich vermuiben, dass alles Bleisalz in derselben stecke, was auch die chemische Untersuchung aufs evidenteste nachwies; während in der geringen Menge anscheinend desorganisirten. in den Lungenvenen und in den rechten Herzkammern aufgefun­denen Blutes auch nicht eine Spur von Blei zu entdecken war. Ich sagte, dass das Blut in den letztgenannten Theilen anschei-
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Ausscbcidungsvveg des Bleies aus dem Organismus. 45
neud desorganisirt gewesen wäre; die nähere mikroskopische Untersuchung aber hat dies wirklieh ergeben. Schon Hüne­feld hat (Chemismus der thierischen Organisalion, Leipzig. 1840) bemerkt, dass essigsaures Blei das, aus der Ader gelas­sene Schweineblut ein wenig iu's Bräunliche verändere, und die Blutkörperchen bis auf häufige Kernparthiceu und Häut­chen, welche das Gerinnsel enthalte, auflöse. Von der Wahr­heit dieser Behauptung habe ich mich nicht allein auf dieselbe Weise unter Anwendung des Pferdeblutes überzeugt; sondern es verhielt sich auch so bei dem im obigen Falle in der Lunge, in den Lungenvenen und in den rechten Herzkammern enthal­tenen Blute. Es kann uns nicht entgehen, dass der Zustand der Luuge und der rechten Herzhäifte desjenigen Pferdes, wo­bei der zulclzt erwähnte Versuch augestellt wurde, Aehnlich-keit mit dem Befunde dieser Organe von dem Dominick-schen Versuchslhiere hat. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch hierbei ein gleiches Verhällniss zum Grunde lag. Nach allem Angeführten aber dürfte endlich die Annahme nicht ge­wagt erscheinen, dass das Blei in wirklichen Vergif­tungsfällen auch wirklich in's Blut übergeht; dass dieses aber den Aufenthalt eines so heterogenen Stoffs in ihm nicht verträgt, und vielmehr densel­ben alsbald an die festen organischen Theile absetzt. Eine andere Frage, welche sich hier natürlich anreiht, ist die: Wird das Blei bei Heiluugsfällen der Bleivergiftung aus dem,Organismus wieder entfernt, und auf welchem Wege ge­schieht dies? — Manche Leser werden den ersten Theil die­ser Frage für unpassend halten, indem sie wähnen, dass der Heilung der Bleivergiftung die Ausscheidung des Bleies aus dem Organismus nothwendig vorangehen müsse. Indem einst­weilen hiervon abstrahirt wird, dürfte die Bemerkung Raum finden, dass Mitscherlich (I. c.) nach seinen Versuchen mit Bleizuckcr bei Hunden und Kaninchen, die Vermuthung aus­sprach, dass mit dem Uriu die Ausscheidung des Bleies aus dem Blute erfolge, und dass er dieser Vermuthung um so mehr
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4Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Reflexionen.
Gewicht beizulegen geneigt war, als nach gewissen Gaben je­nes Mittels eine reichliche Urinsecretion eintrat, und die Thiere sich nach einer solchen erholten. Den hierbei gleichzeitig stattfindenden Durst sah Mitscherlich als ein Bedürfniss an, jene Ausscheidungen heibcizufuhreiraquo;. Für erwiesen aber konnte er diese Annahme um so weniger halten, da im Urin, sowohl von ihm, als auch von andern, wie schon früher bemerkt, kein Blei aufgefunden wurde. Gesetzt, es habe mit dieser Annahme in Bezug auf Hunde und Kaninchen seine Richtigkeit, so ist sie doch keineswegs hinsichts des Rindviehs von Gültigkeit, da bei diesem in hohen Graden der Bleivergiftung die Urinse­cretion cessirt, und da auch nicht bemerkt wurde, dass bei Abnahme der Krankheit jenes Excret irgend eine kritische Ei­genschaft erlangte, abgesehen davon, dass im Harn der an der hiesigen Thierarzneischule vergifteten Rinder, wie bereits frü­her angemerkt, kein Blei gefunden worden ist. Die gewöhn­lich auftretende Salivation bei an einem hohen Grade der Blei­vergiftung leidenden Rindvieh ist eine so auffallende Erschei­nung, dass man — namentlich in den Heilungsfällen, wo sie, wie unter andern in dem einen an der hiesigen Thierarzneischule angestellten Versuche, profus wird—ihr eine excremenlielle Be­deutung für das Gift beizumessen gedrungen wird, zumal da bei an­dern metallischen Vergiftungen der Thiere ähnliche Erscheinungen beobachtet werden, und da wenigstens die theilweise Aus­scheidung des Quecksilbers bei der Mercurial-Salivation des Menschen nachgewiesen zu sein scheint. Eine chemische Un­tersuchung des profusen Speichels des an Bleivergiftung lei­denden Rindviehes kann aber nur dies Verhällniss aufklären. Dass ich eine solche bei gebotener Gelegenheit nicht ange­stellt habe, rechne ich mir zur Unterlassungssünde an, zu de­ren Sühne mir die erste Gelegenheit willkommen sein wird. Die Excretion des Bleies durch die Lungen- und Haulejdiala-tion ist gar nicht zu vermuthen, es sei denn, dass dies iq in Bezug auf die Haut, vermittelst eines melastatisch-kritischen Ausschlags geschehe. Nun habe ich aber niemals einen sol-
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Aussei)eiduiigsweg des Bleies aus dem Organismus. 47
