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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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DIE HALB-ACÜTE
GEHIRN-EMZÜNDÜNG
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KOPF-KRANKHEIT
DER
PFERDE.
J.J. WÖRZ, .
Hof-Thieiarzt Sr. Majestät des Königs von Württemberg.
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STUTTGART.
VERLAG VON EBNER amp; SEÜBERT. 1858.
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Pessünnm aegro est coelum, quod aegrum fecit,
Celanlaquo;.
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Seiner Excellenz dem Herrn 0 ber st st allmeis t er
Seiner Majestät des Königs von Württemberg,
FßEIHEEßN VON TAUBENHEIM,
Grosskrenz des Königlichen Ordens der Württembergischen Krone, des Friederichs-Ordens etc. etc.
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Excellenz!
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Wenn ich es wage, Euer Excellenz die nachfolgenden Blätter zuzueignen, so ermnthigt mich hiezu einerseits das leb­hafte Interesse, welches Hochdieselben für das Gebiet der Hippiatrik überhaupt stets bethätigen, andererseits der bedeu­tende Einfluss, welchen die darin abgehandelte wichtige Krank-heitsform auf die unter Euer Excellenz stehenden Marställe und Gestüte ausübt.
Euer Excellenz haben durch eigene Anschauung genaue Kenntniss dieser fatalen Pferdekrankheit und ihrer ernsten Folgen, waren auch oft und viel Zeuge der angestrengten Sorge, welche mir dieselbe in meinem praktischen Wirken bereitete.
Im letztgenannten Umstände lag für mich hinreichende Auf­forderung, diese Krankheit auch in freien Stunden zum Gegen­stand meines eifrigen Nachdenkens zu machen und mich um die Ermittlung ihrer Ursachen, die Erforschung ihres Wesens und ihres Heilverfahrens angelegentlich zu bemühen.
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In diesem Streben haben Euer Excellenz mich immer kräftig unterstützt, und wenn ich mich bei Behandlung der von der Kopfkrankheit befallenen Pferde aus dem K. Marstalle eines sehnlich gewünschten, mit allen Kräften angestrebten günstigen Erfolges im Einzelnen auch nicht immer erfreuen durfte, so war es doch EuerExcellenz gnädige und einsichtsvolle Beurtheilung, welche ich jederzeit zu verehren hatte.
Mögen Hochdieselben mit meinem ehrerbietigsten Danke die Versicherung gnädig aufnehmen, dass auch forthin meine treueifrigen Bestrebungen nur darauf gerichtet sein werden: mir durch angestrengte und gewissenhafte Thätigkeit in meinem Be­rufe zunächst die Zufriedenheit Euer Excellenz zu erhalten, und mich dadurch zugleich auch der unschätzbaren Gnade würdig zu beweisen, mit der Seine Königliche Majestät mir die ärztliche Behandlung Höchst Ihres ebenso berühmten als werth-vollen Marstalles anzuvertrauen geruht haben.
In tiefer Ehrerbietung
Euer Excellenz
unterthäniger Diener Stuttgart, im Juli 1858.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wörz.
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Vorwort.
Es gibt hier zu Lande wohl keine Krankheit unter den Pferden, welche mehr Aufmerksamkeit Terdiente, als die in Torliegender Ab­handlung beschriebene, die halb-acute Gehirn • Entzündung {Phrerdtia sub-acuto), oder sogenannte Kopfkrankheit.
Sie kommt in Württemberg häufig vor, ist gleichsam einheimisch und fordert zeitweise wie Tom Staate, so auch von Privaten nicht geringe Opfer.
In der thierärzthchen Literatur sind bis jetzt verhältnissmässig nur wenige und kurze Erörterungen über dieselbe erschienen.
Die nachfolgenden Blätter waren ursprünglich zum Abdruck in eine unserer thierärztlichen Zeitschriften bestimmt, da sie mir aber unter der Hand mehr, als ich vorausgesetzt hatte, angewachsen sind, so fühlte ich mich hiedurch bewegen, sie besonders drucken zu lassen.
Die Beschreibung der Krankheit ist einfach und naturgetreu (wie sie sich dem Beobachter zeigt), ihre Tendenz sonach eine rein praktische.
Die in dieselbe verflochtenen Mittheilungen und Gutachten von älteren Fachmännern, welche die Krankheit eine lange Reihe von Jahren hindurch beobachtet und behandelt haben, so wie von andern Autoritäten, die ihr LIrtlieil über sie abzugeben veranlasst worden sind, werden nach meinem Dafürhalten dem Inhalte einen weiteren, höheren Werth verleihen.
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Obgleich zunächst für Thierärzte bestimmt, dürfte die Abhand­lung doch auch in weiteren Kreisen einiges Interesse gewähren, be­sonders für Vorstände von Marställen und Gestüten, für Kavallerie-Offiziere, Aerzte, Oekonomen etc. etc.
Mag sie auch immerhin kein untrügliches Mittel gegen die bös­artige Krankheit selbst darbieten, so glaube ich doch hoffen zu dürfen, dieselbe werde als weitere Anregung zur Ermittlung eines wirksameren therapeutischen Verfahrens dienen, und ich würde mich in der That bei dem Gedanken glücklich schätzen, das, was ich mit der Zusammen­stellung meiner Erfahrungen allein beabsichtige, erreicht zu haben, falls es in Folge derselben Andern gelingen würde, Mittel aufzufinden, welche, wenn auch nicht zur Verhütung, so doch zur Verminderung von Pferdeverlusten ein Wesentliches beizutragen geeignet wären.
Die angehängten speciellen Krankheitsfalle hielt ich für wichtig, um den Lesern die Erlangung und Anschauung des wahren Bildes der betreffenden Krankheit zu erleichtern.
Stuttgart, im Juli 1858.
Der Verfasser.
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INHALT.
Seite Einleitung..............., . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
Allgemeine Charakteristik der Kopfkrankheit und ihre ein­zelnen Erscheinungsformen.........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt;j
Symptome...............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;jq
Prognose................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2]
Verlauf................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .21
Ausgänge...................nbsp; nbsp; 22
Verwechslung mit andern Krankheiten......nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22
Ansichten anderer Thierärzte
von Hoerdt................nbsp; nbsp; 24
von Walz.............. ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;26
Gutachten
vom K. Württemb. Medicinal-Collegium von 1820
und 1824..............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
von G. 6. Ammon, Gestüts-Inspector zu Vesra, 1823 . .nbsp; nbsp; 32 von Naumann, Oberstabs-Rossarzt und Professor anderThier-
arzneischule zu Berlin, 1824..........nbsp; nbsp; 33
Dr. Lidl, Director der Thierarzneischule zu Wien, 1824 . .nbsp; nbsp; 33
Sektions-Ergebnisse.............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .37
Aetiologie: Anlage und Veranlassungen zum Erkranken.....nbsp; nbsp; 41
Pathologie: Natur und Wesen der Krankheit........nbsp; nbsp; 55
Therapie: medikamentöse und diätetische Behandlung......nbsp; nbsp; 62
Aufzählung specieller Krankheitsfälle.........nbsp; nbsp; 76
Diätetische Prophylaxis............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .92
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Einleitung.
unter den vielen Krankheiten, welchen das Pferd unterworfen ist, nehmen die Krankheiten des Gehirns und Rückenmarks, so wie des Nervensystems überhaupt, die akuten, wie die chronischen, eine der wichtigsten Stellen ein, nicht sowohl wegen ihres mitunter sehr raschen Verlaufes, als vielmehr wegen der Dunkelheit ihrer Natur, sowie wegen ihrer Gefährlichkeit und Schwerheilbarkeit, beziehungsweise ihrer ünheilbarkeit. Zu nicht wenigen solcher Krankheiten trägt das Pferd die vorherrschende Disposition in sich; ich erwähne nur die akuten Entzündungen des Gehirns und des Rückenmarks, den Starrkrampf, den Koller in seinen verschiedenen Formen, die Epilepsie u. s. w.
Eine der schlimmsten von genannten Krankheiten ist unstreitig die hier zu Lande unter dem Namen „Kopfkrankheitquot; * bekannte Krankheitsform.
Wenn ich dieselbe nun zum Gegenstand näherer Betrachtung mache, so glaube ich dadurch hinlänglich entschuldigt zu sein, dass solche eine von denjenigen Krankheiten ist, an welcher viele Pferde zu Grunde gehen und welche somit einen nicht uner­heblichen Einfluss auf den Wohlstand des Einzelnen sowohl, als den des Staates ausübt. Sie gewährt überdiess wegen ihrer nicht selten vorkommenden Verwechslung mit dem Koller in forensischer Beziehung nicht geringes Interesse, insofern sie häufig Anlass zu langwierigen Prozessen gibt. In geschichtlicher Beziehung ist
* Wenn gleich diese Bezeichnung keine wissenschaftliche ist, so glaubte ich sie doch, tbeils weil sie bei uns allgemein gebräuchlich ist, theils der Kürze und Einfachheit wegen, beibehalten zu dürfen.
Würz, Kopfkiankheit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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über die fragliche Krankheit nur so viel zu sagen, dass sie in Württemberg und besonders auf der Alb schon lange bekannt ist (länger vielleicht, als in jedem andern Lande). Gleichwohl ist sie aber ihrem innersten Wesen nach noch nicht hinlänglich erforscht und haben desshalb auch die Thierärzte bis jezt wenig Glück bei ihrer Behandlung gehabt und längst erfahren, wie sie keineswegs geeignet ist, ihren Euf zu erhöhen, vielmehr ihn zu untergraben, oder doch wenigstens zu schmälern.
Der Thierarzt hat in Ausübung seines Berufs mit manchfachen Schwierigkeiten zu kämpfen, er hat es hiebei zum Theil mit einer ungebildeten, manchmal gleichgültigen Menschenklasse zu thun und in deren Willen und Hände seine Anordnungen niederzulegen. Je nachdem diese ausgeführt werden, fällt auch das Kurergeb-niss aus.
Wenn der Menschenarzt receptirt und die für zweckmässig erachteten Anordnungen getroffen hat, so darf er in der Regel sich auf deren Ausführung verlassen: der Kranke strebt von selbst nach Erlangung seiner Gesundheit und fühlt er sich kränker, so wird der Arzt auch alsbald herbeigerufen.
Ganz anders ist diess in der thierärztlichen Praxis. Will der Thierarzt des Erfolges seiner Verordnungen schon in einfacheren Krankheitsfällen sicher sein, so muss er meist darüber wachen, ja mitunter selbst Hand anlegen, weil den dazu berufenen Personen, abgesehen von dem nicht immer vorhandenen guten Willen, so oft das erforderliche Geschick abgeht, üeberdiess ist eine öftere und längere Beobachtung von Seiten des praktischen Thierarztes zur Sicherung der Diagnose, und um die zuweilen unvorhergesehen ein­tretenden Veränderungen im Charakter und Verlauf der Krankheit alsbald zu erkennen, besonders in bedeutenden Krankheitsfällen, nothwendig und doppelt da, wo, wie bei der Kopfkrankheit der Pferde, die umsichtigste und vielseitigste Untersuchung und Ver-gleichung der Krankheitserscheinungen und die aufopferndste Thä-tigkeit des Thierarztes den Erfolg des Heilverfahrens nicht zu sichern vermag. Wie hinderlich werden ihm zudem noch zuweilen die Vorurtheile der Thierbesitzer und anderer Unberufenen, zumeist solcher, welche vom Pferde und seinen Krankheiten am wenigsten verstehen, die den Werth desselben und die Kosten der Heilung nicht zu reimen wissen und sogar zuweilen von kunstgerechtem Verfahren abstehend, sich zu Afterärzten wenden, oder sich an
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Hausmittel, oder gar an Sympathetica halten, wodurch die gehabte Mühe nicht selten fruchtlos wird.
Geht vollends seines eifrigen Strebens ungeachtet, ein Thier davon zu bringen, solches ein, so darf er des Undanks beinahe gewiss sein; gelingt ihm die Herstellung, so ist seine Sorge und Mühe auch alsbald vergessen.
Das verlarvte Auftreten, der schleichende Entwicklungsgang, der schlimme Charakter und der ewige Wechsel machen diese Krankheit zu der gefürchtetsten hier zu Lande, nicht allein für den Pferdebesitzer, sondern auch für jeden Thierarzt.
Seit 1826 praktischer Thierarzt in hiesiger Stadt, seit 30 Jahren nunmehr beim hiesigen K. Marstall, sowie bei der K. Leib­garde zu Pferd und der Feldjägerabtheilung wirkend, hatte ich alle Gelegenheit, viele in der genannten Richtung kranke Pferde theils selbst zu behandeln, theils von Kollegen behandeln zu sehen. Ich nehme aber keinen Anstand, offen zu erklären, dass die fragliche Krankheit diejenige ist, welche mir in meiner praktischen Laufbahn bei der grössten Mühe auch die grössten Sorgen gemacht und meinen Beruf nicht selten in dem Maasse verbittert hat, dass ich die auf mir lastende Bürde zeitweise kaum zu tragen vermocht hätte, wenn ich nicht in der untrüglichen Beobachtung, dass das Kurergebniss Anderer hiebei nicht günstiger, als das meinige, aus­gefallen, die Beruhigung und üeberzeugung in mir getragen haben würde, dass mich der Vorwurf einer Versäumniss in keiner Weise treffe. Vorstehendes dürfte wohl um so weniger auffallen, viel­mehr als wohlbegründet erscheinen, wenn erwogen wird, welch' hohen Kapitalwerth oft ein einziges, namentlich hochedles Pferd aus dem Marstall meines gnädigsten Königs und Herrn hat.
Bei solchen Kranken hilft dem Arzt am allerwenigsten die Charlatanerie, welche in neuerer Zeit von jüngeren Standesge­nossen als eine Notwendigkeit der jetzigen Zeit und als Mittel zur Hebung des thierärztlichen Standes angepriesen werden will!
So wie zur Bezwingung der schlimmen Krankheit von Seiten der Allöopathie die verschiedensten Mittel in Gebrauch gezogen worden sind, so hat auch die Homöopathie schon vor Jahren hier bei derselben ihr Glück versucht, aber ebenso wenig günstigere Resultate erreicht, obgleich sie die feinsten Nuancen des Krank­heitsbildes und die eingetretenen Veränderungen in eine neue
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Form gebracht, in ihr Journal eingetragen und dann das rechte Mittel gesacht, aber — wie es scheint — nicht gefunden hat.
Weder Aconit, Belladonna, Nux vomica, und Hyoscyamus, noch Helleborus, Toxicodendron und dergleichen bewirkten die Herstellung der Kranken. Auch die Hydropathie hat ihre Kunst schon an verschiedenen Orten bei dieser Krankheit versucht und trotz der vielen Umwicklungen in nasse Leintücher meines Wissens bis jetzt nicht mehr Glück gehabt. Vielleicht ist der Baun-scheidtismus glücklicher! Und so kennen eben auch wir Allöo-pathen das untrügliche Heilmittel gegen dieselbe noch nicht.
Die Krankheit ist, wie schon oben angedeutet. Nichts we­niger als neu, so wenig als eine Krankheit desshalb für neu zu deklariren ist, wenn sie zu gewissen Zeiten viele Opfer nimmt, weil einzelne behandelnde Aerzte sie noch nicht kennen, aber gleichwohl sich zu gelehrt dünken, als dass sie die Erfahrungen anderer Kollegen schätzen und benützen möchten.
Diese leidigen Umstände dürfen uns jedoch nicht abhalten, in unsern Forschungen weiter zu gehen; ist es ja eine Erfah­rungswissenschaft, die wir bauen und pflegen, wo wir nur auf dem Wege der Prüfungen, der Versuche und der gegenseitigen Mittheilungen weitere Fortschritte zu machen vermögen.
Wenn gleich die Kopfkrankheit auch ausserhalb der Gren­zen unseres engeren Vaterlandes, in den andern deutschen und nicht deutschen Staaten, beobachtet wird, so scheint sie doch eine in unsern klimatischen Verhältnissen besonders begründete Krankheit zu sein, in der besagten Bösartigkeit vorzugsweise in Württemberg und seinen Angrenzungen vorzukommen und hier namentlich die Alb, — jenes von Südwest nach Nordost sich hinziehende, aus einem gelblich weissen Kalk, Jurakalk genannt, bestehenden Gebirge und seine Abhänge, — zu be­treffen. Sie verschont indessen auch das flache Land nicht, doch kommt sie auch in einzelnen Gegenden unseres Landes so selten, ja gar nicht vor, dass man sie daselbst kaum dem Namen nach kennt. Sie ist auch diejenige Pferdekrankheit, welche den Marställen und Gestüten Sr. Majestät des Königs schon empfindliche Verluste beigebracht, aber auch und vorzugs­weise den Staat viele und schwere Opfer gekostet hat, unmit­telbar durch die — wenigstens in früheren Jahren ungewöhnlich grossen Verluste an Stuten, Fohlen und Hengsten auf den Land-
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gestüten der Alb, so wie auch bei der K. Reiterei und Artillerie und mittelbar durch die zuweilen tief eingreifenden Verluste bei den Pferdezüchtern, Bauern und Pferdebesitzern überhaupt, auf der Alb sowohl, als auch in unserm übrigen Vaterlande.
In dieser Beziehung spricht sich in einem Schreiben vom Jahre 1813 der damalige Gestütsbereiter, nachmalige Gestüts­verwalter, Stallmeister Autenrieth, welcher 10 Jahre später eine kleine Brochure „über die hitzige Kopfkrankheit der Pferdequot; herausgegeben hat, folgendennassen aus:
„Diese Krankheit ist diejenige, welche drei Viertheile von allen Pferden auf der Alb wegrafft und ein grosses Hin-derniss der Pferdezucht, die öftere Ursache des Ruins ganzer Familien, indem ich von mehreren Bauern weiss, die 12—18—20 Pferde während ihres Hausstandes und oft ihren ganzen Wohlstand daran verloren haben.quot;
In einem Bericht vom Mai 1823 äussert sich Autenrieth in dieser Beziehung weiter:
„Ohne der Sagen der Vorfahren zu erwähnen, können die Aussagen der noch lebenden Zeugen genügen. Sie sind der pensionirte Gestütsschmied, ein Greis über 70 Jahre, und der noch in Dienst stehende Stutenhirt. Nach der Aussage des ersteren raffte während seiner Dienstzeit die Nervenkrankheit einmal 32, einmal 14 und einmal 21 Stuten in einem Jahre hinweg. In dieser letzten Seuche trat der Hirt in Dienste und verlor seine Nummer von i 1 Stuten innerhalb weniger Monate bis auf eine. Die vielen Transporte fremder Stuten unter der Regierung des Herzogs Carl verschwanden in wenigen Jahren bis auf einige wenige Individuen; sie wurden ausser den erneuer­ten Ankäufen ausländischer Stuten durch im Lande auf­gekaufte Stuten ersetzt. Ohne den ungewöhnlichen Ver­lust durch die Seuchen krepirte alljährlich die zehnte Stute und doch waren die Gestütmeister Hartmann als höchst thätig und der jüngere als der beste Thierarzt seiner Zeit anerkannt.quot; Nach vor mir liegenden authentischen Notizen gingen in Marbach im Jahre 1818: 1 Mutterstute, 1819: 8 Mutterstuten, 1820: 7, und 1823: 11 derselben an dieser Krankheit zu Grunde.
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Nicht allein aber auf der Höhe unserer Alb, sondern auch am Fusse derselben, z. B. in dem Gestiitshof Güterstein, welcher sich in einem gut situirten Bergeinschnitte und in einer ge­schützten Lage befindet, holt dieselbe ihre Opfer; so gingen an genanntem Orte im Frühjahre 1825: 7 Stücke der dort aufge­stellten Hengstfohlen durch sie verloren. Auffallend ist übri­gens, dass dieser Krankheit von Georg Hartmann, in seiner Abhandlung über Pferde- und Maulthier-Zucht, Stuttgart 1777, welcher eine Beschreibung der herzoglich württembergischen An­stalten und Stutereien angehängt ist, mit keiner Silbe Erwäh­nung geschieht.
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Allgemeine Charakteristik der Krankheit und ihre einzelnen Erscheinungsformen.
Die Krankheit erscheint zu jeder Jahreszeit, am häufigsten aber im Frühjahr, während des Haarwechsels, entweder bei kalter, stürmischer, oder bei trockener Witterung mit scharfen Nordostwinden, dann auch bei schnell eintretender Hitze im Vorsommer, sofort in heissen, trockenen Sommern, seltener im Spätjahr und Winter.
Von der nicht unbedeutenden Zahl von mir behandelter Kranken dieser Art habe ich 85 Stücke genau notirt. Hienach sind ergriffen worden:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I
im Januar.......3 Stück,
„ Februar......5 „
„ März.......15 „
raquo; April.......7 „
„Mai........6 „
„ Juni.......16 „
laquo; .Tuli........9 „
„ August.......13 „
„ September......4 „
„ Oktober......1 „
„ November......4 „
„ Dezember......2 „
In manchen Jahrgängen kommt sie gar nicht zum Vor­schein, in andern nur selten, während sie dagegen in andern Jahrgängen, welche sich von jenen durch ihren Witterungs­charakter nicht merklich unterscheiden, mehrere Pferde in ver­schiedenen Gegenden und Stallungen befällt. In einzelnen Jahr­gängen erscheint sie mit gelinderem Charakter und gutartigem Verlaufe, so dass die Kranken bei geeigneter ärztlicher Be-
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handlung meist der Genesung zugeführt werden, während sie in andern Jahrgängen so gefährlich auftritt, dass beinahe alle von ihr Ergriffenen zu Grunde gehen, gleich viel, ob man sie in ihrer ersten Entwicklungsperiode (was übrigens höchst selten ist) in Behandlung bekommen hat, oder nicht. Die Krankheit befallt Pferde und Fohlen (ausgenommen das Saugfohleu) jeder Rage und jeden Alters und Geschlechts, vorzugsweise aber reizbare, ner­vöse Individuen, so wie solche mit vielem Temperament, auch sogar Maulthiere, deren ich bis jetzt zwei Stücke an derselben zu behandeln Gelegenheit hatte.
Bei obigen 85 Stücken sind dem Geschlechte nach:
Hengste.......9 Stücke
Wallachen......47 „ und
Stuten.......29 „
Ferner ergreift sie junge, noch im Zahnwechsel begriffene, aber auch abgezahnte, im mittleren Lebensalter stehende, mit­unter sogar sehr alte Pferde.
Unter obiger Zahl befinden sich dem Alter nach: 4jährige.......4 Stücke,
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6nbsp; raquo;nbsp; nbsp; nbsp; .......15nbsp; nbsp; nbsp;
7nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; .......12nbsp; nbsp; nbsp;
8nbsp; raquo;nbsp; nbsp; nbsp; .......13nbsp; nbsp; nbsp;
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10nbsp; „ .......6 „
11nbsp; „ .......5 „
12nbsp; „ .......4 „
14nbsp; „ .......nbsp; nbsp; 3nbsp; nbsp; nbsp;
15nbsp; „ .......nbsp; nbsp; 4nbsp; nbsp; nbsp;
17nbsp; nbsp; „.......nbsp; nbsp; 1nbsp; nbsp; nbsp;
19nbsp; nbsp; „ .......nbsp; nbsp; 2nbsp; nbsp; nbsp;
22nbsp; nbsp; „ .......nbsp; nbsp; 2nbsp; nbsp; nbsp;
Sie verschont selbst weder trächtige noch säugende Stuten und sucht häufig gerade die kräftigsten, gutgenährtesten, fetten Thiere heraus (ähnlich dem Nervenfieber des Menschen).
Nach meinen Beobachtungen werden auch von ihr viele von auswärts zu uns eingeführte von Pferdehändlern erkaufte, norddeutsche Pferde, sogenannte Mecklenburger, Hannoveraner, Holsteiner u. s. w. befallen, aber auch unsere Landpferde, die
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edleren wie die gemeinen, leider auch unsere hochedlen Pferde werden von ihr nicht verschont.
Es ist Erfahrungs-Sache, dass die von dieser Krankheit befallenen Pferde um so heftiger und gefährlicher ergriffen wer­den, je edler und kräftiger sie sind, dass anderseits dagegen bei den gemeinsten und magersten der Krankheitsverlauf ge­linder und gefahrloser ist.
In dieser Beziehung schreibt auch Hering in dem klinischen Jahresberichte der K. Thierarzneischule von 1853—54:
„Leider gehen an dieser Krankheit die edleren und besser gehaltenen Pferde eher zu Grunde, als die gegentheiligen.quot; Hierin, sowie in dem Umstände, dass nicht überall diese Kranken von den übrigen Hirnleidenden gesondert werden, mag es wohl auch begründet sein, wenn zuweilen von andern Seiten so gün­stige Heilresultate mitgetheilt werden.
Eine seuchenartige Verbreitung derselben durch ein Con-tagium wurde bis jetzt nicht beobachtet.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen sind bei der Kopf­krankheit zwei Haupt-Formen zu unterscheiden:
i 1. Die erethische Form.
Sie zeichnet sich aus durch einen wenigstens im Anfange mehr oder weniger synochalen, häufiger aber erethischen Fieber­charakter, durch rasche Entwicklung und schnelleren Verlauf, sowie durch bald mehr bald weniger gesteigerte Empfindlichkeit und Aufregung des Gehirns und Nervensystems überhaupt, zu­weilen wie bei der peracuten Hirnentzündung, verbunden mit gesteigerten Kreislaufsbewegungen, manchmal kräftigem und hartem Pulse. Sie ist, obgleich die am heftigsten auftretende, doch im Allgemeinen die bessere Form und gewährt eher Ge­nesungshoffnung; sie geht, wofern sie nicht einen andern Aus­gang nimmt, stets in den Torpor über.
2. Die torpide Form.
Bei dieser ist der Grundcharakter des Fiebers eigenthümlich der torpide, wenn es auch manchmal als erethisches oder sy-nochales beginnt.
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Eine schleichende, beinahe unmerkliche und verkappte Ent­wicklung, tiefes Ergriffensein und Darniederliegen der Thätigkeit des Gehirns und des Nervenlebens, somit mehr oder weniger tiefe Betäubung, Stumpfheit der Sinne und des Gemeingefühls, bei allgemeiner Mattigkeit und Niedergeschlagenheit, vorherr­schende Neigung zu Lähmungen, ein der Zahl nach entweder weniger gesteigerter, zuweilen regelmässiger, oder häufiger unter die Norm gesunkener, unterdrückter, der Qualität nach kleiner, weicher Puls, sind die Haupterscheinungen bei dieser am schwer­sten zu erkennenden und gefährlichsten Form.
Da die beiden vorgenannten Formen einer und derselben Krankheit sich nur in der ersten Zeit, der eigentlichen Ent­wicklungsperiode, unterscheiden lassen, die Symptome bald in einander verschmelzen, auch nicht selten wechselsweise in der­selben Form wahrgenommen werden und dem Beobachter nur ein schlimmes Bild der Krankheit übrig bleibt, Verlauf und Ausgänge dieselben sind; so dürfte eine gemeinschaftliche Be­schreibung derselben gerechtfertigt erscheinen.
Symptome.
Der Anfang dieser Krankheit ist selten mit Sicherheit zu bestimmen, sie entwickelt sich ebenso langsam und schleichend, als in rascher Folge.
In den ersten Tagen ihrer schleichenden Entwicklung, wo aber noch Niemand eine Ahnung von dem #9632; im Hintergrunde lauernden Feinde hat, glaubt man an dem betreffenden Thiere etwas weniger Leben, einige Trägheit und Mattigkeit, welche letztere sich besonders auch im Auge ausspricht, zu bemerken, wobei es aber meist noch das Raufenfutter verzehrt, vom Hafer aber häufig schon etwas liegen lässt. Manchmal bemerkt man ein ungewöhnliches neidisches, manchmal auch ein aufgeregtes, heftiges Benehmen oder ein öfteres Erschrecken, überhaupt eine gesteigerte Empfindlichkeit und Gereiztheit, öfteres Schnudern, häufiges Gähnen, unwillkührliches Zucken der Gesichtsmuskeln.
Diese Erscheinungen, welche als die einzigen Vorboten dieser Krankheit zu betrachten sind, entgehen aber den meisten Wärtern, Kutschern, selbst den Reitern; sie sind zu wenig in die Augen fallend, scheinbar zu geringfügig, und wenn einer oder der andere das veränderte Benehmen des Thieres auch
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bemerkt, so hält er es für Laune, immerhin aber für zu unbe­deutend, um ärztliche Hülfe dagegen zu verlangen. Beobachtet ein erfahrener Thierarzt solche Symptome und deklarirt er das betreffende Pferd für kopfkrank, so findet er selten willigen Glauben an seine Diagnose, ja man belächelt ihn zuweilen, bis das Uebel auch für den Laien unverkennbar hervorgetreten ist.
Andere verkennen diese Symptome; die Mattigkeit und Trägheit werden für Faulheit, das neidische Benehmen für wirk­liche Unart und Bosheit gehalten und das arme Thier wird nichts desto weniger geritten oder gefahren und dabei mehr oder weniger gestraft, so dass es oft noch seinen letzten Auf­wand an Kraft zu machen gezwungen wird.
Es kommt mir oft vor, als ob in den meisten Fällen dieser Krankheit, zumal bei der torpiden Form, das gleiche Gefühl von Schwere und Abgeschlagenheit des ganzen Körpers bestände, wie bei der Entwicklung des Typhus des Menschen, und könnten die Thiere sprechen, sie würden uns gewiss ein ähnliches Ge­fühl mit vorherrschendem Kopfschmerz beschreiben.
Die Dauer dieser Erscheinungen ist verschieden, 2 bis 4, mitunter selbst 5 Tage; innerhalb dieser Zeit bemerkt man bei einzelnen Patienten ein Knarren der Gelenke, bei andern ein Frösteln der Haut, das aber noch häufiger übersehen wird, bei einzelnen aber kann es, weil es öfters wiederkehrt und sogar 24—48 Stunden hindurch beinahe perpetuirlich andauert, nicht unbemerkt bleiben.
Allmählig wird nun der Hafer ganz versagt, das Heu nur noch zeitweise und langsam aus der Raufe, lieber jedoch vom Boden gefressen, nicht selten dabei aber ausgesetzt.
