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die bisher irrig genannte
Knochenbrächigkeit
deraquo;
Mind viehes.
Von
Karl Ijfidwig Fritscliler,
der Medicin, Chirurgie und Gchurtsliiilfc Doctor, prakiischem Arzte
zu Oberingelheinij Elimninitgliej' ih'iv
wisscnscliafllichen Vereine,
Mainz; 1844.
Druck und Verlag; von Jon \V i u t h.
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RIJKSUNIVERSITEITTE UTRECHT
1838 9928
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/urfdjunjen mit (ßrfal)ritnjen
Ober die bisher irrig genannte
Knochenbruchigkeit
des
Rindviehes^
richtiger
Gelenkentzündung, Gelenkkrankheit, oder Gelenkübellehre genannt,
deren
1lrföd)ett turt Jetlung.
Karl liadwig Fritschler,
der Medicin, Chirurgie und Geburtshiilfe Doctor, praktischem Arzte au Oberingelheim, Ehrenmitglied.^wfiji!erer wissenschaftlichen Vereine,
Druck und Verlag von Joh. WfRTB.
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Was in der Thicrhciikundc zur Wahrheit werden soll, muss aus der Natur und aus Beobachtungen hervorgehen.
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Vorwort.
MPa es uuläugbar Stellen im Gesammt-Lehr­gebäude der Thierheilkunde gibt, die auszubessern, zu erneuern, zu ersetzen, zu ergänzen sein dürften, so habe auch ich, da Irrthum nie und unter keinen Umständen zur Wahrheit werden kann, es versucht^ thunlichst Aufklärung über einen Gegenstand ZU geben, der lange geltend vorhanden wan
Der erhabene Beruf des Arztes ist, in seiner und ihr sonst verwandten Wissenschaft Licht zu ver^ breiten. Daher fühlte auch ich mich berufen^ in klarerer Anschauung einer Krankheit das Meinige zu thun^ welche für den Landmann bisher eine drückende Plage war. Im Jahr 1833 und 1834 fielen allein in der Provinz Rheinhessen über 1000 Stück an der soce-nannten Knochenbrüchigkeit, welche gering ange­schlagen einen Werth von 50,000 Gulden gehabt.
So lange der Glaube an diese Krankheit besteht, der Lehrer solche lehrt, und der Schüler wieder
daran glaubt, und in der Praxis auch zu sehen vor-
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gibt, Kann es mit diesem Kapitel nicht anders werden Ich lege daher Sachkundigen diese wenige Zeilen zur Prüfung vor, und bitte aus Liebe zur Sache und zur Wahrheit nicht flüchtig ein Urtheil zu gehen, als bis sie Zeit und Gelegenheit genug haben, meine Darlegung mit eigenen Augen zu prüfen.
Meine Arbeit ist einzig und allein aus Beob­achtungen und aus der Natur geschöpft hervorge­gangen und keineswegs der Art, dass sie nach bestehen­den Lehrbüchern vom Catheder herab, oder vom gelehrten Schreibtisch beurtheilt werden kann.
öer Verfasser.
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M.n der im September 1848 zu Mainz stattge­habten Versammlung der Naturforscher und Aerzte, theilte der Verfasser das Ergebniss seiner For­schungen über die sogenannte Knochenbrüchigkeit des Rindviehes in Rheinhessen^ welche er anzustellen Gelegenheit hatte^ mit, und welche ihn zur üeber-zeugung führten, dass diese Krankheitsform in der That nicht bestehe. (Siehe dessen amtlichen Bericht der zwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, so wie Discussion dieses Gegenstandes Seite 341.)
Die Veröifentlichung der Gründe seiner Meinung, welche der Ansicht vieler verdienter Menschen - und Thierärzte geradezu entgegen ist, hat derselbe theils schon in der Gr. Hess, landw. Zeitschrift (Jahrgang 1848, Seite 427) niedergelegt; erlaubt sich aber nach vielfacher Aufforderung, Gegenwärtiges als Auszug und Zusätze seiner dessfallsigen Aufsätze im Buch­handel niederzulegen.
Der umsichtige, mit der populären Thierheilkunde etwas vertraute Landwirth erhält klar und kurz ein Krankheitsbild, wonach er bei Wahrnehmung der krankhaften Erscheinung selbst heilende Hülfe ver­schaffen kann.
Der Krankheit, welche man bisher Knochen-brüchigkeit des Rindviehes nannte, gehört eine andere Benennung, was sich aus diesen Zeilen deutlich er­geben wird. Dem Laien ist es wohl gleichgültig.
