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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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DIE
Seuchen und Herdekrankheiten
UNSERER HAUSTH1ERB
MIT RÜCKSICHT AUF DIE ZOONOSEN DES MENSCHEN
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THIERÄEZTE, ÄRZTE UND LANDWIKTHE.
NACH SEINEN EIGENEN VORLESUNGEN
BEARBEITET VON
DR H. PÜTZ,
Professor der Veterlnürwlaseuischaft au der Uuiversitiit in Halle a. ö.
MIT 78 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
STUTTGART. VERLAG VON FERDINAND ENKE.
1882.
BIBUOTHEEK DIERGENEESKUNDS
UTRECHT
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Dnick von Gebrüder Kroner in StnttKart.
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V o r w o r t.
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-Uas Gebiet der durch thierische und pflanzliche Parasiten nach­weislich verursachten, so wie der ätiologisch noch nicht genügend erforschten Seuchen und Heidekrankheiten, hat sich in neuerer Zeit nach verschiedenen Richtungen hin ausgebreitet. Nicht nur die Zahl dieser Thierkrankheiten ist gegenwärtig eine grössere, als früher, son­dern es sind auch die Anschauungen über das Wesen und die Ur­sachen vielfach andere, ja man darf sagen „vielfach klarerequot; geworden.
In Folge der veränderten Betriebs- und Verkehrs-Verhältnisse, namentlich in den landwirthschaftlichen Fabrikwirthschaften, sind einer­seits neue Krankheitsformen aufgetreten; andererseits sind die seit längerer Zeit zur Beobachtung gekommenen Thierkrankheiten sorg­fältiger studiert, resp. genauer erkannt und dadurch zum Theil weiter differenzirt worden.
So erfreulich nun auch im Allgemeinen der zu verzeichnende Fortschritt auf diesem Gebiete der thierärztlichen, resp. der ver­gleichenden Pathologie ist, so sind doch unsere Kenntnisse in vielen einschlägigen Dingen noch sehr mangelhaft.
Mein vorliegender Versuch, alles Wesentliche der seitherigen ForschungsresLiltate über Thierseuchen und Herdekrankheiten mit Rücksicht auf ähnliche oder gleiche Krankheiten des Menschen, unter Benutzung der einschlägigen Literaturquellen kritisch zusammengestellt zu haben, darf wohl beim geneigten Leaer auf eine milde Beurtheilung hoffen. Derjenige, welcher zu einem Urtheile über dieses Unter­nehmen überhaupt berechtigt ist, kennt ja die vielfachen und grossen Schwierigkeiten, welche sich seiner Ausführung jetzt noch entgegen­stellen.
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IV
Vorwort.
Erst nach dem Drucke der Invasionskrankheiten wurde ich ver-anlasst, auch die Actinomycose, so wie die sopticämischen Erkrankungea des Menschen und der Thiere bei den Infectionskrankheiten mit zu besprechen, wodurch die Zahl dieser von #9632;20 auf 28 angewachsen ist. Ueberdies sind an geeigneter Stelle mit besprochen worden: Die Bradsot der Schafe, die Texasseuche des Rindviehs, die Wildseuche, der Schafrotz, der Erb- oder Wabengrind und der Russ der Ferkel.
Mit Rücksicht auf die Bestrebungen, schliesslich eine inter­nationale Seuchentilgung zu erzielen, sind die Viehseuchengesetze ver­schiedener europäischer Staaten ihrem wesentlichen Inhalte nach mit aufgenommen worden. Das deutsche, so wie das österreichischo Vieh­seuchengesetz sind abschnittsweise den bezüglichen Krankheiten bei­gefügt, das holländische, französische und schweizerische Viehseuchen­gesetz dagegen im Zusammenhange dem Nachtrage vorausgeschickt worden.
Endlich sei noch bemerkt, dass es bei den Fortschritten der vergleichenden Pathologie für den Arzt immer mehr Bedürfniss wird, über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse im Gebiete der Seuchen und Herdekrankheiten unserer Hausthiere sich gelegentlich schnell und leicht orientiren zu können. Für den Landwirth aber ist eine gründliche Kenntniss dieser Krankheiten ganz besonders nützlich, weil letztere meist leichter zu verhüten, wie zu heilen sind und die Vorbeuge gegen dieselben vorzugsweise Sache der Thierbesitzer selbst ist. Einem academisch gebildeten, oder sonstwie geistig angeregten Landwirthe wird das Verständniss dieses Buches, so weit es für seine Zwecke erforderlich ist, keine Schwierigkeiten bieten.
Halle a/S. im Mai 1882.
Pütz.
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Inhaltsverzeiohniss.
I. Abtheilung.
Einleitung Seite 1 bis 80.
Eintheilung dor Thiorseuclien und Herdelirankheiten je nach der Natur des Krankheitserregers in InvasionsUrnnkheiten und Inl'ectionskrankheiten oder Mycosen S. 1.
Begriff und Verzeiohniss derselben S. 2 bis 3.
Definition der Begriffe: Zoonosen, Ansteckung oder Infection, Ansteckungs­stoff, Vehikel, Träger, iut'ectionsfähiger Dunstkreis, Inlectionsherd, Incu­bation, Tenacität oder Lebensznlngkeit, Ansteckungsfähigkeit oder Virulenz, Krnnkheits-Character und -Genius S. 1 bis 0.
Ueber Knipl'änglichkeit für ein Krankheitsgift, Immunität, Impfung und Impf-krnnkheiten, Prädilectionsorgan, Atrium oder Eintrittsstelle eines Krank­heitserregers in den Thierkörper, thierische und ptlanzliche Krankheits­erreger, Mikroorganismen, Pleomorphie der Reproductionsorgane der Pilze S. 6 bis II.
Mangelhaftigkeit unserer Kenntnisse über Wesen und Ursache vieler Krank­heiten, das Caeteruin censeo der Thierärzte, das thierärztliche Studium und die Viehseuchengesetzgebung, reichlichere Dotirung der thierärztlichen Unterrichtsanstalten, nationalöconomisclie Bedeutung einer wissenschaft­lichen Thiermedicin S. 11 bis 15.
Eintheilung der Seuchen nach ihrem Verbreitungsbezirke, so wie nach den Ursachen und Stadien der Krankheit, Definition des Begriffes Seuche, Landesseuche oder Epizootic, Ortsseuche oder Enzootie und Panzootie, Contagion, Contagium, Miasma oder Malaria S. 15 u. 16.
Ueber Witterungseintlüsse, Krankheitsanlage oder Disposition, Krankheits­erscheinungen, spezifische oder pathognomonische Symptome, Diagnose, die verschiedenen Krankheitsstadien, der Krankheitsverlauf und die Krank-heitsdaner S. Iti bis 19.
Allgemeines über Vorhersage, Behandlung, Vorbeuge, Indicationen u. s. w., verschiedene Curarten, Naturheilkraft und Naturhülfe, Rückfälle, Nachcur und Selbstschutz S. 19 bis 22.
Ueber Fieber S. 23 bis 30.
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VI
luliiiltsverzoicliniss.
Die luvnsioiiskrankheiten S. 81 bis 144 und Nachtrag- S, 669 bis {181.
A.nbsp; lieber Bandwürmer (Cestoden) S. 32 bis 79.
1.nbsp; Blasen- oder Kürbisbandwiirmer oder Tänien S. 35 bis 76.
Der Einsiedlerbandvvurm des Menschen und die Finnenkrankheit
des Schweines S. 41 bis 47, 51 bis 53 und Nachtrag S. GÜO. Die liindsfinne und die Taenia saginata des Menschen S. 47 bis 51
und Nachtrag S. 609. Die Drehkrankheit der Schafe etc. und die Taenia Ooenurus des
Mundes S. 54 bis 03. Die Echinokokkenkrankheit des Menschen und der Thlere und der
dreigliedrige Haudwurm des Hundes 8. 63 bis 72, ferner Nachtrag
S. 672 und 073. Die Band wurms euo he und der ausgebreitete Band wurm
der Lämmer S. 72 bis 74. Verschiedene Band- und Bl nsen wiirmer unserer Hau s-
t liiere S. 74 bis 70 und Nachtrag S. 069 bis 074.
2.nbsp; Qrubenköpfe oder Botriocephalen S. 70 bis 79 u. Nachtrag S. 073 u. 074.
B.nbsp; Ueber Saugwtirme r (Trematoden) S. 79 bis 80 und Nachtrag S. 074. Die Fäule und Leberegel der Schafe etc. S. 81 bis 85, Nachtrag
S. 074 Saugwtirmer bei Pferden und anderen Hausthieren S. 86. Egel beim Geflügel und bei Flusskrebsen, Nachtrag S. 074 bis 078.
C.nbsp; UebQr Nematoden S. 87 bis 109.
Trichina spiralis und die Trich in en kr an khei t des Menschen etc.
S. 87 bis 99 und Nachtrag S. 678 und 079. Pullisadenwürmcr S. 99 bis 105. Die Lungcnwurmseuch e der Schafe etc. S. 100 bis 103. Die
Mngcnwurmseuche der Schafe etc. S. 103 bis 105. Die bei unseren Hausthieren im Allgemeinen vorkommenden Rundwürmer
S. 105 bis 109.
D.nbsp; Ueber Zweiflügler und deren Larven S. 109 bis HG und Nach-
trag S. 079. Der Bremsen Schwindel der Schafe und die Schafbremse S. 110 bis 118. — Die Pferde- und Rindsdasselfliegen S. 113 bis 116 und Nachtrag S. 079.
E.nbsp; lieber Spin nent hi er e S. 116 bis 141 und Nachtrag S. (380.
1.nbsp; Wurnispinnen S. 110 bis 119. Das bandwurm-ahnliche Fünfloch und
die durch dasselbe bei Menschen und Thieren verursachten Krankheits-ziistände 8. 116 bis 119.
2.nbsp; Milben S. 120 bis 141. Ueber Balgmilben, Grabmilben, Saugmilben
und Hautschuppen fressende Milben S. 120 bis 126 u. Nachtrag S. 680. Die Räude der verschiedenen Haust liiere S. 127 bis 134. Die auf Räude bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 134
bis 139. Die Krätze des Menschen S. 139 bis 141. lieber einige andere Acarideen Nachtrag S. 079 bis 681.
F.nbsp; nbsp;Saroodetliiere S. 141 bis 144.
Die Ps orospermionkrankh e i l und die Gregarinen unserer Hausthlere S. 141 bis 144.
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Iiihaltsvei'zeichniss.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vll
II. Abtheilung.
Die Iiifectloaskninkhciten S. 14ö bis 702 und Nachtrag S. 681 bis (394.
Natur der Krankheitserreger S. 145 bis 148. BfyoeliampUze S, 148 bis 152, Helcpilze und Sarcine S. 152 bis 153, Spaltpilze S. 153 bis 162.
1.nbsp; nbsp;Die llii Imercliolera S. 103 bis 104 u, Nachtrag S. 081 bis 084.
2.nbsp; nbsp;Der Milzbrand S. 105 bis 213 und Nachtrag S. 084 bis 098.
Historisches S. 105. Verschiedene Milzbrandl'ormen S, 107. Vorkommen der­selben bei den einzelnen Thierspezies S. 173 bis 188. Bradsot der Schafe S. 173. Aetiologie des Jlilzbrandes S. 183 bis 192. Scctionsersclieinungen S. 192. Prognose S. 195. Therapie S. 190. Vorbeuge S. 197.
Der Milzbrand beim Menschen 8. 198 bis 204.
Mitigirung des Milzbrandgiltes und SobuMinpfaTlgen bei Hansthieren S, 204 bis 208.
Die auf Milzbrand bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 209 bis 213.
3.nbsp; nbsp;Die Karbunkelkrankheit und der Rauschbrand S. 213 bis 218
und Nachtrag S. 093 u. 094. 3a. Die Texasseuche des Rindviehs S. 218 bis 222.
4.nbsp; nbsp;Der Rothlauf der Schweine und andere r Hausthlere S. 222bis2;i4.
5.nbsp; nbsp;Die Pocken unserer Hausthiere S. 234 bis 273. Kuhpocken S. 2Ü5.
Unechte Kuhpocken S. 237. Kuhpockenimpl'ung des Menschen S. 238. Die Pocken der Ziegen S. 241. Die Schafpocken S. 242. Aas- oder Brand­pocken S. 240. Prognose und Behandlung der Schal'pocken S. 247. Schaf-pockenlmpfung S. 248 bis 257 und Nachtrag S. 694. Die Pocken der Pferde S. 258. Die Pocken der Schweine und Hunde S. 260. Die Pocken der Kaninchen und des Geflügels S. 201. Die Mcnschenblattern S. 201 bis 267. Impfzwang S. 205. Die auf Schafpocken bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 207 bis 273. 0. Die Lungen se uche des lli ndviehs S. 273 bis 308 und Nachtrag S. 695. Historisches S. 274. Heimath und Ursache S. 275 bis 277. Krankheits-erscheinungen, Verlauf und Ausgang der Lungenseucbe S. 277 bis 281. Sectionsbel'und 8. 282 bis 287. Behandlung und Vorbeuge, Impfung etc. S. 287 bis 300 und Nachtrag S. 690. Die auf Lungenseuche bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 301 bis 308.
7.nbsp; nbsp;Die Rinderpest S. 308 bis 352.
Historisches S. 308, Symptome und Verlauf der Rinderpest S. 314 bis 317. Sectionsbel'und S. 317 bis 319. Dillerentinl-Diagnose S. 319. Ursachen der Rinderpest S. 321. Rinderpcst-Impl'ung S. 324. Rinderpestartige Er­krankung bei Schafen und Ziegen S. 327. Die auf Rinderpest bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 328 etc.
8.nbsp; nbsp;Die Ruhr oder Magenseuche S. 352 bis 358.
9.nbsp; nbsp;Die Kopfkrankheit des Rindes S. 358 bis 303. 10. Die Rotzkrankheit S. 363 bis 400.
Alter, Wesen, Contagiosität und Ursachen derselben S. 303 bis 368. Die Neubildungen derselben S. 309 bis 374. Die klinischen Rotzformen S. 375 bis 382. Verlauf der Rotzkrankheit S. 382 bis 386. Diagnose, Sections-befund, Prognose, und Behandlung S. 385 bis 389.
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Inluiltsvorzeiclmiss.
1
IMo liotzkrankhelt des Mensoben S. 389 bis ^98.
Die auf Rotz beziigl. Gesetze Deiitsclilnnds und Oestcrreiclis S. 398 bis 40(i.
11.nbsp; nbsp; Die Druse der Pferde S. 40(3 bis 414.
12.nbsp; nbsp; Die Influenz ii der Pferde quot;8, 414 bis 488.
KnuiUbeitsersebeiniuigon S. 414. Die gutartige Form S. 418. Die ont-ziindlicbc Form S. 419. Comiilicationen, Ursachen, Sectionsbel'mid lind Behandlung S. 419 bis 424. Die Brustseuclie der Pferde nach DieckerhofT S. 425. Die Pfcrdcstnupe nach Dieckerhoir S. 420 bis 438.
13.nbsp; nbsp; Die Staupe der Hunde S. 433 bis 440. 13n.Der Schafrotz S. 440 u. 441.
14.nbsp; nbsp; Die Wuthkrankheit S. 441 bis 468.
Infection und Incubation, Vorboten, Irritations- und Läliraungastadinm der Wuth S. 442 bis 446. Sectionsbefund und Diagnose der Hundswntli S 44G bis 449. Die Wuthkrankheit anderer Thierspezies S. 449 bis 451. Viru­lenz des Speichels wuthkranker und wuthfreier Tbiere S. 451 bis 454. Empfilnglichkeit des Menschen für das Wutbgift S. 454. Wasserscheu des Menschen S. 455. Curative und prophylactische Massregeln S. 459 bis 402. Die .auf die Wuthkrankheit bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oester-reichs S. 462 bis 468.
15.nbsp; nbsp;Die Maul- und Klauenseuche der Ilausthiere S. 408 bis 496. Die Bläschenseaehe des Rindviehs S. 469.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Schafes und der Ziege S. 475.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Schweines S. 476.
nnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Fleischfresser und wild lebender Tbiere S. 477.
Uebertragbarkeit der Bläschenseuche auf Menschen, Ilausgellügel und Pferde S. 477 bis 480.
Verlauf und nationalöconomische Bedeutung der Bliischenseuche S. 480. Ursachen und Incubatiousdauer, Prognose und Ilehandlung der Bläschen­seuche S. 482 bis 486. Die auf Bläschenseuche bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs
S. 486 bis 491. Stomatitis pustulosa contagiosa nach Eggeling u. Ellenberger S. 491 bis 496.
16.nbsp; nbsp;Die Beschälkrankheit der Pferde S. 296 bis 504. Krankheitscrschei-
nnngen bei Stuten S. 497, bei Hengsten 8. 499. Verlauf, Ursache, Sections­befund, Prognose und Behandlung S. 500 bis 504.
17.nbsp; nbsp;Der Bläschen aus sc hl ag der Pferde und des Rindviehs an den
Geschlechtstheilen S. 504 bis 607. Die auf Beschälkrankheit der Pferde und auf Bläschenausschlag bei Pferden und Rindvieh bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterreichs S. 507 bis 510.
18.nbsp; nbsp;Die Perlsucht, resp. Schwindsucht des Rindviehs und an-
derer Hausthlere S. 510 bis 526. Symptome, Verlauf, Prognose und Ursachen S. 510 bis 514. Die Frage der Contagiosität der Tuberculose des Menschen S. 514. Beziehungen zwischen der Schwindsucht des Men­schen und der Thiere S. 515 und 516. Die verschiedenen Formen der Schwindsucht S. 517 bis 523. Der Genuss von Fleisch und Milch schwind­süchtiger Kühe als Nahrungsmittel des Menschen S. 523 bis 526.
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luliallsverzeichniss.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IX
19.nbsp; nbsp;Die Di p lit lie rit i s S. 52ti bis 541. Ueber die Natur des sog. Diphtlioritis-
pilzes 8, 527. Ueber Localisation und Wesen diphtlieritiechcr Prozesse S. 528. Verschiedene Formen derselben S. 529. Rachendiphtherie des Jlensehen S. 530. Derselben ahnliche Krankheitszustände der Thiere S 531. Dninmann's Diphtherie der Kälber S. 532 bis 535. Noma des Menschen S. 535. Die Gelliigelscnche, eine croupös - diphtheritische Erkrankung S. 536 bis 541.
20.nbsp; nbsp;Die allgemeine Zellgewebswassersucli t des Rindviehs S. 541
bis 540.
i
21.nbsp; nbsp;Die Tr aberkrankh ei t der Schafe und Ziegen S. 546 bis 551.
22.nbsp; nbsp;Die Lupinenkrankheit der Schafe S. 551 bis 557, des Pferdes
S. 557 und 558, des Rindviehs S. 558 und 559. Vorbeuge gegen bu-pinenkrankheit S. 559 bis 561.
23.nbsp; nbsp;Die weisse Ruhr der Kälber S. 552 bis 566. Perniciöser Durchfall
bei Lämmern 560.
24.nbsp; nbsp;Das en zoo tische Verkalben der Kühe S. 566 bis 572.
25.nbsp; nbsp;Die Glatzflechte unserer Haus thiere und des Menschen S. 572
bis 579. Aetiologie S. 575 u. 576. Pilzvegetation S. 577 n. 578. Prog­nose und Behandlung S. 578 u. 579.
25a,Dcr Erb- oder Wabengrind unserer Haustbiere und des Men­schen S. 579 bis 585. Pilzvegetation S. 582 bis 583.
25b.RuB8 der Ferkel S. 585 u. 586.
26.nbsp; nbsp;Die Schlampern auk c des Rindviehs S. 580 bis 592.
27.nbsp; nbsp;Di e Actinom ycos c des Rindes, des Schweines und des Men-
schen S. 592 bis 004.
Historisches, Int'ectiosität und Localisation S. 592 bis 590. Actinomycose des Rindes und Schweines.
Aetiologie S. 597 u. 598.
Diagnose und Verlauf S. 599 u. 000.
Prognose, Behandlung u. Vorbeuge S. 601 U. 602. Die Actinomycose des Menschen S. 602 bis 604.
28.nbsp; nbsp;Die sep tieämis dien Erkrankungen der Thiere und des Men-
schen S. 605 bis 019. Krankheitserscbeinungen S. 606. Sectionserscheinungen S. 006 bis 610. Diagnose und Aetiologie S. 611 bis 014. Prognose S. 614. Pyämie S. 614 bis 616. Clnssificining, Behandlung und Desinfection 8. 616 bis 019.
Das Vi ehseuebenges etz Frankreichs S. 020 bis 632.
Hollands S. 032 bis 649. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(I er S c h w e i SS 8. 649 bis 068.
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Xnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhaltsvcrzeicliniss.
Nachtrag S. 6C8 bis 702.
Taenia snginata und die Rindsfmne S. CG9 bis (572.
Eine Echinococcnsblase im Herzen S. (i72.
Taenia Echinococüiis S. 073.
Eine Baudwurraseuche bei Katzen S. Ö73.
Botriocephalus beim Hecht S. 078 u. Ii74.
Egel beim Geflügel S. 674.
Behandlung der Fäule der Schafe S. (i74 u. 075.
Krebspest S. 675 bis 678.
Verwerthung trichinöser Schweine S. 078 u. 079.
Oestrus Larven S. 079.
Dermanosen der Vögel S. 079 bis 081.
Pasteur's Cultur des Hühnercholeragiftes S. 081 bis 084.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrandimpfungen S. 684 bis 693.
Charbon symptomatique S. 693 u. 094.
Schal'pocken-Impfung und Vaccination des Menschen S. 695. Lungenseuche-Impfung 696. Tuberkelbacillen 699. Tuberculose und Perlsuclit 700.
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•''•. #9632;•.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ftnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;,'' ''#9632;
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Einleitung.
V erliegendes Buch hat sich die Aufgabe gestellt, die sogenannten Thicrseuchen und Herdekrankheiten in Rücksicht auf ihre ursächlichen, diagnostischen, prognostischen und therapeutischen Momente, namentlich aber auch in Bezugquot; auf die zu ergreifenden Vorbeugungs-Massregeln zu besprechen. Es ist dies nach dem neuesten Standpunkte der Wissenschaft, und in einer jedem denkenden Menschen verständlichen Weise geschehen, indem der Text, so weit als nöthig, durch ent­sprechende Holzschnitte an den geeigneten Stellen illustrirt worden ist.
Die Thicrseuchen und Herdekrankheiten werden gegenwärtig in zwei Hauptgruppen geschieden.
Die Gruppe I. umfasst diejenigen Krankheiten, welche durch die Einwanderung, resp. Uebersiedelung von thierischen Parasiten in oder auf den Körper unserer Hausthiere verursacht werden. Man bezeichnet diese Krankheiten gegenwärtig als
„Invasionskrankheitenquot;.
Zur Gruppe II. rechnet man alle ansteckenden und Herdekrank­heiten, für deren Entstehen man niedrige pflanzliche Organismen ver­antwortlich macht, oder deren Ursachen man zur Zeit noch nicht greifbar nachzuweisen vermag. Man fasst diese Krankheiten unter dem Namen der sogenannten
„Mykosenquot; oder „Infectionskrankheitenquot; zusammen. Unter dieser Gruppe weiden eine Anzahl Krankheiten besprochen, welche nicht eigentlich ansteckend sind, d. h. nicht von Individuum zu Individuum übergehen, sondern durch ein sogenanntes Miasma erzeugt werden, das meist eine grössere oder geringere Anzahl Thiere des betreffenden Viehbestandes seuchenartig zu befallen pflegt.
Demgemäss sind folgende Krankheitszustände in angegebener Weise besprochen.
Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thierkrankhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
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Einleitung.
I. Invasionskrankheiten.
Die Zahl der thierischen Parasiten, welche in und auf dem Körper unserer Hausthiere leben, ist eine ziemlich bedeutende; jedoch nur eine kleinere Anzahl derselben verursachen für gewöhnlich so erhebliche Gesundheitsstörungen, dass diese als eigentliche Krankheiten sich klinisch qualificiron lassen. Als solche werden hier besprochen Werden :
1)nbsp; die Finnenkrankheit der Schweine (und einiger anderer Haus­thiere),
2)nbsp; die Drehkrankheit des Schafes, des Rindes und Pferdes,
3)nbsp; die Echinokokkenkrankheit verschiedener Hausthiere (und der Menschen),
4)nbsp; die Bandwurmseuche der Lämmer,
5)nbsp; die Leberegelkrankheit oder Fäule des Schafes und des Rindes,
6)nbsp; die Trichinose,
7)nbsp; die Lungenwurmseuche der Schafe und
8)nbsp; die rothe Magenwurmseuche der Schafe,
9)nbsp; der Bremsenschwindel oder die Schleuderkrankheit der Schafe,
10)nbsp; die durch das bandwurmähnliche Fünfloch bei verschiedenen Thieren und Menschen verursachten Krankheitszustände,
11)nbsp; die Räude der verschiedenen Hausthiere und die Krätze des Menschen,
12)nbsp; die Gregarinose oder Psorospermienkrankheit der Kaninchen und anderer Hausthiere.
II. Mykosen oder Infectionskrankheiten.
Grosser als die Zahl dieser Invasionskrankheiten ist die Zahl derjenigen Krankheiten, welche mit mehr oder weniger Sicherheit und Recht auf die Einverleibung und Vermehrung pflanzlicher Mikro­organismen zurückgeführt und deshalb zu den Mykosen oder Infections­krankheiten gestellt werden. Unter dieser Rubrik sollen hier be­sprochen werden:
1)nbsp; die Hühnercholera,
2)nbsp; der Milzbrand oder Anthrax,
3)nbsp; die Karbunkelkrankheit oder der Rauschbrand,
4)nbsp; der Rothlauf der Schweine und anderer Hausthiere,
5)nbsp; die Pockenkrankheit unserer Hausthiere bes. der Schafe und die Blattern des Menschen,
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Kiiileitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
6)nbsp; die Lungcnseuehe des Rindes,
7)nbsp; die Rinderpest,
8)nbsp; die Ruhr oder Magenseuche,
9)nbsp; die Kopfkrankheit (das bösartige Catarrhalfieber) des Rindes,
10)nbsp; die Rotzkrankheit des Pferdes und des Menschen,
11)nbsp; die Druse und
12)nbsp; die Influenza der Pferde,
13)nbsp; die Staupe der Hunde und der Schafrotz,
14)nbsp; die Wuthkrankheit der Hunde und anderer Thiere, so wie des Menschen,
15)nbsp; die Maul- und Klauenseuche verschiedener Hausthiere,
16)nbsp; die Beschälseuche des Pferdes,
17)nbsp; der Bläschenausschlag an den Gescldechtstheilen des Pferdes und des Rindes,
18)nbsp; die Perlsucht des Rindes,
19)nbsp; die Diphtherie,
20)nbsp; die allgemeine Zellgewebswassersucht des Rindviehs,
21)nbsp; die Traber- oder Grnubberkrankheit der Schafe und Ziegen,
22)nbsp; die Lupinenkrankbeit der Schafe,
23)nbsp; die weisse Ruhr der Kälber,
24j das enzootische Verkalben der Kühe,
25)nbsp; die Glatzflechte des Rindes und das Teigmal der Kälber, so wie der Russ der Ferkel,
26)nbsp; die Schlämpemauke des Rindes.
Für die wenigsten dieser Krankheiten ist bis jetzt der eigentliche Krankheitserreger so bestimmt nachgewiesen, wie dies bei den In­vasionskrankheiten der Fall ist; eine Anzahl jener gehört somit möglicherweise nicht unter die Rubrik der Mykosen und wird in Zukunft vielleicht anderswie untergebracht d. h. classificirt werden.
Bevor wir nun in die Details unserer interessanten Materie ein­treten, müssen wir uns zunächst mit verschiedenen Dingen bekannt machen, ohne welche ein klarer Einblick in die zu besprechenden Krankheitszustände nicht gewonnen werden kann.
Vor Allem sei hier daran erinnert, dass das Wort „Krankheit* keineswegs in dem Sinne gedeutet werden darf, als wenn dasselbe den Begriff eines für sich bestehenden Wesens umfasse; dasselbe muss vielmehr als ein Collectivbegriff für alle Betriebsstörungen aufgefasst werden, welche in den thierischen Lebensvorgängen eintreten können. Diese Störungen werden dadurch characterisirt, dass die Functionen
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
dos einen oder anderen Organes, oder mehrerer Organe, unter abnormen Verhältnissen von statten gehen. — Die Krankheitslehre oder Patho­logie der Hausthiore ist somit nichts Anderes, als die Physiologie der unter abnormen Verhältnissen thätigen Organe gewisser Individuen.
„Ansteckendquot; wird eine Krankheit genannt, wenn sie während ihres Verlaufes den Krankheitskeim in der Weise roproducirt, dass der­selbe bei geeigneter ITebertragimg auf Individuen, welche für denselben empfänglich sind, die nämliche Krankheit zu eirzeugen vermag, welcher er selbst seine Entstehung verdankt.
Die Empfänglichkeit für ansteckende Krankheiten bietet mancherlei Verschiedenheiten, welche sowohl auf das Individuum, wie auf die Spezies sich beziehen. Es gibt z. B. Krankheiten, welche nur einer einzigen Spezies eigen sind, während andere auf verschiedene, oder gar auf alle Hausthierspezies und selbst auf den Menschen über­tragen werden können. So ist die Lungenseuche eine ausschliesslich der Rindviehspezies eigenthümliche Krankheit. Dieselbe kann weder auf andere Wiederkäuer, noch auf Pferde, Schweine, Hunde oder Katzen übertragen werden. Dagegen sind die Wuthkrankheit und der Milz­brand nicht nur auf alle warmblütigen Thiere, sondern auch auf den Menschen übertragbar. Letzterer ist für einzelne Thierkrankheiten empfänglich, für welche verschiedene Thicrspezies keine Empfänglich­keit besitzen; so z. B. für die llotzkrankheit, gegen welche das Rind so gut wie ganz unempfindlich ist.
Alle ansteckenden Thierkrankheiten, welche auch auf den Men­schen übertragbar sind, werden „Zoonosenquot; genannt.
Die wirkliche Uobertragung einer Krankheit von einem Indi­viduum auf ein anderes bezeichnet man als , Ansteckung oder In­fectionquot; .
In der Möglichkeit einer Uebertragung liegt es begründet, dass ansteckende Krankheiten, je nach der Beschaffenheit ihres Anstcckungs-stoffes, mehr oder weniger leicht eine grössere Verbreitung erlangen können.
Das wirksame Agens, oder den eigentlichen Krankheitserreger, nennt man „Anstecküngsstoff oder Contagium.quot;
Je nachdem ein Contagium von der atmosphärischen Luft oder von anderen gasförmigen Körpern in suspense erhalten und weiter fortgeführt werden kann oder nicht, unterscheidet man „flüchtigequot; und „fixequot; Contagion; letztere sind solche, welche nur an mehr oder weniger festen, oder an tropfbar flüssigen Substanzen des kranken Organismus haften und mit denselben von einem Individuum auf ein anderes über-
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
tragen werden müssen, um ihre Wirksamkeit entfalten zu können. Diese Substanzen nennt man „Vehikel*; mit denselben können an­dere Gegenstände verunreinigt und diese dadurch zum „Träger* des Contagiums werden. Eine vollständige Eintrocknung des Vehikels hat die Zerstörung der meisten Aiisteckungsstoffe zur Folge; in manchen Fällen jedoch müssen die Träger des Ansteckungsstoffes zum Zwecke der sicheren Vernichtung des letzteren mit zerstört werden.
Die flüchtigen Contagien besitzen das Vermögen, sich auf ge­wisse Entfernungen selbst in freier Luft auf einige Zeit wirksam zu erhalten; der Umkreis, in welchem sie dies thun, heisst der „infections-fähige Dunstkreisquot;; derselbe ist in Bezug auf Ausdehnung u. s. w. selbstverständlich von mancherlei Verbältaissen abhängig. Am längsten erhalten sich flüchtige Ansteckungsstoffe wirksam, wenn sie in die Zwischenräume von Heu, Stroh u. dergl., oder in andere poröse Körper eingedrungen sind, weshalb der Desinfection solcher Gegenstände stets eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt werden muss.
Der Ansteckungsstoff mancher Krankheiten ist „fix und flüchtigquot; zugleich. —#9632; Orte und Individuen, von welchen die Ansteckung an­derer Thiere ausgeht, werden „Infectionsherdquot; genannt. Zwischen dem Momente der Uebertragung eines Ansteckungsstoffes und dem offenbaren Ausbruche der Krankheit liegt ein verschieden langer Zeit­raum, welchen man die Zeit der „Incubationquot; nennt. Dieselbe ist nicht nur bei den einzelnen Krankheiten, sondern auch für die ein­zelnen Fälle ein und derselben Krankheit bald mehr, bald weniger weit gehenden Schwankungen unterworfen.
Die Zeit, während welcher die Ansteckungsstoffe ausserhalb des Thierkörpers, oder nach dessen Tode, sich wirksam zu erhalten ver­mögen, bestimmt den Grad ihrer eignen „Tenacitätquot; oder „Lebens­zähigkeitquot;; derselbe ist eben so verschieden, wie der Grad ihrer „An­steckungsfähigkeitquot; oder „Virulenzquot;. Diese ist einestheils von der betr. Krankheit selbst, resp. von der Qualität und Concentration des bezüglichen Contagiums, anderntheils von noch wenig gekannten Ver­hältnissen abhängig. So sind z. B. die Krankheiten, welche ein fixes und flüchtiges Contagium entwickeln, weit ansteckender als solche, welche nur ein fixes Contagium erzeugen; Rinderpest, Schafpocken und Lungenseuche sind dementsprechend viel ansteckender, als der Milzbrand, Rotz etc. zu sein pflegen. Aber nicht nur, dass die ein­zelnen ansteckenden Krankheiten einen verschiedengradig heftig wir­kenden Ansteckungsstoff erzeugen, sondern es ist auch dieser An-steckungsstoff von ein und derselben Krankheit nicht immer gleich
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Ünbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
wirksam. Hierauf beruht zum Theil die bekannte Thatsaohe, dass ansteckende Krankheiten unter sonst (scheinbar wenigstens) gleichen Verhältnissen eine bald grössere, bald geringere Ausbreitung erlangen, oder gar,nur in vereinzelten Fällen (sporadisch) vorkommen. So sehen wir, dass diese oder jene contagiöse Krankheit bald in grosser, bald in geringer Verbreitung auftritt und dass bei der nämlichen Gelegen­heit zur Uebertragung des Ansteckungsstoffes dennoch in dem einen Falle die Infection leichter und sicherer, als in einem anderen Falle bei derselben Krankheit eintritt (z. B. Rotzinfectionen). Ebenso ist die Gut- oder Bösartigkeit ein und derselben Krankheit keineswegs immer gleich , sondern es zeigen die nämlichen ansteckenden Krank­heiten im Wechsel der Zeiten und Verhältnisse einen verschiedenen Character, den man „Geniusquot;epizooticus* genannt hat. Die demselben zu Grunde liegenden ursächlichen Momente sind uns meist gänzlich unbekannt. Wir kennen nur ihre Wirkungen. Zuweilen treten ein­zelne Symptome oder Complicationon ungewöhnlich häufig, oder stark hervor u. s. w. Es ist bekannt, dass die Verdünnung der Ansteckungs-stoffe, resp. ihrer Vehikel, nicht über gewisse Grenzen hinaus gehen darf, ohne dass sie ihre Wirksamkeit verlieren. Auch wissen wir, dass manche Stoife, wie z. B. Carbolsäure, Chloride, Borate, Alkalien, Säuren, Qnecksilherpräparate u. s. w., wenn sie auf die Vehikel, resp. auf die an sie gebundenen Contagion einwirken, diese zei'stören. Auf dieseKenntniss gründet sich im Wesentlichen unser Desinfections-v e r f a h r e n.
Für die wirksame Uebertragung des Ansteckungsstoftes von einem Individuum auf ein anderes kommt im Allgemeinen in erster Linie die Empfänglichkeit der verschiedenen Gattungen und Individuen für den betr. Krankheitserreger in Betracht; wo diese fehlt, wird eine Infection selbstveratändlich nicht stattfinden können. Eine solche Un-empfänglichkcit für diesen oder jenen Ansteckungsstoff bezeichnet man als „Imnuinitätquot;. So ist z. B. das Pferd immun für das Lungen-seuchc- und Kinderpest-Contagium u. s. w. Die Kenntniss der ver­schiedenen Immunitäten spielt bei der Seuchentilgung und Vorbauung unter Umständen eine bedeutende Rolle. So wird man z. B. ein rotz­verdächtiges Pferd ohne Gefahr für das Rindvieh in den Kuhstall, ein gesundes Pferd ohne Gefahr für dasselbe in einen mit Lungenseuche oder Rinderpest inficirten Rindviehstall stellen können u. s. w.
Als spezielle oder individuelle Immunität bezeichnet man diejenigen Fälle, wo Individuen für eine ihrer Gattung eigenthüm-liche Krankheit eine geringere, oder gar keine Empfänglichkeit be-
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
sitzen. Während wir die generellen, d. h. die der Gattung zukom­menden Immunitäten kennen, somit im Voraus bestimmen können, lernen wir die individuelle Immunität in der Regel für jeden einzelnen Fall erst durch das Experiment, oder eine sonstige Uebertragung des betreffenden Ansteckungsstoffes kennen.
Die individuelle Immunität für die eine oder andere ansteckende Krankheit kann eine angeborene, oder eine erworbene, eine periodische oder constante sein. Erstere treffen wir bei jungen Thieven für eine unbestimmt lange Zeit manchmal dann, wenn das Mutterthier während der Trächtigkeit die betreffende ansteckende Krankheit glücklich über­standen hat. Aber auch ohne dies kommen individuelle Immunitäten vor. So z. B. impfte Professor Hertwig in Berlin während 3 Jahren einen Hund zu wiederholten Malen mit Wuthgift, ohne dass jemals eine Ansteckung erfolgte. Andere Thiere, welche zu gleicher Zeit mit demselben Speichel geimpft wurden, erkrankten und starben da­gegen sämmtlieh an Wuth. Es sind nun besonders diejenigen con-tagiösen Krankheiten, welche einen flüchtigen Ansteckungsstoff ent­wickeln, dadurch ausgezeichnet, dass sie durch ihren Ablauf in einem Thierkörper diesen für kürzere oder längere Zeit gegen neue In-fectionen durch den betreffenden Ansteckungsstoff sicher stellen, d. h. für eine gewisse Zeit, oder für die ganze Lebensdauer immun machen, während dies im Allgemeinen bei Krankheiten, welche nur einen fixen An­steckungsstoff entwickeln, in geringerem Maasse der Fall zu sein scheint. Auf dieser Erfahrung beruhen die sogenannten „Impfungen*. Als Impfung bezeichnet man im Allgemeinen die absichtliche Uebertragung des Ansteckungsstoffes von einem kranken auf gesunde, für das be­treffende Contagium empfängliche Thiere. Solche Impfungen können unter gewissen Umständen als Schutz gegen die gewöhnliche Infection verwerthet werden; dies ist jedoch keineswegs bei allen ansteckenden Krankheiten der Fall. Es ist ja selbstverständlich, dass die Einimpfung des Krankheitsgiftes nur dann empfehlenswerth erscheint, wenn durch die nachfolgende Impfkrankheit eine Immunität gegen die natürliche Krankheit begründet wird, und wenn jene im Allgemeinen milder als diese zu vorlaufen pflegt. Krankheitsgifte, welche absolut tödtlich sind, wie z. B. das Wuthgift, eignen sich aus nahe liegenden Gründen zu Schutz-Impfungen nicht.
Als Impf-Krankheiten kommen in der Thiermedicin im Allge­meinen in Betracht:
1)nbsp; die Maul- und Klauenseuche,
2)nbsp; die S^afpocken und
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
3) die Lungenseuche. In neuerer Zeit sind auch der Milzbrand, die Karbunkelkrankheit und die Hühnercholera in die Zahl der Impfkrankheiten eingetreten und kommt für Russland ausser diesen auch die Einderpest als Impfkrankheit in Betracht.
Die Impfungen können in verschiedener Weise vorgenommen werden; bei denselben handelt es sich vorzugsweise darum, dass der Ansteckungsstoff den zu impfenden Thieren an einer geeigneten Körper­stelle in entsprechender Qualität einverleibt wird. Wenn wir nun auch das eigentlich inficirende Agens meist nicht kennen, somit häufig nicht im Stande sind, dasselbe für sich allein, resp. in geeigneten Culturflüssigkeiten zur Impfung verwenden zu können, so kennen wir doch bei den meisten contagiösen Krankheiten diejenigen Vehikel, an welche das Contagium vorzugsweise gebunden ist, und welche sich zum Impfstoffe am besten eignen. So z. B. wissen wir, dass bei den Pocken der Ansteckungsstoff vorzugsweise in den Pockenblasen, bei der Lungenseuche in dem Exsudate des interstitiellen Bindegewebes der Lungen etc. enthalten ist. Auf die Entnahme der Lymphe zur rechten Zeit und am rechten Orte, auf ihre Zubereitung und Auf­bewahrung, auf ihr Alter u. s. w. u. s. w. kommt bezüglich des Er­folges der Impfung so ziemlich Alles an.
Die Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten ist ausser von der verschiedengradigen Empfänglichkeit der einzelnen Individuen für die verschiedenen ansteckenden Krankheiten, und ausser von der Qualität des betreffenden Ansteckungsstoffes auch von dem Zustande des betreffenden Organes abhängig, durch welches die natürliche In­fection zu erfolgen pflegt. So z. B. sehen wir, dass nach Ueber-tragung des Rotzgiftes auf die äussere Haut in der Regel keine In­fection erfolgt, wenn die Haut an der betreffenden Stelle vollständig unversehrt ist. Daher pflegt in Pferdebeständen, in welchen die Thiere mit Druckschäden, oder sonstigen Hautwunden behaftet sind, die Rotz­krankheit eine relativ grössere Verbreitung zu finden, als in solchen Pferdebeständen, wo keine Hautschäden vorhanden sind.
Die meisten Krankheitsstoffe haben zu gewissen Organen oder Greweben, wie es scheint, eine besondere Beziehung, so dass zwischen beiden eine stärkere Anziehung, oder auch blos ein länger dauernder Contact besteht. So z. B. finden wir nach natürlicher Infection
bei der Lungenseuche : die Lungen;
(beim Milzbrande : die Milz) ?
bei den Pocken: die äussere Haut;
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
bei der Rinderpest: die Schleimhaut der Respirations- und Ver­dauungs-Organe in hervorragender Weise at'ficirt. Die betreffenden Organe werden die „Prädilections-Organequot; fraglicher Krankheiten genannt, wenn die Localisation auch selbst dann in denselben zu erfolgen pflegt, wenn der Krankheitsstoff durch ein anderes Organ in den Körper aufge­nommen worden is*. Das Gewebe oder Organ, resp. die Körperstelle, welche im concroten Falle den Ansteckimgsstoff aufnimmt, wird „Atriumquot; (Vorhof oder Eintrittsstelle) genannt. Auch dieses ist für die weitere Gestaltung der Dinge keineswegs immer gleichgültig. So z. B. sind bei Milzbrandgift-Uebertragungen auf die äussere Haut des Menschen, bei Verletzung dieser, Infectionen leicht möglich; dieselben sind jedoch immer weniger gefährlich, als wenn sie durch Vermittlung der Schleimhäute des Respirations- oder Verdauungs-Apparates zu Stande kommen, was glücklicherweise nicht häufig vorkommt. Ferner können gewisse Ansteckungsstoffe ohne grosse Gefahr mit Hinterlassung einer Immunität direct in den Blutstrom eingeführt werden, während sie nach Einimpfung in das Unterhautbiudegewebe ziemlich regelmässig lebensgefährliche Erscheinungen hervorrufen. Dies gilt z. B. für das Gift der Karbunkelkrankheit, das sich dadurch wesentlich von dem Fäulnissgifte und vom Milzbrandgifte unterscheidet. In neuerer Zeit ist es auch gelungen, gewisse Krankheitsgifte, wie z. B. das Hühner-cholera- und Milzbrand-Gift zu mildern (mitigiren und cultiviren), so dass nach Einimpfung derartig mitigirter Ansteckungsstoffe eine mildere Krankheit entsteht, durch welche eine Immunität gegen die betreffende natürliche Krankheit begründet wird.
Das eigentliche Wesen der meisten thierischen Ansteckungsstoffe ist, wie bereits erwähnt wurde, uns bis jetzt nicht näher bekannt. In neuerer Zeit gewinnt die Ansicht immer mehr Anhänger, dass alle Contagien belebter, resp. organischer Natur seien, d. h. dass die eigent­lichen Erreger ansteckender Krankheiten stets mit individuellem Leben begabte- Parasiten seien. So weit es den bezüglichen Forschungen bis heute gelungen ist, fragliche Krankheits-Erreger kennen zu lernen, sind es thierische oder pflanzliche Organismen, welche in oder auf dem Körper unserer Hausthiere (und des Menschen) schmarotzen und bald mehr, bald weniger erhebliche Gesundheitsstörungen bedingen. In allen derartigen Fällen spricht man von einem „Contagium vivumquot;, d. h. von einem lebendigen Ansteckungsstoffe.
So wissen wir z. B. gegenwärtig, dass die Krätze des Menschen und der Thiere nur durch Krätzmilben, die Drehkrankheit der Schafe
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
durch einen Blasonwurm im Gehirn, die Lungenwurmseucho durch den sog. „Luftröhrenkratzerquot;, eine Strongylus-Art, die Trichinen­krankheit des Menschen und der Thiere nur durch „Trichinenquot;, die Glatzflechte durch einen pflanzlichen Parasiten „Herpes tonsurans* verursacht wird u. dergl. mehr. Die genannten Parasiten sind so gross, dass ihre Entstehung und Lebensweise schon jetzt erkannt werden konnte, während dies bei anderen, trotz allen Fleisses und Talenteraquo; zahlreicher Forscher, noch nicht gelungen ist. Viele der betreffenden Organismen sind so ausserordentlich klein, dass ihre Beziehungen zu fraglichen Krankheiten sehr schwer festzustellen sind. Ueberdies aber hat die sorgfältigste mikroskopische Untersuchimg und chemische Analyse der als Vehikel dienenden thierischen Secrete (Eiter, Schleim, Serum, Speichel, Blut u. s. w.) keine greifbaren Veränderungen der­selben oder Beimengungen zu denselben ergeben, auf Grund deren wir im Stande wären zu bestimmen, ob die betreifenden Stoffe in einem gegebenen Falle den Ansteckungsstoff enthalten, oder nicht. So unterscheidet sich z. B. der mit Wuthgift geschwängerte Speichel weder mikroskopisch, noch chemisch von ganz gesundem Speichel, so dass dessen Virulenz nur aus seiner verhängnissvollen Wirkung, resp. aus seiner nachweisbaren Abstammung von einem wirklich wuth-kranken Thiere erkannt werden kann. Wo man aber auch kleine (mikroskopische) Organismen in den Säften oder Geweben der Thier-körper antrifft, da darf man nicht vergessen, dass dieselben zwar möglicherweise in ursächlicher, aber auch in consecutiver oder zu­fälliger Beziehung zu dieser oder jener Krankheit stehen können und dass die Entscheidung der Frage: was in solchen Fällen das Primäre, und was das Secundäre oder Zufällige ist, bedeutende Schwierigkeiten bieten kann. Bis jetzt sind wir nur selten im Stande, so weit es sich um die kleinsten, von Halber „Mikrokokkusquot; genannten Organismen handelt, zu bestimmen, ob diese als Krankheits-Erreger wirken, oder mit einer gewissen Regelmässigkeit nur seeundär oder zufällig auf­treten, weil die betreffende Krankheit die für sie günstigen Bedingungen der Entwicklung und Vervielfältigung schuf.
Es wird noch vieler sorgfältiger Untersuchungen — und viel­leicht noch einer weiteren Vervollkommnung der erforderlichen In­strumente und Untersuchungsmethoden bedürfen, ehe wir uns in diesen Fragen ordentlich zurecht finden werden.
Die im Jahr 1835 gemachte Entdeckung, dass die wichtigste Krankheit der Seidenraupe, die sog. Muscardine, durch einen Pilz (Botrytis Bassiana) verursacht wird, führte zu der Vermuthung, dass
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die Entstehung der miasmatischen und contagiösen Krankheiten über­haupt in ähnlichen Vorgängen begründet sei. Es hat dies Veran­lassung gegeben, die betreffenden Krankheiten als „Gährungs- oder cymotische Krankheitenquot; zu bezeichnen, seitdem die Gährungserschei-nungen (durch Schwann 1837, Cagniard Latour 1838 und später durch Pasteur) ebenfalls auf die Anwesenhefit und Wirksamkeit von mikro­skopischen Organismen zurückgeführt worden sind. Erst nach den eingehenden Untersuchungen Pasteurs ist diese Gährungstheorie zur allgemeinen Anerkennung gelangt.
Gegenwärtig bezeichnet man (wie bereits erwähnt), alle Krank­heiten, welche durch Pilze oder deren Keime verursacht werden, als: „Mykosenquot;. Im Jahre 1851 wurde zuerst von Tulasne die Pleo-morphie der Reproductionsorgano der Pilze erwiesen, und später auch durch andere Forscher (Jul. Kühn, de Bary etc.) bestätigt. Dieser Umstand wird vielleicht im Laufe der Zeit für die Pathologie von grosser Bedeutung werden.
Hoffen wir, dass es dem unermüdlichen Fleisse so vieler ausge­zeichneter Männer endlich gelingen werde, das noch vorhandene Dunkel im Gebiete derAetiologie der Thierkrankheiten allmählich zu erleuchten.
Wenn wir erst die Krankheitsursachen, die Bedingungen ihrer Vervielfältigung etc. kennen gelernt haben werden, dann dürfen wir hoffen, auch die Bedingungen ihrer Verminderung, resp. ihrer Ver­nichtung — und damit die Wege und Mittel kennen zu lernen, welche zur erfolgreichen Bekämpfung fraglicher Krankheiten führen werden.
Der alte Cato (Marcus Porcius) pflegte jede seiner Reden im römischen Senate mit den bekannten Worten „Caeterum censeo, Car-thaginem esse delendamquot; zu schliessen, nachdem er in den Cartha-giniensern die gefährlichsten Feinde Roms erkannt hatte.
Und so dürfen auch die Thierärzte nicht müde werden, den gefährlichsten Feind ihrer Wissenschaft, die Vernachlässigung der thierärztlichen Unterrichtsanstalten und der staatlichen Organisation des Veterinärwesens zu rügen, bis sie das Ziel endlich erreicht haben werden. Erst dann wird sich auch für die Thierheilkunde das Wort desselben Cato bewahrheiten:
.radices literarum amaras esse, fruetus esse iueundos.quot;
Pass der heutige Standpunkt der Aetiologie der Thierseuchen noch ein so wenig befriedigender ist, liegt zum grossen Theile in der Mangelhaftigkeit des Unterrichtes an den Thierarzneischulen, nament­lich in der früheren Vernachlässigung der rein naturwissenschaftlichen Disciplinen. Man sehe nur, wie noch bis. in die neueste Zeit hinein
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
an den isolirten Thierarzneischulen Physik, Chemie, Botanik und Zoologie gelehrt wurden; von Mineralogie, Geologie etc. ist auch heute noch keine Rede. Da darf man sich wahrlich nicht wundern, dass die meisten Thierärzte der Gegenwart im Allgemeinen die Fähigkeit nicht erworben haben, naturwissenschaftlich correcte Beobachtungen über Krankheitsursachen etc. anstellen zu können. Es wäre aber Unrecht, die Thierärzte selbst hierfür verantwortlich machen, zu wollen, da nicht sie, sondern der Staat den Unterricht an den Thierarznei-schulen und damit die Ausbildung der Thierärzte zu leiten und zu verantworten hat.
Blicken wir auf den früheren Zustand der Seuchengesetzgebung, so muss man sich fragen, wie in einem Staate, den man den Staat der Intelligenz zu nennen pflegt, ein solches Chaos von antiquirten, ganz unbrauchbaren Bestimmungen so lange geduldet werden konnte, wie dies der Fall gewesen ist. Es muss als ein grosses Verdienst des preussischen landwirthschaftlicben Ministeriums anerkannt werden, dass dasselbe gewagt hat, auf diesem Gebiete tabula rasa zu machen und an die Stelle jenes unentwirrbaren Durcheinanders im Jahr 1875 ein vollständig neues, dem heutigen Standpunkte unseres Wissens besser entsprechendes Seuchengcsetz gesetzt zu haben. Aber bei der vollsten Anerkennung dieses grossen und bleibenden Verdienstes dürfen wir uns doch nicht vorhehlen, dass auch das neue Seuchengesetz immer noch bedeutende Mängel hat, die vorzugsweise in der grossen Lücken­haftigkeit unserer Kenntniss der ätiologischen Momente der Thicr-seuchen ihren Grund haben.
Es ist deshalb an der Zeit, die hohe Staatsregierung auf diese beklagenswerthe Lücke in unserem Wissen und auf deren veriiäng-nissvolle Folgen nachdrücklichst aufmerksam zu machen und sie um Bewilligung der erforderlichen Mittel zu bitten, damit wir an der Beseitigung der vorhandenen Schäden mit Aussicht auf Erfolg zu arbeiten in Stand gesetzt werden. Wir dürfen hoffen, dass unsere Bitte endlich Gewährung finden wird, wenn wir dieselbe mit dem nöthigen Nachdruck, der einestheils durch die Zahl der l'etenten, andererseits durch die Gewichtigkeit der angeführten Gründe erzielt werden muss, der hohen Staatsregierung vorlegen.
Nichts ist aber leichter, als die sachliche Motivirung dei; For­derung grösserer Mittel und der entsprechenden Einrichtung gewisser, namentlich der thierärztlichen, Unterrichtsanstalten zum Zwecke der Erforschung der ursächlichen Momente aller Thierseuchen.
Diese sind ja einer der verderblichsten Krebsschäden, die immer-
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fort und mit unersättlicher Gefrässigkeit an unserem Nationalvermögen zehren. Die Verluste, welche letzterein dadurch zugefügt werden, sind geradezu unberechenbar, da nicht nur der Verlust des Werthes der zu Grunde gerichteten Thiere, sondern auch die Verluste wesent­lich mit in Betracht kommen, welche durch Beeinträchtigung des Erwerbs in Folge der eintretenden Geschäftsstörung während der Da,uer der Krankheit und noch längere Zeit nach deren Erlöschen verursacht werden, und nicht selten viel bedeutender sind, als der pecuniäre Werth der gefallenen Thiere selbst beträgt. Dazu kommen noch die Gefahren, welche durch manche ansteckende Thierkrank-heiten der Gesundheit des Menschen erwachsen und jedenfalls gegen­wärtig noch bedeutend unterschätzt werden. Denn ganz gewiss stehen weit mehr Krankheiten des Menschen zu Thierkrankheiten in ursäch­licher Beziehung, als man bis jetzt weiss und allgemein annimmt. Aus all diesen und verschiedenen anderen Gründen ist es von der grössten nationalöconomischen Bedeutung, ein möglichst vollkommenes Seuchengesetz zu schaffen. Ein solches Gesetz, das allen billigen und berechtigten Anforderungen entspricht, kann aber erst dann zu Stande kommen, wenn die Ursachen der Thierseuchen möglichst genau erkannt sein werden. Wir dürfen deshalb nicht länger mehr säumen, diesem letzteren Ziele endlich mit Ernst und Ausdauer zu­zustreben und demgemäss vor allen Dingen unsere Thierarzneischulen in wirklich wissenschaftliche Unterrichtsstätten umzugestalten. Je besser wir, in der Aetiologie der Seuchen unterrichtet sein werden, um so sachlicher werden wir bei ihrer Tilgung und Verhütung vor­gehen können. Sehr richtig sagt in dieser Beziehung Pettenkofer:
„So lange die Aetiologie so unentwickelt ist, wird man mit den Mitteln zur Abwehr von Seuchen stets Gefahr laufen, die Rechnung obne den Wirth zu machen, während aus der Entwickelung der Aetiologie die rechten Mittel sich von selbst ergeben werden.quot;
Pettenkofer weist dann ferner darauf hin, dass die Astronomen die Staatsregierungen zu veranlassen vermochten, enorme Mittel auf­zuwenden, blos um den Durchgang der Venus durch die Sonnenscheibe auf verschiedenen Punkten der Erde genauer zu beobachten, als das sonst schon geschehen war. Wir hingegen haben bis jetzt so gut wie gar nichts gethan, um die Rinderpest, die Lungenseuche etc. bei ihrem häufigen Durchgange durch unsere Viehstände genauer zu studieren. Wir begnügen uns damit, unsere unvollkommenen, zum Theil barbarischen Mittel nach wie vor zu ihrer Tilgung in Anwen­dung zu bringen, statt uns ernstlich und mit Aussicht auf Erfolg um
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Einleitung.