Bei genauer Beobachtung des betreffenden Thiers gewahrt man bei einer vermehrten Wärme des Kopfes mehr oder we­niger Eingenommenheit und Schwere desselben, periodisches Hängen oder Aufstützen auf den Trog, eine grössere Mattigkeit oder gar schon etwas Starrheit im Auge *, nicht selten mit erweiterter Pupille, zeitweiliges Schliessen der Augenlider, eine
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* Wie sich im Äuge die Gesundheit abspiegelt, ebenso spiegelt sich in ihm auch die Krankheit ab, nnd es ist diess wohl in keiner andern Krankheit auf­fallender, als in der fraglichen. Der gläserne, starre Blick ist gewissermassen charakteristisch und lässt sich leichter erkennen, als beschreiben, er steht nicht selten Anfangs beinahe als einziges Erkennungszeichen der Krankheit da.
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geringe Empfindlichkeit besonders in dem erhöht warmen Maule und auf der Krone der Hufe, unter den Leib gestellte Vorder-füsse, eine unregelmässige Stellung der Füsse überhaupt, ein ungewöhnliches Nahestehen an die Krippe, das Thier ist schwer von der Stelle vorwärts, noch schwerer rückwärts zu be­wegen; Symptome, welche denen des stillen Kollers ganz ähn­lich sind.
In diesem Stadium erwachen solche Kranke noch von Zeit zu Zeit entweder von selbst oder durch äussere Einwirkungen aus diesem schläfrigen Zustande, zeigen wieder mehr Aufmerk­samkeit und ein freieres Benehmen, gehen leicht zurück, auf Zurufen rechts und links, fressen wohl einige Wische Heu oder Stroh, vermögen aber diese Futterstoffe häufig schon nicht mehr gut mit den Lippen zu fassen.
Diese freien Momente machen aber bald wieder dem ob-beschriebenen, mehr oder weniger betäubten, kollerähnlichen Zustande Platz.
Ein beinahe konstantes und sicheres Merkmal dieser Krank­heit in ihrer ersten Entwicklungsperiode ist ein eigenthümliches Schnarren, ein schnarrender Ton (Schnarchen) durch die Nase, zuweilen nur an Einem Nasenloche, (ob in Folge eines be­stehenden Krampfes oder einer Subparalyse in den äussern Luft­wegen?) bei einzelnen Kranken wenig, bei andern deutlich hörbar. Nicht minder bedeutsam ist das tiefe Einstecken der Nase und des Maules in das vorgehaltene Trinkwasser, — bei jeder Krank­heit ein schlimmes Zeichen!
Hieran reiht sich ein zuweilen zur Beobachtung kommendes und nicht weniger schlimmes Symptom, nämlich das beständige Kauen mit Bewegen der Zunge und Fletschen der Lippen, wo­mit zuweilen ein mehr oder weniger starkes Speicheln ver­bunden ist.
Obgenannte Erscheinungen sind nicht selten hinter etwas Husten und Halsbeschwerden, mit oder ohne Anschwellung der Kehlgangsdrüsen und Parotiden, zuweilen auch hinter rothlaufarti-gen Anschwellungen der Augenlider, des Bauches, der Füsse u. s. w. versteckt, und der oberflächliche Beobachter lässt sich durch diese leicht täuschen, um so leichter, als dabei der Puls ent­weder nur wenig oder gar nicht vermehrt, dabei weich, zuweilen etwas voll, der Athem langsam, die Haut nicht immer auffallend
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erhöht warm ist und höchstens die Ohren und Füsse kühl oder kalt sich anfühlen. Nur eine längere und ruhige Beobachtung solcher Kranken sichert die Diagnose der Krankheit.
Manchmal beginnt diese auch unter der Maske einfacher gastrischer Symptome, die betreffenden Thiere fressen gleich von Anfange an wenig oder gar Nichts, verschmähen jedenfalls den Hafer, ihre Kopfhaltung ist dabei meist noch hoch, Puls und Athem zeigen wenig oder keine Abweichung vom Normal­zustande und nur bei der Bewegung wird eine ungewöhnliche Mattigkeit und Abgeschlagenheit an ihnen wahrgenommen.
Hinter vorgenannten Erscheinungen ist aber der gefährliche Feind verschanzt und kommt zuweilen bald und in raschen Märschen, zuweilen erst nach einigen Tagen zum Vorschein. Je wärmer die Jahreszeit und Witterung, um so schneller in der Regel die Entwicklung und Ausbildung der Krankheit.
Die Kranken machen unwillkürliche Bewegungen mit dem Kopfe, bald nach oben, bald nach unten (unstäte Haltung), die Muskelzuckungen, besonders der Gesichts- und Lippenmuskeln, sind stärker, der Gang ist matt und träge, in vielen Fällen taumelnd. Einzelne legen sich nie, andere selten, wieder andere sogar oft und lange, mitunter durch die ganze Dauer der Krank­heit hindurch, besonders solche, bei welchen das Bewusstsein weniger gestört ist. Die Schleimhäute des Maules und der Nase, ebenso die Conjunctiva des Auges sind nicht immer be­sonders verändert, bei der erethischen Form gewöhnlich mehr oder weniger geröthet, bei der torpiden blass und aufgelockert. Ihre Ausleerungen sind meist unterdrückt, die Excremente trocken, klein geballt, dunkel gefärbt, zuweilen mit Schleim umhüllt, die Futterstoffe nicht immer gut verdaut und blass von Farbe. Der Urin, welcher lange zurückgehalten wird, ist dick, trübe, mit­unter gelblich, zuweilen anfänglich auch bräunlicht.
Mit steigender Entwicklung der Krankheit wird der Kopf stärker eingenommen. Maul und Nase fest in den Trog hinein gedrückt, wodurch nicht selten die in langsamen, tiefen Zügen geschehende Respiration mehr oder weniger gehindert und hörbar wird, die Thiere stehen mit halb oder ganz geschlossenen Augen­lidern in sich selbst gekehrt, betäubt und bewusstlos, nicht selten mit Futterstoffen im Maule, wie die Kollerkranken da, der Blick ist stier, starr, auf Eine Stelle hingerichtet, die Pupille zuweilen
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sehr weit, die Ohren steif, das Zähneknirschen hörbar. Die Wallachen schachten häufig aus und haben Erectionen, noch mehr die Hengste.
Im weiteren Verlauf wird der Kopf immer tiefer gehängt und wie der Körper fest an die Wand angelehnt oder ange­drückt, die Betäubung, Bewusstlosigkeit und Abstumpfung erreichen einen höhern Grad und je grosser dieselben sind, um so grosser ist der Druck im grossen Gehirn und das Leiden desselben überhaupt.
Früher oder später fangen die Kranken an zu schieben, oder gar zu toben, auf die eine oder die andere Seite im Kreise zu gehen u. s. w.
Einzelne sehr empfindliche Individuen äussern ihre Kopf­schmerzen nicht allein durch tiefes Hängenlassen des Kopfes, unstätes Halten und öfteres Hin- und Herbewegen desselben, sondern selbst durch ein wirkliches lautes Stöhnen, wie bei schmerzhaften Brustentzündungen, wo dann das Leiden ge­wöhnlich den rheumatischen Charakter an sich trägt.
Die Kreislaufsbewegungen sind in Bezug auf ihre Frequenz verschieden nach der Form und dem Fiebercharakter der Krank­heit. Bei der erethischen Form ist der Puls gewöhnlich in den ersten Tagen auf 48—50, 60, in 1 Minute gesteigert, geht aber bald zur Normalzahl oder selbst unter diese zurück; der Qua­lität nach ist er bald weich, bald voll, zuweilen auch hart; bei der torpiden Form zählt er manchmal nur 26—28—30—32 kleine, weiche Schläge, und je weniger er der Zahl nach, je unterdrückter er ist, um so tiefer und gefährlicher ist das Nervenleiden; ausserdem ist der Puls zuweilen auch, mitunter zwei Schläge nach einander, aussetzend, in seltenen Fällen un­gleich im Rhythmus. Die Herzschläge sind in der Regel etwas fühlbar, die Athemzüge geschehen, wie schon oben bemerkt, in langsamen tiefen Zügen, die ausgeathmete Luft ist dabei nicht wärmer, eher kühler, als im gesunden Zustande.
Wenn im Verlauf der einen oder der anderen Form Paroxys-men von Tobsucht eintreten, welche zuweilen beobachtet wer­den; so steigert sich der Puls häufig auf 54—60—70 Schläge und fühlt sich zuweilen hart an.
Selten ist jedoch der Thierarzt im Falle, die allraählige Entwicklung dieser Krankheit, noch viel weniger aber ihre
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Vorboten-Symptome beobachten zu können; häufig findet er die­selbe in ein Stadium vorgerückt, welches ihm das mehr oder weniger entschiedene Bild derselben vor die Seele führt: stierer Blick bei halbgeschlossenen Augenlidern, Schnarchen, Torpor der Sinnenthätigkeit und des Gemeingefühls, Eingenommenheit und Hängen des Kopfes, häufig schon auf eine oder die andere Seite, Drängen nach vorwärts, Zähneknirschen u. s. w.
Die erethische Form tritt gewöhnlich in schneller Entwicklung hervor, um so mehr, je mehr sie den synochalen Fiebercharakter an sich trägt, entweder ohne wahrnehmbare Vorboten oder mit solchen, — wie bereits oben bemerkt, — in einer gewissen Aufgeregtheit, Gereiztheit, scheuem Benehmen, Ungeduld, be­stehend, welchen dann Eingenommenheit des Kopfes, Drücken desselben in die Krippe oder in eine Ecke hinein, eine förm­liche Gehirn-Irritation mit wildem Blicke, Drängen nach vorne, Tobsucht und Schwitzen am ganzen Körper folgen.
Bei solchen aufgeregten Gehirn-Funktionen kehren die Kranken nur von Zeit zu Zeit, wenn sie mehr oder weniger erschöpft sind, aus dem tobsüchtigen Zustande zur Ruhe zurück, und diess häufig erst dann, wenn sie niederstürzen, oder wenn sich ihnen ein Hinderniss entgegenstellt.
Zuweilen laufen solche Patienten von selbst rückwärts, eine Beobachtung, welche im Verlaufe beider Formen gemacht wird, wobei in der Regel das kleine Gehirn mit seinen Umgebungen vorzugsweise krankhaft ergriffen und das Bewusstsein selten ge­stört ist.
Auch hiebei beobachtet man eine Pulsfrequenz bis auf 60 bis 70 gewöhnlich harte Schläge, — eine schnellere Respiration, Röthungen der Conjunctiva des Auges und der Nasenschleim­häute, einen rascheren Verlauf der Krankheit überhaupt, welche entweder in einigen Tagen der Genesung zuschreitet oder in's torpide Stadium übergeht, wenn sie nicht zuvor mit Gehirn­lähmung endet.
In seltenen Fällen tritt sie mit heftigen Convulsionen und clonischen Krämpfen auf, so dass den betreffenden Thieren Kopf und Hals nach verschiedenen Richtungen gezogen, die Füsse steif gehalten werden und sie nicht selten rückwärts gehend und sich überschlagend — zu Boden stürzen. In der Regel erfolgt hier rascher Uebergang ins torpide Stadium und Tod durch Lähmung.
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Zuweilen nimmt die Krankheit im Rückenmark ihren Anfang und theilt sich von diesem dem Gehirn mit. Je mehr sie sich ursprünglich in diesem Organ entwickelt und festsetzt, um so schwerer ist — in der ersten Zeit — ihre Erkennung, und um so gefährlicher der Krankheitszustand überhaupt.
Bei solchen Kranken treten allmählig mehr oder weniger Störungen in der Bewegung hervor, sie schwanken von einer Seite zur andern, besonders mit dem Hintertheil, wie bei der Kreuzlähme, sie können sich oft kaum auf den Füssen erhalten und liegen desshalb viel, der Puls verhält sich hiebei in der Regel Anfangs ruhig, ist klein und schwach, manchmal aus­setzend, wird aber später schneller, dabei ist der Kopf scheinbar noch frei und nur bei längerer Beobachtung des Thieres findet man dessen allmähliges Eingenommenwerden. Auf einmal fallen nun die Schuppen von den Augen, aus einem Anfangs scheinbar rheumatischen oder gastrischen Fieber ist ein mehr nervöses geworden. In den meisten Fällen dieser Art erfolgt der Tod schnell an Rückenmarkslähmung (Paraplegic).
Mit diesem Krankheitszustand darf jedoch nicht verwechselt werden das zuweilen in Folge von Erkältungen vorkommende, schnell auftretende rheumatische Leiden der Rücken-und Lenden-Muskeln (Rheumatismus acutus), wobei mehr oder weniger grosse Schmerzen beobachtet werden, die betreffenden Thiere nicht selten wie im Hintertheile gelähmt auf der Streu liegen und im Uebrigen die Erscheinungen eines entzündlichen Fiebers zu­gegen sind.
Entwickelt sich die Kopfkrankheit auf secundäre Weise, wie es zuweilen vorkommt, im Gefolge eines gallichten Fiebers, wobei grosse Mattigkeit und Abgeschlagenheit des Körpers, geringer oder ganz verschwundener Appetit, schmutzig-icterische Färbung der sichtbaren Häute, mit schmutzigem zähem Schleim belegte Zunge, periodisch auftretende Bauchschmerzen, weicher, mehr oder weniger vermehrter Puls, meist fühlbare Herzschläge, ruhiger Athem bei seufzendem Ausathmen, Eingenommenheit des Kopfes, zunehmender Torpor, — die hervorstechenden Symptome sind; — so ist die Gefahr nur um so grosser.
Hier sind offenbar ursprünglich mehr die Sphären des sym­pathischen und spinalen Nervensystems ergriffen und die Symptome
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der Cerebral-^Aflfektion consensueller Natur; die letzteren er­langen indessen in der Regel die Oberhand und die Krankheit nimmt den gleichen Verlauf und Ausgang, wie bei der idio-pathischen Entwicklung.
In diesen Fällen allen findet früher oder später, oft schon am dritten, vierten Tage, ein einseitiger Druck im Gehirn und in Folge hie von halbseitige Lähmung statt, welche sich anfäng­lich nur durch eine Neigung in der Haltung des Kopfes, — bald vom Drehgelenk, bald von der ganzen Länge des Halses aus, — nach rechts oder links, bald darauf aber durch Gehen des Patienten im Kreise, auf eine oder die andere Seite, kund gibt.
Nach meinen Beobachtungen kommt dieses Kreisgehen, we­nigstens von vornherein, bei der Mehrheit der Pferde nach der linken Seite vor, nicht selten changiren diese Kranken zuweilen in kurzer Zeit, und statt bisher links gegangen zu sein, gehen sie jetzt rechts oder umgekehrt. Dieses Kreisgehen geschieht bald im kleineren, bald im grösseren Kreise, einzelne drehen sich auf dem betreffenden Hinterfusse herum, ohne ihn vom Boden zu bewegen, und verwickeln sich nicht selten in der Streue; andere beschreiben einen grösseren Kreis. Bald geschieht diess langsam, bald schnell. Einzelne — und besonders wird diess bei der erethischen Form wahrgenommen, — gehen sehr rasch, oder springen sogar. Kommt solchen Kranken irgend ein Ge­genstand in den Weg, so drücken sie bald gegen denselben an; im Stalle angebunden, drücken sie in eine Ecke hinein und fühlen sie einen Zwang am Kopf, so hängen sie zurück und reissen Alles zusammen. Andere bleiben Tage und Nächte hindurch auf einer Stelle stehen, ohne sich zu bewegen. Die Haltung des Kopfes ist nicht immer tief; einzelne Patienten halten ihn Tage lang in gleicher Richtung mit dem Rumpfe, ja sogar noch höher, andere tiefer, wieder andere so tief, dass er, besonders bei warmer Jahreszeit, wo dessen untere Hälfte oft sehr stark anschwillt und dadurch nicht selten das Athmen behindert wird, mit den Lippen die Streue oder sogar den Boden berührt. Bei dieser tiefen Kopfhaltung und dem schlafsüchtigen, betäubten Zustande, in welchem sich diese Thiere befinden, ist es nicht selten, dass sie in eine Art Schwinde! oder Ohnmacht verfallen, wobei sie — den Kopf auf dem Boden — in der Art nach hinten hängen, dass bei weit unter den Leib gestellten Hinter-
WSrz, Kopfkiankheit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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fassen die weit auseinandergestellten Vorderfüsse nach vorn ge­streckt sind und die Ellbogen beinahe oder auch wirklich den Boden berühren (eine Lage, wie sie die Hunde häufig anzu­nehmen pflegen). Einzelne fallen hiebei wirklich auf die Seite nieder, andere auf die Vorderknie und verharren in einer oder der andern Lage oder Stellung einige Zeit. Je nach der Stärke des einseitigen Druckes im Gehirn und der dadurch herbeige­führten halbseitigen Lähmung wird der Hals und Kopf mehr oder weniger auf die eine oder die andere Seite gezogen; bei Einzelnen oft so sehr, dass das Maul die Schulter der betreffen­den Seite, ja zuweilen den Ellbogen berührt. Wird der in dieser Periode bleischwere Kopf in die Höhe gehoben, so verlieren die Kranken häufig das Gleichgewicht und stürzen zu Boden. Manch­mal schon in den ersten Tagen, meist aber später, bemerkt man auch, dass eines oder das andere der Ohren, häufiger die Lippen dieser Kranken auf eine oder die andere Seite gezogen werden oder schlaff herabhängen und sie damit das Futter nicht mehr gehörig zu fassen vermögen, und wenn sie diess auch noch können, solches nicht mehr unter die Backzähne bringen, um es zu kauen und zu verkleinern.
Diesen partiellen Halb-Lähmungs-Erscheinungen der Lippen, der Zunge, so wie der Kau- und Schling-Organe überhaupt, folgt nicht selten bald vollkommene Lähmung und damit schlaffes Herunterhängen des Unterkiefers, bewegungsloses Liegen der Zange in der Maulhöhle oder Heraushängen derselben (welche nicht selten Verletzungen zeigt) und somit Unvermögen zu fressen und zu schlingen.
Solche Patienten ballen das Heu und Stroh als sogenannte Schlotzer (Kauballen) im Maule zusammen, unvermögend, sie zu kauen; bei Denjenigen, bei welchen noch nicht völlige Läh­mung der Kauwerkzeuge vorhanden, ist es absolut nothwendig, ihnen die Futterstoffe unter die Backzähne zu schieben, um sie nicht Hungers sterben zu lassen.
Andere vermögen wohl noch zu fressen, aber sie befinden sich in einem so stumpfsinnigen, bewusstlosen Zustande, dass sie weder sehen, noch hören, noch fühlen und namentlich auch das Bedürfniss des Hungers nicht mehr empfinden, darum auch kein Futter annehmen und wenn man ihnen solches ins Maul gibt, dasselbe in diesem stecken lassen. Kranke dieser Art
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sind nur durch kräftige äussere Reize, durch scharfe Salben, kalte Begiessungen auf den Kopf und dergleichen auf Augenblicke zum Bewusstsein zu bringen, wo sie dann gewöhnlich — wenig­stens kurze Zeit — Futter und Getränke annehmen; häufig wollen sie in diesem Znstande das ihnen vorgehaltene Wasser fressen und kauen darin, und stecken Maul und Nase sehr tief in dasselbe, wie schon oben bemerkt wurde.
Das Zähneknirschen, unbezweifelt das schlimmste Symptom dieser Krankheit, fängt meist gelinde, als etwas festeres Beissen auf die Zähne, zuweilen schon am zweiten bis dritten Krank­heitstage, öfters erst in sechs bis acht Tagen an, wird aber häufig so stark und heftig, dass man solches nicht selten schon ausserhalb des Stalles hört. Fehlt dieses Todessymptom bei der sonst in ihrer ganzen Wucht vorhandenen Krankheit, so kann man immer noch eher Hoffnung auf Genesung oder Besserung haben. In äusserst seltenen Fällen fehlt solches ganz, wenn die Krankheit zum Tode führt.
Ein weiteres schlimmes Merkmal ist das schon oben be­rührte beständige Kauen und Bewegen der Zunge, das auf den Beobachter den Eindruck macht, als ob die Thiere irgend einen fremden Körper aus dem Maule zu entfernen sich bestrebten, oder als ob sie einem Krampf, einem Pelzigsein oder einer Un-empfindlichkeit des Maules, entgegenwirken wollten.
Nicht minder schlimm sind die zuweilen gleich im Beginne der Krankheit, häufiger jedoch im Verlauf derselben eintretenden, schon oben berührten, Convulsionen und clonischen Krämpfe; die in der Zwischenzeit auftretenden Paroxysmen von Tobsucht in Folge von Gehirnhäute- und Gehirn-Entzündung, sodann die zuweilen ganz unerwartet sich einstellenden Schlaganfälle durch Blutüberfüllung des Gehirns oder gar Hirnblutung (Hämorrhagie) herbeigeführt, wo die Thiere entweder schnell enden, oder wo sie ohne Bewusstsein und ohne Gefühl, meist ohne Bewegungen oder mit krampfhaften Zuckungen, starrem Blick und erweiterter Pupille, mit schnarchendem, tiefem Athem, auf dem Boden lie­gend, nach kurzer Dauer eingehen, oder aber, was äusserst selten ist, allmählig wieder zum Bewusstsein kommen.
Der Puls hält sich mitunter ziemlich lange entweder in seiner Normalzahl oder unter der Norm, er nimmt nur allmählig an Frequenz und Kleinheit zu und in der Regel in dem Maasse,
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als mit der schnellen Abmagerung die Kräfte der betreffenden Thiere abnehmen; ebenso wird der Herzschlag fühlbarer und das Athmen endlich röchelnd. Die Thiere gehen meist auf dem Boden liegend, mitunter schnell, mitunter aber auch unter harten. Tage und Kächte hindurch dauernden Kämpfen ein.
Geht die Krankheit der Besserung entgegen, so erfolgt diese, mag sie in den ersten Tagen oder später eintreten, immer nur allmählig; das Auge (der Blick) wird freier, normaler, ver­liert seine Starrheit nach und nach, das Bewusstsein und Gefühl kehren allmählig zurück, das Kreisgehen wird seltener, der Appetit stellt sich mehr ein, das Futter kann wieder mit den Lippen gefasst werden. Zu ihrer Erholung bedürfen solche Kranke stets lange — zum Mindesten 4—5 quot;Wochen — Zeit.
Die Remissionen bei dieser Krankheit sind nicht auffallend und sprechen sich selten deutlich ans, wogegen die Exacer-bationen eher des Abends und Nachts beobachtet werden.
Die umgekehrte Bemerkung will Autenrieth gemacht haben, indem er 1813 schrieb:
„ich habe bei Nervenkranken immer bemerkt, dass sie des Morgens schlechter sind, als des Abends, umgekehrt wie bei andern Krankheiten.quot; Die Umwandlung dieser Krankheit in eine andere (Metasche-matismus) wird wohl selten beobachtet werden. Ich sah diess bei einem Maulthier, das am sechsten Tage der Krankheit un­gemein raste, tobte, schlug, hieb, biess, sehr stark schwitzte und sich hiedurch vielleicht eine Erkältung zuzog. Am eilften Tage besserte sich das Gehirnleiden, das Thier wurde aber am gleichen Tage von einer so heftigen, rheumatischen Fuss- und Huf-Entzündung ergriffen, dass es am zweiten Tage daran zu Grunde gieng.
Gutartige Metastasen gehören ebenso zu den Seltenheiten, doch macht man zuweilen die Beobachtung, dass in Fällen, wo sich durch zufällige Einwirkungen, z. B. durch Stoss, durch Reiben (Scheuern) oder durch Druck vom Liegen, durch wieder­holte scharfe Einreibungen, grössere eiternde Wundflächen oder Abscesse gebildet haben, diese von der Natur als gutartige Metastasen hervorgebracht werden.
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Prognose.
Die Prognose dieser Krankheit ist sehr ungünstig.
Je frühzeitiger sie erkannt wird, um so eher kann man Hoffnung haben, aber auch selbst in diesem Falle gelingt die Kur häufig nicht. Folgt auf den Gebrauch der geeigneten Mittel nicht innerhalb ein- bis zweimal 24 Stunden Kachlass der Symptome, so ist meist jede Aussicht auf günstigen Erfolg dahin. Je mehr sie den stheuischen Charakter an sich trägt und je schneller sie auftritt, um so günstiger ist sie im All­gemeinen zu beurtheilen, wogegen die torpide Form bei ihrer langsamen und schleichenden Entwicklung stets ein sehr un­günstiges Urtheil zulässt.
Ist die Krankheit mit andern complicirt, so ist es um so schlimmer. Haben bereits bedeutende Exsudationen im Gehirn oder Rückenmark oder zwischen den Häuten derselben statt gefunden, oder bestehen diese schon einige Zeit unveränderlich, so hängt ein glücklicher Ausgang von dem häufig nur langsam erfolgenden Einsaugungsprozess ab; in der Regel sterben die Pferde aber, ehe solcher zu Stande kommt; haben dieselben schon organische Veränderungen in der Gehirnmasse bewirkt, die nicht mehr rückgebildet werden können, oder sind gar schon Paralysen zugegen, so ist jede Hoffnung auf Herstellung dahin.
Wie so manche Gehirnkrankheit beim Menschen, besonders bei Kindern, heisse sie nun Hirnentzündung, Hirnhäuteeutzündung, Gehirnfieber, Hirnwassersucht, Hirnschlag, Gichter, gar häufig einen tödtlichen Ausgang nimmt und der ärztlichen Kunst zu nicht geringem Vorwurf gereicht, so ist diess auch bei den Thieren, besonders aber beim Pferde bei fraglicher Krankheit der Fall. Ihre Mortalität ist verhältnissmässig gross, grosser als bei jeder andern sporadisch vorkommenden Krankheit.
Verlauf.
Der Verlauf derselben nähert sich, wie überhaupt in den meisten Fällen der Gehirnentzündung, selbst auch beim Men­schen, dem chronischen. Je langsamer ihre Entwicklung, desto länger in der Regel ihre Dauer, je rascher ihre Entwicklung, um so schneller ihr Verlauf. Sie dauert von 3—15—21 oder gar 28 Tagen; überleben die Patienten den 21. Tag, so kommen
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sie in der Regel mit dem Leben davon, bleiben aber häufig nichts desto weniger kollerig.
Ausgänge.
Die Ausgänge dieser Krankheit sind:
1)nbsp; vollkommene Genesung, durch allmählige Minderung der Zufalle (Lysis), selten mit Wahrnehmung kritischer Er­scheinungen, wobei übrigens, wie bei Hirn-Hyperämieen überhaupt, besonders bei dieser eine vorherrschende Dis­position zu Rückfallen bestehen bleibt.
2)nbsp; theilweise Genesung, d. h. es bleiben Störungen im Ge­hirn und im Nervenleben überhaupt zurück und zwar
a)nbsp; die verschiedenen Grade des chronischen Kollers, zuweilen von dem Höhegrade, dass die betreffenden Thiere zu jedem Dienst unbrauchbar sind; im glück­licheren Falle bleibt eine gewisse nervöse Reizbar­keit, Starrsinnigkeit (Bizarrerie) zurück.
b)nbsp; partielle Lähmungen, wie z. B. des Sehnerven, des Hörnerven, wodurch Erblinden am schwarzen Staar (Amaurosis) bald des einen, bald beider Augen, oder Taubheit erfolgt, sodann der Ohren, Augen­lider, Lippen, des Hintertheils; im glücklicheren Falle nur eine Schwäche des letzteren.
3)nbsp; Tod. Dieser geht in den allermeisten Fällen vom Gehirn aus, durch Hirnlähmung, entweder im ersten Stadium durch Ueberfüllung des Gehirns mit Blut, durch Bluterguss im Gehirn (Blutschlag), oder im zweiten und dritten Stadium durch Transsudation und Druck des Wassers auf das Gehirn (Apoplexia sanguinea aut serosa); durch Rückenmarks­lähmung oder auch, jedoch seltener, durch allgemeine Schwäche und Erschöpfung des Nervenlebens.
Verwechslung der Krankheit.
Eine Verwechslung dieser acut verlaufenden Krankheit mit dem chronischen Koller, seinen verschiedenen Formen und Pa-roxysmen, welchen das Gesetz als Hauptmangel und als allein zur Redhibitions-Klage vor Gericht berechtigend, aufgestellt hat, kann um so leichter geschehen, als beide Krankheiten in ihren Symptomen eine täuschende Aehnlichkeit mit einander haben,
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so dass der Nichtkenner ein kopfkrankes Pferd unbedingt für kollerkrank hält und es selbst dem Sachverständigen nicht immer leicht ist, sich inner einer gegebenen Zeit für die eine oder die andere Krankheit zu entscheiden.
Da hienach eine richtige Erkennung und Unterscheidung dieser beiden Krankheiten für die gerichtliche Veterinärmedizin von grosser Wichtigkeit ist, so erfordert dies von Seitendes prak­tischen Thierarztes eine wiederholte genaue und gewissenhafte Prüfung und Untersuchung, andernfalls er Gefahr läuft, die Krank­heit nicht zu erkennen und ein falsches Gutachten auszustellen.
Bei der Kopfkrankheit, welche in der Eegel junge und kräftige, auch mehr edle und veredelte, zuvor ganz gesunde Pferde, meist schnell befällt, beobachtet man neben den — beiden Krankheitsformen gemeinschaftlich angehörigen — Sinnes­und Gemeingefühls-Störungen, wie Verkehrtheit und Dummheit im Benehmen, Starrheit im Blicke, Unempfiudlichkeit, — meist die Zeichen eines fieberhaften entzündlichen Allgemeinleidens, bei allgemeiner Mattigkeit und Abgeschlagenheit des Körpers, — wechselnde Haut-Temperatur, erhöhte Wärme des Kopfes, Röthung der sichtbaren Häute, einen entweder etwas gesteiger­ten oder verlangsamten Puls- und Herzschlag, zuweilen Frösteln, unterdrückte Darmausleerungen, verminderten Appetit u. s. w.
Gegenüber von dem — Monate und Jahre lang sich bei­nahe gleich bleibenden — Koller ist der Verlauf der fraglichen Kopfkrankheit ein rascher, er dauert längstens 3—4 Wochen, es treten bei ihr früher oder später Tobanfälle, Lähmungen, Zähneknirschen, Kreisgehen u. s. w. ein und führt sie entweder zum Tode, oder zur Genesung, oder gebt in den chronischen Koller über. Die beim letzteren zuweilen zur Beobachtung kom­menden und der Hirnentzündung sehr ähnlichen Paroxysmen von Rasen, Toben, Schlagen, Durchgehen (rasender Koller), unterscheiden sich von der Kopfkrankheit durch ihre gewöhnlich kurze Dauer (%ll2 Stunde), somit durch bald eintretende Ruhe und Uebergang in das chronische Kollerstadium.