eben bei dem, von der Haukrankbeit wiedergeueseuca Rind­vieh geseben, und dürften sueb die Fälle, vro dureb Bleizuk #9632; ker vergiftete Rinder später einen pustulösen, beftig jucken­den Haulausscblag bekamen, welcbe Prinz in seiner frü-ber angeführten Mitlhcilung besebreibt, schwerlich bieber zu reebnen sein, da diese Tbiere nichts destoweniger eu Grunde gingen. Wir wissen also über die Ausscheidung des Bleies aus den Grenzen des Organismus nichts Zuverlässiges, und muss dieser Punkt sonacb der ferneren Forscbung anbeini gegeben werden. Indem nun der andere Tbeil, der zuletzt aufgeworfenen Frage, nämlich, ob das Blei überhaupt aus dem Organismus geschieden werde? wieder aufzugeben ist, kann man dieselbe wenigstens mit einigem Grande so lange vernei­nen, bis sie auf empirischem Wege bejaht worden ist; was aber diese Negation näher rechtfertigen dürfte, ist die be­kannte Eigenschaft des Bleies mit der organischen Substanz innige Verbindung einzugehen, wodurch die meisten Secre­tions-Organe, wenigstens beim Rindvieh eine, ihrer Function ungünstige Stimmung erlangen, und dass wenigstens beim Menschen anscheinend geheilte Bleivergiftungen oft Desorga­nisationen mancher Art, langes Siechthum und den endlichen Tod im Gefolge haben. In solchen Fällen scheint dann eine Localisirung zu Stande gekommen zu sein. — Untersuchun­gen über den Uebergang der Arzneimittel in's Blut und die Ermittelung ihrer Ausscheidungswege haben ein besonderes physiologisches und pharmacodynamisches Intereresse. Schon vor zwölf Jahren war ich bemüht, den Goldschwefel zu er­forschen. Einem munteren, mit der verdächtigen Druse be­hafteten Pferde gab ich morgens um 8 Uhr, dann um 9 und um 10 Uhr, nachdem es früher sein gewöhnliches Haferfutter erhalten hatte, jedesmal eine, aus einer halben Unze Gold­schwefel und eben soviel Eibischwurzelpulver bereitete Pille. Hiernach erhielt das Pferd sein gewöhnliches Rauhfutter und Getränk, während ihm zu verschiedenen Zeiten jedesmal un­gefähr 6 Unzen Blut in besondere Gefässe und nach der Rei-
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48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Keflexioncn.
hciifolgo mil JNr. I. II. III. urfd IV. bezeichuct, abgezapft wur­den. Die erste Venäsection ward vor dem Eingeben der er­sten Pille vorgenommen; die zweite um 11 Uhr, mithin 3 Stunden nach der ersten und eine Stunde nach der letzten Gabe; die dritte um 12 Uhr, mithin 4 Stunden nach der er­sten und 2 Stunden nach der letzten Gabe; und endlich die vierte um 4 Uhr, mithin 8 Sfunnden nach der ersten und 6 Stunden nach der letzten Ärzneigabe. Der Geruch des Blul-gases bot bei diesen vier Quantitäten Blut keine bemerkbare Verschiedenheit dar; die übrigen physischen Eigenschaften des Blutes waren, nachdem dasselbe 20Stunden lang ruhig gestanden hatte, folgende: Bei dem mit Nr. I. bezeichneten Blute, verhielt sich die Menge des Serums zu der der Placenta wie 1 : 2, wenn die Fibrinc ungefähr ein Drittheil ausmachte. Der Cruor schien die gewöhnliche Röthe zu besitzen, und das Serum war deut­lich von den übrigen Bestandtheilen geschieden. Bei dem mit No. IV. bezeichneten Blute, verhielt sich die Quantität des Serums zu der der Placenta wie 1:3, und in letzterer war die Fibrinc fast gar nicht als getrennt zu bemerken; der Cruor war röther als bei No. I., und das Serum hatte längere Zeit gebraucht, um sich vollständig von den übrigen Bestandthei­len zu sondern. In dem mit No. III. signirlen Blute verhielt sich die Menge des Serums zur Placenta wie l:!laquo; und in letzterer betrug der Faserstoff ungefähr ein Drittel; der Cruor hatte die Röthe wie bei No. L, und das Serum war von den übrigen Bestandtheilen deutlich geschieden. Bei dem mil No. IV. bezeichneten Blute verhielt sich die Menge des Serums zu der der Placenta wie 1:1, und in letzterer betrug der Faserstoff ungefähr die Hälfte. Dieser sah an seiner Obcr-lläche eiterartig schillernd aus; der Cruor halle die Röthe wie bei No. 1. u. Ill, und das Serum war genau von den übrigen Bestandtheilen geschieden. — Die sorgfältige chemische Untersuchung hat in den mit No. II., III. und IV. be-zeichnclen Blulprobcu die Gegenwart des Gold-schwcfcls aufs deutlichste nachgewiesen; eine grös-
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Ausscheidung des Bleies aus dem Organismus. 49
sere Menge desselben aber in No. II. als in No. III. und IV.; ich sage, dass die Gegenwart des Gold­schwefels nachgewiesen worden, nicht aber Stibium für sich allein und ohne Schwefel. Die Blutprobe No. 1, in welcher natürlicherweise kein Goldschwefel enthal­ten sein konnte, wurde eben so chemisch behandelt, wie die übrigen, um durch den Vergleich der Reactionen jedem Zwei­fel einer etwaigen Täuschung zu begegnen. Die physischen Abweichungen der gedachten Blutproben sind bemerkenswerth. Das Blut No. I., welches vor der Anwendung des Goldschwe­fels abgelassen worden, verhielt sich, hinsichtlich der Farbe und der relativen Verhältnisse seiner nähern Bestandtheile wie ein normales, dagegen das Blut No. II., worin die grössere Menge des Arzneimittels gefunden wurde, wie ein solches der entzündlichen Zustände. Das Blut No. III. war dem Blute No. I. ziemlich