Vervollkommnung dieser Mittel zu kümmern, indem wir die betreffen­den Krankheiten bis in ihre Geburtsstätten verfolgen und dort den Kampf mit ihnen aufnehinon.
Auch hier sind folgende Worte Pettenkofers sehr beachtens-werth; er sagt:
„Die Regierungen gewähren in richtiger Erkenntniss des Wertbes exaeter, wissenschaftlicher Ergebnisse gern die grossen Mittel für einen Forschungszweck, der durch ungünstige Witterung zur be­stimmten Stunde leicht vereitelt werden kann und der ihnen schwer­lich näher liegt als die „Cholera* — oder die „Kiuderpest* und alle anderen Seuchen. Letztere nicht nur bei ihrem Durchgange durch unsere Viehstände, sondern, so weit als möglich, auch an den Orten ihrer Brutstätten mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln der exaeten Naturforschung zu studieren, ist doch sicherlich eben so wich­tig und nützlich, wie die Beobachtung des Durchganges der Venus durch die Sonnenscheibe, oder wie die Ausrüstung einer Nordpol­expedition, die man aussendet, um Punkte im Eismeere zu erreichen, die vorher noch kein Schiff erreicht hat.
Mag gleich diesem auch unser Schiff der Forschung auf dem grossen und noch wenig gekannten Meere der Aetiologie manchmal in bedenkliches Schwanken gerathen; untergehen wird dasselbe nie, wenn wir mit fester Hand und mit unerschütterlicher Zuversicht auf die endliche Einfahrt in den Hafen der Erkenntniss Steuer und Ruder führen! Sind doch bereits einzelne Erfolge zu verzeichnen, welche zu weiteren Hoffnungen wohl berechtigen. Ein historischer Rückblick auf die Entwicklung so mancher unscheinbaren Anfänge zu nie ge­ahnter Bedeutung ist geeignet, unsere Hoffnung und unser Vertrauen auf die endliche Erfüllung unserer Bestrebungen stets von Neuem zu beleben und zu befestigen. Um unter vielen Beispielen nur eins an­zuführen, erinnere ich an die bedeutende Rolle, welche gegenwärtig die Electricität in unserem Staatsleben etc. spielt.
Niemand, Galvani selbst nicht, hat zu ahnen vermocht, zu welch grossen Errungenschaften bereits nach einigen Jahrzehnten seine vor noch nicht ganz 100 Jahren zuerst an Froschscbenkeln angestellten Versuche (über die Electricität) führen würden.
Und so werden auch unsere scheinbar so bescheidenen Anfänge und Errungenschaften im Gebiete der Aetiologie von Menschen- und Thier-Krankheiten (vielleicht in ungeahnt kurzer Zeit) zu den er­freulichsten Resultaten führen, wenn erst die erforderliche Anzahl Pioniere der Wissenschaft mit allem Nöthigen (an Wissen, Können
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1Jgt;
und Geld) ausgerüstet sein werden, um ihre Arbeiten mit Vcrständ-niss und Liebe beginnen und durchführen zu können.
Eintheilung der Seuchen nach ihren Yerbreitungshezirken, nach den Krankheitsursachen und den Krankheitsstadien.
Jede Krankheit, welche in einer kurzen Zeit eine grössere An­zahl Thiere befallt, wird gewöhnlich als „Seuchequot; (oder als seuchen­artige Krankheit, Herdekrankheit) bezeichnet.
„Landesseuche oder Epizooticquot; nennt man dieselbe, wenn sie über grössere Strecken sich verbreitet.
„Ortsseuche oderEnzootiequot;, wenn sie auf kleinere Bezirke, oder auf . gewisse Localitäten sich beschränkt, oder dort einheimisch geworden ist.
„Panzootienquot; werden solche Krankheiten genannt, welche bei mehreren Thierarten sich entwickeln können und häufig über grosso Länder odor über ganze Erdtheile sicli ausbreiten; so z. B. die Maul-und Klauenseuche, der Milzbrand, die Wuth.
Ein und dieselbe Krankheit kann bald opizootisch, bald enzoo-tisch, bald aber auch nur sporadisch (d. h. vereinzelt) auftreten; so z. B. der Milzbrand, der trotz seiner panzootischen Natur gegenwärtig in den meisten Culturländern my noch enzootisch, oder sporadisch vorzukommen pflegt.
Vermag das Krankheitsgift (resp. der Krankheitserreger) nur in einem an der betreffenden Krankheit leidenden Thiere (entogen) sich zu vervielfältigen, so ist die Krankheit eine „rein contagiösequot;, eine sogenannte „Contagionquot;. Im weiteren Sinne kann man mit diesem Ausdrucke auch jede beliebige ansteckende, oder contagiöse Krank­heit bezeichnen.
Findet die Vervielfältigung des Krankheitsgiftes auch ausserhalb des Thierkörpers (ectogen) statt, so dass ein Thier von der betreffen­den Krankheit befallen werden kann, ohne mit einem an dieser lei­denden Individuum, resp. mit dem von einem solchen ausgeschiedenen Gifte in unmittelbare oder mittelbare Berührung gekommen zu sein, so ist die Krankheit eine „miasmatischequot;; sie wird eine „rein mias­matischequot; genannt, wenn das Krankheitsgift nur ectogen (also im erkrankten Thiere selbst nicht) reproducirt werden kann. In einem solchen Falle ist die betreffende Krankheit nicht eigentlich ansteckend, nicht contagiös. Kann der Krankheitserreger sowohl ausserhalb, als auch innerhalb des Thierkörpers (d. h. also ectogen und entogen.
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1()
Einleitung.
oder wie man dies auch ausdrückt „amphigenquot;) sich vervielfältigen, so nennt man die Krankheit eine „iniasmatisch-contagiösequot;.
Obgleich rein miasmatische Krankheiten also nicht ansteckend sind, so können dieselben nichts desto weniger eine seuchenartige Ausbreitung gewinnen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn be­sonders günstige locale Verhältnisse für die Entwicklung und Ver­mehrung des betreffenden Krankheitserregers vorhanden sind und dieser auf eine grössere Anzahl disponirter Individuen einwirkt. Für die Verbreitung mancher miasmatischer Krankheiten ist die Beschaffen­heit des Bodens von der allergrössten Bedeutung. So gibt es Boden­arten, in welchen sich gewisse Krankheitserreger leicht conserviren und vermehren, während diese in anderen Bodenarten alsbald zu Grunde gehen. Eine solche Immunität des Bodens ist z. B. an manchen Orten für das Milzbrandgift vorhanden, während dasselbe an anderen Orten sich Jahre lang zu erhalten vermag. So scheint Lyon immun zu sein für das Choleragift u. dergl. m.
Kann ein Krankheitsgift über den Bezirk seines Heimathsgebietes hinaus mit anderen Gegenständen forttransportirt werden, ohne seine inficirende Eigenschaft zu verlieren, so nennt man dasselbe „ver­schleppbarquot;.
Als „Contagium oder Ansteckung sstoffquot; bezeichnet man demnach alle diejenigen Krankheitserreger, welche von einem kranken Thiere ausgehen und auf ein gesundes, für die betreffende Krankheit empfängliches Thier übertragen, bei diesem jene hervoritifen.
Als „Malariagift oder Miasmaquot; bezeichnet man dagegen die­jenigen Krankheitserreger, welche an gewissen Orten, namentlich in sumpfigen Gegenden, vom Boden ausgehend, bestimmte Krankheiten zu erzeugen vermögen.
Auf die grössere oder geringere Verbreitung der ansteckenden Krankheiten haben die Witterungsverhältnisse stellenweise einen deutlich erkennbaren Einfluss; noch auffallender ist dies bei Malariakrankheiten, aber auch beim Milzbrand der Fall, der im Laufe des Winters im Allgemeinen weit seltener auftritt, als während des Sommers, resp. der warmen und schwülen Tage, an denen er vorzugsweise seine Opfer fordert. Die Winterausbrüche werden indess verständlicher, wenn man bedenkt, dass dieselben auf Rechnung eines Stallmiasmaa zu setzen sind und dass die Abkühlung des Bodens in Stallungen weit langsamer, als im Freien, vor sich geht. Man bedenke, dass die höchste Durchwärmung des Bodens in der Regel in die Monate August, #9632;September und in den tieferen Schichten erst in den October fällt.
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^7
Aber auch nicht eigentlich miasmatische Krankheiten können unter besonderen Witterungsverhältnissen seuchenartig auftreten. So kann beispielsweise die Knochenbrüchigkeit nach anhaltender Dürre selbst in solchen Gegenden, wo sie sonst nicht aufzutreten pflegt, in grosser Ausbreitung vorkommen ; in Sumpfgegenden, wo sie überhaupt einheimisch zu sein pflegt, tritt sie meist nach anhaltendem Regen­wetter stärker auf.
Und wie nun derartige nicht ansteckende Krankheiten unter be­sonderen Verhältnissen in seuchenartiger Ausbreitung auftreten können, so können anderseits verschiedene ansteckende Krankheiten auf das Vorkommen vereinzelter Fälle, auf ein sogenanntes „sporadischesquot; Auftreten sich beschränken; es ist dies z. B. beim Milzbrand gegen­wärtig in den meisten Culturländevn Regel, wenigstens durchaus nicht selten. Aussei' den nächsten Kranklioitsursachen, den unmittelbaren Krankheitserregern, gibt es auch noch entferntere oder vorbereitende (prädisponirende) Ursachen; dieselben liegen entweder im thierischen Organismus selbst, oder aussorhalb desselben.
Neben der allgemeinen individuellen Empfänglichkeit einer be­stimmten Thierspozies für diese oder jene Krankheit [gibt es auch noch andere im thierischen Organismus selbst gelegene Momente, welche die Empfänglichkeit des Individuums für diese oder jene Krank­heit erhöhen und die deshalb als besondere „Krankheitsanlage oder Dispositionquot; bezeichnet werden. So z. B. ist ein guter Futterzustand der Entstehung des Milzbrandes, — ein schlechter Ernährungsstand der Entstehung und dem tödtlichen Ausgange der Fäule, der Lungen-wurmseuchc etc. günstig.
Das jugendliche Alter ist besonders für gewisse Invasionskrank­heiten in höherem Grade disponirt (so z. B. Ferkel für die Finnen­krankheit), weil die Embryonen die jugendlichen Gewebe leichter durchdringen können etc.
Da bei kranken Thioren und Menschen die Lebensprozesse unter abnormen Verhältnissen von Statten gehen, so müssen diese die Er­scheinungsweise jener alteriren. Dadurch werden Aenderungen oder Störungen in den normalen (physiologischen) Lebenserscheinungen ein­treten, die man Krankheits- oder pathologische Erscheinungen, Krank­heits-Zeichen oder -Symptome nennt. Um diese in den einzelnen verschiedenen Fällen mit möglichstem Verständniss ihrer Bedeutungnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
richtig würdigen zu können, ist ein gewisses Maass von Kenntniss des Thicrkörpers und der Verrichtung seiner Organe, d. h. ein gewisseraquo;
Pütz, Lehrbuch der austockeuden Thlerkrankhetteu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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18
Einleitung.
Maass anatomisohen und physiologischen Wissens erforderlich. Aber nicht nur das, sondern es bedarf auch einer gewissen Uebung, um die physiologischen wie pathologischen Lebensäusserungen wahrnehmen und von einander unterscheiden zu können. So z. B. muss man den (muskulösen) Bau des Herzens kennen, um seine rhythmischen Zu-sammeuziehungen verstehen zu können; — man muss den anatomischen Bau der Gefässe und ihre Verbindung mit dem Herzen kennen, um die Blutcirculation und die von derselben abhängigen Hebungen und Senkungen der centrifugalen Gefösse, welche wir an den oberflächlich gelegenen Arterien fühlen können und Puls zu nennen pflegen, ver­stehen zu können.
Für die practischen Zwecke genügt es, die Krankheitserschei­nungen in solche, welche einer bestimmten Krankheit aussehliesslich zukommen; — und in solche, welche verschiedenen Krankheiten ge­meinsam sind, — zu unterscheiden. Erstere werden „spezifische oder pathognomonischequot; Symptome genannt. So z. B. ist die Delle und der fächerige Bau der auf der Haut sich bildenden Pocken patho-gnomonisch für die Pockenkrankheit; die Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut für Nasenrotz u. s. w. Indess besitzen nur wenige Krankheiton solche spezifische Symptome, weshalb wir in den meisten Krankheitsfällen genöthigt sind, aus einer Gesammtheit von Erschei­nungen, aus dem Symptomencomplexe uns durch sachgemässe Com­bination ein Bild der Krankheit zu construiren. Diese Construction des Krankheitsbildes, resp. die Feststellung der vorhandenen Krank­heit im concreten Falle nennt man „Diagnosequot;.
Der Krankheitszustand, sowie die Krankheitserscheinungen bleiben sich indess nicht immer gleich, sondern sind bei den einzelnen Krank­heiten einem mannigfach verschiedenen Wechsel unterworfen. Im Allgemeinen kann man bei allen ansteckenden Krankheiten folgende Hauptstadien unterscheiden:
1)nbsp; die Infection;
2)nbsp; die Incubation (Stadium der Latenz);
3)nbsp; das Stadium der Vorboten;
4)
des offenbaren Ausbruches der Krankheit; der Zunahme;
der Höhe , in welchem bei unheilbaren, resp. absolut tödtlichen Krankheiten der Tod eintritt, während bei heilbaren Krankheiten eine Um­kehr (Criso) spätestens auf der Höhe der Krank­heit eintreten muss. Es folgt dann:
ö)
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
7)nbsp; das Stadium der Abnahme;
8)nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ der Reconvalescenz und
9)nbsp; die vollkommene oder unvollkommene Genesung.
Diese Stadien gehen meist ohne sehart'e Grenzen, resp. ohne plotzliuh eintretende Veränderungen in einander über.
Den ganzen Entwicklungsgang der Krankheiten nennt man ihren „Verlaufquot;. Derselbe kann regelmässig resp. typisch sein, oder mannig­fach verschieden, „unregelmässig oder atypisch* sich gestalten. Die Aufeinanderfolge der einzelnen Krankheits-Symptome und -Stadien kann eine rogelmiissige, oder eine unregelmässige sein; im ersteren Falle nennt man den Krankheitsverlauf einen „typischenquot;, im letzteren Falle einen „atypischenquot;.
In Bezug auf die Zeit, innerhalb welcher die betreffende Krank­heit verläuft (Knmkheitsdauer), unterscheidet man einen acuten und chronischen Verlauf. Ersterer darf die Grenzen von 4 Wochen nicht überschreiten und wird wiederum in einen höchst acuten, sehr acuten und acuten Verlauf unterschieden :
höchst acut (acutissirnus) bis 4 Tage, sehr acut (peracutus)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ 7 „
massig acut (exaete ae.) „14 „ acut (acutus)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ 4 Wochen.
Der subacute Verlauf umfasst die Zeitdauer von 4 bis 6 Wochen; er vermittelt den Uebergang vom acuten zum chronischen Verlaufe. Beim chronischen Verlaufe kann die Krankhoitsdauer 6 Wochen bis zu mehreren Jahren umfassen, so dass man auch hier noch speziellere Bezeichnungen, wie z. B. höchst chronischer Verlauf etc. gebrauchen kann.
Allgemeines über Vorhersage, Behandlung, Vorbeuge u. s. w.
Die Krankheitserscheinungen und der Krankheitsverlauf gehen in der Regel mehr oder weniger zuverlässige Anhaltspunkte für die Beurtheilung des wahrscheinlichen Ausganges der Krankheit im con-creten Falle, Diese Beurtheilung nennt man „Vorhersagequot; oder „Prognosequot;. Dieselbe kann günstig, zweifelhaft oder ungünstig sein. Absolut sicher ist sie indess nie, da nicht alle möglichen Even­tualitäten bestimmt vorherzusehen sind.
Aus der richtigen Würdigung der vorhandenen Krankheits­erscheinungen und aus der Berücksichtigung verschiedener anderer
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;EinliMlung-.
Verhältnisse z. B. dos Krankheitsgenius, der besonderen Eigenthlim-lichkeiten der betreffenden Thierspezies und Individualität, der Witte­rung, sowie der örtlichen und sonstigou wirthsehaftlichen Verhältnisse ergehen sich die „Anzeigenquot; oder „Indicationenquot; für die arzneiliche und diätetische Behandlung der erkrankten Thiere. Dioselbe kann bei ein und derselben Krankheit je nach Verschiedenheit der Individuen z. B. des Alters, des Geschlechts, des Ernährungszustandes derselben etc. etc. unter Umständen wesentliche Modificationen er­heischen.
Im Allgemeinen unterscheidet man eine Radical und eine sympto­matische Kur, eine Palliativ- oder Linderungs-Kur, eine Abortiv- und eine Nach-Kur.
a.nbsp; nbsp;Jede Radicalknr hat die Herstellung möglichst normaler Ver­hältnisse oder mit anderen Worten die vollständige Heilung der vor­handenen Ki-ankhoit zur Aufgabe; sie hat deshalb die fernere Ein­wirkung krankmachender Ursachen zu verhüten und die bereits ein­getretenen Wirkungen derselben wieder zu beseitigen. Letzteres ge­schieht häufig durch möglichst vollständige Erfüllung der ersten In­dication von selbst, indem die Natur stets bemüht ist, normale Ver­hältnisse wieder herzustellen, sobald die normalen Lebensbedingungen wieder hergestellt sind. Diesen für jede Kur so wichtigen Factor nennt man im Allgemeinen:
„Naturheilkraft oder Naturhülfe*. Nur da, wo diese für sich aliein nicht ausreicht, die vorhandenen Ab­normitäten auszugleichen, oder wo die Erreichung dieses Zieles zu viel Zeit erfordern würde, ist es angezeigt, dieselbe durch geeignete Kunsthülfe zu unterstützen. Man vergesse nie den alten Satz: „natura sanat, medicus curat !a Bei allen ansteckenden (und anderen) Krankheiten, bei welchen die kurativo Behandlung im Ganzen wenig oder gav nichts zu leisten vermag, gewinnt die „Vorbeugequot; oder „Prophylaxisquot; an Bedeutung. Dieselbe bat es nämlich mit der möglichsten Abhaltung der An-steckungs-, resp. Infections-Golegenheiten zu thun und gründet sich zum Theil auf den Gesetzes-Schutz, zum grösseren Theile aber auf Selbstschutz. Lstzteror bleibt ohne Spezialkenntnisse der betreffenden Krankheiten und ihrer Ursachen stets sehr mangelhaft oder ganz unwirksam.
b.nbsp; nbsp; Die symptomatische Kur richtet sich nicht gegen die Krank­heit in ihrer Totalität, sondern nur gegen ein Bruchstück, einen Theil derselben. Sie hat unter Umständen eine verschiedene Bedeutung,
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Einleiliing.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;21
jo nachdem sie dieser oder jener Indication entspricht. Erfüllt sie eine Vitalindication, wie z. B. der Aderlass bei einem Gehirn- oder Lungon-Blutschlage, so kann sie zum Zwecke der Erhaltung des Le­bens unerliisslich sein; in anderen Fällen hat sie mehr die Bedeutung
c.nbsp; nbsp;einer Palliativ- oder Linderungs-Kur. In diesem Falle kommt sie besonders dann zur Anwendung, wenn man das eigentliche Wesen der Krankheit nicht kennt, oder nicht heben kann. Man sucht dann durch die symptomatische Kur die hervorstechendsten und lästigsten Erscheinungen, z, B. grosse Schmerzen, zu hohen u. dergl.
d.nbsp; nbsp;Als Abortivkur bezeichnet man das Bestreben, eine Krankheit gleich im Stadium der Vorboten abzuschneiden, so dass der weiteren Entwicklung derselben durch den kurativcn Eingriff wo möglich vor­gebeugt wird.
e.nbsp; nbsp;Die Nachkur besteht in einer entspi'echenden Regelung der auf das Individuum einige Zeit unmittelbar nach seiner Genesung ein­wirkenden Verhältnisse. Sie regelt vorzugsweise das diätetische Re­gime während der sogenannten Reconvalescenz und stellt sich die Aufgabe: sogenannte „Rückfälle oder Recidivequot; zu verhindern und die wieder erlangte Gesundheit zu befestigen.
Zur Nachkur gehört bei verschiedenen ansteckenden Krank­heiten wesentlich auch die Desinfection. (Räude und andere reeidi-virende acute Krankheiten.)
Was nun die Arzneimittel anbelangt, so sei hier kurz bemerkt, dass es im Ganzen nur einzelne Krankheiten gibt, gegen welche wir bis jetzt sogenannte spezifische (d. h. in allen oder doch in den meisten Fällen gegen fragliche Krankheit sicher wirksame) Mittel besitzen. Eine solche Krankheit ist die Räude, insofern alle Mittel, welche die Krätzmilben tödten, als Spezifica gegen die Räude betrachtet werden können. In ähnlicher Weise wirken beim Menschen Jod und Queck­silber gegen Syphilis etc.
Bei allen Seuchen ist und bleibt eine sorgfältige „Vorbeuge (Prophylaxis)quot; für den Thierbesitzer ein sehr werthvoller Factor. Die sanitätspolizeilichen Massregeln reichen für sich allein nicht aus; die­selben erstrecken sich wohl auf die Verhinderung der Einschleppung und der Weiterverbreitung contagiöser Krankheiten, nicht aber auf die Verhinderung von miasmatischen oder von Invasions-Krankheiten. Deshalb ist Selbstschutz für jeden Thierbesitzer geboten.
Häufig sind die Jauchegruben die Geburtsstätte sogenannter Stallmiasraen, besonders dann, wenn dieselben zu nahe am Stalle,
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22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitung.
oder gar in demselben ihren üatz haben. Zersotzungs- resp. Fäul­nissprozesse müssen in jedem Stalle möglichst verhindert werden; deshalb dürfen in demselben Senkgruben, unterirdische Canäle u. dergl. nicht geduldet werden. Noch viel weniger darf der Brunnen im Stalle sich befinden. Alle Ableitungsoaniile müssen oberirdisch ver­laufen und wasserdicht abgepflastert sein, damit sie täglich gut aus­gekehrt, event, ausgespült werden können.
Vor allen Dingen sorge man für eine ausreichende und zweck­entsprechende Ventilation, welche einen fortwährenden Luftwechsel zu unterhalten vermag, ohne dass die Stallbewohnei' von dem bestehenden Luftstrome direct betroffen worden. Ueberdies wird eine periodisch zu wiederholende Desinfection, das öftere Einstreuen von Gyps, von Eisenvitriol, Besprengen der Wände und des Fussbodens mit ver­dünnter Carbolsäure, Chlorräucherungen etc. gegen „Stallmiasmenquot; empfohlen.
Zum Selbstschutz gehört aber auch noch, dass man fremde Personen, namentlich solche, die aus verseuchten oder verdächtigen Gegendon kommen, aus den Stallungen und überhaupt von seinem Viehstande möglichst fern hält.
Neu angekaufte Thiere dürfen nie sofort zu dem alten Vieh­bestände der betreffenden Gattung gestellt werden; dieselben müssen, wenn irgend möglich, mehrere Wochen lang in einem besonderen, von dem Hauptstalle möglichst entfernt gelegenen Quarantänestalle durch einen besonderen Wärter gepflegt werden; namentlich darf dieser nicht Thiere der nämlichen Gattung zu besorgen haben. Mit Kücksicht auf die verschiedenen generellen Immunitäten darf es nöthigenfalls geschehen, dass neu angekaufte Pferde in dem Rind­viehstalle und umgekehrt: neu angekauftes Kindvieh in dem Pferde­stalle untergebracht werden.
Da der sect;. 61,3 des deutschen ßoichs-Seuchengesetzes vom 23. Juni 188(1 bestimmt, dass keine Entschädigung geleistet wird: für solche Thiere, welche mit Rotz oder Lungenseuche behaftet in das diesseitige Staatsgebiet eingeführt worden sind, oder bei welchen nach ihrer Einführung in das diesseitige (d. h. in das deutsche) Reichsgebiet innerhalb 90 Tagen die Rotzkrankheit — oder innerhalb 180 Tagen die Lungenseuche festgestellt wird, so wird man als deutscher Staatsbürger beim Ankaufe von Pferden oder Rindvieh sich über die Dauer des Aufenthaltes fraglicher Thiere im Reichsgebiete näher inforrairen müssen.
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
Das Fieber.
Noch bis vor wenigen Jahren glaubte man, dass ea eine grössere Anzahl verschiedener Fieber gebe und unterschied demgemäss Catar-rhalfieber, rheumatische, biliöse, nervöse Fieber u. s. w. Man bezog irriger Weise die Verschiedenheit der Erscheiuungssumme bei fieber­haften Krankheiten auf das Fieber statt auf das gleichzeitig vor-hanclone Localleiden. Die dem Fieber zukommenden Erscheinungen können dem Grade und der Ursache nach verschieden sein, ihrem Wesen nach bleiben sich dieselben immer gleich. Dieselben bestehen:
1)nbsp; in Steigerung der allgemeinen Körperwärme des fieberkranken Individuums, in ungleichmässiger Vertheilung der Temperatur über die Körperoberfliiche, sowie in Blutcirculations-Anomalien, welche meist durch eine gesteigerte Pulsfrequenz sich aussprechen.
2)nbsp; In Störungen der Verdauungsthätigkeit, wobei die Fresslust vermindert, der Durst gesteigert zu sein pflegt. *
Die wichtigste und stets in erster Linie auftretende Fieber­erscheinung ist die abnorme Steigerung der allgemeinen Körperwärme (Blutwärme). Um beurtheilen zu können, ob und wann diese bei einem Individuum vorhanden ist, muss man einestheils Temperatur­messungen vornehmen, anderntheils die Grenzen kennen, innerhalb deren sich die Eigenwärme unserer verschiedenen Hausthiere unter normalen Verhältnissen bewegt. Dieselbe beträgt im Durchschnitt:
a) beim Pferde:
38,25
b) , Rinde:
39,0
c) , Schafe:
40,25
d) „ Schweine:
40,50
e) „ Hunde:
38,10
f) „ Kaninchen:
38,25
g) bei der Katze:
, 38,0.
Es ist jedoch zu bemerken, dass Schwankungen um V2 Grad unter oder über diesen Durchschnittszahlen noch innerhalb der Grenzen des Normalen liegen und dass bei jungen und gut genährten Thieren die Blutwärme etwas höher zu sein pflegt, als bei alten und schlecht genährten Individuen. Die Kenntniss über das Verhalten der Normal-Temperaturen unserer Hausthiere besitzt noch manche Lücken, so dass es eine verdienstvolle Arbeit sein würde, wenn der geneigte Leser
..
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sich möglichst fleissig mit genau ausgeführten Temperaturmessungen befassen wollte. So muss noch bestimmter ermittelt werden, ob die Angaben, nach welchen die normalen Schwankungen bei Schafen zwischen ;?8 und 42deg; C, beim Hunde zwischen 37,4 und 40,(5 sich bewegen können, auf zuverlässige Wahrnehmungen sich stützen. Wäre dies der Fall, so würden wir bei fraglichen Thierspezies die Temperaturen fieberhafter Krankheitszustände noch besonders studieren müssen.
Um zuverlässige Temperaturmessungen vornehmen zu können, muss man vor allen Dingen ein richtig calibrirtes Thermometer haben. Ich erwähne dies hier ausdrücklich, weil die meisten im Handel ge­führten Thermometer ungenau, nicht selten sogar ganz unbrauchbar sind, bevor sie controlirt und corrigirt worden sind. Hierzu bedarf es einer genauen Vergleichung der Veränderungen der Quecksilber­säule des zu prüfenden Thermometers mit denen eines Normal-• Thermometers, indem man beide gleichzeitig in das nämliche Medium (heisses Wasser) eintaucht. Die hierbei sich ergebenden Abweichungen beider Thermometer werden sorgfältig notirt und demnach die erfor­derlichen Correcturen bei Messungen mit dem controlirten Thermo­meter vorgenommen.
Für die gewöhnlichen Zwecke der Praxis reicht ein Thermo­meter aus, an dessen Scala die Temperaturgrade von -|- 35 bis -j- 45 Celsius in Decigraden richtig verzeichnet sind. Die Brauchbarkeit eines Thermometers wird somit vorzugsweise von dem gleichmässigen Durchmesser der aufsteigenden Glasröhre abhängen, indess ist auch die Beschaffenheit des Quecksilber-Reservoirs nicht ohne Bedeutung. Ich ompfehle, sich nur Thermometer mit länglichem Quecksilber-Keservoir anzuschaffen, weil diese sich schneller vollständig durch­wärmen, als die kugelförmigen.
Die Temperaturmessungen werden (beim Menschen in der Regel in der Achselhöhle) bei Thieren im Mastdarme vorgenommen, nach­dem derselbe vorher freiwillig oder manuell von Koth befreit worden ist. Man führt den Thermometer seiner ganzen Länge nach in das Rectum ein und lässt ihn so lange in diesem stecken, bis die Queck­silbersäule wenigstens 1 Minute lang unveränderlich stehen geblieben ist, resp. nicht mehr steigt. Um dies zu ermitteln, muss der Thermo­meter selbstverständlich von Zeit zu Zeit (zum ersten Male nach etwa 5 Minuten, so weit aus dem After hervorgezogen werden, dass man den Stand desselben ablesen kann. Will man die Zeit der Messung abkürzen, so kann man den Thermometer vor seiner Einfülirung in
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
den Mastdarm bis auf die normale Körpertemperatur in heissem Wasser, oder in sonst geeigneter Weise, erwärmen. Die Messungen werden gewöhnlich 2mal täglich, nämlich: Morgens und Abends, in wichtigen Fällen ausserdem auch wohl noch Mittags vorgenommen.
Je mehr die Temperatur das normale Maass überschreitet, um so heftiger und gefährlicher ist das Fieber; eine Steigerung der all­gemeinen mittleren Körperwärme von 5 0 C. und mehr erträgt kein Hausthier auf längere Zeit. Hält man Landthiere in Wasser, welches nur 1 bis 2 0 C. ihre eigne Blutwiirme übersteigt, so sterben sie schon nach kurzer Zeit.
Während der Thermometer bei fieberkranken Individuen eine Steigerung der allgemeinen Körperwärme nachweist, findet man häufig eine ungleichmässige Vertheilung der Temperatur an der Körper­oberfläche, so dass namentlich die Gliedmassen, Ohren und Hörner in der Regel ungleichmässig warm, meist kälter als der Rumpf, nicht selten sogar eisig kalt sich anfühlen.
Die allgemein erhöhte Bluttemperatur wird von den Fieber­kranken nicht immer als Hitze empfunden, sondern es machen sich manchmal Frostanfälle bemerkbar. Es ist bonoerkenswerth, dass während dieser die allgemeine Körperwärme nicht nur erhöht ist, sondern sogar etwas beträchtlicher gesteigert zu sein pflegt, als wäh­rend des sogenannten Hitzestadiums. Bei unseren Hausthieren ist indess der Frostschauder im Anfange des Fiebers, so wie der Wechsel zwischen Frost- und Hitze-Stadium im Verlaufe des febrilen Zu-standes weniger constant, als beim Menschen; aber auch bei diesem ist die individuelle Disposition zu Schüttelfrösten sehr verschieden, so dass nach den nämlichen Ursachen bei dem Einen das Fieber mit, bei dem Anderen ohne Schüttelfrost einsetzt.
Die Quelle der vermehrten Körperwärme während des Fiebers dürfte einestheils in einem gesteigerten Stoffumsatzc resp. in einer beschleunigten Verbrennung der Körpergewebe, anderntheils in einer verminderten Wärmeabgabe begründet sein.
Mit den Anomalien in der Körpertemperatur hängt die ge­steigerte Pulsfrequenz innig zusammen; letztere ist die Folge der erhöhten Blutwärme. Es ist dies experimentell festgestellt worden, indem man erwärmtes Blut den Versuchsthieren in das Herz einführte.
Die normale Pulsfrequenz beträgt:
a)nbsp; beim Pferde: 82 bis 40 bei Stuten und Wallachen,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ : quot;.!;{ bis ;gt;(! bei Hengsten,
b)nbsp; nbsp; nbsp;„ Rinde: 46 bis 53,
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2()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
c)nbsp; bei Ziegen und Schafen: 70 bis 80,
d)nbsp; nbsp; , Hunden: 70 bis 120.
Bei gesunden Thieren steht somit die Pulszahl im Allgemeinen im umgekehrten Verhältnisse zur Grosse der betreffenden Thierspezies, so daas bei den kleineren Thierarten die Pulsfrequenz eine be­deutendere ist, als bei den grossen Thierarten.
Man untersucht den Puls an oberflächlich gelegenen Arterien und am Herzen. Zur Untersuchung des Arterienpulses benutzt man gewöhnlich:
a)nbsp; beim Pferde: die äussere Kinnbackenarterie,
b)nbsp; nbsp; nbsp;, Rinde: „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Beim Pferde drückt man dieselbe am unteren Rande, beim Rinde an der äusseren Fläche des Unterkiefers.
c)nbsp; Bei kleineren Thieren fühlt man den Puls am besten auf der Mitte der inneren Fläche des Schenkels, an der Art. cruralis, oder man beschränkt sich auf die Untersuchung des Herzschlages.
Die Pulsuntersuchung darf sich nicht auf die Ermittelung der Pulszahl beschränken, sondern muss auch die Beschaffenheit desselben genau beachten; namentlich ist der Rhythmus, das heisst: die gleich-massige oder ungleichmässige Aufeinanderfolge der verschiedenen Schläge, so wie die Spannung der Arterie, der stärkere oder schwächere Herzstoss u. dergl. m. von Bedeutung. Aus diesen Dingen können wir uns sowohl über den allgemeinen Blutreichthum des Patienten, wie auch über die Vertheilung des Blutes in den einzelnen Körpertheilen in der Regel sehr werthvolle Aufschlüsse verschaffen.
Wie die Pulsfrequenz in Folge der gesteigerten ßlutwärme, so pflegt auch die Athemfrequenz bei Fieber aus dem nämlichen Grunde etwas vermehrt zu sein; durch Erwärmen des zum Gehirn und zum verlängerten Marke führenden Blutes kann man experimentell die Zahl der Athemzüge bei ganz gesunden Thieren steigern.
Die Minderung der Fresslust tritt bald in geringerem, bald in bedeutenderem Maasse hervor, so dass unter Umständen (meist bei leichtem Fieber) das Verlangen nach Futter ziemlich normal, in anderen Fällen aber nur gering sein, — oder bei heftigem Fieber auch ganz fehlen kann. Bei gesteigerter Verbrennung der Körper­gewebe muss die Abnahme des Körpervolumens selbstverständlich durch einen Ausfall in der Zufuhr von Bildungsmaterial noch beträcht­licher werden. In der Regel nehmen fieberkranke Thiere leicht ver-
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
dauliche und weniger intensiv nährende Futterstoffe, wie z. B. leichtes süsses Heu, lieber auf, als Körner, oder andere stark nährende (proteinreiche) Substanzen.
Die Steigerung des Durstes ist ebenfalls nicht immer gleich; dieselbe ist einesthoils von dem Grade des Fiebers, andemtheils von dem Verluste an flussigen Korperbestandtheilen (durch Blutung, Durchfall u. dergl.) abhängig.
Die Fiebererscheinungon erhalten sich eine Zeit lang auf gleicher Höhe, oder es tritt ein mehr oder woniger deutlich wahrnehmbarer Wechsel zwischen Zunahme und Abnahme derselben auf, oder aber es sistiren für eine kürzere oder längere Zeit alle Fieborerscheinungen, um nach einer gewissen Ruhe wieder neuerdings aufzutreten. Dem­nach unterscheidet man:
1)nbsp; anhaltendes oder continuirliches,
2)nbsp; nachlassendes oder reraittirendes und
3)nbsp; aussetzendes oder intermittirendes Fieber.
Letzteres Fieber, das unter dem Namen Wechselfieber des Menschen allgemein bekannt ist, kommt bei unseren Hausthieren ent­weder gar nicht oder nur ganz ausnahmsweise vor.
Auch treten bei diesen die beim Menschen ziemlich regelmässigen abendlichen Verschlimmerungen (Exacerbationen) weniger ausgeprägt hervor.
Während des Fiebers pflegt die Wasserausscheidung durch die Haut und Nieren bis zum Eintritt der Besserung sehr vermindert zu sein, weshalb trotz der gesteigerten Verbrennung der thierischen Ge­webe in der ersten Zeit fieberhafter Leiden die Abmagerung nicht so auffallend hervortritt, als später, wenn mit eintretender Besserung .alle Schleusen des Körpers sich öffnen. Da nunmehr erst die an­gehäuften Zerfallsproducte reichlicher aus dem Organismus heraus­geschwemmt werden, so tritt plötzlich, mit der vermehrten Aus­scheidung flüssiger Excrete, eine stärkere Abmagerung ein; daher fallen fieberkranke Patienten alsbald nach der Crisis meist plötzlich in ihrem Körperumfange stark ab.
Wo die Wendung vom Bösen zum Guten scharf hervortritt, be­zeichnet man den Vorgang als „Crisisquot;; tritt die Besserung resp. Umkehr zur Wilaquo;dergenesung allmählich und momentan nicht auffällig ein, so bezeichnet man den Vorgang als „Lysisquot;.
Nicht selten gehen dem Eintritt der Besserung Unregelmässig-keiten in der Blutcirculation (namentlich ein aussetzender Puls) voraus, welche sich mit vollkommener Crisis zu verlieren pflegen. Als Zeichen
#9632;i
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28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kinleitung.
dieser gelten im Allgemeinen: Abnahme der Temperatur und Puls­frequenz, normaler Rhythmus des Pulses und feuehte warme Haut bei gleiehmässiger Vertheilung der. äuaseren Körperwärme (kritiseher Schweiss); ferner reichliche Entleerung eines trüben (sedimentreichen) Urins, Wiederkehr der Munterkeit und dos Appetits, freierer Blick und freieres Athmen.
Die Aetiologie des Fiebers ist noch nicht in allen Details genau erkannt. Wir wissen indess, class es sich stets um eine Blutvergiftung handelt. Wir kennen verschiedene Steife, welche nach ihrer Auf­nahme in das Blut Fiebererschoinungen verursachen und deshalb unter dem Namen „fiebererregende oder pyrogenequot; Substanzen zu-sammengefasst werden. Diese gelangen nicht selten von irgend einer Wunde aus in das Blut, können aber auch durch eine Schleimhaut, besonders durch die des Respirationsapparates, aufgenommen werden.
Die Behandlung fieberhafter Krankheiten erfordert mancherlei Rücksichton. Die Verabreichung arzneilicher Mittel ist oft ganz über­flüssig, indem das Fieber bei einer entsprechenden Behandlung des localen Leidens sich von selbst verliert; — bald aber muss das Fieber selbst, namentlich einzelne hervorstechende Symptome desselben, energisch bekämpft werden; dies ist namentlich dann der Fall, wenn die gesteigerte Körpertemperatur (Fieberhitze), die beschleunigte Blut-circulation etc., nachtheilige oder gar gefährliche Rückwirkungen auf den Gesammtorganismus ausüben, wie dies durch die bedeutende In­anspruchnahme der Körperkräfte durch das Fieber öfter der Fall ist.
Für alle fieberkranke Thiere ist vorab eine passende Diät an­zuordnen. Dieselben müssen in einem reinen, trockenen, massig warmen Räume (8 —120 C.) untergebracht werden, in welchem die grösste Reinlichkeit herrscht, weshalb die Excremcnte immer recht­zeitig entfernt werden müssen. Es ist dies wenigstens in so weit nothwendig, als alle Zersetzungs- resp. Fäulnissprozesse im Stalle verhindert werden müssen, da frische, unverdorbene Luft eine wichtige Rolle in der Gesundheitspflege spielt. Deshalb muss namentlich jetler Krankenstall allen Anforderungen einer guten Ventilation entsprechen.
Als Futter verabreiche man leicht verdauliche Stoffe (mehr Kohlehydrate,- als Proteinkörper) in kleinen Portionen; als Getränk verabreiche üian temperirtes reines Wasser, oder Kleientrank. Zu kaltes Getränk verursacht manchmal Erkältung des Magens, wes­halb man den zu verabreichenden Flüssigkeiten etwas warmes Wasser zusetzt.
Ist Verstopfung vorhanden, so reicht man im Sommer Grün-
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Biiileituiig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
futter; — im Winter: Möhren, Zuckerrüben, Schlampe oder aaure Milch; Sciiafe vertragen latzteve nicht, um so besser aber die Schweine.
Tritt Durchfall ein, so darf nur gutes Heu, uebst geringen Quantitäten Q-etrttnk verabreicht werden; ausserdem sind Frottirungen des Bauches und Eindecken der Patienten zu empfohlen; dabei dürfen indess die Deckengurten nicht zu fest angezogen werden. Verliert sich der Durchfall bei dieser einfach diätetischen Behandlung nicht, so gebe man 3 -4 Gaben Höllenstein li 50—100 Cgr. in 100—löü (rramm Wasser. Auch kann man Tannin, Alaun oder andere Adstringentia in Latwergenfonn verabreichen.
Bei Mastdarmzwang lasse man wanne Stiirkemehlclystiere appliciron.
Alle Stallutensilien, so namentlich die Trinkgeschirre, Kaufen, Krippen etc. müssen sorgfältig rein gehalten und die Thiere selbst gut geputzt werden; besonders sind etwa vorhandene Wunden und Geschwüre, Sohlehnflüsse aus den natürlichen Körperöffnungen u. dergl. locale Krankheitszustände nach den Regeln der Kunst zu behandeln.
So lange die äussere Haut nicht reichlich transpirirt, ist Be­spritzen derselben mit Spiritus, oder einem anderen geeigneten Er-regungsmittel, dann Reiben und Eindecken der Patienten sehr zu empfehlen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Gurten nicht zu fest angezogen werden. Eine reichliche, bis unter den Bauch reichende Streu ist ein gutes Erwärnuingsmittel für die Gliedmassen, welche im Verhältnisse zu ihrem Stoffwechsel eine grosse Oberfläche haben, somit durch Ausstrahlung viel Wärme verlieren. Kann eine solche Strou aus öconomischen Rücksichten nicht gemacht werden, so sind Einwicklungen der Gliedmassen mit locker umgewundenem Stroh, oder besser mit wollenen Bandagen anzuwenden, nachdem sie zunächst mit Spirituosen Mitteln tüchtig eingerieben worden sind.
Erreicht die Fieberhitze eine bedeutende Höhe, so können kalte Begiessungen oder nasse Einwicklungen sehr gute Dienste leisten, wenn sie mit der nöthigen Vorsicht und Sachkenntniss angewandt werden.
Die Begiessungen müssen stets sehr schnell ausgeführt werden; um Erkältungen durch selbige zu vermeiden, lässt man die über-gossenen Patienten tüchtig abreiben und eindecken. Die Bedeckung kann zunächst eine zweifache sein, damit man bei eintretender Selbst-erwä,rmung der Haut, zur Beförderung der Ausstrahlung der Wärme und daheriger Vorminderung der allgemeinen Körpertemperatur, die obere Deckenlage abnehmen kann.
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Einleitiiiig.
Man kann auch die fieberkranken Thiere in mit Wasser getränkte und hierauf ausgerungene Decken einwickeln, welche durch Auf-giessen von kaltem Wasser lji bis ljraquo; Stunde lang feucht erhalten werden. Hierauf werden die Decken abgenommen und die Patienten mit Strohwischen tüchtig abgerieben, indem man die Haut mit Spiritus, Salmiakgeist u. dergl. bespritzt. Nachher deckt man die Thiere ein und lässt sie etwa 3 bis 4 Stunden lang ruhig stehen, worauf die nassen Einwickelungen wiederholt werden. So wechselt man nach Erforderniss verschiedene Male ab. Kalte Begiessungen und Bäder erzeugen nicht nur eine locale Abkühlung, sondern ein Sinken der allgemeinen Körperwärme um 2 bis 80 C. Bald aber erfolgt die sogenannte Reaction, weshalb eine periodische Wiederholung der Be­giessungen oder Bäder nothwendig ist. Auch können, wie bereits erwähnt, kalte Clystiere antifebril wirken.
Unter den Arzneimitteln, welche die Körpertemperatur ver­mindern-, somit gegen das Fieber wirken und deshalb Fiebermittel (Antifobrilia oder Antipyretica) genannt werden, sind die Alealien, besonders verschiedene Salze derselben, wie z. B. Glaubersalz, Sal­peter und Brechweinstein die gebräuchlichsten. Letzterer kann den grösseren Haiisthieren meist ohne jede Schwierigkeit mit dem Ge­tränke verabreicht werden. Ein vorzügliches Mittel ist die Digitalis purpurea; seine innerliche Anwendung verlangtindess eine sehr grosse Vorsicht, weil durch dieselbe leicht gefährliche Störungen des Appe­tits etc. verursacht werden können.
Auch Carbolsäure und besonders Chinin verursachen in grossen Gaben Abnahme der allgemeinen Körperwärme, werden aber innerlich nur selten als Antipyretica bei Hausthieren verabreicht. Ferner sind Chloral und Kampher brauchbare Fiebermittel und wird letzteres namentlich bei heruntergekommenen Thieren (bei sog. asthenisclien Fiebern) gehraucht.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass etwa vorhandene Wunden und Geschwüre, profuse Eiterungen oder Schleimflüsse eine ihrer Be­schaffenheit entsprechende locale Behandlung erfordern, indem hiervon der Erfolg einer antifebrilen Behandlung nicht selten in erster Linie abhängig ist.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen kann nunmehr die Dar­stellung der verschiedenen hier in Betracht kommenden Krankheiten folgen.
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I. Die Invasionskrankheiten.
Die thierischeu Parasiten, welche diese Krankheiten verursachen, werden als Entozoen und Epizoen unterscliieden; jene leben im Inneren des Wohnthieres, diese auf oder in der äusseren Haut desselben. Letztere schaden in der Regel zunächst nur wenig, oft sogar nur in Folge der Belästigung durch Juckreiz und durch Entziehung von Nährmaterial; — dagegen können Parasiten, welche in die Gewebe der verschiedenen inneren Körpertheile eindringen, je nach der Dig-nität und Vulnerabilität dieser schon frühzeitig erhebliche Störungen und unheilbare Krankheiten verursachen.
Die hier in Betracht kommenden Entozoen gehören zum grossen Theile den Würmern an. Bald sind es Plattwürmer, bald Faden­würmer, welche wir bei unseren Hausthieron als Krankheiterreger antreffen.
11
Alle vollkommen ausgebildete hier in Betracht kommende Platt­würmer sind wahre Zwitter, welche somit sowohl den männlichen, wie auch den weiblichen Geschlechtsapparat funetionsfähig besitzen. Sie haben einen Generationswechsel zu durchlaufen, der darin besteht, dass die directen Nachkommen der Plattwürmer nie die Ausbildung ihrer Eltern erlangen; erst die Enkel, oder noch weiter stehende Generationen kehren zum Typus des vollkommenen Plattwurmes qu. zurück, ^ur Erreichung dieses Zieles sind demnach verschiedene Generationen (also ein Generationswechsel) erforderlich.
Mit diesem complicirten Fortpflanzungsgeschäfte ist stets ein Wechsel des Aufenthaltsortes, meist sogar ein Wechsel des seitherigen Wirthes (oder Wohnthieres) der betreffenden Parasiten verbunden, worüber wir später noch Genaueres erfahren werden. Aus der Gruppe der Plattwürmer werden uns hier vorzugsweise beschäftigen:
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; l*ie liivasionskrauklitütcn.
A.nbsp; nbsp;verschiedene Bandwürmer und
B.nbsp; nbsp;die zu den SaugwUrmern gehörigen Leheregel.
C.nbsp; nbsp;Von den Fadenwürmern (Nematelmia) sind es namentlich verschiedene Nematoden.
D.nbsp; nbsp;Von den Epizoeu kommen hier
verschiedene Zweiflügler in Betracht, die eine vollkommene Verwandlung (Metamorphose) durchzumachen haben. Es sind verschiedene Bremsen, welche ihr Larvenstadium an irgend einer Stelle des Körpers unserer Hausthiere durchlaufen und dadurch bald mehr, bald weniger erhebliche Gesundheits­störungen verursachen. Endlich nehmen denn noch
E.nbsp; Einige iSpinnenthiere und unter diesen besonders die Milben unser Interesse in Anspruch.
Die Besprechung der uns beschäftigenden Invasionskrankheiten setzt eine nähere Kenntniss der Lebensverhältnisse fraglicher Parasiten voraus, weshalb wir eine kurze Betrachtung derselben den durch sie verursachten Krankheiten zunächst vorausschicken wollen.
A. Die Bandwürmer (Cestoden).
Bandwürmer sind Thierstöcke (resp. Thiercolonien), die aus dem sogenannten Kopfe und aus einer verschieden grossen An­zahl gleichartiger Glieder bestehen, welche sich nur durch sehr ver­schiedene Grade der Ausbildung von einander unterscheiden, während der Kopf eine ganz andere Beschaffenheit und Bedeutung hat. Die im Principe gleich organisirten Glieder werden jedes als ein besonderes Individuum aufgefasst, deren gemeinsame Mutter, der sogenannte Kopf, wesentlich anders als die Glieder organisirt ist.
Von einigen Helminthologen wird indess jede Bandwurmkette als ein zusammengehöriges Individuum angesehen und dies dadurch begründet, dass es Bandwürmer ohne Segmentirung gibt und dass auch bei den deutlich segmentirten Bandwürmern die einzelnen Glieder einen gemeinsamen Ausscheidungscanal, sowie von einem zum anderen Gliode unmittelbar übergehende Gewebsschichten besitzen. — Ich schliesse mich der ersteren Auffassung an, weil jedes reife Glied einen vollkommen entwickelten Geschlechtsapparat besitzt und nach seiner Loslösung von der Colonie eine Zeit lang selbstständig weiter zu leben vormag.
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Band w tinner.
33
Die Leibessubstanz der Bandwürmer besteht in ihrer Grundlage aus hyalinem Bindegewebe von mehr oder minder fester Beschaffen­heit. Diese Grundsubstanz ist äusserlich von einer structurlosen Haut („cuticulaquot;) umhüllt, die sich an manchen Stallen, besonders des
Kopfes, in Spitzen und Haken erhebt, während sie im Inneren von Muskelfasern durchsetzt wird, die bald vereinzelt, bald in Bündeln nach drei verschiedenen Rich­tungen verlaufen. Das ganze Körper-parenohvm hat man in eine ^Mittelschichtquot; und in eine „Rindenschicht* unterschieden. Verdauungsapparat und Blutgefässsystem sind bei Bandwürmern nicht vorhanden.
Der Kopf, welcher besser „Ammequot; genannt wird, ist geschlechtslos, während die an seinem hinteren Ende durch Knos­pung entstehenden Glieder Geschlechts-thiere sind. Je näher am Kopfe, um so kleiner und unentwickelter sind die Band-wurmglieder; die vollkommen entwickelten, geschlechtsreifen Glieder sind immer am weitesten vom Kopfe entfernt und werden „Proglottidenquot; genannt. Am hinteren Ende des Kopfes ist stets ein ungegliederter An­hang, der sogenannte „Halsquot; vorhanden; hinter diesem beginnt die Segmentirung der Colonie mehr oder weniger deutlich und wird, je weiter nach hinten, dem blos-sen Auge immer leichter wahrnehmbar. Auf Grund bestimmter wesentlicher Ver­schiedenheiten der Ammen und der Glieder hat man die Bandwürmer in 2 Haupt­
gruppen geschieden, nämlich in „Gruben-
köpfe (Botriocephalen)quot; und in „Blasen-
Bruclifltücko von Taonia Bagiuata nach Leuckart. Die einzelnen Ab­schnitte In natürlicher Grosse.
oder Kürbiswürmer (Tänicn)quot;.
Die Cuticula der Bandwürmer ist nicht überall gleich dick; an ihren mächtigeren Stellen besitzt sie dicht stehende feinste Poren-canälchen, welche die Absorptionsfähigkeit der Körperoberfläche be­trächtlich erhöhen und so den Zufluss von Ernährungsmaterial er­leichtern. An der im grossen Ganzen glatten Oberfläche des Band-
Pütz, Lohrbuch dor anstockeuclon Tliiorkrankheiton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bandwürmer.
wurmkörpers erhebt sich an bestimmten Stellen die Cuticula zu Härchen, Stacheln oder Haken von sehr wechselnder Form und Grosse. Die wichtigsten und stärksten derartigen Erhebungen sind Haken, welche bei manchen Kürbisbandwlirmern am vorderen Pole des Kopfes angetroffen werden und als Haftorgane dienen. Die Beschaffenheit dieser Haken ist für die Systematik der Bandwurmarten von grosser Bedeutung. Der Hakenkranz sitzt auf einem linsenförmigen muskulösen Gebilde, „Rostellumquot; genannt, zu dem#die unter demselben gelegenen Körpermuskeln sich derart verhalten, dass sie die Bewegung der Haken durch die starke Muskulatur des Eostellums unterstützen.
Unter der Cuticula liegt ein netzartiges Gewebe, das aus Ring-und Längsfasern besteht und als „Hautmuskelschlauchquot; bezeichnet wird.
In der Mittelschicht des Körperparenchyms der Bandwurmglieder liegen die Geschlechtsorgane, sowie zwei oder mehr Längsgefässe, welche durch Verbindungsäste mit einander communiciren und am hinteren Ende des jedesmaligen letzten Gliedes der Bandwurmkette münden. Diese Canäle werden „Wassergefässequot; genannt; sie haben die Bedeutung eines Excretionsorganes.
Die Rindenschicht enthält aussei- zahlreichen Muskelfasern in der Regel eine beträchtliche Menge rundlicher Körperchen, in welche eine wechselnde Menge Kalksalze eingelagert ist. Vor Entwicklung der Geschlechtsorgane begegnet man auch in der MHtelschicht gewöhn­lich einer nicht unbeträchtlichen Menge solcher „Kalkkörperchenquot;, die mit zunehmendem Wachsthura der Glieder immer seltener werden und nach erlangter Geschlechtsreife nur noch vereinzelt in der Mittel­schicht angetroffen werden. Im Allgemeinen unterliegt die Zahl der Kalkkörperchen sowohl bei den einzelnen Individuen, als auch bei den verschiedenen Arten beträchtlichen Schwankungen.
Obgleich die Mittelschichten der einzelnen Glieder die Verbin­dungsstellen dieser ohne Unterbrechung durchziehen und, wie die Rindenschicht, durch die ganze Länge des Bandwurmes hindurch­gehen, so wird doch der Verbreitungsbezirk der Geschlechtsorgane in den einzelnen Gliedern durch Bildung besonderer Muskelzüge begrenzt und abgeschlossen; indem diese MuskelzUge an den Enden der Glieder sich beträchtlich verstärken und kuppeuförmig wölben, entsteht zwischen je zwei Gliedern eine scharfe Grenze, wodurch die Lösung der reifen Proglottiden von einander wesentlich erleichtert wird. Diese kommt zu Stande durch Muskelcontractionen, in Folge deren zunächst die Mittel­schicht der Verbindungsstelle und demnach auch deren Rinde reisst.
Das Nervensystem der Bandwürmer besteht aus einem im
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Blasen- oder Kürbisbaiulwüi'mei'.
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Inneren des Kopfes gelegenen Centraltheile und aus zwei ansehnlichen Nervenstämmen, welche je einer zur äusseren Seite der sog. Wasser-gefässe liegen und die ganze Thiercolonie in ununterbrochenem Zuge durchlaufen.
Kürbisbandwürmer und Grrubenköpfe sind einestheils durch ihre äussere Form, andererseits durch die Art ihrer Fortpflanzung von einander verschieden. Erstere durchlaufen zum Theil ihre sämrat-lichen Entwicklungsstadien im Körper unserer Hausthiere und ver­ursachen dadurch verschiedene Gesundheitsstörungen, weshalb wir uns hier vorzugsweise mit den betreffenden Tänien etwas eingehender beschäftigen werden.