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wie man immerhin eine Krankheit bezeichnet, wenn der Sachkundige nur Hülfe verschafft, diesem aber nicht, weil er nach dem Wesen und den Stadien der Krankheit seinen Heilplan einzurichten hat. Die Be­nennung raquo;Entzündung der Gelenke (Arthrocele), Ge^ lenkentzündung (Arthrophloyosis), oder Gelenkübellehre (Kakarthroloffia)quot; ist nach meiner gewonnenen Ueber^ zeugung statt der bisher irrig gebrauchten Bezeichnung raquo;Knochenbrüchigkeit des Rindvieheslaquo; beizulegen; was jedem aufmerksamen Leser klar werden wird.
Charakter:
Mit einem höchst unruhigen Stehen, einer gewissen Steifheit, oder ein Meiden des einen oder andern Beines, sowie mit dem Anfalle eines Schüttelfrostes, Fieber (Fieberschauer), nach welchem allgemeine Hitze des Körpers folgt, ist der Anfang der örtlichen Entzün­dung in dem ergriffenen Gelenke anzunehmen. J)a nun diese örtliche Entzündung, wenn sie bedeutend ist, ein Entzündungfieber im Gefolge hat, so glaubeich, dass die Betrachtung des Entzündungsfiebers, jene der örtlichen Entzündung nicht ausschliessen darf; vielmehr Fieber mit der örtlichen Entzündung völlig identisch sei, ja als ein Symptom der vorgeschrittenen Entmischung des Blutes angesehen werden muss. Im Sommer habe ich den Charakter des Fiebers entzündlich gastrisch, im Frühjahre und Herbst aber vorzugsweise rein ent­zündlich beobachtet. Zuweilen ist auch kein Entzün­dungsfieber hervorstechend bemerkbar, oder da es zuweilen milder auftritt, entgeht eskalier Beobachtung; hier ist ein versteckt entzündliches Leiden in den
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Gelenken vorhanden^ welches sich erst dann ausspricht, wenn die Vereiterung, Verjauchung, cariöse Zerstörung im Gelenke vorausgegangen ist. Dies sind dann^ wie mir bekannt, die meisten Fälle, welche sich dem Thierarzt in seiner Praxis ergeben.
Der Entartung der Knochen geht sicher erst eine langsame, manchmal auch schnell verlaufende Ent­zündung der Knorpel, Drüssen und Bänder voran, dann erst erfolgt Entzündung der Knochenhaut sammt dem Knochen und der innern Markhaut, wo dann nach und nach der Knochen in der Gelenkhöhle der Zerstöi-ung unterliegt.
Die destruirten Knochen, die entzündlich ange­schwollenen Gelenkbänder, die öfters sehr abnorm verdickt vorkommen, die grössere oder geringere Menge einer eiterartigen Flüssigkeit im Innern des Gelenkes bei Sektionen^ und die Beobachtung der erkrankten Thiere führen mich zur üeberzeugung, dass die bisher ganz irrig genannte Knochenbrüchigkeit in Rhein­hessen drei Zeiträume durchläuft.
Der erste Zeitraum:
Dieser ist erkennbar an einer sehr schmerzhaft sich äussernden Affection mit mehr oder weniger Auftreibung der das Gelenk umgebenden Weichgebilde, und an Vor­handensein des Fiebers. Gehen diese Zufälle unbe­merkt vorüber, so wird man auf das Kranksein des Thiers dann erst aufmerksam, wenn es das Futter versagt? und beobachtet man es hier, so wird man wahrnehmen, dass das Thier den Kopf öfters nach der schmerz­haften Stelle hinbewegt: — dann die oben angegebene
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unruhige Haltung^ als beständiges Trippeln u. s. iv. Das Lokalübel besteht hier rein in einer schnell oder langsam verlaufenden Entzündung.
Der zweite Zeitraum:
Durch Uebergänge der Entzündung (zu deren Bekämpfung nichts gethan wurde) haben sich schon Geschwüre des Gelenkkopfs, so wie dessen Fort­setzung und Formverletzung des Knochens gebildet.
Der dritte Zeitraum:
Die völlige oder th eilweise cariöse Zerstörung der articulirenden Knochenenden sind jetzt den Mus-kelcontraktionen Preis gegeben^ womit der ganze Röhrenknochen nach verschiedenen Richtungen hin­gezogen wird, womit dann die feste Haltung des Thiers verlorengegangen ist; ungeschickt fällt^ in Folgen dessen der Knochen da; wo die Geschwüre in demsel­ben vorhanden sind, oft in mehreren Richtungen zer-bricht, oder wie ich auch meheremal beobachtet habe, dass der der cariösen Zerstörung unterlegene Gelenk­kopf luxirt Avar. Hier hätte man dann freiwillige Kno ch en b r ü ch e; oder fr ei will ige Verren­kungen, und durchaus keine Knochbrüchig-keit.