gleich; wogegen das Blut No. IV., in welchem der seröse Bestandthcil überwiegend war, und der Faserstoff eine schillernde Oberfläche hatte, einem solchen gleich, wie wir es in ziemlich hohen Graden von Schwäcbezuständen an­zutreffen gewohnt sind. Es ist klar, dass die auffallenderen Veränderungen im Blute nur dem Einflüsse des Goldschwefels beigemessen werden können; einer Erklärung ihres Vorganges aber wird man sich zur Zeit enthalten müssen, wenn man nicht eine schwankende Hypothese mehr zu haben beliebt. — Nachdem ich mich nun von dem Uebergange des Goldschwe­fels in's Blut überzeugt halte, kam es zunächst darauf an, zu wissen, ob das Ganze der gewöhnlichen Dosen dieses Arz­neimittels in die Säftemasse übergehe, und auf welchem Wege dasselbe wieder aus dem Organismus geschieden werde? — Zum Zwecke der Beantwortung des ersten Theils dieser Frage wurde demselben Pferde 3 Tage hindurch, täglich eine Unze Goldschwefel, mitAlthaewnrzelpulver und Wasser zur Latwerge gemacht, in getbeilten Gaben gereicht, während es sein ge­wöhnliches Futter erhielt. Eine gewisse Menge des, am 3ten Tage gegen Abend abgesetzten Kothes wurde der chemischen
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Uulersuchung auf Schwefel unlerworfen; aber von dieser Sub­stanz nichls darin vorgefunden. Auf die Erforschung des SU-biums in den Darmcxcremcuten musste (um deswillen) ver­zichtet werden, weil es nur in einer kaum wahrnehmbaren Menge darin vorhanden sein konnte, und weil seine Auffin­dung unter diesen Verhältnissen kaum zu hoiTea stand. Der zweite Theil der obigen Frage wurde dadurch zu beantworten gesucht, dass dem Pferde am 4teri Tage nach Eröffnung des vorher bezeichneten Versuchs die Hautschlacke durch Putzen abgenommen wurde, während es in den Tagen des Versuches selbst nicht geputzt worden war; und dass zu einer andern Zeit der Harn dieses Pferdes am Nachmittage aufgefangen wurde, nachdem es Morgens il Unzen Goldschwefel als Latwerge in zweckmässiger Weise uud in vertheilten Gaben erhalten hatte. Die chemische Untersuchung der Hautschlacke hat allerdings die Gegenwart des Schwefels in derselben durch die Entwik-kelung von Schwefelwasserstoffgas während der Procedur dar-gelhan, indem sich dasselbe durch seinen bekannten eigenthiim-lichen Geruch und auf andere Weise zu erkennen gab; Anti­mon war indess in der Hautschlacke weder für sich, noch in Verbindung mit Schwefel als Goldschwefel aufzufinden. Die Menge des Schwefelwasserstoffgases war übrigens auch so gering, dass ich es dem gewöhnlichen Schwe­felgehalte der Harne, welche stets ein Gemengtheil der Haut­schlacke ausmachen, zuzuschreiben geneigt bin. Nichts desto-weniger ist es bekannt, dass der Schwefel durch die Haut in Gasgestalt ausgeschieden wird (vergl. Hertwig's Arzneimit­tellehre 2te Aufl. Berlin, 1840; Artik. Schwefel). Hier kam es aber besonders [darauf an, zu ermitteln, ob der Gold­schwefel als solcher oder der eine seiner ßestandtheile, das Antimon, auf jenem Wiege egerirt werde; und das konnte, wie gesagt, nicht nachgewiesen werden. — Der zur Untersuchung bestimmte, aufgesammelte Urin, besass unmittelbar nach seiner Entleerung einen starken urinösen Geruch, hatte eine schlei­mige Beschaffenheit, und eine trübe, röthlich-gelbe Farbe.
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Physiologische Wirkung des Bleies.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;51
Nachdem er eine Zeillang ruhig gestanden , hildete sich ein reichliches, rüthliches Sediment, welches aber langer Zeit be­durfte, um sich vollständig niederzusenken; die über demsel­ben befindliche klare Flüssigkeit war röthlich gelb. Trotz dieser Eigenschaften von gewissen Anzeichen konnte durch eine sehr sorgfältige chemische Untersuchung weder Gold­schwefel, noch einer seiner Bestandtheile im Urin nachgewiesen werden. Wir sehen, dass der Ausscheidungsweg für den Gold­schwefel ans dem Blute durch vorstehende Untersuchungen (welche Herr Professor H. Erdmann zur mehreren Sicherheit zu coutrolliren die Gefälligkeit hatte) nicht ermittelt ist. Für die Wahrscheinlichkeit der Ausscheidung des Schwefelgehalles jenes Arzneimittels durch die Haut sind bereits Gründe aufge­führt worden. Dass aber auch mindestens sein Schwefelgehalt mittelst der Lungenexhalation ausgeschieden sein möchte, ist aus dem Grunde anzunehmen, weil derselbe in andern Versu­chen mit reinem Schwefel in grösserer Menge nach dieser Substanz roch, und weil überhaupt die Lungen vorzugsweise die Function zu haben scheinen, das Blut vom Uebermaasse brennstoiliger Theile (wohin auch der Schwefel gehört) zu be­freien. Die Zwiscbenschiebung vorstehender Untersuchungen dürfte durch den Umstand gerechtfertigt erscheinen, dass sie mit den vorhergehenden über das Blei in Bezug auf ihre Ver­anlassung übereinstimmen, und ähnliche Resultate gewähren, und dass sie ebenfalls einen Beleg dafür abgeben, wie Vieles, selbst in einem kleinen Abschnitte unserer Aufgabe noch zu thun ist, bevor wir unsere Hände selbstgefällig in den Schooss legen dürfen.