Von der Kopfkrankheit sind weiter zu trennen und zu unter­scheiden: der sogenannte Magenkoller (Vertige abdominal der Franzosen), welcher in einer durch Indigestion herbeigeführten consensuellen Hirn-Affektion zu bestehen scheint und dessen hervorstechende Symptome — gegenüber von der Kopfkrankheit
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sind: beschleunigtes Athmen, schneller, kleiner Puls, injicirte Bindehaut, Schwanken, Schwitzen, voller Bauch, Verstopfiing, ein rascherer Verlauf u. s. w.; sodann ferner diejenigen schnell auftretenden.Fälle von Blutcongestionen nach dem Gehirn, so wie Gehirn-Irritationen, bei welchen die betreffenden Pferde in eine Ecke hinein drücken, in die Raufe springen, wiehern, brusen u. s. w., Erscheinungen, welche auf eine oder zwei reich­liche Aderlässe in der Regel sich ebenso schnell heben, als sie gekommen sind.
Derjenige Thierarzt, welcher solche Krankheitsanfälle, so wie reine (peracute) Gehirnentzündungen unter die fragliche Krankheit subsumiren wollte, müsste entweder ein schlechter Diagnostiker sein, oder sie dazu benüzen wollen, in den Augen unerfahrener sich zu erheben.
Wie viele Aehnlichkeit in ihren Erscheinungen und ihrem wandelbaren Verlauf die Kopfkrankheit und das Nervenfieber (Typhus) mit einander haben und wie schwer somit ihre Unter­scheidung ist, dürfte schon daraus hervorgehen, dass die Kopf­krankheit von einzelnen Beobachtern als wirkliches Nervenfieber angesehen und behandelt wird.
Gegenüber von der im Allgemeinen doch nur sporadisch auftretenden Kopfkrankheit erscheint das Nervenfieber meist in mehr oder weniger epizootischer Ausbreitung; bei letzterem zeigt der Puls gewöhnlich schon von Anfang an eine massige Be­schleunigung und dann sind ihm die pathologischen Verände­rungen auf der Darmschleimhaut (Anschwellungen, Infiltration der Peyer'schen Drüsen, Geschwüre u. s. w.) eigenthümlich.
v. Ho er dt hat seiner Zeit über diese Krankheit der Alb umfassende Berichte und Gutachten erstattet. * Schade, dass seine vielen Erfahrungen in den Akten begraben liegen; sie er­schienen heute noch ebenso praktisch, als dazumal, wären darum der Mittheilung jetzt noch werth, wesshalb ich die mir zu Ge­bote stehenden an geignetem Orte hier einschalte.
In einem Gutachten vom Jahre 1820 schreibt derselbe: „Die dem Hauptgestüt Marbach, der Albhöhe und ihren Umgebungen angehörige Nervenkrankheit der Pferde, die nach genauen Beobachtungen und so weit mündliche Mit-
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* Als techuisehes Mitglied der kSnigl. Laudgcstüts-Commission.
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theilungen der älteren erfahrenen Albbewohner reichen, sich vorzugsweise im Frühling, bei sehr wechselnder Tem­peratur der Atmosphäre, kalten Regen und windigen Tagen, zeigt, hört in der Regel, nachdem beständige milde Wit­terung eingetreten ist, wieder auf.
Die Krankheit ergreift, — das einjährige Fohlen aus­genommen, — jedes Alter und Geschlecht, theilt sich aber nie und zu keiner Jahreszeit durch Ansteckung mit. Der Charakter derselben und ihre Heftigkeit hängen, wie ihr Erscheinen selbst, von der mehr oder weniger rauhen, nasskalten oder trockenen, stürmischen, wechselnden Früh­lingswitterung ab. So wie sie oft manche Jahre hindurch auf der Alb gar nicht beobachtet wird, ebenso erscheint sie zuweilen rein nervös und nimmt einen täuschenden langsamen Gang, zuweilen aber ist sie von katarrhali­schen Nebenzufällen, trockenem Husten, Entzündung des Halses u. s. w. begleitet, im letzteren Falle ist die Krank­heit immer gefährlicher und Anfangs mehr das Gefäss-als das Nervensystem affizirt und nimmt sie dann in der Regel einen acuten Verlauf.
Die charakteristischen Merkmale des Nervenfiebers sind: ein starrer Blick, mehr oder weniger starke Betäubung, zuweilen nur 74—Va Stunde dauernd, dann freies Um­hersehen, Heiterkeit, Fresslust, gehöriger Abgang gut ver­dauter Excremente, trüber Urin, wie beim gesunden Pferde, gleich verbreitete Wärme über den ganzen Körper; Herz-und Arterien-Schläge sind fühlbar, jedoch etwas lang­samer, wie in gesunden Tagen, die Thiere legen sich nie­der, und man hält die Kranken für von keiner Bedeutung. Je seltener in den ersten Tagen die Betäubungs-Anfälle sich äussern und je weniger lange sie anhalten, desto mehr ist Hoffnung zur Erhaltung vorhanden und die Genesung erfolgt oft schon am zweiten bis dritten Tage. Spätere Anfälle sind immer gefahrdrohend, wenn sie auch nur kurz dauern und die Thiere in den Zwischenräumen mehr einen gesunden als kranken Zustand verrathen.
In diesem täuschenden langsamen Gang gibt oft der zehnte bis vierzehnte Tag noch Hoffnung zu ihrer Er­haltung, aber schnell zeigt sich oft Lähmung der Unter-
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lippe, der Zunge und der unteren Kinnlade und die Thiere gehen an allmähiig dahinschwindender Lebenskraft zu Grunde.
Tritt das Nervenfieber mehr mit entzündlichen Er­scheinungen und complicirt mit obengenannten katarrha­lischen Nervenzufallen auf, so beobachtet man häufig beim Entstehen ein rasch vorübergehendes, aufgeregtes, heiteres Benehmen, die Thiere sind unruhig, fressen hastig einige Mau! voll und lassen schnell wieder nach, stehen von der Krippe zurück und wechseln häufig mit den Füssen; ein trockener Husten und schmerzhafte Anschwellung des Kehl­kopfes, hochrothe Färbung der Nasenschleimhäute werden meist in den ersten Tagen wahrgenommen, die Arterien­schläge sind je nach der Heftigkeit des Anfalls mehr oder weniger fieberhaft und der Absatz des Urins und der Darm-Excremente wird zurückgehalten. Stellt sich bei solchen Anfällen nicht zwischen dem dritten und fünften Tage auf­fallende Besserung ein, so tödten entweder Delirien und Krämpfe oder Lähmungen der Schlingwerkzeuge die Thiere zwischen dem siebenten und neunten Tage.
Bei keiner dem Pferdegeschlecht eigenen Krankheit sind die Symptome für Vorausbestimmung täuschender und un­bestimmter, als bei dieser. Die gefahrvollsten Zufälle am ersten Tage beobachtet, verschwinden öfters am zweiten und dritten gänzlich und die Thiere sind gesund.
Ein andermal zeigen sich die Betäubungs-Anfälle ganz unbedeutend und nehmen nur schleichend und allmähiig zu. Wenn bei solchen Kranken nach dem zehnten bis vierzehnten Tage vollkommene Besserung sich einstellt, so sind sie in der Regel mehr oder weniger dumm, haben schwache Augen und bekommen oft erst später den schwar­zen Staar, der bei den Albpferden, die die gedachte Krank­heit überstanden haben, gar häufig beobachtet wird.quot; Auch ein aus der Feder unsers genialen Walz geflossenes Aktenstück, in welchem dieser d. d. 2. März 1819, der königl. Landgestiits-Commission seine Ansicht über die fragliche Krank­heit darlegt, glaube ich hier folgen lassen zu müssen:
„Die ausgebrochene, der Albhöhe und ihren Umge­bungen eigenthümliche Krankheit zeigt sich vorzugsweise
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im Frühling, besonders bei sehr wechselnder Temperatur der Atmosphäre, nimmt — ganz verschieden von dem ge­wöhnlichen stillen Koller — in der Regel einen anuten Verlauf, gewöhnlich ohne, seltener mit auffallendem Fieber und gibt sich durch stieren Blick und herabgesetztes Empfindungs-Vermögen, sogenanntes dummes Benehmen, mit verschiedenen öfters täuschenden Neben-Zufallen, wie katarrhalischen Erscheinungen, zu erkennen und möchte — besonders hinsichtlich der völligen Wiedergenesung, — als eine vorübergehende Hirn-Affection anzusehen sein. Alle mit organischen Innern Missbildungen behaftete Pferde, na­mentlich die mit Concrementen in den Fortsätzen der weichen Hirnhaut, mit Geschwüren in den Lungen und den Ein­geweiden der Bauchhöhle sind unrettbar; gewöhnlich die­jenigen, welche nicht bei der ersten Krankheitserscheinung gehörig behandelt und mit reizendem Futter oder Arznei versehen werden, besonders auch diejenigen, deren ver-larvende katarrhalische Zufälle die Heilanzeige bestimmten. Soweit schriftliche und mündliche Ueberlieferungen rei­chen, hat sich diese Krankheit immer von Zeit zu Zeit und besonders auf der höheren Alb eingefunden; Pferde jedes Alters, Geschlechts und jeder ßa^e, auf der Alb oder irgendwo anders erzogen, sie mochten den Wohl­habenden oder Armen zugehören, ergriffen und sehr viele getödtet; so günstig für Wohlbefinden der Pferde über­haupt und besonders für gehörige Entwicklung, freier Zu­stand derselben im trockenen Aufenthalt ist, so wird hie-durch dennoch gegen die Bildung dieser enzootischen Krank­heit keine Sicherstellung erfolgen.quot; Im Juli 1820, dessgleichen im Juni 1824, hat auch das
königl. Medicinal-Collegium auf den Grund der ihm mitge-
theilten Akten sein Gutachten über diese Krankheit abgegeben;
ich erlaube mir, das Wesentlichste aus demselben hier mitzu-
theilen. Referent hievon war auch Walz.
Der Inhalt der gutachtlichen Aeusserung von 1820 ist
folgender:
„Aus den mitgetheilten Akten ergibt sich, dass die auf der Alb und deren Abhängen enzootisch herrschende, dem einfachen Typhus des Menschen analoge, durch vorwaltende
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Gehirn-Affection sich aussprechende Nervenkrankheit der Pferde vorzugsweise die sowohl aus westlichen, als öst­lichen Gegenden neuerlich herbeigezogenen Individuen be­fällt.
Abgesehen von Beurtheilung der zweckmässigen Wahl der Oertlichkeit sowohl in geschichtlicher, als mit den all­gemeinen Gesetzen der Pferdezucht übereinstimmender Hin­sicht, dürfte
1)nbsp; in prophylaktischer Beziehung zu bemerken sein, dass jede mögliche Annäherung in der gegebenen Loka­lität an den Zustand, welchen Beobachtung und Erfahrung als meist begünstigend für Gesundheits-Erhaltung der Pferde ausspricht, nämlich möglichst freie Bewegung im trockenen Aufenthalt herbei zu führen und daher die in dem Bericht vom 9. und 15. Juni angeführten Einrichtungen * zu treffen und dass
2)nbsp; bei hieher sich beziehenden Krankheitsfällen, da keine specifische Behandlung statt findet, die geeignete symptomatische Hülfe mit besonderer Hinsicht auf die vorwaltende abnorme Gehirnthätigkeit und deren Folgen, im Allgemeinen schnelles, vom Arzte sorg­faltig beurtheiltes, sogenanntes antiphlogistisches Verfahren anzuwenden ist, womit übereinstimmend Beurtheilung und Erfahrung steht.quot;
In dem zweiten grösseren Gutachten von 1824, welches noch einen andern Gegenstand behandelt, ist über die Kopf­krankheit Folgendes enthalten:
„Nach Anleitung der in Marbach vorhandenen Gestüts­bücher kommen seit mehr als einem Jahrhundert auf der schwäbischen Alb viele Pferdeseuchen vor und bei Ver-gleichung der Resultate sorgfältigerer neuerer Beobach­tungen ergibt sich, dass an ihnen die Nerven- oder Kopf­krankheit den bedeutendsten Antheil gehabt haben wird. Jenes von Südwest nach Nordost streichende, grössten-theils aus Jurakalk aufgeschichtete Flössgebirge, steht —
* Veränderte Stall-Einrichtung zn Erhaltung eines trockenen Stalls und besserer Lüftung,
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wie aus den vielen und starken am Fusse seiner nörd­lichen und südlichen Abhänge entspringenden Quellen er­hellt, der Einwirkung des atmosphärischen Wassers und noch mehr der atmosphärischen Luft sehr offen und be­dingt daher einen grossen meteorischen Wechsel.
Auf Höhen, wo die feste Urgebirgsmasse zu Tage aus­geht oder mit dichtem Porphyr oder Sandsteine umlagert ist, wie namentlich auf dem Schwarzwalde, hat sich, so viel bekannt ist, die Kopfkrankheit der Pferde nicht ge­zeigt. Sie herrscht vorzugsweise zu unbestimmten Zeiten auf der Albhöhe, minder an deren Abhängen und An-gränzungen.
Auffallend ist besonders in Marbach die aus der Erd­oberfläche sich hebende Nebelbildung, selbst nach den heitersten Tagen.
Diese Krankheit, welche sich in ihrer Opportunität (Vor­bereitung) oft gar nicht, selten erkennbar, ausspricht, be­steht offenbar in einer Abänderung der Central-Organe des Nervensystems, namentlich in einer sogenannten schlei­chenden Entzündung der Central- und Haupt-Nerven des Gehirns und Rückenmarks und sie hat, abgesehen von der Entstehungsart und dem modifizirten Mittheilungs-Vermögen sehr viel Analoges mit primären Typhusarten der Menschen, besonders auch hinsichtlich ihrer sympto­matischen Erscheinungen.
So wie nach Bateman (s. Göttingischer gelehrter An­zeiger, Jahrg. 1820, sect;. 569) bei dem in den Jahren 1799 und 1800 zu London herrschend gewesenen Typhus die Organe des Athmens, in einigen wie bei einem wahren Croup angegriffen wurden und sich auch bei Dispositionen zur Entzündung innerer Organe, rheumatische Schmerzen und Geschwulst, Abscesse, Erysipelas im Gesicht und der Kopfschwarte, brandiges Wundliegen zeigten; so finden wir das Analoge bei der Nervenkrankheit der Pferde zu Marbach im Jahre 1823.
Je vorwaltender und früher die Gehirn-Organe bei dieser Nervenkrankheit ergriffen werden, desto leichter ist sie zu erkennen und abzuändern; je vorwaltender das Rücken­mark affizirt wird, desto weniger gibt der Erkrankte sein
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eigenthümliches Leiden zu erkennen und desto rettungs­loser ist er.
Wie J. Armstrong in England und F. Obrien (Bericht aus dem Fieberhospital zu Dublin 1814, Göttinger'scher Anzeiger Jahrgang 1820, sect;. 1618) den günstigen Erfolg bei dem von ihnen beschriebenen Typhus der Menschen durch schleunige reichliche Aderlässe mit Anwendung des übrigen antiphlogistischen Apparates beobachten; so er­folgte diess auch seit mehreren Jahren auf der Alb und in andern Gegenden Württembergs bei der Nervenkrank­heit der Pferde, — und der entschiedenste Verlust ergab sich, bei bedeutendem Aufwand für Arzneimittel, auf den frühzeitigen Gebrauch der sogenannten Nerven- oder Reiz­mittel, wie namentlich auch im Jahre 1823 auf dem Staats-Hengstfohlenhof, was schon Sydenham (Opera medica u. s. w. Genev. 1736) sagte, Armstrong, Bateman, Clutterbuck und Obrien als höchst dringend empfohlen, schleunige reichliche Aderlässe bei muthmasslich entzündlichen Affec-tionen der Central-Nerven-Organe (unter Wahrnehmung sehr schädlicher nach sparsamen und öftern Blutlässen), wobei Clutterbuck gesteht, dass er noch nicht hinlänglich mit allen Umständen bekannt sei, welche den Nutzen eines so kräftigen Mittels beschränken, — das hat sich auch bei dem Nervenfieber der Pferde im Allgemeinen erprobt und wir würden auch den künftig wiederkehrenden Aus­brüchen der bis jetzt von Autenrieth allein zur öffent­lichen Kenntniss gebrachten Nervenkrankheit der Pferde, wenigstens in ihren bisher beobachteten Formen, das schleunige reichliche Blutlassen — ohne Rücksicht auf seine sonstigen möglichen Folgen — als erste Heilungs­bedingung zu empfehlen genöthigt sein.quot; Die grossen Verluste an Stuten insbesondere, welche das Landgestüt besonders in den 1820er Jahren erlitt, mussten — wie natürlich — zu verschiedenen Ansichten und Vorschlägen nicht nur bezüglich der Krankheit, ihrer Ursachen und Behand­lung, sondern auch des Gestüts selbst, führen, es handelte sich sogar um die Verlegung des letzteren, wenigstens zur Winterszeit, v. Hoerdt gehörte stets zu denjenigen, welche sich auf praktischem Boden zu bewegen pflegten, er wies einleuchtend
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und überzeugend nach, dass die klimatischen Einflüsse der Alb an und für sich als ursächliche Momente nicht so gefährlich und zerstörend seien, wie man dafür halte, dass solche vielmehr dieses erst durch die Erziehung, Haltung und Behandlung der Gestütspferde und zwar zunächst durch ihre Verweichlichung werden, so wie dass es überhaupt gerathener und der Natur der Sache angemessener seie, diese Misstände zu beseitigen, als kostbare Versuche zu machen.
Seine diessfallsigen Vorschläge betrafen desshalb Abände­rungen und Verbesserungen in den Ställen zu Erzielung einer bessern und weniger warmen Stallluft, bei Vermeidung von Zug­luft, Bedecken der Stuten mit leinenen Decken zur veränder­lichen Frühjahrszeit u. s. w.
In Betreff des damals modernen, ungewöhnlich starken und wiederholten Blutlassens wies er wissenschaftlich nach, wie dieses nicht selten die übelsten Folgen habe, wie es namentlich die Krisen verrücke oder hindere, die Verdauung für kräftige Blut­bereitung schwäche, wie es häufig Lähmungen im Nerven- und Blutgefäss-System, Wassersuchten, Abzehrungen, partielle Läh­mungen, kalte Geschwülste am Bauche und dergleichen zur Folge habe.
Obgleich diese Ansichten, Urtheile und Vorschläge Hoerdts auf klarer und praktischer Basis ruhten, so wünschte er doch zu seiner eigenen Beruhigung, dass auch andere Sachverständige ausserhalb Württembergs über diese Krankheit, ihre Ursachen und Behandlungsweise sich äussern und aussprechen möchten, er schickte desshalb sowohl seine eigenen ausführlichen Gut­achten, als auch die der andern technischen Mitglieder der königl. Landgestüts-Commission an den damaligen Gestüts-In-spector G. G. Ammon zu Vesra, an die Thierarzneischule zu Berlin und an die zu Wien mit dem Ersuchen einer vorurtheils-freien sachverständigen schriftlichen Beurtheilung und hatte denn auch wirklich die Freude, eine solche sub. 2. Dezember 1823 von G.G. Ammon, sub. 20. März 1824 von Direktor Dr. Lidl aus Wien und sub 2. Oktober 1824 von Professor Naumann aus Berlin zu erhalten.
Diese Gutachten von anerkannt gediegenen und erfahrenen Fachmännern, obgleich sie sich nur auf die Kopfkrankheit, wie sie auf den Albgestüten vorkommt, beziehen, lasse ich hier in
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gedrängten Auszügen folgen. Wenn sie gleich alt und gleich­sam verjährt sind, glaube ich doch, dass jeder Thierarzt sie um so gerner lesen wird, als ihr Inhalt des Interessanten und Be­lehrenden genug bietet und sie zum Mindesten eine freundliche Rückerinnerung an so ehrwürdige, längst zu den Vätern ver­sammelte Männer, besonders für diejenigen Collegen sein wer­den, welche den einen oder den andern persönlich gekannt haben.
I, Ammon spricht in seinem „unmassgeblichen Gut­achtenquot; die Ansicht aus, es werden noch viele Versuche und Beobachtungen erforderlich sein, um den Entstehungsgrund dieser Krankheit zu enträthseln; er verkennt die Einwirkung der Wit­terung und besonders der rauhen Winde auf der Albhöhe als veranlassende Ursachen nicht, glaubt aber die eigentlichen vor­bereitenden Ursachen in andern und allmählig — vielleicht schon während des Winters — einwirkenden Einflüssen auf das Gehirn und Rückenmark, nämlich in den Nahrungsmitteln und zwar zu­nächst im Heu, suchen zu müssen, von welch' letzterem er sagt, dass es besonders klimatische Eigenschaften annehme und be­züglich dessen er vermuthet, es könnte gewisse schädliche, viel­leicht narkotische Gewächse enthalten, welche einen besonderen Reiz auf das Gehirn machen, dasselbe überreizen und die be­kannten Desorganisationen in demselben hervorbringen. Er hat die Nahrungsmittel um so mehr im Verdacht, als die Saug­fohlen, welche nur Muttermilch geniessen, von der Krankheit verschont bleiben.
Ammon macht desshalb Vorschläge zu Versuchen, ent­weder einem Theil der Stuten nur Stroh und Körner als Nah­rung zu reichen, oder viel Ackerbau mit dem Gestüte zu ver­binden, demselben dadurch im Winter viel Strohnahrung zu geben und ihm im Sommer durch Ackerweide eine mehr ab­wechselnde und gedeihliche Nahrung zu verschaffen. Bezüglich des Heilverfahrens glaubt Ammon, dass wohl das entzündungs­widrige nicht zu empfehlen sei und dass starke Aderlässe, wenn sie auch augenblickliche Erleichterung gewähren, doch zu sehr schwächen, die Lebensthätigkeit herabstimmen, und wenn auch nicht unmittelbar den Tod herbeiführen, doch die Wiederher­stellung sehr verzögern, oder langwierige Nachkrankheiten im Gefolge haben; er hält desshalb Mittel für zweckentsprechend,
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welche die Kraft des Einsaugungs-Systems verstärken, gelinde reizen, Stockungen auflösen, als Quecksilber, Antimonialmittel, Camphor, die Arnica; sofort besonders äussere Ableitungsmittel, Fontanelle hinter den Ohren u. s. w.
In vorbauender Beziehung empfiehlt A mm on ein tägliches fleissiges Bewegen der Gestiitspferde, luftige, mehr kalte als warme Ställe und besonders Laufställe; als Futter neben den Körnern viel Stroh.
Das Gutachten Ammon's schliesst mit dem Wunsche: dass die württembergischen Albgestüte, die schönsten und wohlge­legensten in Europa, zum Besten der Pferdezucht, recht lange noch mögen erhalten und von der fraglichen bösen Krankheit befreit bleiben.
II.nbsp; Naumann bedauert, kein bestimmtes ürtheil über die zu Marbach herrschende Krankheit geben zu können, weil er die Lokalität des Gestüts nicht kenne und weil er aus der Be­schreibung und den Obductious-Erscheinungen derselben nicht mit evidenter Gewissheit ihre Natur zu erkennen vermöge.
„Da die Druse — sagt er wörtlich — als katarrha­lische Krankheit unter mancherlei Complicationen erscheint, so halte ich dafür, dass die zu Marbach geherrschte Krank­heit, nach Beschaffenheit mancherlei Umstände, bald als eine katarrhalisch-entzündliche, bald als eine katarrhalisch­nervöse Krankheit herrschend gewesen.quot; Falls die Krankheit ein wirkliches Nervenfieber seie, miss­billigt Naumann das antiphlogistische Heilverfahren, besonders aber das „gewaltsame Blutlassenquot;, wie er es nennt, und empfiehlt dagegen sowohl die flüchtigen als permanenten Reiz­mittel, wie Baldrian, Angelica, Kalmus, Nelkenwurzel, Arnica, den Camphor u. s. w. als sehr bewährte Heilmittel.
III.nbsp; Dr. Lidl erkennt im Eingange seines umfassenden Gut­achtens die Umständlichkeit, Vollständigkeit und Sachkenntniss an, welche in den ihm vorgelegten Berichten über die zu Mar­bach herrschende Nervenkrankheit, ihren Charakter, Verlauf, ursächliche Verhältnisse, so wie über das prophylaktische und kurative Verfahren, niedergelegt seien, und hebt insbesondere die Klarheit und den Scharfsinn hervor, mit welchen der Be­richterstatter — Hoerdt — den fraglichen Gegenstand ebenso gründlich als vorurtheilfrei beleuchtet habe; nachdem somit
Würz, Kopfkiankbeit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
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hierüber Alles gleichsam erschöpft seie, könne er nur das be­reits Gesagte wiederholen und bestätigen.
Derselbe macht sofort die Mittheilung, dass im vorange­gangenen Jahre sowohl in Oestreich als in Ungarn eine ähn­liche Nervenkrankheit der Pferde geherrscht habe, welche ihrem Wesen nach mit der zu Marbach einheimischen in vollkommenem Einklänge stehe, sofern hier, wie dort, der Entstehung und Aus­bildung derselben die gleichen Ursachen zu Grunde liegen.
„Bei Thieren, — sagt er wörtlich — die durch einen grossen Theil des Jahres in warmen und dunstigen oder doch sehr gut geschlossenen Ställen gehalten, gut genährt werden und wenig Bewegung haben, müssen in Folge der daraus erwachsenden zu starken Erschlaffung der Haut­gebilde, unvollkommenen Sanguification und erhöhten Er­regbarkeit des Nervensystems, gar leicht Krankheiten sich entwickeln, die nach Verschiedenheit der individuellen Be­schaffenheit und Empfänglichkeit des Thieres und nach der Art und dem Ort, wie und wohin die Schädlichkeit zu­nächst wirkt, verschiedenartig sein werden, wenn gleich eine und dieselbe äussere Ursache zu Grunde liegt.quot; In Beziehung auf die Ursachen der Krankheit äussert sich Lidl folgendermassen:
„Die aufgeführten einzelnen ursächlichen Momente, die einestheils in der Beschaffenheit der Jahreszeit und Wit­terung, anderntheils in einer vorherrschenden Disposition bestehen, welche durch Verweichlichung und Verzärtlung der Thiere im Stalle, durch Mangel an gehöriger Bewe­gung und andere um die Frühlingszeit vorkommende schwä­chende Einwirkungen (Abhären, Säuggeschäft) erweckt werden, sind wichtig genug, um darin den hinreichenden Grund des Erkrankens zu finden, wenn sie nicht einzeln, sondern in ihrer Vereinigung berücksichtigt werden.
Indem nämlich die äussere veranlassende Ursache, welche als solche angenommen wurde, nämlich die am häufigsten im Frühjahre eintretende nasskalte Witterung, rauhe und heftige Winde, — nicht dem Albgestüt ausschliessend zukommen, sondern sehr oft auch in den Ebenen statt­finden und in den nördlichen Gegenden Europa's, wo viele und vortreffliche Gestüte bestehen, diese Witterungsver-
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hältnisse öfter und viel intensiver eintreten, aber dem un­geachtet die gedachte Nervenkrankheit dort gar nicht oder höchst selten bemerkt wird, da ferner dieselbe nur dann zum Vorschein kommt, wenn die gedachten üblen Witte­rungsverhältnisse eintreten; so ergibt sich aus dieser Be­trachtung das Resultat, dass das Klima an sich — gar nicht — und die genannte Witterungsbeschaffenheit nicht unbedingt, sondern nur dann die Krankheit zu erzeugen vermag, wenn ihr besonders günstige Lebensverhältnisse der Thiere, oder mit andern Worten, eine vorwaltende Empfänglichkeit dargeboten wird.quot; Dr. Lidl kommt sofort schliesslich zu folgenden Resul­taten :
a)nbsp; Das Ursächliche der Krankheit ist nicht enzootisch oder in klimatischen Verhältnissen des Aufenthaltsortes, son­dern in dem plötzlichen Umsprung der Witterung und den rauhen Winden gegründet, welche die Frühlingszeit oft herbeiführt;
b)nbsp; diese äussere Bedingung ist keine absolut wirkende Schäd­lichkeit, sondern sie bedarf zur Erregung der Krankheit noch der vorwaltenden Disposition der Thiere;
c)nbsp; nbsp;diese Disposition aber ist eben nicht einer vom Auslande stammenden Pferdera^e im höheren Grade, als der ein­heimischen eigenthümlich, auch hat Alter, Geschlecht und andere innere Verhältnisse der Thiere keinen vorzüglichen Einfluss darauf, sondern sie kann bei allen ohne Unter­schied durch mancherlei Fehler im diätetischen Verhalten erweckt und ausgebildet werden;
d)nbsp; dazu gehört vorzüglich der fortwährende Aufenthalt in allzuwarmen dunstigen Ställen, eine zu geringe Bewegung, bei guter und reichlicher Nahrung, eine im Verhältniss mit der äusseren Atmosphäre zu hohe Temperatur der Stallluft, wodurch der Körper und zumal die allgemeine Decke, die Schleimhäute der Luft- und Verdauungsorgane und das mit diesen Organen in vorzüglicher Beziehung stehende Nervensystem erschlafft und für die Kälte zu sehr empfindlich gemacht werden.
e)nbsp; Die nächste Folge der auf dergestalt disponirte Thiere plötzlich einwirkenden Schädlichkeit ist Erkältung und
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krankhafte ümstimmung der Thätigkeit vorzugsweise in jenen Organen, denen eine zu sehr erhöhte Erregbarkeit eigen wurde und auf welche die Schädlichkeit zunächst einwirkt oder die mit den davon getroffenen Organen in sympathisch- oder consensueller Verbindung stehen (das Haut-, Nerven- und Gefass-System), f) die daraus entspringenden Krankheiten sind nach Be­schaffenheit und Intensität der Schädlichkeit und nach der Verschiedenheit der individuellen Anlage, entzündliche Leiden, bald erysipelatöser, bald rheumatischer oder ka-tarrhöser Art, oft aber auch nervöse Krankheiten.quot; In Beziehung auf die Heilmethode, welche Autenrieth in seiner Brochure „über die hitzige Kopfkrankheitquot; damals als neu und bewährt empfohlen hat, bemerkt Dr. Lidl, dass dieses antiphlogistische Heilverfahren durchaus nichts neu Erdachtes enthalte. Als neu wäre etwa nur Autenrieths Antrag zu be­trachten, den kranken Thieren das Blut in so ungeheuerer Menge zu entziehen. Werde nun aber erwogen, dass die herrschende Krankheit keineswegs immer als entzündliches Leiden, sondern sehr oft auch als eine Nervenkrankheit sich dargestellt habe, so ergebe sich daraus die Ueberzeugung: dass Aderlässe über­haupt viel seltener, niemals aber in dem Uebermass indizirt ge­wesen sein konnten, wie man nicht ohne Erstaunen aus den Be­richten wahrgenommen habe.