Am Hüftgelenk kommt nach meiner Wahrnehmung die Entzündung vorzugsweise vor, und ist hier die Gelenkhöhle meistens auch cariös.
Würde das Thier am Leben gelassen werden, so müsste noch ein vierter Zeitraum eintreten, nämlich der, dass auch die Weichgebilde daquot;, wo die Knochen zerbrochen sind, in bösartige eiternde Geschwüre ver-
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wandelt werden, wo dann das Thier unter Zehrfiebern krepirt.
Einige Fälle von Rttckenmarksentzündung, welche wegen Lähmung der Beine für die Krankheit der Knochen-hrüchigkeit ausgegeben wurden, habe ich beobachtet. Die Untersuchung vermittelst des Messers überzeugte mich von der vorhanden gewesenen Krankheit der Rücken­marksentzündung, wobei aber keine cariöse Zerstörung an den Lendenwirbeln wahrzunehmen war. Hier ist einzig und allein der schnelle Uebergang der Entzündung in dem so edlen Organ die Ursche des so schnellen Todes. Auch Complicationen der Lungenentzündung sind mir zu Gesicht gekommen.
Ursachen:
Was die Ursachen dieser vermeintlichen Kno-chenbrüchigkeit anbetrifft, so ist besonders in der Gr. H. landw. Zeitschrift vielfach dieselbe besprochen worden, und ich führe theils aus den von mir und anderen Aerzten undOekonomen gelieferten Aufsätzen die Meinungen hier an.
Herr Dr. Keuscher, welcher die Morschheit der Knochen als existirend zugibt, dieselbe auch chemisch untersucht hat, gibt an, dass die Quelle dieser Krankheit in den chemischen Bestandtheilen der Futterkräuter zu suchen sei, und zwar in solchen, die wenig Kali enthalten. Als einziges Moment dies behaupten zu wollen, scheint mir ein zu gewagter Schluss, aber als eine Mitursache dies gelten zu lassen, wäre wohl mit anzunehmen.
Dass alle Krankheiten des Thieres aus dem Darm-
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kanal entspringen^ (mithin auch die in Rede stehende) wie ebenfalls Herr Dr. Keuscher angibt, dieser Ansicht kann ich nicht beipflichten. Das Hautorgan mit den Lungen spielt beim Thier wie beim Men-scheii; hinsichtlich der Gesundheit meistens mit die grösste Rolle; was sich aus der Fortsetzung von Aussen nach Innen oder umgekehrt unbezweifelt darthun lässt. Die Pflanzenwelt ist durch ihre Stängel, Rinden und Blätter mit der Aussenwelt (Natur) innigst ver­bunden^ und gedeiht bei gehöriger Bepflanzung und günstigen Einflüssen herrlich. Gewiss ist auch das Thier mit der Aussenwelt einzig und allein durch dasjenige Gebilde verbunden, was vorzugsweise die zellulöse Zusammensetzung beurkundet. Dieses Ge­bilde ist das Hautorgan, welches in Beziehung auf das ganze reproduktive Leben in der Thierwelt auch absondernd ist. So entweicht ja bekanntlich aus der Oberhaut unter zweierlei Gestalten eine gasartige und eine tropfbare, die sogenannte unmerkliche Aus­dünstung (Transpii-ation) und der Schweiss, in Folge des Gesetzes der Temperatur, auf dieselbe Weise wie in der Funktion der Lungenausdünstung im Athmungs-act. Das Hautsystem und Lungen sind von der Natur dazu bestimmt, den Verflüchtigungsprozess der impon-derablen und ponderablen Stoffe aus dem Organismus des Menschen und Thieres unausgesetzt zu fördern* Mit andern Worten: aus Haut und Lungen wird fort­während durch ein Verflüchtigungsprozess eine Ausgabe von chemischen Stoffen aus dem Körper an die äussere Umgebung abgegeben. Werden nun diese Verflüchti­gungsprozesse beim Rindvieh durch Einwirkungen ge-
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stört, zurückgehalten., so treten gewiss krankhafte Störun­gen mannigfacher Art ein. So bringt Erkältung der äussern Haut öfters Entzündung der Schleimhäute und Schleim­flüsse als Folge hervor.