I. Blasen- oder Kürbisbandwürmer.
Dieselben kommen, so viel bis jetzt bekannt ist, nur bei Säuge-thieren und zwar vorzugsweise bei Raubthieren vor; ihrer Vorstufe, den Blasenwürmern, begegnen wir fast ausschliesslich bei Nagern und Wiederkäuern. Der Kopf aller Kürbisbandwürmer besitzt mehrere (in der, Regel 4) Saugnäpfe, welche von der äusseren Haut und von dem Haut-Muskelschlauche gebildet werden. Je nachdem am vorderen Theile des Kopfes ein Hakenkranz vorhanden ist, oder fehlt, wird der betreffende Parasit als -bewaffneterquot; oder als -unbewaffneterquot;
Scheitelfläche mit Uakenkranz und Saugnäpfen von Taenla sullum. ( Nach Louokart.)
Blasenbandwurm bezeichnet, (S. Fig. 10 S. 50.) Wie bereits erwähnt, ist die Amme stets der Ausgangspunkt der ganzen Gliederkette; über­dies dienen die Sauggruben und der Hakenkranz derselben als Haft-
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Blasen- oder Kürbislnindwitmiei'.
apparate, welche sämmtliehon Gliedern fehlen. Die ganze Colonio wird somit durch ihre Amme an die Darmwand befestigt. Mit der Nahrungs­aufnahme hat der Bandwurmskopf nichts zu thun, da, wie bereits erwähnt, allen Bandwürmern ein eigentlicher Verdauungsapparat fehlt und die Nahrungsaufnahme auf endosmotischem Wege durch die äussere Haut erfolgt, so dass in dieser Beziehung jedes einzelne Glied von der Amme unabhängig ist.
Das Wassergefässsystem der Kürbisbandwürmer besteht aus 2 oder 4 an den Seiten der Colonie verlaufenden Längscanälen, die mit feinen Zweigen in den verschiedenen Körperregionen entspringen und am hinteren Rande der einzelnen Glieder durch Verbindungsäste mit einander communiciren. In der Amme gehen diese Wassercanäle unmittelbar in einander über. Den Inhalt derselben bildet eine wasser-helle Flüssigkeit, in welcher kleine, das Licht stark
Fig. 3.
brechende Körperchen enthalten sind.
Das Alter und die fortschreitende Ausbildung der einzelnen Glieder nimmt auch bei den Tänien zu mit deren Entfernung von der Amme. Da an dieser die Knospung neuer Glieder andauert, bis der Scolex stirbt, so werden die bereits vorhandenen Glieder durch jedes neu gebildete um ein Entspre­chendes weiter nach hinten geschoben. Die jüngeren Glieder sind von einem einfachen Mediancanale durch­zogen, welcher die erste Anlage des Fruchthälters dar­
Kopf von Tacnia aer
rata^ 24mal vorgr.
a Hakenkrauz
b Waasorgofiisso.
(Xach Louckart.)
stellt. Später trifft man in jedem Gliedc zwei band­förmig gestaltete Keimstöcke (Ovarien) und einen von diesen getrennten Dotterstock; beide Apparate ver­
kümmern mit der fortschreitenden Entwicklung des Uterus, Die Form der Tänienglieder ist zum grossen Theile von dem Entwicklungszustande der Geschlechtsorgane, namentlich des Frucht­hälters abhängig. Die Glieder, bei welchen der Querdurchmesser überwiegt, beherbergen noch gar keine oder nur wenig Eier; in den quadratischen Gliedern haben sieh schon in grösserer Menge Eier angesammelt und mit zunehmender Längenentwicklung des Fruchthälters schreitet die Embryonalentwicklung in den Eiern vor. Erst in den gestreckten Proglottiden erlangt der Fruchthälter seine definitive Gestalt. — Die Scheide verläuft von der Mitte des einen Seitenrandes bogenförmig nach abwärts bis an das Ende des Frucht­hälters und steht hier mit dem gemeinschaftlichen Ausführungsgange
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Blasen- oiler Kiirbisbamlwiii-mer.
37
der beiden Ovarieu und des- dahinter liegenden Dotterstockes in Ver­bindung.
Die Geschlechtsöffnung findet sich am Seitenrande, und zwar etwas hinter der Mitte eines jeden Gliedes. Sie bildet einen deutlieh wahrnehmbaren Höcker, in welchen die Scheide und der Samenleiter ausmünden. Diese Geachlechtaöffnung steht
Fig. 4.
bald links, bald rechts d. h. ihre Stellung
wechselt ab, indess nicht ganz regelnlässig, insofern manchmal bei 2 und auch bei 3 auf einander folgenden Gliedern diese Oeff-nung auf der nämlichen Seite dor Band­wurmkette sitzt.
Die Befruchtung erfolgt durch Paa­rung. Ist dieselbe erfolgt, so vergrössort sich der Uterus, während die Hoden und ihre Canäle schwinden.
Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus kugeligen Bläschen (Hoden), die wie Beeren einer Traube an dünnen Stielen sitzen. Ihre Zahl beträgt in jedem so weit gereiften Bandwurmgliede mehrere
hundert Stück und ist im oberen Theile
des Gliedes am grössten. Jedes Hoden­bläschen hat einen Ausführungsgang; aus der allmählichen Vereinigung derselben geht
Goschlechtsorgano von Tueula Coe-HUTUa lOmal vergr. (Nacli Lenckart.) a Ooschlechtsüffmiiig, bb Cllticula, cc Muskol-schlauch , dd Hodcnbläs-chen, ee Eieratöcko, f Dütterstock, H Jugomllichor Utems.
der Samenleiter hervor, dessen dickeres,
muskulöses Ende, Cirrus oder Penis, zur Uebertragung des Samens in die weibliche Geschlechtsöffnung eines anderen befruchtungsfähigen Gliedes dient. Nach vollzogener Begattung veröden die Hoden und ihre Ausführungsgänge. Um den männlichen Apparat zu studieren, hält man sich am besten an jüngere Bandwurmglieder, deren Frucht-hälter noch ohne Eier ist. Ebenso muss man sich an unreife Glieder (allerdings etwas weiter nach hinten gelegene als zum Studium des männlichen Apparates) wenden, um die Ei bereitenden Organe zu studieren. Im Ovarium bestehen die Eier nur aus einer dünnen und hellen Protoplasmaschicht; dasselbe ist doppelt vorhanden. Hinter demselben liegt ein unpaariger gleich den Eierstöcken verästelter Drüsenkörper, oder mehr einfacher Sack, der Dotterstock, der nahe an den hinteren Rand des Gliedes grenzt. Sobald das Ei mit Dotter umgehen und befruchtet worden ist, entsteht um dasselbe eine
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Blasen- oder KiirMslianrtwiirnier.
härtere Schale, worauf auch die Keimr und Dotterstöcke voröden. Die feste Eischale umgibt den Embryo; sie ist von bräunlicher Farbe und mehr oder minder deutlich granulirt. Ursprünglich wird dieselbe noch von einer zweiten hellen und abstehenden Haut umgeben. Die
Pte. 5.
Fig. 6.
Embryonenhaltige Eier von Tacnia
aolium, 4O0mal vergrössert.
(Nach Leuekart.)
A.nbsp; Mit Schale ohne Dotterliaut,
B.nbsp; Mit Schale und Dotterhaut.
Täuieu- Embryo,
ca. lOofach vor-
groasert.
fertigen Eier gelangen in einen Eibchälter (Uterus), der sich in dem Maasse vergrössert, als Keim- und Dotterstock schwinden. Dieser Behälter ist lang gestreckt und nach beiden Seiten verästelt; s. Fig. 14 S. 52 in den reifen Gliedern ist er mit Eiern prall gefüllt, in denen der kleine Embryo mit seinen (i Haken oft deutlich erkannt werden kann. Die Embryonalhaken sind kurz und dünn und alle 6 von gleicher Bildung.
Die mit ausgebildeten Eiern gefüllten Glieder der Bandwürmer werden „Proglottidcnquot; genannt. Dieselben gelangen durch den After des Wirthes nach aussen, erhalten sich auf feuchtem Boden mehrere Tage hindurch lebendig und bewegen sich während dieser Zeit selbst­ständig fort. Wenn aber auch die Glieder absterben, so erhalten sich doch die in ihnen eingeschlossenen Eier noch lange entwicklungs­fähig, wenn sie nicht, zu andauernd der Austrocknung ausgesetzt sind. Die Tänien-Embryonen schlüpfen nie von selbst aus den Eiern hervor, sondern erst nach Zerstörung der Bandwurmglieder durch die Verdauungssäfto und andere Factoren und nachdem auch die Eihüllen mit Hülfe des Hakenapparates zerstört worden sind. Die Zeit, wie lange die Embryonen in den Eiern entwicklungsfähig sich erhalten, ist verschieden; sowohl die Art des Kürbiswurmes, wie auch das Medium, in welches das betreffende Bandwurmglied nach seinem Ab­gange aus dem Wohnthiere gelangt, sind hierauf von bestimmendem Einflüsse. Bei einem Aufenthalte im Wasser bleibt die Entwicklungs­fähigkeit Wochen lang erhalten, während dieselbe nach Einwirkung trockener Wärme (August-Sonne) bereits nach 24 Stunden vernichtet wird. Gelangen keimfähige Bandwurmeier in den Magen eines ge-
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Blasen- oder Kürbisbandwürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;30
eigneten Wohnthieres, was eventuell gewöhnlich mit dem Futter zu geschehen pflegt, so schlüpfen die Embryonen bereits nach einigen Stunden aus und verweilen nur kurze Zeit im Magen. Sie bahnen sich mittelst ihrer Kopfhaken einen Weg in diejenigen Körpergewobe ihres Wirthes, in denen sie eine geeignete Wohnstätte finden. Sie wandern zum Theil durch die Wandungen des Magens hindurch, oder durch den Pförtner in den Darm und durch dessen Wände in die Bauchhöhle u. s, w. Vielfach brechen die Embryonen auch in Blut-gefässe ein und gelangen dann durch den Blutstrom in verschiedene Körpertheile. Vor allen Organen wird namentlich häufig die Leber von der jungen Bandwurmbrut heimgesucht; in dieser verbringen die Embryonen der Taenia serrata und marginata constant ihre erste Jugendzeit. Sind die Bandwurm-Embryonen an der Stelle ihres ersten Wohnsitzes angelangt, so werden sie zunächst von einer Zellen­wucherung umhüllt. Tritt keine weitere Ortsveränderung ein, so werden diese Zellen später zur inneren Auskleidung des Finnensackes verwendet. Von den umgebenden Geweben wird um jeden Embryo eine Blase gebildet, welche jenen umhüllt und den sogenannten „Finnensackquot; darstellt, Bei der im Inneren desselben gelagerten Bandwurmbrut bilden sich in der Leibessubstanz die verschiedenen Schichten, so wie eine Ansammlung von Flüssigkeit, aus welcher die sogenannte „Schwanzblasequot; entsteht, welche eigentlich die Grundlage des späteren Blasenwurmes ist.
In Folge dieses Vorganges verwandelt sich der Bandwurm-Embryo allmählich zu einem einfachen, mehr oder weniger kugeligen Bläschen, an welchem früher oder später ein oder mehrere Bandwum-köpfe hervorsprossen. Derartige Blasenwürmer mit einer Amme werden „Finnenquot;, solche mit mehreren Ammen „Quesenquot; genannt.
Bei Finnen S. Fig. 8 S. 42 entwickelt sich der Kopf meist schon im. Verlaufe der 3. Woche, wo die Blase (die Kaninchenfinne ausgenommen) kaum 1 Mm. Durchm. hat. Bei der Gehirnquese beginnt die Bildung der ersten Köpfe in der 5. Woche, wenn die Blase etwa erbsengross ist. Bei einer dritten Art von Blasenwürmern, die wir als „Echino-coccusquot; später noch näher kennen lernen werden und die sich durch die Fähigkeit auszeichnet, sehr umfangreiche Blasen und eine enorme Anzahl Köpfe bilden zu können, sprossen die ersten Ammen erst nach mehreren Monaten an der inzwischen etwa nussgross gewordenen Blase hervor. Die Vorgänge bei der Kopfbildung sind im Wesent­lichen folgende: An einer Stelle der Schwanzblase, die wir als den vorderen Pol derselben bezeichnen wollen, entsteht eine meniscusartige
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Blasen- oder Kiirbisbaiulwärmer.
Scheibe, die bald die Form eines Zapfens annimmt, der immer tiefer in den Innenraum der Blase hineinwächst. Alsbald macht sich an der betreffenden Stelle äusserlich eine grubenförmige Einsenkung be­merkbar, die mit Zunahme des Zapfens an Tiefe gewinnt und schliess-lich sich flaschenförmig ausbuchtet. Die Kopfaulage erscheint nun nicht mehr solid, sondern hohl und ist im Inneren der Höhle von einer Einstülpung der Cuticula ausgekleidet. Die Bildung der Saug­näpfe quot;und des Hakenapparates beginnt in der Regel bald nach der ersten Anlage des Kopfzapfens; letzterer entsteht auf dem Boden des Hohlraumes, die Saugnäpfe entstehen etwa da, wo der Hohlraum seinen grössten Durchmesser bat. Es begreift sich leicht, dass bei Hervorstülpung des Kopfes der Ilakenkranz auf den Scheitel vor die Saugnäpfe zu liegen kommt. Der vom Hakenkranze umkreiste Theil wird „Rostellumquot; genannt.
Mit der weiteren Entwicklung des Blasenwurmes bildet sich am Basaltheile des Kopfes ein sogenannter Hals aus, der bei den ver­schiedenen Arten ungleich lang wird. Dieser in der Regel *raquo;gi 7. nnr. einige Millimeter lange Anhang wächst bei der be­kannten Mäusefinne (Cysticercus fasciolaris), die aus den Eiern der Taenia crassicollis der Katze entsteht, gewöhn­lich bis zu mehreren Centimetein heran. Niemals aber geht dieser sogenannte Hals der Blasenwürmer mit in den späteren Bandwurmkörper über, sondern es wird der­selbe regelmässig abgestossen.
Gelangen solche genügend entwickelte Blasenwürmer lebendig in den Verdauungscanal eines geeigneten Wohn-thieres, so setzen sich dieselben an einer Stelle der Darm­wand fest, worauf die Blase nebst Hals versebwindet und von der zurückbleibenden Amme durch Knospung Band­wurmglieder ausgeben, die allmählich geschlechtsreif weiden.
Cysticercus fas-
eiolaris (Mause-
rtune) natürliche
Grosse.
(Louckurt.)
Im Verlaufe und in Folge dieser Entwicklungsvor­gänge können in dem betreffenden Wohnthiere mehr
oder weniger erbebliche Gesundheitsstörungen auftreten, die wir nunmehr zu besprechen haben werden. Vorher jedoch wollen wir noch kurz einige Mittel erwähnen, welche eine bandwurmwidrige Wirkung besitzen und deshalb zu Bandwurmkuren benutzt werden.
Ein bewährtes einheimisches Mittel ist das Farrenkraut. Man ver­wendet dasselbe als Bandwurmmittel am besten in folgender Weise.
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Blasen- oder Kürbisbniuhvürmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
Farrenkrautextract 4 Gramm mit so viel Farrenkrautwurzelpulver, dass eine zähe, halbfeste Masse entsteht, aus der man 5 bis 10 Pillen formt. Erwachsene Menschen und grössere Hunde können die ganze Portion mit einem Male nehmen; bei Kindern und kleinen Hunden gibt man zunächst die Hälfte.
Auch Kürbiskerne sollen eine bandwurmtreibende Wirkung haben; 40 bis 50 Stück mit etwas Milch zerrieben sollen fast ebenso stark wirken, wie das vorige Mittel.
Von ausländischen Mitteln standen Kousso und Kamala früher mit Recht in gutem Rufe. Dieselben sind indess jetzt sehr unzuver­lässig, weil sie zu häufig gefälscht werden. Eine Gabe von ca. 8 Gramm genügte früher in der Regel, um bei Hunden den quot;Randwurm abzu­treiben. Kamala hatte noch den Vorzug, dass man ihr kein Abführ­mittel nach zu schicken braucht, da sie selbst eine abführende Wir­kung mit der bandwurmtreibenden verbindet. Den übrigen hier ge­nannten Mitteln muss man einige Stunden nach ihrer Einverleibung einen oder 2 Easlöffel voll Ricinusöl nachsenden.
Jeder Bandwurmkur muss eine Vorbereitungskur vorhergehen. Diese besteht in knapper Diät während zweier vorhergehender Tage. Beim Menschen ist der Genuss stark gesalzener und gepfefferter, mit Zwiebeln oder Knoblauch vermengter Häringssalat, bei Hunden scharf gesalzene Suppe zu empfehlen. Das Band Wurmmittel wird am besten morgens nüchtern verabreicht und während dessen Wirkung gar keine Nahrung gegeben.
Wir gehen nun zur Besprechung der durch Band- und Blasen-würmer verursachten Invasionskrankheiten über.
1. Die Finnenkrankhelt der Schweine.
Diese Krankheit wird bei unserem Hausschweine vorzugsweise in solchen Wirthschaften angetroffen, wo die Aufzucht der Ferkel den Anforderungen einer verständigen Gesundheitspflege nicht entspricht. Nur da, wo den Ferkeln Gelegenheit geboten wird, die Brut des Ein­siedlerbandwurmes des Menschen (Taenia solium) aufnehmen zu können, ist die Möglichkeit zur Entstehung der Finnenkrankheit vorhanden. Gelangen nämlich geschlechtsreife Glieder oder Eier dieses Band­wurmes in den Verdauungscanal eines Schweines, so weiden die Ei­schalen zerstört, worauf die frei gewordenen Embryonen die Darm­wandungen durchsetzen und in das lockere Bindegewebe der Körper­organe einwandern, um dort zu Blasenwürmern, den sogenannten
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Die Finnenkrankheit der Schweine.
BSchweinefinnen (Cysticercus cellulosae)quot; heranzuwachsen. Es ge­schieht dies vorzugsweise bei Ferkeln bis zu einem halben Jahre, bei welchen die Körpergewebe noch zart und leichter zu passiren sind. Daher kommt die Finnenkrankheit bei Schweinen, die von Jugend auf sorgfältig gepflegt werden, nur äusserst selten vor. In früheren Zeiten hielt mau diese Krankheit filr ein Driisenleiden, bis im Jahre 1784 der Pfarrer J. A. E. Göze in Quedlinburg die Entdeckung machte, dass die Schweinefinnen „Blasenwürmerquot; sind. Es dauerte aber noch mehrere Jahrzehnte, bevor diese Parasiten als die Vor­stufe, resp. Jugendform des Einsiedlerbandwurmes des Menschen er-
Fig. 8.
Fig. 9.
b
amp;
Scliwoiueflimou lu natürlichor örösso; a u. b
jüiigores Exemplar, a mit eingezo^euom. b mit
ausgestülptem Kopfe. c älteres Exemplar mit
eingezogenem Kopfe.
Kopf der Scliweiueftuuo^ ca. 15mal ver-grossert Aus Perls' allgemeiner Pathologie.
kannt wurden. Im Jahre 1851 führte Küchenmeister das Fütterungs­experiment in die helminthologische Forschung ein und lieferte auf diesem Wege zunächst den directen Nachweis, dass die Kaninchen­finne im Darmcanale des Hundes in einen Bandwurm (Taenia serrata) sich umwandele. Die Thatsache, dass bei Juden und Mohamedaneru, welche streng an ihren Kirchengeboten halten und diesen gemäss kein Schweinefleisch essen, die Taenia solium äusserst selten vorkommt, ferner die Uebereinstimmung des Kopfes der Schweinefinno mit dem Kopfe des Einsiodlerbandwurmes des Menschen führte Küchenmeister zu dem Gedanken, dass erstere die Vorstufe des letzteren sei. Fütte-rungsversuche, welche dieser verdiente Forscher mit Haubner in Dresden anstellte, lieferten den Beweis, dass junge Schweine durch den Genuss reifer Eier von Taenia solium finnig wurden.
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Die Finnenkrankheit der Schweine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;43
Bald nachher verabreichte Küchenmeister, mit Genehmigung der sächsischen Staatsregierung, ausgebildete Schweinefinnen an zwei zum Tode verurtheiltc Mörder. Der Eine ass 3 Tage vor seinem Tode, der Andere am 24. November 1859 zum ersten Male 4 Monate, zum zweiten Male 2lJ2 Monate vor seiner Hinrichtung am 18. Januar 1860 mit den dargereichton Speisen entwicklungsfähige Finnen, welche beiden Verbrechern ohne ihr Wissen in einer Suppe, oder in Blutwurst, oder mit Wurstsemmel verabreicht wurden.
Im Darme der Hingerichteten fanden sich bei der Section bei No. I. 10 Stück junge Tänien, 9 Stück von 3 bis
4 Mm. und ein Stück von 6—9 Mm. Länge; bei No. II. fanden sich 19 Tänien, von denen 11 bereits reife Proglottiden besassen.
Hierdurch, so wie durch andere von Leuckart, van Beneden, Davaine etc. angestellten Versuchen an Menschen wurde der strin-gente Beweis geliefert, dass die Finne des Schweines und der Ein­siedlerbandwurm des Menschen zwei verschiedene Entwicklungsstufen ein und desselben Parasiten sind. Seither haben wir denn auch die Vorgänge bei diesen Umwandlungen näher kennen gelernt, wie dies oben spezieller angegeben ist. —
Die Finnenkrankheit der Schweine kann nur dann mit Sicher­heit während des Lebens diagnosticirt werden, wenn die Blasenwürmer an solchen Körperstellen vorkommen, wo sie dem Auge zugänglich werden. Sie können überall im lockeren Bindegewebe des Körpers und besonders im Bindegewebe der Muskel vorkommen; hier betten sie sich oft in mehreren Tausend Exemplaren bei Schweinen ein. Sie finden sich dann auch häufig im Bindegewebe der Zungenmuskel, so wie im Bindegewebe der Augenlidbindehaut, woselbst sie bei ober­flächlicher Lage und bei einigermassen ausgebildeter Schwanzblase gesehen und gefühlt werden können; unvollständig entwickelte Finnen bleiben auch an diesen Stellen unerkannt. In den grossen Nerven-centren, im Gehirn und Rückenmark, sind manchmal über 100 Stück Finnen angetroffen worden. Man hat behauptet, im Speck kämen dieselben nicht vor; dies ist jedoch nur für die Regel, keineswegs aber ohne Ausnahme richtig. Nicht ganz selten trifft man auch im Speck Finnen an. In den Subarachnoidealräumen des Gehirns buchten sich die Schweinefinnen nicht selten zu unregelmässigen Schläuchen aus und erlangen so zuweilen eine traubige Form, ohne indess jemals mehr, als einen Scolex zu erzeugen. (Cysticercus raceraosus.)
Die aus den Eiern der Proglottiden des Einsiedlerbandwurmes
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44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Fiiinenkrankheit der Schweine.
ausschlüpfenden Embryonen bedürfen eines 2 l/a bis 3 Monate langen Aufenthaltes im Bindegewebe, bevor sie zu entwicklungsfähigen Finnen herangewachsen sind. Die Schwanzblase der Schweinefinno erlangt keine beträchtliche Grosse (8 bis 10 Mm.). Sie enthält einen mehr oder weniger spiralig gerollten, langen und stark geringelten Kopf­zapfen. Die Schweinefinne hat eine elliptische Form und ist in den Muskeln mit ihrem längsten Durchmesser in der Ilichtung des Faser-verlaufos in das intermuskulare Bindegewebe eingebettet. In geringer Anzahl verursachen sie nur dann erkennbare Gesundheitsstörungen, wenn sie in wichtigen Organen, so z. B. im Gehirn, sich eingebettet haben; sind sie aber in grosser Anzahl im Körper verbreitet, so treten allmählich Ernährungsstörungen auf, die zur Cachexie und schliesslich zum Tode führen. Abmagerung, Schwäche und Lähmung der Glied­massen, Blässe der Schleimhäute, Anschwellung einzelner Körpertheile, z. B. des Kopfes, der Schultern u. s. w., heisere Stimme u. dergl. mehr, sind die Erscheinungen, welche jede Cachexie, mag sie durch diese oder jene Ursache bedingt worden sein, kennzeichnen. Ebenso wenig wie dieser Zustand während des Lebens als characteristisch für die Finnenkrankheit sich erweist, ebenso wenig ist dies der Fall bei Erscheinungen, welche sich auf Gehirnreizung beziehen, da auch hier der Zustand von einer durch andere Ursachen bedingten Gehirnreizung sich nicht unterscheiden lässt.
Der Verlauf der Finnenkrankheit ist ein chronischer; nur nach sehr reichlicher Einverleibung von Brut des Einsiedlerbandwurmes scheint der Tod auch in Folge heftiger Darmreizung eintreten zu können. Werden finnige Schweine in den Anfangsstadien der Ent­wicklung fraglicher Bandwurmbrut geschlachtet, wie dies zufällig ge­schehen kann, so besitzt das Fleisch besonders dann ein ganz nor­males Aussehen, wenn die Einwanderung der Brut nicht gar zu massen­haft stattgefunden hat. Bevor die Finnen einen gewissen Grad der Reife erlangt haben, so dass sie im Darme des Menschen sich nicht zu Bandwürmern entwickeln können, ist der Fleischgenuss unschädlich. — Sind die Schweine indess an der Finnenkrankheit gestorben, oder an derselben hochgradig erkrankt geschlachtet worden, so findet man bei der Section die Muskeln blass, welk, durchfeuchtet und schmierig. In einem solchen Schweine sind manchmal gegen 12 bis 20 Tausend Finnen (30—40 Stück in einem Loth Fleisch) vorhanden. Am zahl­reichsten sind sie gewöhnlich in den Hals- und Brustmuskeln, so wie in der Muskulatur der Schultern und der Keulen vorhanden. In se­rösen Höhlen werden sie zuweilen frei angetroffen.
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Die Finneiiki'unkheit der Schweine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;45
Die Prognose ist absolut ungünstig. Eine medicinische resp. arzneiliche Behandlung der Finnenkrankheit ist geradezu Thorheit.
Um so mehr verdient die Vorbeuge unsere Aufmerksamkeit. Dieselbe wäre bald in wirksamster Weise durchführbar, wenn das Publikum die Beziehungen zwischen Band- und Blasenwürmern all­gemein kennen und danach sich verhalten würde. Wenn nämlich Niemand finniges Fleisch verzehrt, oder wenn Jedermann solches Fleisch vor dem Genüsse in kleinere Stücke zerlegt und tüchtig durch­kocht, so dass alle in demselben enthaltenen Finnen getödtet werden, so müsste die Finnenkrankheit der Schweine bald und sicher aus­gerottet werden. So lange aber die Volksbildung in diesen Dingen den erforderlichen Grad noch nicht erlangt hat, wird einestheils die staatliche Fürsorge, andererseits der Selbstschutz de? intelligenten Viehbesitzers thätig sein müssen.
Die sanitätspolizeilichen Vorschriften müssen sich auf den Men­schen und auf die Schweinehaltung beziehen. Vor allen Dingen dürfen die Schweineställe nicht unmittelbar mit dem Abtritt in Verbindung stehen, wie dies noch vor wenig Jahrzehnten in bäuerlichen Wirth-schaften häufig der Fall war. Es liegt die Erklärung nahe, warum seit der Zeit, wo diese Einrichtung seltener und die Schweinehaltung überhaupt eine reinlichere geworden ist, auch die Finnenkrankheit numerisch abgenommen hat. — Wie nun überhaupt im Interesse des Auslandes und der Reinlichkeit darauf hingewirkt werden sollte, dass nicht allerorts in der Umgebung der menschlichen Wohnungen, der Gärten und Felder, der Weiden und Triften etc., sondern so weit als irgend möglich nur an dem bestimmten, entsprechend eingerichteten Aborte alle Menschen ihre Excremente absetzen, so muss letzteres ganz besonders da vermieden werden, wo junge Schweine hin ge­langen und die Abgänge des Menschen aufnehmen können, was von den sogenannten Koprophagen (Kothfressern), zu denen bekanntlich das Schwein gehört, mit Vorliebe zu geschehen pflegt, wenn hierzu Ge­legenheit geboten wird.
Der Genuss von finnigem Schweinefleisch muss beschränkt, wenn auch nicht unter allen Umständen verboten werden. Es dürfte näm­lich nicht gerechtfertigt erscheinen, sonst gutes Fleisch zu vernichten, weil in demselben Finnen vorhanden sind, die durch Kochen ganz unschädlich gemacht werden können. Nationalöconomisch richtig er-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
scheint es mir deshalb, finniges, sonst aber gesundes Schweinefleisch auf einer sogenannten Freibank veräussern zu dürfen, wobei jedoch ausdrücklich erklärt werden muss, dass dasselbe nur durch gründliches
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Finnen bei Fleisch- und Pllanzenlresseni.
Kochen, so wie durch sorgfältiges Einpökeln und längeres Räuchern unschädlich gemacht werden kann, während andernfalls aus den Finnen Bandwürmer sich entwickeln. In den gewöhnlichen Fleischläden soll derartiges Fleisch aber nie zerlegt werden, weil sonst die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Fleischwaare durch Finnen verunreinigt und dadurch infectiös werden könnte.
Fleisch von finnigen Schweinen, welche bereits abgemagert und cachectisch geworden sind, darf zum Genüsse für Menschen unter keinen Umständen zugelassen werden.
Bei Schweinen beziehen sich die prophylactischen Massregeln vorzugsweise auf junge Thiere bis zu etwa 9 Monaten, da ältere Individuen mit Eiern des Einsiedlerbandwurmes sich nicht mehr zu inficiren pflegen, weil wahrscheinlich die Embryonen die bereits resistonter gewordenen Gewebe ihres Wirthes nicht mehr zu durchdringen ver­mögen. Wo die jungen Schweine im Stalle aufgezogen und vor jeder Gelegenheit, die Brut der Taenia solium aufnehmen zu können, bewahrt werden, da sind dieselben gegen die Finnenkrankheit sicher geschützt.
Ausser beim Schweine sind auch bei Hunden, Rehen, Aifen, Bären, Schafen, Ratten und Katzen in selteneren Fällen Finnen be­obachtet worden. Dr. Pauli, Dopartementsthierarzt in Berlin, fand bei einem Neufundländer Hunde, der wegen seines schwankenden Ganges mit gesenktem und steif gehaltenom Kopfe für wuthkrank gehalten und erschlagen worden war, sowohl in sämtntlichen Muskeln, als auch im Gehirn erbsengrosse Finnen in reichlicher Menge. Bereits im Jahre 1864 (Bericht über das Veterinärwesen im Königreiche Sachsen) hat Leisering das Vorkommen von Cysticercus cellulosae bei Hunden bestimmt nachgewiesen, und zwar nicht blos in den Muskeln, sondern auch in Lunge und Leber. J. Vogel und Gerlach fanden bei Hunden die Hirnsubstanz mit Schweinefinnen reichlich durchsetzt. Dennoch ist Leuckart die künstliche Züchtung von Finnen aus den Eiern der Taenia solium beim Hunde, wie beim Schafe, nicht gelungen. — Beim Menschen wurden diese Parasiten im Bindegewebe unter der Haut, in den Nieren, im Gehirn, im Auge und in den Muskeln, in letzteren manchmal massenhaft und dann auch wohl im Herzmuskel angetroffen. Im Gehirn des Menschen kommen dieselben nicht so sehr selten vor und sind dann meist in grösserer Anzahl daselbst vorhanden. Sie sitzen gewöhnlich in der grauen Ge­hirnsubstanz; zuweilen findet man einzelne abgestorben und in eine mörtelähnliche Masse verwandelt. In welcher sich meist nur noch ein­zelne Haken des Hakenkranzes nachweisen lassen.
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Finnen beim Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;47
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Finnen im Gehirn des Menschen vorursaehen schwere Krank-heitszufälle, welche in der Regel erst nach langer Dauer, nicht selten erst nach mehreren Jahren, mit dem Tode enden. In allen solchen Fällen hat wahrscheinlich eine Selbstinfection stattgefunden, indem reife Proglottiden eines im Dünndärme des betreffenden Menschen wohnenden Einsiedlerbandwurmes durch antiperistaltische Bewegungen der Darmwandungen in den Magen gelangen, woselbst die Embryonen frei werden, und in der früher angegebenen Weise ihre Wanderung bewerkstelligen. In der Möglichkeit einer solchen Selbstinfection mit Brut der Taenia solium liegt für den Menschen eine weit grössere Gefahr, als in den Zufällen, welche durch den Bandwurm selbst ver-anlasst werden.
Aus diesem Grunde, so wie auch mit Rücksicht auf die Mög­lichkeit einer Infection junger Schweine, sind Bandwurmkuren beim Menschen überall vorzunehmen, wo die Anwesenheit einer Taenia solium (oder eines anderen Bandwurmes) festgestellt ist; es ist dies selbst auch dann geboten, wenn der betreffenden Person keinerlei Beschwerden durch den Parasiten verursacht werden. Dass jeder ab­getriebene Bandwurm, so wie die spontan abgehenden Proglottiden eines solchen, durch Feuer oder sonstwie zerstört und nicht etwa ein­fach weggeworfen werden sollen, liegt nahe genug.
Nach Küchemneister soll unter den bisher besprochenen Schweine­finnen auch eine andere Finnenart vorkommen, welche man gewöhnlich als „Rindsfinnequot; bezeichnet. Diese ist von einer Kapsel (Finnensack) umhüllt, die der Parasit nicht ganz ausfüllt. Sie ist länglich-rund, kleiner und trockner als die Schweinefinne und stellt die Vorstufe der Taenia saginata (früher T. mediocanellata) des Menschen dar. Fütterungsversuche, welche mit reifen Proglottiden dieses Bandwurmes an Schafen und Schweinen vorgenommen wurden, blieben bisher ohne Erfolg, während dieselben, so weit mir bekannt, bei Kälbern zur Entstehung der sog. Rindsfinne führten.
Eine eigentliche Finnenkrankheit des Rindes kennt man indess nicht. Der Grund hierfür scheint darin zu liegen, dass Kälber kaum jemals Gelegenheit haben, sich mit der Brut der Taenia medio­canellata in dem Masse inficiren zu können, wie dies bei Schweinen, die Menschenkoth aufsuchen und begierig verschlingen, der Fall ist. Deshalb mögen denn die Rindsfinnen für gewöhnlich nur so vereinzelt vorkommen, dass sie während des Lebens ihres Wirthes keine Ge­sundheitsstörungen verursachen und nach dem Tode desselben in der Regel übersehen werden. In Wien, wo die Taenia mediocanellata
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Die Kindsfinne.
die beim Menschen am häufigsten vorkommende Bandwurmart ist, hat man der Finnenkrankheit verdächtiges Rindfleisch verschiedene Mal genauer untersucht, ohne indess fragliche Parasiten zu finden. Und dennoch ist es wahrscheinlich, dass dort die Rindsfinne nicht so ganz selten vorkommt.
Das weniger massenhafte Vorkommen der Rindsfinne in einem Individuum dürfte sich aus folgenden biologischen Verhältnissen leicht erklären lassen.
Die Glieder der Taenia saginata verlassen den Darm ihres Wirthes zum grossen Theilo spontan, wozu sie durch ihre kräftige Muskulatur besonders befähigt sind. Sie kriechen so lange vorwärts, bis die zunehmende Erkaltung ihrer Muskelthätigkeit ein Ziel setzt. Im Bette verbreiten sie sich öfter über den Körper ihres früheren Wirthes weiter, besonders wenn dessen Haut feucht ist; auch sind sie mehr als 1 Meter hoch über dem Bette ihres früheren Wirthes an­getroffen worden. In lauwarmem Wasser kann man die Bewegungen der Proglottiden stundenlang beobachten. Da dieselben meist schon im Anfange ihrer Loslösung von der Colonie einen geringen oder grösseren Theil ihrer Eier abgeben, und zuweilen sogar nahezu eiloa werden, so erklärt sich die Thatsache, warum die letzten Proglottiden nicht die massigsten zu sein pflegen. In der Regel ist es der vordere Rand der Proglottiden, aus dem die Eier hervortreten, da hier der Fruchthälter mit Längscanal und Seitenzweigen der Körperperipherie am nächsten liegt und deshalb dem Drucke der sich contrahirenden Muskulatur am wenigsten Widerstand zu leisten vermag. Nach der Loslösung sieht man die Eier an der bezeichneten Stelle während des Umherkriechens manchmal stromartig hervorfliessen. Auf diese Weise wird die Eibrut der Proglottiden der Taenia saginata mehr verstreut und dadurch die Gelegenheit zur massenhaften Aufnahme derselben vermindert; namentlich sind die den Pflanzen etwa aufsitzenden Pro­glottiden häufig sehr arm an Eiern. Eileere Proglottiden haben so bedeutend an Querdurchmesser verloren, dass sie fast cylindrisch ab­gerundet erscheinen und in Folge dessen mehrfach mit Spulwürmern verwechselt worden sind. — Am veränderlichsten ist das vordere Körperende der losgelösten Proglottiden, das bald conisch sich zu­spitzt, bald fast kugelförmig auftreibt oder spatelartig sich abplattet, während das hintere Ende seine Form nur in so weit verändert, als es mit seinem lippenförmig gewulstoten Rande, der früher den vor­deren Rand des angrenzenden Gliedes manschettonartig umfasste, eine Art Saugnapf bildet, mittelst dessen das Glied bei seinen Be-
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Acute Cestoden-Tuberculose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;49
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w^gungen sich aufstützt, reap, anheftet. Ein solches Bandwurmglied kann in einer Minute mehrere Centimeter zurücklegen und nach der einen oder anderen Seite hin von der graden Richtung ablenken, oder nicht.
Werden Kälbef sehr reichlich mit Brut der Taenia mediocanel-lata gefüttert, so entsteht bei ihnen eine tödtliche Krankheit, welche man wenig passend „acute Cestoden-Tuberculoaequot; genannt hat. Die Erscheinungen dieses Leidens sind im Wesentlichen folgende : Einige Tage nach der Fütterung stellt sich Fieber ein, das mit Reizung des Darmcanales verbunden und auf diese zurückzuführen ist. Die Fieber-, erscheinungen lassen in den nächsten Tagen wieder etwas nach, um nach etwa 8 Tagen wieder anzuwachsen. Mit Zunahme des Fiebers nehmen die Kräfte des Patienten ab, der Appetit verschwindet, es stellt sich Durchfall ein und etwa 3 Wochen nach stattgehabter In­fection endet der Tod die Leiden des Thieres.
Bei der Section findet sich ausser verschiedengradigen Reiz­zuständen im Bereiche der Baucheingeweide eine höhere Röthe der Muskeln und in diesen zahlreiche Knötchen, welche mit eigentlichen Tuberkeln nur eine entfernte Aehnliehkeit haben. Es bestehen diese Knötchen nämlich aus Cysten, in welchen die jungen Finnen geborgen sind. Auch das Herz ist in der Regel von diesen Parasiten reichlich durchsetzt.
Um sich gegen Taenia mediocanellata zu schützen, muss man den Grenuss des rohen Fleisches vom Kalbe resp. Einde, so wie auch vom Schweine vermeiden. Sanitätspolizeiliche Gesetze sind zu diesem Zwecke kaum nöthig, noch auch besonders nützlich, da ja die Rinds­finne bei der Fleischcontrole kaum jemals gefunden wird.
Nachstehende allgemeine Characteristik der beiden bis jetzt in Betracht gekommenen Tänien entnehme ich dem vorzüglichen Werke Leuckarts „die Parasiten des Menschen etc. 2. Auflage, Leipzig 1881*, aus dem ich überhaupt einen grossen Theil der in vorliegendem Werke verwertheten zoologischen Details entnommen habe.
Die Taenia saginata s. mediocanellata ist die ansehn­lichste der menschlichen Tänien, die gedehnt bis 7 u. 8 Meter misst, im zusammengezogenen Zustande aber nur etwa 4 Mtr. lang ist und sich aus 12 bis 1300 Gliedern zusammensetzt, von denen mehr als 3 Viertheile auf die vordere Körperhälfte entfallen. Doch nicht blos die Länge ist es, die unsern Wurm auszeichnet; er besitzt auch eine un­gewöhnliche Breite und Dicke, und ist mit Gliedern versehen, die eben­sowohl durch Grösae, wie durch feistes Aussehen auffallen. Besonders
Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thlerkrankhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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Taenia saginata.
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characteristisch ist die Breite der mittleren Glieder, die bis 12 und 14 Mm. beträgt. Der Hals misst nur selten weniger als 1—1,5 Mm. Da die Länge der Glieder verhältnissmässig nur langsam zunimmt, so ist der bei Weitem grössere Theil derselben breiter — gelegent­lich selbst 3—4mal breiter — als lang. Nur die embryonenhaltigen reiten Proglottiden haben (auch im contrahirten Zustande) die be-
Fig. 10.
Fig. 11.
Kopf lind Glied vou Taeuia sa^'iuata nach Leuckart, ersterer mehrfach, letzteres um die Hälfte vergrössert.
Fig. 12.
Kopfemle vou Taeuia äagiuata.
A im zuaammengozogeuon, B. im güstreckteu
Zustamlc. Vergr. 8. (Nach Leuckart.)
Ei vou Taeuia sa­ginata; 350mal ver­grössert uaeh Heller.
kannte Kürbiskernform. Der hakenlose grosse Kopf (1,5—2,0 Mm.) besitzt einen abgeflachten, in der Mitte grubenförmig vertieften Scheitel und 4 ansehnliche, äusserst kräftige Saugnäpfe, die aber gewöhnlich nur wenig vorspringen und häufig von einem schwarzen, mehr oder minder breiten Figmentsaume umfasst worden. Bei den reifen Pro-glottiden findet man dasselbe Pigment oft auch in der Scheide, im Samenleiter und in den Hodenbläschen. Die volle Entwicklung der keimbereitenden Geschlechtsorgane tritt etwa um das 600ste Glied herum ein, während die Embryonen erst 360 bis 400 Glieder später ihre Ausbildung erreichen. Die Zahl der sogenannten reifen Glieder darf man auf 150—200 veranschlagen. Die Eier haben eine stäbchen­tragende dicke Schale. Sie sind meist merklich oval. Der Frucht-
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Tacnia soliinn.
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hälter characterisirt sich durch die bedeutende Menge seiner (20 bis 30) Seitenzweige, die dicht neben einander hinlaufen und vielfache dichotoraische Spaltungen erkennen lassen. Die stark vorspringende Greschleehtsöffnung liegt bei den reifen Proglottiden merklich hinter der Mitte des Seitenrandes. Sind die Glieder, was sehr häufig vor­kommt, freiwillig abgegangen, dann trifft man sie gewöhnlich ohne Eier und zusammengeschrumpft, aber immer von ansehnlicher Grosse und Dicke. Vor Entleerung der Eier messen sie 18—20 Mm. in der Länge und 5—7 Mm. in der Breite. Neubildung und Wachsthum erfolgt so rasch, dass täglich 8 oder noch mehr Proglottiden abgehen, selbst wenn, wie in der Regel, nur eine einzige Taenia saginata bei dem betreffenden Individuum vorhanden ist.
Die Finne bewohnt meist einzeln die Muskeln des Rindes, findet sich gelegentlich aber auch in den inneren Organen. Sie enthält nur wenig Blasenwasser, hat eine mehr rundliche Form und erreicht kaum jemals die Grosse von 1 Ctm.
Die Taenia solium bleibt an Grosse, Dicke und Gliederzahl nicht unbeträchtlich hinter der vorigen Tänie zurück. Die Länge beträgt im gestreckten Zustande nur selten mehr als 3 bis S'/a Mtr., bei Spiritusexemplaren meist weniger als 2 Mtr. Die grösste Breite, die auch hier gegen die Körpermitte hin erreicht wird,
dürfte kaum über 8 Mm. hinausgehen. Unter den auf etwa 850 zu veranschlagenden Gliedern sind nicht mehr als 80 — 100 reife Proglottiden. Sie nehmen mehr als ein Dritttheil der Gesammtlänge in Anspruch und er­reichen am Ende der Kette (bei 5 Mm. Breite) eine Länge von 10 bis 12 Mm. Der Kopf hat die Grosse eines Stecknadelkopfes und eine kugelige Form mit ziemlich stark vorspringenden Saugnäpfen. Der Scheitel ist nicht selten schwarz pigmentirt und trägt ein massig grosses Rostellum mit meist 26 oder 28 Haken, die sich durch gedrungene, fast plumpe Formen und die relative Kürze ihrer Wurzelfortsätze von den Haken
der verwandten Arten unterscheiden. Auf den Kopf folgt ein 1 Ctm. langer fadenförmiger Hals, dessen Gliederung sich mit unbewaffnetem Auge nur unvoll­
Links halbreife, reclits reife Glie­der von Taenia solium in natür­licher Grosse uaeh Lonc.kart.
kommen erkennen läast. Anfangs sind die Glieder äusserst kurz, aber allmählich wächst deren Länge, im Ganzen jedoch so langsam, dass sie erst in einer Entfernung von etwa 1 Mti hinter dem Kopfe, oder noch weiter hinten, die qua-
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Taenia soliuni.
dratische Form annehmen. Kurz darauf beginnt die Reife der Glieder, nachdem die Geschlechtsorgane ungefähr 200 Glieder vorher (etwa mit dem 450. Gliede) zur vollen Entwicklung gekommen waren. Die reifen Proglottiden werden nur selten spontan entleert und gehen meist einzeln mit dem Kothe ab, nicht selten jedoch sind auch meh­rere abgehende Glieder mit einander verbunden.
Hierdurch wird die Massenaufnahme von Bandwurmeiern durch Pflanzenfresser und Omnivoren, namentlich durch die sogenannten Koprophagen, in hohem Grade begünstigt.
Die Geschlechtsöffnung liegt hinter der Mitte der reifen Glieder. Der Fruchthälter, der meist deutlich durch die Körpermasse durch­scheint, besitzt 7 —10 Seitenzweige, die durch grössere Abstände von einander getrennt sind und ihrerseits wieder in eine Anzahl von den­dritisch oder kammförmig gruppirten Aesten sich auflösen. Die Eier sind ziemlich rund und in eine dicke Schale eingeschlossen, die aussen mit dichtstehenden Stäbchen besetzt ist. Mitunter persistirt im Umkreis der Schale noch die ursprünglichhelle Eihaut. (S. Fig. 5 S.38.)
Fie. 14.
Die Geschlechtsöffnung steht bald rechts, bald
links, d. h. ihre Stellung wechselt ab, jedoch nicht ganz
regelmässig, insofern manchmal bei 2 oder drei auf einander folgenden Gliedern diese Oeffnung auf der nämlichen Seite der Bandwurmkette sitzt.
Die Taenia solium kommt in Europa, Amerika, Asien und Afrika vor; in Australien scheint sie noch
nicht heimisch geworden zu sein.
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Beide hier gekennzeichnete Tänien können Ge­sundheitsstörungen bei ihrem Wirthe verursachen, welche sich im Wesentlichen folgendermassen äussern: Leib­schmerzen (wellenförmiges Zusammenziehen im Darm-canale) so wie andere Verdauungsleiden, resp. Ernäh­
rungsstörungen; ferner Ohrenbrausen, Gliederschmerzen und auch wohl epileptische Anfälle.
Zwei reife Pro­glottiden von Taenia solium mit Uterus; 3-fach vorgrös-aert nach Leuckart.
In Folge von Selbstinfection oder anderweitiger Aufnahme von Tänienbrut können, wie bereits erwähnt wurde, beim Menschen schwere und unheilbare Gehirn­
krankheiten verursacht werden. Die Taenia saginata soll im Allgemeinen schwerer abzutreiben sein, als die Taenia solium. Ob dies die Folge einer grösseren Un-empfindlichkeit oder Resistenz gegen Bandwurmmittel, oder die Folge des grösseren Kopfes und der stärker entwickelten Saugnäpfe ist.
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Taenia solium.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 53
bleibt vorläufig unentschieden. Wahrscheinlich aber sind beide Fac-toren hierauf von Einfluss.
Dass Taenia saginata und Taenia solium 2 verschiedene Band-wurraarten sind, geht in erster Linie aus ihrer ganzen Entwicklungs­geschichte und Körperbildung hervor. Zwar ist in neuerer Zeit von M^gnin, einem französischen Parasitologen, die Ansicht ausgesprochen worden, dass Taenia inediocanellata und Taenia solium 2 ver-
Fig. 15.
Hakenkranz der Sehweinettime reap, der Taenia solium. welcher neljst Rostolluni, der Kalbalinue so wie der T. saRinata stets fohlt, ca. llOmal vergrössert.
schiedene Altersstufen ein und desselben Bandwurmes seien; letztere sei die Jugendform, erstere die höhere Altersstufe. Ein Zeichen des höheren Alters sei der Verlust des Hakenkranzes u. s. w. Abgesehen von anderen Gegengründen kann auch der Umstand nicht für eine Erscheinung von Altersschwäche gelten, dass die Glieder, so wie der J^kolex der Taenia mediocanellata, viel stärker sind als die der Taenia solium. Der Verlust des Hakenkranzes soll aber der Vorbote sein für den Verlust des Kopfes resp. für den Tod der Amme. Ein kopf­loser (acephaler) Bandwurm kann selbstverständlich keine neuen Glieder mehr produciren.
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Die Drehkrankheit des (Schales.
2. Die Drehkrankheit der Schafe, des Rindes (und Pferdes).
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Diese Krankheit characterisirt sich durch Störungen der Gohirn-f'unctionen und der willkürlichen Bewegungen, welche durch die Ein­wanderung der Brut eines Bandwurmes vom Hunde, der sogen. „ Taenia Coenurusquot; verursacht werden. Die Infection findet durch die Auf­nahme von Futtermitteln statt, welche an Taenia Coenurus leidende Hunde mit ihrem Kothe verunreinigt haben. Deshalb sehen wir die Krankheit denn auch am häufigsten bei Weidevieh, namentlich aber bei Schafen auftreten, denen nicht selten durch die eigenen Hunde des Schäfers die Bandwurmbrut in reichlichem Maasse zugeführt wird.
Die Drehkrankheit der Schafe kommt am häufigsten bei Lämmern, etwas weniger häufig bei Zeitschafen und nur selten bei Schafen über 2 Jahre zur Beobachtung. Die ersten Erscheinungen des Leidens pflegen zur Zeit des Weideganges im Spätsommer oder im Herbste sich einzustellen. Sie bestehen in Trägheit, Mattigkeit, abnormer Haltung des Kopfes, der entweder gesenkt oder seitwärts gebogen, auch wohl anhaltend aufwärts gestreckt oder gar znrück-gobogen getragen wird; die weisse Haut (undurchsichtige Hornhaut) des Augapfels sowie die Augenlidbindehaut sind höher geröthet, der Schädel vermehrt warm und der Puls frequent. Der Grad dieser Erscheinungen ist von der Zahl der in das Gehirn eingewanderten Tänienbrut abhängig.
Bei Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute drängen die Thiere unaufhaltsam nach vorwärts, bisweilen auch nach der einen oder anderen Seite, oder sie drehen sich um eine am Boden fest­gestellte Gliedmasse im Kreise; nicht selten gehen sie auch den so­genannten Reitbahngang, d. h. sie bewegen sich in einem grösseren Kreise fortwährend nach rechts oder links, zuweilen auch abwech­selnd bald nach dieser, bald nach jener Seite. Manchmal sind sie nicht im Stande, sich auf den Füssen zu erhalten; sie stolpern häufig und fallen zu Boden. Die Trübungen des Bewusatseins werden deut­licher wahrnehmbar. Nicht selten machen sich auch Gehirnkrämpfe bemerkbar, welche sich namentlich durch Zähneknirschen, schaumiges Maul, Verbiegen des Halses, Schiefstellung der Augäpfel und durch Muskelzuckungen an verschiedenen Körpertheilen kennzeichnen. Bei hochgradiger Infection können die Patienten bereits in diesem (ersten) Stadium der Krankheit zu Grunde gehen, was gewöhnlich nur in ver­einzelten Fällen vorzukommen pflegt. In der Regel tritt nach 8 bis
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Die Drehkrankheit des Schafes.
10 Tagen eine Romission in den Krankheitserscheinungen ein, so dass der Nichtkenner sich der Hoffnung hingibt, dass alles glücklich über­wunden sei. In dieser Hoffnung wird er leicht um so sicherer, als meist 4 bis 6 Monate vergehen, bevor die eigentliche Drehkrankheit zum Ausbruche kommt. Nur in ganz seltenen Fällen (2 : 100) ge­langt die Brut der Taenia Coenurus im Gehirn nicht zur Entwicklung, sondern geht abortiv zu Grunde, und wo dies geschieht, da tritt nach dem ersten Krankbeitsstadium dauernde Genesung wirklich ein.
Bei der langsamen Entwicklung der Gehirnquese dauert es bis zum Winter oder gar bis zum Frühjahre (je nachdeiü die Tänien-brut früh oder spät (im Sommer oder Herbst) eingewandert ist, bis die Erscheinungen der eigentlichen Drehkrankheit hervortreten. Mit derselben stellen sich neuerdings Störungen im Bewusstsein und in den willkürlichen Bewegungen ein, die sich allmäblich steigern. Die Patienten bleiben hinter der Herde zurück oder folgen derselben gar nicht mehr. Der Kopf wird wieder zur Seite, oder abwärts, oder aber aufwärts getragen. Die kranken Thiere bekunden oft periodisch eine mehr oder weniger vollkommene Bewusstlosigkeit und rennen mit dem Kopfe an verschiedene Gegenstände an. Ihr Blick ist stier, das Auge glotzend, die Fresslust gestört oder ganz unterdrückt; immer mehr macht sich Mattigkeit und Hinfälligkeit bemerkbar, wo­bei die Bewegungen fortschreitend unregelmässiger werden. Je nach der Beschaffenheit dieser Unregelmässigkeiten unterscheidet man Dreher, Traber, Taumler, Schwindler oder Seitlinge, und Segler. Für die be­treffenden Bewegungs-Anomalien lassen sich folgende Regeln aufstellen:
Dreher. Die Patienten drehen nach derjenigen Körperseite, auf welcher die Cönurusblase im Gehirn eingebettet ist, wenn diese an der Oberfläche der betreffenden Halbkugel des Gehirnes ihren Sitz hat; sie drehen nach der entgegengesetzten Seite, wenn die Cönurusblase am Boden des einen oder anderen Ventrikels sitzt, oder wenn dieselbe stark auf einen Sehhügel drückt. Sie drehen abwech­selnd bald nach rechts, bald nach links, wenn zwei oder mehr Blasen­würmer im Gehirn vorhanden sind, die theils in der rechten, theils in der linken Hemisphäre liegen.
Traber. Laufen die Patienten mit tiefgesenktem Kopfe nach vorwärts und gradaus, wobei sie die Gliedmassen in auffallender Weise hoch heben, so sitzt der Blasenwurm im vorderen Lappen einer grossen Hemisphäre des Gehirns, oder er sitzt so tief, dass ein gestreifter Hügel gedrückt wird.
Taumler, Schwindler oder Seitlinge. Zeigen die kranken
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Die Drehkrankheit des Schafes.
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Thiere eine grosse Unsicherheit bei ihren Bewegungen, so dass sie das Gleichgewicht verlieren, taumeln, oder gar zu Boden fallen, wo­bei sie gewöhnlich auf die nämliche Seite fallen und eine kurze Zeit auf derselben liegen bleiben, so sitzt der Parasit im kleinen Gehirn, oder im hinteren Lappen des Grosshirns. Fallen die kranken Thiere häufig, zeigen sie ferner Krämpfe, Schaumkauen und Zähneknirschen, so übt der Blasenwurm einen Druck auf die Schenkel des Grosshirns aus. In den seltenen Fällen, wo bei drehkranken Schafen eine Um­wälzung um die Längsaxe des Körpers beobachtet wird, sitzt der Blasenwurm an der Basis des kleinen Gehirns, oder an der Varols-brücke und am verlängerten Mark.