Dr. Hering ist nach Autenrieth der erste Schriftsteller, welcher diese Krankheit in seinem Handbuch über spec. Patho­logie und Therapie 3. Aufl. 1858, S. 435 unter den Entzün­dungen als „acute oder halbacute Hirnentzündungquot; abgehandelt und beschrieben, überdiess seit einer Reihe von Jahren in den klinischen Jahresberichten der hiesigen Thierarzneischule in dem Repertorium der Thierheilkunde kurze Mittheilungen über ihren Charakter, ihre Behandlungsweise und Sektions-Ergebnisse ge­macht hat, aus welchen sich ergibt, dass auch der K. Thier­arzneischule alljährlich nicht wenige solcher Kranken zugeführt werden. Ebenso hat derselbe die Unterscheidungsmerkmale dieser Kopfkrankheit von dem chronischen Koller genau bezeichnet. (S. Repertorium der Thierheilkunde, 3. Jahrg., S. 218.)
Unter Anderen erwähnen von auswärtigen Collegen dieser Krankheit:
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Schutt in Wismar, dieser besonders auch bezüglich ihres Unterschieds vom Koller (s. Magazin f. d. ges. Thierheilkunde, Jahrg. 19, S. 253);
Schell und Leisering (s. Mittheilungen etc. von Gerlach und Leisering, 1. Jahrg., Ber. von 1852—53, S. 56);
Albert beschreibt sie unter dem Namen „acute Gehirn­wassersuchtquot;, in 8 interessanten Krankheitsfallen, wovon 4 Pa­tienten hergestellt wurden und 4 nach raschem Verlaute gestürzt sind (s. Magazin etc., Jahrg. 22, S. 175);
Block bezeichnet sie (s. Magazin für die ges. Thierheil­kunde, Jahrg. 22, S. 385) als Hirnblutschlag;
Kuhlmann (s. Mittheilungen etc. von Gerlach und Leisering, Jahrg. 3, Ber. 1854—55, 8. 54) als Nervenfieber, Typhus, er beobachtete sie unter den Pferden in einigen Ortschaften des Marienwerder'schen Kreises in der zweiten Hälfte des Sommers als Enzootie, mit raschem Verlaufe.
In der ausländischen Literatur liest man zuweilen ähn­liche Krankheitsbeschreibungen, aber auch unter verschiedener Benennung.
Sektions-Ergebnisse.
Es wird nicht leicht Sektionen geben, von welchen — wenn auch nicht in allen, so doch in sehr vielen Fällen — der Thier-arzt sowohl, als auch und besonders der Thierbesitzer, unbe­friedigter nach Hause zurückkehrt, als die nach fraglicher Krank­heit. Der Grund hievon ist lediglich darin zu suchen, dass die pathologischen Veränderungen in dem zunächst krank gewesenen Organe nach dem Tode seltener so materiell nachzuweisen, so­mit viel weniger in die Augen fallend sind, als bei jeder an­dern Krankheit, die nach Tetanus etwa ausgenommen. Die Re­sultate sind im Allgemeinen verschieden, nach der Form, dem Grade, der Ausdehnung und nach der kürzeren oder längeren Dauer der Krankheit.
Gewöhnlich bestehen sie in Blutreichthum, Blutüberfullung (Hyperämie) und in Erweiterungen der Gefässe, entweder der
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Gehirnhäute oder des Gehirns, oder beider zugleich, in An­schwellungen und dunkler Röthung der Adergeflechte, in mehr oder weniger Erguss von gelblichtem oder klarem Serum in die Gehirnkammern, zwischen die Gehirn- und Rückenraarkshäute und in den Rückenmarkskanal. Bald erscheint die Substanz des Gehirns dem Gefühle weicher, bald härter. Zuweilen findet man aber auch ausser Blutreichthum, geringem Erguss von Serum und Verdickungen der Adergeflechte, nichts Abnormes und be­denkt man, dass in Folge der letzten Anstrengungen und des Todeskampfes der betreffenden Thiere der Blutzufluss nach dem Gehirn und seinen Häuten ein grösserer und stärkerer ist und dass man oft bei — an andern Krankheiten — eingegangenen Pferden die gleiche Menge und selbst die gleiche Beschaffenheit Wassers findet, so reduzirt sich häufig der Sektions-Erfund auf beinahe Isichts. *
Führt ein mehr inflammatorischer Charakter und rascher Verlauf der Krankheit in 3—5 Tagen zum Tode, so zeigen sich die Injectionen und Röthungen sowohl in den kleinsten Gefässen der Gehirnhäute, als auch in der Masse des Gehirns selbst, in beiden Substanzen, besonders aber in der Rinden-Substanz, in einer bald mehr bald weniger graurüthlichten, in den höchsten Graden violetten Färbung und in einer Menge röthlichter, strei­figer Blutpunkte (Ecchymosen) bestehend. Solche capilläre Blut­ergüsse sind besonders auf den durch das Gehirn geführten Durchschnittflächen sichtbar, am stärksten auf der dem Kreis­gehen entgegengesetzten und auf der Seite, auf welcher das Thier zuletzt gelegen und eingegangen ist; zuweilen wird aus der Hyperaämie eine Hämorrhagie (Blut-Extravasation) zwischen die Lamellen der Häute, gewöhnlich im Sacke der Spinnweben­haut, manchmal an der Grundfläche des Gehirns und in die Schädelhöhle; die Zirbel ist geröthet und angeschwollen, ebenso
* In Fällen, wo Hyperämie des Gehirns und seiner Häute als alleinige pathologische Abweichung im Kadaver gefunden wird, könnte wohl die Frage entstehen: oh diese wirklich die Ursache des Todes seie oder nicht ? Dass in der Hyperämie Lähmung des Gehirns sich begründen lässt, ist wohl nicht zu bestreiten, zur Todesursache wird sie wohl nur mittelbar und dadurch werden, dass sie durch ihre Depression auf die Gehirnmasse materielle und dynamische Veränderungen in ihr hervorbringt, welch' letztere wir bis jetzt nicht nach­zuweisen vermögen.
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sind die Adergeflechte des grossen und kleinen Gehirns mehr oder weniger stark geröthet, trübe, angeschwollen und infiltrirt, zuweilen schon mit einzelnen sogenannten perlgrauen Körperchen von verschiedener Form und Grosse vergehen, meist geringer Erguss eines gelb-röthlichen Serums in den Gehirn-Ventrikeln und im Rückenmarkskanal, zuweilen Eüthungen der Häute des Rückenmarks; mehr oder weniger starke Injectionen und Rö-tliungen der Häute des kleinen Gehirns, in der Substanz des­selben Ecchymosen; diese Veränderungen am kleinen Gehirn und seinen Umgebungen finden sich in höherem Grade in der Regel bei den Sektionen solcher Kranken, welche sich durch Rück­wärtslaufen bemerkbar gemacht haben. In einem einzigen, am fünften Tage mit dem Tode geendeten Krankheitsfalle dieser Art fand ich bis jezt auf der Basis des kleinen Gehirns, un­mittelbar unter der pia mater, einen Abscess von der Grosse einer kleinen Nuss, mit einer dünnen eiterartigen Materie gefüllt.
Nach langsamerem Verlauf und längerer Dauer der Krank­heit ergeben sich zwar wohl auch noch Röthungen und Injec­tionen der Hirnhaut- und Hirngefässe und Blutpunkte auf den Durchschnittst!ächen der Gehirnmasse, doch weniger stark, da­gegen um so mehr Anhäufung von hellgelblichtem oder klarem Serum in den Gehirnventrikeln *, diese mitunter stark erweitert, die Gehirnmasse in hohem Grade von seröser Feuchtigkeit durch­drungen (Oedem.), dabei nicht selten gesprenkelt ecchymosirt, zuweilen das Gehirn härter, fester und blass von Farbe (Anä­mie), die Adergeflechte stark verdickt, in eine Schichte grau-gelblichten Exsudats gehüllt und mit den perlgrauen Körperchen versehen; ausserdem zuweilen Eiterbildung, Schwinden einzelner Gehirntheile, z. B. der Sehnerven bei Amaurotischen u. s. w. Bei zugegen gewesenem Leiden des Rückenmarks zeigen dessen Substanz sowohl, als dessen Häute mehr oder weniger dieselben pathologischen Veränderungen, wie sie beim Gehirn und seinen Häuten beobachtet werden. Ausserdem findet sich der Magen in der Regel klein, mehr oder weniger zusammengeschrumpft, mit wenig oder keinen Futterstoffen versehen, das Epithelium
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* Die Menge des krankhaften Ergusses kann, da das normale Quantum im einzelnen Falle nicht bekannt ist, nie bestimmt werden.
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schält sich ab; der Darmkanal ist meist blass, blutleer, zu­weilen etwas geröthet, die Leber in vielen Fällen von normaler Beschaffenheit, zuweilen blass und die Substanz mürbe, zuweilen aber auch gross und mit Blut angefüllt; das Blut überhaupt schwarz und flüssig.
In den Fällen, in welchen die Krankheit ursprünglich sich mit einem biliösen Fieber complicirt hat, finden sich ausser den genannten Veränderungen im Gehirn der Magen leer, die Schleim­haut desselben geröthet und die in ihm sich vorfindende Flüssig­keit zuweilen röthlich gefärbt, die Gedärme zusammengeschrumpft, die Peyers'chen Drüsen im Dünndarm injicirt und angeschwollen, jedoch nirgends Geschwürbildung, dagegen im Innern derselben bräunlichte, weinhefenartige Flüssigkeit, wie beim Abdominal-Typhus; im Dickdarm Eöthungen der Schleimhaut und zuweilen die eben beschriebene Flüssigkeit, die Oberfläche der Leber ge­röthet oder stark braun gefärbt, die Substanz weniger verändert mit wässrigtem Blute angefüllt, hier überhaupt wenig und dunkel-rothes schmieriges Blut.
Bei den Sektionen fanden sowohl Autenrieth als Hoerdt Ueberfüllungen der Blutgefässe des Gehirns und der Hirnhäute, mehr oder weniger Serum in den Gehirnkammern, Röthnngen und Anschwellungen der Adergeflechte, die Gehirnsubstanz bald weicher, bald härter als gewöhnlich, zuweilen aber auch nichts auffallend Abweichendes vom Normalzustand, das Blut von schwarzrother Beschaffenheit.
Dr. Hering * theilt folgende Sektionsdata mit:
„Blutreichthum in den Häuten des Gehirns (und Rücken­marks); die Substanz des Hirns bald härter, bald weicher, Wasser-Ansammlung zwischen den Häuten und den Ven­trikeln, oedematoese Auftreibung der Adergeflechte; der Magen klein, zusammengezogen, die weisse Haut abgelöst, die Leber nicht selten mürbe, der Darmkanal leer, hie und da geröthet oder gar ganz blass; das Blut weich coagulirt oder flüssig schwarz.quot; In dem klinischen Jahresberichte der hiesigen königl. Thier-arzneischule von 1844—45 fand derselbe in einem tödtlich ge-
* S. dessen spez. Pathologie und Therapie. Stuttgart. 3. Aufl. 1858. S. 437.
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endeten Krankheitsfalle mit krampfhaften Zufallen bei der Sektion einen plastischen Erguss (falsche Membran) auf der Oberfläche des kleinen Gehirns, verlängerten Markes und dem Halstheil des Rückenmarks.
In dem Jahresbericht von 1854—55 sagt derselbe über die Sektion von vier an dieser Krankheit verendeten Pferden, wo­von eines — als der Kosten der Heilung nicht mehr werth — getödtet wurde, das zweite nach dreiwöchiger Dauer der Krank­heit, das dritte schon am zweiten Tage der Behandlung und das vierte am vierten Tage, starb. Folgendes:
„Die Sektion zeigte nichts Charakteristisches; die Flüssig­keit und dunkle Farbe des Bluts wird in der Regel be­obachtet, allein eine Anhäufung desselben in einzelnen Organen ist nicht constant, es kommen Fälle vor, wo das Hirn eher blass als dunkel aussieht. Die Leber ist bald vergrössert und blutreich, bald normal oder gar verkleinert. In dem zweiten obenerwähnten Krankheitsfalle war der rechte Lappen sehr gross und dick, der linke dagegen sehr klein und am Rande völlig atrophisch.
Da einige Autoren geneigt sind, diese Krankheit als Typhus zu bezeichnen (wogegen der Anfangs oft ganz ruhige Puls spricht), so versteht es sich, dass man nach Geschwüren auf der Magen- und Darm-Schleimhaut suchte, allein ich habe nur sehr selten etwas gefunden, was man dafür ansehen könnte.quot;
Anlage. Ursächliche Momente.
Dass von dieser Krankheit vorzugsweise jüngere Pferde vom 5.—6.—8. Jahre ergriffen werden, ist Erfahrungssache, ebenso ist nachgewiesen, dass ihr nicht gar selten eine hereditäre An­lage zu Grunde liegt; so sind uns Pferdefamilien bekannt, in welchen sie besonders häufig beobachtet wird. Es bedarf darin gewöhnlich nur einer zufälligen Innern oder äussern Einwirkung, um sie zur Entwicklung zu bringen, wie z. B. der Nichtbefrie-digung des Geschlechtstriebs bei Stuten und Hengsten, des
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Zahnens, besonders beim letzten Zahnwechsel, oder auch anderer Aufregungen des Nervensystems.
Der Entstehungsursachen dieser Krankheit sind es mancherlei. Im Allgemeinen sind alle jene Einwirkungen zu denselben zu zählen, welche — vorbereitend oder veranlassend, — reizend, aufregend, deprimirend auf das Gehirn und Ifervensystem über­haupt wirken, Blutcongestionen nach dem Gehirn und Rücken­mark, Ueberfiillung der Gefösse mit Blut herbeiführen, oder dessen Rückfluss hindern. Hieher gehören meinen Erfahrungen gemäss hauptsächlich folgende:
Anhaltende Zugluft, schneller Wechsel der Temperatur, besonders zur Frühjahrszeit, wenn auf kühles oder kaltes Wetter schnell und anhaltend warmes Wetter, oder noch mehr, wenn auf warme Tage schnell kalte Witterung, kalte Regen, scharfe Nordostwinde folgen, wodurch Stockungen im Haarwechsel, Stö­rungen in der so wichtigen Hautfunktion des Pferdes und damit tief wirkende Erkältungen nicht allein und zunächst auf das Ge­hirn und Rückenmark, sondern auf das Nervenleben überhaupt erfolgen, auf welche (Erkältungen) sich in gar vielen, ja man wird beinahe sagen dürfen, in den meisten Fällen die veran­lassenden Ursachen dieser Krankheit zurückführen lassen. Diess trifft am häufigsten bei denjenigen Pferden zu, welche warm und weichlich gehalten werden, oder welche überhaupt vorherr­schend empfindlich sind, welch' letzteres namentlich beim ver­edelten und edlen Pferde der Falle ist, so lange es sich hart. Wie manches werthvolle Pferd ist schon das Opfer dieser Krank­heit geworden, entweder durch baldiges Abdecken und Abtrock­nenlassen, durch kaltes Waschen oder durch Stehenlassen im Luftzug mit schwitzender Haut, durch langes Halten vor den Häusern in zugigen Strassen oder Höfen, oder durch kaltes Regnen oder Schneien auf den unbedeckten Rücken, durch un­geschicktes Abreiben und dergleichen. — Ferner gehören hie-her anhaltende Sonnenhitze, heisse, trockene Sommer, eine schwüle Beschaffenheit der Atmosphäre überhaupt; sofort sehr anstrengender Gebrauch, starke Erhitzungen, besonders übereilte und rohe Dressur mit zu starkem Heraufnehmen des Kopfes und Halses, deren Folgen Blutüberfüllungen, Blutanhäufungen im Gehirn, gehinderter Rückfluss des Blutes, Störungen und Stasen im Blutumlauf und Druck auf das Gehirn und Rücken-
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mark * sind. Sodann eine zu nahrhafte kräftige Fütterung, besonders wenn sie schnell eintritt, zumal bei zu geringer — oder wie nicht selten während mehrerer Tage — gar mangeln­der Körperbewegung, dadurch erzeugte Vollblütigkeit, Orgas­mus und Turgescenz des Blutes; — anhaltende Trägheit (Ver­stopfung) des Darmkanals, so wie im Pfortadersystem; — zu warme dunstige Ställe, zumal wenn sie niedrig und feucht zu­gleich sind und tief im Boden stehen, ausserdem schlechtes ver­dorbenes Futter: stinkender Hafer, schimmlichtes Heu und Stroh und andere dergleichen Missgriffe im diätetischen Verhalten der Pferde. In neuerer Zeit will man auch die Beoachtung gemacht haben, dass durch die beim Transport auf den Eisenbahnen stattfindenden Erschütterungen, durch die Furcht vor dem Brau­sen der Lokomotive, durch das Geräusch der Waggons, somit durch die hiedurch herbeigeführte Aufregung des Gehirns und Nervensystems überhaupt, diese Krankheit veranlasst werde.
Bei den Militärpferden, namentlich den Remonten, sind es vorzugsweise drei ursächliche Einwirkungen, welche bald jede für sich, bald im Vereine mit einander^ nicht allein diese Krank­heit, sondern auch und noch mehr und so häufig den chronischen Koller zur Entwicklung bringen, nämlich: die veränderte bessere Körner-Fütterung, der Mangel an zureichender Bewegung, sonach zu vieles Stehen im warmen Stalle, besonders aber das nicht immer mit Rücksicht auf das jugendliche Alter und den Kräfte-zustand der Remontepferde in Ausübung kommende Dressiren.
Mögen die Stubengelehrten sagen, was sie wollen, die soge­nannten erfahrenen Männer sich auf ihre lange Erfahrung be­rufen; eine 30 Jahre hindurch ebenso ruhige, als genaue und vorurtheilsfreie Beobachtung und Prüfung hat mich zu der Ueber-zeugung kommen lassen, dass nur durch eine schonende und rücksichtsvolle Behandlung der Remonten und zunächst durch
* Es gibt leider nicht wenige Reiter, welche ohne Rücksicht darauf, ob Schwäche des betreffenden Thiers, oder eine im Charakter liegende Starr­sinnigkeit, dem Fortschritte der Dressur hemmend entgegenwirken, oder ob eine Krankheit im Hintergrunde liegt, mit allen Gewaltsmitteln, welche ihnen Hände und Füsse verleihen, zu Werke gehen und den Eigensinn häufig für immer brechen. Auf diese Weise wird manches schöne und gute Pferd zum mindesten zum Koller geritten (wenn es nicht ganz zu Grunde geht), das bei rücksichtsvoller und rationeller Behandlung sicherlich seinem Besitzer erbalten worden wäre.
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ein langsames und methodisches Vorwärtsschreiten in der Dressur obige Krankheitsformen, sowie andere Krankheiten verhütet wer­den, dagegen aber durch ein übereiltes Verfahren hiebei unaus­bleiblich eintreten.
Der Grundsatz, welcher in neuerer Zeit wieder häufig zur Geltung gebracht werden will: die Pferde ohne Unterschied so viel und so stark als möglich zu gebrauchen, zu reiten und zu fahren, sie überhaupt abzuhärten, findet am allerwenigsten seine Anwendung bei jungen, noch nicht hinlänglich entwickelten Pfer­den, und ist hier geradezu verwerflich.
Wie aus dem Obgesagten genugsam erhellt, so kommt die Kopfkrankheit auf unserer württembergischen Albhöhe und ihren Abhängen auch vorzugsweise im Frühling, bei schnellem und in auffallende Kontraste umschlagendem quot;Witterungswechsel, na­mentlich bei herrschenden scharfen Winden, nach kalten Regen­tagen, besonders auch zur Härungs- und Säugezeit, vor.
Man sucht auch dort die veranlassenden Ursachen hiezu vorzugsweise in peripherischen Erkältungen der Haut, begünstigt (wenigstens früher) durch die weichliche Erziehung und Haltung der Pferde in warmen Ställen während der Wintermonate. — Es ist Erfahrungssache, dass hiedurch die Hautthätigkeit sehr er­höht, die Haut selbst sehr weich und empfindlich wird, die Pferde sich im Frühjahr bei eintretender Sonnenwärme bald abhären und dass, wenn sie sodann von den auf der Alb so jäh und schnell eintretenden kalten und scharfen Winden betroffen oder gar der Nässe ausgesetzt werden, die Hautausdünstung schnell zurücktritt, und bei säugenden Stuten sich alsbald auch die Milch-Sekretion vermindert, wenn die Folge hievon nicht alsbaldige Milchversetzung ist.*
* Ritter führt in seinem Handbuch vom Eanf und Verkauf der Haus-thiere, Mannheim 1821, unter den die Anlagen und Ausbildung des Kollerraquo; bedingenden Ursachen an, dass die Entstehung des Kollers fast immer in Er­kältungen zu suchen sei und sucht diese Behauptung physiologisch dadurch zu belegen, dass die Thierschlacke (Thierstoff) im Körper zurückgehalten werde; er leitet überhaupt die meisten Erkrankungen des Pferdes hievon ab und glaubt, dass der Koller nach einer Erkältung hinnen einiger Tage ent­stehen könne.
Wenn Ritter die fragliche Kopfkrankheit der Pferde unter die Rubrik „Kollerquot; subsumirte, was früher von manchem Schriftsteller geschab, und wenn
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Der Grund, warum Erkältungen, welche an andern Orten Katarrhe, Druse, rheumatische Fieber, Brustentzündung, Koliken u. s. w. hervorbringen, auf der Alb und ihren Abhängen vor­zugsweise das Nervenleben und zunächst das Centralorgan er­greifen und die fatale Kopfkrankheit im Gefolge haben, scheint zunächst in dem deprimirenden Eindruck und in der ganz eigen-thümlichen, tief eindringenden Wirkung zu liegen, welche so­wohl die schnell eintretende Hitze, als auch und besonders die Kälte und der Witterungswechsel, besonders aber die unge­wöhnlich scharfe Albluft und ihr Zug auf den Gesammtorganis-mus hervorbringt.
Da man jedoch auch in diesen Gegenden die Erfahrung gemacht hat, dass die Kopfkrankheit von Zeit zu Zeit, zuweilen mehrere Jahre nach einander aussetzt, um dann auf einmal wieder hervorzutreten und vielleicht ein paar Jahre nach ein­ander zu herrschen und Opfer zu fordern, und zwar scheinbar unter gleichen Witterungs- und andern lokalen Verhältnissen, so dürfte hieraus wohl gefolgert werden, dass derselben noch besondere klimatische Einflüsse der Alb zu Grunde liegen, welche wir bis jetzt nicht kennen und welche wir desshalb auch nicht abzuwenden vermögen.
Was Wunder also, wenn zur Verhütung dieser Krankheit Mittel und Wege empfohlen und vorgeschlagen werden, die nicht gerade rationell klingen.
So wurde vor einigen Jahren im Schwab. Merkur von einem Mitglied des landwirthschaftlichen Bezirksvereines der Alb, als veranlassende Ursache der Kopfkrankheit das zu viele Putzen der Pferde bezeichnet.
In wiefern ein schlechtes Putzen und Reinigen der Baut zur Verminderung dieser Krankheit beitrage und ob solches nicht viel mehr andere Krankheiten nach sich ziehe, dürfte wohl erst zu ermitteln sein. Auf den Gestüten, wo auf Einen Wärter nicht selten sechs bis acht und noch mehr Pferde zum Putzen
er hiebe! zunächst diese acute Krankheit im Auge hatte, so muss ich ihm bezüglich der veranlassenden Ursachen dieser und vieler andern Krankheiten beim Pferde vollkommen und mit üeberzeugung beipflichten, wogegen aber die Ursachen des chronischen Kollers in andern Einflüssen — meist in Missgriffen im Regimen und in Missfaandlungen der Pferde — zu suchen sein dürften.
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kommen, werden diese in der Regel nicht zu gut geputzt, so dass sie in Folge hievon allein nicht zu sehr empfindlich wer­den und dass diess noch weniger beim Albbauern im Kuhstalle geschieht, wird wohl kaum bestritten werden können, und doch werden auch die Pferde des letzteren von der Kopfkrankheit befallen, hauptsächlich aber wegen Mangels an gehöriger Be­wegung Winters nach tiefem Schneefall und wegen unvernünftig warmer Haltung in einem mit Rindvieh zum grössern Theil an­gefüllten Stalle, dessen Temperatur nicht einmal dem letzteren zuträglich ist.
Hiebei kommen noch zwei weitere Umstände in Betracht, die gewiss jedem Vernünftigen als höchst bedenklich erscheinen müssen. Obwohl es nämlich anerkannt ist, dass Reinlichkeit in der ganzen Hältung für das Pferd eine wesentliche Lebens­bedingung ist und dasselbe weit eher einen Abbruch an Futter, als an jener verträgt, findet man unbegreiflicherweise immer noch bei manchem Landbewohner in einer Ecke seines Stalles einen förmlichen Güllenbehälter, während es andererseits und zugleich gar häufig vorkommt, dass der Mist zur Winterszeit nicht täglich, sondern wohl gar höchstens zweimal in der Woche aus dem Stalle entfernt wird, wodurch die Luft völlig verpestet zu wer­den pflegt und hinreichende Veranlassung zu Krankheitserschei­nungen, namentlich Augen-, Gehirn- und Lungen-Entzündungen gegeben ist, welche ihren Grund wesentlich in den verderb­lichen, chemisch nachgewiesenen Bestandtheilen der entstandenen Dünste haben.
Hiebei kommt mir übrigens eine Beobachtung ins Gedächt-niss, welche ich schon im Spätjahr 1835 auf einer hippologi-schen Reise nach Norddeutschland auf dem früher so berühmten Gestüt des Herzogs von Augustenburg zu Augustenburg auf Alsen gemacht habe. Dort wurden nämlich die Mutterstuten während der Dauer der Trächtigkeit nicht geputzt, so dass der Staub und Schmutz in den ziemlich langen glanzlosen Haaren im Monat November eine wahre Kruste bildete, und dennoch versicherte mich der Herzog selbst, dass er äusserst selten eine kranke Stute habe. Auch in dem königl. preussischen Friedrich-Wilhelms-Gestüt zu Neustadt an der Dosse wurden zu jener Zeit die auf die Waide gehenden Stuten und die in Laufställen gehaltenen jungen Pferde weniger gut geputzt, als die Hengste,
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weil man der Ansicht war, dass durch zu vieles Putzen die Haut für äussere Einflüsse zu empfindlich gemacht werde.
Als veranlassende Ursache der Kopfkrankheit führt auch Autenrieth in seiner obenerwähnten Brochure „über die hitzige Kopfkrankheit der Pferde, Tübingen 1823quot; auf:
Die schnell wechselnde Albwitterung, ohne allmähligen Uebergang von einer Temperatur zur andern, insbesondere den schnellen Wechsel der Wärme des Frühlings und Sommers mit der Kälte des Winters, welcher vom Ende Februars bis Ende Mai's nicht in einer Woche, sondern oft in einem Tage statt­finde; die rauhe, heftig bewegte und höchst veränderliche Alb­luft, sodann niedrige, mit wenigen und kleinen, im Winter gewöhnlich sorgfaltig verstopften Löchern versehene Stallungen, besonders wenn sie zugleich im Boden stehen, wodurch eine heisse, dumpfe, im letzteren Falle zugleich feuchte Stallluft gebildet werde, welche während des langen Winters auf der Alb die Nervenkraft der Pferde schwäche, sofort den unbe­friedigten Geschlechtstrieb, zumal bei wohlgenährten Stuten, eine zu nahrhafte Fütterung bei langer Winterruhe u. s. w.
In dem oben erwähnten Berichte von 1823 äussert sich der­selbe in ursächlicher Beziehung folgendermassen:
„Lange anhaltende Nordostwinde, heisse Sommer und lange Kälte begünstigen die Nervenkrankheit vorzugsweise. Nach jedem solchen Jahrgange erschien sie heftiger inner­halb meiner Dienstzeit.
In den milden und nassen Jahrgängen von 1813 bis 1817 kam sie selten vor. Etwas möchte doch der Atmos­phäre der Alb eigen sein, das der Thermometer nicht an­gibt, und das die eigenthümliche Anlage zu dieser Krank­heit zu geben scheint. Was sodann sichtbar diese An­lage zur wirklichen Ausbildung der Krankheit bringt, sind nach aller Wahrscheinlichkeit die heftigen Winde. Es seien nun aber gewisse klimatische Verhältnisse der Alb und selbst der weiteren Umgebungen derselben (indem diess Jahr die Krankheit auch in niederen Gegenden des Landes hie und da erschien), welche es wollen, die Ur­sache der Nervenkrankheit der Pferde; so zeigt die Er­fahrung entschieden, dass sie da am meisten vorkommt,
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wo am meisten Zugluft herrscht, und am wenigsten, wo die Pferde weder zu kalt noch zu warm gehalten werden, und vor allen Dingen, wo sie täglich massige Bewegung bekommen.quot; Es dürfte nicht uninteressant sein, von Autenrieth zu er­fahren , welche Behandlung der Gestütspferde zu Marbach zum Zweck der Verhütung und Abhaltung der Nervenkrankheit in früheren Jahren stattgefunden hat, wesshalb ich seine Mitthei­lungen hierüber wörtlich folgen lasse:
„Das Gestüt wurde auf die Waide getrieben, wenn hinreichend Gras vorhanden war, gewöhnlich gegen die Mitte Mai's, oft erst gegen Ende desselben. Nachts wurde es jederzeit in den Stall getrieben. Des Winters war seine einzige Bewegung zweimal täglich an den Brunnen im Hofe hin- und zurückgeführt zu werden.