Das innigste sympathetische Verhältniss des Haut­systems zum Darmkaual beurkundet sich auch durch die Verbindung in allen seinen Zweigen zur Genüge, und es ist in physiologischer und patheologischer Hin­sicht nicht allein beim Menschen, sondern auch beim Thier das wichtigste Organ.
Dass raquo;die Knochen als Folge von bioser Rücken­marksentzündung ganz mürbe werden sollen,laquo; wie die Herrn Doctores Leist und Lühn angegeben haben, wäre zu bezweifeln. Dass aber als Folge der Entzündung in den Weichgebilden sich nach und nach eine Kuochenkrankheit anderer Art bilden kann, ist jedem Sachkundigen bekannt.
Die Lähmung der Beine ist bei Rückenmarksent-zündung für nichts anderes als Reflex des gestörten Nervenlebens anzusehen.
Herr Dr. Samesreuther und Herr Oekonom Brunk sind der Ansicht, raquo;dass Erblichkeit die allge­meine Verbreitung befördere.quot;
Diese Ansicht will mir bei unsern gesunden Zuchtkühen und Bullen nicht einleuchten, raquo;denn wie die Zucht, so die Frucht.laquo; Wäre dies der Fall, so dürfte kein Stillstand der Krankheit beobachtet werden, was ja doch der Fall nicht ist; auch müsste Skro­felkrankheit, die Rhachitis und als Folge dieser Kyphosis, Lordosis, Skaliosis unter dem jungen Rind­vieh nachgewiesen werden. Die durch Pflege allenfalls
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verkrüppelten Kälber werden ja von dem Landmann selten länger als ein Jahr am Leben gelassen, folglich der Fortpflanzung entzogen. Bei diesen dickbäuchigen Kälbern liegt nach meinem Dafürhalten ein Destructions-prozess der Mesenderialdrüsen, und keine erbliche Disposition zu Grunde, warum das Kalb in seiner Entwickelung zurückbleibt.
Herr Dr. Kehrer sagt, raquo;dass Störungen der Hautthätigkeit mit vermag, die in Rede stehende Krank­heit hervorzurufen.laquo;
Diese Ansicht theile ich ganz, und bin — die Verrichtung des Hautorgans ins Auge gefasst — fest tiberzeugt, dass bei besserer Pflege desselben weit weniger Krankheiten entstehen würden.
Der von mehreren Sachkundigen und Oekonomen angegebene Mangel an gutem dürrem Futter in Rhein­hessen kann die alleinige Lokalursache nicht abgeben, denn sonsten müsste dieselbe allgemein ver­breitet sein, was ja doch nicht der Fall ist. Es gibt Ortschaften, wo grösstentheils Weinbau be­trieben wird, hier folglich alle Jahre Mangel an dürrem Futter vorhanden, und in vielen solchen Gemeinden ist die Krankheit noch nicht vorgekommen. Daher kann die Frage: ob wirklich in Rheinhessen zur Bildung dieser Krankheit eine Endemic (Oertlichkeit) zu Grunde liege, wo vorzugsweise die Verhältnisse der Witterung, der Einwirkung dieser auf das Futter, und so der ganzen Fütterung zugeschrieben werden muss? dermalen nicht beantwortet werden.
Die Ursachen, welche ich zuj Ausbildung dieser Krankheit angeben möchte, liegen in frühzeitiger
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feuchten Wärme des Frühjahrs, darauf fol­gende kalte Tage und Nächte, in den zu leeren oder mit Vieh überfüllten Ställen, die zu viel oder zu wenig Luftlöcher haben, sehr dumpf, feucht, niedrig gelegen und niedrig sind, in Mangel an quot;Weidgängen, in ganz vernachlässigter Hautpflege, in rheumatisch metastatischen Hautausschlägen, äusserlich angebrachte Gewaltthätigkeiten, so wie in übermässigerFütterung mitD ick würz, Rüben, Schrot, Oelkuchen, Brandweinspülicht im trächtigen Zustande des jungen Rindviehes.
lu den Jahren, wo bei Menschen häufig Katar-rhalkrankheiten, Lungenentzündungen, hie und da auch Wechselfieber vorkamen, war auch die sogenannte Knochenbrü chigkeit unter dem Rindvieh bemerkbar Man sollte hier zu dem Schluss geführt werden, dass diese Krankheit ihre ursprüngliche Ursache in der herrschenden Witterung habe, etwa wie Maul-und Klauenseuche u. s. w. Diese Ansicht haben mehre Sachkundige, erklären desshalb diese Krank­heit als eine seuchenartige. Könnte hier nicht als Complication Lungenentzündung, auch Wechselfieber, (wo der Luftkreis eines gewissen Bezirks, mithin auch die Stallungen mit schädlichen, der Respiration hinder­lichen Stoffen geschwängert sind, wo namentlich die Kohlensäure als das Hauptprodukt des Athmens und der Ausdünstung mangelnd) zu Grunde liegen?