üeber die Einwirkung des esssigsauren Bleioxyds, sein Verhalten zu den Säften, der Anwenduugsstelle und zum Ap-plications-Organe selbst, hat zuerst Dr. Mitscherlich (1. c) einiges Licht verbreitet, und hiermit einen Fingerzeig gegeben, wie der weitere Uebergang des Bleies in die circulirendeu Säfte und die Entfaltung der Wirkung zu Stande kommen möge. Nach diesem sehr sorgfältigen und fleissigen Forscher
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'#9632;(lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Reflexionen.
der Ansneiwirkuugen geht das essigsaure Blei sehr rasch, so bald es in Auflösung mit den thierischen Stoffen, namentlich mit Eiweiss, in Berührung kommt, neue Verbindungen ein, welche Blei und eine organische Substanz enthalten. Einige dieser gebildeten Verbindungen sind löslich in Wasser, andere durch Zusätze einer kleinen Menge Essigsäure, Milchsäure oder Chlorwasserstoffsäure, und andere sind im Wasser und in Säu­ren unlöslich. Auf diesem Verhalten des essigsauren Bleioxyds beruht seine Einwirkung, indem an dem Orte der Berührung die Zersetzungen nach chemischen Geselzen immer erfolgen, und von hier aus, theils die Symptome der örllichen Einwir­kung, thcils die Erscheinungen der aligemeinen Bleiwirkung, welche durch die nun gebildeten Verbindungen hervorgerufen, bedingt werden. Auf die bezeichnete Weise verhält sich je­nes Bleisalz in Wunden, Geschwüren, im Magen und Darm­kanal u. s. w. Wenn aber die Secrete an den Applications-slellen zur Zersetzung nicht hinreichen, so erfolgt Anälzung und Verbindung mit dem Gewebe des Organes selbst. Auch -nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Lassaigne hat diesem Gegenstande in der neuern Zeit seine
besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat vorzugsweise durch eine Reihe von Versuchen, welche in einer ausführli­chen, der Akademie der Wissenschaften vorgelegten Abhand­
lung beschrieben sind, gezeigt, dass alle metallische Salze mit
dem Eiweiss, welches in allen organischen Flüssigkeilen in grosser Menge enlhallen ist, Verbindungen eingehen, ohne selbst Zersetzungen zu erleiden. Diese Verbindungen, deren Elemente in einem ähnlichen Verhältnisse zusammen­gesetzt zu sein scheinen, wie die unorganischen Körper, sol­len characleristische Eigenschaften besitzen, aus denen eine Erklärung für ihre Aufsaugung und ihre Anwesenheit in den­jenigen thierischen Flüssigkeiten, womit sie während des Le­bens in Berührung gekommen sind, abgeleitet werden könne. So seien, unter andern, die neu entstandenen Verbindungen, je nach der Beziehung des Eiweisssloffcs zu den verschiede­nen Salzen auf- oder unauflöslich im Wasser; die Unauflöslich-
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Physiologische Wirkung des Bleies.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 53
keil solcher Verbindungen aber erkläre die ausfrocknende Ei­genschaft, welche verschiedene Präparate, z. B. Blei und Zink salze besitzen; so wie hei der adstringirenden Wirkung und der Actzung durch chemische Mittel ebenfalls neue Verbin­dungen zu Stande kommen, welche in der letztem sich so­dann als Schorf absondern (Vergleiche Rec. de medecine ve-terinaire. Sept. 1840.). Den vorstehenden Ansichten zufolge dürften also nur mit den im Wasser auflöslichen Bleipräpa­raten der bezeichnete Vorgang bei deren Einwirkung auf den thierischen Organismus zu Stande kommen, und zwar nur an solchen Applicalionsstellen, wo der unmittelbare Contact des Bleimiltcls mit den thierischen Säften gegeben ist. Nach den Versuchen Tanquerel's de Planches (libr. cit. 9.1, p 58. ff.) bei Hunden und Kaninchen ist anzunehmen, dass Bleimittel auf die mit der Epidermis versehene Haut angewandt, dieselbe nicht durchdringen; wenigstens konnte auf diese Weise keine Vergiftung zu Stande gebracht werden; auch sind keine si­chere Nachrichten über Nachtheile einer derartigen Anwen­dung beim Menschen bekannt. Es ist aber notorisch, dass Bleimiltel die, von der Oberhaut entblösste allgemeine Decke durchdringen. Dieterichs will sogar Bleikoliken bei Pferden haben entstehen sehen, deren durch Feuer stark beschädigte Haut mit Bleisalbe und Bleiwasser behandelt wurde: was in sofern merkwürdig wäre, als diese Thiere, den vorhandenen Thatsachen zufolge, wenig empfindlich für die innere Anwen­dung der Bleimiltel sind. Vergiftungen von den Lungen aus, durch, mit Blcitheilen geschwängerte Luft sind bekannt und erklärlich. Die bei den Versuchen an der hiesigen Thier-arzneischule benutzten Bleistoffe, oder diejenigen, welche die Haukrankheit am mehrgedachten Bleiberge bedingen, sind an und für sich unauflöslich im Wasser, mithin auch als solche höchst wahrscheinlich unwirksam. Es muss daher nothwendig mit ihnen eine chemische Zersetzung in den gastrischen Säf­ten vorgehen, welche nur durch Gehalt an Chlorwasserstoff säure und Milchsäure bedingt weiden kann. Sind solche neue
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54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Reflexionen.