Wenige Jahre wurde einmal unter einem Oberstall­meister (v. Boeder) der Versuch gemacht, die Stuten Winters täglich ins Grafenecker Wiesenthal hinauf und zurück zu treiben; grosse Verluste im darauf folgenden Frühjahre durch krepirte Stuten und verworfene Fohlen, durch diese oder andere Ursachen veranlasst, führten wieder zur früheren Stallruhe zurück. Unter dem Ober­stallmeister, Grafen von Gürliz, wurde der Tummelgarten am Hofe angelegt und das Gestüte täglich ein oder meh­rere Stunden dahingestellt, oder umhergetrieben. Der aus­bleibende Erfolg von gehofften minderen Krankheitsfallen wurde der den Winden ausgesetzten Lage beigemessen. Als der jetzige Stutengarten oben auf der Waide errichtet war, wurde das Gestüt nicht nur in den heissen Sommer­monaten daselbst über Nacht gelassen, sondern auch Win­ters täglich dahingetrieben, nach Beschaffenheit der Witte­rung auf kürzere oder längere Zeit, auch gewöhnlich das Mittags-Raufen-Futter daselbst aufgesteckt. Diese Be­handlung verhinderte jedoch nicht, dass vor 4 Jahren 16 und vor 3 Jahren 15 Stuten von der Nervenkrankheit befallen wurden und beinahe die Hälfte der Erkrankten krepirte.
Ich war lange der Ansicht, durch Abhärtung könne die Krankheit vermieden werden, und ich schlug alle Mittel
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dazu vor: die Luftlöcher, Luftkamine im Stalle, die Er­richtung eines Stutengartens und den Aufenthalt daselbst. In dem windstillen Vorwinter dieses Jahrs liess ich die Fenster offen. Doch waren alle diese Versuche ohne die gehoffte Wirkung.
Es ist auffallend, dass in dem untem, höheren, kälteren Theile des Stalls immer mehrere Stuten nervenkrank wer­den, als in dem oberen, niederen, wärmeren Theile des­selben. Noch mehr muss auffallen, dass sogar in dem ganz trockenen hölzernen Stalle in Grafeneck die Nerven­krankheit sich diess Frühjahr eingestellt hat, unerachtet die Thiere zweimal täglich sich auf dem ziemlich weiten Wege zur Tränke im Thale tummeln konnten. Schon früher wurde diese Krankheit daselbst beobachtet, als vor nenn Jahren einen Winter hindurch eine Anzahl Stuten dort aufgestellt war, die in Marbach nicht mehr Raum ge­funden.quot; Ho er dt spricht sich in dem obgenannten Gutachten von 1820 bezüglich der Aetiologie dieser Krankheit folgendermassen aus: „Die Ursachen dieser,- vorzüglich der Albgegend ange-hörigen Nervenkrankheit liegen theils in den klimatischen Verhältnissen der Albhöhe, theils in der weichlichen Er­ziehung der Pferde in warmen Ställen während der Winter­monate, so wie bei jenen Pferden von edler Raje aus milden Klimaten dahin verpflanzt.
Wenn man den Vorbereitungsursachen dieser Krankheit auf den Grund geht, so findet man zuerst, dass durch den Aufenthalt der Pferde in warmen Ställen beinahe sechs Monate den Winter hindurch, bei reichlicher Nahrung, das Respirations-System erschlafft und dagegen die Hautthä-tigkeit ungemein erhöht wird und dass dadurch die Pferde weichlich werden und Erkältungen um so eher und tiefer einwirken.
Je mehr die Thiere in warmen sorgfältig versperr­ten Ställen bei guter Fütterung und geringer Bewegung, überhaupt je weichlicher sie gehalten werden, desto höher steigt ihre Empfindlichkeit, auch wird dadurch das Ab­hären im Frühjahr mehr begünstigt und die allgemeine
Wön, Kopfkranklioit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
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Decke weniger gegen Kälte und Nässe geschützt. Da in die nämliche Zeit das Abfohlen fällt, wo die Stuten ohne-diess durch die Milch-Sekretion reizbarer sind, so ist eine schnelle Witterungsveränderung und der grosse Abstand der Stallluft gegen die äussere Atmosphäre, welcher die Thiere im Frühjahr auf der Waide ausgesetzt sind, ihrer Natur nach geeignet, diese Krankheit zu erzeugen.
Diese Behauptung wird auch durch die von mir im Jahr 1818 auf einer wissenschaftlichen Reise nach den nordischen Gegenden gemachten Erfahrungen bestätigt.
In Polen und Russland sind in den meisten Gestüten die Pferde den Winter hindurch in Ställen von Flecht­werk, oder in gegen die herrschenden Winde schützenden Schuppen untergebracht. Nach genauer Erkundigung über Gestütskrankheiten und ihre Behandlung ist mir in Russ­land gar nichts, in Polen nur in dem einzigen Gestüt des Grafen Radozky an der Weichsel von dieser Krankheit etwas bekannt geworden, wo sie zuweilen im Frühjahr, bei stark herrschenden Winden und ungewöhnlich lang anhal­tender Wasserhöhe, vorkömmt.
Selbst das Gräflich-Orloff'sche Gestüt in Kleinrussland, aus 1200 Stücken durchgängig veredelter morgenländischer Rage bestehend, befindet sich den Winter hindurch blos unter einem Schuppen, der ein grosses Viereck bildet, auf dem oben und an den Seiten eine Bretterwand angebracht ist, damit die Thiere im Trockenen gefüttert werden können. Nur trächtige Stuten, 14—20 Tage vor dem Abfohlen, kommen in den Stall, von wo sie aber nach 20—24 Ta­gen sammt ihren Fohlen schon wieder in den Schuppenhof ins Freie gebracht werden, obgleich die Kälte des Winters öfters auf 18—20 Grade steigt.
Im südlichen Russland sind von Tangenaroch am aso-wischen Meere bis an den Kaukasus hunderte von Ge­stüten, die gar nie unter Obdach kommen und Tag und Nacht auf unermesslichen, von Bäumen und Gesträuchen entblösten Steppen von mehreren hundert Stunden, wo keine Menschen wohnen, waiden, bei einer Kälte von 10—16 Graden.
Aber auch an diesen Orten ist keine andere Krankheit
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als die Drnse bekannt, wovon die jungen Fohlen bis zum zweiten, dritten Jahre bei dem üebergang vom Spätjahr zum Winter, wo die Nordwinde herrschen, befallen werden.
Ebenso sind in Polen und in den östreichischen Ge­stüten von grösserem Umfang die Pferde nirgends auf Ställe beschränkt, weil es eine längst erkannte Erfahrung ist, dass wenn die Pferde gut und reichlich genährt wer­den, sie sich auch bei grosser Kälte im Freien wohl be­finden.
Im mittägigen Frankreich, namentlich in der Provinz Limousin, sind die Zuchtpferde in Gestüten den Winter hindurch rauh gehalten und erhalten nie Hafer, hingegen viel gates und kräuterreiches Heu. Sie haben ein langes wollichtes Haar, ob sie gleich edle Pferde von morgen­ländischer Abkunft sind, und man kennt daselbst keine Krankheit, als die Druse und Halsentzündung, die oft unter den Fohlen im Früh- und Spätjahr seuchenhaft herrschen ; hingegen kennt man unter den Stuten als Folge von Er­kältungen der feinen, mit wenig Haaren besetzten Haut­stellen an den Umgebungen der Augen, — eine rheuma­tische Augen-Entzündung, auf die nicht selten der graue Staar und Blindheit folgt.
In der Is'ormandie sind den ganzen Winter hindurch die Pferde und Fohlen, ebenso das Rindvieh im Freien unter Unterstandshütten, oder bei den Wohnungen der Privaten unter bedeckten Schuppen, und es ist keine un­wichtige Erfahrung, dass sobald die normannischen Pferde oder Fohlen in warme Ställe kommen, sie an Druse und Lungenkrankheiten erkranken, welche oft innere Vereite­rungen und Wassersuchten zur Folge haben.
Ebenso sind in England das gemeine und das Halbrage-Pferd im Sommer ununterbrochen Tag und Nacht im Freien, im Winter aber nur unter Schuppen im zugemachten Hofe, wo sie freien Lauf haben, untergebracht.quot; In einem Gutachten vom Jahre 1823 schreibt Hoerdt weiter:
„Die Erfahrungen in diesem Frühjahre, bezüglich der Ursachen der Nervenkrankheit, sind um so wichtiger, als
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durch die ganz ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse, die man sonst meist nur in den höheren Albgegenden beob­achtet, in diesem Jahre, gerade zu der Zeit, wo auf vor­angegangene warme Tage im Februar und März auch im ünterlande auf einmal ein anhaltend kalter Nordostwind sich einstellte, ja sogar am 19. März ein tiefer Schnee fiel, — das bereits begonnene, zum Theil vollendete Hären der Pferde, sowie das Verlangen der Stuten nach dem Hengste, plötzlich unterbrochen wurde: Einflüsse, die immer auf das Gefäss- und Nervensystem feindlich rückwirken.quot; Derselbe bemerkt sodann noch, dass in Folge dieses schnellen und ungünstigen Wechsels der Witterung sich alsbald eine Menge nervenkranker Pferde auf dem Lande und in Städten gezeigt habe, und dass namentlich einem Fuhrmann von Berg, welcher während des Schneegestöbers nach Ulm gefahren seie, einige Tage nach seiner Rückkunft von seinen drei Pferden eines nach dem andern am Nervenfieber erkrankt und innerhalb zwanzig Tagen alle drei eingegangen seien.
Recapituliren wir nun die vorstehenden Mittheilungen und Erfahrungen über die Entstehungsursachen dieser schlimmen Krankheit, so ergibt sich hieraus, dass dieselben verschiedener Art, besonders aber und in der Hauptsache, dass sie aus Witte­rung und Jahreszeit hervorgegangen und extremer Natur sind. Auffallend erscheint in dem numerischen Verhältniss der Er­krankungen in den verschiedenen Jahreszeiten, dass gerade in den Monaten die Mortalität sich sehr gross zeigt, welche sich durch Wechsel im Witterungscharakter auszeichnen, namentlich von öfteren und schroffen üebergängen, kalten und warmen, regnerischen und windigen Tagen und Stunden begleitet zu sein pflegen, so wie dass auch die Hitze ihre Wirksamkeit äussert. Eine entweder zu niedere oder eine zu hohe Temperatur der Atmosphäre, besonders bei jähem üebergang von der einen zu der andern, somit also entweder die Kälte in ihrer eigen-thümlichen Schärfe der Nordostwinde und die tiefdringende Zug­luft, oder die schnell eintretende und anhaltende Hitze, Schwüle und Trockenheit in ihren eigenartigen Einwirkungen auf die ge-fäss- und nervenreiche Hautoberfläche des Pferdes sowohl, als und besonders auf das Gehirn, als die am wenigsten resistente Nervenmasse, und das Nervenleben überhaupt, — scheinen für
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die Entwicklung und Ausbildung derselben besonders bedingende Momente zu sein.
Diese Beobachtung wird nicht allein auf der Albhöhe und ihren Abhängen, obwohl vorzugsweise daselbst, sondern auch in niedern, flachen Gegenden unseres Landes gemacht.
Dass der Grund zu dem Heere von Krankheiten der Pferde, welche in Folge von Erkältungen entstehen, häufig schon in den Stallungen gelegt zu werden pflegt, ist eine beinahe täglich wahrnehmbare und unbestreitbare Thatsache.
Wie häufig findet man Pferdestallungen, besonders während des Winters, beinahe hennetisch verschlossen, die Luft darin nicht allein schlecht, stinkend, scharf, dem Auge Thränen ent­lockend, sondern zugleich auch übermässig warm.
Wie häufig wird nun aber die Einrichtung der Temperatur der Stallungen, — dieser Quelle entweder der Gesundheit oder vieler Krankheiten, — der Willkühr und dem Gutdünken un­wissender Stalldiener überlassen!
Wie durch eine solche verdorbene, mit ammoniakalischen Dünsten geschwängerte, an Sauerstofiquot; arme Stallluft das Blut in den Lungen nicht mehr gehörig decarbonisirt, desshalb dick und schwarz wird, dasselbe nach und nach eine fehlerhafte Mischung annimmt und besonders sich der Cruor unverhältnissmässig ver­mehrt und diess um so mehr, je weniger — zumal bei kräf­tiger Fütterung — die Pferde Bewegung in freier Luft erhalten, wie hiedurch eine vorherrschende Disposition zu verschiedenen Krankheiten erzeugt werden muss und wie überdiess bei solchen Pferden sich entwickelnde Krankheiten, seie es durch Selbst­bildung oder durch Ansteckung, einen viel bösartigeren Cha­rakter anzunehmen pflegen, — ist ebenso Erfahrungssache, als es einleuchtend ist, dass — wie schon oben bemerkt —• durch eine zu warme Stallluft die Haut der Pferde so empfindlich und verweichlicht wird, dass wenn sie kalter Witterung, zumal der Zugluft und scharfen Winden überhaupt exponirt werden, sie sich leicht erkälten, und um so leichter zur Härungszeit, wo die Pferde in einem halbkranken Zustande sich befinden. Fällt diese zufällig in eine warme Witterungsbeschafifenheit, so geht sie rasch und gut vorüber, fällt, aber dazwischen hinein kältere Witterung, wehen kalte, scharfe Winde, kommen Schneegestöber, kalte Regen, so erfolgen, wenn die Pferde nicht mit ausser-
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ordentlicher Vorsicht vor denselhen und zunächst durch warme Decken geschützt und vor Zugluft und Schweiss verwahrt werden, tiefwirkende Erkältungen und in Folge hievon, wie beinahe alle Frühjahr sattsam erweisen, entzündliche Krankheiten, wie Lungen-, Brust- und Rippenfell-Entzündungen, Influenza, Kopfkrankheit, zum Mindesten Strengel und Druse.
Hierüber darf man sich gar nicht wundern, wenn man die plötzliche Abwechslung der Temperatur erwägt, welcher die Pferde zur Winters- und Frühjahrszeit ausgesetzt sind. Mancher Stall hat eine Wärme von 12—14deg; R., und ausserhalb des Stalles steht nicht selten der Thermometer auf dem Gefrierpunkt oder 1—2deg; unter demselben, und doch werden die Pferde oft plötzlich aufgefordert, diesen Wechsel zu ertragen, und man verlangt ihn ohne nachtheilige Folgen für dieselben. Ja man verlangt noch mehr! In solchen warmen Ställen stehende Pferde sind dazu mit wollenen Decken bedeckt und diese werden ihnen in dem Augenblick abgenommen, wo sie der kälteren Luft aus­gesetzt werden sollen.
Ich bin hiemit weit entfernt, dem früher so hoch gepriesenen Abhärtungs-System das Wort reden zu wollen. Es gibt aber ein Sprüchwort im gewöhnlichen Leben, das heist: „Zu wenig und zu viel, verderbt alles Spiel.quot;
Extreme schaden! Hier gilt es mit Vorsicht und Behut­samkeit die goldene Mittelstrasse zu gehen, sie ist nicht so schwer zu finden, man darf hiebei nur die einzig richtige Lehr­meisterin der Natur: die „Erfahrungquot;, nicht aus dem Auge ver­lieren.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass, je mehr die Dienst­verhältnisse der Pferde ihren Aufenthalt in freier Luft bei jeder Witterung und Jahreszeit verlangen, sie um so leichter den Ein­flüssen derselben widerstehen und um so seltener in Folge dieser von Krankheiten befallen werden. Hievon liefern täglich Beweise die Pferde der Fiaker, der Lohnkutscher, der Droschkenkutscher, des Landfuhrmanns, die Postpferde, die Pferde beim einfachen Bauern, — wogegen die Luxus-, die Militärpferde u. s. w. welche die meiste Zeit des Tags im Stalle stehen, von jeder Witte­rungsveränderung abhängen, in Folge hievon leicht erkranken und namentlich auch viel mehr und öfter von der Kopfkrankheit ergriffen werden, als die obigen Arbeitspferde.
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Gleichwie die Entwicklung und Ausbildung des chronischen Kollers beim Pferde, wie jeder praktische Thierarzt weiss, häu­figer durch heisse Witterung und Jahreszeit, aber auch nicht selten durch anhaltende trockene Kälte begünstigt wird, so ver­hält es sich annähernd, wie die Erfahrung lehrt, mit der Kopf­krankheit der Pferde. Eigenthümlich ist übrigens, dass diese Krankheit nicht in allen heissen, trockenen Sommern beobachtet wird, wovon der letzte (1857) ungewöhnlich heisse und schwüle ein sprechender Zeuge ist, in dessen Laufe wenigstens hierorts nur wenige Erkrankungen dieser Art vorgekommen sind.
Der Grund hievon kann wohl in nichts Anderem, als in einer eigenthümlichen, durch den Einüuss der Electricität be­dingten Luftbeschaffenheit und deren besonderen Wirkung auf das Gehirn und Nervensystem überhaupt, gesucht und gefunden werden, wo sich die Extreme wirklich berühren. Dürfte sich aus diesem ursächlichen Zusammenhange, in welchem diese bei­den Krankheitszustände mit einander zu stehen scheinen, nicht zugleich auch ein verwandtschaftliches Verhältniss bezüglich ihrer Natur erblicken lassen?
Natur und Wesen der Krankheit.
Dass die prädisponirenden und Gelegenheitsursachen die nächste Ursache oder das Wesen der Krankheit bedingen, sowie dass für jede Therapeutik die Erkennung und Erforschung des letzteren von der grössten Wichtigkeit ist und endlich von der Erfüllung dieser Bedingung nicht nur eine rationelle Behandlung, sondern auch eine glückliche Heilung abhängt, sind in der Heil­kunde überhaupt unumstössliche Wahrheiten; aber hier stehen wir bezüglich des Wesens dieser Krankheit noch vor einem un-enthüllten Geheimniss.
Sie äussert sich zwar im Allgemeinen, ähnlich wie die höchst acute Gehirnentzündung, durch mehr oder weniger auf­fallende Störungen in den Gehirnfunktionen, bald in dem vom grossen Gehirn ausgehenden Bewusstsein, bald in den vom kleinen Gehirn, verlängerten Mark und Rückenmark ausgehenden Be-
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wegungen und in höheren Graden der Krankheit durch Ergriffen­sein beider Funktionen; worin aber diese Verletzung ihrem inner­sten Wesen nach zunächst bestehe, das wissen wir leider nicht, so viel Hypothesen in dieser Richtung auch schon aufgestellt worden sind.
Nirgends in der Pathologie herrscht, — wenigstens bei den Thierkrankheiten — noch so viel Unklarheit, ja tiefe Dunkelheit darüber, in welchem Zusammenhang Symptome und pathologische Veränderungen mit einander stehen, als gerade hei den Hirn­krankheiten.
Nur in seltenen Fällen kann aus den Symptomen auf das Kranksein eines einzelnen Gehirntheils ein sicherer Schluss ge­macht werden, und höchstens kann man bei einseitigem Ergriffen­sein des Gehirns durch den sich auf die entgegengesetzte Seite äussernden Druck auf ein Erkranken Einer Hemisphäre schliessen.
Welcher einzelne Gehirntheil aber zunächst, in welcher Weise und in welcher Ausdehnung krankhaft ergriffen sei, das aus den Symptomen zu erkennen, vermögen wir bis jetzt nicht und wird wohl noch lange ein zu lösendes Problem bleiben. Würden wir in den anatomischen Bau des Gehirns und der Nerven, so wie in die Verrichtung der einzelnen Gehirntheile eine tiefere Ein­sicht haben, auch die ihnen eigenthümlichen pathologischen Ver­änderungen uns so klar vorliegen, wie diess bei andern wich­tigen Organen des thierischen Körpers der Fall ist, z. B. bei Krankheiten im Lungengewehe, wo wir eine frische Hepatisation von einer alten leicht zu unterscheiden vermögen; so würde es uns wohl in dieser Beziehung auch vergönnt sein, etwas tiefer zu blicken, denn es wird doch wohl angenommen werden müssen, dass der abweichenden Funktion des einzelnen Gehirntheils auch eine pathologische Abweichung seines anatomischen Gewebes zum Grunde liege. Angenommen aber auch, wir wüssten, wel­cher einzelne Theil des Gehirns zunächst leidet, was würde es uns nützen, wenn uns damit nicht zugleich das Mittel gegeben wäre, die gegebene Krankheit zu beseitigen?
Bei den Thieren wird die klare Erkennung und Ermitt­lung der pathologischen Veränderungen im Gehirn stets noch viel grösseren Schwierigkeiten unterliegen, als diess bei den Menschen der Fall ist. Der Grund hieven ist einmal in der — wenigstens beim Beginn meist schleichenden und unmerk-
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liehen Entwicklungsweise des Krankheitszustandes und dann in dem bedeutenden Einfluss der Art und Weise zu suchen, unter welchen bei Menschen und Thieren der Tod erfolgt.
Dem Menschen kann man immerhin und unter allen Um­ständen eine der Krankheit entsprechende Lage auf seinem Schmerzenslager geben.
Ganz anders ist diess beim Thiere.
In der Mehrzahl der Fälle erfolgt, besonders bei kopf­kranken Pferden, der Tod erst dann, wenn der Patient kürzere oder längere Zeit auf dem Boden gelegen, sich auf demselben mehr oder weniger angestrengt und vergebliche Versuche zum Aufstehen gemacht, den Kopf bald auf die eine, bald auf die andere Seite geworfen, an harte Gegenstände angeschlagen und sich mitunter sogar stark beschädigt hat.
Hiedurch wird natürlich nicht allein der Umlauf des Blutes überhaupt sehr beschleunigt, sondern auch der Andrang des­selben nach dem Gehirn und seinen Umkleidungen ein unge­wöhnlich starker, so dass dann das Blut nicht gerade und vor­zugsweise dem bis dahin kranken einzelnen Gehirntheil, sondern auch den bisher noch gesund gewesenen Theilen des Organs, so­mit letzterem mehr oder weniger in seiner ganzen Ausdehnung, in gesteigertem Maase zuströmt, wesshalb man dann in den meisten Fällen üeberfüllungen und Erweiterungen der Gefässe nicht allein beinahe aller Gehirn-, sondern auch anderer an-gränzender Theile findet und man nicht immer zu unterschei­den vermag, welches der ursprünglich krank gewesene und der erst im Verlaufe oder im Todeskampfe noch in Mitleidenschaft gegangene Theil war.
Der pathologische und diagnostische Hauptpunkt bei oben beschriebenen Formen liegt besonders darin, dass dergleichen Krankheitsprozesse überhaupt einer verschiedenartigen Entfaltung nach Grad und Form ihrer Erscheinungen fähig sind und eben darum von diesem und jenem Beobachter — je nach den spe-ciellen Unterschieden der singulären Krankheitsfalle — sehr different erklärt und nosologisch eingetheilt werden.
Daher kommt es, dass wie schon oben gesagt worden, Autenrieth die Kopfkrankheit bald als eine Nervenkrankheit, bald als eine typhöse Gehirnentzündung, Hoerdt als eine reine Nervenkrankheit (Nervenfieber), dasK.Württ.Medicinal-Colle-
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gium in seiner gutachtlichen Aeusserung vom Jahre 1820 als eine Nervenkrankheit mit vorwaltender Gehirnaffection, und in seinem Gutachtem vom Jahre 1824 als eine sogenannte schlei­chende Entzündung der Central- und Hauptnerven des Gehirns und Rückenmarks erklärt; Hering sie als acute oder halbacute Hirnentzündung beschreibt, einige Autoren sie theils zu den asthenischen Hirnentzündungen, theils zu den Nervenfiebern, theils zu den hydropischen Leiden des Gehirns zählen, andere ihr die Benennungen: Hirncongestion, Hirnhyperämie, Hirnapo­plexie u. s. w. beilegen.
Obgleich hienach die Ansichten über das Wesen dieser Krankheit scheinbar divergiren, so ist doch keine derselben geradezu zu verwerfen, vielmehr trägt jede ihre Wahrheit in sich.
Je mehr und je genauer wir die Symptome derselben, ihren Verlauf, die ursächlichen Momente und Sektions-Ergebnisse mit einander vergleichen und zusammenhalten, um so mehr gewinnt für uns die Ansicht festen Boden, dass die fragliche Krankheit in der Mehrzahl der Fälle ursprünglich allerdings in einer bald rasch, bald schleichend sich entwickelnden sogenannten halb-acuten Gehirn- und Gehirnhäute-Entzündung (Phrenitis sub-acuta et inflammatio membranarum cerebri), oder auch aller zugleich, mit erethischem Charakter, bestehe, dass sie sich aber auch durch ein gleichzeitiges tiefes Ergriffensein anderer Theile des Nervensystems (nebst dem grossen und kleinen Gehirn), namentlich des Hirnknoten, verlängerten Marks, des Rücken­marks und der aus ihnen entspringenden Nerven, auszeichne.
In diesem Betrachte dürfte sie — nach der Analogie mit den Krankheiten der Menschen — der Familie der sogenannten Neurophlogosen nahe kommen, welche einerseits mit den Phlo-gosen (Entzündungen), anderseits durch den grossen Antheil des Nervensystems mit den Neurosen (Nervenleiden), in ver­wandtschaftlicher Beziehung stehen, und welche sich durch eine entschiedene Neigung zur Lähmung auszeichnen. (Tnflammationes neuroparalyticae nach Kanzler von Autenrieth, dem Bruder des oft genannten Stallmeisters.)
Mehr oder weniger starker Irritations- und Congestions-Zustand im Gehirn und seinen Häuten, Blutfulle (Hyperämie)
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in denselben, Steigerung der Funktionen des Gefäss-Systems, allgemein erhöhte Sensibilität, mehr oder weniger Ergriffensein des Nervenlebens und diesem entsprechende Mattigkeit und Ab­geschlagenheit des Organismus überhaupt, Entwicklung einer Gehirnhäute- und Gehirn-Entzündung mit erethischem oder selbst synochalem Fiebercharakter, bezeichnen die er ethische Form der Krankheit; sodann schleichend und unvermerkt auftre­tende passive Congestionen und Stasen mit allmählig sich ver­stärkender Druckwirkung auf das — bei Wahrnehmung der Krankheitserscheinungen — schon dynamisch erkrankte Gehirn (und Kervenleben), Torpidät als Grundcharakter und vorherr­schende Neigung zur Lähmung, Abspannung des Gefass-Systems, im Verlaufe seröse Ergiessungen in die Gehirnkammern und zwischen die häutigen Umhüllungen, anhaltender Blut- und Wasserdruck auf die Nervenmasse, hiedurch sofort auch ma­terielle und weitere dynamische Veränderungen in derselben, im Gefolge hievon die obenbeschriebenen Abnormitäten und Störungen in der Gehirn- und Rückenmarksthätigkeit, charak-terisiren die torpide Form.
Es kann hienach nicht wohl verkannt werden, dass die ge­nannten Krankheitsformen in ihren Symptomen den gemischten Charakter der Congestion und Entzündung an sich tragen, und dass auch gleichzeitig ein mehr oder weniger tiefes Erkrankt­sein des Gehirns und Nervensystems überhaupt besteht, dass somit diese Zustände sowohl in einander übergehen, als auch neben einander bestehen können.
Unstreitig liegt denselben aber ein adynamischer Fieber­zustand zu Grunde, was schon durch den gemeinhin nervösen Charakter erhellt. Solcherlei Fiebergattung aber zeichnet sich dadurch aus, dass die Naturheilkraft gebricht, um die Krank­heit zu günstiger Entscheidung zu bringen, dagegen folgen ent­weder bald üble Ausgänge, oder ein langsames Hinsiechen, wenn man eine Durchschnittsberechnung unter den vorkommenden Krankheitsfällen anstellt.
Wie bei dieser Krankheit das Gefässleben die Nervenkraft überragt, erhellt vornämlich aus der kürzeren Dauer des ersten Krankheitsstadiums (das der Suppression) und dem schnellen Uebergang in die ungleich längere zweite und dritte Krankheits­periode (Irritation, Transudation); Nervenalteration, Congestions-
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oder Entzündungs-Symptome und Desorganisatioiiszufalle folgen hiebei charakteristisch auf einander.
Hierin liegt wohl das eine Hauptmoment, welches das ganze Pferdegeschlecht für diese Krankheitsformen sehr empfänglich macht (ursprüngliche Anlage, Disposition); das andere liegt in dem Umstände, dass die Hautthätigkeit durch die mit mehr oder weniger Anstrengung und starker Körperbewegung verbun­denen Dienstleistungen beim Pferde vorherrschend in Anspruch genommen wird (Opportunität), eben desshalb in einem Klima von vielem und schroffem Wechsel der atmosphärischen Ver­hältnisse, Wärme und Kälte-, Feuchtigkeit- und Trockenheits­graden der Luft u. s. w. (Occasionalität) die nächste Veran­lassung zum Erkranken abgibt. — Die letztere ätiologische Bedingung bestimmt die rheumatische Natur, die erstere den nervösen Anstrich des Krankheitscharakters, und kommt noch hinzu, dass constitutionelle und accidentelle Umstände, z. B. die Kage-Eigenthümlichkeit des edlen Pferdes, erhöhte Temperatur­grade der Jahreszeit (Frühlingswärme, Sonnenhitze) besonders in Verbindung mit Feuchtigkeit (dunstige Stallungen), ungesunde Nahrungsmittel, auf die Magen-, Darm- und Leberfunktionen, Secretion der Schleimhäute, Gallen-Excretion u. s. w. nachthei­lig wirken, so ergibt sich ein drittes Bildungsmoment der Krank­heitserscheinung, nämlich die gastrische oder biliöse Krankheits-Complication.
Je mehr die fragliche Krankheit mit einem erethisch-syno-chalen Fiebercharakter auftritt und je stärker und dauernder die Anfälle sind, um so mehr sind bei der Entzündung des Ge­hirns auch die Gehirnhäute betheiligt.
Das beweisen die Sektionen solcher Kranken, welche im ersten Stadium derselben eingehen.
Der Tod erfolgt hier, wie schon oben berührt worden ist, durch Blutüberfüllung (Hyperämie) des Gehirns und seiner Häute, selbst durch Blutaustritt (Extravasatio) an Gehirnlähmung (Apo­plexie).
Tritt die Krankheit mit ihrem gewöhnlichen erethischen Charakter und mit weniger Heftigkeit auf, der nicht selten die rheumatische Natur an sich trägt, so sind die Aufregungen und Tobanfälle weniger kräftig und gehen in der Regel bald vorüber.
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Hier scheint der Sitz des Leidens weniger im Gehirn selbst, als in den Gehirnhäuten zu sein, wofür die Wahrnehmungen sprechen dürften, dass so häufig weder das Bewusstsein, noch das Gemeingefühl besonders abgeändert erscheinen. Um so schneller aber erfolgen hier die seroesen Transudate und damit die schlimmen paralytischen Erscheinungen.
Entwickelt sich dieselbe in ihrer torpiden Form, unter den Symptomen starker Depression der Gehirnthätigkeit und des Darniederliegens und tiefen Gesunkenseins des ganzen Nerven­lebens, so scheint das Leiden im Gehirn selbst, mitunter zu­gleich im Rückenmark und seinen Nerven, sich fixirt zu haben und zwar macht es auf den Beobachter den Eindruck, als ob es mehr in der Tiefe des Gehirns, in seinen Höhlen, vielleicht im Ependyma der Gehirnventrikel, sich befinde.