Sachkundige mögen diese Andeutung bei weiteren Beobachtungen berücksichtigen, besonders da ich weiter unten Thatsachen angebe, woraus recht gut denkbar ist.
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dass als Complication ein Wechselfieber beim Rind­vieh vorkommen, ja primär sich zeigen kann, und die allenfallsigen Complicationen erst nachfolgen.
Ob in Betreff der nächsten und entfernten Ursachen, so wie des eigentlichen ursprünglichen Sitzes dieser Gelenkkrankheit die Acten bald geschlossen werden können, wird die Zeit lehren.
Prognose:
Diese richtet sich nach der Bedeutung des ent­zündlichen Gelenks, der Ursachen und den Zeiträumen der Krankheit.
Kur:
Was die Behandlung betrifft, so ist diese den Zeiträumen anzupassen, aber vor Allem zu berück­sichtigen, die Entzündung in dem betreifenden Gelenke in vollkommene Zertheilung zu bringen. Hier ist also ein streng antiphlogistisches Verfahren einzuhalten, welches nach der Heftigkeit des Fiebers, der im Uebermass vorhandenen Wärme am Entzündungsort und den Kräften des Thieres zu bemessen ist; be­sonders, ob in einem kurzen Zeitraum ein oder mehre Aderlässe vorzunehmen sind.
Innerlich kühlende gelinde Abführungsmittel zu verabreichen.
Z. B. Rec. Natri sulphurici Uncias quatuor* Kalt nürici Uncias tres. Aquae fontanae libras quatuor. M. D. Ä. Alle halbe bis ganze Stunde ein Schoppen einzuschütten, worunter man einen Esslöffel voll Mehl gerührt.
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Oder: Rec. Kali sulphnrici Uncias qualuor. Kali nitrici Uncias tres. Aquae fontanae libras quatuor. M. D. IS. Wie das vorige.
Aeusserlich auf das entzündete Gelenk kalte Wassemmschläge, Eisbedeckungen. Das schnelle Ver­trockenen der Wasserumschläge, oder das Schmelzen der aufgelegten Eisbedeckung machen dessen öftere Erneuerung nothwendig, und zwar so lange, bis deutliche Linderung der fühlbaren Hitze an der Entzün­dungsstelle eingetreten ist.
Ist aber mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der erwünschte Ausgang der Entzündung, als die Zer-theilung nicht erfolgt, so müssen Haarseile und zwar möglichst nahe an das leidende Gelenk angebracht, oder Einreibungen von reitzenden Salben um das Gelenk mit Beharrlichkeit gemacht werden.
Z. B. Pulveris cantharidum Unciam dimidiam. Spiritus terebinthinae Unciam unam. Liquoris stibit muriatici drachmas tres. Adipis suillae Uncias quatuor. M. F. Unguenti. D. S. Mit einem ledernen Däum­ling alle zwei Stunde eine welsche Nuss gross ein­zureiben, bis Wundsein entsteht. Oder: Rec. Tartari stibiati drachmas sex. Hydrargyri muriatici corrosivi drachmam unam. Adipis suillae Uncius quatuor. M. F. Unguenti, D. S. Alle 2 bis 3 Stunde eine welsche Nuss gross um das ganze Gelenk einzureiben, bis daselbst Pusteln entstehen.
Auch das kräftige Cardinalmittel in der Thierheil-kunde, nämlich das Glüheisen, worüber die Stimme der rationellen Thierärzte sich dahin entschieden hat, auch dem alten Ilipokrnüscheit Lehrsatze vollkommen
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le­in der Thierheilkunde Anerkennung zu verschaffen: guae igne non sanantur, ea insandbilia sunt, (Was nicht durchs Feuer geheilt wird, ist nicht mehr zu heilen.)
Das prismatische Glüheisen ist für diese Krank­heitsform das beste, welches höchst glühend aufge­tragen werden muss. Vor der Anwendung bemerkt man mit Kreide die Anzahl der Striche, damit man bei der Auftragung nicht zaudere. Die Anzahl der Striche muss der Grosse des Gelenkes angepasst und in hinreichenden Zwischenräumen wegen der späteren Vernarbung, etwa l'/s his 8 Zoll von einander entfernt sein.