Verbindungen einmal zu Stande gekommen, so mögen sie sich sofort eben so verhalten, wie es beim essigsauren Bleioxyd durch Mitscherlich angedeutet worden ist. Aus diesem Ver­halten werden die mitunter gefundenen Verdickungen der Magenhäute, namentlich des Labmagens, die gerötheten Stel­len an diesem Organe, namenllich in der Nähe des Py­lorus und endlich die Contracturen des Darmkanals, so wie die Symptome, welche hieraus unmittelbar und vermittelst des syrapalhischen Verhältnisses zu Stande kommen, ohne Schwierigkeit erklärt werden köunen. Zu diesen Sympto­men dürften die der gestörten Digestion der verminderten Se- und Excrelion des Darmkanals, die Kolikzufälle, und zum Theil auch die Abnahme der Ernährungsthätigkeit und der organischen Wärme gehören. Das Auftreten der übrigen Erscheinungen aber, namenllich der spaslischen paralytischen (mit Einschluss der amaurolischen) und deren cephalopathischen scheinen erst durch den Uebergang des Bleies in die Circula­tion bedingt zu werden. Durch das angeführte Verhalten des essigsauren Bleies zu den Ihierischen Säften wird es wahrscheinlich, dass nur sehr wenig von diesem Metall in's Blut übergeht, und zwar nur der Theil, welcher sich im Ei-weiss in Auflösung erhält, oder auch der, welcher eine, im Wasser unauflösliche Verbindung mit Eiweiss eingegangen ist, aber durch die vorhandene Milch- oder Salzsäure löslich ge­macht werden kann. Wie wenig aber eines Bleipräparats er­forderlich ist, um im Blute eine vollständige Intoxication her­vorzubringen, geht unter andern aus Gaspard's und Hert-wig's Versuchen hervor, in denen Hunde durch 1 bis 5 Gran Bleizucker, durch Injection in die Venen starben (Hartwig a. a. O. p. 845). Wie jene Erscheinungen durch den Ueber­gang des Bleies in's Blut näher bedingt worden, wird schwer­lich jemals mit Sicherheit zu ermitteln sein; wahrscheinlich indess kommen sie durch Verbindung des Bleies mit der Sub­stanz der Organe zu Stande, in welcher sie ihre Entstehung haben. Im Blute selbst ist dem Blei, den früheren Thatsachen
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Verwechslung d. Bleivergiftung mit andern Krankheiten. 55
zufolge, kein langer Aufenthalt vergönnt. Gluck (Tanqucrcl. de Planches libero citato Tom 11. p. 264) scheint sich eben falls zu dieser Annahme hinzuneigen, indem er von der microsco-pischen Untersuchung des Gehirns, eines, an Encephalopalhia saturnina verstorbenen Menschen angiebt, dass die sogenann­ten Ehrcnberg'schen Röhrchen sich im Zustande der Zu­sammen gezogenheit gefunden hätten. Ein jeder, welcher die Schwierigkeit derartiger Untersuchungen kennt, wird aber mit Recht diese Angabe noch anderweitig bestätigt sehen wollen.
Es ist begreiflich, dass noch mancherlei Reflexionen an­geknüpft werden könnten; das „ne nimisquot; haben wir uns aber hier um so eher vorzuhalten, als zu befürchten steht, dass beim weitern Hinausgehen der theoretisirenden Beobach­tungen denselben nicht immer unbestreitbare Thatsacheu, sondern des Beweises selbst bedürftige Hypothesen zum Grunde gelegt werden müssten. Die Tendenz war vorherr­schend, der Abhandlung eine möglichst praktische Richtung zu geben, und so mögen denn, diesen entsprechend, noch einige Bemerkungen folgen, damit das Ende dem Anfange entspre­chend schliesst.
Eine Verwechslung der Bleivergiftungen der Thicre und insbesondere der Haukrankheit des Rindviehes mit andern Krankheitszustüuden ist allerdings möglich, und dürfte es daher hier am Orte sein. Einiges über dieses Verhältniss zu sagen. Ueberraschend ist die Aehnlichkeit der Haukrankheit mit der Tollwulh des Rindviehes, namentlich in dem unruhigen und tobenden Benehmen der Thicre, in dem Geifern und Schäu­men des Maules und den krampfhaften und lähmungsartigeu Zufällen, aber die kauenden Kieferbewegungen der haukranken Thicre, ihre Stellung mit aufwärts gekrümmten Rücken und eingebogenem Schwänze dürften hinreichende Unterscheidungs­merkmale von der Tollwulh abgeben, indem die mit dieser Krankheit behaflctcu Rinder häufig mit aufgehobeueni Schwänze auf dem Kothabsatz drängen. Uebrigeus bemerkt man auch bald, dass in dem tobenden Benehmen der haukranken Bin-
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der sich ein mehr bewusstioses Handelu ausspricht, während es sich bei der Tollwuth mehr als ein angreifendes und be-wusstes zu erkennen giebt. Wenn das Gesagte auch zur Unterscheidung beider Krankheiten hinreichen dürfte, so las­sen sich doch auch noch andere Momente, wie die Anfangs verzögerte Respiration und Pulsation haukranker Thiere, auf­finden, abgesehen davon, dass überdies in den meisten Fällen die Bekanntschaft mit der Veranlassung zur Krankheit den Leitfaden zur Diagnose geben dürfte.