Die nächsten Folgen hievon sind seröse Ergiessungen in die Gehirnkammern (Hydropsie) mit den bekannten paralytischen Erscheinungen und da nach dem Tode hiebei vorzugsweise die Adergeflechte mehr oder weniger stark geröthet und mit Aus­schwitzungen versehen gefunden werden; so dürfte diesem Krank­heitszustand gleichzeitig auch eine schleichende Entzündung der Adergeflechte su Grunde liegen.
Entwickelt sich die Krankheit im Verlaufe eines biliösen Fiebers, so steht sie offenbar dem Typhus weniger ferne, denn dafür sprechen nicht allein die Symptome, sondern besonders auch die Sektions-Data. Hier scheint offenbar eine veränderte Blutmischung und in Folge hievon eine mangelhafte Ernährung des Gehirns und Nervensystems, als nächste Ursache der Krank­heit, betrachtet werden zu müssen.
Aus den Sektions-Erfunden, welche im Wesentlichen alle mit einander übereinstimmen und auf welche doch immerhin ein grosser Werth gelegt werden muss, ergibt sich klar, dass so­wohl die starken Blutanhäufungen im Gehirn und Rückenmark, als auch die Entzündungs-Exsudate, — wegen des ihnen ge­gebenen geringen Raumes bald einen bedeutenden Druck auf das Gehirn ausüben und lähmend auf seine Funktionen wirken, so wie dass bezüglich der Sektionen ohne Wahrnehmung in die Augen fallender Veränderungen, — die früher zugegen gewesenen Compressiv-Erscheinungen wohl verschwinden können, dass aber
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dagegen die Zeichen des dynamischen Leidens zurückbleiben und ebenso nachtheilig fortwirken.
Leider gewähren die bisherigen Erfahrungen bei dieser Krankheit nur geringe Hoffnung zur baldigen Ermittlung eines sichern Heilverfahrens gegen dieselbe, sie geben vielmehr der Befürchtung Raum, dass wir nicht so bald so glücklich sein werden, derselben ein Specificum entgegensetzen zu können.
Therapie.
In Bezug auf das therapeutische Verfahren bei dieser Krank­heit sind die Aerzte von jeher ebenso verschiedener Ansicht gewesen, als das Wesen derselben verschieden beurtheilt wor­den ist.
Es werden desshalb nicht leicht bei einer Krankheit so viele und so verschiedenartige Mittel in Anwendung und Ge­brauch .gekommen sein, wie bei dieser. Der Arzneischatz gegen sie ist nahezu als erschöpft zu betrachten.
Bald wurde die antiphlogistische mit der ausleerenden, bald die stärkende und irritirende Heilmethode, bald wurden Nerven­mittel, bald speeifische Mittel angewendet, und bei jedem Ver­fahren traten mehr oder weniger grosse Verluste ein. Thier-ärzte der verschiedensten Schulen, Stallmeister, Menschenärzte haben darüber nachgedacht, das Wesen zu eruiren gesucht und einen Heilplan angegeben, aber trotz aller dieser wissenschaft­lichen Bestrebungen ist die Sache sich gleich geblieben; viele, ja die meisten Kranken giengen und gehen noch jetzt an dem üebel zu Grunde. Es wird daher nicht befremden, wenn in mir längst der Wunsch erwacht und wiederholt von mir geäussert worden ist, einmal den Versuch machen zu können, ein oder einige solcher kopfkranken Pferde der Selbsthülfe der Natur (Physiatrik) zu überlassen, höchstens ihnen in einem Laufstall die geeigneten Futterstoffe, Kleie, Klee, nebst Getränke zu geben, um dann den Verlauf der Krankheit rein und ohne alle Störung beobachten zu können. Zwar muss ich mir anderer­seits selbst gestehen, dass der Versuch durch Naturheilung eines
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oder einiger Patienten wohl schwerlich einen genügenden Auf-schluss über Natur und Verlauf der Krankheit gewähren werde, da sich ja bei ihr nicht nur mehrere Formen, sondern auch verschiedene Ursachen unterscheiden lassen, welche Abweichungen von der Regel und Verwicklungen in dem Krankheitsbilde her­vorbringen, somit immerhin auch Rücksichten beim kurativen Verfahren derselben erheischen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;.
Autenrieth's Behandlungsweise bestand hauptsächlich in grossen Aderlässen, in Reichung von Mittelsalzen, welchen er auch alsbald die Salzsäure folgen Hess.
Es dürfte nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie Anten­ne th seiner Zeit zur Anwendung der Salzsäure bei der Kopf­krankheit gekommen ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; fi
In einem Schreiben ohne Datum äussert sich derselbe hier­über, sowie über die Behandlung der Krankheit im Allgemeinen, folgendermassen:
„Die gewöhnliche Behandlung der Nervenkrankheit bei den Landleuten der Alb war von jeher Aderlassen und Salpeter, manchmalen auch Schwefelmittel, welche letztere aber nie durch guten Erfolg sich in Credit setzten.
Durch das Aderlassen und den Salpeter wird im Durch­schnitt das fünfte bis sechste Pferd gerettet. Die aller­meisten der Genesenen bleiben aber etwas dumm.
Auf den Gestüten, z. B. hier in Marbach, war die ge­wöhnliche Kur auch das Aderlassen und die Mittelsalze, Salpeter und Friederichsalz, nebst den sogenannten Ner­venmitteln, z. B. Camphor, Baldrian, Asa foetida, Kalmus. Der vierte Theil genas auf die Anwendung des Ader-lassens und der Mittelsalze, blieb aber meist auch dumm. Die sogenannten Nervenmittel waren entweder dabei un­schädlich, oder es krepirten die Pferde bei ihrer fortge­setzten Anwendung, wenn das Aderlassen und die Mittel­salze ihre Wirkung nicht gethan hatten. Unter Herzog Carl wurden ein paarmal die Leibärzte hiehergeschickt, die seuchenartig herrschende Nervenkrankheit zu bezwingen. Sie versuchten alle Mittel, die bei den Menschen ange­wendet werden, aber vergebens, denn auch dazumal be­handelte man die Nervenkrankheit der Menschen mehr reizend, wie jetzt. Ihre Versuche missglückten ganz.
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Vor ungefähr 7—8 Jahren war eine Stute nervenkrank und hatte zugleich Halsentzündung, wie öfters der Fall ist. Ich suchte die Halsentzündung zu heilen, damit we­nigstens das Pferd möglicherweise von der Nervenkrankheit genesen könne. Mit der Halsentzündung hob sich aber die Nervenkrankheit so schnell, dass ich Verdacht auf das Mittel, die Salzsäure, warf, und diese bei andern Patienten, die die Nervenkrankheit ohne Halsentzündung hatten, wiederum versuchte.
Sie genasen Alle in kurzer Zeit. So war ich 3—4 Jahre glücklich. Nur ein paar Stuten, die zugleich an der Lunge litten, giengen zu Grunde. Hier und auf den Fohlenge-stüten wurden vielleicht bis jetzt 40—50 Stücke Pferde durch die Salzsäure gerettet.
Voriges Jahr fehlte sie mir zum ersten Mal.
Die Erscheinungen der Krankheit waren die gewöhn­lichen, nur waren es meist ausländische Pferde. Ich kann sogar aber auch nicht sagen, dass die Anfälle heftiger, schneller gewesen, wie sonst. Ich gebrauchte die Salz­säure fort, weil die Untauglichkeit oder selbst die Schäd­lichkeit anderer, besonders der sogenannten Nervenmittel, zu lange und zu oft erprobt waren. Die Hälfte der Kranken genas, die andere Hälfte krepirte. Gerade so ging es diess Jahr. Von anderer Seite wurden manchmal alle sogenannten Nervenmittel versucht, auch das Quecksilber, letzteres blieb ohne Wirkung, erstere beförderten auffallend den Tod.
Die Salzsäure war bis daher von entschiedener Wirkung gewesen; ich gerieth in Verzweiflung, dass ihre Wirkung versagte und ich von dem Aderlass und den Mittelsalzen keine Hoffnung haben zu dürfen glaubte, als ein anderer Techniker hieher kam und Anfangs bei Befolgung der reizenden Methode zwei Stuten auffallend schnell zu Tode befördert sähe. Er wurde dadurch misstrauisch gegen diese reizende Methode und alle sogenannten Nervenmittel; er hörte von mir die Geschichte der Krankheit, ihre ver­schiedenen Behandlungen und deren Folgen auf dem Lande, machte noch einige Versuche mit Bauernstuten und über­zeugte sich sodann von der Nothwendigkeit der schwächenden
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Heilmethode. Er rieth mir, die Aderlässe und Mittelsalze, die bisher nur in geringem Maase angewandt, einen un-sichern und seltenen Erfolg gezeigt hatten, beherzter an­zuwenden.
Ich bekam nach seiner Abreise einige Patienten, deren Krankheitsanfälle höchst drohend und die Hülfe ebenso dringend war. Die Verzweiflung machte mich entschlossen, ich Hess ihnen eine sehr grosso Menge Bluts, mehrere Maase auf Einmal, gab eine grosse Portion Mittelsalze, um den Darmkanal zu entleeren, und fieng sodann nach einer halben Stunde den Gebranch der Salzsäure an. Nach 24 Stunden war schon alle Hoffnung der Genesung vor­handen und die, die das meiste Blut verloren hatten, er­holten sich -am schnellsten.quot;
Autenrieth hielt die Salzsäure nach vorausgegangener Aderlässe für weit wirksamer, als die Mittelsalze, er glaubte, sie gebe dem Blut seinen verlorenen Sauerstoff wieder und wollte beobachtet haben, dass beim Gebrauch derselben nie ein Pferd kollerig geblieben seie.
Auch Walz empfiehlt die Salzsäure zu 2—3 Loth per Tag mit süsslicht schleimigten Mitteln, massige Aderlässe und das Hb. Digital, purp. bei vorhandenem Gefassfieber mit schnellem, schwachem Pulse.
Es wird kaum bezweifelt werden können, dass zu jener Zeit, als Autenrieth die vorgenannten Mittel mit so gutem Erfolge angewendet hatte, die Krankheit der betreffenden Pferde mehr den rein entzündlichen (synochalen) Charakter an sich trug, wie er überhaupt auf der Alb der vorherrschende zu sein pflegt und dass die rasche Herstellung vorzugsweise der unge­säumten und kräftigen Blutentleerung zuzuschreiben und zu ver­danken war.
Einen minder günstigen Erfolg musste natürlich das gleiche
—nbsp; energische and tief in die Organisation eingreifende — Ver­fahren bei solchen Kranken haben, bei welchen die Krankheit
—nbsp; bedingt durch Jahreszeit, Witterung und Constitution, — einen weniger entzündlichen, mehr erethischen oder gar torpi-den Charakter hatte. Hier mussten offenbar grosse Aderlässe nachtheilig wirken und nach umständen schnellen Tod durch
Würz, Kopfkrankheit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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partielle oder allgemeine Lähmung herbeiführen, ein Ausgang, \velcher schon zu jener Zeit nicht selten beobachtet wurde.
Autenrieth hat hiedurch bewiesen, dass er nicht wirk­licher Thierarzt war; wäre er diess gewesen, so hätte eine ge­naue Beobachtung der Kranken und ein tieferes Studium der Krankheit ihn bald den Grund finden lassen müssen, warum ihn jetzt seine hochgepriesenen, für specifisch gehaltenen Mittel, auf einmal verliessen. Es ist diess ein sprechender Beweis dafür, dass eine und dieselbe Krankheit nicht zu allen Zeiten und nicht in allen von ihr ergriffenen Individuen mit dem gleichen Charakter erscheint, somit auch nicht mit den gleichen Mitteln behandelt werden kann und darf, und dass selbst bei einzelnen Kranken wieder Nüancirungen im Krankheitsbilde vorkommen, welche ein modifizirtes Verfahren — gegenüber von andern — erfordern, was aber lediglich dem Urtheil des erfahrenen Arztes überlassen werden muss.
Hoerdt behandelte solche Kranke Anfangs auch mit Salzen: Nitr. dep., Cremor tartari, mit Calomel, Tart, stibiat. etc., bis weiche Darmentleerungen eintraten, abwechselnd gab er auch Schwefel-, sodann Nervenmittel: Gummi Asae foetid., Radix Angelicae, Sal Cornu Cervi mit oder ohne 01. Terebinthinae; sehr gerne reichte er damals Tränke: Infusionen von Radix Angelicae, Rad. Arnicae, Calami aromat., Baccae Juniperi, und setzte solchen dann ziemlich starke Gaben des Elixir acid. Halleri., des Spirit. Minderen, der Essentia castorei u. s. w. bei.
In der Regel Hess Hoerdt Anfangs zur Ader, besonders bei Gehirndruck und aufgeregter Gehirnthätigkeit, applizirte Haar­seile oder scharfe Salben hinter die Ohren, Hess die Kälte auf den Kopf einwirken, oder wandte reizende Einreibungen aus Essig und Senfmehl längs des Rückens, im Verlauf auch das Feuer auf dem Kopfe und dem Rücken, an.
Das Autenrieth'sche, wie das Hoerdt'scheKur-Ergebniss waren im Allgemeinen das gleiche, wie es noch heut zu Tage ist; in einzelnen Jahrgängen und zu gewissen Zeiten, in welchen die Krankheit weniger gefährlich auftrat, genasen wohl mehrere, in andern dagegen gieng die Mehrzahl der Kranken zu Grunde.
Mein Heilverfahren basire ich lediglich auf die Form, den Charakter des Fiebers und das Stadium der Krankheit. Ich betrachte hiebei als Hauptaufgabe die möglichst baldige Besei-
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tigung der Congestionen nach dein Kopfe. Ist der Charakter der mehr entzündliche, Gehirnthätigkeit und Kreislauf mehr oder weniger aufgeregt, der Gehirndruck stark, das Auge stier, so wird die Antiphlogose in Stärke und umfang je nach der Inten­sität des Fiebers und der Gehirnaufregung oder der Entzündung in Anwendung gebracht, dabei aber nie unberücksichtigt ge­lassen, dass dem Stadium der Aufregung sehr bald das Stadium der Torpidität folgt. Die sich bei solchen Kranken äussernden Zeichen von Schwäche sind nicht immer ein Ausdruck von wirk­licher Schwäche des Wirkungsvermögens, sie beruhen vielmehr häufig nur auf einer Suspension der Kraftäusserung.
Nach meinen Erfahrungen nützt die Anwendung des anti-phlogistischen Heilapparats um so mehr, je früher man ihn in Gebrauch zieht; wo dieser nicht von vornherein das Beste thut, da ist die Aussicht stets schlecht. Zu intensiven Antiphlo-gosen darf man sich aber auch durch die Heftigkeit der Anfälle und Fiebererscheinungen ebenso wenig verleiten lassen, weil Wasserergiessungen, Erschöpfung der Kranken und Störung im normalen Verlaufe der Krankheit die unausbleiblichen Folgen derselben sind.
Demgemäss mache ich — besonders bei jungen kräftigen Pferden, wo die Symptome den Anschein von sthenischer In­flammation oder wenigstens von stärkeren activen Congestionen haben I—2—3 Aderlässe von 4—6—8—12 Pfd. Blut. Dieses ist nicht nur in seltenen Fällen dick und schwarz, sondern hat meist die Beschaffenheit von gewöhnlichem venösem Blute (eher dünn­flüssiger. * )
Dem mehr oder weniger starken Andränge des Blutes nach dem Kopfe setze ich im Anfange kalte Ueberschläge von fri­schem Wasser, oder von Wasser, Essig und Salz oder von Eis­wasser **, — mittelst mehrfach zusammengelegter Leinwand, — reizende Klystiere u. s. w. entgegen. Innerlich erhalten solche
* Je weicher nach dem Gerinnen der Blutknchen, je dicker die gelblicht weisse, speckigte Faserstoffkruste auf seiner Oberfläche (Crustafalsa) und je reicher das Blut an Serum ist, um so vorsichtiger und schonender ist bei den Venaesectionen zu verfahren.
** Nicht alle Individuen ertragen die Ueberschläge von Eis gut; sehr edle und empfindliche werden nicht selten davon aufgeregt, so dass ihre Entfernung gerathen ist.
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Kranken — je nach der Heftigkeit des Anfalls — in den ersten 3—4 Tagen entweder 4—6 Gaben per Tag: Nitr. dep. Sjj bis ff? mit Natrum sulphuric. fj(S bis fjj oder das Natr. sulphuric, mit Tart. stibiat., letzteren zu bis 9jj pr. D.; sofort Cremor tartari je nach Umständen noch mit Natrum sulphuric, oder auch schon mit Arnica.
Macht die Krankheit bis zum zweiten, dritten Tage einen Stillstand oder gar Fortschritte zur Besserung, d. h. wird das Gehirn freier, das Auge heller, im Ausdrucke natürlicher, das Thier überhaupt lebhafter, die Lust zum Fressen grosser, hebt sich der Puls allmählig auf seine normale Zahl; — so kann man einige Hoffnung zur Erhaltung des Thieres haben, voraus­gesetzt, dass es noch längere Zeit in diätetischer Beziehung mit vieler Vorsicht und Rücksicht behandelt wird, auch die Witte­rung nicht gerade sehr ungünstig einwirkt; denn wie oben be­merkt, — grosse Hitze und Schwüle übt stets einen schlimmen, verschlechternden Einfluss auf die Krankheit und ihren Verlauf aus. Hiebei möchte ich aber meine jüngeren Collegen darauf aufmerksam machen, ja nicht zu bald von ihrer Hoffnungsfreu­digkeit sich hinreissen zu lassen, solche Thiere ausser Gefahr zu erklären, da auch in dieser Beziehung keine Krankheit in so hohem Grade heimtückisch ist und sich so schnell ändert, wie diese, und nicht selten heute (und so mehrere Tage nach ein­ander) alle die günstigen Erscheinungen wahrgenommen werden, welche zu einer solchen Hoffnung berechtigen, während am fol­genden Morgen schon das schlimmste Bild der Krankheit sich offenbart und damit meist alle Hoffnung zur Rettung des be­treffenden Thieres verloren geht.
In dieser Beziehung schreibt auch Autenrieth:
„Da ich diese Krankheit schon so oft beobachtet habe, so täuschte ich mich nie mit der Hoffnung. Es ist ein höchst seltener Fall, dass wenn sich jene nicht in den ersten Tagen zur Besserung neigt, die Genesung statt hat.quot; In einem Schreiben vom März 1819 sagt derselbe ferner: „Genesen die Nervenkranken nicht gleich die ersten Tage, so sind sie nicht nur in der Regel verloren, son­dern auch die wenigen, die davon kommen, erleiden solche organische Veränderungen im Gehirn, dass sie nie mehr ganz brauchbar werden.quot;
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Bei der erethischen Form der Krankheit beobachtet man gewöhnlich früher einen günstigeren und rascheren Erfolg der Arzneiwirkungen, besonders auf die Se- und Excretionen des Darmes und der Urinwerkzeuge, und in dem Maase, als diese eintreten, wird in der Regel das Gehirn freier, Munterkeit und Fresslust kehren wieder und mit einigen Schlussdosen Tart. stibiat. oder Cremor. tartari mit Natr. sulphuric, und etwas Bitterem ist man zuweilen so glücklich, einen günstigen Erfolg herbeizuführen, vorausgesetzt, dass man eine strenge Diät, eine kühle Stallluft und eine längere Ruhe des Thieres nicht aus dem Auge verliert.
Tritt die Krankheit in schleichender Weise als torpide Form auf, oder wird der Thierarzt in diesem Stadium erst gerufen, wo Patient ruhig und stumpf in eine Ecke hinein stiert, der Puls entweder unter der Norm, auf 26—28, 30—32 Schläge in der Minute steht, oder auch die Normalzahl erreicht, zuweilen auch einige Schläge (44, 48, 50) gesteigert ist, klein und weich, selten stark gefüllt und härtlich sich anfühlt und die sichtbaren Häute in der Farbe selten verändert, eher etwas aufgelockert, als geröthet erscheinen; so ist die Vornahme einer kleinen Ader­lässe nur im Beginn der Krankheit und nur dann zu recht­fertigen, wenn der Gehirndruck, in Folge vorhandener starker venöser Turgescenz, stark und der Patient kräftig und gut ge­nährt ist. So viel scheint meinen Beobachtungen nach gewiss zu sein, dass von vornherein vielleicht in allen Krankheitsfällen dieser Art, wenigstens partielle Congestionen und entzündliche Reizungen im Gehirn und seinen Umgebungen oder im Rücken­mark bestehen und dass, wenn wir die Krankheit stets in ihrer ersten Entwicklung zu erkennen vermöchten, wohl in der Mehr­zahl der Fälle eine allgemeine — wenn auch nicht gerade starke — Aderlässe nützlich wirken und sie nicht selten zu koupiren im Stande sein würde.
Aber das ist eben der Hauptübelstand bei dieser Krank­heit, dass sie sich schleichend und unvermerkt entwickelt und dass, wenn die Thiere in die Augen fallende Krankheitserschei­nungen äussern, in den zunächst ergriffenen Organen nicht selten schon capilläre Ergiessungen statt gefunden, oder in Folge des Druckes auf dieselben andere materielle oder weitere dyna­mische Veränderungen im Nervensystem vor sich gegangen sind,
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wobei dann natürlich Aderlässe nur nachtheilig wirken können. Dabei sind die kalten üeberschläge auf den Kopf fortzusetzen oder fiir sie ein reizender Ueberschlag aus Brodkrume, ge-stossenen Wachholderbeeren und scharfem Essig, in Leinwand eingelegt, in oft zu erneuernder Weise, auf dem Kopfe anzu­bringen, welcher bei edlen Pferden mit dünner Haut eine sehr wünschenswerthe gute Ableitung hervorbringt. Ausserdem geht namentlich bei unterdrückten Ausleerungen mein Bestreben vor­zugsweise dahin, durch eine anregende Wirkung auf den Darm­kanal eine möglichst schnelle und günstige Ableitung vom Ge­hirn herbeizuführen und hiezu wähle ich die Aloe soccotrina in Verbindung mit Tart. stibiat.
Folgt auf sect;j bis sect;jf} Aloe soccotrina und Tart. stibiat. in 28 bis 30 Stunden ein Laxiren, so wird meist der Kopf freier, bleibt es aber leider häufig nur kurze Zeit, erfolgt aber hierauf und auf grössere Gaben (f jj bis ^iü) unamp; noch mehr Aloe in angemessenen Zwischenräumen keine Wirkung auf den Darmkanal, so ist diess sehr ungünstig und ein Zeichen von schwerer Erkrankung des Gehirns und Nervenlebens und grosser Torpidität im Darmkanal. In solchen Fällen kann man sich von der Wirkung der innerlichen Mittel keinen sonderlichen Erfolg mehr versprechen, es ist, als ob man sie in eine todte Ma­schine brächte, die nicht zu reagiren vermöge. Um so mehr eignen sich und wirken mitunter sehr vortheilhaft äussere Ab­leitungsmittel, entweder scharfe Einreibungen hinter den Ohren und zur Seite des Kammrandes, an den Hinterschenkeln, oder Haarseile am Halse, ein scharfes Pflaster oder auch scharfe Einreibungen auf dem Kopfe u. s. w., und hiebei ist nur zu be­merken, dass diese Ableitungen in nicht zu rascher Zeitfolge auf einander angewendet werden dürfen, weil sie sonst eine mehr oder weniger starke Aufregung des Gehirns und Nervensystems überhaupt, auch des Blutumlaufes, besonders bei edlen, empfind­lichen Pferden, herbeiführen würden.
Je früher diese äusseren Reizmittel angebracht werden, und je mehr und je kräftiger ihre Wirkung unterhalten wird, um so besser ist es. Leider aber lassen auch sie bei dieser Krankheit so häufig den Arzt im Stich und reagiren entweder nur sehr wenig, oder zu spät, oder auch gar nicht. Ausserdem lasse ich besonders anfänglich öftere Frottirungen im Verlaufe
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des Rückens und der Lenden, so wie auch der kalten Füsse machen, und sodann diese Theile zweimal täglich entweder mit reizenden geistigen Mitteln, wie Camphor- und Salmiak-Geist und Terpentinöl, oder wenn hierauf nicht die gehoffte Wirkung eintritt, mit scharfer Salbe einreiben, überdiess wende ich auf dem Kopfe und längs des Rückens, besonders bei örtlichen Lähmungen, früher oder später das Glüheisen in Strichen oder Punkten an.
Innerlich reicht man sofort angemessene Gaben von Tart. stibiat, Cremor tartari oder auch Säuren, namentlich die Salz­säure mit Honig oder Geselz und einem geeigneten Binde­mittel *, — früher oder später in Verbindung mit Radix Arnicae, Valerianae, Artemisiae vulg.; sofort die Schwefelsäure im Trink­wasser; bei allgemein geschwächtem und gesunkenem Nervenleben, kleinem weichem Pulse, wo es sich darum handelt, den Gefäss-häuten mehr Spannkraft und dem Blute mehr Gehalt zu geben, sowie die Sekretionsthätigkeit kräftig zu unterstützen —: das Ferrum sulphuricum oxydulat. Sal. C. C. volatile, Rad. Arnicae, Valerianae, Camphor zu 3j p. D. 3—4 Gaben per Tag; bei vorhandenen Lähmungen den Camphor, die Rad. Arnicae, Ca-ryophyllatae, Imperatoriae, Sal. C. C. volatile. Hb. Belladonnae, 01. Terebinthinaeu.s. w.; bei grosser Verdauungsschwäche Semen Siuapis, Baccae Juniperi, Rad. Calami ar.. Hb. Absinthii u. s. w. Hiebei sind von Nutzen mit Essig oder Terpentinöl verstärkte Klystiere.
Treten Paroxysmen von Tobsucht ein, die nicht selten ganz unerwartet kommen, besonders bei hoher Temperatur, so sind in den ersten Tagen selbst noch massige Aderlässe am Platze,
* Mehreren Patienten dieser Art in den letzten zwei Jahren reichte ich am ersten und zweiten Tag die Aloe soccotrin. mit Salzen, sodann vom dritten Tage an die Salzsäure in steigender Dosis von 5jj his oß, täglich 4 solcher Gaben, worauf bald weiche Darmentleerungen, und bei einem derselben sogar förmliches Laxiren eintraten. Mit diesem Mittel, welchem ich später nur eine angemessene Dosis von Bad. Valerianae zusetzte, im Vereine mit tüchtigen Derivationen, glückte mir die vollkommene Herstellung zweier ausgezeichnet schöner und guter Wagenpferde. Obgleich ich die Salzsäure in einer Reihe von Jahren oft und viel angewendet habe, so beobachtete ich bis jetzt in keinem Falle einen so augenscheinlichen Erfolg, als wie in den eben be­sprochenen, sie liess mich vielmehr so oft wie die andern Mittel im Stich.
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ansserdem kalte Begiessungen des Kopfes oder auch des ganzen Körpers, Klystiere von kaltem Wasser. Können innerlich Mittel beigebracht werden, so sind es einige Gaben Salze, Cremor tartari, Tart. vitriolat, mit Radix Valerianae, Herb. Belladonnae u. s. w.
In den letzten Jahren habe ich auch bei starker Gehirn-aui'regung ein Mittel versucht, #9632;welches bei Gehirnleiden der Menschen so sehr gerühmt wird, nämlich das essigsaure Zink (Zincum aceticum) und zwar zu Sj bis 3jj p. D.; bis jetzt ver­mag ich aber von der günstigen Wirkung desselben nicht viel zu sagen.
Sind die Erscheinungen vorhandener Exsndationen im Ge­hirn und Rückenmarkskanal deutlich ausgesprochen, so ist, wie bei allen Exsudationen, nur dann Rettung möglich, wenn dem Exsudationsprozesss ein Ende gemacht wird.
Exsudate in der Brust- und Bauchhöhle verschwinden, wenn die Exsudation selbst aufhört. Man sollte glauben, es seie diess in der Schädelhöhle auch so. Es kommt zwar wirklich vor, aber bei weitem seltener und ist sehr schwer zu bewirken, was wohl seinen Grund darin hat, dass die Exsudate durch ihren Druck viel schneller das Gehirn selbst krank machen und die Gefässthätigkeit schneller erlahmt, als diess in andern Höhlen der Fall ist. Daher die Gefährlichkeit seröser Ergiessungen im Gehirn und die Seltenheit der Rettung solcher Kranken. Ebenso verhält es sich auch mit den Blutextravasaten in der Schädelhöhle.
In diesem Stadium ist auf die Einsaugung des Ergossenen mit aller Kraft hinzuwirken, und wenn sie auch selten gelingt, so hat die Erfahrung ihre Möglichkeit doch längt erwiesen. Hier passen Mittel, welche die Harnwerkzeuge in steigender Weise zu grösserer Thätigkeit anspornen, in Verbindung mit solchen, welche das Nervensystem zugleich beleben: 01. Tere-binthinae. Herb. Digital, purp., Semen Phellandr. aq., Kali hydro-jodic. in Aq. destillata aufgelöst, in Verbindung mit Arnica, Nux vomica, Camphor, Ammonium und dergleichen.
Bei einigen Patienten bohrte ich den sogenannten Riech­kolben an, ohne günstigen Erfolg.
Ist die Krankheit mit einem gastrischen oder gallichten Fieber complicirt, so wirken — namentlich bei vorhandener
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Verstopfung und bei nicht besonders gesteigertem Pulse, gleich Anfangs einige Gaben Aloe mit Tartarus stibiat., und bei sehr gesteigertem Kreislaufe kleine Gaben Tart. stibiat. mit bittern Mitteln vortheilhaft, oder es ist ein sogenanntes gemischtes Ver­fahren angezeigt, bestehend in kleinen Gaben Tart. stibiat. mit Sal. Ammoniacum oder mit Camphor, später sofort der Camphor mit 01. Terebinthinae, Rad. Calami aromat., Radix Arnicae, Va-lerianae, nebst äusserlichen Ableitungen in der Lebergegend, am Halse, den Hinterschenkeln u. s. w.
Hat sich die Krankheit mehr im Rückenmark fixirt, so eignet sich in den ersten Tagen die Antiphlogose in massigem Grade, später der Camphor, und die Nux vomica in geeigneter Ver­bindung. Der Erfolg dieser Mittel ist aber selten ein günstiger. Vortheilhafter wirken noch Derivationen im Verlaufe des Rückens, Anfangs mit geistigen reizenden Mitteln, später mit üngt. Cantharidum, auch der Gebrauch des Feuers in Punkten oder Strichen längs des Rückens, oder die Application von Haar­seilen.