Man versage dem Thier, so lange Entzündungs­fieber vorhanden ist, nicht das kalte Wasser; denn instinktmässig lechzt dasselbe nach dem frischen Wasser, um Milderung des Durstes und seiner Hitze zu erhalten. Alles andere Getränk, welches es auch sein möge, versagt das Thier, es ist ihm widerlich. Dies ist dem Beobachter die Sprache der Natur und des Bedürfnisses! —
Man trage Sorge, die Temperatur des Stalles so kühl zu erhalten, als es die äussere Luft gestattet, und trage kein Bedenken, dass durch sorgfältige Zuglassung einer möglichst reinen, nicht mit fremd­artigen Dünsten vermischten Luft die Krankheit sich verschlimmere — Zugluft ausgenommen.
Welche sonstige flüssige Nahrungsmittel den Zeiträumen der Krankheit anpassen, dann und wann dem Thier vorgehalten zu werden gehören, braucht wohl nicht erwähnt zu werden; was aber zur Steige-
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ning der Entzündung etwa beitragen könnte; muss sorgfältig vermieden werden.
Wird der Thierarzt gerufen^ wenn schon beinahe der zweite Zeitraum verstrichen, so ist wenig von der Kunst zu erwarten, und im dritten Zeitraum, wenn schon Caries der Knochen und Eiter im Gelenk vor­handen, ist alle Hülfe vergebens.
Um die Entstehung einer wirklichen Knochen-brüchigkeit und die weiteren Folgerungen selbst dem niedergestellten Thierarzt und Laien verständlich zu machen. Folgendes:
Die Reproductions- oder Ernährungskraft des thierischen Körpers ist ein grosser Prozess, welcher durch eine beständige Auflösung des gewonnenen und Wiedererzeugung des verlorenen Soifes das Be­stehen des Lebens bedingt. Wir sehen ihn in den Verdauungsorganen ausgebreitet. Diese Organe sind in der Thier- und Menschenwelt das chemische Laboratorium zu nennen, von wo aus sich eine kräftige Umgestaltung durch alle Organe des Körpers kund gibt. Man erkennt in diesen Grundfunktionen einen Ergänzungs- und Bildungstrieb, welcher sich durch alle Gebilde fortentwickelt, und so die Ernährung des Körpers bedingt. Daher mag Herr Ritters Be­weis, laquo;dass ein beständiger Galvanismus das Leben im Thierreich begleite,quot; als eine passende Vergleichung zur Verständigung der Reproductionskraft angesehen werden. Diese Vergleichung ist so zu deuten, dasraquo;
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im galvanischen Prozess wie im thierischen Organis­mus chemische Erscheinungen sich beurkunden; die auch nur fais chemischen und nicht aus vitalen Prin­zipien erklärbar sind.
Wird nun der Bildungstrieb fortwährend durch schlechte, zum Theil verdorbene Nahrungsstoffe, über die Gränzen der regelrechten Naturvorschrift hinaus­geführt, und dabei dem Hautorgan keine gehörige Reinlichkeit, kein Schutz vor Erkältung und dem Lungenorgan keine gute Luftv zugeführt, so müssen nothgedrungen Störungen eintreten, und als Folge davon in den ergriffenen Gebilden Substanzwucherungen.
Man ersieht aus diesen krankhaften Uebergängen, dass auf diese Art selbst das Knochensystem nicht frei bleiben kann. Es wird aber durchaus ein ge­schwächtes hohes Alter eines Thieres erfordert, um erst eine Geneigtheit zu einer so allgemeinen krank­haften Veränderung der Gesammtorgane hervorzurufen.
Auch bin ich der festen üeberzeugung, hatsicheine allgemeine Dyskrasieim Körper des Thieres entwickelt, so muss sich diese wie beim Menschen durch Abnahme des Muskel­systems und Entartung des Hautorgans zu erkennen geben. Bei allen bisher an der soge­nannten Knochenbrüchigkeit erkrankten und krepirten Thieren hat man auch nicht eine Spur einer all­gemeinen Hautkrankheit auffinden können, welche nur eine beginnende, vielweniger eine totale Säfteverderbniss angedeutet hätte.
Auch müsste jedenfalls die Absonderung der Milch mit ihrem normalen Gehalte, ehe eine ganze
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Säfteverderbniss sich erkennen lies, lange vorher ganz unterbleiben. Bei der in Rede stehenden Krank­heit geben die Kühe theilweise noch Milch. Nur wenn sie nicht mehr stehen können, verliert sich erst nach und nach die Milchabsonderung.