Eine Verwechselung der Haukrankheit mit andern Ver­giftungen der Thiere, sie seien pflanzliche oder metallische, kann bei gehöriger Beachtung der Symptome nicht leicht vorkommen. Doch hat die Toxicologie in Bezug auf das Rind­vieh noch zu wenig Fortschritle gemacht, als dass schon ein bestimmtes Urtheil in jener Rücksicht zulässig wäre. Am meisten sind wir mit der Zinkvcrgiftung bei Schweinen und Rindvieh in der neuern Zeit durch den Kreis Tiiierarzt W'ey-nen in Aachen (zur Zeit Repetitor an der Berliner Thierarz-neischule) bekannt geworden. Die Miüheilung der Untersu­chungen des Hrn. Wey nen für einen weitem Kreis dürften von Nutzen sein, und stehen sie hier um so eher am rechten Orte, als sie unter Verhältnissen gemacht worden sind, welche mit der Ilaukrankbeit Aebnlichkeit haben, und als jene Zinkver­giftungen von einer andern Seile für Bleivergiftungen gehalten worden. Der Veterinär-Bericht der Kön. Regierung in Aachen für das 3te Quartal 1839, enthält unter andern Folgendes: „Der Kreis - Tbierarzt Weynen theilt nachstehenden interessanten Fall von Phthisis abdominalis bei einem Schweine mit: Im Monat August beobachtete ich eine ganz eigeuthümlichc Krank­heit, wovon zwei Schweine auf dem neutralen Gebiete zwi­schen Preussen und Belgien, in der Burgcmcisterei Moresnet, Kreis Eupen, befallen waren. Das eine der beiden Schweine war bereits krepirt, das andere seit 3 Wochen krank; es war traurig, abgemagert und blass; die struppig stehenden Borsten waren glanzlos, und die Augen in die Orbita zurückgezogen;
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Verwechslung der Bleivergiftung mit andern Krankheiten. 57
die Conjunctiva war weiss, wässrig, wie bei faulen Schafen, die Scbleimhäuie waren alle blass; die Respiration nicht be­schleunigt, der Herzschlag aber fühlbar und frequent; der Gang war matt, und hinten schwankend; das Thier lag viel, frass und soff nur mit geringem Appelit; der Mislabsalz war ein dünnes, gelbbräunlicbes Abführen, und zuweilen bemerkte man ein klagendes Stöhnen. Unter diesen Symptomen dau­erte die Krankheit 4 — 6 Wochen fort, bis endlich unter zu­nehmender Hinfälligkeit der Tod erfolgte. Bei Eröffnung des Cadavers fand sich derselbe blass, zusammengefallen, das Fleisch welk, blutleer, gleichsam wie geschlachtet; iu der Bauch- und Brusthöhle sah man eine gelbe, seröse Flüssigkeit, aber nur sehr wenig Blut in den Gefässen; der Darmkaual war zusam­mengezogen, enthielt in den dünnen Gedärmen nur einen gelb-bräunlichen Schleim, im Dickdarme hin und wieder härtere Kollibälle. Die Venen des Gekröses waren stark mit Blut injicirt, jedoch alle Serosität desselben war verschwunden, und nur der Cruor vorbanden. Der Mögen, so wie alle serösen Häute waren auffallend weiss; ersterer enthielt ein Gemenge von Kartoffeln, Gras und gelben Rüben; dessen Schleimhaut war aufgelockert. Die Milz war dunkelblau, und beim Durch­schneiden ohne Serum. Die Leber war normal gefärbt, aber ebenfalls mürbe und aufgelockert, so dass man jedes Drüsen­korn deutlich unterscheiden konnte. Die Nieren waren blass und welk, ebenso die Lungen und das Herz. Das etwa noch vorhandene Fett war, wie die serösen Häute, ganz weiss. — Aus diesen hier aufgestellten Factis schloss ich auf eine allmä-lig, aber anhallend wirkende, Ursache als Krankheitsreiz auf den Magen und Darmkanal, in dessen Folge diese Phthisis ab-dominalis entstanden. An dieser Krankheit sollen angeblich im vo­rigen Jahre (1838) 5 Schweine unter den nämlichen Erscheinun­gen krepirt sein, und dieselbe sich dann hauptsächlich zeigen, wenn die Thiere eine Zeitlang das Gras von der, am Hause gelegenen Wiese gefressen hatten. Zu bemerken ist, dass die­ses Haus in der Nähe der Galmey- oder Zinkhütte liegt, wo
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auch im Jahre 1835, gleich nachdem der erste Zinkofen errich­tet war, eine ähnliche Krankheit unter dem Rindvieh beob­achtet wurde, die man nach den Erscheinungen und den da­bei obwaltenden Umständen für eine Zinkvergiftung durch das sich verflüchtigende Zinkoxyd, die sogenannte Lana pbiloso-phica halten musste.quot;