Wenn kein anderes Mittel derartige Kranke aus ihrem tiefen, soporösen Zustande mehr — wenigstens für kurze Zeit — zu erwecken vermag; so sind es zuweilen noch die Begiessungen des Kopfes mit kaltem Wasser (Sturzbäder), wozu man die ge­wöhnliche Giesskanne benützen kann. Man lässt zu diesem Behufe von der Höhe mehrerer Fusse den Wasserstrahl auf das Oberhaupt des Patienten fallen, leert auf diese Weise 8—10—12 und noch mehr Kannen Wasser auf den Kopf desselben und wiederholt diese Procedur täglich zwei bis drei mal.
In einzelnen Fällen sah ich einen auffallend günstigen Er­folg von diesem Verfahren, in andern Hess es mich, wie alle anderen Mittel, im Stich. Bei weniger empfindlichen Pferden dürfte sich dasselbe, besonders bei der torpiden Form, vielleicht gleich beim Beginne der Krankheit empfehlen.
Noch habe ich der warmen Dämpfe Erwähnung zu thun, welche ich zuweilen ganz in der ersten Zeit und in solchen Fällen in Gebrauch gezogen habe, in welchen die veranlassende Ursache der Krankheit in einer Erkältung bestand.
Diät. In diätetischer Beziehung ist ein kühler Stall eine wesentliche Kurbedingnng; warme Stallluft wirkt schädlich, regt auf; bei hoher Wärme ist das Erhalten desselben in möglichst
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kühler Temperatur durch Begiessen mit kaltem Wasser noth-wendig und zweckmässig, ebenso ist ein dunkler Stall einem hellen vorzuziehen; anbinden — zumal in engen Ständen — lassen sich solche Kranken nicht und geschieht diess, so hängen sie sich mit aller Kraft ins Halfter, bis es bricht; desshalb ist für sie ein grösserer Raum, in welchem sie sich frei und un­gehindert bewegen können (Laufstall, Scheune, Schuppen u. s.w.), ein Haupterforderiiiss; je grosser diese letzteren sind, desto besser, kleinere passen so wenig, als eingemachte Stände, die Thiere drücken eben in eine Ecke hinein, erhitzen sich, und fangen an zu toben. Hervorstehende Gegenstände, an welchen sie sich leicht verletzen können, müssen möglichst entfernt wer­den. Das Fesseln und Niederlegen derselben auf die Streue hat immer die schlimmsten Folgen.
Wenn die Jahreszeit und Witterung es gestattet, so ist selbst die Unterbringung solcher Thiere im Freien, etwa in einer Koppel, besser, als in einem Stalle.
Ein nicht übermässig warmes Bedecken ist zweckmässiger, als ein zu leichtes oder gar keines, besonders bei nicht gerade warmer Jahreszeit und Witterung. Die Hautgefässe nehmen dadurch mehr Blut auf, die Hautausdünstung wird vermehrt, wodurch das Blut mehr vom Gehirn abgeleitet wird.
Unter Umständen ist auch das Putzen und Frottiren der Haut zu empfehlen, doch regt diess reizbare und empfindliche Pferde gerne auf.
Zur Nahrung erhalten die Thiere zu einem dünnen Brei angerührte Kleie, gelbe Rüben, klein geschnitten, wenn sie zu haben sind und gefressen werden; zur Frühjahrs- und Sommers­zeit Gras oder Klee in kleinen Portionen; zum Getränke reines, jedoch nicht zu kaltes Wasser, Mehlwasser oder auch gesäuertes Wasser, wenn es genommen wird, öfters zu reichen und nie zu viel auf einmal.
Wird kein Futter mehr angenommen, entweder weil die Thiere das Bedürfniss des Hungers nicht mehr fühlen, oder weil ihre Kauwerkzeuge theilweise gelähmt sind, so sucht man ihnen abwechselnd Kleie mit Mehl in Latwergenform, oder altgebackenes, schwarzes Brod, nach Umständen in Rothwein eingeweicht, zwischen die Backzähne zu bringen, womit man sie häufig noch längere Zeit erhalten und vom Hungertod retten
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kann. Dickes Mehlwasser wird abwechselnd ins Maul, mitunter auch in den Mastdarm eingespritzt.
So lange die ungewöhnliche Schwere des Kopfes, dessen Haltung in gleicher Höhe mit dem Rumpfe durch einen Mann, sehr zu empfehlen und von günstiger Wirkung ist, und der Kräftezustand solcher Kranken überhaupt ihre Aufrichtung oder Erhebung vom Boden ermöglicht (wozu oft 5—6 starke Männer erforderlich sind), so lange ist diess absolut nothwendig und darf nie versäumt werden, weil hiedurch ihre Rettung noch eher gehofft werden kann, als wenn sie auf dem Boden liegend alle ihre Kräfte vergebens anstrengen und um so sicherer und schneller durch Lähmung dem Tode zur Beute werden.
Die Abnahme der Hufeisen ist bei solchen Kranken eine ebenso grosse Wohlthat für sie selbst, als eine sehr zu empfeh­lende Sicherheitsmassregel für die dabei thätigen Personen.
Wie äusserst unpraktisch und unzweckmässig ein mit Steinen gepflasterter Boden in einem Krankenstalle und besonders in einem solchen ist, wo gefährliche entkräftete Kranke sind und wo solche abieben sollen, zeigt sich namentlich auch bei kranken Pferden, welche, wie die Kopfkranken, öfters umfallen, eine kürzere oder längere Zeit auf dem Boden liegen, nur mit Mühe aufstehen können oder aufgehoben werden müssen.
Auf einem solchen harten und glatten Steinpflaster gleiten die kranken Thiere nicht nur oft aus, sondern sie fallen auch wieder um, verschlagen sich den Kopf, die Füsse, Hüften und andere Körpertheile so sehr, dass die armen Thiere wirklich zu bemitleiden sind. *
Die Reconvalescenz solcher Kranken erfolgt, wie schon oben gesagt wurde, nur sehr langsam und es sind dieselben in dieser Zeit mit vieler Aufmerksamkeit und Umsicht zu behandeln; namentlich erfordert ihre Fütterung noch längere Zeit alle Vor­sicht in der Weise, dass man den geschwächten Thieren stets nur kleine Portionen von saftigem Futter, Gras, Klee, Rüben und Kleie u. dgl. gibt und nur allmählig und in kleinen Rationen zum Hafer- und Heufutter übergeht. Dabei hat man sein Augen­merk besonders darauf zu richten, dass die Darmentleerungen
* Vor einiger Zeit brach ein solches kopfkrankes Pferd auf dem Stein­pflaster seises Stalles den ausscren Darmbeinwinkel.
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stets weich abgehen, wodurch Congestionen nach dem Gehirn vermieden werden. Diess wird durch Reichen von Glaubersalz unter der Kleie oder im Trinkwasser, oder auch durch Fütterung von Gras oder Klee erreicht; zuweilen ist aber selbst eine Aloe­abführung nothwendig. Einer eigentlichen Nachkur bedürfen derartige Kranke nicht, da erfahrungsgemäss alle sogenannte stärkende Mittel in den meisten Fällen eher schaden als nützen.
Krankheitsfälle.
Nun möge es mir noch gestattet sein, zum Belege des Vorbeschriebenen und um dem Leser das Bild dieser Krankheit recht anschaulich zu machen, einige specielle Krankheitsfalle von den genannten Formen hier folgen zu lassen.
1. Mercur, lOjähriger Schimmelwallach von arabisch-eng­lischer Zucht, Wagenpferd, erkrankte den 4. Juli 1851 bei sehr heisser Witterung zu Friedrichshafen mit den Erscheinungen des fraglichen Gehirnleidens (erethische Form), drückte nach vorne, war stumpf, betäubt, wankte von einer Seite zur an­dern u. s. w. Der dort anwesende Thierarzt Hess zur Ader, gab innerlich Salze, auch das Calomel. Den 5. Nachmittags vom K. Oberst-Stallmeister-Amte zur Behandlung dieses Pferdes nach Friedrichshafen abgeschickt, traf ich solches Nachts ili10 Uhr in folgendem Zustande:
In einem Kastenstande den Kopf tief und in eine Ecke hineingedrückt, mit halbgeschlossenen Augen, laut schnarchend, betäubt, an verschiedenen Stellen des Kopfes wunde Stellen, das Maul geschwollen. Puls 52, etwas gefüllt, Athem langsam, Mist locker. Als ich das Pferd noch in der Nacht und mit Hülfe mehrerer Männer in eine nahe kühle Scheune gebracht hatte, lief es alsbald links im Kreise. Es erhielt nun in an­gemessenen Zwischenräumen Nitr. dep. mit Natr. sulphuric, sofort Klystiere und auf den Kopf Eisüberschläge.
6. Juli. Obgleich Patient viel und stark in dem freien Räume sich bewegt, so ist doch dessen Aufregung etwas ver­mindert, der Puls weicher, auch frisst er zuweilen etwas grünen Klee und trinkt frisches Wasser. Verfahren: das gestrige.
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7.nbsp; Juli. Znstand weniger gut, Aufregung stärker, läuft schnell, ja springt zuweilen, Puls schneller, voll und hart, Auge starr, die sichtbaren Häute roth, Mist selten abgehend und locker.
In Berücksichtigung der Kräfte und der Vollblütigkeit des Thiers sogleich eine Aderlässe von 12 Pfund Blut, welches dunkel und dick abfliesst, und nach dessen Gerinnen aus einer festen Cruonnasse mit einer dünnen, festen Crusta(vera) auf seiner Oberfläche besteht, — worauf schon nach einigen Stunden mehr Ruhe und Minderung der Gehirnaufregung eintritt, auch weniger Druck nach der linken Seite.
Ord.: Nitri puri 3jjj. Tart. stibiat. 9jj. Natr. sulphuric. fj|3. pulv. Rad. Altheae 3jj. D. tal Dos. sex, alle 4—5 Stunden 1 St. zu geben.
8.nbsp; Juli. Wiederholte starke Gehirnaufregung, Gang heftig und schnell, Auge wild, haut und schlägt beim Anhalten.
Abermalige Aderlässe von 10 Pfund Blut, ebenso dunkel und dick, wie gestern. Die gestrigen Pulver repetirt.
Gegen Abend ruhiger, zeitweise stille stehend, aber dann schlafend, Puls 48, weich, frisst Klee.
9.nbsp; Juli. In der Nacht wenig gelaufen, steht viel, ist zeit­weise betäubt und in sich gekehrt, dann auch wieder beim Be-wusstsein, Augen mehr matt, die Pupillen nicht erweitert. Puls 48, weich, Herzschlag in der Tiefe fühlbar, Athem langsam, frisst Klee. quot;Wegen Trockenheit der Darm-Excremente erhält Patient ein paar Gaben Aloe soccotrin. mit Tart. vitriolat.
10.nbsp; Juli. Geht besser, wozu die eingetretene kühle Witte­rung das ihrige beitragen mag.
Mercur ist ruhig, läuft wenig mehr und auch nicht aus-schliesslich nach der linken Seite, ist dagegen etwas abgestumpft und vergisst sich zuweilen, die Kopfhaltung ist in gleicher Höhe mit dem Rumpfe, der Puls zählt 42—44 weiche Schläge.
11.nbsp; Juli. Abermals Fortschritt in der Besserung, Kopf freier als gestern, das Thier zeigt Aufmerksamkeit, der Blick ist mehr matt als starr. Puls 44, Appetit gut. Da trotz des grünen Futters die Darm-Excremente stets selten und etwas trocken abgiengen, so verordnete ich dem Patienten 3 bis 4 Pulver per Tag, bestehend aus je fj3. Cremor tartari, sect;j/5- Natr. sul-phuricum und Sjj. pulv. Hb. trifol. fibr.
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12. Juli. Es geht ganz erwünscht gut, Kopf ist-viel freier und nur im Auge drückt sich noch einige Mattigkeit aus.
Unter diesen Umständen verliess ich Mercur und übergab ihn dem dortigen Collegen hauptsächlich zur diätetischen Ueber-wachung.
Die Nachrichten von letzterem über das Befinden des Pa­tienten lauteten stets günstig, er machte täglich Fortschritte in der Erholung und Kräftigung, obgleich er noch längere Zelt nur Kleie und grünen Klee erhielt und nur allmählig wieder an Hafer gewöhnt wurde.
Trotzdem aber kam fragliches Pferd am 31. August mit Kollersymptomen hieher zurück: seine Augen waren stier, Stellung und Gang abnorm, die Stumpfheit gross, es hieng häufig in die Halfter, sein Puls war verlangsamt. In einem Laufstall unter­gebracht, erhielt solches eine Aloe-Abführung, welche später wiederholt wurde, dazwischen Gaben von Tart. stibiat, Cremor tartari, Katr. sulphuric, u. s. w.
Das Futter bestand in Kleie und so lange als möglich in Grünem. Die Besserung dieses chronisch gewordenen Krank­heitszustandes erfolgte nur allmählig, doch konnte Mercur im Oktober wieder zum Dienst gebraucht werden und nach und nach verlor sich auch jede Spur von Gehirnleiden und derselbe ist bis auf den heutigen Tag noch ein brauchbares Zugpferd im K. Marstalle.
2. Leda, 19jähriger Fliegenschimrael, englisches Halbblut, Wagenpferd, eine sehr reizbare und hitzige, öfters auch rossige Stute, versagte am Morgen des 26. Januar 1853 das Hafer-futter, nachdem sie Tags zuvor eine Tour bei schlechter Witte­rung gehabt und sich wahrscheinlich erhitzt und dann erkältet hatte.
Symptome: Eingenommenheit des Kopfes ohne tiefe Hal­tung desselben, Schläfrigkeit bei halbgeschlossenen Augenlidern, Stumpfheit der Sinne, sowie des Gemeingefühls, allgemeine Mattigkeit, Puls gereizt, 52—54 Schläge in 1 Minute, etwas voll, Athom ruhig, die sichtbaren Häute höher geröthet, die Darm-Excremente selten und trocken.
OrtL: Innerlich Nitr. dep., Cremor tartari mit Katr. sulphuricum.
Aeusserlich: Eisüberschläge auf den Kopf, Klystiere.
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Da sich Nachmittags die Congestionen zum Gehirn steigern, so wird eine Aderlässe von 7 Pfund Blut gemacht, welches letztere eine dunkle Beschaffenlieit zeigt. Kommt in einen Laufstall.
27.nbsp; Januar. Etwas besser, Gehirn freier, Stumpfheit we­niger. Puls weich, frisst etwas Kleie.
Das Blut von gestern bildete eine ziemlich schwarze, etwas feste Cruor-Masse mit einer dünnen, derben Crusta phlogistica, s. vera.
Ord.: Tart. stibiat. mit Natr. sulphuricum.
Abends Derivationen hinter den Obren, wegen grösserer Eingenommenheit des Kopfes.
28.nbsp; Januar. Wie gestern Abend, geht bei wenig gesenktem Kopfe laiigsam im Laufstalle umher, zeigt Lust zum Houfressen, vermag solches aber nicht mit den Lippen zu fassen, wess-halb es ihm zwischen die Backenzähne geschoben weiden muss; Darmentleerungen weich.
Dieser Zustand besteht noch Kachts Q1^ Uhr bei ruhigem Pulse.
Plötzlich gegen 11 Uhr fängt das Thier an zu toben und zu rasen, gegen die hohe Barriere des Laufstalles anzurennen, mit hohem Kopfe schnaubend, knirschend, bald in eine Ecke mit aller Gewalt vorwärts drückend, bald rückwärts gehend, bei schneller Respiration mit weiten Mustern und stark gerotheten Nasenschleimhäuten. Nicht ohne Mühe und Gefahr wird eine Aderlässe von 10—12 Pfund Blut gemacht, welches eine sehr dunkle Beschaffenheit zeigt; sofort finden Begiessungen des Kopfes und Rückens mit kaltem Wasser statt, worauf nach 2 Stunden insoweit Ruhe eintritt, als Patientin nun im raschen Schritte in ihrem Laufstall einhergeht.
Mittelsalze. Kalte Klystiere.
29.nbsp; Januar. Viel ruhiger, links in grossera Kreise gehend. Puls schnell, Athem langsamer.
Ord.: Zincum aceticum mit Rad. Valerianae.
Das Blut von gestern Nacht bildet eine weiche, aber dunkle Cruor-Masse mit dünner Crusta phlogostica, s. vera.
Um IOYj Uhr Vormittags unerwartet schneller Tod an Ge­hirnlähmung.
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Section: Die Gefässe der Häute des Gehirns ungewöhn­lich stark mit Blut angefüllt, namentlich die dura mater in ihrer ganzen Ausdehnung stark geröthet (entzündet), besonders starke Röthungen auch an den das kleine Gehirn umkleidenden Häuten, etwas Serum in den Gehirn-Ventrikeln, die Aderge­flechte des grossen und kleinen Gehirns geröthet, stark öde-matös angeschwollen und mit den bekannten perlgrauen Körper­chen versehen; in der Substanz des Gehirns selbst, besonders in der Rinden-Substanz viele und starke Blutpunkte (Ecchy-mosen).
3. Anchises, 9jähriger Schimmelwallach von arabisch­englischer Zucht, Wagenpferd, versagt am 10. Februar 1853, Morgens bei trockener Kälte, das Haferfutter.
Symptome: Puls klein, weich, 34 Schläge in 1 Minute, Herzschlag in der Tiefe fühlbar, Athem sehr langsam, in tiefen Zügen, dabei durch die Nase schnarchend, Kopfhaltung tief, die Augen ein tiefes Leiden ausdrückend, bewusstlos, die sicht­baren Häute blass, etwas ins Gelblichte spielend. Haut wenig warm, Extremitäten kalt, Mistabgang unterdrückt; bei einem Bewegungsversuch kaum sich stehend erhaltend, von einer Seite zur andern taumelnd, dabei den Kopf beinahe auf den Boden hängend und ihn, so wie den Hals, ohne alle Haltung hin und her bewegend; Zuckungen an den Gesichts- und Halsmuskeln. In den ersten 12 Stunden schwindelähnliche Anfälle, bei voll­kommener Bewusstlosigkeit.
Es war hienach unverkennbar, dass diese torpide Krank­heitsform mit gastrischer Complication schon ziemliche Fort­schritte gemacht hatte und bereits in ihr zweites Stadium ein­getreten war.
Verfahren: Frottirungen des ganzen Körpers, dann warmes Bedecken, geistige reizende Einreibungen längs des Rückens, so wie der Füsse und Umwickeln der letzteren mit Flanell, Klystiere, sofort Derivationen in der rechten ünterrippen-Gegend.
Innerlich: Tart. stibiat. mit Natr. sulphuricum und etwas Bitterem.
Unterbringung des Kranken in einem Laufstall.
11. Februar. Etwas besser, insofern freier um den Kopf und beim Bewusstsein, der Puls zählt 46 in 1 Minute, das
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Schnarchen hat aufgehört, frisst etwas Kleie, trinkt Wasser, liegt; Mist geballt, Urin trübe, wie bei einem gesunden Pferde. Die gestrigen Mittel. Derivationen am Halse und längs des Rückens, die alten aufgefrischt.
12.nbsp;Februar. Im Allgemeinen der gestrige Krankheitszustand, scheint zuweilen beim Bewusstsein zu sein, liegt viel, setzt wenig aber lockern Mist ab; Puls etwas gereizt, 52—54 Schläge in 1 Minute, wohl die Folge der Derivationen, welche erwünschte Entzündung und Geschwulst herbeigeführt haben; die sichtbaren Häute haben die gelblichte Farbe verloren.
13.nbsp; Februar. Macht Fortschritte in der Besserung, der Kopfnur zeitweise eingenommen. Puls 44—46, Appetit ordentlich.
14.nbsp; und 15. Februar: gleicher Zustand.
Erhielt in den letzten Tagen ein paar Gaben Cremor tartari mit Radix Valerianae.
16. Februar. Die schwindelähnlichen Anfälle wiederholen sich, Schiäfrigkeit und Stumpfheit nehmen wieder zu, Kopf­haltung mehr nach rechts.
So bleibt sich der Krankheitszustand bis zum 20. Februar beinahe ganz gleich, innerhalb welcher Zeit Patient täglich ein paar Gaben Natr. sulphuric mit Rad. Valerianae und 01. Tere-binthinae erhält.
21.nbsp; Februar. Verschlechterung: Stumpfheit nimmt zu, meist ohne Bewusstsein, Kopfhaltung tief, leichtes Zähneknirschen, Puls weich, langsam, frisst nichts mehr, ist nicht mehr zu erwecken; der abgehende Urin hat einen Veilchengeruch.
Ord.: Camphor, Rad. Arnicae, 01. Terebinthinae. Scharfsalbe auf den Kopf eingerieben.
22.nbsp; Februar. Halbseitige Lähmung, so dass Patient links mit der schlaff herabhängenden Unterlippe nichts mehr zu fassen, und mit dem Kiefer nichts zu kauen vermag, Haltung und Gang nach rechts, Auge steif, Pupille weit, Se- und Excretionen ziem­lich regelmässig, ebenso der Puls.
Die letzteren Mittel fortgegeben.
Bis zum 28. Februar keine wesentliche Veränderung.
1.nbsp; nbsp;März. Pupille des linken Auges sehr weit, das Seh­vermögen hieran gering, sonst das gleiche Allgemeinbefinden.
2.nbsp; nbsp;März. Etwas besser, Stumpfheit der Sinne geringer,
W8rz, Kopfkrankheit der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
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frisst ordentlich Mehl und Kleie, auch etwas Heu, wenn ihm diese Stoffe von der rechten Seite aus in's Maul und zwischen die Backzähne gebracht werden.
5. März. Gehirn freier, das Fressen geht besser, auch auf der linken Seite, das Sehvermögen am linken Auge gleich­falls besser, die Pupille empfindlicher gegen das Licht.
10. März. Macht täglich Fortschritte in der Besserung; legt sich.
18. März. Bei guter Witterung erstmals im Freien etwas bewegt.
22. März. Bis dahin sich immer mehr erholt, bei Kleie-und Heu-Fütterung; zum Hafer wurde nur allmählig überge­gangen.
Herstellung, vollkommen dienstbrauchbar.
4. Zaira, Braunstute, arabisches Vollblut, lljährig, Reit­pferd, frass am Morgen des 19. September bei ziemlich warmer Witterung nicht ganz gut und stand traurig mit halbgeschlossenen Augen in ihrem Stande, bei der Bewegung taumelte sie so stark von einer Seite zur andern, als wenn sie berauscht wäre, hatte Zuckungen an den Gesichtsmuskeln, dabei war der Puls klein und weich, 48 Schläge in 1 Minute, der Herzschlag in der Tiefe fühlbar, die Respiration geschah in langsamen, tiefen Zügen, Mist gieng wenig, klein geballt und dunkel gefärbt ab. Da man in diesen Symptomen das unverkennbare Bild der fraglichen fatalen Kopfkrankheit vor Augen hatte, so wurde Zaira so­gleich in einen Laufstall gebracht, der etwas warme Kopf mit kaltem Wasser gewaschen und ihr innerlich einige Tränke von Eibischwurzel-Decoct mit Natr. sulphuric, und Mel crudum, und dazwischen hinein einige Gaben Aloe soccotrina mit Saife in Latwergenform, gereicht, Klystiere applizirt u. s. w.
Als in der Nacht — bei grösserer Eingenommenheit des Kopfes — der Puls sich mehr füllte, wurde eine Aderlässe von 5 Pfund Blut gemacht, das nicht dunkler als gewöhnliches venöses Blut war, nach 10 Stunden aber eine ziemlich feste Cruor-Masse, ohne Serum-Ausscheidung, bildete.
20. September. Die Kopfhaltung der Stute ist zeitweise tief und die Schlafsucht gross, der Puls 60—65 Schläge in 1 Minute, klein, sie frisst nichts, laxirt gegen Abend, legt sich.
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21.nbsp; September. Kopf freier, Puls kräftiger und langsamer, (45 Schläge in 1 Minute), Laxiren weniger, sie frisst etwas Heu, trinkt Mehlwasser.
22.nbsp; September. Gehirn freier. Puls normal, Patientin frisst und trinkt. Bei wenig Darmansleerungen erhält sie etwas Bitteres mit Salzen und Elixir, acid. Halleri.
Dieser Hoffnung gewährende Zustand besteht den 23. und 24. September fort. Am 25. September Verschlechterung: die Stumpfheit, Trägheit und Mattigkeit haben wieder zugenommen, der Gang ist schwankender, der Puls normal, die Darm-Excre-mente sind trocken. Bekömmt einige Gaben Tart. stibiat. mit Tart. vitriolot., hinter den Ohren werden Derivationen gemacht, reizende Klystiere gesetzt.
26.nbsp; September. Die Betäubung und Abstumpfung grosser, Patientin erleidet zuweilen dem Schwindel ähnliche Anfälle, so dass sie den Kopf tief senkt und bei fest gestellten Vorder-und Hinterfüssen den Oberköper nach hinten und unten bewegt, so dass die beiden Ellbogen den Boden berühren.
Das Verfahren bleibt das gestrige. Die Derivationen am Halse werden erneuert, ein Fontanell vor die Brust gelegt und geistige Einreibungen längs der Rückenwirbelsäule gemacht.
27.nbsp; u. 28. September. Im Allgemeinen der gleiche Zu­stand, doch scheint Zaira zeitweise etwas freier um den Kopf zu sein.
Verordnung: das Calomel mit Natrura sulphuric, und Rad. Gentianae; Derivationen am Kopfe.
29. September. Zähneknirschen, Puls 48—50, weich, sonst gleicher Zustand. Nervina: Sal. C. C. volat., Rad. Valerianae, mit 01. Terebinthinae; äusserlich werden die Derivationen wieder aufgefrischt und neue an den Hinterschenkeln angebracht,
1.nbsp; Oktober, Stumpfsinn gleich, doch zuweilen etwas Heu und Mehlwasser nehmend, Mist trocken, desshaib einige Salz­gaben mit Oleum Terebinthinae, worauf eine starke Diurese er­folgt. Liegt viel.
2.nbsp; u. 3. Oktober bleibt sich's gleich; den 4. ist die Kranke aufgeregt, geht viel links im Kreise, Puls hat 52 Schläge in 1 Minute, der Blick ist stier. So wechselte der Krankheitszu­stand bis zum 12. Oktober, den einen Tag scheinbar besser.
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den andern wieder schlechter; abwechselnd lief Patientin auch rückwärts. Der Blick blieb stets stier und die Pupillen heider Augen erweiterten sich allmählig immer mehr und contrahirten sich selbst wenig bei einfallenden Lichtstrahlen, bis endlich am letzteren Tage durch beständiges Suchen des Pferdes mit dem tief hängenden Kopfe, durch Stossen u. s. w. sich klar heraus­stellte, dass dasselbe an beiden Augen an Amaurose vollkom­men erblindet seie. Verschiedene Mittel vor diesem schlimmen Ausgang, so wie hernach, wie Camphor, Rad. Arnicae, Vale-rianae, 01. Terebinthinae, Hb. Digital, purp.. Hb. Belladonnae in Anwendung gebracht, blieben ohne die gewünschte quot;Wirkung.
Den 15. Oktober wurde das Pferd als rettungslos durch Einblasen von Luft in die Vena jugularis getödtet.
Sektion: Viel klares Serum in den Gehirn-Ventrikeln, und diese ziemlich erweitert, die Adergeflechte des grossen Gehirns ödematös angeschwollen, das mittlere Adergeflechte des kleinen Gehirns ausserordeutlich dick und wohl um das Zehnfache ver-grössert.
5. Mufti, Fuchswallach von Seglavi aus einer englischen Haiblutstute, Reitpferd, 11 Jahre alt, zeigte sich am 12. Mai Vormittags beim Reiten matt, frass Mittags den Hafer nicht, dagegen eiu ihm vorgelegtes Futter von Kleie. Als er Abends wieder das Haferfutter verschmähte, wurde es zur Meldung ge­bracht und die Beobachtung und Untersuchung desselben ergab Folgendes:
Das Pferd hängt den wenig vermehrt warmen Kopf zeit­weise in die Krippe und ist stumpf, die Augen sind etwas stier, beide Pupillen weit, Ohren und Füsse kalt, die Mattigkeit gross, dabei ist solches neidisch, bissig, was es sonst nicht war, der Puls zählt 44—45 weiche Schläge in der Minute bei fühlbaren Herzschlägen, die sichtbaren Häute sind von normaler Farbe, der Mist ist klein geballt und hart.
In kurativer Beziehung gieng mein Streben alsbald dahin, das Gehirn durch Ableitung auf den Hinterleib frei zu machen, zu welchem Behufe die Aloe soccotrina mit Tart. stibiat. in ge-theilten Dosen, — im Trinkwasser und in dem Kleienfutter Cre-mor tartari und Natr. sulphuricura, gereicht wurden.
13. Mai. Patient zeigt zuweilen eine leichte Fieber-Horri-
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pilation, dabei reibt er die Zähne schon etwas fest auf einander (leichtes Zähneknirschen), Puls wie gestern, das Äthmen ge­schieht in langsamen Zügen, dabei besonders das Ausathmen in langem Tempo, die Kopfhaltung neigt etwas nach der linken Seite, die Darm-Excremente gehen weicher ab. Das Ungt. tar-tari emetici auf dem Kopfe eingerieben.
14.nbsp; Mai. Es ist Laxiren eingetreten, der Gehirndruck weniger stark, Patient desswegen aufmerksamer, frisst etwas Heu und Gras, der Puls hat 44—48 Schläge.
15.nbsp; Mai. Der Puls zählt 50—52 Schläge, zuweilen wird das obenberührte Bautfrösteln wahrgenommen und das Zähne­knirschen selten gehört, das Laxiren dauert massig fort, er frisst etwas Heu, trinkt Mehlwasser, auf dem Kopfe haben sich starke Pusteln gebildet. Vor die Brust wird ein Fontanell gelegt.
16.nbsp; Mai. Im Allgemeinen der gestrige Zustand, der Kopf ist eher weniger eingenommen, das Auge aber gleich stier, der Puls hat 48 Schläge, der Mist ist geballt.
Ordinat: Tart. stibiat. mit Tart. vitriolat. und Rad. Gen-
tianae. Derivationen am Halse, später auch an den Hinterschenkeln.