Wie alles Leben des Thieres in seiner Fortbildung, so quot;wie Bestehen desselben, aus dem Flüssigen ent­springt, so muss natürlich auch das Blut als erster Träger desselben in seiner Mischung zerstört sein, und sich durch krankhafte Erscheinung deutlich aus­sprechen, ehe ein wirklicher Mlschungsprozess im Knochenbau denkbar ist. Auch die Wärme des Thieies muss vielfachen Veränderungen unterlegen haben. Ehe und bevor also Brüchigkeit, leichte Zerbrech­lichkeit der Knochen erfolgt, muss quot;durch allgemeine krankhafte Veränderung Jahrelang ein dyskrasischer, mit bedeutendem Zehrfieber vorhandener Zustand vorausgehen, ehe eine völlige Metamorphosirung der Knochen, welche doch den so höchst wundervollen Bau in Hinsicht seiner Grosse, Richtung und Gestalt ausmachen, statt finden kann, und diese zur todten Masse werden.
Betrachtet man das neugeborene Kalb in den ersten Stunden, welche Festigkeit ist im Vergleich zum neugebornen Kind in den Knochen vorhanden, da sie schon das Thier zu tragen vermögen; und welche Festigkeit tritt erst mit der Vollendung des Wachs-thums ein? —
Dieser feste Knochenbau soll nun in Rheinhessen durch einen so höchst krankhaften Aufsaugungsprozess bei jungen Kühen so schnell, ja seuchenartig in einen
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total morschen Zustand verfallen? — Ob dies möglich sei, diese Frage lege ich erfahrenen Thierärzten zur Beantwortung vor. Auch möchte ich fragen, ob es möglich sei, dass die Knochenbrtichigkeit nur an einzelneu Knochen vorkommen kann, und die übrigen ganz gesund sind? Bisher war meines Wissens immer die Sprache von einzelnen Knochen und nicht vom ganzen Skelett. Ich bin, wenn von Kuochenbrüchig-keit die Rede ist, der Ansicht, dass alle Knochen gleichzeitig, Avenn wohl nicht alle in gleichem Grade, ergriffen sein müssen.
Ich war Augenzeuge bei mehreren Sektionen,
wo die zerbrochenen Knochen noch deutlich
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Ausschwitzung von Callus zu erkennen gaben, was1, wenn Knochenbrüchigkeit vor­handen gewesen wäre, unmöglich hätte statt finden können. Dem Laien ist es klar, wenn man von Morschheit der Knochen redet, so müssen doch wohl aus demselben alle gallertartigen fetten Sub­stanzen entfernt sein. Findet man nun an den Knochen der krepirten oder todtgeschlagenen Thiere, an welchen einzelne Knochen freiwillig zerbrochen waren, einen unverkennbaren gallertartigen Ans at zum den Rand des Knochenbruches, sokann dieser ge-wissnichtfür einenmorschenKnochen erklärt werden. Völlig morsche Knochen hat man gewiss noch nicht beim Rindvieh beobachtet, da bei keinem Oekonomen das Rindvieh ein hohes Alter erreicht, welchem nach meiner Ueberzeugung diese Krank­heitsform nur ausschliesslich eigen ist.
Bekannt ist mir nicht, dass Knochen von Thieren,
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welche eine unverkennbare Morschheit an sich trugen, chemisch untersucht worden wären. Man hat wohl Knochen freiwilliger Knochenbrüche chemisch unter­sucht, dies waren aber keine mürbe, sondern frei­willig zerbrochene Knochen. Herr Veith nimmt problematisch an, dass Mangel an thierischem Leim und Nichtvorherrschen des phosphorsauern Kalkes dabei statt habe. Was ist aber von einer solchen An­gabe zu halten? Hier wäre meine Ansicht die, dass, ehe man von Knochcnbrüchigkeit reden könne, die Knochen nur aus phosphorsaurem Kalk bestehen müssen-Dem Laien bildlich zu geben: Die Knochen müssen sich in demjenigen Zustande befinden, worin dieselben durch Verglühen im Feuer versetzt werden; indem die Hitze die gallertartigen Theile verzehrt, und nur allein die erdigen Massen zurücklässt.
Die Ursachen zu einer Knochcnbrüchigkeit sind jedenfalls allgemein und nie örtlich, daher dieselben ausschliesslich nur im hohen Alter des Rindviehes zu treffen wären, wo dann erst eine langsame völlige Entkräftung voraus gehen muss, ehe eine Geneigtheit der Knochen in ihrer Gesammtmischung einer gänzlichen Zerstörung zu unterliegen, sich einstellen kann. Das Zehrfieber ruft aber durch krankhafte Veränderung der Gesammtorgaue eine so völlige Entkräftung herbei, dass das kranke Thier, wenn es nicht getödtet wird, jedenfalls eher krepirt, als der ganze Knochenbau form verletzend angegriffen, vielweniger noch morsch oder mürb werden kann.