Segler. Drängen die Patienten mit hochgehobenem, oder gar mit etwas in den Nacken resp. nach dem Rücken hin zurückgebogenem Kopfe nach vorwärts, wobei sie häufig stolpern und zu Boden fallen, oder nach rückwärts überschlagen, so sitzen ein oder mehrere Blasen­würmer am hinteren Ende des Grosshirns oder zwischen diesem und dem kleinen Gehirn; die Cönurusblase kann aber auch eine solche Grosse erlangt haben, dass sowohl die Streifenhügel, als das hintere Ende des Grosshirnes gedrückt wird.
Das- Verdrehen der Augen, so wie Erscheinungen, welche auf ein gestörtes Sehvermögen schliessen lassen, sind die Folgen von Druck auf die Vierhügel des grossen Gehirns.
Wo mehrere Blasenwürmer von ungewöhnlicher Grosse im Ge­hirn vorhanden sind, da treten nicht selten Combinationen vorstehend erwähnter Bewegungsanomalien auf. Sitzen derartige Quesen an der Oberfläche der Halbkugeln des Grosshirns, so findet man am Schädel­dache häufig ganz dünne Stellen, welche einem etwas stärkeren Drucke mit dem Finger nachgeben; hierdurch entstehen dann Krämpfe, Ver­drehen der Augen, Schlagen mit den Beinen etc.
Der tödtliche Ausgang der Krankheit pflegt in der Regel 4 bis 6 Wochen nach Eintritt des zweiten Stadiums einzutreten und ent­weder die Folge von Gehirnlähmung, oder von Abzehrung und Er­schöpfung zu sein.
Zuweilen kommt es auch im Rttckenmarke zur Entwicklung einer oder mehrerer Cönurusblasen, welche dann meist in der Lenden­partie dieses Nervencentrums ihren Sitz haben. In Folge dessen tritt zunächst geringe Lähmung einer hinteren Gliedmasse auf, oder es stellt sich gleich von vornherein Kreuzschwäche ein, in welchem Falle die Thiere mit dem Hintertheile schwanken. Hebt man dieselben in die Höhe und lässt sie aus geringer Entfernung vom Boden nieder-
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Die Drehkrankheit des Schafes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 57
fallen, so brechen sie zusammen, wobei sie zunächst mit dem Hinter-theile zu Boden sinken. Das Schwanken resp. die Schwäche im Kreuze nimmt immer mehr zu, die Patienten werden immer wackeliger, wobei sie bald nach rechts, bald nach links umzufallen drohen. Zu­weilen werden die Hinterbeine bei der Bewegung in ähnlicher Weise hochgehoben, wie beim Hahnentritt der Pferde, und beim Vorwärts-achreiten fast immer weit nach vorn unter den Leib geschoben, wobei die Thiere häufig stolpern und hinfallen. Gregen Druck auf das Kreuz sind die Patienten sehr empfindlich und können durch einen solchen leicht zusammengeknickt werden. Sie folgen der Herde nur langsam, oder gar nicht; letzteres wird unmöglich, sobald die Schwäche im Kreuz bis zur Lähmung sich gesteigert hat.
Obgleich der Appetit der sogenannten Kreuzdreher meist un­gestört fortbesteht, so treten dennoch im Laufe der Krankheit Ab­magerung und Bleichsucht mit zunehmender Schwäche immer deut­licher hervor, so dass nach vorherigem Hinzutreten von Fieberer-scheinungen zur Kreuzlähme das Leiden nach mehreren Monaten tödtlich endet.
Die Section drehkranker Schafe liefert im Wesentlichen folgende Ergebnisse: Bei Kreuzdrehern findet man in der Lendenpartie des Rückenmarkes gewöhnlich eine röhrenförmige, d. h. längliche Quese.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Sitzt der Parasit im Gehirn, so sind die Erscheinungen von der Leiche verschieden, je nachdem der Tod in Folge des ersten, oder des zweiten Stadiums der Krankheit eingetreten ist.
a) Sectionsbefund nach dem ersten Stadium der Krankheit:
Die Gefässe des Gehirns sind mit Blut überfüllt, die weichen Gehirnhäute, so wie die Gehirnkammern enthalten einen Erguss von Blutserum; nicht selten
sind Blutergüsse in dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lg'
Gehirnhäute und in die Gehirnsubstanz vorhan­den. Unter der weichen Hirnhaut findet manhirse-korn- bis kaum erbsen-grosse Bläschen in grös-serer Anzahl, so wie meh-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; öehjrn pines schsfiammcH mit osimmabtut-
. 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Natürlicho Grosse. (Nach Leuckavt.)
rere Millimeter lange, mit
gelbem Exsudate belegte Gänge, welche den Weg anzeigen, den die
Bandwurmembryonen zurückgelegt haben. An der harten Hirnhaut
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Die Drehkrankheit des Schafes.
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findet man zuweilen gelbe Knötchen, welche von untergegangenen Embryonen herrühren.
b) Sectionsbefund aus oder nach dem zweiten Stadium der Krankheit:
Im Gehirn findet man eine oder mehrere (bis 4) Cönurusblasen von der Grosse einer Nuss bis zu der eines Hühnereies. Umfang­reiche, an der Oberfläche des grossen Gehirns gelegene Blasen haben die Schädelknocben meist so bedeutend zum Schwinden gebracht, dass sie nur noch papierdick, oder gar durchlöchert sind. In verschie­denen anderen Organen, besonders im Herzen, in der Leber, in den Nieren, in der Milz, im Gekröse, in den Muskeln und im Bindegewebe findet man mehr oder weniger zahlreiche, weisse (tuberkelartige) Körperchen von 2 bis höchstens 6 Mm. Länge, welche von unter­gegangenen Bandwurmembryonen herrühren. Im Unterhautbinde­gewebe werden zuweilen auch vollständig entwickelte, lebensfähige Quesen angetroffen.
Die Behandlung drehkranker Schafe ist im Ganzen wenig loh­nend. Nur bei besonders werthvollen Thieren dürfte die Trepanation für solche Fälle zu empfehlen sein, wo der Sitz einer Cönurusblase mehr oder weniger bestimmt ermittelt worden ist. Zeigt sich an irgend einer Stelle des Schädeldaches eine nachgiebige Stelle, wo sonst das­selbe hart und resistent zu sein pflegt, so kann man mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass an der betreffenden Stelle eine Gehirnquese sitzt, welche die knöcherne Decke der Hirnhöhle zum Schwinden gebracht hat, Ist ein solcher Schwund durch das Gefühl noch nicht zu ermitteln, so lässt sich durch leichtes Anklopfen mit der hölzernen Trepankrücke oder mit einem anderen ähnlichen In­strumente (Percutiren des Schädeldaches) ermitteln, ob eine Cönurus­blase an der Oberfläche des Gehirnes sitzt oder nicht. Ist dies der Fall, so zuckt das percutirte Thier merklich zusammen, wenn die Stelle der Schädeldecke, unter welcher der Blasenwurm sitzt, er­schüttert wird. Ergibt diese Untersuchung kein positives Resultat, so muss man aus der Beschaffenheit der Bewcgungsanomalien den Sitz des Parasiten zu erkennen suchen. Es wird dann selbst dem geüb­testen Diagnostiker nicht selten passiren, dass er die richtige Stelle verfehlt und zum zweiten oder dritten Male das Schädeldach trepa-niren muss, und vielleicht doch nicht zum Ziele kommt. Hierin so­wohl, wie auch in dem häufigen Vorkommen mehrerer Blasenwürmer in ein und demselben Gehirn, die nicht selten weit von einander ent-
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Die Drehkrankheit des Schafes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 59
fernt sitzen, ist eine grosse Unsicherheit des Erfolges der Trepa­nation begründet.
Für diejenigen Fälle, in welchen der Sitz des Blasenwurmes nicht ermittelt werden kann, hat man die Einführung eines spitzen Drahtes, oder eines sogen. Gehirndurchsuchers, durch die Nasenhöhle und das Siebhein in die Schädelhöhle empfohlen, um mittelst dieser Instrumente das Gehirn zu durchsuchen. Mit Kecht bezeichnet Roll diese Prozedur als eine nutzlose Thierquälerei.
Bei Vornahme der Trepanation ist darauf zu achten, dass die Operation nicht in, oder dicht an der Mittellinie des Schädels vorge­nommen wird, weil dadurch die Längenblutleiter des Gehirns ver­letzt werden könnten; auch müssen Verletzungen der Hirnhäute mit der Trepankrone möglichst vermieden werden. Jede Blutung, auch wenn dieselbe unbedeutend ist, wird im Gehirn sehr leicht gefährlich. Nachdem der Blasenwurm frei gelegt worden ist, wird derselbe ganz herausgezogen und die Operationswunde sorgfältig geschlossen. Bei glücklich operirten Patienten soll schon nach 24 bis 36 Stunden we­sentliche Besserung sich bemerkbar machon; wo dies bis spätestens zum sechsten Tage nicht der Fall ist, da säume man nicht, das Thier zu schlachten und so gut wie möglich zu verwerthen. — Die operirten Schafe müssen einige Wochen lang isolirt und mit leichtverdaulichem nicht zu nahrhaftem Futter ernährt werden. Im Uebrigen beunruhige man sie weder durch kalte Aufschläge, noch aber durch irgendwelche Arzneimittel.
Jede arzneiliche Behandlung der einmal zum Ausbruch gekom­menen Drehkrankheit ist sowohl in ihrem ersten, wie in ihrem zweiten Stadium absolut nutzlos und deshalb eine Geld- und Zeitverschwendimg.
Wichtiger als jede ärztliche Behandlung der Drehkrankheit sind die Massregeln, durch welche man der Krankheit vorzubeugen suchen muss. Um die Gefahr einer Infection der Schafherden durch die Quesenbandwurmbrut zu vermindern, würde die Durchführung der Trockenfütterung bei Schafen während des ganzen Jahres wohl wirk­sam sein, doch ist dies aus öconomischen Rücksichten kaum ausführ­bar. Wo die Verhältnisse es gestatten, auch nur die Lämmer bis zu 9 Monaten vom Weidegange auszuschliessen, da wird die Drehkrankheit keine grösseren Verluste unter den Schafen mehr verursachen. Aber auch durch Vermeidung feuchter, als verdächtig bekannter Weiden, so wie durch sorgfältiges vorheriges Dörren des auf denselben wach­senden Futters kann viel genützt werden, da die Bandwurmeier durch starkes Eintrocknen bekanntlich in einigen Wochen ihre Entwicklungs-
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Die Drehkrankheit des Schales.
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fähigkeit verlieren. Während des Weidegangea können aber auch folgende von Spinola empfohlene Wurmkuchen verabreicht werden:
Rainfarren-, Wermuthkraut und Wagentheer von jedem 1 Kilo.
Kochsalz ljt Kilo, Weizen- oder Hafermehl 1 bis 1 lja Kilo; diese Substanzen werden mit der erforderlichen Menge Wasser zu einem ziemlich consistenten Teige angerührt, dann zu flachen Kuchen geformt und an der Luft getrocknet. In den Monaten Juli und Au­gust werden dieselben zerrieben und mit Haferschrot vermischt den Schafen zum freiwilligen Genüsse vorgelegt. Vorstehendes Quantum kann einer Herde von 500 Stück in 1 bis 2 Tagen ganz verabfolgt werden. Dieses Mittel soll im Stande sein, die im Darmcanale vor­handene Bandwurmbrut zu vernichten.
Zuverlässiger aber dürfte es sein, die Aufnahme der Bandwurm­brut mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu verhüten. Zu diesem Zwecke werden periodische Bandwurmkuren bei den Hunden der betreffenden Wirthschaft, besonders aber bei den Schäferhunden sich besonders nützlich erweisen. Letztere sind es namentlich, welche als die steten Begleiter der Schafe ihre Excremente immer von Neuem auf die Weiden absetzen und dadurch zu Masseninfectionen Veran­lassung geben können, wenn sie mit dem Quesenbandwurme behaftet sind. Ausser den bereits früher angegebenen Bandwurmmitteln ver­dient noch folgendes hier erwähnt zu werden, welches Dr. Hager besonders empfohlen hat:
Kupferoxyd 0,5; Kreidepulver 0,25. Weisser Bolus 0,25. Mit der erforderlichen Menge Wasser zur Pillenmasse gemacht und in 10 gleiche Theile getheilt, auf Butterbrod gestrichen oder in Fleisch eingepackt zu verabreichen. Für einen kleinen Hund genügt ein einziges Zehnttheil, während für grosse Hunde zwei und mehr solcher Theile verabreicht werden können. Was man augenblicklich nicht ver­braucht, formt man zu Stäbchen, trocknet dieselben und hebt sie in einem gut verschlossenen Gläschen oder Schächtelchen auf. Sie bleiben so lange Zeit hindurch vollkommen unverdorben.
Alle abgehenden Bandwurmglieder, oder -Gliederketten werden am besten durch Feuer zerstört. Ebenso sollte auch das Gehirn aller drehkranken Schafe unschädlich gemacht werden. Sehr häufig hat man die Köpfe solcher Thiere dem Frass der Hunde oder Füchse etc. überlassen und dadurch den Samen der Drehkrankheit immer wieder von Neuem auf fruchtbarem Boden ausgestreut.
Die Verminderung der Füchse, Wölfe, Marder lind aller über­flüssigen Haushunde kann zur Verminderung der Drehkrankheit eben-
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Die Drehkrankheit des Rindes.
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falls mit beitragen. Alle diese Thiere verbreiten die Krankheit aber nicht in dem Maasse, wie die Schäferhunde, weshalb diese in jedem Frühjahre eine gründliche Bandwurmkur durchmachen sollten.
Die Taenia Coenurus findet sich im Dünndarme des Hundes, des Fuchses und Wolfes, sowie auch des Marders, Sie wird etwa 400 Mm. (ausnahmsweise auch wohl 1 Mtr.) lang und besteht aus etwa 200 bis 220 Gliedern, von denen die vorderen immer kurz, die mittleren qua­dratisch und die (10 bis 12 Stück) Proglottiden stets viel länger als breit sind. Der Medianstamm des Fruchthälters ist lang und mit 1 bis 26 einfachen Seitenzweigen versehen. Die Eier erhalten sich an feuchten Orten 3 bis 4 Wochen lang keimfähig; an trocknen Orten gehen sie schon innerhalb 14 Tage zu Grunde. Der Scolex ist birn-förmig und klein, sein Breitendurchmesser beträgt etwa 4/5 Mm. Fast immer sitzen am kugeligen Rostellum 28, selten bis 36 Haken, deren Länge bei den verschiedenen Exemplaren variirt.
Der aus dem Embryo von Cönuruseiern hervorgehende Blasen­wurm, die sogen. Hirnquese (Coenurus cerebralis), treibt an einem Segmente der Blase im Laufe der Zeit mehrere
Hundert Scoleces, die in Gruppen von 3 bis 4 Stück beisammen sitzen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^\
b) Die Drehkrankheit des Rindes kommt ebenfalls am häufigsten bei jungen Indivi­duen vor, namentlich bei solchen, die etwa ein Jahr alt sind, oder das erste Lebensjahr bereits
überschritten haben; sie ist aber auch bei älterem
Thell eluev Gehlrnquese
tgt;. - . ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'---------------------
Kindvieh, sogar bei 4 bis 6 Jahre alten Kühen quot;raquo;quot;quot;raquo;ehrerenKo^öapfw ziemlich oft beobachtet worden, Da der Weg, den (Nach Leuckraquo;rt) die Bandwurmembryonen bei einem erwachsenen Rinde zurückzulegen haben, ein viel weiterer ist, als beim Schafe, so gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, dass die Brut, welche das Gehirn erreicht, dies vorzugsweise, ja vielleicht ausschliesslich mit Hülfe der Einwanderung in die Gefässbahnen zu thun im Stande ist. Warum nun die Drohkrankheit verhältnissmässig öfter bei älteren Rindern, als bei älteren Schafen vorkommt, oder warum die Entwick­lung der Quese häufiger im Gehirn als im Rückenmarke stattfindet, ist bis jetzt noch gänzlich unbekannt.
Die Krankheitserscheinungen sind beim Rinde ähnlich, wie beim Schafe. Müdigkeit, verminderte Fresslust und abnorme Haltung des Kopfes sind die ersten auffallenden Symptome. Gewöhnlich wird der Kopf nach links oder rechts, oder nach oben gehalten, und im letz-
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Die Drelikraukheil des Pferdes,
tereu Fall in schnell aufeinander folgenden Zuckungen zur Seite be­wegt. Bei weiter fortgeschrittener Entwicklung der Grehirnquese pflegt die Haltung des Kopfes eine mehr andauernd schiefe zu sein, ohne dass Zuckungen an demselben mehr wahrgenommen werden. Wenn die Patienten nicht angekettet sind, werden Bewegungs-Anomalien verschiedener Art wahrgenommen, Reitbahngang, Vorwärtsdrängen u. dergl. Das Schädeldach ist vermehrt warm, besonders am Grunde der Hörner; die Pupille des Auges ist erweitert, Kreislauf und Athmen beschleunigt. Meist ist grosse Schreckhaftigkeit vorhanden, so dass die Patienten bei plötzlich entstehendem Geräusche u. s. w. heftig zusammenfahren, oder gar zu Boden stürzen; die Fresslust verliert sich schliesslich ganz.
Beim Percutiren des Schädels zeigen die Thiere an der Stelle, unter welcher die Quese liegt, fast ausnahmslos Schmerz ; Schwund des Schädeldaches an der betreffenden Stelle kommt beim Rinde nicht zu Stande. Der Tod erfolgt unter ähnlichen Verhältnissen wie bei Schafen, in Folge des Gehirndruckes, oder in Folge hochgradiger Abzehrung.
luBezug auf Behandlung der Patienten gilt im Allgemeinen das für Schafe Angegebene. Wegen des meist grösserenWerthes des kranken Thieres mag die Trepanation vielleicht öfter zu versuchen sein.
Die Vorbeuge hat aixch hier ihre grosse Bedeutung und ergibt sich aus dem hierüber früher Gesagten von selbst. Da die Kälber im Allgemeinen seltener und weniger früh mit auf die Weide gehen, so sind sie schon dadurch in geringerem Grade gefährdet, als Lämmer.
c) Die Drehkrankheit der Pferde ist sehr selten. Die Erscheinungen derselben sind ähnlich, wie beim Schafe und Rinde. Verminderte Fresslust, Schreckhaftigkeit, vermehrte Wärme des Schädeldaches, erweiterte Pupille, Reitbahngang, Achsendrehungen des ganzen Körpers um eine festgestellte Gliedmasse meist bis zum Um­fallen des Patienten, sind die hervorragendsten Merkmale. Ausser denselben werden beim Pferde periodische Anfälle von Tobsucht, Rückwärtsgehen u. dergl. m. beobachtet. Auch ist die Kreuzdrehe bei Pferden in ganz vereinzelten Fällen beobachtet worden.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Drehkrankheit in manchen Gegenden eine wahre Landplage ist, während sie in anderen Ge­genden gar nicht vorkommt. Wo sie heimisch ist, da sind nasse Weiden vorzugsweise gefahrlich, weil hier ja die Bedingungen für die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Bandwurmeier günstiger sind, wie auf trockenen Weiden.
#9632;
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Echinococcus polymorphus.
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Mit der Drehkrankheit können andere Gehirnkrankheiten mög­licherweise verwechselt werden, weshalb man bei Beurtheilung der ersten Fälle besonders vorsichtig sein muss. Erscheinungen von Ge­hirnreizung können ja verschiedene Ursachen zu Grunde liegen; so z. B. bei Schafen: Oestruslarven in den Stirnhöhlen, die nicht nur von dort aus einen Gehirnreiz erzeugen, sondern sogar in das Gehirn einwandern können, falls Knochenschwund eintritt. Auch Zahnkrank­heiten, oder sogar der Zahndurchbruch und Zahnwechsel können Er­scheinungen von Gehirnreiz bedingen. Diese Fälle sind indess immer vereinzelt und werden von dem sachverständigen Beobachter immer sehr bald richtig beurtheilt werden.
3. Die Echluokokkenkranklieit
wird durch die Einwanderung der Brut eines kleinen, meist nur drei-gliederigen Bandwurmes, der sogen. Taenia Echinococcus, verursacht.
Fig. 18.
Fig. 19.
Ausgewachsene Taeuia
Echinococcus hei 15-
facher Vergröaaerung.
(Lexickart.)
Lamelloso Schichtung der Ecbiuococcus-Cuticula. aOOfuch vergrössort.
Gelangen die Eier dieses Parasiten in den Magen des Menschen, eines Schweines oder eines Wiederkäuers, so wnndern dieselben in der uns bekannten Weise aus, um in den parenchymatösen Organen, besonders in der Leber und in den Lungen ihres Wirthes, zu Blasenwürmern
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Echinococcus polymorphus.
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sich zu entwickeln. Ausser in den Lungen und in der Leber hat man diese Blasenwürmer angetroffen: in der Milz, im Gehirn, im Auge, in den Nieren, im Netz und im Gekröse, sowie an anderen serösen Häuten, im Unterhautbindegewebe, im Herzen und in den verschie­densten anderen Muskeln, ja sogar im Knochen, Auch können die­selben durch Zerreissung eines Blutgefässes in die Blutbahn und von da in das Herz und in die Lungenarterie gelangen. Diese Blasen­würmer sind meist von einer besonderen Bindegewebskapsel um­schlossen, welche manchmal eine schwielige Beschaffenheit annimmt; Grosse und Gestalt dieser Parasiten sind sehr verschieden. Diese Eigenschaften haben dem Blasenwurme qu. zu dem Namen „viel­gestaltiger Hülsenwurm, Echinococcus polymorphusquot; verhelfen. Dieser Blasenwurm ist entweder einfach, oder es bilden sich an demselben sogenannte Tochterblasen. Im ersteren Falle nannte man denselben früher Echinococcus veterinorum, im letzteren Falle Echinococcus hominis, weil man glaubte, bei Thieren komme nur die einfache, beim Menschen hingegen nur die zusammengesetzte Form des Hülsenwurmes vor. An den Tochterblasen können sich abermals kleinere Bläschen, sogen. „Enkelblasenquot; bilden. Beide Generationen von Blasenwürmern entstehen entweder auf der äusseren Oberfläche der Mutterblase (exo­gen) oder sie sprossen an der Innenfläche der Mutterblase (endogen). Man unterscheidet demnach einen einfachen und einen zusammenge­setzten Hülsenblasen wurm. Die Bandwurmköpfe entwickeln sich nicht
Fig. 20.
B l
öeschlossenc und geplatzte Brutkapsoln lu Ihrer Verbindung mit der Mutterblaee, ca. 60fach vergrössert. (Leuckart.)
i'
unmittelbar am Körper der Echinococcusblase, sondern an beson­deren Keimkapseln, welche an der Innenfläche der primären und seeundären Blasen auftreten. Der Durchmesser dieser Keimkapseln beträgt höchstens 1'/laquo; bis 2 Mm. und da in jeder einzelnen 12 und mehr Scoleces sich entwickeln können, so ergibt sich von selbst, dasraquo;
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Ecliinococcus polymoi-plivis.
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diese sehr klein sein müssen. Au einer einzigen Echinococcusblaae können so viele Tausende Scoleces sprossen. Daher erklärt es sich, dass die T. Echinococeus bei Hunden öfter in unzähligen Massen an-
Fisr. 21.
Eulilnocoecusköpfclieu mis den Dnitkai)Keln , A mit ansgentrecktem, B mit eingezogenem Vordorkopi'e, lüOmal vorgrossert. (Lenckart.)
getroffen wird. Was wir über die Entwicklung des Hülsenblasen-wurmes wissen, verdanken wir vorzugsweise Leuckart und Haubner. Letzterer wies namentlich bei Schweinen verschiedene Entwicklungs­stadien der Echinococcusblasen nach. Vier Wochen nach der Fütterung mit Eiern des dreigliederigen Bandwurmes fand er unter dem serösen Ueberzuge der Leber, viele kleine Bläschen, welche meist ca. 1 Mm. lang waren; 8 Wochen nach der Fütterung fand er in der Leber Bläschen von Vja Mm. Durchmesser und 19 Wochen nach der Fütte­rung nussgrosse Blasenwürmer, in welchen kleine Brutknospen und Ammen nachgewiesen wurden. Die Entwicklung des Hülsen-Blasen-
Fig. 22.
A Haken der Sclnvelnoflnne, B Haken von Euliiuococeus. 300fach vergrössert.
wurmes erfolgt somit langsam. Häufig findet man im Serum der Blase Brutknospen von der Grosse eines Hirsekornes und vereinzelte Ammen losgelöst umherschwimmen. Es soll dies ein Zeichen sein,
Pütz, Lehrbuch dor ansteckenden Thicrkrankheltcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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Echinococcus polymorphus.
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sich zu entwickeln. Ausser in den Lungen und in der Leber hat man diese Blasenwürmer angetroffen: in der Milz, im Gehirn, im Auge, in den Nieren, im Netz und im Gekröse, sowie an anderen serösen Häuten, im Unterhautbindegewebe, im Herzen und in den verschie­densten anderen Muskeln, ja sogar im Knochen, Auch können die­selben durch Zerreissung eines Blutgefässes in die Blutbahn und von da in das Herz und in die Lungenarterie gelangen. Diese Blasen­würmer sind meist von einer besonderen Bindegewebskapsel um­schlossen, welche manchmal eine schwielige Beschaffenheit annimmt; Grosse und Gestalt dieser Parasiten sind sehr verschieden. Diese Eigenschaften haben dem Blasenwurme qu. zu dem Namen „viel­gestaltiger Hülsenwurm, Echinococcus polymorphusquot; verhelfen. Dieser Blasenwurm ist entweder einfach, oder es bilden sich an demselben sogenannte Tochterblasen. Im ersteren Falle nannte man denselben früher Echinococcus veterinorum, im letzteren Falle Echinococcus hominis, weil man glaubte, bei Thieren komme nur die einfache, beim Menschen hingegen nur die zusammengesetzte Form des Hülsenwurmes vor. An den Tochterblasen können sich abermals kleinere Bläschen, sogen. „Enkelblasenquot; bilden. Beide Generationen von Blasenwürmern entstehen entweder auf der äusseren Oberfläche der Mutterblase (exo­gen) oder sie sprossen an der Innenfläche der Mutterblase (endogen). Man unterscheidet demnach einen einfachen und einen zusammenge­setzten Hülsenblasen wurm. Die Bandwurmköpfe entwickeln sich nicht
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öeschlossenc und geplatzte Brutkapsoln lu Ihrer Verbindung mit der Mutterblaee, ca. 60fach vergrössert. (Leuckart.)
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unmittelbar am Körper der Echinococcusblase, sondern an beson­deren Keimkapseln, welche an der Innenfläche der primären und seeundären Blasen auftreten. Der Durchmesser dieser Keimkapseln beträgt höchstens 1'/laquo; bis 2 Mm. und da in jeder einzelnen 12 und mehr Scoleces sich entwickeln können, so ergibt sich von selbst, dasraquo;
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Ecliinococcus polymoi-plivis.
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diese sehr klein sein müssen. Au einer einzigen Echinococcusblaae können so viele Tausende Scoleces sprossen. Daher erklärt es sich, dass die T. Echinococeus bei Hunden öfter in unzähligen Massen an-
Fisr. 21.
Eulilnocoecusköpfclieu mis den Dnitkai)Keln , A mit ansgentrecktem, B mit eingezogenem Vordorkopi'e, lüOmal vorgrossert. (Lenckart.)
getroffen wird. Was wir über die Entwicklung des Hülsenblasen-wurmes wissen, verdanken wir vorzugsweise Leuckart und Haubner. Letzterer wies namentlich bei Schweinen verschiedene Entwicklungs­stadien der Echinococcusblasen nach. Vier Wochen nach der Fütterung mit Eiern des dreigliederigen Bandwurmes fand er unter dem serösen Ueberzuge der Leber, viele kleine Bläschen, welche meist ca. 1 Mm. lang waren; 8 Wochen nach der Fütterung fand er in der Leber Bläschen von Vja Mm. Durchmesser und 19 Wochen nach der Fütte­rung nussgrosse Blasenwürmer, in welchen kleine Brutknospen und Ammen nachgewiesen wurden. Die Entwicklung des Hülsen-Blasen-
Fig. 22.
A Haken der Sclnvelnoflnne, B Haken von Euliiuococeus. 300fach vergrössert.
wurmes erfolgt somit langsam. Häufig findet man im Serum der Blase Brutknospen von der Grosse eines Hirsekornes und vereinzelte Ammen losgelöst umherschwimmen. Es soll dies ein Zeichen sein,
Pütz, Lehrbuch dor ansteckenden Thicrkrankheltcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
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Die Jicliindkokkenkninkheit des Menschen.
#9632;
einer Faust oder eines Kinderkopfes und sind in eine fibröse, der Niere angehörende Kapsel eingebettet. Sie können veröden oder platzen und im letzteren Falle ihren Inhalt nach innen oder nach aussen entleeren.
Die Diagnose eines Nieren-Echinococcus kann in der Regel nur dann gestellt werden, wenn Echinococcusbiasen, oder Theilstücke der­selben, namentlich Haken u. dergl., mit dem Harn entleert werden. Die im Vorlaufe der Entwicklung und des Zerfalls eines Nieren-Echinococcus auftretenden Krankheitserscheinungen, als nämlich: dumpfer Schmerz in der Nierengegend, unregelmässige, höckerige Geschwulst in derselben u. dergl. m. kommen auch bei Carcinom, Tuberculose und anderen Erkrankungen der Nieren vor. — Im Gre-hirn kommen Echinocokken beim Menschen nur selten vor ; sie bilden daselbst Blasen, welche von einer zarten Bindegewebshülle umschlossen sind. Nur ausnahmsweise erreichen dieselben eine bedeulendere Grosse, da der Tod des Patienten meist früher eintritt. Es kann aber auch durch den Parasiten das Schädeldach zum Schwinden gebracht werden und die stärker herangewachsene Blase nach aussen durchbrechen, oder in die Nasen- oder Augenhöhlen eindringen. Die Erscheinungen sind ähnliche wie bei anderen langsam wachsenden Geschwülsten in der Schädelhöhle, so dass die Diagnose nur dann sicher gestellt werden kann, wenn eine Probepunction möglich ist. — Auch im Herzmuskel sind beim Menschen Echinococcusbiasen beobachtet worden.
Von einer Behandlung der Echinokokkenkrankheit des Menschen kann nur dann die Rede sein, wenn die Diagnose sicher gestellt und der Parasit auf operativem Wege entfernt werden kann. In neuerer Zeit sind Leber-Echinokokken unter Anwendung der antiseptischen Wundbehandlung öfter mit gutem Erfolge radical operirt worden. Wo die Operation versäumt wird, oder nicht möglich ist, da soll die Krankheit in der Mehrzahl der Fälle innerhalb 5 Jahren, seltener erst in 15 bis 20 Jahren zum Tode führen; es sollen indess auch Fälle constatirt sein, wo Menschen 3U Jahre lang einen Leber-Echino-coecus beherbergt haben.
Bei der Section findet man in der Leber des Menschen (oder in anderen Organen) Echinococcusbiasen bald vereinzelt, bald in grosser Anzahl. Die Grosse derselben variirt zwischen einer Erbse und einem Kindskopfe. Die tiefer gelegenen und von Parenchym umhüllten Parasiten verändern die Form der Leber nur wenig, wäh­rend sehr grosse und oberflächlich gelagerte Hülsen-Blasenwürmer, welche die Leberoberfläche mehr oder weniger überragen, zu be-
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Die Ecliinokokkcnkraiililioit des Jlcnsclicn.
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deutenden Deformitäten des Organes qu. führen können. In diesen Fällen ist der Bauchfellüberzug der Leber über der Cyste meist an­sehnlich verdickt und mit der Nachbarschaft mehr oder weniger fest verwachsen. Ist die Zahl der Parasiten gross und ihr Umfang be­trächtlich, so ist das Leberparenchym in entsprechendem Verhältnisse geschwunden.
Nicht selten sind die Blasenwürmer abgestorben, ihr Inhalt trüb, fettig und schliesslich in eine schmierige oder zähe Masse verwandelt, in welcher gewöhnlich noch einzelne Haken angetroffen werden.
Beim Menschen werden umfangreiche Abschnitte der Leber bei der Section zuweilen in eine eigenthümliche Geschwulstmasse ver­wandelt angetroffen, welche in neuerer Zeit als eine besondere Form von Leber-Echinokokkenkrankheit erkannt worden sind; bis dahin waren dieselben für Alveolarcarcinome gehalten worden. Nach dem Vorschlage Virchow's hat man diese Echinococcusform als „multi-loculäre Echinokokken-Geschwulstquot; bezeichnet. Wahrscheinlich han­delt es sich hier nicht um eine besondere Spezies des Hülsen-Blasen­wurmes, sondern um eine besondere Art seines Wachsthumes, welche nach Küchenmeister folgende sein würde: Nach der Einwanderung eines Echinococcus-Embryo's entsteht die multiloculäre Form des Blasenwurmes, wenn sich um den Parasiten keine Bindegewebskapsel bildet, oder wenn dieselbe, bevor sie derb und widerstandfähig ge­worden ist, von dem Parasiten durchbrochen wird. Da letzterer in einem solchen Falle nach allen Richtungen unbeschränkt fortwachsen kann, so breitet er sich besonders dahin aus, wo er den geringsten Widerstand findet. Ist er bei oder nach seiner Einwanderung in das eine oder andere Canalsystem der Leber gelangt, so kriecht er inner­halb desselben weiter und kann schliesslich dasselbe ganz ausfüllen. Im Inneren solcher Echinokokkengeschwülste sind Höhlen vorhanden, welche auf Durchschnitten an die Lücken erinnern, wie man sie bei gut ausgebackenem Brode antrifft. Dieselben sind mit gallertigen Massen erfüllt, in welchen man die Echinokokkenmembran mit zahl­reichen kleineren und grösseren Kalkeinlagerungen durchsetzt antrifft. Nach längerem Suchen gelingt es quot;auch meist, Hakenkränze oder Trümmer derselben aufzufinden; vollständige Scoleces werden in den­selben nur selten angetroffen. Noch seltener findet man in der Pe­ripherie der Geschwulst Blasen, welche an ihrer Innenfläche mit gut erhaltenen Scoleces besetzt sind. Bis zum Jahre 187G waren beim Menschen 35 Fälle von Echinococcus multilocularis mitgetheilt. (S. Heller Invasionskrankheiten in v, Ziemsen's spez. Path.etc. Leipzig 1876. S. 327.)
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EollinOOOOOUS multilocularis.
Die Diagnose dor multiloculären Echinokokkenkrankheit macht in der ßegel noch mehr Schwierigkeiten, als die vorhin beschriebene gewöhnliche Leber-Echinokokkenkrankheit. Jone Form des Leidens
Flglaquo; 23.
i.
:,
Eine Partlo der Sflmltttliu-lic eines kindskopfg^oflseu multiloculären Leljor-Echluoeocous iu ua-türlii-hor Grosse uaeh oinein Präparate iler Giessoiicr Summlung von Br. Zldslng gezeiclmot. Die grauen gewundenen Züge stellen die gallortartlgoii Massen vor, die hellen Parthleen dazwischen das noch orlialteno, fettig dogenerirtc etc. Letinrgewebo. In der Mitte nach rechts eine lileiue UlceratioiiHhölde mit stark galliger Mrhung der Ränder, links liegt von darber Dlndegeweb.s-wnchernng umgrenzt eine Partie, die vollständig das Aussehen collolder Geschwülste hat und stellenweise ordentliche lillrtuug kleinerer Cysten zeigt.
1;
ist selbst in ihren späteren Stadien von anderen Lebergeschwülsten nicht sicher zu unterscheiden. Nur dann, wenn Gelbsucht vorhanden ist, welche beständig zugenommen und schliesslich eine bedeutende Höhe erreicht hat, kann man Verdacht auf multiloculäre Echinokokkeu-krankheit schöpfen, wenn die Leber im weiteren Verlaufe der Krank­heit uneben und höckerig wird. Jede Behandlung dieser Krankheits­form bleibt ohne günstigen Erfolg; sie führt schliesslich auf die eine oder andere Art den Tod herbei.
b) Die E chinokokkenkraukheit der Wiederkäuer (und des Schweines).
Nur sehr selten kann diese Krankheit bei fraglichen Hausthieren während des Lebens mit einiger Sicherheit diagnosticirt werden.
Beim Rinde entwickelt sich der Hillsenblasenwurm vorzugsweise in den Lungen und in der Leber. In jenen verursacht der Parasit, namentlich wenn er in grösserer Anzahl vorhanden ist, oder wenn einzelne einen bedeutenden Umfang erreichen, einen anfangs seltenen, später häufig wiederkehrenden, rauhen Husten. Dieser fehlt in der
! raquo;#9632;
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Die EclüiiokokkenUrnnldK.'it der Wiederkäuer etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7]
Rögel ganz, wenn nur die Leber oder ein anderes Organ von Echino­kokken durchsetzt ist, während die Lungen vollkommen frei sind, oder nur einzelne kleine Blasen beherbergen. Wenn aber das Lungen­gewehe in grosserem Umfange durch Echinococcusblasen verdrängt wird, so wird das Athmon allmählich beschleunigter, wozu Abmagerung, Harthäutigkeit und Sträuben des Haares hinzutritt, während Fresslust und Milchergiebigkeit noch lange Zeit hindurch fortbestehen können, (regen stärkeres Anklopfen (Percutiren) an die Brustwand pflogen die mit Lungen-Echinokokken behaftete Rinder meist empfindlich zu sein, was sie durch Ausweichen und Stöhnen zu erkennen geben. — Die Athemgeräuäche sind verstärkt, rauh und mit fremdartigen Geräuschen, Schnurren, Griemen u. s. w. untermischt.
Leber-Echinokokken verursachen in der Regel keine erkenn­baren Erscheinungen; Verdauungsstörungen und Gelbsucht werden wohl als solche angeführt, können aber bei Lebzeiten nie als charac-teristische Symptome für Leber-Echinokokken verwerthet werden.
Sind die Zerstörungen, welche diese Parasiten in den betreffenden Organen anrichten, bedeutend, so tritt, meist erst nach jahrelangem Siechthum, Fieber und damit Abnahme der Fresslust und eventuell der Milchergiebigkeit ein, worauf die Patienten bald zu Grunde gehen, wenn sie nicht vorher abgeschlachtet werden.
Sitzen Echinococcusblasen im Herzen, so kann durch Platzen derselben plötzlich der Tod eintreten, dessen Ursache dann erst bei der Section erkannt wird. — Ergiessen Echinokokkenblasen ihren Inhalt in eine seröse Höhle, in die Bauch- oder Brusthöhle, so pflegt eine Entzündung des Bauch- resp. Brustfelles einzutreten, welche meist nach kurzer Dauer den Tod des Patienten zur Folge hat.
Die Sectionserscheinungen ergeben sich aus dem vorhin Gesagten von selbst. Auch beim Rinde ist einige mal eine multiloculäre Echinokokken-Geschwulst in der Leber angetroffen worden. Zuerst hat Huber einen Fall beschrieben und zwar im Jahrbuch der natur-forschenden Gesellschaft zu Augsburg 18(31; dann beschrieb Bellinger (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin 2. 1875 S. 109) 3 weitere Fälle.
Bei Schafen gestalten sich die Krankheitserscheinungen ähnlich wie beim Rinde. — Schweine werden in der Regel geschlachtet, bevor Krankheitserscheinungen wahrgenommen wurden.
Die Prognose ist selbst dann, wenn die Krankheit mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit diaguosticirt werden kann, absolut ungünstig.
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Die Baiulwurmseuche der Lümmer.
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Von einer Behandlung der Echinokokkonkrankheit ist bei un­seren Hausthieren niemals Nutzen zu erwarten.
Um so mehr verdienen die Vorbeugungsmassregeln Beachtung. Alle Echinococcusblasen müssen (ebenso wie andere Blasenwllrmer) gänzlich zerstört werden, damit aus denselben sich nicht wieder die Taenia Echinocoecus entwickeln kann, durch welche ja neuerdings der Samen für die Echinokokkenkrankheit des Menschen und unserer Hausthiere ausgestreut werden würde. Das Verfüttern von Echino­coccusblasen enthaltenden Organen an Hunde, wie dies von Flei­schern, Schäfern, Hundefuhrleuten und Anderen noch so häufig ge­schieht, sollte gesetzlich streng verboten werden, weil dadurch die bedenklichsten Gesundheitsstörungen beim Menschen und bei unseren Hausthieren vermittelt werden können.— Der vielgestaltige Hülsenwurm ist bis jetzt ausser beim Menschen bei Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen, auch bei Affen, Dromedaren, Gemsen, Antilopen, Hirschen, Giraffen, Pferden, Eseln und Zebra's, Eichhörnchen, Kän-guruh's und mehreren katzenartigen Thieren gefunden worden, v. Sie­bold hat ihn auch beim Truthahn gesehen; sonst ist er bei Vögeln noch nicht beobachtet worden (Heller 1. c. S. 328 u. 329). Die geographische Verbreitung dieses Blaaenwurmes, und der Echinokokken­krankheit ist vorzugsweise von der Verbreitung des Hundes abhängig. Obgleich auch beim Wolfe und vielleicht auch noch bei anderen Fleischfressern die Taenia Echinocoecus vorkommt, so ist dies doch für die Verbreitung der Echinokokkenkrankheit ohne besondere Be­deutung.
4. Die Bandwurmseuche der Lämmer.
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Diese Krankheit wird durch „Taenia expansaquot; bedingt und herrscht in manchen Herden zeitweilig so verbreitet, dass sie grössere Verluste herbeiführen kann. In Rede stehender Bandwurm ist unbewaffnet und seine Jugendform (Blasenwurmzustand) unbekannt. Wie der Name es ausdrückt, besitzen die Glieder der Taenia expansa (des ausge­breiteten Bandwurmes) einen verhältnissmässig bedeutenden Quer­durchmesser, so dass dieselben immer und überall breiter als lang sind. Dieser Bandwurm bewohnt den Darm der Schafe (und Ziegen), seltener des Rindes; er erreicht eine Länge von '/a bis 00 Meter, letztere jedoch nur beim Rinde, bei dem seine ganze Entwicklung grössere Dimensionen annimmt. Bei Lämmern kommt er hingegen in grösserer Anzahl, manchmal in ganz bedeutender Menge vor und
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1
Die Baiidwimmeudie der Lümmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 73
verursacht dann Verdauungsstörungen, welche Abmagerung, Bleich­sucht, Verkümmerung der körperlichen Ausbildung und schliesslich den Tod zur Folge haben kann.
Im ersten Stadium der Krankheit ist der Appetit meist gut, der Durst sogar vermehrt. Später stellen sich Unregelmässigkeiten im Wiederkauen und periodische Kolikanfalle ein; der Kothabsatz wird verzögert und in Folge dessen der Hinterleib aufgetrieben. Man kann dann die angesammelten Kothmassen durch die Bauchdecken hindurch fühlen, wenn nicht eine zu starke Aufblähung dies verhindert. Wird Koth abgesetzt, so ist derselbe bis gegen das letzte Stadium der Krank­heit hin meist breiig, schliesslich aber wird er flüssig und hierdurch die Abnahme der Kräfte des Patienten, so wie das Herannahen des tödtlichen Endes beschleunigt.
Diese Erscheinungen reichen für sich allein nicht aus, um auf dieselben eine sichere Diagnose gründen zu können, da sie auch bei anderen Zuständen angetroffen werden. Alle Zweifel werden indess beseitigt, sobald man die verhältnissmässig kleinen Proglottiden ab­gehen sieht, resp. im Kothe der Patienten, oder bei der Section eines geschlachteten oder gestorbenen kranken Schafes die Bandwürmer findet.
In seuchenartiger Ausbreitung kommt diese Krankheit vorzugs­weise in Regenjahren und zwar besonders in nassen Weiden-Revieren vor; sie wird aber auch zuweilen bei ausschliesslicher Stallfütterung beobachtet.
Die Vorhersage ist bei frühzeitiger Erkennung des Uebels der Regel nach günstig, da die Parasiten durch den Gebrauch geeigneter Arzneimittel ziemlich leicht und sicher abgetrieben werden können, worauf die Beseitigung der noch unbedeutenden Ernährungsstörungen meist bald zu erzielen ist.
Die Behandlung besteht in der Verabreichung wurmtreibender Mittel und in einer entsprechenden Regelung der Diät. Aetherisch-ölige, aromatisch-bittere und andere Wurmmittel können eine zweck-mässige Verwendung finden. Am Abend vor Verabreichung des Arzneimittels entzieht man den Patienten das Futter, reicht am nächsten Morgen denselben nüchtern jedem Stück 15 Grm. Farrenkrautwurzel-pulver und am folgenden Morgen ein Abführmittel. Das ätherische Farrenkrautöl ist ein ganz vorzügliches Mittel, aber etwas theuer; man gibt dasselbe jedem kranken Schafe in Gaben von 3 bis 4 Gr. Nach etwa 8 Tagen kann mau diese Kuren einmal wiederholen und inzwischen und nachher Salzlecken, Rainfarrenkraut, Wermuth, Schaf­garben u. dergl. an die Patienten verabreichen.
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Hand- iiml Blasenwürnioi- verschiedener llausthiert
In Districten, in welchen die Bandwurmseuelio unter Lämmern öfter auftritt, können Spinola's Wurmkuchen als Vorbauungsmittel ab und zu verabreicht werden.
Bei der Section von Thioren, welche an der Bandvvurmkrank-heit gelitten haben, findet man die Lichtung des Darmeanales nicht selten durch fragliche Parasiten vollkommen verstopft. Auf die gründ­liche Vernichtung dieser Convolute, so wie der abgetriebenen Exem­plare und Bruchstücke (am besten durch Verbrennen) muss streng geachtet werden.
Bei unseren Haustlüeren kommen noch verschiedene andere Band- und BlascnwUrmer vor, welche keine so offenbaren Krankheitsznslände, als die bisher besprochenen, verursachen, Jedenfalls aber sind alle derartigen Parasiten,'na­mentlich wenn sie in grösserer Anzahl bei einem Individuum vorhanden sind, nicht absolut unschädlich. Es sollen deshalb die bis jetzt bei nnsern Ilansthieren gcl'undenen Band- und Bhisenwnrmer hier benannt und zum Theil kurz charnc-terisirt werden. So weit bis Jetzt bekannt, kommen vor;
a. B ei m P ferde :
Taenia plioata, der gefaltete Bandwurm; derselbe ist durch einen vier­eckigen, vorzugsweise starken Kopf (mit 4 Saugnäpfeu und ohne Hakenkranz) ge­kennzeichnet. Er erreicht eine Länge bis zu 1 Mtr. und ist nur in seltenen Fällen im Dänndarme des Pferdes angetroffen worden. Seinen Namen hat er durch die Zähnelung der beiden Seitenränder seiner Glieder erhalten. Diese sind in der Bütte der Colonie beträchtlich (0—8 mal) breiter als lang.
Taenia mnmillana, welche unbewaffnet ist und den Leer- und lltiftdann des Pferdes bewohnt. Länge 12 Mm., grösste Breite 4 Mm.
Taenia perfoliata (der durchwachsene Bandwurm, welcher im Dünn- und Dickdarme des Pferdes vorkommt und 20—80 Mm. lang wird. Die einzelnen Glieder sind breit (3—8 Mm.), aber immer sehr kurz und zum Theil übereinander geschoben. Der viereckige anbewaffnete Kopf ist sehr gross und mit 4 starken Saugnäpfen versehen.
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b.nbsp; nbsp; Beim Esel und seinen Bastarden scheinen keine Band- und Binsen wärmer vorzukommen.
c.nbsp; nbsp; Beim Rinde wurden gefunden;
Taenia expansa entwickelt sich beim Kinde so massig, dass man ohne nähere Vergleichung ein derartiges Exemplar einem solchen der kleineren Wieder­käuer (Schaf und Ziege) als gleichartig kaum zugesellen würde. Dieser Band­wurm besitzt an jedem Gliedc 2 Geschlechtsöffnungen, die an den beiden Rän­dern einander gegenüberstellen und deutlich hervorspringen.
Taenia denticulata mit verluiltnissmässig kleinem Kopfe, ohne Hakenkranz, wird bis gegen 400 Mm. lang und seine Glieder bis zu 25 Mm. breit. Der hintere Hand der einzelnen immer kurzen Glieder ist gezähnelt, weshalb dieser Parasit, der den Darm des Rindes bewohnt, „gezähnelter Bandwurmquot; genannt worden ist.
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Band- mul ülasemviiniier verschiedener Hiiustldere.
75
Cystieemis teniüeollis, Cysticercus e Taenia snginnta (Kidbsfinne) Ecliino-coccus polymOl'phus und Cocmirus cciebralis.
d. lieim Sciiafe;
Taenia cxpansa,
Cysticercus tenuicollis, Cocmirus cerebralis und Echinococcus polymorplms.
6, B e i d e r '/ i c g e;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
Taenia cxpansa,
Cysticercus tenuicollis und Echinococcus polymorphus.
f.nbsp; nbsp; nbsp;Bei m Schweine
ist meines Wissens bis jetzt kein Bandwurm gefunden worden. An Blasen-würmeru wurden bei dcnisclben nngetroll'en:
Cysticercus tenuicollis und cellulosae, sowie Echinococcus polymorphus.
g.nbsp; nbsp; nbsp;B e i d e r K n t z e ;
Taenia crassicollis, welche an dem verhältnissmässig sehr dicken Halse leicht zu erkennen ist. Dieser bewaffnete Bandwurm wird bis zu 400 Mm. lang. Der zu demselben gehörige Blasenwurm ist der Cysticercus l'asciolaris (S. Fig.7), welche durch eine lange Reihe unreifer Glieder sich auszeichnet, dessen letztes die Sclnvanzblase trägt. Dieser Blasenwurm bewohnt vorzugsweise die Leber der Mäuse.
Taenia elliptica besitzt einen doppelten Geschlechts-
apparat und in der Mitte beider Bänder eines jeden Gliedes
Fig. 24.
je eine Gesehleclitsöfl'nung. Sie ist mit etwa 00 Haken be­waffnet, wird bis 2ö0 Mm. lang, während ihre Proglottiden etwa 2 Mm. breit sind. Nach Leuckart's neuerer Ansicht (s. dessen Parasiten des Menscben, Leipzig 1881 S. 844 u. folg.) ist Taenia elliptica von T. cueumerina nicht verschieden.
Taenia semitercs und Taenia canis lagopodis haben für uns ein geringes Interesse.
Bei der Katze wurde an Blasenwürmern Cysticercus cellulosae im Bindegewebe (unter dem Schulterhlatte) und ein Coenurus (speeinlis?) in der Leber gefunden.
Ausserdem kommt bei Katzen aucli zuweilen ein Gru­benkopf vor; diese Bandwurmnrt wollen wir später noch kurz kennzeichnen.
h. Bei Kaninchen und Hasen:
Geschlechtsreifos Glied
Von Taenia elliptic^.
(Nach Lcuckai't.)
Taenia pectinata,
Cysticercus pisiformis und clongatus und ein Coenurus (spocialisV).
Unter allen unseren Hausthieren ist es der Hund, welcher zur Verbreitung von Invasionskrankheiten am meisten beiträgt. Bei demselben kommen viele verschiedene Arten Bandwürmer vor. Ausscr den früher bereits besprochenen beiden Arten (Taenia Coenurus und T. Echinococcus) finden wir in Deutschland und In anderen europäischen Continentalstaaten beim Hunde nicht selten Taenia marginata, serrata und cueumerina.
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7(5nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Gi'iibenköpfa (Botriooephalen)f
I
Die Tncnia niiivginata (dor geränderte Bandwarm) ist bewaffnet und von allen im Humlediirmo vorkommenden Baildwürmern der längste und breiteste. Die einzelnen Glieder sind kurz aber breit, oft sehr feist; die Proglottiden etwa 10 — 14 Mm. lang und 4—5 Mm. breit. Die Länge der ganzen Colonie beträgt l'/a—3 Mtr., ausnahmsweise mehr. Der zu diesem Bandwurme gehörige Binsen­wurm ist der Cysticercus tennicollis (die dünnhalsige Finne), der in den serösen Höhlen •verscbiedoim' Hnusthiere und des Menschen, oft vereinzelt, oft aber auch in mehreren Exemplaren angetroffen \^ird. Die Schwanzblase wird nicht selten sehr gross (12 —15 Ctin. lang und fast ebenso breit). Obgleich diese Finne be-schuldijft worden ist, selbst in geringer Anzahl lileicbsucht, Abzehrung und Tod verursachen zu liönncn, so fehlt es hierfür doch bis Jetzt an genügenden Beweisen.
Die Taenia sorrata (der gesägte Bandwurm) bat ihren Namen von der sägeartigen Form ties Tlnerstockes. Der scbmälere Vorderrand der einzelnen Glieder setzt sich so an den breiteren Hinterrand des zunächst nach vom ge­legenen Gliedes an, dass dadurch die, Ränder Sägeälndich gezackt erscheinen.
i'
Dieser Parasit erreicht eine Länge von ca. '/j bis höchstens 1 Meter. Die Pro­glottiden sind etwa 8—10 Mm. lang und 4—5 Mm. breit.
Zu dieser Taenia gehört die erbsenförmige Finne (Cysticercus pisiformis), die bei Hasen and Kanineben, bei ersteren oft in grosser Menge In der Leber und in den Lungen , wie an serösen Häuten angetroffen wird. Derartige Hasen werden von Jägern Irrigerweise häufig für venerisch gehallen.
Bei Kaninchen kommt diese Finne sehr häufig in Gruppen von 3—5 Stück in der Bauchhöhle vor.
Die Taenia cacumerina ist durch kiirbiskornähnliche, verhältnissmiisslg
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lange und schmale Glieder, so wie durch eine röthlicbe Färbung ihrer Proglot-
tiden gekennzeichnet, Sie ist bewaffnet und erreicht eine Länge von 250 Mm. Jedes Glied hat zwei auf die beiden Seitenränder vertheilte GescblechtsölVnungeu. inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Vorstufe dieses Parasiten ist ein sogenanntes Cysticercoid, welches in
der Leibcshöhle der llundelaus sich entwickelt.
Aussei' diesen Tänien sind bei Hunden in verschiedenen Ländern noch folgende Bandwürmer angetroffen worden:
Taenia serialis, die als Blasenwurm (Cysticercus serialis) eine Art Dreh­krankheit verursachen soll.
Taenia canis Ingopodis und verschiedene Grubenköpfc, nämlich Botrlo-cephalus latus, serratns, cordatus und Casus.
Blrtsenwürmer sind hei Hunden im Ganzen sehr selten; bis jetzt hat man nur die Sclnveinfinne zuweilen bei dieser Thiernrt angetroffen.
II. Die Gnibenköpfe oder Botriocephnlen.
Die. zu dieser Gruppe gehörigen Bandwürmer haben für uns im Allge­meinen ein geringeres Interesse, insofern sie bei Thieren im Ganzen eine weniger bedeutende Rolle spielen, als die Blasenbandwürmer. Die Gnibenköpfe sind zu-näcli^t durch einen weniger deutlich abgesetzten Kopf mit 2 spaltförmigen Saug-grnben (Fig. 25) and durch eine beträchtliche grössere Breite als Länge ihrer Glieder, so wie durch eine bauchständige GeschlechtsölTnung an den Proglottiden gekennzeielmet. Gegen das Ende der Colonie nehmen die Glieder an Breite ah (Fig. 20), so dass sie schliesslich eine mehr quadratische Form besitzen. Rostellnm
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Gnibenküplc (Botrioeeiilmleii).
77
und Hakenkranz fehlen immer. Dio Elei' sind (Flg. 27) oval und mit einem nuf-springenden Deckel versehen. Der Embryo besitzt 6 Haken und ist bereits inner­halb iles Eies mit einem Flimmerklvide bedeckt (Fig. 28). Gelnngeu die Larven ins Wasser, so bewegen sie sich, indem sie mittelst der langen Flininierhaiirc um
Flff, 26.
Kopfende von Botriücephalus Intus. Vergr. 8. (Naob Ijouckavt.)
Fig. 27.
Ei von Sotrlocephalufl latus. 860mal Tergrössert. (Heller.)
Fig. 28.
laquo;# miHh
Brnobstüoks von Botrlocephalna
latus In iintürlifhor Grössc. (Leuekurt.)