Die Köuigl. Regierung in Aachen (Referent: Medizinahath Dr. Zitterland) fügte damals dem vorstehenden Berichte des Herrn Wcynen Folgendes bei: „Es scheint allerdings, dass die Zinkhütte, in deren Umgebung im Jahre 1835 Rinder, und jetzt Schweine erkrankten, durch die, bei der Darstellung des Metalls entweichenden Theile den umher wachsenden Futter­kräutern eine schädliche, sogar tödtliche Beschaffenheit mit­theile. Wir müssen es aber bezweifeln, dass die Zinkblumen hier als das wirksame Gift betrachtet werden können, da keine sonstige Erfahrungen dafür sprechen, und auch in Schlesien, wo wir specielle Erkundigungen über den Gegenstand eingezo­gen, keine Thierkrankheiten bei den Zinkhütten beobachtet werden. Wir liessen daher das Erz, welches zu Moresnet gefördert und bearbeitet wird, chemisch untersuchen, und es zeigte sich dabei, dass es etwas bleihaltig sei. Es scheint dem­nach, dass vielmehr das Blei, welches zugleich mit dem Zink verflüchtigt, und auf die benachbarten Felder abgelagert wird, Ursache der hier beschriebenen Krankheit ist. Im General-Bericht des K. Rheinischen Medicinal-Collegii über das Jahr 1835, Abschn. Veterinär-Med. V. p. 82, ist die damals un­ter den Kühen bei derselben Zinkhütte vorgekommene Krank­heit beschrieben, und als langsame Zinkvergiftung betrachtet worden. Im Allgemeinen enthält der dort gelieferte Obductions-befund dieselben Resultate, wie die hier über das geralleue Schwein gegebene, doch giebt er noch als besonders hervor­stehend eine starke Zusammenschrumpfung der Gedärme und kleine Geschwüre auf der Schleimhaut der.sclbcn an, wodurch nicht nur eine Bleivergiftung mehr charactcrisiit, sonderu auch die Verglcichung des Krankhcilszuslaudes mit einem Typhus
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abdominalis näher gebracht wird. Ueberraschend ist dabei die Betrachtung, dass zur Heilung der Darmgeschwüre im Typbus abdom. das Plumbum acet. als das kräftigste Mittel anerkannt wird, und nach homöopathischen Grundsätzen also auch das Blei in grossen Dosen dergleichen Geschwüre erzeugen muss.quot;
Aus dem Veterinär - Bericht der Königl. Regierung in Aachen p. I. Quart. 1840 entnehmen wir über denselben Gegenstand noch Nachstehendes:
„In den Monaten Januar und März zeigten sich neuer­dings einige Fälle von mineralischer Vergiftung bei Kühen in der Gegend des Zinkofeus auf dem neutralen Gebiete zwischen Preussen und Belgien. Wir haben schon in früheren Berich­ten unsere Vcrmuthung ausgesprochen, dass diese Intoxication durch die, in den Galmeierzen enthaltenen Bleitbeilc vermit­telt werde, indem das Blei durch die Gewinnung des Zinks sublimirt wird, und sich dann ein bedeutender Theil desselben aus der Zinkbütte auf die nächstgelegenen Felder ablagert. Der Kreis-Thierarzt Weynen ist mit dem Umstände der Blei­haltigkeit des Erzes unbekannt, und nennt daher in seiner hierauf folgenden Darstellung der Krankheit dieselbe eine Zink­vergiftung. An dieser Krankheit (sagt VV.), wovon meistens und vorwaltend nur das Jungvieh befallen wird, leiden die Thiere 3 — 6 Monate, ehe sie zu Grunde gehen; sie fressen an-, fangs langsamer, ruminiren seltener, und werden traurig; der Gang ist matt und schleppend, wobei zuweilen ein Stöh­nen wahrnehmbar; sie magern dabei trotz dem besten Futter ab; das Haar wird struppig und die Augen hohl; dann tritt Durchfall ein, welcher bis zum Tode fortdauert. Einige Zeit vor dem Tode wird die Hinfälligkeit des Körpers so gross, dass die Thiere gar nicht mehr aufzustehen vermögen. Die Cadaver sind daher sehr zusammengefallen, so zu sagen nur Haut und Knochen, und aller Turgor vitalis ist verschwunden; sie widerstehen lange, auch bei der heissesteu Witterung, der Fäulniss; beim Abledern sieht das Fleisch ganz hcllroth, wie bei einem geschlachteten Vieh aus, fast alle Spuren von Fett
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sind verschwunden. Die Mägen und der Darmkanal sind auf­fallend verkleinert, und gleichen beim ersten Anblicke den Ein­geweiden eines Schweines. Der Pansen ist in der Regel sehr zusammengezogen, und dessen Haut lederarlig verdickt, enthält wenig Fuller, der 21c Magen ebenfalls; der 3tc Magen ist zu­weilen vollgepfropft von trockenem Fuller; der 4le ist immer mehr oder weniger entzündet und dessen Schleimhaut sulzig aufgelockert. Diese Auflockerung setzt sich mehr oder we­niger in den Darmkanal fort, welcher nur eine dünne, schlei­mige, bräunliche Flüssigkeit enthält, und ist der Darmkanal gleichsam wie tälowirt, mit schwarzen Punkten besetzt. Die übrigen Organe sind verhältnissmässig alle verkleinert, welk, und zeigt sich in den Gefässen eine auffallende Blutleere, so, als wenn das Thier an einer Verblutung krepirt wäre.quot;
In dem Veterinär-Berichte der vorgedachten Königl. Re­gierung für das 4le Quartal 1841 sind die bezeichncien Beob­achtungen des Kreis-Thierarztes Weynen nochmals zur Sprache gebracht, aber keine neuen Thafsachen aufgeführt, nur bemerkt, dass jene Krankheit einen Prozess zwischen dem Eigenlhümer der Zinkhütte und den Viehbesitzern ver-anlasst habe, welcher zu Gunsten der letzteren nach der De­position des genannten Thierarztes entschieden wurde. Im Verlaufe dieser Verhandlungen sind die Gräser und Futlcr-kräuter von den Wiesen, worauf mehre Stücke krepirt, che­misch untersucht, und die Gegenwart des Zinkoxyds deutlich nachgewiesen worden.