Mit Bestimmtheit ist anzunehmen, wo Gleichheit des Baues, Grundbestandtheile vorhanden sind, auch
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Gleichheit der Krankheitsformen sein müsse. Der Knochenbau hat doch wohl dieselben Grundbestand-theile wie die der Weichgebilde, — versteht sich alles in seinem Verhaltniss, wesshalb die phosphorsaure Kalkerde vorherrschend in den Knochen die ür-bestandtheile aneinander bindet, und umgekehrt in den Weichgebilden die Gallerte dies thut. Nun gibt es viel­leicht keine einzige Krankheitsform in den Weich­gebilden des Menschen} welche nicht auch im Kno­chenbau nachgewiesen werden könnte, nur mit der Ausnahme, welche die grossen'Gefässe befallen. Auch beim Rindvieh würden sich jedenfalls alle diese Krankheiten nachweisen lassen, wenn der Zweck der Erhaltung ein höherer wäre, etwa wie ihn einst die Aegyptische Mythologie vorschrieb, wo auch das Rindvieh bei Stämmen (Nomos) ausschliesslich verehrt wurde, und so ein hohes Alter erreichte. Zweck der Viehhaltung ist überall beim Oekonomen: Nutzung und Düngerproduktion; nur hie und da, durch Lokalverhältnisse hervorgerufen, ist derselbe auch auf die Nachzucht bedacht. Das Rindvieh erreicht so­mit überall nie ein hohes Alter, in welchem, wie schon angegeben, bei beständig Kranksein nur ein­zig und allein denkbar ist, dass sich ein total mürber morscher Zustand im ganzen Knochenbau entwickeln kann.
Die Sachkundigen mögen die aufbewahrten Kno­chen von, ander sogenanntenKnochenbrüchigkeitkre-pirten oder todtgeschlagenen Thieren, genau betrachten, und dann urtheilen, ob sie dieselbe für mürbe Knochen erklären können ? Ohnehin möge man in vorkommenden
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Fällen das ganze Skelett einer genauen Prüfung un­terwerfen.
Nach der Darlegung meiner Gründe muss der Sachkundige gewiss mit Bestimmtheit annehmen, dass man im ganzen Knochenbau des Rindviehes im nutz­baren Alter noch nie ein morsches, mürbes, zerreib­bares Wesen im lebenden Zustande, und unmittelbar nach dem Tode hat nachweisen können; folglich das quot;Wort raquo;Knochenbrüchigkeitlaquo; nach seiner etymo­logischen Bedeutung schon unpassend einen Krankheits­zustand des Knochenbaues bezeichnet, der in dieser Be­deutung in der Natur ganz und gar nicht vorhanden ist.
Das Kapitel, oder die Lehre von der Knochen-brüchigkeit unter dem Rindvieh hat freilich allgemeine Geltung in der Veterinär-Wissenschaft, daher man­chem Sachkundigen, der es nicht vorzieht, die mög­lichste Klarheit in dieser Krankheitsform zu erhal­ten , mein Widerspruch auffallend sein mag. Die­ser Sachkundige bleibt aber selbst, was er ist, ein Glaubender, anstatt ein Wissender! Der tiefdenkende Mann vom Fach räumt aber ein, dass der Werth einer Lehre weder von ihrem Alter, noch der Zahl der Autoren abhängt; sondern dass sie einzig und allein nach den dargelegten wissenschaftlichen Grün­den, worauf sie sich stützt, bemessen und beurtheilt werden muss.
So möge denn meine physiologisch- pathologisch­anatomische Untersuchung über diese Gelenkkrankheit des Rindviehes einen grossen Schritt weiter führen; mögen Sachkundige diesen höchstwichtigen Gegen­stand mit aller Ruhe und Umsicht beleuchten, ergän-
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zen, was mir vielleicht entgangen ist, meine Behaup­tung genau prüfen — wenn ich (obgleich eine Preis­aufgabe von Einhundert Dukaten für die beste Ab­handlung über das Wesen der Knochenbrüchigkeit, deren Vorbeugung, und Heilung; bei Anwesenheit der Naturforscher und Aerzte zu Mainz veröffentlicht wurde) ausspreche: — Die bisherige Geltung der Knochenbrüchigkeit des Rindviehes ist ein Phantom in der Veterinär-Wissenschaft.
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Behaup-e Preis-äte Ab-higkeit, esenheit Fentlicht eltung lies ist schaft.
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