Flimmernder Embryo von BotHocophalUfl latus. Vergr. ÖDO. (Nach Lcuckal't.)
ihre Achse sich drehen. Nnch einiger Zeit wird das Flimmcrkleid abgeworfen #9632; bis dahin lebt die Larve im Wasser. Die Infection mit Botrioeephalenhrut erfolgt wahrscheinlich in den meisten Fällen durch das Trinkwasser, oder durch den Genuss von Wnssertlneren. Hierüber, so wie über die weitere Entwicklung der Larven zum Bandwurine herrscht noch ein tiefes Dunkel.
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78
Fruclitbai'koit der Bruidwürnu'r.
Der Uterus der Gnibeiiköplc ist ein eiiU'aeher, mehr oder wenig rosolten-lormig gewundener Ciiual (Fig. 29), nus dem die Eier meist vor nbgcsclilossener Kmlgt;ryoiu(leiit\vieklung liervortrelen. Die Ueimbereitenden üesclileclitsorgiine liefern stets neuen Nnebschub und bleiben bis zum Ende des Lebens bestellen. Die Segnientirung der Grubeidcüple ist weniger scharf und fehlt zuweilen (Fig. 30).
Fig. 29.
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Qosohleohtsrelfcs Glietl von Botrlolaquo;
ccphiilii-s latus etwa 4miil vergr. il Mümml. (T03fhlot'htsöflinmg, 1) liusctteiifürmigo llterussi'liiingoii, c u. (1 Keim-, i-osp. Dottördrüsoii.
Jlehroro (TÜodcr von
BotrlooepbaUu latus im
/.usiimmonliango.
Die Glieder lösen sich nie einzeln, sondern stets streckenweise und in grösserer Anzahl mit einander verbunden, und In längeren 'Zwischenräumen von der Co-lonie ab. (S. Fig. 26 u. 80.)
Finneuzustiinde scheinen bei dieser üandwurmart nicht vorzukommen, doch findet sich in einzelnen Fällen am Hinlerrande des Larvenkdrpers ein Anhang, der nach seinei'Genesis der Schwauzblase der Finiien gleich gestellt werden kann.
m.
BM1:
Im Allgemeinen wird das .Schicksal der Kamlwürmer und ihrer Brut in hohem Grade vom Zufalle bestimmt, Von vielen Millionen Bnndwiirmkeimen-gelangen nur einzelne zur vollen Entwicklung, weil es nur bei wenigen zutrifft. dass sie zur rechten Zeit in entwicklungsfähigem Zustande an einen ihrem Fort­kommen gedeihlichen Ort gelangen. Dem enormen Verluste an liandwiirinbrut. der durch die Laune des Zufalles bedingt wird, entspricht nun allerdings eine eben raquo;o grosso Fruchtbarkeit. Essoll dies hier an einem uns bekannten Beispiele etwas näher veranschaulicht werden.
Jedes reife Glied der Taenia solium besitzt einen Gebärmutterraum von eu. 0 Cub.-Mm., in welchem, den Durchmesser eines Eies zu 0,00 Mm, gerechnet, 53000 Eier enthalten sind. Bei günstigen Verhältnissen kann ein Einsiedler-bandwurm täglich 5 bis 6 Proglottiden abstossen. Nehmen wir aber an , dass er jährlich nur 750 reife Glieder absetze, und dass die durchschnittliche Lebens­dauer eines Bandwurmes nur 2 Jahre betrage, so producirt dieser Parasit 1500 Glieder mit je 53000 Eiern, in Summa 85 Millionen Eier.
Gelangt von diesen 85 Millionen Bandwurmeiern auch mir eins wieder zur vollen Entwicklung, so bleibt die Zahl der Cestoden sich gleich.
Es sei hier noch bemerkt, dass auch für die übrigen Eingeweidewürmer ähnliche Verhältnisse bestehen. Wenn die Eier derselben nur zum zehnlen Tbeilc zur vollen Entwicklung gelangten, so würden sehr bald alle Thicrarten, welche Wirthe von Eingeweidewürmern sind, von denselben so vollgepfropft sein, dass dadurch Ihr Untergang und damit auch der Untergang fraglicher Parasiten selbst unabwendbar wäre.
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i #9632;
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•n
Trematoden oder Saugwttrmer,
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Schlicsslich sui nouli bemerkt, class der Mensch seine BimdwiirnuT zum grossen Tlieil (lurch Vermittlung von Tluercn erhält. Bei demselben kommen vor: Taenia soliuni, T. saginnta,
T. elliplica. T. cuenmerina,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
T. nana und T. llavopnnctata. Botrioeephalns latns und cordatns.
An Illasenwünnern wurden gel'nnden : Eelünococcus polymorphus, Cysticercus oellulosae, tenuictdlis und neanthotrias (specialis).
B. Die Trematoden oder Saugwürmer.
Die Saugwürmer kommen als Ento- und Ecto-Parasiten vor. Sie bilden zungen- bis blattförmige, selten langgestreckte, cylindrische oder geringelte Würmer mit 1, 2 oder mebr bauebständigen Saug-näpfen, Sie besitzen einen gabeligen, mancbmal baumförmig ver­zweigten Darm ohne After; bei einzelnen hierhin gehörigen Thieren fehlt auch der Darm. Sie besitzen ferner 2 Wassergefässe mit ge­meinschaftlicher Ausleerungsöfthung und ein doppeltes, auf dem Schlünde liegendes Nervencentrum, ein sogenanntes „Ganglionquot;. Fast alle Saugwürmer sind Zwitter; ihre Entwicklung findet entweder mit einfacher* ^Metamorphose, oder mit einem mehr odor weniger compli-cirten Generationswechsel statt. Die äussere Leibeswand wird von einer Cuticula gebildet, die sich manchmal in schuppen- oder stachel­artigen Fortsätzen erhebt, welche entweder die Form einer Nadel, oder einer Lanze haben. Bei einigen Trematoden bildet die vorderste Reihe dieser Stacheln eine Kopfbewaffnung, welche an den Haken­kranz der Bandwürmer erinnert. Diese Apparate dienen der Sicherung der Fortbewegung. Unter der Cuticula liegt eine Körner- oder Zollen-schicht, auf welche der Muskelschlauch folgt, der viel stärker ent­wickelt ist, als bei den Cestoden. Er besteht aus einer doppelten Ringfaserschicht und aus einer Längsfaserschicht; letztere liegt zwi­schen der inneren und äusseren ringsförmigen Lage.
Unter dem Hautmuskelschlauche liegt Bindegewebe, in welches die Körperorgane eingebettet sind. Die Zahl der Saugnäpfe, ihre Form und gegenseitige Lagerung ist sehr verschieden; dieselben dienen als Haftapparate. Im vorderen Saugnapfe liegt gewöhnlich die Mund­öffnung, auf welche ein muskulöser, oft kugeliger Schlundkopf folgt. Aus diesem geht die kurze Speiseröhre hervor, die sich in zwei Darm­schenkel tbeilt, welche in der Regel beide blind endigen, seltener bogenförmig in einander übergehen. (S. Fig. 17.)
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Trematoden oder Saugwürmer.
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Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einer Keimdrüse, die meist kugelig ist und hinter den Hoden liegt; ferner aus 2 Dotter­säcken, welche verästelte Schläuche an den Seitentbeilen des Körpers bilden. Der Uterus stellt einen langen, vielfach gewundenen Schlauch dar, der mit einer Scheide nach aussei! mündet. — Die männlichen Greschlechtsorgane bestehen aus 2 kugeligen, röhrenförmigen, oder lappigen Hoden, deren jeder ein Samengefäss besitzt, die beide in eine gemeinschaftliche Samenblase münden. Aus dieser geht ein Aus-tührungsgang hervor, der in den Cirrhus überführt.
Die Oeffnungen der beiden Geschlechtsapparate liegen in der Medianlinie bauchständig, neben oder hinter einander. Bei einigen cxistirt ein Verbindungscanal von einem Hoden zum Uterus, wodurch möglicherweise eine Selbstbefruchtung stattfinden kann. Die Eier treten in verschiedener Zahl und Grosse auf; sie sind hartscbalig, von verschiedener Form (spindelförmig, kantig, dreieckig), oft mit Seiten­anhängen und mittelst langer Stiele an fremde Gegenstände befestigt. Eine einzige Art der bis jetzt näher gekannten Trematoden, nämlich der „Gyrodactylus elegansquot;, gebiert lebendige Jungen, die durch Knospung, also auf ungeschlechtlichem Wege, im Inneren der Mutter entstehen, Aus den Eiern kriechen nach einiger Zeit Larven aus, welche eine sehr verschiedene Form haben. Aus denselben entwickeln sich sog. Iledien oder Sporocysten. In letzteren entstehen durch Knospung manchmal Tochterschläuche, in beiden Fällen aber bilden sich im Inneren der Schläuche der Regel nach Redien oder Cercarien, zu­weilen kommt auch eine Quertheilung derselben vor.
Die Cercarien sind sehr Ideine, geschwänzte, selten 1 Mm. grosse Thierchen, welche meist eine blattförmige, ovale Gestalt haben. Der Schwanz derselben ist sehr beweglich und manchmal getheilt (Furcocerke). Mittelst desselben schwimmen die ausgewanderten Cer­carien im Wasser frei umher. Später wird der Schwanz abgeworfen, womit das Thierchen das Ansehen eines Distoma erlangt. So wan­dern die betr. Individuen in Wasserschnecken ein, in welchen sie sich einkapseln. In diesem Zustande durchleben sie eine Art Puppen­schlaf, während dessen sich allmählich die Geschlechtsorgane ent­wickeln. Manche Cercarien kapseln sich an Pflanzen ein. Auch gibt es Sporocysten oder Redien, welche schwanzlose Cercarien erzeugen, die sich nach ihrer Einwanderung in geeignete Wohnthiere ebenfalls einkapseln. — Als Redia bezeichnet man ein geschwänztes Thierchen, welches im hinteren Theile einer Distoma-Larve aus Dotterresten entsteht, mit Mund, Schlund und einer Brutöffnung versehen ist. So-
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Die LeborcgelUrauldioit der Schale etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gj
bald ein solches Thier seine Ausbildung vollendet hat, wirft die Larve das Flimmerkleid ab und jenes wird frei.
Die Trematoden sind Parasiten; jedoch leben die Larven vieler derselben vorübergehend frei im Süsswasser. Man unterscheidet zwei Unterordnungen, von denen die erste „Digeneaquot;, die zweite „Mono-geneaquot; bezeichnet wird. Zu jener gehören entoparasitische Saug-würraer mit zahlreichen, kleinen Eiern und mit langem Entwicklungs-cyclus, der meist mit einem Generationswechsel gepaart ist. Zu dieser Unterordnung gehören die uns hier besonders interessirenden Trema­toden. — Zur zweiten Unterordnung gehören Saugwürmer, welche grosse, oft eckige Eier beherbergen, deren dicke Schalen in hörner-oder fadenartige Anhänge ausgeht, welche oft gestielt, oder festsitzend sind. Die Saügwürmer dieser Unterordnung leben als Ectoparasiten auf der Haut und auf den Kiemen von Fischen, Crustaceen und an­deren Wasserthieren.
Die Unterordnung Digenea zählt folgende 3 Familien:
1)nbsp; nbsp;Monostomida: mit einem Saugnapfe, der nahe am vorderen Ende des Körpers steht und die Mundöffnung einschliesst.
2)nbsp; Amphistomida: mit je einem Saugnapfe am vorderen und hinteren Körperende, wovon der letztere auffallend gross ist.
3)nbsp; nbsp;Distomida: mit einem Saugnapfe am vorderen Körperende und mit einem zweiten ventralen, der in verschiedener Entfernung vom ersten, jedoch nie am hinteren Ende des Körpers sitzt. Hierhin gehören die sogenannten Leberegel, welche die Lebert^elseuche des Schafes verursachen.
5. Die Leberegelkrankheit (Fäxde) der Schafe.
Dieselbe kommt als Herdekrankheit nur bei Schafen, vereinzelt in seltenen Fällen auch beim Rinde vor. Sie wird verursacht durch zwei verschiedene Arten von Distomen oder Doppellöchern, welche sich zunächst durch auffallende Diiferenzen in der Körpergrösse unter­scheiden. Wir wollen dieselben hier so weit besprechen, als es für die richtige Beurtheilung der Leberegelkrankheit erforderlich ist.
Distoma hepaticum ist blattförmig oval, bis 28 Mm. lang, höch­stens 12 Mm. breit. Die Oberfläche des Körpers ist mit schuppen-förmigen Stacheln besetzt, welche in alternirenden Querreihen stehen; dem unbewaffneten Auge erscheint die Oberfläche punktirt. Der Vorderkörper ist dicker als der Hinterkörper. Die Saugnäpfe sind klein und nicht weit von einander entfernt; zwischen beiden liegt die
Pütz, Lehrbuch der austockendon Thlerkrankheiton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;6
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Distoma hepiiticnm.
Geschlechtsöffnung. Die Keimdrüse ist ein Schlauch mit hirschgeweih-artigen Fortsätzen. Die knäuelförmig gewundenen Uterusschläuche sind von dunkler Farbe, die ovalen Eier mit Deckel versehen. Die Larve iat conisch und besitzt ein Flimmerkleid, einen Stirnzapfen und einen kreuzförmigen Pigmentfleck auf dem vorderen Drittheile des Körpers.
Fig. 81.
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Fig. 32.
Fig. 33.
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El von Distoma liepatl-
eutn, 350mal vergrossert.
(Hollor.)
Embryo von Distoma hopatioum
während der
Sclnviinml)eweguiig,
ca. 40l)mal vergr.
(Leuckart.)
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Distoma Uopaticum mit Sang-näpfcn, so wie mit männlichom n. weibliclu'm Gesclilechtsapparat. Ltipeuvergrosserung. (Leuekart.)
Das Distoma lanceolatum ist dünn und lancettförmig, 8—9 Mm. lang, und 2 bis 2lJ2 Mm. breit; seine Oberfläche ist glatt und seine Saugnäpfe sind massig gross. — Der Embryo desselben ist birn- bis kugelförmig, nur seine vordere Hälfte wimpert; er besitzt einen Stirn-stachel. — Die Endmetamorphosen dieser beiden Distomen sind noch unbekannt, Sie bewohnen gemeinschaftlich die nämlichen Wirthe, wobei das Distoma lanceolatum in die engeren Gallengänge einzieht. Irrigerweise hat man dieses lange für eine Jugendform des Distoma hepaticum gehalten.
Nach Leuekart sollen die in Schnecken, Würmer u. s. w. ein-
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IMstoma lanoeolatum.
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gewanderten und dort eingekapselten Cercarien über 2 Jahre lebens­fähig bleiben. Auch an Sumpf- und Wasserpflanzen können sich diese Cercarien möglicherweise einkapseln, um so der Stunde zu harren, wo sie von einem geeigneten Wohnthiere aufgenommen werden. Von den Schäfern werden verschiedene Pflanzen, welche
Fig. 34.
in Wasserlachen oder Sümpfen wachsen, als „Leber-
egelkrautquot; bezeichnet.
Die Leberegel leben in den Gallengängen, manchmal auch im Darm, selten in der Hohlvene oder in anderen Venen, von wo aus sie in verschie­dene Körpertheile gelangen und dort zur Abscess-bildung führen können. Man hat dieselben bei vielen Thierarten gefunden, so beim Pferde, Esel, Schweine, Kaninchen, Eichhörnchen, Känguruh, Elephanten, vorzugsweise aber bei Wiederkäuern und bei Hasen.
Distoma hepaticum kommt besonders häufig beim Weidevieh im Inundationsgebiete der Narenta in Dal-matien, Distoma lanceolatum in Ungarn und zwar auch häufig bei Rindvieh vor. Beim Menschen werden beide Sorten von Distoma nur selten angetroffen.
Da der Aufenthalt im Wasser für die Keifung
der Distomen-Eier, so wie auch für die Cercarien
Distoma lanceolatum
Bedürfniss ist, so erklärt es sich leicht, warum diese jj^^ MflÄvefS!quot; Seuche iraquo;i nassen Jahrgängen in grösserer Ausbrei- (Leuckart.) tung herrscht als in trocknen. In manchen Bezirken verursacht sie so grosse Verluste, dass dadurch die Schafhaltung in bedenklichster Weise beeinträchtigt, oder ganz unrentabel gemacht wird. Auch werden Hasen und Hirsche zuweilen von der Leberegel-
Fig:. 35.
Fig. 36.
Uneutwickoltes El von Distoma
lanceolatum , .'ISOmal vergrös-
sert. (Heller.)
Freier Embryo von Distoma
lanceolatum, ca. 700mal vergr.
(Leuckart.)
seuche in grossem Massstabe heimgesucht; dies war z. B. im Jahre 1854 der Fall. Davaine zählt für dieses Jahrhundert 9 grosse Leber-
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Die Lelieregelkrankheit del' Schale etc.
egelopizootien unter den Schafen Frankreichs. In deii letzten von Davaine gezählten Jahrgängen 1853 und 1854 verloren manche Herden­besitzer in den inneren Departements 25 bis 750/i) ihres Bestandes an Schafen. In Elsass-Lothringen sind nach Zundel (La distomatose ou cachexie aqueuse du mouton, Strasbourg 1880) in neuerer Zeit ganz enorme Verluste durch die Leberegelkrankheit verursacht worden. Nach der Statistik vom Jahre 1873 soll in den Bezirken um Strass-burg ungefähr die Hälfte des ganzen Schafbestandes durch fragliche Krankheit zu Grunde gerichtet worden sein; für ganz Elsass-Loth­ringen schätzt er diesen Verlust auf nahezu ein Drittheil des ganzen Schafbestandes oder auf 1,150000 Frs. Nach Galignani sind die Verluste, welche andere europäische Staaten durch diese Krankheit erleiden, ebenfalls sehr bedeutend; so ist es in Eng­
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pi lit
Fig. 37.
land, in Deutschland, Italien, Oesterreich u. s. w.
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Die grossen Leberegel (Distoma hepaticum) verursachen schon in geringerer Anzahl die soge­nannte Fäule, als die kleineren (Distoma lanceo-latuin); diese werden oft bis zu 1000 Stück und mehr, jene bis zu 200 Stück in der Leber der Schafe an­getroffen. Ob die Cercarien der Leberegel vom Zwölffingerdarm aus durch den Gallengang oder auf einem anderen Wege in die Leber gelangen, ist zur
Zeit noch unentschieden. Dieaufgenommenen Cercarien
AuHgewachsenea Exomplar von Di­stoma hepaticum iu natürlicher ürösso.
(Leuckart.) Das uusgewachsene Distoma lauceula-tum ist beträcht­lich kleiner.
werden in etwa 3 Wochen geschlechtsreif. BUe Leber­egelkrankheit kommt vorzugsweise oder ausschliess-lich in solchen Gegenden vor, wo die Weiden öfter überschwemmt werden, oder aus anderen Gründen
wasserreich resp. sumpfig sind. Die Parzellen, aufweichen die Schafe „faulquot; gehütet zu werden pflegen, sind den Schäfern und auch wohl den Besitzern von Schaf­herden in der Regel bekannt. Hat ein solches Verhüten stattge­funden, so verursachen die Parasiten, wenn sie in grösserer Anzahl eingewandert sind, einen Reizzustand resp. eine Entzündung der Leber, wobei Blutüberfüllung der Leber und Blutungen in das Lebergewebe eintreten; es bildet sich ein chronischer Catarrh der Gallengänge aus, wobei es zur Atrophie des Leberparenchyms kommt, während die grösseren Gallengänge sich erweitern, indem ihre Wandungen sich erheblich (5—6 Mm. stark) verdicken, verknorpeln und verkalken. Diese Vorgänge geben sich im Allgemeinen durch folgende Krank­heitserscheinungen zu erkennen:
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Die Lebcrt'gdkraiiklit'it delquot; Schale etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 85
Mattigkeit, Verlust der früheren Munterkeit, Zurückbleiben hinter der Herde, Verminderung der Fresslust, unregelmässiges Wiederkauen, Steigerung des Durstes. Diese Ersclieinungen nehmen allmählich zu, und nicht selten stellt sich auch Gelbsucht ein, indem die Abson­derung und der Abfluss der Galle durch die Veränderungen in der Leber bedeutend gestört wird. Die Patienten werden gegen Druck auf die Lebergegend allmählich empfindlicher, die sichtbaren Schleim­häute sind blass oder gelblich, ebenso die äussere Haut. Die Nick­haut des Auges quillt aus dem inneren Augenwinkel hervor. Die Wolle verfärbt sich, besitzt keinen Fettschweiss, lockert sich und ist weniger gekräuselt, als bei gesunden Thieren. Die Abmagerung und Schwäche nimmt stetig zu, die Patienten liegen viel, und können sich schliesslich kaum mehr vom Boden erheben. An verschiedenen Körper­stellen treten Oedeme auf, welche über Nacht abzunehmen pflegen, um im Laufe des Tages wiederzukehren. Der Bauch nimmt an Um­fang zu, indem sich Bauchwassersucht ausbildet. Oft stellt auch ein matter, krächzender Husten sich ein. Mit Eintritt resp. Steigerung des Fiebers nimmt der Durst zu, der Appetit verliert sich ganz, es tritt Durchfall ein und endlich der Tod. — Nicht selten kommen im Verlaufe der Krankheit Remissionen vor, denen stets eine bedeu­tende Verschlimmerung folgt, so dass man sich durch jene nicht zu Hoffnungen verleiten lassen darf, die sich hinterher als trügerische erweisen.
Bei der Section finden sich ausser den uns bekannten Erschei­nungen in der Leber Bleichsucht und Bauchwassersucht; Brusthöhlen-und Herzbeutel-Wassersucht ist seltener. Da das Leberparenchym oft ziemlich vollständig geschwunden ist, so glauben die meisten Schäfer, dasselbe sei von den Leberegeln aufgefressen worden.
Die Krankheitsursachen sind uns bereits bekannt. Das Auf­treten dieser Herdenkrankheit ist demnach meist die Folge einer un­verzeihlichen XJnkenntniss dessen, was jeder rationelle Viehbesitzer wissen soll und muss, oder sie ist die Folge einer unverzeihlichen Fahrlässigkeit oder gar von Böswilligkeit. Wo ein gänzlicher Mangel an guten Schafweiden vorhanden ist, da fehlen überhaupt die Be­dingungen einer verständigen Schafzucht. Schäfer, welche die Ent­stehungsverhältnisse der Leberegelkrankheit nicht näher kennen, können häufig der Versuchung nicht widerstehen, mit üppigem Gras bewach­sene Weiden zu behüten, selbst wenn sie auf denselben schon die Folgen des Verhütens erfahren haben. — Die kürzeste Frist, inner­halb welcher die Krankheit nach Aufnahme der Cercarien äusserlich
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Die SaiurwUrmei' versohledener Hnusthiere.
erkennbar wird, beträgt bei Lämmern und Jährlingen 1 bis 1 l/j, bei älteren Schafen 1'/a bis 2 Monate. Meist findet die Aufnahme des Krankheitskeimes im Sommer und im Herbste statt und zwar der Regel nach auf der Weide, möglicherweise aber auch im Stalle durch verunreinigtes Wasser oder Futter. — Die mikroskopisch kleinen Cercarien der Leberegel kennt man bis jetzt noch nicht genauer. — Wenn die Leberegel ihren Wirth nicht tödten, so sterben sie nach etwa 9 Monaten in demselben ab.
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[mGanzen kommen folgende Saugwiirmerbei unserenHausthlerenvor;
Beim Pferde: Distoma liepaticmu in der Leber.
Fig. 38.
Beim Rinde;
Distoma liepaticum und laneeolatum beide in der Leber und in der Gallenblase.
Ampbistoma conicum im Magen. Ampbistoma cruraeniferum im Wanste. AmphistOma explanatum in der Gallenblase und in den Gallengängen. Beim Schafe: Distoma liepalicum und laneeolatum beide in der Leber und in der Gallenblase.
Amphistoma conicum im Magen.
Bei der Ziege : Distoma liepaticum in der Leber und in der Gallenblase.
Amphistoma conicum im Magen.
Beim Schweine: Distoma liepaticum und laneeolatum in der Leber und |in der Gallenblase; letzteres auch im Darme gefunden.
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Beim Hund e:
Distoma haomiitobium s. Gynao-oophorua haematobiua Miiun-chen and Weibchen, letzteres im CimiUiH gynaecophorus ties erstcron: lOfjieh vergvössert. (Leuckart.) .,
Hemistoma alatum im Dünndärme.
Bei der Katze: Distoma [conns und laneeolatum in der Gallen­
':', \gt;'lt;
blase und in den Gallengängen.l Beim Kaninchen: Distoma hepaticumj [und laneeolatum in der Leber und in der Gallenblase, letzteres auch im Darmcanal. Monostoma leporis am Bauchfelle. ^
Einer besonderen Eigenthümlichkeit halber sei endlich noch eines Doppel­loches des „Distoma haemntobiumquot; s. „Gynaecophorus haemntobiusu hier gedacht, das im Blute namentlich der Fellahs und Kopten in Aegypten und Abessinieu sehr häufig, aber auch bei afrikanischen Allen angetroffen wird. Das Männchen ist 12—14 Mm. lang und besitzt eine Bauchrinne, in welche das 16—19 Mm. lange, schlankere Weibchen zum Theil eingeschoben ist. (S. obenstehende Figur 88.)
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Neumtodcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gj
C. Die Nematoden.
Unter den Nematoden gibt es verschiedene, welche Massen­erkrankungen von Menschen und Thieren verursachen können. Im Allgemeinen sind dieselben gekennzeichnet durch einen cylindrischen, faden- oder schlauchförmigen Leib, der nicht segmentirt, indess meist geringelt, zuweilen aber auch glatt ist. Die Geschlechter sind ge­trennt. Eine vorherrschend aus Chitinmasse bestehende Cuticular-schicht und ein darunter liegender Muskelschlauch bilden die Grund­lage des Körpers; blutf'ührende, so wie der Athmung dienende Or­gane fehlen. Ein Verdauungsapparat ist bei den Einen vorhanden, bei den Anderen fehlt derselbe; manchmal sind Nervenapparate nach­weisbar. Die Fortpflanzung erfolgt bald mit, bald ohne eigentliche Metamorphose. Oft aber müssen die unreifen Nematoden in einen anderen Wirth überwandern, um zur vollen Reife gelangen zu können.
Für uns sind von besonderer Wichtigkeit: 1) die Trichinen und 2) verschiedene Pallisadenwürmer.
I. Trichina spiralls.
Die Trichine besitzt einen vollständigen Verdauungsapparat, wie man denselben bei den wahren oder strongylusartigen Nematoden zu finden pflegt; sie ist eine durchaus parasitisch lebende Art, während einige andere Strongylusarten ganz frei leben. Jede Trichine durch­läuft 2 verschiedene Lebenszustände, deren einer im Darme, der an­dere in den Muskeln des betreffenden Wirthes abläuft. Demnach unterscheidet man Darmtrichinen und Muskeltrichinen; erstere sind die geschlechtsreifen Repräsentanten, letztere die Vorstufe der Darm­trichinen. Selten werden die weiblichen Darmtrichinon über 3, nie über 4, die männlichen selten über 1,6 Mm. lang. Die Geschlechtsorgane sind bei Muskeltrichinen von 0,5 bis 0,75 Mm. Länge bereits diffe-renzirt und zu erkennen; dieses Maass der Ausbildung ist für die Fähigkeit der weiteren Entwicklung im Darme zur Darmtrichine er­forderlich; gelangen Muskeltrichinen vorher in den Darmcanal, so gehen sie zu Grunde, weil ihnen der nöthige Grad der Reife fehlt, um sich zur Darmtrichine weiter entwickeln zu können.
Die Zeit, innerhalb welcher reife Muskeltrichinen im Darme ihre völlige Geschlechtsreife erlangen, ist eine sehr kurze. Die Weibchen gebären lebendige Jungen (s. Fig. 41 A,) deren Geburt in der Regel am
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#9632;•;
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Trichina spirnlis.
7ten Tage nach Einverleibung der Muskeltrichinen beginnt. Es scheint eine wiederholte, schubweise Reifung von Eiern stattzufinden; die Zahl der Nachkommen einer weiblichen Darmtrichine wird auf 1000 bis 2000 geschätzt, welche innerhalb einiger Wochen geboren werden. Die Darmtrichinen leben kaum länger als 5 bis 8 Wochen, während die Muskeltrichinen eine fast unbegrenzte Lebensdauer zu haben scheinen.
Fig. 39.
raquo;#9632;#9632;
it. #9632;
Freie Miiskeltrlclilnen des Schweines, 3 Wochen nach der Füttern
8Umal vergr.
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Letztere erreichen in etwa 14 Tagen ihre vollständige Ausbildung d. i. eine Länge bis zu 1 Mm.; ihr Verdauungscanal ist deutlich er­kennbar. Die Auswanderung der Embryonen aus dem Darme in die Muskeln beginnt sofort nach ihrer Geburt, Sie dringen in die Pri­mitivfasern der Muskeln ein, deren Inhalt sie zerstören. Zuerst liegen sie an ihrem Weideplatze gestreckt, während sie später, nachdem sie an Grosse und Dicke zugenommen haben, sich aufrollen. Die Um­hüllung (das Sarcolemma) der Muskelfaser buchtet sich um die Schma­rotzer aus, verdickt sich und bildet schliesslich eine Kapsel um die-
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n '#9632; #9632;
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Triehina spimlis.
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selben; gewöhnlich liegen sie einzeln, selten zu 2 bis 4 in einer Kapsel; diese bedarf etwa 2 Monate bis zu ihrer Vollendung. Erst nach mehr als 1 Jahre pflegt die Kapsel zu verkalken; aber noch nach Jahr­zehnten hat man die Parasiten lebend in ihrer Kapsel angetroffen. In allen Welttheilen sind nunmehr Trichinen beobachtet worden.
Die Geschlechtsöffnung der weiblichen Trichine liegt ungefähr auf der Grenze des ersten Körperviertheils hinter dem zugespitzten Kopfende. Schon in der Muskeltrichine sind die inneren Geschlechts-
Fig. 40.
Eiuo slagehftpselte Mnakeltrlchlne mit begiiinonder Verkalkung der beiden zugespitzten
Polo der Kapsel. Vorgr. 130.
organe (Ovarium) theilweise vorhanden; am vorderen Theile des Uterus befindet sich der sog. Farre'sche Körner häufen, der den männlichen Muskeltrichinen fehlt. Ihre vollständige Ausbildung erlangen die Ge­schlechtsorgane der weiblichen Trichinen erst im Darme, wobei na­mentlich der Hintertheil der Parasiten sich vergrössert. Es entwickeln sich in den Uterus-Eiern die Embryonen, welche gegen das Ende des Ge­schlechtscanales die Eihüllen durchbrechen und lebendig geboren werden. Der Uterus geht ganz allmählich in die Vagina über, deren vorderstes Ende mit einer chitinöaen Auskleidung von der Vulva her versehen ist. Das Männchen besitzt an seinem hinteren Ende 2 lappenartige Fortsätze; die Geschlechtsöffnung ist mit dem Mastdarmende zu einer vorstülpbaren Kloake verbunden.
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Trichina spiralis.
Die Nachkommen der Darmtrichinen sind bei ihrer Geburt so überaus klein (0,12 selbst nur 0,108 Mm. lang), dass sie selbst bei miki'osko-pischer Untersuchung leicht übersehen werden können. Sie wachsen indess in den ersten Tagen wenigstens 0,07 Mm. täglich. Erst nachdem sie eine Grosse von minde­stens 0,5 Mm. erlangt haben, sind sie so weit entwickelt, dass sie im Darm eines neuen Wohnthieres sich zur voll­kommen geschlechtsreifeu Trichine heranbilden können. Die kleinsten lebensfähigen Darmtrichinen sind also min­destens 0,5 Mm. gross; ge­langen kleinere Muskeltriclü-nen in den Darm eines sonst geeigneten Wirthes, so gehen sie zu Grunde.
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6. Die Trichinose.
Bei unseren Hausthie-ren spielt die Einwanderung von Trichinen eine bedeutend geringere Rolle, als beim Menschen, bei welchem durch dieselbe eine schmerzhafte und lebensgefährliche Krank­heit verursacht werden kann. Es war im Jahre 1881, als ein englischer Arzt (Hilton) im Muskelfleische einer mensch­lichen Leiche kleine weisse
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Darmtvichlueu, A Weibchtjn, im Geburtsacte bc-griffou. B. Mrumehcn. Vergr. ca.100. (NachHellor.)
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Die Tl'lohlnose des Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;91
Körperchen wahrnahm, die er für Blasenwürmer hielt, während es in Wirklichkeit verkalkte Trichinen waren. Zu dieser späteren näheren Erkenntniss gelangte man, indem im Jahre 1835 der in derartigen Kapseln enthaltene Rundwurra (durch Paget) entdeckt, dann in dem nämlichen Jahre (durch Owen) genauer beschrieben und Trichina spiralis benannt wurde.
Bei Schweinen wurden im Jahre 1847 in Amerika (von Leidy) die ersten Trichinen gefunden'. Obgleich bereits im Jahre 1835 in der Londoner medicinischen Zeitung (von Wood) die Vermuthung ausgesprochen worden war, dass ein beim Menschen von ihm beob­achteter Fall von Rheumatismus zu den bei der Section gefundenen Trichinen in ursächlicher Beziehung stehe, so wurde doch die Be­deutung der Trichinen für den Menschen erst im Jahre 1800 durch Professor Zenker in Dresden festgestellt. Im dortigen Stadtkranken­hause war ein Dienstmädchen aus Plaue (in der Nähe von Dresden) an den Erscheinungen eines typhösen Fiebers gestorben; bei der Sec­tion desselben wurde eine grosso Anzahl von Muskeltrichinen vorge­funden. Weitere Nachforschungen ergaben, dass noch mehrere an­dere Personen jener Haushaltung, welcher fragliches Dienstmädchen angehört hatte, so wie ein Fleischer, der in dem betreffenden Hause ein Schwein geschlachtet hatte, unter ähnlichen Erscheinungen und um die nämliche Zeit erkrankt waren. Man glaubte im Orte Plaue, dass die betreffenden Personen bei fraglichem Hausschlachten sich tüchtig erkältet hätten.
Die mikroskopische Untersuchung der noch vorhandenen von in Rede stehendem Schweine herrührenden Fleischwaaren ergab, dass dieselben reichlich mit Trichinen durchsetzt waren. In demselben Dorfe (Plaue) trat dann im Jahre 1861 die erste sicher constatirte Trichinen-Endemie auf, bei welcher gegen 30 Personen erkrankten.
Nachdem die Trichinenkrankheit nunmehr erkannt und öffentlich bekannt geworden war, wurde dieselbe alsbald auch an anderen Orten in kleineren Endemien, so z. B. in Kalbe a/S., in Burg u. s. w., so wie in verschiedenen sporadischen Fällen, festgestellt. — Im October 18G3 trat sodann in Hettstedt die grösste der bis dahin beobachteten Trichinen-Endemien auf, bei welcher 153 Personen erkrankten und 23 starben. Demnach wurden noch verschiedene kleinere Endemien und vereinzelte Fälle constatirt, bis im Jahre 1805 in Hedersleben eine Endemie auftrat, welche allgemeines Aufsehen erregte. Es er­krankten m genanntem Dorfe über 300 Personen an Trichinose, von denen 109 starben.
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Die Ti-ichinose des Menschen.
Inzwischen ist nun der Nachweis erbracht worden, class auch in früheren Zeiten Trichinen-Endomien; so wie sporadische Fälle von Trichinose vorgekommen sind, über welche indesa unter verschiedenen anderen Namen berichtet worden ist. Die älteste derartige Mitthei­lung (von Fehr) datirt aus dem Jahre 1(577, -wonach 2 Jahre vorher in Württemberg Fälle von Trichinenkrankheit des Menschen vorge­kommen zu sein scheinen. Viele Enderaien aus früheren Jahrzehnten dieses Jahrhunderts konnten durch die' spätere Section damals (von der Trichinose) Genesener sicher festgestellt werden. Auch durch chirurgische Operationen sind nachträglich frühere Trichinen-Ende-mien nachgewiesen worden. So hat Lücke in Casper's Vierteljahr­schrift für gerichtliche Medicin im Jahre 1864 einen Fall mitgetheilt, wo durch eine Krebsoperation in der Langenbeck'schen Klinik zu Berlin nachträglich festgestellt wurde, dass eine unter den Mitgliedern einer Schulvisitations-Commission im Jahre 1845 aufgetretene, für eine Weinvergiftung gehaltene Krankheit nichts anders als Trichinose war. — Die klinischen Erscheinungen sind nicht immer gleich, sondern hauptsächlich von der Zahl und dem Entwicklungszustande der auf­genommenen Trichinen abhängig. Rupprecht, der nach der ersten grösseren Endemie in Hettstedt in ausgezeichneter Weise die Trichinen­krankheit des Menschen beschrieben hat, unterscheidet folgende drei Hauptstadien:
1)nbsp; das der Ingression oder Einwanderung der Trichinen,
2)nbsp; das der Digression oder der Auswanderimg der Trichinen aus dem Darme in die Muskeln und
3)nbsp; das der Regression, in welchem die Krankheitserscheinungen sich wieder verlieren.
Diese 3 Stadien sind indess nur in schwereren Fällen zuweilen klinisch zu unterscheiden, gehen aber meist unmerkbar in einander über. — Es wird die Uebersicht über den ganzen Symptomoncomplex erleichtern, wenn wir denselben nach den verschiedenen anatomischen Apparaten und deren physiologischer Function schildern.
a) Störungen im Verdauungsgeschäfte: Unbehagen, Volle, Uebel-keit, Brechneigung oder wirkliches Erbrechen, wechselnder Appetit, bald vorhanden, bald fehlend, in der Reconvalescenz stets vermehrt, oft zum wahren Heisshunger gesteigert. Der Durst ist immer vermehrt, häufig mit Durchfall gepaart, der bisweilen viele Wochen hindurch andauert und nicht selten in hartnäckige Verstopfung umschlägt; zu­weilen ist letztere gleich von Anfang an vorhanden. In den beiden ersten Wochen der Krankheit treten nicht selten Leibschmerzen auf.
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Die Tliobinose des Jleiiselien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lt;)3
Die Patienten empfinden meist einen pappigen Geschmack im Munde und klagen vielfach über unangenehme (faulige) Geruchsempfindung. Wo eine reichliche Einwanderung von Trichinen in die Kau-und Schlundkopfmuskeln stattgefunden hat, da sind Kau- und Schling­beschwerden vorhanden.
b)nbsp; Erscheinungen im Muskelsystem: Der Trichineneinwanderung in die Muskeln soll ein Gefühl von Müdigkeit in diesen bereits vor­ausgehen. Im Allgemeinen sind die Muskelerscheinungen sehr ver­schieden und pflegen frühestens am 10. Tage nach der Infection sich einzustellen. Dieselben sind im Wesentlichen folgende: Anschwellung und brettartige Härte, so wie grosse Empfindlichkeit der vorzugsweise ergriffenen Muskeln gegen Druck. Die Beugemuskel der Gliedmassen sind meist contrahirt, daher diese in den Gelenken (namentlich im Knie- resp. Ellenbogengelenke) gebeugt. Die Muskelschmerzen werden durch die geringsten Bewegungsversuche äusserst heftig und treten in der Regel in der 5. bis G. Woche am stärksten auf. Bei stärkerer Affection der Augenmuskeln schielen die Patienten, während hei stär­kerer Besetzung der Kau- und Schlingmuskeln zuweilen trismusartige Kieferklemme und grosse Schlingbeschwerden auftreten. Hat eine starke Einwanderung von Trichinen in das Zwerchfell und in die Kehlkopfmuskeln, so wie in andere Respirationsmuskeln stattgefunden, so stellen sich Athemheschwerden (Bronchialcatarrh, Heiserkeit, selbst Stimmlosigkeit und Lungenentzündung) ein, die den Tod zur Folge haben können.
c)nbsp; Erscheinungen im Nervenleben: Bei Erwachsenen ist eine fast absolute Schlaflosigkeit vorhanden, während Kinder häufig fast die ganze Dauer der Krankheit durchschlummern. Im Allgemeinen zeigen an Trichinose leidende Menschen eine grosse Gleichgültigkeit gegen ihre Umgebung. An einzelnen Körperstellen oder mehr über die Körperoberfläche verbreitet, stellt sich ein Jucken der Haut ein; eine Abstumpfung der Hautempfindung ist selten.
d)nbsp; Störungen im Circulations-Apparate: Leichtere Fälle von Trichinose der Menschen verlaufen häufig ohne Fieber, während die schwereren Fälle meist von mehr oder weniger bedeutender Tempe­ratursteigerung und Pulsfrequenz begleitet sind. An verschiedenen Stellen des Körpers pflegen Oedeme (teigige Schwellungen im Unter­hautbindegewebe) aufzutreten. Oft erscheint am 7. Tage ein Oedem der Augenlider und des Gesichtes, das meist nach 2 bis 5 Tagen verschwindet, dann aber nicht selten nach einigen Wochen nochmals wiederkehrt. Um den 9. Tag finden sich in der Regel Oedeme an
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94nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I'ie Trichinose des Menschen.
den Gliedmassen ein, die nur in leichteren Fällen, wie das Gesichts-Oedem schwinden, meist aber nach einigen Tagen (stärker als zuvor) wiederkehren; in schweren Erkrankungsfällen nehmen die Oedeme der Extremitäten bis zu einer gewissen Zeit anhaltend zu. Während der Reconvalescenz entstehen nicht selten Oedeme der Füsse und Unterschenkel nach anhaltenderem Gehen und Stehen, die nach längerer Ruhe in liegender Stellung wieder verschwinden.
In seltenen Fällen sind Nasen- und Darm-Blutungen beobachtet worden; nicht selten sind Blutgerinnungen in den Gefässen in Folge krankhafter Veränderungen des Blutes.
e)nbsp; nbsp;Erscheinungen im Geschlechts- und Harn-Apparate: Bei schwangeren Frauen tritt nicht selten, indess keineswegs regelmässig, Abortus ein.
Die Harnausscheidung pflegt von der 2. Woche an stark ver­mindert zu sein; die Farbe des Urins ist röthlich, meist reich an festen Bestandtheilen, indess frei von Eiweiss. Erst in der Eecon-valescenz (mit der 5. oder G. Woche) tritt wieder Vermehrung der Harnausscheidung ein. Es erklärt sich dies aus den
f)nbsp; Erscheinungen an der äusseren Haut; Bereits in den ersten Tagen nach Aufnahme der Trichinen pflegen sich starke Schweisse einzustellen, welche bis in die Reconvalescenz hinein fortbestehen; während dieser schuppt sich die Epidermis (Oberhaut) reichlich ab. Patienten, die lange Zeit im Bette zubringen, liegen sich leicht wund.
Der Mensch verträgt eine ziemlich beträchtliche Menge Trichinen, ohne auffallend krank zu werden. Wird indess eine bestimmte Grenze überschritten, so können, je nach der Menge der einverleibten Trichinen, bereits nach wenigen Stunden, oder erst nach mehreren Wochen mehr oder weniger schwere Zufalle sich einstellen. Eine einmalige oder wiederholte massenhafte Einverleibung von Trichinen verursacht schwere Verdauungsstörungen,
Die ganze Krankheitsdauer beträgt 5 Wochen bis zu 4 Monaten. Nur ganz leichte Fälle, welche die Patienten ausser Bett durchzu­machen im Stande sind, können in etwa 8 Wochen ablaufen. Ein tödtliches Ende tritt am häufigsten in der 4. bis 6. Woche ein und zwar meist in Folge von Lähmung der Respirationsorgane; es ist selten, dass noch nach 7 Wochen der Tod eintritt.
Die Vorhersage (Prognose) ist unsicher. Je schneller und hef­tiger nach dem Genüsse trichinösen Fleisches die Krankheit sich ein­stellt, um so gefährlicher ist sie. Geringer ist die Gefahr, wenn
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Die Trichinose des Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;95
Esslust und Schlaf fortbestehen und die Athmung wenig beeinträchtigt ist. Schwere nervöse Erscheinungen, grosse Unruhe oder grosse Ab­stumpfung der Patienten sind häufig Vorboten des herannahenden Todes.
Die Behandlung vermag gegen die Trichinenkrankheit nur wenig zu leisten, weshalb die Vorbauung um so wichtiger ist. Wer sich ganz sicher stellen will, darf überhaupt kein Schweinefleisch essen, das nicht vollkommen durchgekocht ist, da die Trichinenschau nur eine relative, keineswegs aber absolute Sicherheit bietet. Bei der­selben ist zu beachten, dass Muskeltrichinen am häufigsten und zahl­reichsten angetroffen werden: im Zwerchfelle, in den Kaumuskeln, in den Muskeln des Kehlkopfes, in den Zwischenrippenmuskeln, in den Augenmuskeln und in den Muskeln des Halses, der Vorder- und und Hinterschenkel.
Mit blossem Auge sind die Trichinen mit oder ohne Kapseln kaum oder gar nicht wahrnehmbar. Nur in ver­kalkten Kapseln erscheinen Muskeltrichinen als kleinenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lg' weisse Pünktchen, die indess von anderen punkt-förmigen Gebilden (Psorospermien oder Concretionen) nur mit Hülfe des Mikroskopes unterschieden werden können.
Bei unseren Hauathieren, die als Schlachtwaare verwerthet werden, kommen Trichinen zunächst nur bei Schweinen vor. Meist inficiren sich dieselben durch den Genuss von Ratten, Im Allgemeinen sollen Ratten häufig (zu G bis 80/o) trichinös sein. Der verilikten Trichinen Prozentsatz wechselt indess, je nach der Localität ' Hoher arSsse, (im engeren und weiteren Sinne) bedeutend. Vor­zugsweise sind die Abdeckereien, die grossen Schlächtereien (nament­lich für Schweine) und Wurstfabriken, so wie alle Orte, wo bei Menschen und Schweinen öfter Trichinen vorkommen, Infectionsherde für Ratten. So wurden nach Leiserings Angaben in den sächsischen Abdeckereien 200/0 aller Ratten trichinös befunden. Nach Professor Claus in Wien fanden sich in Mähren unter 49 Ratten 18 trichinöse, während in Wien auf 140 Ratten nur 1 trichinöse kam. Anders ge­staltete sich das Verhiiltniss für die Umgegend von Wien, wo auch mehrere Füchse und Hamster trichinös befunden wurden; hier kamen auf 94 Ratten 9 trichinöse.
Die inficirten Ratten sollen oft an Trichinose zu Grunde gehen und meist von ihren überlebenden Genossen aufgezehrt werden, so
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96nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vorkommen und Lcbenszaliigkeit der Trichinüii.
dass es dadurch zu förmlichen Massenerkvankungen an Trichinose unter den Ratten kommen kann, wie solche Louckart in Giessen und Jul, Kühn in Halle a/S. beobachtet haben. Leuckart und Claus halten die Ratten für die natürlichen Hauptträger der Trichinen und den Weg durch das Schwein für einen dem Menschen oft verderblich werdenden Seitenweg. Andere halten das Schwein für den natür­lichen Trichinenträger. Nach Zenker sollen Schweine am häufigsten durch das Verfüttern von Abfällen beim Schlachten trichinös gemacht werden.
Bekanntlich werden Trichinen in unzähligen Massen durch ameri­kanisches Schweinefleisch nach Europa eingeführt. Da Einsalzen und Räuchern trichinösen Fleisches keinen sicheren Schutz gegen Infection gewährt, namentlich dann nicht, wenn es nicht sehr sorgfältig und gründlich geschieht, so muss alles amerikanische Schweinefleisch mit Vorsicht verwendet werden. Ebenso wenig wie durch leichtes Salzen und Räuchern werden Trichinen durch Kälte oder Fäulniss des sie bergenden Fleisches zerstört. In Würsten sind noch nach 9 Monaten und in Fleisch, das fortwährend auf Eis gelegen hatte, noch nach einigen Wochen lebende Trichinen aufgefunden worden. Bei den an der Berliner Thierarzneischule im Jahre 18G4 und 1865 angestellten Versuchen ergab sich, dass Trichinen in faulendem Fleische noch lange fortleben, 32 Tage nach der Schlachtung eines trichinösen Versuchs­schweines waren mikroskopisch noch deutliche Bewegungen der Trichi­nen zu erkennen, obgleich die Fäulniss des betreffenden trichinösen Fleisches in Folge der damals warmen Witterung einen hohen Grad erreicht hatte. Selbst als das Fleisch eine schmierige, höchst übel riechende Masse bildete, konnte man die Trichinen und deren (nicht verkalkte) Kapseln noch in scharfen Umrissen erkennen. Diese Lebenszähigkeit der Parasiten ist insofern von Wichtigkeit, als sie zur Verbreitung der Trichinen und zur zufälligen Infection verschie­dener Thiere wesentlich mit beitragen kann.
Jeder Schweinezüchter ist demnach moralisch verpflichtet, alle Gelegenheiten möglichst fern zu halten, durch welche Schweinen Trichinen zugeführt werden können. Alles trichinöse Fleisch, so wie alle frei herumliegenden Cadaver von Ratten müssen durch Feuer oder Chemiealien zerstört werden.
Schliesslich mögen hier noch die Erscheinungen angeführt werden, welche ich bei einem am landwirthschaftlichen Institute der Universität in Halle a/S. mit trichinösem Fleische gefütterten 6 Wochen alten Schweine wahrgenommen habe. Bis zum 20. Tage nach der Fütte-
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Tncliinose des Sohweines,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i)7
rung war das Versuchsthier scheinbar ganz gesund. An diesem Tage aber nahm die Fresslust ab, die Bewegungen wurden träge und am 22. Tage nach der Fütterung frass das Thier gar nichts mehr, war traurig, stöhnte und röchelte, kratzte und scheuerte sich viel, so dass die Haut an einzelnen Stellen leicht wund war. Herzpulse waren etwa 120 in der Minute vorhanden, der gespannte Puls an der Ober­schenkelarterie klein, nicht zählbar. Die Zahl der Athemzüge betrug in der Minute etwa 60 5 das Athmen selbst war mit einem schlottern-dun Geräusche verbunden. Die Augenlider waren aufgedunsen, die Augenlidbindehaut geröthet und injicirt. Der Blick war stier, die Pupille erweitert. Die Ohren fühlten sich vermehrt warm an, die Mastdarmtemperatur betrug 40,;!deg; C. Am 2H. Tage nach der Fütte­rung war der Zustand ziemlich genau derselbe wie Tags vorher, während schon am 24. Tage eine deutliche Abnahme der Erschei­nungen sich bemerkbar machte. Die Fresslust und Munterkeit kehrten alsbald wieder, so dass alle Kraakheitserscheimmgen bereits nach einigen Tagen wieder verschwunden waren.
Zahlreichere Fütterungsversuche sind in früheren Jahren mit trichinösem Fleische bei Schweinen und bei verschiedenen anderen Thierarten angestellt worden. Da dieselben im Allgemeinen über­einstimmende Resultate geliefert zu haben scheinen, so beschränke ich mich hier auf deren Wiedergabe (in Bezug auf das Schwein) nach den bezüglichen Mittheilungen der Berliner Thierarzneischule im I. Quartalhefte des Magazins für die gesammte Thierheilkunde (1865).
Der Referent (Müller) sagt:
Die Resultate der eben beschriebenen Versuche rechtfertigen im Wesentlichen folgende Schlussfolgerungen:
Die der Aufnahme von trichinenhaltigem Fleische folgende Entwicklung, Vermehrung und Wanderung der Trichinen bedingt zwar eine Erkrankung bei Schweinen, jedoch sind die Erscheinungen, durch welche diese Erkrankung sieh kundgibt, weder constant noch characteristisch genug, um ein sicheres Erkennen der Trichinenkrank­heit bei Lebzeiten der Schweine zu ermöglichen. Sämmtliche Ver-suchsthiere erkrankten wenige Tage nach der Trichinenfütterung; die constantesten Erscheinungen waren der Hauptsache nach: Durch­fall, jedoch nicht anhaltend, mit Mistentleerungen von festerer Consi-stenz abwechselnd, theils verminderte, oder doch wenigstens sehr un­gleiche, theils gänzlich aufgehobene Fresslust, Zeichen von Leib-PCitz. Lehrbnota dev anateotteudou Tlilerkrstikhetieti.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
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TrlollinOSfi des .Schweines.
schmerzen, Unruhe, Verkriechen in die Streu, Fieber, Auflockerung der Augcnlidbindehaut und reichliche Absonderung der Hautexcrete. Diese eben genannten tSyinptome, sowohl einzeln, als in ihrer Ge-sammtheit aufgefasst, können jedoch bei Schweinen auch ohne statt­gehabte Trichinon-Einwauderung beobachtet werden; ein ganz ähn­licher Syinptoinencomplex wird z.B. bei jedem nur einigermassen um­fangreichen Catarrh der Verdauungsschleimhaut vorhanden sein und die meisten der genannten Erscheinungen werden bei gastrischen Krankheiten der Schweine selten fehlen.
Selbst wenn den Schweinen sehr trichinenhaltiges Fleisch pfund­weise, also in Mengen gereicht wurde, welche bei zufälliger Aufnahme nur höchst ausnahmsweise verzehrt werden, stellen sich Krankheits-erscheinungen ein, welche nicht spezifisch, sondern nur der Heftig­keit nach von denjenigen vorschieden sind, welche nach einer ge­ringen Trichinenaufnahmo beobachtet werden.
Ein spezifischer, von anderen Krankheitszuständen verschiedener Symptomencomplex wurde weder während des Lebens, noch bei der Section an denjenigen Schweiuon walirgenommon, welche in Folge der massenhaften Aufnahme von Trichinen binnen kurzer Zeit zu Grunde gingen; jeder Sachverständige wäre namentlich nach den Sectionsresultaten ohne mikroskopische Untersuchung des Darminhaltes und der Muskeln nicht der Oberflächlichkeit anzuklagen, wenn er sich zu der iSchlussfolgerung berechtigt glaubte, dass die Schweine No. 1 u. 3 (der Versuchsthiere der Berliner Thierarzneischule) an brandigem (typhösem) llothlauf, wenn nicht an Anthrax, gestorben seien. Weder in den dünnflüssigen Durchfalls-, noch in den Koth-massen von gewöhnlicher Consistenz, wurden (bei Lebzeiten der Ver­suchsthiere) Trichinen mit Hülfe, des Mikroskopes aufgefunden etc.
Bei keinem Versuchsthiere und zu keiner Zeit während der Dauer des Versuches wurden Symptome bemerkt, welche auch nur im Entferntesten analog sind dem mehr oder weniger verbreiteten Oedem des Unterhautzellgewebes, welches die Trichinenkrankheit des Menschen zu begleiten pflegt und als characteristisches Kennzeichen die Diagnose wesentlich erleichert. —
Der sect; •'gt;•) des Strafgesetzbuches für das deutsche Reich (1870) verbietet bei einer Strafe bis zu 50 Thaler, oder bis zu 7 Tagen Gefängniss die Feilhaltung oder den Verkauf von Getränken oder Lebensmitteln, welche gefälscht oder verdorben sind, und besonders von trichinösem Fleische.
Wenn durch den Genuas solcher Waaren Jemand nachweislich
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PalliBsdenwttrmer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;((()
an seiner Gesundheit geschädigt worden oder gestorben ist, so finden andere sehiirt'ere Besthnrmingeii des Btrafgeaetzbuohes Anwendung.
II. I'iillisa(llt;-iiuiirmi r.
Unter den Paliisadenwürniern (Strongyliden) sind es folgende, wolühe unser besonderes Interesse in Ansprach nehmen:
a)nbsp; nbsp;der Lut'tröhrenkratzer des Schafes und der Ziege (Strongylus tilaria);
b)nbsp; nbsp;der gedrehte Pallisadenwurm des Schafes und der Ziege (Strongylus eontortus).
Den Verdauungscanal unserer Hausthiere bewohnen noch andere Strongyliden, von welchen nur der bewaffnete Pallisadenwurra (Strongy­lus armatus, seil Selevostomum equinuvn) hier genannt werden soll.