17.nbsp; nbsp;Mai. Puls 44, etwas kräftiger, das Gehirn freier, der Kranke geht mehr gerade aus, frisst Kleie und Gras, trinkt Mehlwasser, der Mist ist locker, der Urin geht häufiger ab und ist wasserhell, das einzig fatale Symptom ist noch das Knirschen mit den Zähnen.
Letztere Pulver repetirt.
18., 19., 20. u. 21. Mai ist's wie am 17., eher besser, das Knirschen ist seltener, der Kopf freier, der Patient liegt in der Nacht, frisst, die Se- und Excretionen gehen regelmässig von Statten, kurz, der Zusand gewährt alle Hoffnung zur all-mähligen Wiedergenesung.
In den letzten Tagen erhielt solcher abwechselnd einige Gaben Cremor tartari mit etwas Bitterem.
So befand sich derselbe auch den Tag über am 22. Mai, als er unerwartet Abends anfieng, rechts im Kreise zu gehen und sich überhaupt aufgeregt zu benehmen, so dass die Haut zeitweise etwas schwitzte, der Puls übrigens dabei weich, 44 der Zahl nach, blieb.
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23. Mai. Vormittags ein Paroxysmus von Tobsucht, mit starkem Schwitzen, Hauen, Beissen, in die Höhe steigen u. s. w. — Eisumschläge auf den Kopf.
Um Mufti einen grösseren Raum und zugleich den Auf­enthalt im Freien gewähren zu können, wurde solcher in die K. Thierarzneischule gebracht, wo er zwar nicht mehr tobte, dagegen beständig in so kleinem Kreise nach der rechten Seite gieng, dass die Hinterfiisse beinahe nicht von der Stelle kamen.
Ordinat: 01. Crotonis mit Semen Lini, worauf starkes Laxiren eintrat.
Bei beständigem Wechsel zwischen Besserung und Ver­schlechterung lebte derselbe noch den ganzen Monat Juni hin­durch, wurde an beiden Augen amaurotisch und gieng endlich am 1. Juli zu Grunde. Die Sektion, der beizuwohnen ich ver­hindert war, soll nichts Besonderes ergeben haben.
6. Eine 5jährige Braunstute von Mecklenburger Ra^e, einem fremden Gesandten zugehörig, versagte am 16. Mai 1844 das ihr vorgelegte Haferfutter und zeigte sich matt und traurig. Kein Fieber, Puls 36—38, klein, weich, Respiration ruhig, Herz­schläge fühlbar, Schleimhäute etwas blass, Auge matt, Senso-rium ungetrübt, Mist trocken und klein geballt.
Da in diesem Stalle die Kopfkrankheit schon manches Opfer sich ausersehen hatte, so beobachtete ich den Patienten mit ge­doppelter Aufmerksamkeit und verordnete zu aller Sicherheit eine Aloe-Abführung mit Salzen, welche nach 24 Stunden weiche Darm-Entleerungen bewirkte; dabei erhielt die Stute als Futter Kleie mit Glaubersalz. Bei gutem Wetter wurde dieselbe in dem nahen Garten etwas bewegt, wobei sie sich aber stets matt und traurig benahm.
So blieb sich der Krankheitszustand bis zum 28. Mai ganz gleich, das Thier frass wenig und langsam, legte sich öfter zu Boden, der Mist war blass und wenig saftig, der Puls zählte abwechselnd 36—38—42 weiche Schläge, das Gehirn blieb stets frei.
Das Leiden für rein gastrischer Natur haltend, ordinirte ich die Aloe soccotrina in kleinen Dosen mit Tart. stibiat. und Rad. Gentianae.
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29.nbsp; Mai. Steigerung des Pulses auf 64 Schläge ohne allen aussein Grund, im Uebrigen schien auch keine weitere Verände­rung vorgegangen zu sein. Als dagegen das Pferd aus dem Stalle geführt werden sollte, ergab sich zu meiner nicht ge­ringen Verwunderung ein so bedeutendes Schwanken im Hinter-theile, dass es jeden Augenblick umzufallen drohte, dabei legte es sich viel, stand jedoch leicht wieder auf, das Gehirn war fortan frei.
Diagnose: halbacutes Rückenmarksleiden, ins zweite Sta­dium vorgeschritten.
Or din at: Cremor tartari mit Rad. Arnicae.
Reizende Einreibungen längs des Rückens und der Lenden.
30.nbsp; Mal. Puls 48, das Schwanken bleibt sich gleich, die Kopfhaltung ist zwar hoch, aber es zeigt sich eine Neigung nach der rechten Seite. Die Sinne sind jetzt stumpf, der Kranke benimmt sich ungeschickt beim Fressen, das Kauen ist erschwert, es treten schon halbseitige Lähmungserscheinungen auf, er liegt häufig.
Derivationen hinter den Ohren.
31.nbsp; Mai. Wie gestern; Consultation mit Herrn Medicinal-rath Dr. Hering. Patient erhält innerlich die zuletzt verord­neten Pulver, äusserlich werden zwei Haarseile in der Kreuz­gegend applicirt.
1.nbsp; Juni. Der Puls zählt 52 Schläge, ist klein, Patient kann das Futter nicht mehr kauen, bewegt das Maul beständig, ist jedoch bei sich und empfindlich an den eingeriebenen Haut­stellen.
2.nbsp; Juni. Puls 54, Lähmung der Kau- und Schling-Organe, tiefes Hängen des Kopfes und mehr nach der rechten Seite.
Mehlwasser, Essigklystiere.
Der Kranke ist in der Nacht umgefallen und 1 Stunde nachher eingegangen.
Die Sektion wurde den 3. Juni in der Thierarzneischule vorgenommen. Aus dem Gehirn und Rükenmarkskanal soll dabei viel Serum sich ergossen haben, die Hirngefasse stark injizirt und die Adergeflechte des grossen Gehirns bedeutend ange­schwollen und mit perlgrauen Körperchen besetzt sich gezeigt haben. Der Rückenmarkskanal wurde nicht geöffnet.
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Dieser Fall ist vermöge seiner schleichenden Entwicklung unter der Larve eines gastrischen Fiebers und seines allmah-ligen Uebergangg vom Rückenmark auf das Gehirn, so wie als Beitrag zur Diagnose der Rückenmarksleiden, für den prakti­schen Thierarzt gewiss ebenso interessant, als lehrreich.
7. Saud, ein Schimmelhengst, von arabischer Vollblutzucht, 12 Jahre alt, zeigt sich den 11. November 1852 beim Reiten so matt und träge, dass ihn der Reiter kaum mehr nach Hause bringt.
Symptome: Ein langsamer weicher Puls, 28—30 Schläge in 1 Minute, ruhige Respiration, Kopfhaltung hoch, Sensorium ungetrübt. Maul schleimig, die sichtbaren Häute blass, aufge­worfen, Extremitäten wenig warm, kein Appetit, Mistabgang unterdrückt.
Ordinat: Aloe soccotrina mit Tart. stibiat.
Klystiere, Laufstall.
12.nbsp; nbsp;November. Der Kranke befindet sich wie gestern, Abends etwas trauriger; der Puls um einige Schläge vermehrt, es ist ein leichtes Fiebern (Frösteln) bemerkbar, kein Mist­abgang.
Obige Arznei wird fortgegeben, ebenso werden öfters Kly­stiere applicirt.
13.nbsp; November. Verschlimmerung; die Haltung des Kopfes ist zwar hoch, aber unstät, es wird derselbe bald rechts, bald links bewegt, doch vorherrschend nach der linken Seite gedrückt, das Gehirn ist aufgeregt, die sichtbaren Häute sind gelb gefärbt der Puls hat 60 weiche Schläge, die Respiration geschieht sehr langsam, beim Ausathmeu öfters seufzend, dabei frisst Patient nichts und knirscht leicht mit den Zähnen.
Ord.: Kleine Gaben Tart. stibiat. mit Tart. vitriolat. und Herb, trifol. fibr.
14.nbsp; November. Er ist aufgeregt, läuft viel und mehr nach der linken Seite, der Puls hat 56 weiche Schläge, das Aus-athmen ist seufzend, Abends tritt Laxiren ein; er ist scnwach, stupid.
Derivationen in der Lebergegend.
15.nbsp; November. Im Allgemeinen besteht der gestrige Zu­stand, der Puls hat 56—60 Schläge, ist klein, weich, der Herz-
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schlag deutlich fühlbar, die sichtbaren Häute sind in hohem Grade gelb gefärbt, er frisst nichts, die Schwäche nimmt zu.
Ord.: Camphor in kleinen Gaben und 01. Terebinthinae mit bittern gewürzhaften Mitteln.
Mehlwasser. Derivationen hinter den Ohren und an den Hinterschenkeln, Kaltwasserüberschläge auf den Kopf, da Eis­überschläge nicht ertragen werden.
16.nbsp; November. Es steht gleich schlecht, der Puls auf 52 Sclilägen, der Kranke geht im kleinsten Kreise nach links, die Kopfhaltung ist in gleicher Höhe mit dem Rumpfe, er knirscht mit den Zähnen, hat keine Darmausleerungen, die Verdauung liegt ganz darnieder, dagegen ist eine starke Diurese vorhan­den, der Urin hell von Farbe mit einem Veilchengeruch.
Therapie wie gestern.
17.nbsp; November. Ungefähr der gestrige Zustand, nur etwas ruhiger. Da Patient weder frisst noch sauft, so wird ihm als Nahrung Mehl und Kleie und altgebackenes Brod mit Wasser zu einem Brei angerührt und alle paar Stunden eine Portion ins Maul gegeben, auch ihm dickes Mehlwasser in letzteres ein-gesprizt.
Ord.: Das Zincum aceticum mit Rad. Arnicae. Derivatio­nen auf dem Kopfe und besonders im Genicke.
So bleibt sich der Krankheitszustand so ziemlich gleich bis zum 23. November, abwechselnd mit mehr Ruhe und grös-serer Unruhe (Aufregung), Knirschen, Rückwärtsgehen, Kreis­gehen nach der linken Seite, wobei die Kräfte sichtlich ab­nehmen.
Von lezterem Tage an changirt das Kreisgehen von der linken nach der rechten Seite, die Stumpfheit nimmt zu, beide Pupillen sind sehr weit und das Augenlicht, wie es scheint, sehr schwach.
24. und 25. November. Ein trauriger hoffnungsloser Zu­stand, der Patient kann nichts mehr schlingen in Folge ge­lähmter Schlingwerkzeuge; an letzterem Tage wird derselbe durch Einblasen von Luft in die Vena jugularis getödtet.
Sektion: Reichlicher Erguss gelblichten Serums in dem Gehirn- und Rückenmarkskanal, auf der Basis des Gehirns sind die Gefässe stark injizirt, die graue Substanz dunkler von Farbe und in ihrem Innern stark ecehymosirt, die Adergeflechte des
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kleinen Gehirns dick und stark geröthet, auch die Gefasse dieses Gehirntheils sehr mit Blut überfüllt. Die Leber ist gross, stark braun gefärbt, blutreich, die Milz normal, der Magen sehr klein, zusammengeschrumpft, am Magenmund die Schleimhaut etwas geröthet. Dick- und Dünndärme zusammengeschrumpft mit wenig Futterstoffen. Brustorgane gesund.
Den 20. November 1852, somit nur 9 Tage nach Saud erkrankte
8. das braune Reitpferd Esibey, von arabisch-englischer Zucht, 10 Jahre alt, mit den gleichen Krankheitserscheinungen, welches nach einem XTtägigen Verlauf eingieng.
Sektion: Kopferscheinungen heinahe ganz dieselben, wie bei Saud, der Magen leer, die linke Seite stark geröthet, die Gedärme zusammengezogen, die Peyer'schen Drüssen im Dünn­darme deutlich sichtbar, jedoch nirgends Geschwüre, die Dick­därme geröthet, im Innern derselben eine bräunlichte Flüssig­keit, welche recht lebhaft an die Sektionen beim Abdominal-Typhus erinnert, Leber ebenfalls stark braun gefärbt mit wäss-rigtem Blute gefüllt.
Zum Schlüsse möchte ich noch durch Mittheilung eines weiteren speciellen Krankheitfalles beweisen, wie schleichend und mit welchen scheinbar geringfügigen Erscheinungen diese Krankheit zuweilen auftritt und wie sie mitunter einzelne Ge-hirntheile ergreift, sich daselbst fixirt und ihre Ausgänge macht.
Der fünfjährige Seglavi-Sadi-Schiramelhengst von arabischer Vollblutzucht lässt den 16. März 1836 den Hafer liegen, frisst aber das Raufenfutter und ist sonst munter, namentlich frei um den Kopf, bei normalen Kreislaufsbewegungen. Da gerade die Eckschneidezähne im Aussbruch begriffen sind und Seglavi daran ziemlich empfindlich ist, so glaubt man den Grund des Haferversagens gefunden zu haben und beschränkten sich dem-gemäss die Anordnungen auf Kleie mit Glaubersalz, bei Schritt­bewegung.
Als am 17. März Seglavi sich etwas düsterer zeigte, ohne gerade den Kopf zu hängen, jedoch an den Lippen- und Ge-sichtsmusskeln zuweilen Zuckungen wahrgenommen wurden, der Mist selten und in grossen Bällen abgieng, so erhielt solcher eine Aloe-Abführung mit Cremor tartari und Natrum sulphu-ricum. Klystiere.
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18.nbsp; März. Er befindet sich wie gestern, nur der Blick ist trübe, dem stieren sich nähernd, der Kopf überhaupt etwas stärker eingenommen, der Appetit gering. Er bekommt desshalb noch ein Paar Gaben Aloe soccotrina mit Salzen.
19.nbsp; März. Zeigt sich keine Veränderung, der Mist ist weich.
21. März. Geht besser, das Gehirn ist frei, der Patient munter, die Zuckungen selten, der Appetit besser.
23. März. Seglavi ist als gesund zu betrachten, da alle Funktionen normal von Statten gehen j er erhält täglich ange­messene Körperbewegung und wird noch längere Zeit in jeder Beziehung mit aller Rücksicht und Vorsicht behandelt.
So blieb das Thier scheinbar gesund bis zum 29. April, somit 36 Tage, innerhalb welcher Zeit man an ihm keine Krank­heitszeichen bemerkte, solches benahm sich vielmehr im Stalle sowohl, als auch im Reiten munter und frass gut. Am Morgen des letzten Tages fiel dem Reiter eine gewisse Aengstlichkeit desselben, und dass solches auf Gegenstände geradezu hinlief, auf. Eine alsbald vorgenommene genaue Untersuchung der Augen ergab eine ungewöhnlich starke Erweiterung der Pupil­len, ohne die geringste Empfindlichkeit bei einfallenden Licht­strahlen, bei einem bläulichten Schimmer über beiden Augen, Seglavi lief auf Gegenstände hinauf, stiess sich an, war somit vollkommen erblindet. (Amaurose.) Ausserdem war derselbe vollkommen gesund, frass gut, trank, legte sich, der Kopf war frei, der Puls hatte 36 Schläge in 1 Minute, war klein und weich, die Se- und Excretionen zeigten sich normal. Die zur Wiederherstellung des Pferdes in Anwendung gebrachten inner­lichen und äusserlichen Mittel der verschiedensten Art, sowohl beim K. Hofstall, als auch später in der K. Thierarzneischule, wohin es zum Behufe weiterer Versuche gebracht wurde, waren alle fruchtlos, dasselbe blieb blind und wurde in den ersten Tagen Septembers an letztgenanntem Orte als unheilbar ge-tödtet.
Bei der Sektion fanden sich die beiden Sehnerven von ihrem Ursprünge — den Sehhügeln — an zu ganz dünnen Strängen geschwunden.
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Diätetische Prophylaxis.
Die Aufgabe des Thierarztes besteht bekanntennassen nicht allein darin, Kranke zu heilen, sondern vorzugsweise auch darin, die Thiere vor Krankheiten zu schützen. Dieser Einfluss aber wird ihm nicht immer und nicht überall zugestanden, so wichtig er auch ist und zwar nicht in seinem, sondern in der Thier-besitzer eigenem materiellen Interesse, das diese oft so wenig begreifen.
Wenn gleich die Kopfkrankheit nicht seuchenartig vor­kommt, um so öfter aber in sporadischer Weise einzelne Indi­viduen und an verschiedenen Orten befällt, so ist gleich wohl bei keiner Krankheit ein Verhütungsverfahren wichtiger, als bei dieser, weil, wenn sie einmal als solche vorhanden, wie schon oben gesagt worden, eine Herstellung der betreffenden Thiere durch ärztliche Kunst so selten gelingt.
Es versteht sich aber wohl von selbst, dass die hier zur Sprache kommenden allgemeinen Vorschriften mit der Gesund­heit-Erhaltungslehre überhaupt zusammenlaufen und dass es sich hiebei von Abhaltung oder doch Verminderung allgemeiner nach­theiliger Einflüsse, so wie dann besonders von Vermeidung aller jener Umstände und ursächlichen Momente handelt, welche Blut­wallungen, Congestionen, Hyperämie des Gehirns überhaupt, zu veranlassen vermögen, in welchen diese Krankheit so häufig ihren Entstehungsgrund hat.
Ein solches Verfahren erprobt sich besonders zu der Zeit, wo dieselbe gewöhnlich sich zu zeigen pflegt, oder wenn sie schon da oder dort in einzelnen Exemplaren zugegen ist, — namentlich bei solchen Pferden, welche entweder eine erbliche Anlage hiezu an sich tragen, oder welche vermöge ihres reiz­baren Nervensystems, ihres hitzigen Temperamentes, ihrer ver­weichlichten Hautbeschaffenheit und ihres Körperbaues über­haupt, ihrer grossen Fettleibigkeit, oder ihrer Gebrauchsart, vorherrschend zu derselben disponirt sind.
Luft (das pabulnm vitae der Alten) und Nahrungsmittel, diese Hauptelemente des thierischen Lebens, wie viele Krank­heiten bringen sie hervor, wie viele Kranke verdankt zunächst
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der Thierarzt ihrem Einflnsse und gleichwohl, wie oft und wie lange werden sie als Nebensachen angesehen und hintan­gesetzt !
Wie oft betritt man Ställe mit so schlechter, scharfer und warmer Luft gefüllt, dass dem Eintretenden nicht selten der Athem angehalten wird, und wie oft findet man in sonst gut administrirten Stallungen verdorbenes Futter, übelriechenden Hafer, stinkendes Heu oder Stroh u. s. w., obgleich die Erfah­rung hierüber längst streng geurtheilt und gerichtet hat!
In letzterer Beziehung sagt ein (bekannter) Schriftsteller A. v. Bally*:
„Man kann nicht gewählt genug seyn, um von allen Futterarten nur die beste Qualität den Pferden zu rei­chen, da keine Quantität die Qualität zu ersetzen ver­mag, sondern gerade im Gegentheile Krankheiten be­reitet.quot;
Kommen in Folge solcher Sünden Krankheiten vor, welche sich am leichtesten und schnellsten beim edlen Pferde entwickeln, so kann man das nicht begreifen und fragt, woher sie kom­men und sucht sie gewöhnlich in vielen andern entfernten Ein­flüssen, nur nicht in denjenigen, welche so nahe liegen.
Nun denn, der Thierarzt soll eben jetzt die Kranken be­handeln und alle heilen, ja keinen sterben lassen, sonst ist das Lamento gross, er soll jetzt das durch schlechte Luft und schlechtes Futter verdorbene, kranke Blut der Thiere schnell gesund machen!
Gäbe es sonst keine anderen nachtheiligen Einflüsse und Einwirkungen, als die eben genannten, es wäre übrig genug, um als Folge hievon Krankheiten der verschiedensten Art entstehen zu sehen. Nach meiner festen Ueberzeugung sprossen und nähren sich bei weitem die meisten seuchenartigen Krank­heiten des Pferdes aus diesen Quellen, desshalb stelle ich hier — zur Gesundheit-Erhaltung der Pferde — in einem Stallhaus-halte als Hauptgrundsätze oben an:
1) eine reine, nicht zu warme Luft in einem gut situirten, trockenen Stall;
8. dessen Pferdezucht etc. Stuttgart 1S36.
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2)nbsp; gesunde Fourage an Hafer, Heu und Stroh, nebst gutem, nicht zu kaltem Trinkwasser.
Aber nicht allein in qualitativer, sondern auch in quanti-tiver Beziehung ist die Fütterung der Pferde von grossem Ein-fluss auf ihre Gesunderhaltung.
Desshalb reiht sich hieran ein weiterer Hauptgrundsatz, er heisst:
3)nbsp; man füttere die Pferde regelmässig und vorzugsweise nach Massgabe ihrer Dienstleistungen, d. h. Aufnahme von Nahrungsmitteln und Kräfteverbrauch (Consumtion) müssen stets in einem angemessenen Verhältnisse zu einander stehen.
Die morgenländischen Völker wenden, wie bekannt, alle Sorgfalt auf ihre Pferde und gewöhnen sie schon von Jugend auf an wenig Futter; wissen wir ja von den Beduinen, welch ungeheure Wegstrecken sie zurücklegen, ohne zu futtern und wie sich dann die Pferde mit einigen Händen voll Gerste be­gnügen.
Wie ganz anders ist diess bei uns, namentlich bei den Luxuspferden! Nicht genug, dass man ihnen 3 bis 6 Mal des Tages den Magen mit Hafer und Heu vollpfropft, man lässt sie, die von der Natur offenbar zu täglichen Bewegungen be­stimmt sind, oft Tage lang im Stalle stehen oder reitet und fährt sie in 24 Stunden eine, längstens l'/j bis 2 Stunden, vielleicht dann sehr rasch, wodurch sie mehr oder weniger er-liizt werden.
Ist es zu verwundern, dass unter solchen Verhältnissen die Säftemasse ungewöhnlich sich vermehrt, das Blut dick und cruorreich wird, dass Stockungen im Pfortadersystem, Con-gestionen nach dem Gehirne und andern blutreichen Organen entstehen und in Folge hievon verschiedene Krankheiten und besonders auch die Kopfkrankheit auftreten?
Zu einer solchen zweckentsprechenden Futter-Eintheilung und Verminderung ist aber unser deutscher Pferdewärter nur sehr schwer zu bringen. Der gute will nur immer geben, zu­legen, unbekümmert darum, ob seine Pferde die zu ihrer Ge­sundheit unerlässlich nöthige, tägliche Bewegung erhalten haben oder nicht, wenn sie nur recht leibig und dick sind; der schlechte
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freilich sorgt auf andere Weise dem Dick- und Krankwerden seiner Pferde entgegenzuwirken.
Ein weiterer hieher gehöriger und wichtiger Hauptgrund­satz ist:
4) man schütze und verwahre die reizbare und empfindliche Haut des Pferdes vor Erkältungen zu jeder Zeit, vorzugs­weise während des Haarwechsels, dabei hüte man sich aber vor ihrer Verweichlichung und versäume ihre Reini­gung (Putzen) nicht.
Nach meinen Erfahrungen, — welche wohl auch die der meisten praktischen Thierärzte sein dürften — haben, wie schon nachgewiesen worden, die meisten sporadisch vorkommenden Krankheiten des Pferdes ihren Entstehungsgrund in allgemeinen und partiellen Erkältungen, sie folgen diesen oft auf dem Fusse nach und hier steht wieder fest: je edler und je jünger das Pferd, je wärmer der Stall, in welchem es gehalten wird, um so grosser seine Empfindlichkeit und um so schneller und härter strafen sich an ihm Erkältungen.
Auf den Grund dieser Erfahrungen verwahren die morgen­ländischen Völker ihre Pferde sorgfältig vor Zugluft und Nässe und bedecken besonders den Rücken und die Lenden, ebenso die Engländer, welche der deutsche Pferdezüchter und Pferdewärter auch in dieser Beziehung zum Muster nehmen dürfte.
Wie häufig und wie grob in dieser Richtung hier zu Lande gefehlt wird, weiss Jeder, der Gelegenheit hat, die Pflege und Behandlung der Pferde zu beobachten.
Welche nachtheiligen Folgen dagegen ein zu warmes Ver­halten der Pferde hat, ist oben ausführlich nachgewiesen worden.
Dass durch angemessenes Reinigen der Haut des Pferdes ihre so wichtige Funktion befördert und dadurch manche Krank­heit verhütet wird, wird keiner näheren Auseinandersetzung bedürfen.
In früheren Zeiten hielten die Aerzte ihre Frühlings- und Herbstkuren bei ihren Kunden; auch die Thierärzte Hessen im Frühjahr regelmässig, sogar an bestimmten Tagen, den Pferden zur Ader; einzelne Pferdebesitzer hängen jetzt noch dieser alten Regel an.
Diese Methode hatte unter umständen gewiss ihre gute
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Wirkung, namentlich wenn sie zur rechten Zeit und bei den sich dafür eignenden Individuen ausgeübt wurde; sie bewirkte durch die Verminderung der Blutmasse jedenfalls eine Ablei­tung von Blutcongestionen nach dem Kopfe, der Brust, dem Bauche u. s. w. und mochte zuweilen einer oder der andern Krankheit vorbeugen. quot;Wenn ich nun auch weit davon entfernt bin, ein solches Verfahren aus der alten Zeit hervorzuholen und unbedingt oder gar in seiner allgemeinen Anwendung zu em­pfehlen, so möchte ich doch andererseits darauf aufmerksam machen, dass auch der genannten und in dieser Weise bedenk­lichen üebertreibnng eine durch die Natur des Pferdes und die Einflüsse des Wechsels der Jahreszeiten auf dasselbe bedingte Wahrheit erfahrungsgemäss zu Grunde liegt.
Es ist eine bekannte Thatsache der Medicin (als deren Geheimniss der berühmte Boerhave die Sätze hinstellt: halte den Kopf kalt, die Füsse warm, den Unterleib offen etc.), dass durch Anfüllungen die Keime zur Krankheit entstehen, dass aber Ausleerungen die Heilmittel sind. Und diese Regel, welche beim Menschen gilt, möchte ich auch bei den Thieren zur Geltung bringen, namentlich beim Pferde im Hinblick auf dessen Organismus. Desshalb stelle ich ferner als Hauptgrundsatz auf: 5) Man verhüte Verstopfungen, sorge für weiche Darm-Ent­leerungen und wirke dadurch Blutwallungen, zunächst nach dem Gehirn, entgegen.
TfVei. — nebst dem kleinen Magen — den langen und weiten Darmkanal des Pferdes und die Masse von Futterstoflen kennt, welche der letztere in sich aufnimmt, dem wird es — zumal bei der wagrechten Stellung des Pferdekörpers — nicht auffallen, wenn gerade hier nicht selten Störungen in der Darm­funktion, Trägheit, Verstopfungen, vorkommen, und eben so wenig wird derselbe die nachtheiligen Wirkungen verkennen, welche dieselben schon allein durch ihren mechanischen Druck auf die Gefässe und Nerven, durch ihre Congestionen nach dem Kopfe, der Brust u. s. w. verursachen, zumal bei solchen Pfer­den, welche Jahr aus Jahr ein Körner und dürres Futter er­halten, dabei wenig Bewegung haben und nicht selten 23 Stunden des Tages auf einem Punkte stehen.
Hier gilt es, das einfachste prophylaktische Mittel gegen viele Krankheiten des Pferdes in Gebrauch zu ziehen, dessen
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Zweck zunächst der ist: von Zeit zu Zeit und besonders wenn die Darm-Excremente trocken und klein geballt, dunkel gefärbt abgehen, oder mehr oder weniger Verstopfiing zugegen ist, zu­nächst die Se- und Excretionen des Darmkanals und der Urin­wege in grössere Thätigkeit zu versetzen.
Es besteht dieses in der Fütterung von guter Kleie mit Salz. Hiezu benüzt man entweder Glaubersalz für sich allein oder zu drei Theilen dieses und einen Theil Salpeter, oder auch Weinstein. Hievon werden — je nach Bedürfniss — zwei bis drei Esslöffel voll in überschlagenem Wasser aufgelöst, mit letzterem wird sodann per Portion ein halber Vierling Kleie zu einem dünnen Brei (Schlappe) angerührt und täglich zwei bis drei mal eine Portion dieser Masse gefüttert.
Zur Frühjahrs- und Sommerszeit erfüllt den gleichen Zweck die Fütterung guten, gesunden Grases, oder eines solchen Klee's, auch der Mohr- und anderer süsser Rüben. Dass hiebei ein angemessener Abzug an Hafer und Heu stattfindet, versteht sich wohl von selbst.
Durch dieses ebenso einfache, als wohlfeile diätetisch-pro­phylaktische Verfahren, würde, wenn es zur rechten Zeit in An­wendung gebracht wird, — meiner festen üeberzeugung nach — manche Krankheit verhütet, mancher Verlust abgewendet wer­den. Es sollte desshalb in keinem Stalle, seie er gross oder klein, und in keinem Gestüt versäumt werden, von Zeit zu Zeit und namentlich unter obenbemerkten Umständen, so wie besonders auch bei heisser Witterung, dieses gelinde Abfüh­rungsmittel zu reichen und hieran schon die Fohlen zu ge­wöhnen.
Es würde hiedurch noch der weitere Vortheil erreicht, dass die Pferde bei vorkommenden Krankheiten und Seuchen schon an dieses Surrogat für den Hafer gewöhnt wären, wodurch nicht allein die Wirkung der Arzneimittel befördert, sondern auch die Krankheit selbst in ihrem regelmässigen Gang und Verlauf unterstützt wird.
Beabsichtigt man bei einem oder dem andern Pferde eine stärkere Abführung, so eignet sich hiezu die Aloe, und diese wirkt um so sicherer, wenn eine Präparation mit Kleie und Salz vorausgegangen ist.
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Wie in dieser Beziehung die Engländer durch ihr öfteres und starkes Abführen ihrer Pferde und Fohlen zu weit gehen, so geschieht von uns Deutschen zu wenig oder nichts. Zeigt sich die fragliche Krankheit — bei einer ihre Enstehung be­fördernden AVitterungsbeschaffenheit — in einzelnen Exemplaren, so sind ausser dem oben beschriebenen Verfahren — bei gut genährten, kräftigen Pferden — auch angemessene Aderlässe von Nutzen.
Bei sehr heisser Witterung erweisen sich Waschungen der Pferde, namentlich des Kopfes derselben mit frischem Wasser als zweckdienlich. Dass auch beim Gebrauch derselben, be­sonders aber bei der Dressur, schonende Rücksicht auf die ge­nannten Verhältnisse zu nehmen sei, liegt gewiss sehr nahe.
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Druck der J. B. Uetzler'ichen Bnchdruckerei in Stattgut.
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