Die Ansicht der Königl. Regierung in Aachen, dass die Ursache der vom Hrn. Kreisthierarzle Weynen geschilderlen Krankheit der Schweine und des Rindviehes in Blei bestehe, hat insofern allerdings Grund, als jene Krankheit im Allge­meinen mit den Erscheinungen der chronischen Bleivergiftung übereinstimmt. Die letztere ist aber in Bezug auf Schweine und Rindvieh sonst noch zu wenig gekannt, als dass sich ein Urtheil mit Bestimmtheit abgeben Hesse. Die acute Bleiver­giftung oder die Haukrankhcit des Rindviehes ist aber deut-
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lieh von der beobachteten Krankheit unter dieser Thiergattung bei Moresuct verschieden, wie es sich aus der Verglcichung beiderseiliger Relationen ergiebt, und berücksiebtigt man, dass das dort gegrabene Galmeycrz nach der Analyse des Apothe­kers Ilr. Gilgenberg in Eupcn (welche die Königl. Regierung in Aachen mir mil/.ulheilen die Gewogenheit hatte), neben kohlensaurem und kieselsaurem Zinkoxyd, Thonerde und Eisen-oxytl, nur Sparen von Blei enthält, so muss man sich auf die Seite des Krcisthierarztes Weguer neigen, der jene Krankheiten für eineZinkvergiflung erklärt hat. Immer aber bleibt es bemer-kcnswertli, dass bei Zinkhütten in Schlesien ähnliche Beobach­tungen nicht gemacht worden sein sollen. Eine unumstössliche Entscheidung wäre demnach nur durch direetc und verglei­chende Versuche bei Thieren mit bleihaltigen und bleiireien Zinkerzen zu hoffen. Um dieser meiner Absicht entgegen zu kommen, hat die Königl. Regierung in Aachen mir mit ihrer gewohnten Bereitwilligkeit eine Quantität des Galmeyerzes von Moresnet einsenden lassen; bis jetzt aber hat es mir leider an Gelegenheit gefehlt, dasselbe zu dem bezeichneten Zwecke zu benutzen.
Die Hygiene ist gewiss ein wichtiges Moment des thier-ärztlichen Wissens und Handelns, und wir würden den Arzt bewundern, der sich als Heilkünstler überflüssig zu machen verstände. Aber die Hauptaufgabe des Arztes kann man eben so wenig in jene eine Richtung seiner Thätigkeit setzen, wie denen beipflichten, welche das productive Handeln des der Landwirthschaft adjungirten Thierarztes für wichtiger halten, als das conservative. Der Arzt, also auch der Thierarzt, wer-f den vorzugsweise gerufen, wenn es zu heilen gilt. Das wird denn auch wohl ihre Hauptaufgabe sein. Abgesehen davon: so können wir doch jedenfalls die Aufgabe des Heilens inso­fern für die wichtigere halten, als sie bisher so wenig befrie­digend gelöst worden. Dies gilt nun nicht minder sowohl in Bezug auf die Bleivergiftungen überhaupt, als auch auf die Haukrankhcit des Rindviehes ins Besondere, von deren Heil-
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versuchen befriedigende Resultate nicht erzielt zu haben, ich offenherzig gestehe. — Die auf chemischen Ansichten gestütz­ten, in Bleivergiftungen angewandten Antidota, welche haupt-sächlich in Schwefel- und Schwefelsäure-VerbinduDgen bestehen, haben sich nach zahlreichen, von Tanquerel de Planches und Anderen angestellten, vergleichenden Versuchen bei Men­schen nicht allein als unzureichend erwiesen, sondern sie sind, der schlimmen Nebenwirkungen auf die Digeslionsorgane we­gen, aufgegeben worden. Das gilt namentlich von der pro-phylactischen Anwendung der ehedem so sehr empfohlenen schwefelgesSuerlen Limonade. Nicht anders wird es sich auch bei den Tbieren, und namentlich beim Rindvieh verhalten; jedenfalls können jene Mittel nur die im Yerdauungskanal vor­handenen löslichen Bleiverbindungen decomponiren, dieselben in den Zustand der Schwerlöslichkeit überführen, und allen­falls dazu beitragen, dass dann diese schwerlöslichen Verbin­dungen mit den Excrcmenten ausgestossen werden. 1st aber das Blei einmal in die Säftemasse übergegangen, so kennen wir kein Mittel, es bis dahin zu verfolgen, zu vernichten oder auszutreiben. Wir dürften sonach, gleich den Menschenärzten, auf eine symptomatische Kur meist beschränkt sein. Eins der bedenklichsten Symptome in den Bleivergiftungen ist die Ob­struction des Darmkanals. Wird diese mit Erfolg gehoben, so thut die Natur oft das Uebrige zur Entfernung oder Unschäd­lichmachung des Bleies, wenn wir auch in dieser Rücksicht nicht wissen, wie und auf welchem Wege. Vom Crotonöl will man zu jenem Zwecke die überraschendsten und bei wei­tem zahlreichsten Erfolge beim Menschen gehabt haben; daher dürfte dasselbe auch, oder die Crotonkörner bei mit Blei ver­gifteten Thieren, und namentlich beim Rindvieh, in der vom Prof. Hertwig für diese Thiergattung ermittelten Gabe, vom erstem 20—30 Tropfen, oder vom letztern 40 — 60 Gran in gepulvertem Zustande, und mit einer hinreichenden Menge Wassers aufgerührt, versuchsweise angewandt werden.
Zum Schlüsse dieser Abhandlung gekommen, habe ich nur
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noch den Wunsch anzuknüpfen, dass sie dem verehrten Leser diejenige Aufklärung des Gegenstandes verschafft haben möge, welche ich Eingangs zu erzielen hoffte, und dass ihr eine Gellaquo; lung in der Veterinär-pathologischen Literatur zuerkannt werde, welche mich zu fernereu Leistungen ermuntern kann. Sind diese Zwecke erreicht worden, so sind sie es jedenfalls durch die von Franz Baco vorgezeichnete, und nunmehr von den besseren Köpfen aller Völker für die Cultur der Naturwisseu-schaften überhaupt für richtig erkannte Methode, nämlich: durch Beobachtungen und Versuche und eine, auf beide gegründete, besonnene Induction.
Gedruckt bei Julius Siltenfeld in Berlin.
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