Alle fallisadenwürmer haben einen drehrunden Leib mit termi-naler Mundüff'nung. lieber die Entwicklung derselben ist bis jetzt im Allgemeinen folgendes bekannt:
Die bis zu einem gewissen Grade entwickelten Eier müssen meist ins Wasser gelangen, um später den Embryo ausschlüpfen lassen zu können. Dieser lebt im Schlamme oder im Wasser (oder auch wohl an Wasserpflanzen) eine Zeit lang als freier Uundwurm, indem er allmähiicli bis zu einer bestimmten Entwicklungsstufe heranwächst. Zu einem geschlechtsreifen l'allisadenwurme kann er indess erst dann sich entwickeln, wenn er zur rechten Zeit von einem geeigneten Wohnthiere (mit dem Getränk oder Futter V) aufgenommen wird. Geschlechtsreife Pallisadenwürmer sterben ausserhalb ihres Wohn-thieres bald ab; bei ihrer Verwesung werden die Embryonen in den Kiern, wenn diese in Wasser gelangen, reif, schlüpfen aus dem Ei hervor und bewegen sich sehr lebhaft im Wasser. Nach den Ver­suchen Colins bleiben sie bis zu 2 Monaten im Wasser lebendig, ohne indess zu wachsen.
Die Entwicklung dieser Parasiten ist noch in manchen Punkten dunkel. Viele derselben bewohnen eine Zeit lang den Organismus unserer Hausthiere und verursachen bei diesen dadurch mehr oder weniger wahrnehmbare, oder gar lebensgefährliche Gesundheitsstö­rungen. Unter diesen sind die Lungen- und .Magenwurmseuche die­jenigen, welche uns hier am meisten interessiren. Beide sind streng genommen keine Seuche, da sie nicht eigentlich ansteckend sind, sondern Herdekrankheiteu.
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Die Lunsrenwui'tnseaoUe des Sobafcs und der Ziege.
7. Die Lungeuwurmseuche
deraquo; Scliates und dur Ziege wird durch Stl'Ongylus filaria verursacht. Dieser Parasit ist fadenf'öriuig, weiss oder weissgelb, das Männehen 25 Mm., das Weibchen bis zu 84 Mm. lang. Letzteres gebiert leben­dige Junge. Der Vorderkorper ist etwas verschmäehtigt, der Kopf rundlich, mit nackter runder Mundöffnung. Das Schwänzende des Männchens trägt einen langen etwas eingebogenen Beutel und 2 kurze, braune Spicula; das Schwanzende des Weibchens ist spitzig, die Ge-schlechtsöttnung befindet sich etwas hinter der Körpermitte. Der Luftröhrenkratzer bewohnt die Luftröhre und deren Verzweigungen dos Schafes und der Ziege und verursacht, wenn er in grössorer An­zahl daselbst vorkommt, zunächst einen Reiz der Bronchial-Schleim-haut, welchem anderweitige Prozesse folgen, die nicht selten den Tod' nach sich ziehen.
Die Lungenwunnseucho wird in manchen Gegenden, in welchen sunipfige, mit Wasserlachen versehene Weiden vorhanden sind, be­sonders in nassen Jahrgängen als Herdekrankheit beobachtet. Die­selbe tritt vorzugsweise im Frühjahre und im Herbste, und zwar meist bei Lämmern und Jährlingen auf.
Die hervorstechendsten Krankhcitsorschcinungon sind folgende:
Nasenausfluss, Husten, Athembeschwcrden, Abmagerung, Bleich­sucht. Nach einer 2 bis I Monate langen Krankheitsdaucr pflegt der Tod den Leiden der Patienten ein Ende zu machen. Genesung tritt im Allgemeinen selten ein und zwar nur bei kräftigen und massig erkrankten Individuen, denen es gelingt, die Parasiten auszuhusten. Wo dies der Fall ist, da pflegen die Gesundheitsstörungen allmählich abzunehmen und schliesslich ganz z.u schwinden. Jedoch ist die Mög­lichkeit nicht ausgeschlossen, class die Patienten an den Folgen einer bereits zur Ausbildung gelangten Lungenentzündung zu Grunde gehen, nachdem es ihnen gelungen ist, die Luftröhrenkratzer auszuhusten.
Bei der Section finden sich aussei- den Erscheinungen der Ab­magerung, der Blutarmuth und des Bronchialcatarrhes Hepatisation der Lungen, sackartige Erweiterungen der Bronchien (sog. Bronchi-eetasion), die in der Regel mit Luftröhrenkratzern und mit schaumi­gem Schleime erfüllt sind. Auch wassersüchtige Befunde werden meist angetroffen.
Die Entwicklung der Lungenwiirmseuchc soll folgendennassen stattfinden:
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l)kj Lungenwurmseucbe des Schafes nnd der Ziege,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lol
Naclulem die Luftrührenkratzer im jugencllichon Zustande in den Magen eines unserer kleinen Wiederkäuer gelangt sind, wandern sie durch den Schlund in die Raclieuhöhle zurück und von da in die Luftröhre und deren Zweige ein. raquo;Sie setzen sich hier an irgend einer Stelle der Schleimhaut fest, in welcher sie anfangs als kleine Knötchen erscheinen, die auf den ersten Anblick für Tuberkel ge-liaiten werden können. Allmählich wachsen sie nun siu geschlechts-reifen Individuen heran, um gegen Ende des Winters, oder im An­fange des Frühjahres ihren Wirth zu verlassen, wenn dieser nicht früher zu Q-ründe gegangen ist. Die Brut pflegt im Mai, Juni oder .luii aufgenommen zu werden.
Eine directe TJebertragung der Parasiten, resp. der Krankheit von Individuum zu Individuum findet nicht statt, da die Embryonen erst in Wasser oder Schlamm gerathen und in diesen Medien eine Zeit lang verweilen müssen, um für ihre weitere Entwicklung im Körper der Schafe oder Ziegen die erforderliche Reife zu erlangen.
Ist die Einwanderung der Brut in die Luftröhre etc. erfolgt, so ist derselben schwer beizukommen. Mit innerlichen Mitteln ist gegen dieselbe sozusagen gar nichts auszurichten. Räucherungen mit Theer, stinkendem Thieröl, Horn oder sonstigen brenzlichen Substanzen kön­nen bei kräftigen Individuen die Genesung zuweilen begünstigen, müssen aber immer mit Vorsieht gemacht werden, damit sie die Re-spirationsschleimhaut der Patienten nicht zu stark reizen, oder den Gehalt der eingeathmeten Luft an eigentlich respirablen Gasen nicht zu sehr vermindern. Die Parasiten werden von den eingeathmeten Dämpfen krank gemacht, zum Theil auch wohl getödtet und dadurch das Aushusten derselben erleichtert. Gelingt es, dies Ziel zu errei­chen, so müssen die Reconvalescenten gut genährt und in reiner frischer Luft gehalten weiden.
Bei der Unsicherheit des Erfolges einer Behandlung derLungen-wurmseuchc gewinnen entsprechende Vorbeugungsmassregeln eine um so grössere Bedeutung. In inficirten Districten, d. h. da, wo in Rede stehende Krankheit stationär zu sein pflegt, werden die Lämmer und Jährlinge wenigstens während des Frühlings und des Vorsommers im Stalle gehalten und mit unverdächtigem Futter versorgt. Wenn dies nicht ganz durchführbar ist, so suche man es wenigstens theilweise möglich zu machen, indem man sie vor dem Weidegange täglich im Stalle etwas anfüttert und mit frischem unverdächtigem Wasser tränkt. Die Gefahr einer tödtlichen Infection kann dadurch wesentlich vermindert werden, dass die Weidethiere keine Veranlassung haben, die vorhan-
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Luftröhi'enkramp;tzer bei verscliiedenen anderen HdiiBtlilereu,
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denen Lachen und Pfützen aufzusuclicn, um ihren Durst zu stillen. Auch empfiehlt es sich, für die Dauer des Weidegange.s während der Monate Mai, Juni und ,luli Spinola's Wurmkuchen zu veral)rcichen, um die Brut noch im Verdauungsapparate zu tödten.
Spinola will öfter beobachtet haben, dasraquo; nach einem starken Platzregen die Infection mit Luftröhrenkratzern selbst auf sandigen Weiden und auf offenen Brachwoiden stattgefunden hahe. Da nach Leuckart die Brut mancher Nematoden etwas eintrocknen kann, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren, so wäre es denkbar, dass die Brut von Luftröhrenkratzern mit zu Staub vertrocknetem Sohlamme durch den Wind fortgeführt und so direct in die Respirationsorgane weiden­der Thiere eingeführt, oder erst auf Pflanzen abgesetzt und mit diesen von den betreffenden Thieren aufgenommen werde.
Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführung, dass und warum alle mit Luftröhrenkratzern besetzten Lungen todter Thiere, so wie nach aussen gelangte Parasiten möglichst sorgfältig gesammelt und vernichtet werden müssen. Eben so leicht verständlich ist es, dass durch Trockenlegung inficirter Weiden, durch Ausfüllen vorhandener Vertiefungen in dem betreffenden Terrain, durch Drainage u. dergl., häufig die Möglichkeit geboten ist, der Krankheit für die Zukunft vorzu­beugen. Von diesen Mitteln habe ich selbst die besten Erfolge ge­sehen. (Spinola's Wurmkuchen. S. Inhaltsverzeichniss.)
Bei Kälbern und auch bei erwachsenen Kindern wird die Lungen-wurmseuche auch zuweilen beobachtet, hier aber durch den klein-schwänzigen Pallisadcnwurm (Strongylus micrurus) verursacht. Das Männchen dieses Parasiten wird ebenfalls 25 Mm., das Weibchen indess nur 50 Mm. lang. Bei diesem befindet sich die (xeschlechts-öffnung etwas vor der Mitte des Körpers. Auch diese Art gebiert lebendige Jungen.
Die Lungenwurmseuche des Rindes verläuft in ganz ähnlicher Weise wie die des Schafes, weshalb das in Bezug auf Behandlung und Vorbeugung Gesagte auch für diese eine entsprechende Anwen­dung findet.
Auch bei Pferden (und Eseln) ist dor Strongylus micrurus, wenn­gleich sehr selten, gefunden worden.
Der „Strongylus paradoxusquot; des Schweines gebiert lebendige Jun­gen. Derselbe ist weiss, fadenförmig, das Männchen Hi —JO, das Weibchen 80—40 Mm. lang. Die weibliche Geschlechtsöffnung be­findet sich in der Nähe des Afters, der vor der Schwanzspitzo liegt; das Schwanzende des Männchens ist gekrümmt.
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Die UaganwurniBeuohe ddr Sohftfe und Ziegen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ](gt;;gt;
Obgleich dieser Parasit in der Luftröhre und in den Bronchien des Schweines lebt, so scheint derselbe doch nur selten erhebliche Gesundheitsstörungen zu verursachen.
Bei unseren Hauskaninchen kommt in der Luftröhre und in deren Verzweigungen der „Strongylus commutatusquot; vor, über dessen Einfluss auf die Gesundheit seines Wirthes mir nichts Näheres be­kannt ist.
In der Luftröhre der hühnerartigen Vögel, zuweilen auch bei JSpechten, Elstern, Enten, Schwalben und Staaren, kommt „Strongylus s. Syngaraus trachealisquot; vor. Derselbe verursacht besonders in Eng­land Massenerkrankungen, die vielfach tödtlich enden. Am stärksten pflegt von dieser Krankheit das junge Hausgeflügel in den ersten Wochen nach dem Auskriechen befallen zu werden.
Das Männchen von Strongylus trachealis ist 4 — B Mm., das Weibchen 10 —12 Mm. lang, cylindrisch und roth. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt im vorderen Körpertheile.
8. Die Magenwumseuche.
Bei Schafen und Ziegen wird der „Strongylus contortusquot; manch­mal in grösseren Massen angetroffen und verursacht dann in Rede stehende Krankheit, die ebenfalls am häufigsten bei jungen Thieren vorkommt. Der gedrehte Pallisadenwurm ist weiss oder roth; durch die letztere Färbung des Parasiten hat die betreffende Krankheit den Na­men „rothe Magenwurmseuche'' erhalten. Unser Parasit ist an beiden Körperenden, vorn jedoch etwas mehr als hinten, verschmächtigt; seine beiden Enden sind etwas gedreht. Das Männchen wird 10 bis 16 Mm., das Weibchen 18—2U Mm. lang. Etwa ;3 Mm. vor dem Schwanzende ist die GeschlechtsoiFnung des Weibchens und neben derselben 2 ungleich lange Warzen.
Die Magenwurraseuche befällt manchmal im Frühjahre solche Lämmer, die im vorhergegangenen Sommer und Herbst die Lungen-wurmseuche überstanden haben. Ob nun irgend ein, und eventuell wel­cher Zusammenhang in der Entwicklung zwischen Strongylus filaria und contortus vorhanden ist, muss erst noch genauer ermittelt werden. Beide Parasiten sollen (nach Gerlach) gewöhnlich gleichzeitig bei ein und demselben Wirthe angetroffen werden; im Sommer sollen die Luftröhrenkratzer vorherrschen, während im Herbst und Winter neben denselben auch Strongylus contortus angetroffen wird: im Frühjahre
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Die MttgenwtinnseuohG dflv Sohftfe und Zlpgen.
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werden dann nur mehr vereinzelte Lut'tröhrenkratzer neben den zahl­reichen gedrehten FallisadenwUrmern vorgefunden.
Die klinischen Erscheinungen der Magenwurmseuche sind die eines Magendanncatarrhes. In Folge der Verdauungs- und Ernährungs­störungen findet sich bald Abnahme des Futterzustandes ein, es ent­wickelt sich ein cachectischer Zustand, dem schliesslich der Tod folgt. Sicher kann die Krankheit nur durch die Section festgestellt werden, weshalb es zweckmässig ist, bei vorhandenem Verdachte eins der am deutlichsten erkrankten Thiere zu schlachten. Eventuell findet man im Labmagen des getödteten (oder gestorbenen) Thieres den Stron-gylus contortus in grosser Anzahl.
Da wir hier den Parasiten mit Arzneimitteln leicht beikommen können, so lassen sich durch eine rechtzeitige geeignete Behandlung im Allgemeinen recht befriedigende Erfolge erzielen. Es gibt eine grössere Anzahl von Arzneimitteln, welche diese Parasiten aus ihrem Wohnsitze vertreiben. Ausseiquot; andern erweisen sich folgende als wirksam:
Stinkendes Thieröl und Terpentinöl werden zu gleichen Theilen gemischt und mit 3 Theilen Spiritus versetzt. Jedem Patienten ver­abreiche man von dieser Arznei täglich 1 bis 2 Theelöffel voll nüch­tern, nachdem vor dem jedesmaligen Gebrauche die Flüssigkeit gut umgeschüttelt worden ist.
Sehr sicher wirkt auch das ätherische Farnkrautöl, das in Gaben von 1 bis 2 Gramm jedem Lamm Morgens nüchtern verabreicht wer­den muss. Da das Mittel theuer ist, so wird es meist durch andere billigere ersetzt.
Kamala und Kousso, die früher mit Recht als bandwurmtrei­bende Mittel im Rufe standen, sind in neuerer Zeit in Misscredit ge-rathen, weil sie nur selten mehr in wirksamer Qualität bei uns zu erlangen sind.
Gerühmt wird pikrinsaures Kali, das man Lämmern in Gaben von 0,12 bis 0,30, alten Schafen bis 1,2quot;) Gramm, täglich 1 oder 2mal in dickem Schleim verabreicht. Dies Mittel wird 3 Tage nach ein­ander verabreicht.
Abkochungen von Wermuth- oder Rainfarnkraut leisten auch gute Dienste, wenn dieselben eine Zeit lang fortgesetzt, täglich 3 mal verabreicht werden.
Als Nachkur verabreiche man eine leicht verdauliche aber kräf­tige Nahrung; Körnerfutter, Schrot oder geröstetes Malz, gutes Heu
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Der bewaffnete Pallieadenwurm des Pferdes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;105
u. dergl. Von Zeit zu Zeit lege man den Reconvaiescenten kleine Dosen Viehsalz zum freiwilligen Genüsse vor.
Der „Ötrongylus armatusquot; wandert als ein Würmchen von unbe­deutender Länge in den Darmcanal der Pferde ein und gelangt von hier aus alsbald in die Gekrosarterien, woselbst er sich festsetzt und Erkrankung der Gefässwand, sowie Gerinnung des Gef'ässinhalts ver­ursacht. Hierdurch werden dann Unregelmässigkeiten in der Blut-zufnhr nach der Darmwand und dadurch Störungen der Darmthätig-keit verursacht. Der Strongylus armatus erreicht eine Länge von 18 Jim. Aus den Gekrösarterien kehrt er später in den Darm zu­rück. Kurz bevor dies geschieht, bildet sich bei demselben eine tre-panförmige Mundbewaffnung aus. Da die vordere Gekrösarterio beim Pferde weitaus den grössten Theil des Darmes mit Blut versorgt, so ist eine nicht seltene Folge der Verstopfung eines Theiles ihrer Lichtung und der Fortführung von losgerissenen Stückchen des Blut­pfropfes in ihre Seitenzweige, partielle Blutleere und Lähmung des Darmes, Kolik und der Tod.
Sehliesslich sei noch erwähnt, dass auch andere Rundwürmer unseren Hansthieren gelegentlich Schaden und Gefahren bringen können. So z. B. finden sich im Darm der verschiedenen Thierarten nicht selten Spulwürmer, die durch massenhaftes Auftreten Verknäuelung und dadurch Verstopfung des Darmlumens, Kolik und Tod verursachen können. Da aber diese Parasiten ebensowenig wie der bewaffnete Pallisadenwurm Massen­erkrankungen bedingen, so mögen an dieser Stelle die vorhin gegebe­nen kurzen Notizen genügen. Ich will dieselben nur noch dadurch ergänzen, dass ich nachstehend die bei unseren Hausthieren vorkom­menden Rundwürmer zusammenstelle und einige Repräsentanten der­selben, die auch beim Menschen vorkommen, bildlich darstelle.
An Rundwürmern kommen bei unseren Hiuistliitien im Allgemeinen vor
Bei Pferden;
Ascdris incgnloceplmla, der grossköpfige Spulwurm im Dünndärme,
Oxynris curvula, der gekrümmte Pfflemensohwanz Im Blinddärme. Der sogenannte Sohwelfgrlnd des Pferdes scheint (nnch Pflug) durch einen Juckreiz, welchen Oxynris curvula (und auch wohl andere Eingeweidewürmer) verursacht, bedingt werden zu können.
Oxynris mostigodea im Danneanale.
Filaria megnsloma im Magen in Knötchon.
Filaria microstoma ebenfalls Im Magen.
Filaria papillQsa in der Bauch* und Brusthöhle, im lgt;armcaiiale. in den Muskeln, in den Hirnhäuten und Im Auge.
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106
Die lirlviiuuien Randwürmei' unserer Hausthiore.
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Filarin lacrymulU im Tliriliieiioiinale mill in ThriiilenL'iirunlu'l. sowie zwisolien dem Auge und den Augenlidern,
Plguris retloulata im lilimldarme.
Onchoeerca reticnlata in den Muskeln und Seimen, sowie in den Arlerieu-wändeu. (In mauclien Gegenden liäullg-, in anderen sehr selten.)
Strongylus anuatus in Bliilgefiissen, im Dnnneanale, in der Banchspeiehel-driise und im Ilodensacke.
Strongvlus lelracanthus im Ulind- und Zwöllliiigerdarme.
iStrongylus micrurus in der •Luftröhre und ihren Verzweigungen.
Kustrohgylus gigas in den Nieren. (Fig. 48.)
Beim Rinde:
Asearis meselocephala i
inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;/
Kilaria lacrvnialisnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f • i • !gt;,#9632; i
•'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ) wie heim Pferde.
,, papillosenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |
Kustrnngylus gigas '
Spiroptera acutata in den Sohlundhäuten,
Strongylus micrurus in der Luftröhre und ihren Verzweigungen.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;radlatus im ZwölfQngerdarme.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;intlatus im Dünndärme.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vcntrieosus im Dünndarme.
Trichooephalua afflnis im Dickdarme.
Trichina splralis im Üarmennale und in den Jluskcln (selten). Kematodum Jiovis lauri in der wässerigen Fenohigkeit des Auges.
Beim Schafe:
Ascaris ovis (Rudolphi) im Danncanale. Blonodontus l'Wedlii) im Dünndärme. Strongylus hypostomus im Darmcanali'.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; contortue im Magen.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; cernuus im Dünndärme.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fllicollls ,.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; fllaria in der Luftröhre und ihren Verzweigungen,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; rufescens in den Lungen.
Kematoideuni Ovis ])ulnioiinle in den Lungen in Follikeln. Trichocephalns afflnis im Dickdarme. Trichosoma papillosum im Danncanale.
Be i d er Ziege : Strongylus conlortus, cernuus, fllicollls, hypostomus und filaria, so wie Tnchoceplialus afflnis wie beim Schafe.
Strongylus venulosus im Danncanale.
Be im S c h wei n e : Ascaris lumbricoides im Dünndärme. (Fig, 44.) Oesophagotonuim sulnilatnm in der Lebet' und im Danncanale. Strongylus paradoxus in der Luftröhre und ihren Verzweigungen. Filaria strongylina im Magen. Globocephalus loiigemucromitns im Danncanale. Cheirooanthns liispidus frei In den Magenwänden,
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Die bekannter. Rundwürmer unsei'er Uau.stiueiv.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; [()7
Fig. 44.
Filaquo;. 34.
Eustrougylus gi^as^ Mauuchen in uatürl.
CS rosse, a Kopfende, b Schwauzeude mit
vorgestrooktem Spimilum.
Afloai'la lumbrieoidefi
A.nbsp; Weibchen
B.nbsp; Männchen
in natürlk-her Qrnaae, a Weibliche CreschleohtB-
üft'uuug, b Köpfendraquo;'mit '.i Lippen
(vergrossort). 0 dif beiden SpiouU des
Männoheiirt.
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10Snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die bcknnateu Ruudwilnuei' unserer HauslUiere.
Simondsia paradoxa eingekapsell iraquo; den Uagenwänden. Triohocephalus orenatuB Im Dickdarme.
,.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uisimr im Bllnddai'tne,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fig. 47
Fig, 45.
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A Trlohooophalns dispur,
Mänut'hen (oben) und Woibohetl
(tmtetl) in natürl. ^rüssp.
B Ei vun Triehü-
oephftlUB dispar,
Uöüinal vorgrossert.
(Hellei-.)
Stephannrus dentätus im Fett eingekapselt. Trichina spiralis ImDarmcanale und in flen Muskeln. Bcliinorhynchus f.rif,r(is im Dünndärme.
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Fig. 4ii.
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Ascjiris mystay in uatürlicher firosse. A Männchen, B Weibchen. iXach Lonckart.)
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Beim Bande;
Ascaris mystax
Strpngylas triffonocephaias r ,,
,„ . 0* , , ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gt; Im Darmcanale,
iTigonocephalus depressiculus (
llemistonmm alatuni
Kiifitrongyhis gigas in lt;loii Nieren.
Triohosoma plica in der Harnblase.
Nematoidcum canis lamiliaris im Schlünde,
Trichina spiralis in den Muskeln und im Darmcanale,
Trichina afflnls in den Muskeln.
Filnrin sanguinnlenta eingekapselt im .Magen und Schlund; die Embryonen im Blute.
Filaria trispinulosa im Glaskörper des Auges.
Filaria Immitia in der rechten Berzhftlfte und in den Gelassen.
Filaria oder Dracunculus medinensis Im Bindegewebe.
Kilaria (s. Dt mcdilionslH (irnsse. (Natrl
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Einige Zweiilflgler und deren Larven,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;109
Be i der K uiv.n :
Ascaiis myslax im Düiuidamn'.
Oxyuris compftr „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.,
Ollolulans trloasple in laquo;Ich ttogenwänden.
Trichosoinii l'elis eiiti in dw Uiiniblasc.
Triclüiia spiralis in dt'ii Muskeln und im Dftrmoanale, Beim Ka uiuc h 011 ;
Oxyuria amblgua im Dickdarme,
Ti'lobooephalus uugutoulatus im Biinddarme,
Strongylus oommutatus in der Luftröhi'e und ihren Verzweigungen,
Eclunorhyncduis oaniouli im Dünndimne.
Uie Vogel, namentlich auch unser Bausgeiliigel und unter diesem beson­ders die Hühner, beherbergen eine so grosse Anzahl versohledeuer Platt- und Rnndwüruior, dnss ieh auf deren AnlV.ahluug an dieser Stelle verzichten muss.
D. Zweiflügler, resp. deren Larven.
Die Zweiflügler (Uipttraj, gemeinhin auch wohl Fliegen genannt, gebären theils lobendige Jungen; andernthoils legen sie Eier, aus welchen die Embryonen erst nachträglich hervorgehen. Diese haben bestimmte Verwandlungen durchzumachen, bevor sie ihre vollkommene Ausbildung erlangen. Zunächst bildet sich aus dem Embryo eine Larve, aus dieser die sogenannte Tonne oder Puppe, aus welcher schliesslieh das mit Flügeln versehene Insekt aussehlüpft.
Im Allgemeinen ist der Entwicklungsgang hierbei folgender: Die Larven fressen viel und oft, wachsen rasch und häuten sich mehrmals; die ganze Lebensenergie ist bei denselben auf die Anhäu­fung von Material für künftige Neubildungen gerichtet. Haben sie genug Material gesammelt, so verfertigen die mit tSpinndrüsen ver­sehenen ein Gespinnst um sich herum, innerhalb dessen sie ihre Haut abstreifen und in die Puppe sich umwandeln. In anderen Fällen er­härtet die Körperhaut und die Puppe bildet sich innerhalb derselben. Dieses Entwicklungsstadium besteht scheinbar in regressiven Prozessen. Denn während des Puppenschlafos zerfallen die früher gebildeten Organe und Gewebe bis auf wenige Zellkerne, so dass die Puppe gelegentlich einem Trümmerhaufen gleicht. Aus diesem aber entsteht nun in Folge einer Reihe von Neubildungen schliesslieh das vollkom­men ausgebildete Insekt, welches aus leicht erklärlichen Gründen in der Regel kleiner ist, als seine Larve. Die Verwandlungen in der Tonne erfordern 4 bis (i Wochen Zeit.
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Die Sohleuderkrankheit der Sobafo,
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Die Embryonen einiger Fliegen wachsen an irgend einer Stelle im Körper unserer Hausthiere zu weiter entwicklungsfähigen Larven heran und verursachen dadurch mehr oder weniger erhebliche Krank-heitszustände ihrer Wirthe. Die Bedeutung dieser Gesundheitsstörun­gen wird zum grössten Theile durch den Ort bestimmt, an welchem die Parasiten ihre Wohnstiitte haben. Dieselben belästigem ihren Wirth bald ganz erheblich, bald wenig oder gar nicht.
Für uns sind hier von Wichtigkeit:
a)nbsp; die Schaf bremse,
b)nbsp; 4 verschiedene Pferdebremsen und
c)nbsp; die Hautdasselfliege (Biesfliege) des Rindes.
Erstere kommt hier in erster Linie in Betracht, weil sie eine gefährliche Herdekrankheit unter den Schafen zu erzeugen vermag. Es ist dies
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9. Der „Bremsenschwindelquot; oder die „Schleuderkrankheitquot; laucli ..Horn-wurmkranklieitquot; genannt i der Schafe.
Diese Krankheit wurde nicht selten mit der Drehkrankheit ver­wechselt und in neuerer Zeit ebenso irrthümlich mit der Traber­krankheit identificirt. Sie wird bedingt durch die Larven der Schaf-brerase (Oestrus ovis), wenn dieselben in grösserer Menge sich in den Stirnhöhlen und Hornzapfen, sowie in den Oberkieferhöhlen ange­siedelt haben, wo sie namentlich zur Zeit ihi'er vollkommenen Reife durch ihre Bewegungen und Mnndhaken eine starke Reizung der Schleimhäute dieser Höhlen verursachen, wodurch consensuell Grehirn-erscheinungen hervorgerufen werden. Fragliches Leiden kommt am häufigsten in den Monaten März bis Mai vor und ist im Allgemeinen durch folgende Erscheinungen gekennzeichnet:
Nasenausfluss, häufiges Niesen und Schnauben, durch welches Schleim und auch wohl Bremsenlarven ausgeworfen werden, öfteres Ueberbeugen des Kopfes nach hinten, oder Schütteln desselben von einer Seite zur andern fSchleudern), Reiben der Nase an festen Ge­genständen, oder Ueberstreifen derselben mit den Vorderfüssen, Ca­tarrh der Augenlidbindehaut, Thränonfluss, zeitweiliges Hin- und Her­taumeln der Thiere, höheres Heben der Vorderfüsse beim Gange (Traber) wie beim Waten durchs Wasser. .Manchmal werden die Larven nach und nach sämmtlich ausgestossen, wobei die Krankheits-erscheinungen sich verringern und schlieslich vollständig verschwinden;
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Die Öchleuilerkriiuklu'it der Sflialcnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; JH
in anderen Fällen jedoch lassen die Thiere vom Fressen nach, magern schnell ab, knirschen mit den Zähnen, verdrehen die Augen, schäu­men aus dem Maule, athmen schneller, bis oft schon ü bis 8 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome namentlich bei jüngeren Individuen unter schweren Leiden der Tod eintritt.
Bei der Section finden sicli in den angegebenen Kopfhöhlen zahlreiche, lebende, von Schleim und Eiter umgebene Bremsenlarven; die Schleimhaut ist bedeutend geschwellt oder hypertrophisch, ge-röthet und von Blutextravasaten durchzogen, die Hirnhäute sind hyper-ämisch, getrübt.
Die Prognose ist nur bei geringerem Grade der Krankheit günstig, bei höherem Grade indess sehr zweifelhaft oder ganz un­günstig.
Die Therapie hat zunächst die Aufgabe, den Auswurf der Para­siten anzuregen und zu befördern, was durch Niesmittel, Einspritzen von Wasser mit Hirschhornöl oder einer Auilösung von Hirschhorn­salz in Wasser (1: 16), Anbohren der Stirnhöhlen, Absägen der Hör­ner nahe an ihrer Wurzel und Einspritzen eben genannter Flüssig­keiten geschehen kann. Auch können Schwefel- oder empyreuma-tische Dämpfe versucht werden.
Als Niesmittel können benutzt werden: Weisse Js'ieswurz, Schnupftabak, Baldrianwurzel u. a. m. Man bringt das gewählte Mittel den Schafen entweder mit den Fingern oder mittelst eines Federkiels in die Nase, oder streut dasselbe (natürlich im fein pul-verisirten Zustande) auf das Futter.
In höheren Graden des Leidens darf mnn mit der Trepanation der beiden Stirnhöhlen, Herausnahme der Larven und nachheriger Reinigung mittelst lauwarmen Wassers nicht allzu lange warten. Die Hautwunde heilt meist auf dem Wege der ersten Vereinigung. Aber auch durch die Trepanation wird in der Regel nicht viel erreicht, weil es nur ausnahmsweise gelingt, sämmtliche in den Stirn- und übrigen Kopfhöhlen vorhandenen Larven zu entfeinen. Die Operation ist deshalb auf werthvolle Thiere zu beschränken.
Als Vorbeugungsmittel hat man das Bestreichen der Nasen­löcher der Schafe mit stinkendem Thieröle oder mit Theer empfohlen, was selbstverständlich Morgens vor dem Austreiben während der war­men Sommermonate (Ende Juli bis Ende September), wo die Schaf-bremsen am häufigsten schwärmen, geschehen muss.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Larven der Schafbremse, ähnlich wie die der Pferdebremse, sehr zählebig sind und durch An-
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Die Sohafsbratuse.
wenduDfl der erwähuten Niesmittel nur in den ersten Stadien ihrer Entwicklung vertrieben werden können.
Die Schat'bremse Oestrus ovis (Fig. 48) ist eine kleine g-elbgraue
Fig. 48,
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Hchafbi'smse (Oestrua ovis!. A EMlsge (Welbolieu)i B Larve im Stau stiulium der Eutwloklung.
P'liege, 10— 13 Mm. lang, welche in Wandlöcheru und Ritzen des Holz­werkes der Schafstiille. aber auch im Freien an Waldrändern, im Gre-striiueh etc. sich aufhält. Wie alle Bremsen Hiegeu sie nur bei trocknem und warmem Wetter, besonders um die Mittagszeit und zwar in den Monaten Juli und August. Die befruchteten Weibchen suchen die Schafherden auf, um ihre Eier oder die wahrscheinlich schon im Eileiter vorhandenen jungen Larven in die Nasenlöcher der Schafe zu spritzen, was ihnen bei älteren, schon mehr erfahrenen Schafen weniger leicht wird, als bei jungen, unerfahrenen Schafen. Obgleich diese sich alle Mühe geben, durch Keibeu der Nase auf dem Boden oder an den Beinen, Schütteln des Kopfes etc. die Larven wieder los zu werden, so gelingt ihnen dies fast nie. Die anfangs sehr kleinen haarförmi-gen Larven kriechen auf der Nasenschleimhaut nach aufwärts, um zwischen den Diltenbeineu, besonders aber in den Stirnhöhlen und in den Höhlen unter dem liornfortsatze der Stirnbeine, oder auch in den Oberkieferhöhien noch 2 weitere Entwickluugsstadien durchzu­machen. Die Larve ernährt sieh von Schleim und Serum; sie bedarf zu ihrer vollen Entwicklung !• Monate und erreicht, eine Cxrösse von 22 bis 28 Mm. Sind die Larven reif, so wandern sie nach aussen, oder werden durch Niesen der Schafe herausgeschleudert: ihre Ver­puppung erfolgt in der Kegel innerhalb 24 Stunden. In der Tonne
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Die Bremsen des Pferdes.
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wird innerhalb 42—48 Tagen die Fliege vollkommen ausgebildet, worauf sie die Tonnenschale sprengt und dadurch frei wird.
Von geringerer Bedeutung für die Pathologie sind „die Pferde-Dasselfliegen und die Rinds-Dasselfliegen.quot; Erstere sind Schmarotzer, welche ihren Jugendzustand im Innern des Pferdes zubringen, wäh­rend letzere ihr Larvenstadium im Unterhautbindegewebe des Rindes durchmachen. Die Pferdobremsen kommen in verschiedenen Varie­täten vor.
1) Die Magenbremse dos Pferdes (Grastrus s. Gastrophilus equi), 11 Mm. lang, rostgelb, mit etwas rauchig trüben Flügeln,
Flg. 49. Anbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;0
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Magenbremse aoh Pferdes (Gastrophtlua equii.
A FIIoko (Siamiolum), II Luve im 3. Stiulimn dor Eutwioklnng
o Larve von Ctastrophilua haoniorrhuiiliiliK im 8. Sta­dium der Kntwirklnng.
welche durch eine braune Querbinde und 2 braune Flecken an der Spitze ausgezeichnet sind. Die grosse Magenbremse hat eine gewisse Aehnlichkeit mit Bienen und fliegt wie diese mit deutlich wahrnehm­barem Gesumme umher. Dieselben schwärmen um die Mittagszeit im Sommer, besonders von Ende Juni bis Anfangs October. Das Weibchen setzt seine aussen klebrigen Eier auf die Haut der im Freien sich aufhaltenden Pferde ab; ein einzelnes Weibchen soll gegen 700 Eier beherbergen. Gelangen solche Eier, oder die bereits aus denselben ausgeschlüpften Embryonen, in den Magen des Pferdes, so erlangen sie in diesem, resp. im Dünndarme, als Larven ihre Reife (innerhalb etwa 10 Monaten) und gehen von Mai bis October, vor­zugsweise im Juli und August, mit dem Kothe ab, graben sich in die
P ii tz, Lohrbnch der iutstockonrinii ThlerktAHltheltetl.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ft
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Dio Bremsen des Pferdes.
Erde, Pt'erdemist etc. ein, woselbst sie sich innerhalb 24 Stunden ver­puppen. Aus der erst bräunlichen, später schwarzen Tonne (Nymphe oder Puppe) geht nach 28—40 Tagen die ausgebildete Fliege hervor. Die Larven sind erst fleischroth, später gelbbraun und werden 17,6 bis 1!gt; Mm. lang. Leib geringelt; Mund bewaffnet.
Die Larven bohren sich in die Schleimhaut des Magens und Dünndarmes ein, saugen Blut und Serum, ohne für gewöhnlich auf­fallende Störungen zu verursachen.
2)nbsp; nbsp;Die Viehbremse (Gastrus a, Gastrophilus pecorum), schwarz­braun, 12—15 Mm. lang, mit kleinen rauchfarbigen Flügeln, welche ihre Eier ebenfalls in die Haare der Pferde und ausnahmsweise auch der Rinder legt. Die blutrothen Larven im Darmtractus werden 14 Mm. lang und gehen meist im Juli und August, selten schon im Mai und Juni, mit dem Kothe ab, nachdem sie einige Zeit im Mast­därme sich aufgehalten haben. Nach 4 bis (i Wochen ist dann die Metamorphose beendet, indem aus der schwarzen Tonne die Fliege hervorgeht.
3)nbsp; Die Mastdarinbremse (Gastrus s. Gastrophilus haemorrhoidalis), 10 Mm. lang, Hinterleib an der Wurzel weissgrau, in der Mitte schwärzlich, am Ende rothgolb, Rückenschild schwarz, dessen vorderes Drittel mit rothgelben, übrigens mit schwarzen Haaren besetzt. Beine gelb oder gelbbraun; Flügel glashell; schwärmt vorzugsweise im Juli und August und legt ihre Eier an die Haare der Lippen und Nasen­ränder, besonders an die Fühlhaare.
Die Larve bildet sich zuweilen im Schlundkopfe, meist im Magen und Dünndarme, in den letzten Wochen stets im Mastdärme aus. Länge derselben 14—Iti Mm.; sie ist anfangs roth, später blaugrün.
Aus den braunen Tonnen schlüpft nach 28 bis 42 Tagen die Fliege aus. (S. deren Larve Fig. 49 G.)
4)nbsp; Die Nasenbremse (G. s. Gph. nasalis), 12 Mm. lang, Larve 13—14 Mm. lang, hellgelbbraun, walzenförmig; hinten etwas dicker als vorn. Die Larven gehen mit den Excrementen ab und wandeln sich nach 30—42 Tagen in die ausgebildete Fliege um.
Die verschiedenen Bremsenlarvcn des Pferdes verursachen in der Kegel keine erheblichen Gesundheitsstörungen. In seltenen Fällen durchdringen sie die Schleimhaut oder gar die sämmtlichen 3 Häute des Verdauungscanales und dringen dann in die freie Bauchhöhle vor. Diesem Ereignisse folgt dann regelmässig eine tödtlich endende Ent­zündung der Verdauungsorgane, des Bauchfelles etc. — Zuweilen ver­letzen fragliche Parasiten eine Arterie des Verdauungscanales, wodurch
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Die Rindsbremse.
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eine mehr oder weniger erhebliche Blutung oder gar eine Verblutung des betreffenden Thieres herbeigeführt werden kann. — Durch Grastrus-larven, welche in der Rachenhöhle sitzen, können verschiedengradige Atheinbeschwerden verursacht werden.
Alle Broiusenlarven sind sehr zählebig, so dass gegen die im Verdauungscanal sitzenden mit Arzneimitteln nichts auszurichten ist.
6) Die Hautdasselfliege (Oestrus, die Ochsen- oder Kinderbies-fliege, Oestrus bovis s. Hypoderma bovis) istraquo; schwarz und dichtbe-
Flg. 50.
fffimfe
Uhulabreniae Üestrue s. Hypoderma bnvis, A Fliege (Wcibclien), B Larve im chitten Stadium äer Knlwii'klimg, (; Puppe (Tonne).
haart, 15 — 17 Mm. lang, sie schwärmt im Juni bis September und legt ihre Eier auf die Haut der Rinder (selten auch des Pferdes, Esels und Schafes). Ein einziges Weibchen soll so viele Eier ent­halten, dass es eine ganze Herde mit solchen versehen kann. Die Embryonen dringen in das Unterhautbindegewebe, wo sie ca. 9 Mo­nate verweilen, von Lymphe und Eiter sich nähren, bis die Larve herangereift und etwa 28 Mm. lang und etwa halb so breit gewor­den ist. Wenn die Larven eine gewisse Grosse erreicht haben, bil­den sich die sog. Dasselbeulen, welche eine rundliche Oeffnung in der Haut zeigen, in der das hintere Leibesende sichtbar wird. Im Mai oder Juni schlüpft der Parasit meist Morgens zwischen 6—8 Uhr aus dem ihn umschliessenden bimlogewebigen Sacke.
Nur bei grosser Anzahl (50—100 u. rn. Stück) werden diese Parasiten durch Beeinträchtigung der Ernährung und der Milchsecretion
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iSpimientlüere.
60 wie Durchlöcherung der Haut schädlich. — Das Ausdrücken dor Larven ist selten nothwendig und die Anwendung von Arzneimitteln nicht rathsam.
E. Spinnenthiere.
Zwei in ihrer Lebens- und Entwicklungsgeseliichtc sehr ver­schiedene Gruppen vpn Spinnenthieren werden bei unseren Hauslaquo; säugethieren und dem Menschen Ursache von Krankheiten.
Die Spinnen sind Gliederthiere, deren Kopf und Brust meist verschmolzen sind. An diesem sogenannten „Cephalothoraxquot; sitzen sämmtliche (8) Beine. Die Geschlechter sind in dieser Thierreihe (mit einer einzigen Ausnahme) getrennt. Aus der Classe der Spinnen kommen hier nur in Betracht: die Milben und die sogen. „Wurm­spinn enquot;.
1. Die Wiirmsphnicn.
Es sind dies wurmartige Thierc ohne besondere Respirations­organe mit geringeltem Körper und getrennten Geschlechts. Der Typus der Gliederf'usser ist bei denselben nur im embryonalen Zu­stande vorhanden. Es gehören hierhin:
Die Pentastomon (Eünflöcher) wurden bis in die neuere Zeit zu den Eingeweidewürmern gezählt und zwar zu den Saugwürmorn gestellt, bis van Beneden den Arthropodentypus des Embryo nach­wies. Die Jugendform kommt besonders in Lunge und Leber pflan­zenfressender Säugethiere und des Menschen vor, ausgewachsen in der Nasen- und Rachenliöhlo der Fleischfresser. Die Embryonen haben eine vollkommene Metamorphose zu durchlaufen, wobei sie allmählich eine wurmähnlichc Gestalt und die volle Gosehlocbtsreife erlangen.
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10. Die durch das baudwurmähnliche Fünflocli bei unseren Hausthieren (und beim Menschen) verursachten Kraukheitszustände.
Bei unseren Hausthieren kommt das bandwurmälmiiehe Fünflocli (Peutastoma taenioides) vor. Die Männchen desselben werden in der Regel 16 — 80 Mm,, die Weibehen 80—85 Mm. lang: erstero
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Das baudwurmälniliclii' Fiinl'locli.
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werden vorn ca. 3 Mm., letztere ca. 8 Mm. breit; nach hinten ver-schmälern sich beide. Der Leib ist durch zahlreiche (ca. 90) Ringel segrnentirt. Die Weibchen sind ungemein fruchtbar; ein einzelnes
Fig. 51.
PcutaBtoma taonloldes. A Embryo nach Entfernung tier Elhüllen,
b Anegovraohaeoea fixemplar.
Exemplar soll nach Leuckart 500,000 Eier in seinem Innern bergen. Gelangen diese in den Magen pflanzenfressender Säugethiere (der Kaninchen, Hasen, Ziegen, Schafe, Rinder etc. oder auch des Men­schen), so wird die Eischale gelöst; die mit Bohrwaffen versehenen Embryonen durchsetzen die Darmwand und gelangen mit oder ohne Blutstrom weiter. An ihrem Ansiedlungsorte werden sie von der Nachbarschaft encystirt. In der Cyste vollziehen sich wiederholte Häutungen und Organisationsveränderungen. Während der ersten (5 Monate liegen diese Parasiten bewegungslos, bis sie, im 7. Monate etwas beweglich geworden, schliesslich die sie umgebende Kapsel durch-
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Das brinrtwiirmähnliche Fünfloch,
brechen. Sie siud inzwisclien 4 bis 5 Mm. lang und an der breitesten Stelle 1,2 bis 1,5 Mm. breit geworden. Ihr Körper ist reichlich mit Stachelkränzon und Haken besetzt, weiche sich erst gegen das Ende des Ruhezustandes der Jugendform unseres Parasiten, der in diesem Stadium früher Pentastoma denticulatum (gezahntes Fünfloch) ge-
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Fitr, 52.
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Kopfende vm Pentastoma denUoulatnm,
vorgr. 40. Aus Perle Allg, Pathol, II. Th.
Pentastoma doutioulatum.
nannt und für eine besondere Art gehalten wurde, bilden. Mit Hülfe dieses Bewegungsapparates durchsetzen die Larven die von ihnen bis dahin bewohnten Organe in verschiedener Richtung, wobei diese viel­leicht mehr oder weniger zerstört werden, Auf diese Weise gelangen die Larven zunächst in die betreffende Leibeshöhle, aus der sie nicht selten wieder in die Eingeweide, besonders in die Gekrös- und andere Lymphdrüsen einwandern. Bei der Grössc und Beschaffenheit der Larven kann es nicht befremden, dass die in Folge ihrer Wanderung eintretenden Störungen und Reizungen bisweilen so beträchtlich wer­den, dass die Wirtbe daran zu Grunde gehen. Dessenungeachtet ist die dadurch verursachte Krankheit während des Lebens nicht genau zu diagnosticiren.
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Das baiidwunmllmliohe Fiinfloch bei Hunden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i\\)
Wird mm ein mit Pentastoma denticulatmn behafteter Wirth von einem Hunde oder von einem anderen Raubthiere aufgefressen, so wandern jene (vorausgesetzt, dass sie nicht mehr eingekapselt waren) direct durch die Nasenlöcher (vielleicht auch aus der Rachen­höhle durch die Choanen) in die Geruchshöhlen ein, um hier schliess-lich die volle Geschlechtsreife des Pentastoma taenio'i'des zu er­langen.
Nachdem die Parasiten ihre Wanderung vollendet haben, ver­schwinden die Stachelkränze und Haken, welche der Jugendform zu der Bezeichnung des gezähnelten Fünfloches verhelfen haben, gänzlich, oder werden doch bedeutend reducirt.
Dieser Parasit kommt in manchen Gegenden häufig in den Kopf-Lufthöhlen der Hunde (auch des Wolfes und anderer Thiere), zu­weilen auch im Kehlkopfe fraglicher Thiere vor. Einzelne Exemplare verursachen in der Regel einen starken Catarrh der betroffenen Schleim­häute, während die Anwesenheit vieler derartiger Parasiten Anfalle von Tobsucht und Raserei hervorrufen, so dass Hunde leicht für wuth-krank gehalten werden können.
Eine medicinische Behandlung ist hier ebensowenig erfolgreich, wie beim Bremsenschwindel der Schafe. Eventuell mag man auch hier Niesemittel, Räucherungen oder die Trepanation versuchen.
Die Vernichtung dieser Parasiten in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung und zwar am einfachsten durch Verbrennen der­selben, darf nicht unterlassen werden. Auch der Mensch kann (durch Belecken der Hunde etc.) leicht inficirt werden. Die Larven des Pen­tastoma taenioides sollen beim Menschen häufig in der Leber, im Dünndärme und Magen, so wie in der Lunge, in der Milz und in den Nieren lebend oder verkalkt angetroffen werden. Ueber einen schäd­lichen Einfluss des Pontastoma denticulatum im menschlichen Körper ist zur Zeit nichts bekannt. Nach Leuckarts Versuchen an Thieren soll es indess enorme Zerstörungen anrichten, wenn es in grösserer Zahl in einem Organe vorkommt.
Das Pentastoma denticulatum ist nach Gerlach's Angaben sehr lebenszäh, so dass es bis zu einem gewissen Grade eintrocknen und doch entwicklungsfähig bleiben kann; in verfaulten Cadavertheilen erhält es sich wenigstens 19 Tage lang lebendig.
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Die Kaudt- oder Krutzmilbtn.
i f.
II. Die Milben
bilden die 4. Ordnung der Spinnen.
Bei denselben ist der Cephalothorax mit dem Hinterleibc ver­wachsen. Die Mundwerkzeuge sind Kau- oder Saug-Organe. Die Jugendforin besitzt nur :j Fusspaare. Viele Milben sind Parasiten.
Uns intereasirt hier nur die Familie der t'ig- 53.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Acariden, welche eine grosse Zahl der Haut-
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parasiten unserer Hausthiere enthält. Die Füsse derselben sind oft mit Haftscheiben besetzt; die Augen fehlen. Ein vorzugsweises Interesse haben für uns die Krätzmilben, welche in Balgmilben, Grabmilben, Saugmilben und in Hautschup­pen fressende Milben unterschieden werden.
a. Die Balgmilben.
Zu denselben gehört die Haarsackmilbe, Acarus folliculorum, welche besonders häufig bei Hunden, aber auch bei Katzen, Schafen und beim Menschen vorkommt. Dieselbe ist wurmförmig, hat ein stumpf-kegelförmiges vorderes und ein zugespitztes hinteres Leibesende. Der Vorderkörper ist dick, kolbig und mit 8 dreigliederigen Beinstummeln versehen, deren jeder 3 Häkchen oder Krallen
besitzt.
Acarus follk-ulorum
Vergr. ca. 300.
Aus Perls Allg. Path.
11. Th.
Der Hinterkörper ist unbehaart, quergeringelt. Der Kopf ist leierförmig, mit 2 Palpen, einem
II
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cylindrischen Rüssel und einem fast 3 eckigen Stech­oder Grab-Organ bewaffnet. Die Eier dieser Milben sind spindelför­mig, ihre Larven besitzen ebenfalls nur (3 Beine.
Die Balgmilben wohnen, oft zu vielen Exemplaren, in den Haarbälgen, aber auch in den Ausführungsgängen der Hautdrüsen.
Beim Menschen finden sie sich als sog. Mitesser (Comedones) besonders häufig bei Jünglingen.
b. Die Grabmilben (Sarcoptes)
bohren Gänge in die Haut und saugen Blut; sie werden in der Kunst­sprache „Sarcoptes-Milbenquot; genannt. Sie dringen oft ziemlich tief in die äussere Haut und sogar in Organe unter der Haut ein, wes-
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Die Kaude- oder Krutzmilbcn.
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halb ihnen mit Arzneimitteln weniger leicht beizukommen ist, als den auf der Haut lebenden Milben und anderen Parasiten. Ueberdies können alle Arten der Grabmilben von Thieren auf den Menschen
Flg. 54.
Axisyebildetea Sarcuptes-MäuiK'hen IUiui hlhicli''), Vergr. 200. Aus Hebra's Atlas der Hautkrankhelteii.
Ausgoblkletes Sarcoptes-Weibclieu (Uückeuaäche).
Von den 4 Hinterbeinen sieht man nur die Borsten.
Vergr, MO.
übergehen und bei diesem eine bald mehr, bald weniger hartnäckige Krätze erzeugen.
Obgleich beim Menschen das Vorhandensein eines Thieres in den Krätzepusteln vielleicht schon den griechischen und arabischen Aerzten bekannt gewesen sein mag, so ist doch die Erkenntniss der Bedeutung der Krätzmilben eine Errungenschaft unseres Jahrhunderts. Zwar haben Bononio und Cestoni bereits im Jahre 1087 und Wich­mann im Jahre 178G auf das Verhältniss der Krätzmilbe zur Krätze aufmerksam gemacht. Nichtsdestoweniger erhielt sich bei sehr vielen
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Die Rande- rxior Kinlzinillien.
und selbst bei bedeutenden Aerzten bis in das 5. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts die Ansicht, dass die Krätze die Folge einer Schärte im Blute sei. (A u. B der Figur 54 können zur Demonstration der wesentlichsten Merkmale der Grabmilben dienen.)
Alle Grabmilben sind Blutsauger und am thätigsten, wenn ihr Wirth sich an einem warmen Aufenthaltsorte befindet. Sie plagen deshalb Mensch und Thier in der Regel am meisten während der Nacht. Dies gilt übrigens nicht allein für die Grabmilben, sondern auch für alle übrigen Milben.
Die Gänge in der Haut werden von den weiblichen Sarcoptiden gegraben, welche letzteren in jene ihre Eier ablegen; aus diesen ent­wickeln sich dann zunächst diö Larven, welche nach verschiedenen Häutungen zu geschlechtsreifen Grabmilben sich metamorphosiren. Nach Schmarda soll bei der Krätzmilbe des Menschen (S. scabiei) die letzte Häutung 48 Tage nach der Geburt aus dem Eie erfolgen, jede Häutung 6 Tage dauern und mit 48 Tagen die Fortpflanzung der jungen Generation beginnen.
Bei den Sarcoptiden unserer Hausthiere werden die Eier in 4 bis 7 Tagen reif und die aus denselben ausschlüpfenden Larven er­langen schon nach 14 Tagen die Geschlechtsreife. Die Fruchtbarkeit der Grabmilbenweibchen ist sehr gross; ein einzelnes Exemplar soll in 8 Monaten seine Nachkommenschaft auf 1 ljt Million bringen können.
Für die Tilgung der Räude und Krätze ist die Kenntniss der Thataache von Werth, dass Eier und Milben bei einer Temperatur von über 50deg; C. zu Grunde geiien; an feuchten, massig wannen Orten bleiben die Eier etwa 4 Wochen lang keimfähig: grosser Trockenheit ausgesetzt, sterben sie, so wie die Milben, bereits inner­halb 8 Tagen.
Der Kopf der Grabmilben ist hufeisenförmig und vom Körper abgesetzt. Die bei den herangereiften Individuen vorhandenen 4 Paar fünfgliederigen Beine sind mit Krallen bewaffnet. Das Männchen besitzt, wie das Weibchen, an den beiden ersten Fusspaareu je eine auf einem Stiele sitzende Haftscheibe; ersteres hat auch am 4. Fuss-paare eine solche; am 3. Fusspaare (beim Weibchen am 3. u. 4.) sind statt ihrer lange Borsten vorhanden.
Bis jetzt sind 4 verschiedene Sorten Grabmilben bekannt.
1)nbsp; nbsp;Die gewöhnliche Grabmilbe, Sarcoptes communis, bei Mensch, Pferd und dem neapolitanischen Schaf beobachtet.
2)nbsp; Die schuppentragende Grabmilbe, S. squamiferus, besonders häufig bei Hund und Schwein, aber auch bei Ziegen, Schafen, Ka-
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Die Räude- oder Krätzmilben.
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ninchen und Dammhirschen beobachtet. Sie scheint bei Uebertragung auf den Menschen eine sehr hartnäckige Krätze hervorrufen zu können.
Fig. 55.
Kln Mllbongaug mit einer weiblicheu Sarcoptes-Milbo , in dorselbon ein Ei uii'J 9 Eier bintar derselben. Vergr. ca. 70. Aus Perls Allg. I'athol. II. Th.
3)nbsp; Die Grabmilbe der Ziege, 8. caprae.
4)nbsp; Die kleine Grabmilbe, S. minor, bei Katzen und Kaninchen beobachtet.
Die durch Grabmilben verursachte Räude beginnt in der Regel
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Die RiUult;- oder Knitzmilbcii.
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an einzelnen Stellen, von wo aus sie sich allmählich über den ganzen Körper verbreiten kann. Nach erfolgter Ansteckung resp. Ueber-wanderung einzelner befruchteter oder mehrerer Milben verschiedenen Geschlechts entsteht an den betreffenden Stellen zunächst eine leichte und oberflächliche Hautentzündung. Es bilden sich kleine Knötchen, welche sich in etwa stecknadelkopfgrosse Bläschen umwandeln, nach deren Platzen die exooriirten Stellen sich mit graubraunen Schorfen bedecken. An den kranken Stellen kleben die Haare zusammen und fallen später aus. In Folge des Scheuerns und Nagens werden die kranken Hautstellen blutrünstig; es bilden sich Geschwüre und Risse und schliesslich Verdickungen der Haut, wobei diese sich in Falten legt. Bei Schweinen, Ziegen und Schafen ist sehr häufig der Kopf vorzugsweise der Sitz des Ausschlags; ebenso bei Katzen und Kaninchen.
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Die Saugmilben (Dermatocoptes).
Fig. 66.
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Dermatocoptcsnillben oa IT'Omal vergrüßBert. A Männchen (Ba\icliflä(lio, B Weibchrn (Itillokon-flaOhO), laquo; quot; raquo; a (Teeclileclitgcyliiidcr, b b SofcWUlZBchnppe äcopy;8 Mäimcheus.
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Die Räufie- odor Krätzmillmn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 25
Dieselben ernähren sieb von Serum und Blut, so wie von jungen Epidermissehuppeu. Da sie keine Gänge graben, sondern auf der Haut ihres Wirthes leben, so ist durch die Länge ihres kegelförmig zugespitzten Kopfes, an welchem 2 Kiefer stark hervortreten, dafür gesorgt, dass sie diese tief genug in die Haut einsenken können, um Blut und Serum zu saugen. Die-sämmtlichen 1 Fusspaare tragen beim Männchen Haftscheiben, die jedoch am 4. Fusspaare verkümmert sind und beim Weibchen am 3, Fusspaare ganz fehlen. Das Männ­chen besitzt am hinteren Körperende 2 zapfenähnliche Vorsprünge, welche mit Borsten besetzt sind und zum Festhalten beim Coitus dienen.
Bis jetzt kennt man 2 verschiedene Sorten Saugmilben, nämlich:
1)nbsp; nbsp;die gemeine Saugmilbe, Dermatoooptes communis, welche beim Pferde, Rinde und Schafe beobachtet worden ist.
2)nbsp; nbsp;Die Ohrsaugmilbe des Kaninchens, Dermatocoptes cuniculi, welche Entzündung der Auskleidung des äusseren Gehörganges und des Trommelfells verursacht, zuweilen auch Entzündung des inneren Ohres und selbst des Gehirns zur Folge haben kann.
Die Saugmilben suchen zunächst die geschützten Hautstellen auf, wie den Haarschopf, die Mähnen, die Schweifwurzel, die innere Fläche der Schenkel, die Umgegend des Schlauches und den ivehlgang. Von hier aus verbreiten sie sich indess mit zunehmender Vermehrung immer weiter und können schliesslich die ganze Haut bedecken. Je sorg­fältiger die Thiere geputzt werden, um so länger wird die allgemeine Verbreitung der Saugmilben-Käude über den ganzen Körper verhin­dert, da durch sorgfältiges Putzen stets viele Milben entfernt werden. Am häufigsten kommt die Saugmilbenräude namentlich in grosser Ausbreitung über den Körper bei Schafen vor, weil die Milben hier durch das Vliess überall den besten Schutz finden.
Die Ohrsaugrnilbe scheint sich stets auf das Ohr zu beschränken.
d. Die Hautschuppen fressenden Milben oder Dermato-
phagen.
Es sind dies ziemlieh grosse. schon mit blossem Auge sichtbare Milben, die einen stumpfen Kopf mit 2 scheerenförmigen Kiefern be­sitzen, neben welchen nach aussen je ein JJgliederiger Fühler (Palpe) sich befindet. Die Dermatophagon nähren sieh von Oberhautschuppon und von jungen Haaren und belästigen ihren Wirth besonders durch schnelles Umherlaufen auf der Haut. Sie kommen fast immer in grosser Menge beisammen vor, weshalb Gerlach sie „Symbiotesquot;
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Die Rande- oder Kratzmilben.
nannte. Sämmtliehe 8 Füsse sind mit Haftacheiben versehen; das 4. Fusspaar ist häufig verkümmert. Am hinteren Körperende des Männchens sind, wie bei den Dermatoooptes-Männchen, 2 zapfenähn-
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Fig. 57.
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Dermiitophagus-Milbou. A Mitmirhen (Bauchfläche), B Woibclien (Baueliliache).
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liehe Vorsprünge, welche mit Borsten besetzt sind und als Klammer-organe dienen.
Diese Milbenart, so wie ihre Eier sind sehr lebenazäh; erstere dauert unter allen Krätzmilben am längster bei anhaltender Trockene aus. Sie erzeugt in der Regel nur an begrenzten Körperstellen die Räude, so z. B. bei Pferden und Schafen an den Unterfassen, beim Rinde in der Umgebung des Afters und der Schwanzwurzel.
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Die Kiuide der Thierc und die Krätze des Blensohen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 127
11. Die Räude unserer verschiedenen Hausthiere und die Krätze des
Menschen.
Je nachdem die eine oder andere Art dieser verschiedenen Milben­sorten auf, reap, in der Haut des Menschen und der Thiere sich an­siedeln, wird die durch sie bedingte „Krätzequot; oder „Riuidequot; sich verschieden gestalten können. Die einen dieser Parasiten tinden bei dieser, die andern bei jener Spezies der Wirthe ausschliesslich oder vorzugsweise die Bedingungen zu ihrer gedeihlichen Entwicklung und Fortpflanzung. Wir wollen nun in Nachstehendem die Haupt-Krätze­oder Räude-Formen unserer Hausthiere nebst den einschlägigen Kur­methoden kurz besprechen.
a. Die Pferdekrätze oder Pferderäude,'Scabies equi.
Dieselbe kann durch Sarcoptes equi, durch Dermatocoptes com-munis oder durch Dermatophagus (Symbiotes Gerl.) bedingt werden. Demnach unterscheidet man beim Pferde eine Sarcoptes-, eine Dermato­coptes- und eine Dermatophagus-Räude.
a) Die Sarcoptesräude des Pferdes.
Dieselbe geht immer von einzelnen zunächst eng begi-enzten Hautstellen aus; trotz ihrer langsamen Verbreitung über grössere Partien der Hautoberfläche kann sie bei schlechter Behandlung oder gänzlicher Vernachlässigung schliesslich über den grössten Theil der Körperdecke sich ausdehnen und in Folge beträchtlicher Functions-störung der äussern Haut endlich Abmagerung und selbst den Tod des Patienten zur Folge haben.
An den räudigen Stellen werden die Haare alsbald aus den Haar­bälgen hervorgeschoben, bleiben indess noch einige Zeit mit ihrer Nachbarschaft in Verbindung, indem sie mit dieser und unter sich durch die aus der Oberfläche der kranken Hautstellen aussiekerndo Flüssigkeit verklebt werden. Später jedoch werden die betreffenden Stellen kahl, indem die Haut durch den beständigen Reizzustand, der durch die Milben verursacht und durch das Scheuern und Benagen verstärkt wird, sich verdickt und in Falten legt.
Gewöhnlich beginnt diese Räudoform des Pferdes am Kopfe, an den Seitenflächen des Halses und auf den Schulterblättern. Die Diagnose wird erst ganz sicher gestellt durch den Nachweis der Milben. Dieser wird in einfachster Weise (beim Mangel eines Mikro-
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Die Räude des I'lordes.
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skopes etc.) geliefert, indem mau einige vom Patienten frisch ent­nommene Borken auf den entblössten Ann eines Menschen mittelst einer Binde befestigt. Sind in den Krusten Milben enthalten, so zei­gen sich nach etwa 12 Stunden an der betreffenden Stelle des Armes rothe Flecken, in deren Mitte die Milben als weisses Pünktchen er­scheinen. Dieses Experiment kann um so unbedenklicher empfohlen werden, als einerseits der Nachweis von Sarcoptesmilben durch das Mikroskop dem Ungeübten nicht selten Schwierigkeiten bereitet und als andererseits die Infection des Armes durch Einreiben einiger Tropfen Penibalsam schnell und sicher wieder beseitigt werden kann.
(J) Die Dermat ocop t esräude des Pferdes
localisirt sich vorzugsweise an den bereits früher genannten, dem Putzzeuge weniger leicht zugänglichen Körperstellen. Die Abschil­ferung der Haut und die Krustenbildung erfolgt reichlicher; es kom­men sogar eiternde GeschwUrsflächen zu Stande. Die Milben dieser Käudeform können leicht aufgefunden werden; falls der Beobachter ein scharfes Auge hat, gelingt ihm jenes sogar ohne jedes optische Instrument, leicht aber mit Hülfe einer Loupe.
y) Die De r matophagu sräude des Pferdes
geht in der Pegel von der Köthe aus und äussert sich zunächst durch ein häufiges Reiben der Fiisse an einander, durch Stampfen und Schlagen mit denselben. Nach und nach stellt sich eine reichliche Abschuppung der Epidermis, Ausfallen der Haare, Verdickung der Haut, Krustenhildung und bei jahrelanger Dauer sogar eine papilläre Wucherung der Haut ein. Die Diagnose dieser Räudeform bietet bei einiger Aufmerksamkeit keine Schwierigkeiten, da die Milben nicht selten sogar mit blossem Auge erkannt werden können. Der Verlauf ist stets ein schleichender ur i höchst selten geht diese Räude über die Fusswurzelgelonke höher hinauf, so dass sie mit Recht als „Fuss-räudequot; bezeichnet wird. Dieselbe geht weniger leicht von einem Thiere auf ein anderes (selbst der gleichen Spezies) über; ja es bleibt das Leiden öfter auf eine oder zwei Extremitäten des befallenen In­dividuums beschränkt.
b. Die Krätze oder Räude des Rindes, Scabies bovis.
Dieselbe kann durch Dennatocoptes communis oder durch Der-matophagus verursacht werden. In seltenen Fällen ist auch die Sar-coptesräude , von Pferden übertragen, bei Rindern beobachtet worden.
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Die Räudp fies Rindes eto.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; J'J'I
a) Die Dermatocoptes-Räude des Rindes
kommt ursprünglich regelmässig zunächst an den Seitenflächen des Halses und der Schwanzwurzel vor, verbreitet sich von hier aus längs der Wirbelsäule weiter, überzieht dann gern die Rippen und Schulter­gegend und bedeckt schliesslich die ganze Körperoberfläche. Die zuerst vorhandenen Knötchen, reap. Bläschen trocknen zu dicken, graubraunen Krusten ein, die Haare fallen aus, die kahlen Haut­stellen verdicken sich, werden faltig und runzelig und bedecken sich an ihrer Oberfläche mit steifen Schuppen, Bei grosser Ausbreitung magern die Thiere ab und gehen zuweilen in Folge von Abzehrung zu Grunde.
ß) Die Dermatophagu s-Räude des Rindes ist meist auf die Schwanzwurzel und auf die Steissgruben beschränkt, weshalb sie auch „Steissräudequot; genannt wird. Dieselbe breitet sich bei Vernachlässigung über den Rücken bis auf den Hals und auf die Innenfläche der Schenkel fort. Auch bei dieser Räude werden die be­treffenden Stellen kahl, es bilden sich Schrunden und ockergraue Borken auf denselben, in welchen zahlreiche Milben vorhanden sind.
c.nbsp; nbsp; nbsp;Die Räude der Ziege, Scabies caprae, wird stets durch Sarcoptes caprae hervorgerufen. Anfangs entstehen nur kleine kahle Stellen, an welchen die Haut sich verdickt und in Runzeln legt; zwischen diesen entstehen Schrunden. Bei Vernach­lässigung verbreitet sich die Ziogenräude über den ganzen Körper, und hat dann nicht selten den Tod zur Folge.
Die Ziegenräude geht in armen Familien oft auf sämmtliche Mitglieder derselben über.
d.nbsp; nbsp; nbsp;Die Räude des Schweines, Scabies suis. Bei Schweinen kommt nur die Sarcoptes-Räude vor. Zuerst
werden die Augengruben, der Widerrist und die Innenfläche der Schenkel ergriffen; bei fortgesetzter Vernachlässigung überziehen die Borken schliesslich den ganzen Körper mit einer rindenähnlichen Kruste. Milben sind an lebenden Thieren anfangs oft schwer, später, bei reichlicher Borkenbildung, meist leicht und massenhaft, an todten Thieren (nöthigenfalls durch Anfertigung von Hautschnitten) stets sicher aufzufinden.
e.nbsp; nbsp; nbsp;Die Räude der Katze, Scabies cati. Bei Katzen beginnt die Räude ebenfalls am Kopfe, besonders
um die Ohren, aber auch an den Fussenden. Die über den ganzen Pütz, Lehrbuch der uuteokendsii Thlerkraukhelton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 0
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Die Ramie deamp; Hundes imd Kaninchens.
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Körper verbreitete Katzenräude ist so gut wie unheilbar. Milben finden sieh zahlreieh in jeder Borke.
f,nbsp; nbsp; Die Räude des Hundes, Scabies canis.
laquo;) Die Sarcopteskrätze des Hundes kommt zuerst am Kopfe, am Bauche (männl. Geschlechtstheilen) und an der Schwanzwurzel vor. Am lebenden Thiere finden sich die Milben (Sarcoptes squami-t'erus) besonders dann leicht, wenn der kranke Hund vorher am Ofen oder in den Sonnenstrahlen sich gewärmt hat.
(J) Die Acaruskrätze des Hundes (und der Katze) verursacht ziem­lich bald Störungen der Ernährung, weil in kurzer Zeit fast die ganze Haut ausser Function gesetzt wird. .Man findet nicht selten 10 bis 14 Stück Balgmilben in einem einzigen Haarbalge, ja es sollen zu­weilen sogar bis gegen 200 in einem Haarbalge angetroffen worden sein. Die Acaruskrätze ist schwer oder gar nicht heilbar. In den ausserordentlich seltenen Fällen, wo nach vieler Mühe Heilung erzielt wird, bleiben kahle Hautstellen für immer zurück. Aber selbst dann, wenn alle Balgmilben getödtet wurden, pflegen die Reconvalescenten Siechlinge zu bleiben, weil sie meist nicht im Stande sind, die Ca­daver der Acarusmilben, welche bei grosser Ausbreitung der Krank­heit oft eine grosso Anzahl Haarbälge und Ausführungsgänge der Hautdrüsen vorstopfen, durch angeregte Eiterungsprozesse auszu­werfen, weshalb die Haut nie wieder in früherem normalem Maasse zu functiouiren in Stand gesetzt wird. In der Regel aber ist die Heilung der Acaruskrätze nur eine scheinbare, indem gewöhnlich nach kurzer Zeit ein Rückfall eintritt.
Bei dieser Räude scheint das Kratzen den kranken Thieren oft Schmerz zu verursachen, was sie durch Wimmern und Schreien zu er­kennen geben. Der Ausschlag verbreitet sich schliesslich über den ganzen Körper, indem allerorts zahlreiche Pusteln sich bilden. Die Thiere pflegen dann trotz eines wahren Heisshungers meist sehr rasch abzumagern und schliesslich einzugehen.
g.nbsp; nbsp; Die Krätze des Kaninchens, Scabies cuniculi wird, wie bei der Katze, durch Sarcoptes minor hervorgerufen. Der Ausschlag beginnt meist an der Nase und verbreitet sich von da aus über Lippen und Stirn. Es bilden sich haarlose Stellen, welche mit Schuppen und Krusten bedeckt sind.
h. Die Krätze der Vogel, Scabies avium. Die Krätzmilben der Vögel sind im Allgemeinen noch wenig studiert. Sie scheinen sämmtlich den Grabmilben und Saugmilben an-
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üio Krätze dor Vögel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;l;jl
zugehören. Am bekanntesten ist die besonders bei Hübnein und Tauben, so wie bei allen in Käfigen gehaltenen Stubenvögeln vor­kommende, Blut saugende Vogelrailbe, „Dermauyssus aviumquot;. Dieselbe ist blutrotii oder rothbraun, weiss gefleckt, länglich rund und hinten breiter als vorn. Diese Milbe hat im ausgebildeten Zustande eben­falls 8, in der Jugendform (gt; Beine; ihr Körper ist nackt. Sie geht leicht auf unsere Hausthiero und den Menschen über.
Eine zweite Milbe verursacht nicht selten beim Haushuhn einen durch dicke, graue, rissige Borken ausgezeichneten Ausschlag, der die Thiere schliesslieh am Laufen behindert, indem die Beine wie mit Schienen belegt erscheinen. Diesem Umstände verdankt die Milbe ihren von Fürstenberg (der sie 187') zuerst beschrieb) gewählten Namen „Knemidocoptes viviparusquot;. Dieselbe gebiert nämlich leben­dige Jungen.
In Grärten wird an Ötachelbeersträuchen, so wie im Grase und Buschwerk die Gbeinige Larve der Herbstgrasmilbe (Leptus autumnalis) angetroffen , welche nicht selten auf den Menschen und Hunde überkriecht und bei letzteren besonders am Kopfe, in der Nähe der Augenlider, an den Ohren und am Bauche, Röthung der Haut und schliesslieh haarlose Stellen von etwa '1 Ctm. Durchmesser und von unrogelmässig runder Gestalt verursacht.
Die gewöhnliche Krätze der Hühner wird durch eine Saugmilbe, „Dermanyssus aviumquot;, oder durch eine Grabmilbe, „Sarcoptes avium oder S. mutansquot; genannt, verursacht. Dieselbe tritt besonders an deu Füssen und am Kopfe namentlich um den Schnabel herum auf. In etwa 14 Tagen verdickt sich die Basis des Kammes, die Hühner schütteln häufig mit dem Kopfe, die Federn um den Kamm und Schnabel werden glanzlos, bleich, ihr freies Ende krümmt sich, rollt sich ein und verschwindet schliesslieh unter den dicken Schuppenlagern. — Tritt der Ausschlag an den Füssen auf, so bilden sich zunächst seit­lich der Theilungsstellen der Zehen kleienartige Schuppen, welche allmählich dichter und gelblich werden.
Zuweilen breitet sich die Krankheit vom Kopfe oder den Füssen her weiter aus, was sich durch Aufsträuben und Ausfallen der Federn zu erkennen gibt.
i. Die Krätze des Schafes, gewöhnlich Schafräude genannt. Scabies ovis.
Dieselbe tritt fast ausnahmslos als Herdekrankheit auf und wird weitaus in den meisten Fällen durch „Dermatocoptes communisquot;, sei-
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Die Kiiurti! des Sobftfos.
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tenor durcli „fcSaruoptes si^uamiferusquot;, beim neapolitanischen Sobafe auch durch „Sarooptes communisquot; bedingt.
Die beim Schafe beobachtete Derraatophagus-Räude tritt auch zunächst als Fussräudc auf, geht aber oft höher als beim Pferde hinauf bis zur Umgebung des Euters oder Hodensackes. Rumpf, Hals und Kopf werden jedoch stets verschont.
a) Die gewöhnliche Schafräude ist in ihren Entwicklungsstadien manchmal recht schwer zu erkennen. Nicht immer zeigen die Thiere vom Beginne der Krankheit an ein auffälliges Juekgofühl. Zuniichst sieht man, dass ganz kleine Büschelchen Wolle aus dem Vliess hor-vorstehon, aber noch eine Zeit lang mit dem übrigen Wollhaare in Zusammenhang bleiben. Untersucht man an fraglichen Stellen die Haut, so findet man l1/laquo; bis 2 Ctm. grosse rundliche Flecke, welche blass, oft ganz weiss aussehen, und die etwas Flüssigkeit absondern, welche zu dünnen, gelben Sehorfen eintrocknet. Anfangs sind immer nur vereinzelte Milben vorhanden, deren Auffinden nicht selten sehr schwierig ist; sobald aber der Ausschlag sich mehr ausgebreitet bat, macht das Auffinden der Milben in den Schorfen keine weiteren Schwierigkeiten.
Gewinnt der Ausschlag eine grösserc Ausbreitung, so magern die Thiere ab und gehen sehliesslich an Abzehrung zu Grunde. Schwächliche Thiere erliegen manchmal schon nach wenigen Monaten.
Im Herbste und Winter macht die Krankheit namentlich dann raschere Fortschritte, wenn die Schafe in warmen dunstigen Stallungen beisammen gehalten werden und mit langer Wolle bedeckt sind; nach der Schur und beim Weidegange steht die Krankheit meist still, oder macht sogar Rückschritte.
In den sogenannten Schmiersehäfereien verstehen es die Schäfer, durch den Gebrauch von Krätzmitteln die Erscheinungen so nieder­zuhalten, dass eine genauere Untersuchung und Kenntniss erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen.
ß) Die „Sarcoptes-Räudequot; des Schafes scheint weit seltener, aber auch weit hartnäckiger als die „Dermatocoptes-Räudequot; zu sein. Sie wird, so viel bis jetzt bekannt ist, beim neapolitanischen Schafe durch Sarcoptos communis, beim Steissschaf'e durch Sarcoptes scpiamiferus verursacht.
y) Die rFussräudoa des Schafes wird durch eine Dermatophagua-Milbe verursacht, welche etwas kleiner als die des Pferdes, dieser im Uebrigen aber sehr iihnlich ist.
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Diagnose der Rande.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;133
Diagnose der Räude.
Bei allen Tliierspecies und Räudearten ist die sichere Feststel­lung der Krankheit nur durch den Nachweis der Milben möglich, was in der Regel mit Hülfe einer guten Lupe oder eines Mikroskopes zu geschehen pflegt; zuweilen sind dieselben sogar mit blossem Auge zu erkennen.
Es empfiehlt sich, die Haut der Thiere durch Eindecken etc. zu erwärmen, wenn das Auffinden der Milben ohnedies nicht gelin­gen will.
Die Prognose richtet sich nach der Ausbreitung des Exanthems, nach der Art des Wohnthieres und der vorhandenen Milben. Am schwersten heilbar, oder fast unheilbar ist die Acarusräude der Hunde;
dann folgt die gewöhnliche Schafräude, wenn dieselbe in grosser Verbreitung und Ausdehnung in einer Herde herrscht und besonders dann, wenn sie durch Sarcoptesmilben verursacht wird;
ebenso ist die Heilung der Katzenräude bei grösserer Verbrei­tung über den Körper schwierig, da die Patienten selbst bei umsich­tiger Behandlung leicht sterben.
Räudekur.
Alle Mittel, welche die Milben todten, können gute Dienste leisten. Vor ihrer Anwendung müssen indess etwa vorhandene Schorfe aufgeweicht werden, was durch Aufstreichen von Rüböl, nach Belieben mit Zusatz von 1 —20/o Carbolsäure, bei kleinen Hausthieren durch rohes Glycerin geschehen kann. Sind die Schorfe erweicht, so werden sie mit warmer Seifenlauge abgewaschen, worauf die eigentlichen Räudemittel eingerieben werden.
Bei Hunden und Katzen können der Perubalsam, sowie der Styrax sehr vortheilhaft verwerthet werden. Man muss beide Mittel vor ihrer Anwendung mit 2 Theilen Olivenöl oder Spiritus zu einem Liniment mischen.
Styrax ist billiger als der Perubalsam.
Bei grösseren Hausthieren sind die Theersalbe, das Schwefel-liniment und das Petroleum gute Hausmittel.
Eine wirksame Theersalbe ist:
je */• Pfth Theer und Schwefelblumen, je 1 Pfd. Schmierseife und Weingeist.
Bei sehr empfindlicher Haut wird noch ',i Pfd. fein pulverisirte Kreide zugesetzt.
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Die Ramp;udekur.
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6 Tage lang täglich einmal einzureiben, am 7. Tage mitSoifen-lauge abwaschen, nöthigenfalls wiederholen.
Das Schwet'elliniment wird folgendormasaon bereitet und augewendet:
1nbsp; nbsp;Theil Schwelelblumen,
2nbsp; nbsp;Theile grüne Seife.
Mit heissem Wasser, oder mit Terpentinöl zur halbflüssigen Consistenz verrieben.
3nbsp; nbsp;bis 4 Tage lang täglich 1 mal einzureiben, dann Beinigen und nöthigenfalls nach etlichen Tagen die Application wiederholen.
Petroleum ist ebenfalls sehr wirksam, verursacht indesraquo; starkes Ausfallen der Haare.
Ein wirksames Mittel ist auch folgendes: 20 Theile Theer, eben­soviel Kali-Seife und 1 Theil Kreosot zur Salbe gerieben.
Letzteres Mittel ist besonders bei Ziegen verwendbar: dieselben ertragen Bäder nicht gut.
Am meisten Schwierigkeiten macht in der Regel die Behandlung der Schafräude; eine Radialkur ist nur nach der Schur möglich. Bis dahin kann man durch vorsichtigen Gebrauch von Tabaksbrühe, Pe­troleum, Carbolsäure (1 Theil in K) Theilon Spiritus und 60 Theilen Wasser gelöst) ihre weitere Ausbreitung verhindern.
Waschmittel zu Bädern für räudekrankc Schafe:
8 Pfd. Carbolsäure,
2 Pfd. Aetzkalk,
Pottasche und grüne Seife ana (i Pfd. und 260 Liter warmes Wasser für je 100 Schafe, oder:
Tabaksdecoct (1: 12) für jedes geschorene Schaf etwa 1 Liter.
Auf jedes Liter dieser Abkochung setze man 2?gt; Gramm Carbol­säure zu mit gleichen Theilen Alkohol.
Jedes Schaf wird nach Abweichung der Schorfe (durch ein 24 Stunden vorher angewandtes Laugenbad (Pottasche 2 Theile, Kalk I Theil und Wasser 50 Theile) 1 bis 2 Minuten lang in das Räudo-bad eingetaucht und nachher tüchtig mit Bürsten oder Strohwischen frottirt.
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Der sect; 52 des deutschen Reiehs-Vieliscuchengesetzea vom 28. Juni 1880 enthält folgende Bestimmungen gegen die
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I Die bezüglioben Gesetze des deutaohen Reiches.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ) ;gt;r)
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Räude der Pferde, Esel, Niuilthiore, Maulesel und der Schafe.
Wird die Räudekrankheit bai Pferden, Eseln, Maulthieren, Maul­eseln (Sarcoptes- oder Derinatocoptes-Räude) oder Schafen (Dermato-coptes-Räude) festgestellt, so kann der Besitzer, wenn er nicht die Tödtung der räudekranken Tkiere verzieht, angehalten worden, die­selben sofort dem Heilverfahren eines approbirten Thierarztes zu unterwerfen.
Die Tastruction des Bundesrathes vom 24. Februar 1881 zur Ausführung der sect;sect; 19 bis 20 des Reichs-Viehseucbengesetzes enthält in Bezug auf Räude folgende Bestimmungen:
a) Ausbruch der Seuche.
sect;. 120. Ist der Ausbrucli der Bände bei Pferden (Sarcoptes-oder Dermato-coptes-Räiule) reatgestellt (naeli sect; 12 des Gesetzes), so ist derselbe von der Polizei­
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behörde auf ortsüMiche Weise und durch Bekanntmachung in dem für amtliche Pnblioatlonen bestimmten lilatte fKreis-Amtsblnti n. s. w.) zur öffentlichen Kennt-niss zu bringen. Alle Schafe der Herde, In welcher sieli die Ramp;udekrankheit zeigt, gelten als verdächtig.
S 121. Bäudekranke Pferde oder Schafe müssen, sofern nicht der Besitzer die Tödtung derselben vorzieht, dem Heilverfahren eines approbirten Thierarztes unterworfen werden. (sect; 52 des Gesetzes.) Der jBesitzer riiudekrankcr Pferde und Schafe ist anzuhalten, gleichzeitig mit dem Heilverfahren eine Desinfection der Stallungen, der Gerätlischaften. des Geschirres, der Decken, der Putzzeuge n. s. w. ausführen zu lassen.
Die Polizeibehörde hat dem Besitzer ferner aufzugeben, von der Beendigung des Heilverfahrens eine Anzeige zu machen.'
Auf diese Anzeige hat die Polizeibehörde eine Untersuchung der Pferde oder Schafe dutch den beamteten Thierarzt (sect; 2, Absatz H des Gesetzes) zu ver­anlassen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1';
Wenn bei dieser Untcrsiicliung noch Erscheinungen der Räude wahrgenom­men werden, so ist der Besitzer der Thiere zur Fortsetzung des Heilverfahrens anzuhalten.
sect; 122. Ist das Heilverfahren bei rändekranken Pferden nicht Innerhalb zweier Monate und bei räudekranken Schafen nicht innerhalb dreier Monate be­endet, so müssen die Thiere der Stallsperre (sect; 22 des Gesetzes) unterworfen werden.
In grösseren Städten können räudekranke Pferde von der Polizeibehörde sogleich nach der Feststellung der Räudekrankheit bis zur Beendigung des Heil­verfahrens unter Stallsperre gestellt werden.
Auf den Antrag des Besitzers einer räudekranken Schafherde oder des Vertreters des Besitzers kann für die Ausführung des Heilverfahrens eine längere Frist gewährt worden, wenn nach der motivirten schriftlichen Erklärung des be­amteten Thierarztes mit Rücksicht auf den Zustand der Schafe oder auf andere äusscre Verhältnisse die sofortige Ausführung der Kur nicht zweckmässig ist.
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Did bcziiglicheu Ueselze des dcutschcu Keiches.
sect; 123. Hat die Räude bei Sclialen in einem Bezirke eine tillgeineiiiere Verbreitung geCunden. so ist von der zuständigen höheren Polizeibehörde darauf zn halten, dass das lleilverl'ahren tiinnlichst gleichzeitig bei allen kranken Herden aiisgefiAhrt wird.
sect; 124. lliuite geschlachteter oder getödteter riitulekraiiker Pferde oder Schafe dürfen aus dem Seuchengehöl'te nur in vollkommen getrocknetem Zustande ausgeführt werden, sofern nicht die directe Ablieferung derselben an eine Gerberei erfolgt.
sect; 125. Die räudekranken Pferde und die zu einer räudekranken Herde gehörigen Schafe dürfen während des Heilverfahrens und bis zur Aufhebung der Schutzmassregeln nicht in fremde Ställe gestellt oder auf eine Weide gebracht werden, welche mit gesunden Pferden, beziehungsweise, mit gesunden Schafen beweidet wird.
Erforderlichen Falles bat die Polizeibehörde dafür Sorge zu tragen, dass auf gemeinschaftlichen Weidetläehen für das gesunde und für das kranke Vieh die Hütungsgrenzen regulirt werden.
Vor Beendigung des Heilverfahrens dürfen räudekranke Pferde nur inner­halb der Feldmark zur Arbeit verwendet, aber nicht mit gesunden Pferden zu­sammengespannt oder in unmittelbare Berührung gebracht werden.
Geschirre, Decken und Putzzeuge, welche bei kranken Pferden benutzt wurden, dürfen vor erfolgter Desinfection zum Gebrauche bei gesunden Pferden nicht verwendet werden.
Ein Wechsel des Standortes (Gehöftes) der räudekranken Pferde, oder der zu einer räudekranken Herde gehörigen Schafe darf ohne Erlanbniss der Polizei­behörde nicht stattfinden. Diese Erlnubniss ist nur dann zu crtheilen, wenn mit dem Wechsel des Standortes die Gefahr einer Seuchenverschleppung nicht ver­bunden ist.
sect; 120. Die Polizeibehörde kann die Ausführung der zu einer räudekranken Herde gehörigen Schafe zum Zwecke sofortiger Abschlachtung gestatten:
1)nbsp; nbsp;nach benachbarten Ortschaften.
2)nbsp; nbsp;nach in der Nähe liegenden Eisenbahnstationen behufs der Weiter­beförderung nach solchen Schlaehtviehhöfen oder öffentlichen Schlachthäusern, welche unter geregelter veterinärpolizeilicher Aufsicht stehen, vorausgesetzt^ dass die Tlnere diesen Anstalten direct mittelst der Eisenbahn, oder doch von der Abladestation aus mittelst Wagen zugeführt werden.
Durch vorgängige Vereinbarung mit der Bisenbahnverwaltung, oder durch unmittelbare polizeiliche Begleitung ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Be­rührung mit anderen Schafen auf dem Transporte nicht stattfinden kann.
Auch ist der Polizeibehörde des Schlachtortes zeitig von der Zuführung der Schafe Kenntniss zu geben.
Das Abschlachten der Schafe muss unter polizeilicher Aufsicht erfolgen.
sect; 127. Wird die Seuche bei Pferden oder bei Schafherden, welche sich auf dem Transporte oder in Gnstställen befinden, festgestellt, so hat die Polizei­behörde die Absperrung derselben bis zur Beendigung des Heilverfahrens anzu­ordnen, sofern nicht der Besitzer das Schlachten der Tlnere vorzieht.
Nach Beendigung des Heilverfahrens dürfen die Thiere mit Genehmigung der Polizeibehörde in andere Stallungen oder Gehölte gebracht werden. Wenn zu diesem Zwecke die Ueberführung der Thiere in einen anderen Polizeibezirk
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Die bezüglichen Gtasetze 'les deutschen Belches,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;137
stattfindet, so ist die betreffende Polizeibehörde von der Sachlage in Kenntniss zu setzen.
Aul' den Antrag des Besitzers oder seines Vertreters kann die Polizei­behörde gestatten, dass die auf dem Transporte oder iraquo; Ciastställen betroffenen riludekranken Pferde oder Schafherden zum Zwecke der Heilung oder Abschlach-tung nntdi ihrem bisherigen oder einem anderen Standorte gebracht werden, falls die Gefahr einer Seuchenversc hleppimg bei dem Transporte durch geeignete JInssregeln beseitigt wird.
sect; 128. Wolle von riiiulekranken Schafen darf während der Dauer der Sohutzmassregeln nur in festen Säcken verpackt aus dem Seiichengehöfte aus­geführt werden.
Personen, welche bei der Wollschnr räudekranker Schafe verwendet worden find, dürfen vor einem Wechsel der Kleider oder vor genügender Reinigung der­selben die Wollschnr gesunder Schafe nicht vornehmen.
b. Desint'eetion.
^ 129. Stallungen oder andere Räumlichkeiten, in welchen räudekranke Pferde oder Schafe aufgestellt gewesen sind, oder in welchen die vor der Ein­leitung eines Heilverfahrens getödteten Pferde oder Schafe gestanden haben, müssen nach Angabe des beamteten Thierarztes und unter polizeilicher Uebcr-wachung dosinficirt werden.
Der Besitzer solcher Stallungen, beziehungsweise Räumlichkeiten, oder der Vertreter des Besitzers ist von der Polizeibehörde anzuhalten, die erforderlichen Desinfcctionsarheiten ohne Verznff ausführen zu lassen.
lieber die erfolgte Ausführung der Desinfection hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
c.nbsp; nbsp;Aufhebung der Schutzmassregeln.
sect; 130. Die Seuche gilt als erloschen und die, angeordneten Massregeln sind aurzuheben:
wenn die rändekranken Pferde oder die zu einer riludekranken Herde ge­hörigen Schafe getödfet sind und
wenn im Falle dos sect; 129 die vorschriftsmässige Desinfection erfolgt ist, oder
wenn nach der Erklärung des beamteten Thierarztes bei lien betreffenden Pferden innerhalb 0 Wochen, bei den Schafen oder Schafherden innerhalb 8 Wo­chen nach Beendigung des Heilverfahrens sich keine verdächtigen Krankheits-erscheinungen gezeigt haben.
sect; 181. Das Erloschen der Seuche ist. nach Aufhebung der Schutzmassregeln durch amtliche Publication wie der Ausbruch der Seuche (sect; 120) zur öffentlichen Kenntniss zu bringen.
d.nbsp; nbsp; Anwendung auf andere Einhufer.
S 132. Die für Pferde in den sect;sect; 120 bis 131 ertheilten Vorschriften linden auch auf' Esel. Maulesel und Maulthicre Anwendung.
In Oesterreich regelt das Gesetz vom 20, Februar 1880 das Verfahren zur Abwehr und Tilgung ansteckender Krankheiten, ein-schliesslich der Rinderpest.
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Die bozttgliohen Gesetze Oesterreiclis.
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Das Gesetz vom 10. Juli 1879 regelt das Verfahren für die Desinf'ection bei Viehtransporten.
sect; 15:5 und sect; 34 des erstgenannten Gesetzes beziehen sich auf Die Räude (Krätze) der Pferde und Schafe.
sect; 33, Mit der Räude behaftete Pferde sind der thierärztlichen Behandlung zu unterziehen.
Im hohen Grade räudige, vom Thierarzt als unheilbar erklärte Pferde sind zu tödten.
Pferde, welche mit räudigen Pferden in solcher Berührung ge­standen sind, dass hierdurch eine Uebertragung der Krankheit erfolgt sein kann, sind durch 4 Wochen unter den im sect; 29, Alinea 3, vor-gezeichnoten Einschränkungen in thierärztlicher Behandlung zu halten.
1)nbsp; Mit der Rande behaftete Pferde siiul abzusondern und sind für dieselben eigne Stiill- und Pnlzgx'rätlisclmt'ten zu verwenden.
In grösseren Städten ist über sie die Stallsperre zu verliängen.
In kleineren Ortsolmlten, in welchen ein geringer Verkehr mit Pferden stattfindet, dürfen räudekranke Pferde innerhalb der Feldmark zur Arbeit ver­wendet werden, jodoeb dürfen sie weder mit gesunden Pferden In unmittelbare Berührung gebracht, noch In fremde Ställe eingestellt, noch auf Weideplätze ge­lassen werden, auf weleben gesunde Pferde oder Schafe sich aufhalten.
2)nbsp; Die fhierärztliclie Behandlung räudekranker Pferde ist sofort nach der Constatirung der Krankheit einzuleiten und durch den Amlsthierarzt zu über­wachen.
1:3) (Jleichzeitig mit der thierärztlichen Behandlung ist die Desiufection des irdicirten Stalles oder Standortes, der Stall- und Putzgerätbe. der Decken und Geschirre, welche bei den kranken Pferden in Verwendung' waren, zu veran­lassen.
4)nbsp; Als unheilbar und daher der Tödtung zu unterziehen (sect; 33, Alinea 2 des Gesetzes) sind Jene räudigen Pferde anzusehen, hei welchen hochgradige Ver­dickungen der Haut und allgemeine Ahzehrung vorhanden sind.
5)nbsp; Die Krlaubniss zur Schlachtung räudekranker Pferde zum Zwecke des Genusses ihres Fleisches ist von dem Outachten des Amtsthierarztes abhängig.
Werden bei soleben Pferden Heilmittel angewendet, welche dem Fleisahe eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit verleihen können, so ist die Schlachtung zu verbieten.
0) Nach der Tödtung oder Schlachtung räudekranker Pferde ist die Dfis-infeotion der inficirten Ställe und jener Gerätbe und Oegeustäude, mit welchen sie in Berührung gekommen waren, durchzuluhren.
7) Die Häute gefallener, getödteter oder geschlachteter räudekranker Pferde sind, wenn sie nicht unmittelbar in Gerbereien abgegeben werden können, ZU desinficiren und dürfen nur in vollkommen getrocknetem Zustande ausgeführt werden.
Die abgehäutelen Cadaver gefallener, getödteter oder geschlachteter Thiere, deren Fleisch zum Genüsse nicht zugelassen wurde, sind unschädlich zu be­seitigen.
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Die bezUglioben Gesetze Oesterreiohs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 ;}lt;)
8)nbsp; Die Verwendung der nach ^ 33, Alinea 3, der Beobachtung iinlerzoge-nen Pferde Innerhalb der Ortsgemarkung ist, lusolange sie gesund sind, zulässig.
9)nbsp; Die politisclie liezirksbehonle hat den Amlstliierarzt zur Beaufsichtigung des Knrvei'fahiens und der Stallreinigung in angemessenen Zwischenräumen in die Scnchenhiife zn entsenden.
10)nbsp; nbsp;Die Seuche ist als erloschen zu erklären, wenn 6 Wochen nach er­folgter Heilung der kranken Pferde keine neuen verdächtigen Krankheitserschei-uungen sieh gezeigt haben und die Desinfeeüon durchgeführt ist.
11)nbsp; Die rücksichtlich der Pferde geltenden Vorschriften finden auf Esel, Maulthiere und Maulesel gleichartige Anwendung.
sect; 34. Mit der Räude behaftete Schafe sind, wenn der Eigen-thümer nicht deren Tödtung vorzieht, der thierürztlichen Behandlung zu unterwerfen.
1)nbsp; nbsp;Wird die Riiudc unter den Schafen festgestellt, so ist die Slnll-. bezie­hungsweise Weidesperre anzuordnen.
2)nbsp; nbsp;Wird die Seuche unter einer Triebherde conslalirt, so ist die Absper­rung derselben bis zur erfolgten Heilung zu veranlassen, falls nicht der Besitzer das Schlachten derselben vorzieht.
3)nbsp; nbsp;Die Ihierärztliche Behandlung (Badekur) riuidekruukcr Schafe (sect;34 des Gesetzes) ist sofort nach der Feststellung dor Krankheil einzuleiten und von dem Amtsthierarzte zu überwachen.
4)nbsp; nbsp;Schafherden, in welchen zur Heilung der Kiiude die Schmierkur durch­geführt wurde, sind bezüglich der Sperrraassregeln so zu behandeln, als ob sie einer Behandlung nicht unterzogen worden wären.
5)nbsp; nbsp;Eine Ausfuhr räudekranker Schafe aus der Gemarkung des Seuchen-ortes darf nur über Krnüichtigung der politischen Bezirksbehönle unter Einhal­tung der entsprechenden Vorsichten und nur zum /wecke der Sohlachtang sl altfinden.
6)nbsp; nbsp;Das Solieeren räudekranker Schafe Ist gestattet; die Wolle darf nur in festen Säcken verpackt ausgeführt werden.
Die zur Wollschur räudiger Schafe verwendeten Personen haben sich und ihre Kleider zu desinficiren, bevor sie die Schur gesunder Schafe vornehmen.
7)nbsp; nbsp;Die Punkte 3, 4, 5, 6, 7 und 9 dieser Verordnung zu sect; 33 des Gesetzes hnhen auf die Räude der Schafe analoge Anwendung zu linden.
8)nbsp; Die Sperrmassregeln sind nnfzuhehen, wenn die einer Badekur unter­worfenen Schafe 4 Wochen nach dem letzten Bade von dem Amtsthierarzte als rein erklärt werden und die vorschriftsmässige Desinfection der Slälle und Ge-rüthe vollzogen ist,
9)nbsp; Kommt die Räude unter Ziegen vor, SO haben die vorstehenden Be­st immnngeu analoge Anwendung zu finden.
k. Die Krätze des Menschen (Scabies hominis).
Diese Hautkrankheit des Menschen wird in der Regel durch Sarcoptes hominis verursacht, der, wie alle Sarcoptesmilben unserer Hausthiere, sich Gänge in die Haut gräbt, in denen das befruchtete Weibchen sich einnistet und seine Eier absetzt. Als erstes Symptom
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Die Ctl'egai'iuUBfi unserer Jluuslliiere.
tritt Jucken auf, das namentlich in der Bcttwärme sich einzufinden, oder stärker zu werden pflegt. An den Stellen, wo die Milben sich angesiedelt haben, bilden sich, je nach dem Grade der vorhandenen örtlichen Entzündung der Haut, Knötchen, Bläschen oder Pusteln, welche in grösserer oder geringerer Anzahl beisammen, oder mehr zerstreut auftreten. Lieblingssitz dieses Ausschlages sind die Haut­brücken zwischen den Fingern und in den Gelenkbeugen, die Ge-schlechtstheile und die Spalte zwischen den Hinterschenkoln, so wie diejenigen Körperstcllen, an welchen die Kleidungsstücke eng anzu­liegen pflegen. Bei kleinen Kindern, deren Kopf oft mehr oder weniger hoch hinauf mit Bettzeug etc. bedeckt wird, kommt ausnahmsweise auch im Gesicht ein Krätzoausschlag vor. — Am häufigsten findet man Gänge zwischen den Fingern, an der inneren Fläche der Hand­gelenke und der Vorarrae, so wie am männlichen Gliede. Dieselben sind bei einiger Aufmerksamkeit und Uebung mit blossem Auge zu erkennen, so dass die Diagnose in diesem Falle ohne optische Hülfs-mittel sicher festgestellt werden kann. Führt man eine Nadel in einen Sarcoptesgang ein und schiebt jene in diesem bis an dessen Ende vor, so wird hier die Milbe von der Nadelspitze aufgespiesst und kann dann leicht hervorgezogen werden, indem man den Gang durch Heben der Nadel in einen offenen Canal verwandelt.
Die am männlichen Gliede vorkommenden Gänge zeichnen sich durch stärkere Röthuug und Infiltration der unter ihnen gelegenen Hautstellen aus. — Sind an irgend einer Stelle der äusseren Haut viele Krätzmilben vorhanden, so kommt es daselbst zur diffusen Ent­zündung, wobei das an die Hautoberfläche gesetzte Exsudat zu Borken eintrocknet, die von unzähligen Milben bewohnt werden. Man nennt diese Form des Uebels „Borkenkrätzequot;, oder auch „Norwegische Krätzequot; ; dieselbe ist bei uns seltener, soll aber in Norwegen häufiger vorkommen.
Die Krätze des Menschen verursacht im Laufe der Zeit ausge­dehntere Functionsstörungen der betroffenen Hautabschnitte, da sie ohne Anwendung geeigneter Mittel, also spontan, nie heilt. Nichts desto weniger ist sie eine gutartige Krankheit, insofern sie einer anti-parasitären äusseren Behandlung meist schnell und vollständig weicht. In früheren Zeiten war die Ansicht allgemein verbreitet, dass gegen diese Hautkrankheit unter allen Umständen innerliche Mittel ange­wendet werden müssten; man fürchtete bei deren Unterdrückung durch eine blos äusserliche Behandlung die sogenannten „Krätzmetastasenquot;, an welche heute kein rationeller Arzt mehr glaubt.
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Die Qregai'lnoBe unserei' Hausthlei'e,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 141
So ungefährlich und so leicht heilbar die Krätze aber auch aein mag, so ist sie dennoch in den besseren Ständen noch immer eine get'ürchtete Krankheit, weil sie für schimpflich gehalten wird. Und doch kann sie auch dort vorkommen, wenngleich sie wegen der sorg­fältigeren Hautpflege und einer frühzeitigen entsprechenden Beliand-lung in den wohlhabenderen Gresellschaftskreisen kaum jemals eine grössere Ausbreitung erlangen dürfte.
Die Seite 1:H'{ und 184 angegebenen Mittel leisten auch gegen die Krätze des Menschen gute Dienste. Ueber den zweckmässigen Gebrauch derselben möge man sich an einem anderen geeigneten Orte näher informiren.
Durch Ueberkriechen von Räudemilben unserer Hausthiere auf die äussere Plant des Menschen können mehr oder weniger hartnäckige Krätzeformen entstehen, die häufig spontan heilen, oder doch fast ausnahmslos leicht und sicher ffeheilt werden können. Eine Ausnahme von dieser Regel scheint die durch Sarcoptes squamiferus (des Schafes) beim Menschen verursaehtc Krätze des Menschen machen zu können. So war der Schäfer des hiesigen landwirthschaftlichen Universitäts-Institutes durch räudekranke Steissschafe inficirt worden und konnte, wie die Schafe selbst, erst nach einer lange Zeit hindurch fortgesetzten Behandlung von der durch Sarcoptes squamiferus verursachten Krätze resp. Räude geheilt werden. S. 129 wurde bereits bemerkt, daas die Ziegenräude in armen Familien oft auf sämmtliche Mitglieder der­selben übergeht. Ich füge hier noch hinzu, dass Sarcoptes caprae und Sarcoptes squamiferus wahrscheinlich einander wesentlich gleich, vielleicht sogar identisch sind.
12. Die Psorospernilenkrankheit oder Gregarinose unserer Hausthiere.
In neuerer Zeit haben wir abermals die Lebensverhältnisse einer Art kleiner Parasiten so weit kennen gelernt, dass wir ihre Wirksam­keit im Körper der sie beherbergenden Wirthe einigermassen zu beurtheilen im Stande sind. Es sind dies die eiförmigen oder kugel­förmigen Psorospermien, welche vorzugsweise häufig bei Kaninchen in der Leber und im Darmcanale, so wie im Secrete verschiedener Schleimhäute angetroffen werden und in manchen Kaninchenzuchten grosse Verluste verursachen.
Diese Grogarinen (von grex Herde) leben stets in grossen Massen beisammen und sind (nach Eimer) in der Leber, im Darm und zu­weilen in den Mesenterialdrüsen, sowie in den Nieren bei Kaninchen,
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]42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; T'l1quot; Grcgftrinose unserer lliiusthiere.
Ratten, Mäusen, Hunden, Fledermäusen, Maulwürfen und besonders auch beim Menschen (wo sie auch an den Haaren beobachtet wurden), ferner beim Sperling und Huhn, sowie bei Fröschen und Fischen gefunden worden. Auch bei Schafen, Katzen und Kälbern sind sie angetroffen worden.
Bei Hunden sollen durch diese Parasiten wuthähnliche Erschei­nungen verursacht werden können (?).
Die Diagnose der durch diese Parasiten während des Lebens beim Hauskaninchen verursachten Krankheitszustände ist zur Zeit noch etwas unsicher; wo sie möglich ist, wird die Prognose ungünstig lauten, da wir zur Zeit kein Mittel besitzen, die Parasiten im Thier-körper zu vernichten, Von einer Behandlung kann also vorläufig wenigstens keine Rede sein.
Dagegen ist die Prophylaxis insoweit von Bedeutung, als wir durch radicale Zerstörung der die Parasiten beherbergenden Organe zur Verminderung der Gregarinen und damit der durch sie verur­sachten Krankheit mit beitragen können. i |nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Zürn hat in den Vorträgen für Thierärzte, Leipzig 1878 (I. Serie
Heft 2) eine Zusammenstellung des Wesentlichsten der bis dahin ver­öffentlichten Beobachtungen nebst seinen eigenen Wahrnehmungen
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und Untersuchungen über die Gregarinose unserer Hausthiere ver­öffentlicht. Dieser Arbeit entnehme ich folgende Daten :
Die Gregarinose seheint am häufigsten und verbreitetsten unter den Kaninchen vorzukommen, unter denen sie, wie bereits erwähnt
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wurde, stellenweise bedeutende Verluste verursacht; aber auch unter
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dem Geflügel wurde sie in seuchenartiger Verbreitung (besonders in Italien und zwar zuerst im Jahre 1872 in der Umgebung von Pisa, durch Rivolta und Silvestrini) beobachtet. Rivolta hatte bereits im Jahre 1869 runde Psorospermien bei Hühnern gefunden. Ich be­schränke mich hier auf eine kurze Schilderung der in Rede stehenden
Krankheit beim Kaninchen. Dieselbe kommt in 2 verschiedenen
Formen vor, die man als gastrische und als Kopfschleimhauthöhlen-Gregarinose unterscheiden kann. Beim Kaninchen ist die erstere Form die häufigste. Die ersten Symptome derselben fallen nicht be­sonders auf und werden deshalb häufig übersehen; sie bestehen in leichter Abgeschlagenheit, Gelbfärbung der sichtbaren Schleimhäute und in Verminderung der Fresslust. Im weiteren Verlaufe magern die Thiere ab, werden hinfälliger, die Fresslust verliert sich allmählich immer mehr, das Athmen wird frequenter und zuweilen stellt sich auch Husten ein; endlich treten Convulsionen auf, denen der Tod
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Die Qregarlnose unserer llinisiiucre.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;148
bald zu folgen jjflegt. In manchen Fällen ist bereits im ersten Stadium der Krankheit ein erschöpfender Durchfall vorhanden und in noch anderen Fällen scheint das geschilderte erste Stadium ganz zu fehlen, indem die Kaninchen plötzlich sich schwerer erkrankt zeigen, mit aufgekrümmtem Rücken in einem Winkel des Stalles sitzen, ange­strengt athmen, im Leibe aufgetrieben erscheinen, bei Gehversuchen taumeln und schliesslich unter Krämpfen sterben.
Der Vorlauf dieser gastrischen Form dauert in der Kegel meh­rere Wochen und ist im Allgemeinen ein langsamerer, als der der Kopfform, die man „Rhinitis, resp. Psorospermiencatarrh oder bös­artiges Schnupi'enfieber der Kaninchen (und Hühner)quot; genannt hat.
Bei diesem Psorospermiencatarrh der Kopf- und Kachenhöhlen handelt es sich um einen verschiedengradigen Entziindungsprozess der betreffenden Schleimhäute. Die erkrankten Kaninchen zeigen Ver­minderung der Munterkeit und der Fresslust, es stellt sich Nasen-catarrh mit Conjunctivitis und SpeichelHuss ein, wodurch namentlich der Vordertheil der Patienten nass wird. Diese niesen und pusten viel, kratzen sich mit den Pfoten am Kopfe, reiben die Nase an festen Gegenständen und belecken eifrig die nassen Körperstellen. Anfangs ist geringes, später hohes Fieber vorhanden; die Respiration wird allmählich mehr und mehr erschwert und bei stärkerer Affection des Kehlkopfes stellt sich ein hörbares Geräusch beim Athmen ein; in diesem Falle ist auch das Kauen und Schlingen meist erschwert. Die Fresslust nimmt immer mehr ab, Zähneknirschen und Abmagerung treten mehr hervor, bis endlich die Thiere unter Convulsionen sterben.
Zuweilen breitet sich der Psorospermiencatarrh auch über die Eustachische Röhre nach dem Mittelohre hin aus, Wo dies der Fall ist, wird der Kopf anfangs nur periodisch, später bestäudig schief gehalten, so dass das eine Auge nach dem Boden, das andere gegen Himmel gerichtet ist. Wenn derartige Patienten zu laufen versuchen, so taumeln sie, fallen um und kollern sich am Boden herum. Dies geschieht auch, wenn man den kranken Kaninchen einen leichten Stoss versetzt, wobei sie dann Convulsionen bekommen.
Die Krankheit kommt immer bei mehreren Individuen einer Kaninchenherde ziemlich gleichzeitig vor und ist ohne Zweifel an­steckend.
Bei der Section der an Gregarinose verstorbenen Kaninchen findet man an den betreffenden Organen und Körpergeweben die pathologischen Veränderungen, wie sie bei entzündlichen Zuständen überhaupt vorzukommen pflegen. In der Leber sind häufig graue
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Die Qveaavinose unserer Hausthieri
III
Knötchen von der Grosse einer kleineu Erbse oft in grosser Anzahl vorhanden, welche bei der mikroskopisehen Untersuchung sich als Conglomerate eingekapselter Gregarinen erweisen. In dem Secrete der afficirten Schleimhäute finden sich eine grosse Menge nackter Gregarinen, die in einem gewissen Stadium ihrer Entwicklung leicht übersehen und für weisse Blutkörporchen gehalten werden können.
Ueber die Natur und Genesis dieser Parasiten haben die schönen Untersuchungen Eimer's nähere Aufschlüsse gebracht. Während man diese Organismen früher verschieden classificirte und sogar den Rund­würmern beizählte (Schmai-da), hat Eimer nachgewiesen, dass sie zu den sogenannten „Sacodethieren (Protisten Haeckel's)* gehören. Sie stellen anfangs kleine, kernlose, nackte Protoplasmaklümpchen dar, welche manchmal kleine glänzende Körnchen enthalten und amoboide Bewegungen auszuführen im Stande sind. In diesem Stadium haben sie' in der Regel die Grosse weisser Blutkörperchen. Allmählich werden sic grosser, und enthalten dann zuweilen ein oder mehrere Kerne. Sie dringen häufig in Epithelzellen ein, in welchen sie sich vergrösseni. Ihre spätere Forin ist entweder rund oder oval; die runden Grogarien erlangen einen Durchmesser von 18 bis 20 Mm., die länglich runden werden bis 0,026 Mm. lang und 0,016 Mm. breit. Ilaben sie diese Dimensionen erreicht, so verlieren sie ihre Beweg­lichkeit und kapseln sich ein. Im Innern der Kapsel zerfällt dann die Körpermasse in mehrere Ballen, welche sich in spindel- oder sichel­förmige Gebilde umwandeln, welche die Kapsel sprengen und eine Zeit lang frei leben. Diese Umwandlung erfolgt gewöhnlich ausser-halb des Körpers des Parasitenträgers. Die sichelförmigen Gregarinen transformiren sich dann allmählich wieder zu rundlichen Psorospermien.
Bei grösseren Hausthieren scheinen die Gregarinen oder Psoro­spermien selbst in grösserer Anzahl keine erheblichen Gesundheitsstö­rungen zu verursachen. Professor Rabe theilte mir mündlich mit, dass er in Hannover bei unseren kleinen Wiederkäuern, namentlich bei allen Schafen, so zu sagen ausnahmslos, Gregarinen in Menge finde, ohne dass die betreffenden Thiere während des Lebens irgend welche Krank­heitserscheinungen zeigten. Die von verschiedenen Autoren ausge­sprochene Ansicht, dass diese Parasiten auch grössere Hausthiere, namentlich Schafe und Ziegen erheblich zu schädigen, selbst zu tödten im Stande seien, bedarf somit mindestens einer besseren Begründung.
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II. Die Infectionskrankheiteii.
Die eigentlich virulenten oder ansteckenden Krankheiten sind eine der grössten Plagen für Menschen und Thiere, welche bei grös-serer Verbreitung oft Furcht und Schrecken um sich her verbreiten. In ganz bedenklicher Weise kann durch dieselben der Betrieb des landwirthschaftlichen Gewerbes gestört werden, indem dieser bekannt­lich einerseits von der Leistungsfähigkeit des Personals, andererseits von dem Gesundheitszustande der Hausthiere abhängig ist. Wie un­gemein wichtig die letzteren für die Landwirthschaft sind, braucht hier nicht weiter auseinander gesetzt zu werden; auch ist zur Genüge bekannt, dass manche Thierseuchen mehr wegen der durch sie ver­ursachten lange andauernden Betriebsstörungen, als wegen des directen Verlustes durch Todesfälle etc. gefürchtet sind, was namentlich die grösste Aufmerksamkeit des Gesetzgebers verdient. Hierüber an ge­eigneter Stelle Näheres.
Zu den gefährlichsten und verderblichsten Thierkrankheiten zählen die Rinderpest, die Lungenseuche, der Milzbrand, die Rotzkrankheit und die Schafpocken; nicht minder gefährlich (indess weniger häufig) ist die Wuthkrankheit. Ueber das Wesen dieser und aller anderen Infectionskrankheiten scheint sich allmählich Licht zu verbreiten, seit­dem die Pasteur'sehe Gährungslehre auch in der Pathologie eine Um­gestaltung der Anschauungen und der Forschung angebahnt hat. Be­reits jetzt ist für einige ansteckende Krankheiten festgestellt, dass dieselben, ähnlich wie gewisse Gährungsprozesse, der Thätigkeit kleinster Organismen ihre Entstehung verdanken. Man hat deshalb diese Krankheiten auch als Gähiungs- oder zymotische Krankheiten bezeichnet.
Pütz, Lehrbuch cler ansteckeudou Thiorkrankhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 10
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Natur der Krankheitserreger.
Dass es sich bei den sogen. Miasmen und flüchtigen Contagien nicht um giftige Gase handelt, glaubt v. Nägeli (Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infectionskrankheiten 1877 S. 54) schon deshalb annehmen zu müssen, weil Gase sich sehr schnell ausdehnen und bereits nach kurzer Zeit im Eaume sich gleichmässig vertheilen (diffundiren). Ich kann jedoch den von Seiten dieses verdienstvollen Forschers hieraus gezogenen Folgerungen nicht ganz mich anschliessen. Dass gasförmige Contagien oder Miasmen alsbald unwirksam werden müssten, stimmt ja mit dem wirklichen Verhalten flüchtiger An­steckungsstoffe bei freier Luftströmung überein. Dass dieselben aber auf alle in einem Räume befindlichen, für das betreffende Gift empfäng­liche Individuen (bei gasförmiger Beschaffenheit), nahezu oder ganz gleichmässig einwirken müssten, entspricht nicht der bekannteit That-sache, dass die Grade der Empfänglichkeit für die Wirksamkeit der einzelnen Miasmen und Contagien, resp. die Grade der Immunität gegen dieselben, sehr verschieden sind. Deutlicher spricht gegen die gasförmige Natur fraglicher Gifte der auch von v. Nägeli (1. c. S. 59) betonte Umstand, dass Gase in so minimen Quantitäten, wie gewisse thieri^che Ansteckungsstoffe, keine Infection im Gefolge haben, weil sie nicht im Stande sind, im lebenden Thierkörper sich selbst zu vervielfältigen. Dieses Vermögen kommt nur lebenden Organismen zu.
Wenn sich aus dem so eben Gesagten schon von selbst ergibt, dass die thierischen Ansteckungsstoffe keine von Organismen freie, tropfbare Flüssigkeiten sein können, so hat dies Chauveau auch noch dadurch nachzuweisen versucht, dass er über Pocken- oder Rotzgift in einem Gefässe vorsichtig Wasser aufgoss, und nach längerem ruhigen Stehen dieser Flüssigkeiten Impfungen vornahm. Nur mit den un­teren Schichten des Gefassinhaltes vermochte er dann Infectionen zu Wege zu bringen, während die oberen Schichten unwirksam waren^ das Gift selbst ist also nicht diffundirbar, somit nicht tropfbar flüssig.
Da demnach die thierischen Ansteckungsstoffe weder tropfbar flüssig, noch gasförmig sind, auch die sogenannten Imponderabilien (Licht, Wärme und Electricität) als Contagien oder Miasmen nicht in Betracht kommen können, so sind wir genöthigt, uns dieselben als feste, und da vermehrungsfähig, als organische Körper vorzu­stellen. Dass es sich in Wirklichkeit um solche Organismen handelt, wird für manche Fälle noch dadurch wahrscheinlich, dass Flüssig­keiten, welche Träger gewisser Ansteckungsstoffe sind, durch Filtration innerhalb oder ausserhalb des Thierkörpers, ihre Infectionsfähigkeit einbüssen. Unsere Annahme qu, wird auch noch durch folgende
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Natur der Krnnkheilserri'gor.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; J47
Versuchsresultate Chauveau's unterstützt: Kuhpockenlymphe wirkte bei einer sorgfältigen Mischung mit Wasser bis zur 15fachen Ver­dünnung ähnlich sicher, wie die unverdünnte Lymphe; Impfungen mit über das 15fache hinaus bis zum 50fachen verdünnten Lymphe waren meist erfolglos, während andererseits auch selbst mit 150fach verdünnten Mischungen ab und zu Erfolge erzielt wurden; es war dies vermuthlich dann der Fall, wenn in dem verwendeten Quantum Impfflüssigkeit zufällig Vaccino-Organismen vorhanden waren.
Die Lehre, dass die thierischen Ansteckungsstoffe organischer Natur seien, stiess anfangs auf bedeutenden Widerspruch, gewinnt aber in neuerer Zeit immer mehr an Boden. Ja es zeigt sich sogar die berechtigte Hoffnung, dereinst die Natur der Ansteckungsstoffe und die Art ihrer Wirksamkeit auf dem nunmehr betretenen For­schungswege näher kennen zu lernen. Es ist ein bleibendes Verdienst Hallier's, es zuerst versucht zu haben, die bei Infectionskrankheiten vorkommenden Mikroorganismen ausserhalb des Thierkörpers zu züchten. Die Cultur verschiedener organisirter Krankheitserreger hat schon jetzt zu ganz unerwarteten Aufschlüssen über früher un­lösbare Fragen geführt. Zwar hat bei der Mehrzahl der anstecken­den Krankheiten der Keim derselben vorläufig noch nicht greifbar nachgewiesen, resp. noch nicht isolirt werden können; man darf aber hoffen, dass dies im Laufe der Zeit für die meisten, oder gar für alle geschehen werde. Ganz besonders hat die Frage der Impfbarkeit ansteckender Krankheiten durch die Isolirung und künst­liche Vermehrung (Züchtung) neuerdings eine wesentliche Klärung erfahren. Aus diesem Grunde werde ich die Infectionskrankheiten denn auch nicht in einer Reihenfolge hier darstellen, wie sie nach dem Grade ihrer Gefährlichkeit für unsere Viehbestände geordnet werden müssten, sondern wie sie das Verständniss der bereits errungenen Forschungsresultate am meisten zu fördern im Stande sind. Zunächst sei hier bemerkt, dass auch die pflanzlichen Parasiten zum Theil auf der Oberfläche, zum Theil im Inneren des Körpers sich ansiedeln und die Bedingungen ihrer weiteren Entwicklung finden, somit als Ekto- und Ento-Paraslten unterschieden werden können. Wir wollen uns mit den biologischen Verhältnissen dieser Lebewesen zunächst etwas näher bekannt zu machen suchen.
Als pflanzliche Parasiten finden wir im Thierkörper nur chloro­phyllfreie Kryptogamen, welche ausser Stande sind, von anorganischen Verbindungen sich zu ernähren, sondern hierzu auf organische Kohlen-stoffverbindungen angewiesen sind. Im Allgemeinen werden diese
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MyoeliumpUze.
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pflanzlichen Gebilde „Pilzequot; und die durch sie erzeugten Krankheiten „Mykosen (d. h. Pilzkrankheiten von hvxijq der Pilz)quot; genannt. Als „Aas- oder Fäulnisspilze (Saprophyten)quot; bezeichnet man solche, welche sich von abgestorbenen (faulenden) organischen Körpern ernähren. In ähnlicher Weise wie die thierischen Parasiten, welche Metamor­phosen oder einen Generationswechsel durchmachen, ihre morpho­logische Beschaffenheit in den verschiedenen Stadien ihrer Entwick­lung, oder in den verschiedenen Generationen ändern, treffen wir eine Vielgestaltung oder besser gesagt eine Veränderung der Form (Pleo-morphismus) auch bei pflanzlichen Parasiten. Es erschwort dies die Classification fraglicher Organismen, weil eine solche im Allgemeinen vorläufig nur auf die Form, unter welcher die Parasiten uns gerade begegnen, sich stützen kann.
Da es nicht in unserer Aufgabe liegt, an dieser Stelle auf wei­tere botanische Details einzugehen, so werden wir uns auf die Be­sprechung derjenigen Dinge beschränken, welche für den gegenwär­tigen Stand der Lehre von den Mykosen unserer Hausthiere von #9632;wesentlichster Bedeutung sind. Eine kurze Charactcristik der My-celiumpilze, der Hefepilzo und der Sarcine, so wie der Spaltpilze soll uns deshalb hier zunächst beschäftigen.
A. Myceliumpilze.
Diejenigen Gebilde, welche gewöhnlich als Schimmel bezeichnet werden, zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Geflecht zarter, ver-ästelter Fäden, ein sog. „Myceliumquot; bilden, das bei den einzelnen Arten im Allgemeinen nur wenig auffällige Verschiedenheiten zeigt. Dagegen kommen bei denselben 2 verschiedene Arten von Fruetifi-cationsorganen vor, welche zur Unterscheidung der einzelnen Spezies benutzt werden. Für unsern Zweck sind besonders folgende zu be­achten :
1. A'spergillus glaucus, dessen cylindrisches Mycol durch Quer­wände in langgestreckte Glieder getheilt ist, und von dem dicke, etwa '/a Mm. lange Fäden senkrecht emporsteigen, die an ihrem freien Ende kugelförmig anschwollen. An der Wölbung dieses Kolbens stehen dicht neben einander strahlig auseinander gehende Ausstiilpungon, (sog. Sterigmen), an deren Ende bis 10 und mehr zelligo kugelför­mige Gebilde von etwa 10 Mikromillimetor*) Durchmesser sich bilden,
I:
*) Ein Mikromillimeter = ein Tausendstel Millimeter.
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#9632;
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Schimnu'lpilzc. Aspcrgillus glancus.
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welche eine Zeit lang perlschnurahnlich aneinander gereiht sind, aber allmählich sich trennen. Es sind dies Brutzellen oder „Sporenquot;, die auf einem ihrer Entwicklung günstigen Boden zu Schläuchen aus-wachsen und wieder ein Mycelium bilden. Werden solche Sporen, wie es bei Aspergillus der Fall ist, von freien fadenförmigen Trägern abgeschnürt, so nennt man sie „Conidienquot;,
Fig. 58.
Aspei'RilluR glancus. m. in. Myceliumfadon, eluen Conidientrüger c (von dorn dio Couidien bereits
abyclnllen sind), eine Sflilauchfrucht T und die erste Anlage einer solchen, f tragend. (Vergrös-
sernng lilOfaeh), s drei Sterigmen vom Scheitel eines Cunidieuträgers, die SporenabschnüniDg
zeigend, bei stärkerer Vergr. (Nach de Bary.)
Dieser Schimmelpilz kann aber auch in noch anderer Weise sich vermehren. Auf besonders nahrhaftem Boden entwickeln sich, wenn die Conidientrüger nahezu vollkommen ausgebildet sind, korkzieher­artig gewundene Zweige. Die Windungen dieser rücken unter Bil­dung von Seitenzweigen näher aneinander, es entstehen männliche und weibliche Qechlechtsorgane, die mit einander verschmelzen. Nach dieser Conjugation entstehen in Folge einer mächtigen Zellenwucherung Schläuche (Asci), von denen Jeder in seinem Innern 8 Sporen (Asco-sporen) erzeugt. Gelangen diese (nach dem Platzen der Asci) auf
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Sohlmmelpilze, Peniollliuua glaaoum.
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einen geeigneten Boden, ho entwickelt sich aus ihnen ein Mycelium, das befähigt ist, neuerdings sowohl Conidien als Asci zu bilden und das dem aus Conidien auf ungeschlechtlichem Wege entstandenen Mycelium vollkommen gleich ist. Durch die Bildung von Schlauch­früchten scheint indess das Leben dos Mutterpilzes erschöpft zu werden.
2.nbsp; nbsp; Penicillium glaueum oder crustaceum ist noch weit mehr verbreitet als Aspergillus glaueus. Das Mycelium dieses Pilzes be­steht aus vielfach verzweigten gegliederten Fäden, deren aufsteigende Zweige nicht kolbig anschwellen, sondern nebeneinander mehrere zu­gespitzte Endzellen bilden, die sich abermals verzweigen, so dass ein pinseiförmiges Büschel von Endzeilen entsteht, weshalb dieser l'ilz den Namen „Pinselschimmelquot; erhalten hat. Auf jeder Endzelle bildet sich eine Reihe kleiner runder Conidien von graublauer Farbe, die nach ihrer Ablösung das Mycelium staubförmig bedecken und zu neuen Fäden auswachsen. Bei Abwesenheit von Luft und Licht entstehen keine Conidienträger, sondern männliche und weibliche Geschlechts­organe („Ascogonequot; und „l'ollinodienquot; genannt), welche ähnlich, wie bei Aspergillus, aus schraubenförmig gewundenen kleinen Aesten sich bilden. Nach der Conjugation beider entstehen stecknadelkopfgrosse gelbliche Fruchtkörper („Sclerotien* genannt), in welchem Asci mit Sporen auftreten; letztere sind im Stande dasselbe Mycelium zu er­zeugen, wie die Conidien von Penicillium glaueum. Dieser Pilz fehlt bei vorhandener Schimmelbildung kaum jemals; häufig kommt Asper­gillus glaueus gleichzeitig mit demselben vor.
3.nbsp; nbsp; Mucor mucedo wird sehr häufig, namentlich auf thierischen Excrementen, bei Schimmelbildung angetroffen. Das Mycelium dieses Pilzes besteht aus langen Fäden, die keine Quertheilung zeigen und strahlig von einer keimenden Spore hervorsprossen. Ihre weitere Entwicklung erfolgt auf ungeschlechtlichem oder auf geschlechtlichem Wege und zwar nach verschiedenem Modus. Aus dem Mycelium er­heben sich 3 bis 4 und mehr Ctm. lange dicke, zunächst unverzweigte und keine Querwände zeigende Fäden, die an ihrem freien Ende eine kugelige Anschwellung („Sporangiumquot; genannt) besitzen. In diesem Gebilde entstehen zahlreiche rundliche Sporen, welche später frei werden und wieder zu Mycelien auswachsen. Das Sporangium ist mit feinen Stacheln besetzt; im Innern desselben endet der Mycelast mit einem hochgewölbten breiteren Ansätze, der sog. „Columellaquot;. Erst nach der Reifung des Sporangiums bilden sich in jedem ein solches tragenden Mycelaste Querwände und oft setzen sich solchen Mycelfäden auch seitlich Sporangien tragende Zweige an.
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Schimmelpilze. Mucor mucedo.
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Bei kümmerlichem Luftzutritt bleibt die Sporangienbildung aus, oder gedeiht nur spärlich; die Mycelfäden zerfallen unter Bildung von #9632;Querwänden in kurze, den Hefezellen ähnliche Glieder, welche „Gem-
Mucor rmiceclo (von der Oborftäche eines schimmelndeu Osmium-Präparates.) Vergr. 300. a unrolfea, b reifes, mit Sporeu erfülltes Sporaugium; d Columclla, frei liegend; e auswacliseude
Sporen.
menquot; genannt werden. Diese runden sich ab und treiben auf einem geeigneten Boden neuerdings Mycelien, während sie auf weniger ge­eignetem Boden sich verlängern, und alsbald sich theilen, also eine ähnliche Sprossenbildung zeigen, wie die Hefe.
Ein dritter Entwicklungsmodus des Mucor mucedo besteht in einem Conjugationsvorgange, bei welchem die zellenartigen Endan­schwellungen zweier Mycelfäden ineinander fliessen und zu einer so­genannten „Zygosporequot; verschmelzen. Diese bildet einen dunkel­gefärbten dickwandigen Körper, aus dem wiederum Sporangienträger der beschriebenen Art hervorsprossen.
Es sind dies diejenigen 3 Arten von Schimmelpilzen, deren Ent­wicklung am genauesten erkannt ist; sie spielen im Allgemeinen als Krankheitserreger bei unsern Hausthieren eine sehr untergeordnete Rolle. Da alle Schimmelpilze nur bei Zutritt von freiem Sauerstoff sich entwickeln können, so sind selbstverständlich die der atmosphäri­schen Luft zugängigen Körperstellen, an welchen abgestorbene Ge-websbestandtheile vorhanden sind, für die Entwicklung dieser Orga-
r
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Het'epilze und Sarcine.
nisrnen am ehesten geeignet. Im Innern der Körpergewebe, so wie im Blute gehen diese Pilze in der Regel schnell zu Grunde und ver­ursachen hierbei wohl nur dann besondere Störungen, wenn ihnen anderweitige deletäre Stoffe anhaften. Neuere Forschungen (von Gra-witz) haben zwar ergeben, dass Sporen von Schimmelpilzen, welche auf Thierblut gezüchtet wurden, in den Nieren, Muskeln, Lungen, im Darm und in der Leber, — weniger in der Milz, im Knochenmarke, in den Lymphdrüsen, im Nervensystem und in der Haut — lebender Thiere Schimmelvegetationen erzeugten, die jedoch keine Sporen, son­dern nur rudimentäre Fruchtträger bildeten. Die betreffenden Ver-suchsthiere gingen bald zu Grunde, ohne Erscheinungen von Septi-cämie zu zeigen. Diese Versuche werden mit den von Buchner ge­schilderten Umwandlungen von Heubacterien in Milzbrandbacteridien als Beweis dafür angesehen, dass aus indifferenten Pilzen unter ent­sprechenden Verhältnissen äusserst wirksame Krankheitserreger sich bilden können.
Umgekehrt lehren Pasteur's und Buchner's Versuche, dass pa-thogene Pilze durch geeignete Zucht ihre Giftigkeit verlieren können. Näheres hierüber bei Besprechung des Milzbrandes. Die äussere Haut (so wie gewisse Partien der Schleimhäute) sind diejenigen Ge­webe des Thierkörpers, an welchen die Entwicklung von Pilzmycelien am häufigsten beobachtet worden ist. Die dadurch verursachten Haut­krankheiten werden „Dei^matomycosenquot; genannt. Zu den hier in Betracht kommenden Pilzen gehört unter anderen das „Trichophyton tonsnransquot;, das wir bei Besprechung der Glatzflechte näher kennen lernen werden; ferner gehören hierhin das „Oidium lactisquot; und das „O'idium albicans (der Soorpilz)quot;. Ersteres besteht aus abgerundeten viereckigen Mycelfaden und bildet bekanntlich auf nicht mehr ganz frischer (saurer) Milch einen weissen Flaum.
B. Hefepilze und Sarcine.
Diese Pilz Vegetationen bestehen aus Elementen, die ungefähr den Gemmen, Conidien oder Sporen entsprechen, während sie der Bildung eines Myceliums ermangeln. Diese Sprosspilze treten vor­wiegend bei der alkoholischen Gährung auf, welche sie vermitteln; sie werden gewöhnlich als „Hefe* bezeichnet. Da sie die Spaltung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure vermittelt, so haben sie auch den Namen „Sacharomycesquot; erhalten. Die sogenannte Bierhefe:
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Spaltpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;153
„Sacharomyces cerevisiaea oder: „Cryptococcus reap. Hormiscium cerevisiaequot; bildet die Haupt-Hefeform. Sie besteht aua rundlichen eiförmigen Zellen, die bis 10 Mikromillimeter Durchmesser haben und eine oder mehrere mit Wasser gefüllte Vacuolen enthalten. Die ein­zelnen Sporen derselben fallen entweder gleich nach ihrer Ausbildung ab, oder sie bleiben noch eine Zeit lang reihenförmig verbunden. Im Urin, namentlich in dem an der Zuckerharnruhr leidender Men­schen, aber auch im Inhalte des Darmcanales, finden sich sehr häufig und oft in grosser Menge rundliche Hefezellen, welche in ihrem In­neren mehrere (bis 4) Sporen erzeugen; solche Gebilde entstehen auch bei der Züchtung von Hefezellen auf Pflanzentheilen. Dass die Hefezellen in den thierischen Organismus eindringen und krankheits­erregend wirken, ist niemals wahrgenommen worden.
Fig. 60.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fig. 61.
Biorholo, Sachnromycea cerevisiae.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Sarclne, Vergr. 250.
Vergr. 160.
Im Mageninhalte findet sich ferner häufig ein pflanzliches Ge­bilde, welches man „Sarcinequot; genannt hat. Diese besteht aus kleinen, oft einen Kern beherbergenden Zellen, die immer in der Vierzahl beisammen liegen, so dass Haufen von 4, 8, 16, 32 etc, Zellen ent­stehen. Man findet diese häufig bei chronischen Magenaffectionen, gelegentlich aber auch im Harn, in Eiter und Brandjauche. Sie haben wahrscheinlich keine pathologische Bedeutung.
C. Die sogenannten Spaltpilze.
Als Spaltpilze, „Schizo- oder Schistomycetenquot;, bezeichnet man die auf der niedrigsten Stufe der Organisation stehenden Lebewesen. Dieselben sind nur mikroskopisch wahrnehmbar und zum Theil so unendlich klein, dass sie nur mit Hülfe der stärksten Systeme eines guten Mikroskopes wahrgenommen werden können. Sie haben ent­weder die Gestalt eines Kügelchens, oder eines schmalen, geraden, resp. geknickten oder gewundenen Stäbchens. Spaltpilze hat man diese Organismen deshalb genannt, weil die Stäbchen durch Theilung
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filikrokokken.
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sich vermehren. Diese Art der Querspaltuug hielt man früher für die einzig mögliche Vermehrung derselben. Bei Besprechung der Milzbrandbacteridien werden wir indess erfahren, dass diese, quot;wie andere Spaltpilze, auch durch Sporenbildung sich vermehren können. Die verschiedenen Formen, unter welchen diese Gebilde auf­treten, werden am besten in 3 Gruppen unterschieden, für welche nachstehend aus den vielfachen Bezeichnungen die gebräuchlichsten ausgewählt worden sind.
1.nbsp; Mikrokokken nennt man kleine, runde, punktförmige Körnchen, von denen die grössten höchstens 2 Mikromillimeter, die kleinsten nur 72 Mikromillimeter und noch weniger Durchmesser haben, so dass diese kaum ein Zehntausendmilliontel Kubikmillimeter Ausmaass besitzen. Sie finden sich entweder einzeln liegend, oder zu zwei und mehr miteinander verbunden. Sind zwei Kokken verbunden, so bezeichnet man dieselben als „Diplococcusquot;; sind mehr als zwei nach einer Rich­tung hin in einer Reihe verbunden, so bezeichnet man diese Art des Vorkommens „Leptothrixquot; oder „Torulaquot;, während die Zusammen-gruppirung mehrerer Kokken nach verschiedenen Flächenrichtungen hin „Zoogloea0 genannt wird. Solche Zoogloeahaufen sind dadurch noch besonders gekennzeichnet, dass die einzelnen Kokken alle gleich gross sind und in gleicher Entfernung von einander stehen; sie sind durch eine Zwischen- resp. Kittsubstanz, „Neurogliaquot; genannt, mit­einander verklebt. Hierdurch kann man solche Zoogloeahaufen oft auf den ersten Blick von molecularen Zerfallsmassen unterscheiden. Auch chemischen Reagentien und manchen Färbemitteln gegenüber verhalten sich beide verschieden, wie dies die Anleitungen zu mikroskopischen Untersuchungen lehren.
Bei Diplokokken und Leptothrixfäden liegen die einzelnen Körner unmittelbar aneinander.
Wenn wir in einer thierischen Flüssigkeit oder in einem G-e-webe „vereinzeltequot; kugelförmige, mikroskopische Gebilde antreffen, so sind wir, der bestehenden Unterschiede ungeachtet, meist nicht im Stande, sicher zu entscheiden, ob es sich um Mikrokokken, oder um andere Körnchen handelt; es ist dies erst dann möglich resp. zulässig, wenn alle Körnchen gleich gross sind und wenn sie sich zum Theil zu Diplococcus- und Leptothrix-Reihen, oder zu Zoogloea-Haufen gruppiren, oder Uebergänge zur Bacterienform zeigen.
2.nbsp; Bacterien werden solche Mikroorganismen genannt, deren Länge mindestens 3 bis 4 mal beträchtlicher ist, als ihr Querdurch­messer. Auch sie erscheinen einzeln oder in Form von Leptothrix-
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ßactei'ieu.
laden oder Zoogloeagruppeu; in letzteren befinden sie sich in der Regel im Zustande der Ruhe, während sie vereinzelt meist in leb-
Fig. 62.
Mit Zooglöalumfen ausgefüllte Hohlräume In Essigsäure-Glycerlumisclinug. Vergr. 300. kleine Vene eiuer Kaninohenniere mit Zooglöahaufen erfüllt, b kleine Vene aus der Magen-sclileimhaut. c Saftcanälcheu ans einer an Eotlilauf erkrankten Hautstelle vom Kaninchen.
Fla 63.
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Elu Haufen Mikrokokkou und Buctorion; links raffen aus demselben Flbrinfäden hervor, rechts sieht mau die Kokken und Bacterlon einzeln und in kleineu Reihen. Auch sieht man dieselben in einzelnen rothen Blutkörperchen, welche dadurch ein stechapfelförmlges Aussehea erhalten. Bei a sehen wir ähnlich geformte Blutkörperchen, die durch Verdunstung diese Gestalt erhalten haben.
Vergr. 450.
hafter Bewegung begriffen sind. Bacterien von l1/laquo;—5 Mikromillimeter findet man unter den verschiedensten Verhältnissen, am constantesten in faulenden Geweben; neben ihnen treten gewöhnlich weniger reich-
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15tJ
Spirillen (Spiroclinete).
lieh Mikrokokken, Diplokokken und Uebergangsbilder zu Bacterien auf. Zuweilen begegnet man auch, wie es acheint, nur unter ganz bestimmten, der Weiterentwicklung der Bacterien schädlichen Ver­hältnissen, Stäbchen mit einem endständigen, coecusartigen Gebilde (Köpfchen), das jenen schief oder gerade aufsitzt. (S. Fig. G4.)
Die grösseren Bacterien, wie z. B. die des Milzbrandes, werden jBacillenquot; oder „Bacteridienquot; genannt; sie erreichen eine Länge von 10 bis 15 Mikromillimeter.
'S. Spirillen (oder Spirochaete) nennt man lange schmale Fäden, welche schraubenförmige Windungen besitzen, die mehr oder weniger nahe aneinander grenzen. Man trifft dieselben in faulendem Wasser
Fig. 04.
Fig. 65.
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Bacterien mit kopffürtnig aiif-sltzemleu Sporeu. Vergr. 3U0.
Kecnrreus-Spirillen. Vorgr. 700. bei A vereinzelt zwischen den Blut*
körperehen liegend, bei B einen Filz bildend.
und in verschiedenen mehr oder weniger abnormen Secreten. Beim Menschen wird eine solche Spirille von ausserordentlicher Feinheit als die Ursache des Rückfalltyphus (febris recurrcns) angesehen. Aehnliche Gebilde fand Wittich im Blute gesunder Hamster. Die­selben bestanden aus spiraligen Fäden, die an einem Ende etwas verdickt waren und mit Froschspermatozoiden die grösste Aehnlich-keit zeigten. Die peitsclienförmigen Bewegungen dieser Spirillen waren so lebhaft, dass die Blutkörperchen ihrer Umgebung dadurch verschoben wurden. Diese Gebilde verschwanden aus dem Blute der Cadaver erst mit Eintritt der Fäulniss.
Da in jedem Blutstropfen 10— 12 solcher Spirillen enthalten waren, so ergibt sich, dass parasitäre Gebilde im Blute der Thiere in grosser Menge vorkommen können, ohne nothwendig krankheits­erregend zu wirken. Ueberirapfungen auf Meerschweinchen blieben ohne Erfolg.
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Künstliche Zuclit orgnnisirter Krauklicitscrreger.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;157
Alle nicht abgestorbenen Spaltpilze besitzen die Fähigkeit, sieh in einem geeigneten Medium zu vermehren; hierzu ist die Zufuhr von freiem Sauerstoff nicht erforderlich. Auch ausserhalb des Thier-körpors ist ihre Vermehrungsfahigkeit in zweckentsprechend zusammen­gesetzten Cultuiflüssigkeiten eine enorme; nach v. Nägeli soll ein ein­ziger Spaltpilz in 7 bis 8 Stunden über 100,000 Nachkommen erzeugen können. Bei gleichzeitigem Vorhandensein mehrerer Pilzarten in der nämlichen Culturflüssigkeit kommt gewöhnlich nur eine derselben zu stärkerer Entwicklung, Wenn man z. B. in eine bestimmte neutrale, zuckerhaltige Flüssigkeit Keime der hier besprochenen 3 niederen Pilzgruppen hineinbringt, so vermehren sich nur die Spaltpilze und bewirken Milchsäurebildung; setzt man aber lji 0/o Weinsäure zu, so vermehren sich blos die Sprosspilze und es entsteht alkoholische Gährung; setzt man aber 4 bis 5 ajo Weinsäure hinzu, so entsteht Schimmelbildung. Während Spaltpilze in einer sonst geeigneten Nährflüssigkeit, die bis zu 11js! 0/o Weinsäure enthalten darf, sicli leb­haft vermehren, verlieren dieselben unter sonst gleichen Verhältnissen diese Fähigkeit bereits bei lja quot;joigem Gehalt an Weinsäure, wenn sie mit Sprosspilzen den Kampf ums Dasein aufnehmen müssen.
Die Methode der künstlichen Zucht organisirter Krankheits­erreger besteht im Wesentlichen in folgendem Verfahren : In eine adäquate, d. h. dem zu züchtenden Pilze angemessene Nährflüssigkeit, welche von allen fremden Organismen durch entsprechende Vorberei­tungen frei gehalten, oder befreit werden muss, wird eine geringe Menge flüssiger oder fester Körperbestandthcile, welche die zu züch­tenden Mikroorganismen enthält, hineingebracht. Wird die Nähr­flüssigkeit nun unter günstige Vegetationsverhältnisse gebracht (freier Zutritt filtrirter atmosphärischer Luft, ein angemessener Temperatur-und Feuchtigkeits-Grad) und in diesen einige Zeit hindurch erhalten, so vermehren sich die in der Nährflüssigkeit vorhandenen Mikroorga­nismen. — Die Methode der sogenannten „fractionirton Cultur* besteht darin, dass man auf dem vorher angegebenen Wege gezüchtete Mikro­organismen in geringer Menge in ein frisches geeignetes Medium bringt und so eine zweite, dritte u, s, w. Generation künstlich weiter züchtet. Auf dem Wege der fractionirten Cultur hat man den Ein­wand, dass die betreffenden Organismen nicht selbst die Krankheits­erroger, sondern nur deren Träger seien, gründlich beseitigt. In Folge der öfter wiederholten Erneuerung der Culturflüssigkeit tritt ja bereits in den ersten, und weit mehr noch in den späteren Generationen der Cultur-organismen eine so bedeutende Verdünnung der aus dem Körper mit
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158nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Künstliche Zucht organisirter Krankheitserreger.
herübergenommenen nicht organisirten Stoffe ein, dass von einer giftigen Wirkung derselben absolut keine Rede mehr sein kann. Wo also nach Impfungen mit solchen Culturflüssigkeiten die ursprüngliche Krankheit erzeugt werden kann, da müssen die betreffenden Orga­nismen als die eigentlichen Krankheitserreger angesehen werden.
Die geeignete Wahl der Culturflüssigkeit wird das Zustande­kommen von Reinzuchten wesentlich begünstigen, so dass hierin dem Sachverständigen mancherlei Hilfsmittel und Kunstgriffe zu Statten kommen können. Enthalten die ursprünglich verwendeten Körportheile resp. Nährflüssigkeiten zwei oder mehr verschiedene Arten von Spalt­pilzen, so ist für die Erlangung einer Reinzucht blos dann die nöthige Garantie vorhanden, wenn die Culturflüssigkeit nur als Nährboden der einen Pilzart sich eignet. Im anderen Falle wird nicht immer die­jenige Art die Oberhand behalten, welche ursprünglich in überwie­gender Menge vorhanden war, sondern diejenige, für deren Fort­kommen die Culturflüssigkeit am geeignetsten ist.
Verschiedene Chemikalien sind in entsprechender Zubereitung geeignet, die Spaltpilze zu tödten. Auch sind höhere und niedere Temperaturgrade sowohl für ihre Fruchtbarkeit von Bedeutung, als auch länger andauernde höhere Temperaturen sie zu tödten im Stande sind. Hierüber an einem anderen Orte Näheres. Es sei hier nur noch bemerkt, dass durch niedrige Temperaturen ihre Vermehrungs­fähigkeit zeitweilig sistirt, aber nicht leicht für immer vernichtet werden kann; hierzu reichen selbst die höchsten bei xins vorkommen­den Kältegrade in der Regel nicht aus.
In der Gesammt-Sitzung der Academic der Wissenschaften in Berlin am 10. März 1881 legte Pringsheim eine Mittheilung des Dr. W. Zopf vor, „Ueber den genetischen Zusammenhang von Spalt­pilzenquot;. Da aus dieser Mittheilung hervorgeht, dass unsere Kennt-niss der biologischen Verhältnisse derjenigen Mikroorganismen, -welche heute in der Krankheitslehre thierischer und höherer pflanzlicher Organismen eine so bedeutende Rolle spielen, noch eine sehr unvoll­kommene ist, so will ich den wesentlichsten Inhalt jener Mittheilung hier kurz wiedergeben. Es bedarf ja wohl keiner besonderen Er­wähnung, wie lebhaft jeder moderne Pathologe die Fortschritte auf diesem Gebiete der Forschung verfolgt.
„Betreffs der Morphologie der Spaltpilze existiren gegenwärtig zwei wesentlich verschiedene Ansichten. — Die eine betrachtet die als Micrococcus, Bacterium, Bacillus, Leptothrix, Cladothrix, Vibrio, Spirillum, Spirochaete, Ophidomonas etc. unterschiedenen Formen als
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Morphologie der Spaltpilze.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15igt;
blosse Entwicklungszustände von Spaltpilzen. Sie wird vorzugsweise von Billroth, v. Nägeli und Cienkowski vertreten.
Die andere Ansicht dagegen tasst jene Formen als durchaus selhstständige Pflanzen auf, leugnet also einen morphogenetischen Zu­sammenhang derselben. Sie findet in Cohn ihren Hauptvertreter und gewinnt in relativ weitgehenden generischen und specifischen Unter­scheidungen einen concreten Ausdruck.
Beiden Anschauungen stand bisher gleiche Berechtigung zu, vornehmlich aus dem Grunde, weil bekanntermassen keine von beiden sich auf ausreichende, im Wege exacter morphologischer Forschung gewonnene Gründe zu stützen vermochte.
Cienkowski gelang es zwar, den genetischen Connex einiger Spaltpilzformen, nämlich der Mikrokokken, Bacillen und Leptothrix wissenschaftlich festzustellen. Allein da seine Untersuchungen ein­seitig blieben, d. h. sich nicht auch auf die morphologische Bedeutung der übrigen Spaltpilzformen, vor Allem der sogenannten Schrauben-bacterien ausdehnten, auf deren Selbstständigkeit Cohn und seine An­hänger von jeher und mit Recht ein Hauptgewicht legten; und da überdies eine Bestätigung der obigen Beobachtungen von anderer competenter Seite unterblieb, so war es ganz natürlich, dass die Resultate nicht nur als eine unzureichende Stütze für die vorbezeich­nete Theorie angesehen, sondern von den Vertretern der zweiten Ansicht sogar in ihrer Richtigkeit bezweifelt wurden.
Zopf hat nun eine Reihe Untersuchungen ausgeführt, welche die Cienkowski'schen Beobachtungen über den genetischen Zusammen­hang von Mikrokokken, Bacillen- und Leptothrix-Formen als richtig bestätigt, andererseits aber die vibrio-, spirillum-, spirochaete-, ophi-domonasartigen etc. Formen, deren morphologische Bedeutung sich bisher der Erkenntnisraquo; entzog, als blosse Entwicklungsstadien von Spaltpilzen erscheinen lässt.
Infolge dieser Ergebnisse dürfte die bisher herrschende Streit­frage über den morphologischen Werth der Spaltpilzformen als in der Hauptsache entschieden zu betrachten sein, und zwar zu Gunsten der an erster Stelle bezeichneten Hypothese.
Ohne hier auf die Untersuchungen Zopfs spezieller eintreten zu können, seien nur noch deren Ergebnisse mitgetheilt:
1. Die von Cohn aufgestellte, sowohl unter den Botanikern, als namentlich auch in medicinischen Kreisen weitverbreitete Theorie von der Selbstständigkeit der Spaltpilzformen erscheint im Princip
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1(3()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Morphologie der Spaltpilze.
unhaltbar und muss das auf diese Theorie gegründete provisorische System als ein künstliches fallen gelassen werden.
2. Die bisher nur unzureichend gestützte Theorie von der Un-sclbstständigkeit der Spaltpilzformen, wie sie von Billrotb, Nägeli und Cienskowski vertreten wird, ist im Princip richtig und einer ausreichenden wissenschaftlichen Begründung fähig.
v. Nägeli's Ansicht, welche die Spaltpilzformen durch Anein­anderreihung von Mikrokokken entstehen lässt, steht mit den entwick­lungsgeschichtlichen Thatsachen nicht in Einklang.
Es hat nach den Untersuchungen über Bacillus subtilis und Ciostridium den Anschein, als ob nicht alle Spaltpilzgewächse jene Mannigfaltigkeit der Entwicklungsformen besitzen; ja es ist die Mög­lichkeit vorhanden, dass manche Spaltpilze nur eine einzige Entwick-lungsform pioduciren.
Die von Billroth, Bay, Lankastor und anderen Forschern gehegte Anschauung, der zufolge alle Spaltpilze nur ein einziges Genus, oder gar nur eine einzige naturhistorische Art darstellen sollen, ist unhaltbar. Zwar weisen die von mir (Zopf) untersuchten Spaltpilze eine beraerkenswerthe Homologie in der Form und Entstehungsweise ihrer Entwicklungszustände auf; allein diese Homologie berechtigt nicht einmal zu einer generischen, geschweige denn zu einer spezifi­schen Vereinigung, ein Factum, das ich (Zopf) in der ausführlichen Darstellung an Cladothrix, Beggiatoa und Crenothrix näher begründen werde.
Jede Entwicklungsform der behandelten Spaltpilze kann unter gewissen Verhältnissen einen Zoogloea-Zustand eingehen. Eine Aus­nahme von dieser Regel bieten meist die längeren, leptothrixartigen Zustände.
Jeder Entwicklungszustand besitzt im Allgemeinen die Fähig­keit, unter gewissen Bedingungen die Schwärmerform anzunehmen, indem er 1 oder 2 Cilien erhält. Eine Ausnahme machen auch hier die langfadigen Zustände,quot;
Mir will es scheinen, als ob in dieser letzteren Beobachtung so wie in den von Buchner und Pasteur erzielten Culturresultaten ver-schiedengradig virulenter Milzbrandorganismen, welche wir später näher besprechen werden, der Schlüssel gefunden sei, mit welchem das seitherige Geheimniss des so variabelen „Genius epizooticus v. epidetnicusquot; erschlossen werden könne. Der verschiedene Grad der Bösartigkeit mycotischer Krankheiten, sowie der verschiedene Grad ihrer Ansteckungsfähigkeit dürften in der verschiedengradigen Virulenz
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Die pathogcne Bedeutung der Mikroorganismen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 161
des Krankheitskeimes und in seinem Vermögen, die Schwärmerform zu erlangen oder nicht, begründet sein.
Untersuchen wir nunmehr, welche Bedeutung diese pflanzlichen Organismen als Krankheitserreger für die Veterinär-Pathologie haben. Bereits im Jahre 1835 wurde (von Bassi und Balsamo) der Nachweis geliefert, dass die sogenannte „Muscardinequot; der Seidenraupe durch einen Myceliumpilz (Botrytis Bassiana) verursacht wird. Durch diese Thatsache erhielt der alte Gedanke an die belebte Natur verschiedener Krankheitserreger eine consistentere Gestalt, Nachdem die Erkennt-niss, dass die Vermehrung organischer Keime bei der Alkoholgährung eine hervorragende Rolle spielt, eine allgemeinere geworden war, lernte man nach und nach auch einzelne innere Thierkrankheiten kennen, welche nachweislich durch Mikroorganismen verursacht werden. Andererseits aber konnte und durfte man sich der Wahrnehmung nicht verschliessen, dass auch Mikroorganismen im Thierkörper, namentlich im Verdauungsapparate, in unzähligen Schaaren vor­kommen, ohne krankheitserregend zu wirken. Wenn bei einer vor­handenen Krankheit in den thierischen Gebilden Mikroorganismen aufgefunden werden, so ist damit also noch keineswegs erwiesen, dass diese zur Krankheit in ursächlicher Beziehung stehen; es muss dies vielmehr für jede bestimmte Krankheit erst sicher festgestellt werden, was bis jetzt erst für einzelne gelungen ist. Nichtsdesto­weniger ist bereits gegenwärtig die Pasteur'sche Keimlehre für die medicinische Pathologie von eminenter Bedeutung, insofern sie uns in das Wesen einiger ansteckender Krankheiten einen tieferen Ein­blick gestattet und uns den Weg zeigt, welchen die Forschung ferner­hin zu gehen hat, um zu weiteren Aufschlüssen im Gebiete der Seuchenlehre zu gelangen. Für das heutige Studium der Pathologie ist es unbedingt nothwendig zu wissen, dass je nach den Beziehungen zwischen Mikroorganismus und Medium, jener in diesem sich entweder gar nicht, oder in verschiedenem Maasse zu vermehren im Stande ist. Die im Laufe der Zeit so unendlich zahlreich unternommenen Cultur-versuche haben gelehrt, dass unter gewissen Verhältnissen die Ver­mehrung der Mikroorganismen so dürftig und langsam erfolgt, dass eine Veränderung des Mediums nicht wahrnehmbar wird, während unter anderen Verhältnissen, welche der Entwicklung fraglicher Orga­nismen günstiger sind, eine stärkere Vennehrung dieser mit deutlicher Alteration des Nährmaterials sich zeigt. Wir wissen ferner, dass diese Vermehrung unter Umständen eine so stürmische sein kann,
Pütz, Lehrbuch dor anstechomlen Thlorkraukhciten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
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162nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Werth einer näheren Kenntniss der Krankheitsursachen.
class eine schnelle Zersetzung des Mediums die Folge hiervon ist und dass mancherlei Einflüsse die Vermehrung der Mikroorganismen vermindern, oder ganz ins Stocken bringen können. Letzteres wird z. B. selbst durch die mit der Vermehrung der Mikroorganismen ver­bundene Alteration des Mediums schliesslich bewirkt, so dass dieses fernerhin für die Portentwicklung jener sich nicht mehr eignet. Auf dieser Thatsache beruht höchst wahrscheinlich, ja wohl sicher, die spontane Heilung mancher Infectionskrankheiten. Wenn wir z. B. sehen, dass eine Mischung von Fleisch und Wasser mit der Zeit aus-fault, d. h. dass je nach Umständen früher oder später der Moment kommt, wo die in dieser Mischung vorhandenen Fäulnissorganismen, oder auch aus üppigen Culturen entnommene, in fragliche Mischung gebrachte Fäulnissorganismen zu Grunde gehen, so liegt der Schluss nahe, dass auch die Körpergebilde durch die Mikroorganismen, welche als Krankheitserreger thätig waren, so alterirt werden, dass die kranken Thiere in Folge dessen entweder zu Grunde gehen, oder den Moment überleben, in welchem die Mikroorganismen zu Grunde gehen, wo­durch spontane Genesung erfolgen kann.
Wir dürfen hoffen, auf dem jetzigen Wege der Forschung fort und fort ein besseres Verständniss für die Bedingungen zu gewinnen, unter welchen auch im Thierkörper die schädliche Wirksamkeit ge­wisser Mikroorganismen begünstigt oder beeinträchtigt wird, resp. unter denen Krankheiten auf miasmatischem oder contagiösem Wege mehr oder weniger leicht und häufig zum Ausbruche kommen, eine grössere oder geringere Ausbreitung und Bösartigkeit erlangen und dgl. mehr. Denn wie der Verlauf qu. Gährungs- und Fäulnissprozesse nicht nur von der chemischen, sondern auch von der thermischen Beschaffen­heit des Mediums abhängig ist, so sehen wir auch, dass der Verlauf der In­fectionskrankheiten durch die äussere Temperatur etc. beeinflusst wird.
Unter den nachfolgend beschriebenen Krankheiten sind mehrere mit aufgeführt, bei denen ein eigentlicher Ansteckungsstoff, oder auch ein sogenanntes Miasma nicht als Krankheitserreger wirksam ist. Diese Krankheiten hätten eigentlich in einer dritten Gruppe, etwa unter der Bezeichnung „nicht ansteckende Ortsseuchen* zusammengestellt werden können. Ich habe dies indess für jetzt noch unterlassen, weil die Zeit noch nicht gekommen ist, wo wir über die Beschaffenheit der verschiedenen Krankheitsursachen genügend unterrichtet sind, um eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Gruppen der hier zusammen­gestellten Krankheiten mit Rücksicht auf die Natur ihres Erregers ziehen zu können.
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Die Hiihnercholera.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1(J3
1. Die Hühnercliolera.
In neuerer Zeit hat unter unserem Hausgeflügel eine mörderische Krankheit, „Hühnercholeraquot; genannt, vielfach grosse Verheerungen angerichtet. Dieses Uebel wird durch einen Mikroorganismus verur­sacht, welcher erst im Jahre 1879 (von Toussaint) in neutralisirtem Urin künstlich gezüchtet und isolirt worden ist. Pasteur hat dann gefunden, dass fragl. Parasit in Bierhefonwasser, in welchem andere organische Krankheitskeime üppig wuchern, in längstens 48 Stunden zu Grunde geht. Diese Beobachtung führte zu dem Gedanken, dass die Ursache der Immunität gewisser Thierspezies für Ansteckungs­stoffe anderer Gattungen in einer ähnlichen Verschiedenheit der Körper­säfte bedingt sei, wodurch die betreffenden Mikroorganismen bei der einen Spezies gedeihen, während sie bei einer anderen die Bedingungen zu ihrer weiteren Existenz nur in beschränktem Maasse, oder gar nicht finden. So haftet bekanntlich das Rotzgift beim Rinde ebenso wenig, wie umgekehrt das Rinderpest- oder Lungenseuchegift etc. nicht beim Pferde haftet. Auch das Hilhnercholeragift ist für ver­schiedene Thiergattungen ungefährlich, für andere tödtlich. Dasselbe erzeugt beim Meerschweinchen an der Impfstelle einen mehr oder weniger umfangreichen Abscess, der nach seiner spontanen oder künst­lichen Eröffnung ausheilt, ohne dass der Impfling irgend eine Störung in seinem Allgemeinbefinden gezeigt hätte. Solche Abscesse bestehen häufig mehrere Wochen lang, bevor sie zum spontanen Durchbruche gelangen. Ihr sahneartiger Inhalt wird von einer Membran umhüllt und enthält ausser Eiterkörperchen unzählige Mikroorganismen. Impft man kleine Mengen dieses Eiters Hühnern oder Kaninchen ein, so sterben diese schnell. Dasselbe kann geschehen, wenn fragl. Thiere mit einem in der angegebenen Weise geimpften Meerschweinchen zu­sammen wohnen. Auch vom Verdauungscanale aus kann eine solche Infection jener Thiere zu Stande kommen. Um dies zu erzielen, braucht man die Nahrungsmittel der Hühner und Kaninchen nur mit etwas Eiter aus einem Hühnercholera-Abscesse eines Meerschweinchens zu besudeln. So passirt es denn leicht, dass Hühner und Kaninchen, welche mit Meerschweinchen, die solche Abscesse besitzen, zusammen­leben, plötzlich erkranken und sterben, ohne dass die Gesundheit der betr. Meerschweinchen im geringsten gestört erscheint. Wer nun die vorhin erwähnten Thatsachen nicht kennt, der wird über die Todes­ursache der Kaninchen und Hühner leicht zu irrigen Schlüssen gelangen.
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1(54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Hühnei'diolera.
Die Erscheinungen der Hühnercholera sind im Wesentlichen folgende:
Die Patienten lassen die Flügel hängen, sind matt und taumelig, sitzen mit geschlossenen Augen und mit gesträubten Federn ganz schläfrig da, ohne ihren Platz zu wechseln. Sehr bald, d. h. in 24 bis 72 Stunden, pflegt der Tod ohne wahrnehmbaren Kampf einzu­treten; manchmal aber werden die Flügel einige Secunden lang vor Eintritt des Todes bewegt.
Die Prognose ist im Allgemeinen ungünstig, da das an Hühnercholera erkrankte Geflügel meist in kurzer Zeit stirbt, mag dasselbe behandelt werden oder nicht.
Die Behandlung hat deshalb vorzugsweise danach zu streben, die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Zu diesem Zwecke erscheint es am gerathensten, die kranken Thiere zu tödten und die noch gesunden aus dem inficirten Räume an einen geeigneten Ort zu bringen. Die Cadaver der getödteten Thiere müssen entweder tief vergraben, oder verbrannt, der Hühnerhof mit Wasser, dem etwa 1 0/o rohe Schwefelsäure zugesetzt ist, tüchtig abgeschwemmt und aller Mist entfernt werden. Einige Tage nach dieser Prozedur dürfen die Hühner wieder in den Hühnerhof gebracht werden.
Es ist Pasteur gelungen, durch einen gewissen Wechsel in der Art der Cultur dos Hühnercholerapilzes die Giftigkeit desselben ab­zuschwächen. Das in seiner Virulenz gemilderte Gift verursacht bei seiner Impfung eine ungefährliche Erkrankung, wodurch gegen die Wirksamkeit des natürlichen Hühnercholeragiftes eine relative Immuni­tät begründet wird, welche durch eine später folgende Nachimpfung zur absoluten gesteigert werden kann. Bei der ersten Impfung mit diesem geschwächten Gifte entsteht auch bei Hühnern eine bedeu­tende locale Reaction, in Folge deren in der benachbarten Muskulatur ein Sequester sich bildet, während bei einer zweiten Impfung derselben Hühner auch diese locale Reaction eine sehr geringfügige ist.
Da die Pasteur'schen Versuche mit Hühnercholeragift zur Zeit noch nicht abgeschlossen sind, so hat er die Art seines Culturver-fahrens vorläufig noch nicht veröffentlicht. Wir werden indess im folgenden Kapitel sehen, welche weiteren Culturversuche durch jene angeregt worden sind und welche wichtigen Resultate diese ge­liefert haben.
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Der Milzbrand oder Anthrax.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1(35
2. Der Milzbrand oder Anthrax.
Unter allen Infectionskrankheiten ist der Milzbrand diejenige, welche in neuerer Zeit am eifrigsten und zwar mit grossem Erfolge studiert worden ist. Dessenungeachtet ist es augenblicklich nicht möglich, im Rahmen eines Lehrbuches eine allen Anforderungen ent-sprecliende Characteristik und Begrenzung dieser Krankheit zu geben, weshalb ich nachstehend die verschiedenen Krankheitsformen schildern werde, welche bis vor Kurzem unbeanstandet dem Milzbrand zuge­zählt wurden. Am geeigneten Orte werde ich dann angeben, wie weit die früheren Anschauungen nicht mehr berechtigt erscheinen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass unter der Collectivbezeichnung „Milzbrand* verschiedenartige pathologische Prozesse zusammenge­worfen worden sind, welche in Rücksicht auf den Krankheitserreger und auf andere wesentliche Dinge in Zukunft auseinander gehalten werden müssen. Die Zeit ist jedoch noch nicht gekommen, wo eine klare Sichtung und festbegründete Scheidung in allseitig befriedigender Weise stattfinden kann'; deshalb wähle ich den vorhin angegebenen Weg. So lange wir in diesem Labyrinthe nicht ausreichend orientirt sind, wollen wir uns des alten Ariadnefadens bedienen.
Was man bis in die neuere Zeit als „Milzbrandquot; zu bezeichnen pflegte, ist wohl die am längsten bekannte Gruppe von mehr oder weniger ähnlichen Infectionskrankheiten. Ich werde vorläufig den Ausdruck „Milzbrandquot; im früheren collectiven Sinne beibehalten. Der­selbe ist wohl die am längsten bekannte Thierseuche. Schon in der Bibel, dann bei griechischen und römischen Schriftstellern finden wir Erwähnung von weit verbreiteten Thierkrankheiten, welche sich wahr­scheinlich auf Milzbrand beziehen. So spricht Homer in der Ilias von einer Krankheit, welche in dem vor Troja lagernden griechischen Heere grassirte, zuerst die Maulthiere und die (schnellen) Hunde, dann auch die Menschen derart heimsuchte, dass beständig die Todten-feuor brannten. Plinius sagt (hist. nat. Lib. 20, Cap. 4), dass der Milzbrand, ein in der narbonnensisehen Provinz einheimisches Uebel, von dort im Jahre 164 v. Chr. zuerst nach Italien eingeschleppt worden sei. Er gibt ferner an, dass zwei frühere Consuln (Rufus und Bassus) an Milzbrandinfection gestorben seien. — Noch bestimmter und ausführlicher haben arabische Aerzte in früheren Zeiten den Milzbrand des Menschen als „Persisches Feuer (Atshac od. al Hum­rah)quot; beschrieben.
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100nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der Milzbrand in früheren Zeiten.
Diese Seuche hat im Laufe der Zeit an Ausbreitung und Hef­tigkeit bedeutend verloren ; es steht dies wahrscheinlich mit der fort­schreitenden Cultur, mit der Verminderung der Wälder, mit der Drainage des Bodens etc. in causalem Zusammenhange.
Aus früheren Zeiten haben wir Kunde von zahlreichen ver­heerenden Zügen, welche der Milzbrand im Laufe der Jahrhunderte durch ganze Erdtheile gehalten hat. So z. B. war er im Jahre 896 über ganz Europa verbreitet; es erkrankten vorzugsweise Rinder, Schafe und Schweine. Man schrieb die Seuche einer mehr als 0 Monate andauernden Hitze und Dürre zu; ähnlich waren die Ver­hältnisse im Jahre 992, wo auf einen sehr kalten und langen Winter ein sehr trockner und heisser Sommer folgte. In diesem Jahre herrschte der Milzbrand in grosser Ausbreitung; unter dem Ge­treide wurde viel .Bnmd und Rost angetroffen, auch soll viel Mehl-thau gefallen sein, so dass offenbar damals der Pilzbildung im Allge­meinen günstige Verhältnisse obgewaltet haben. — In den Jahren 1375 und 1370 scheint die Seuche vorzugsweise in Süd-Deutschland grassirt zu haben, da in beiden Jahren eine Menge Hirsche, Rehe, Gemsen, Wölfe, Bären, Schweine, Hasen, Füchse, etc. in den Wäldern todt aufgefunden wurden. — Ferner wurden als Milzbrandjahrc ge­nannt: 1598, 1599, 1017, 1682; in letzterem Jahre erschienen folgende zwei Schriften: „In Bayern wohlbewährte und approbirte Mittel für die jetzt grassirende Viehseuche;quot; ferner: „Recept wider die Vieh­seuche, auf Befehl des Churfürsten von Bayern bekannt gemacht. Im Jahre 1(369 d.d. 14. Septbr. erschien in München ein landesherr­liches Mandat, welches rügt, dass das zeithero an der leidigen Sucht gefallene Vieh nicht vorschriftmässig tief und an abgelegene Orte verscharrt werde und deren bessere Vergrabung strengstens anbefiehlt.
Sichere und ausführliche Nachrichten besitzen wir aus dem 18. Jahrhundert, das viele Milzbrandjahre zählt. 1700, 1712, 1717, 1718, 1722, 1731, 1732, mehrere Jahre aus dem vierziger und sechsziger Jahrzehnt frgl. Jahrhunderts, 1770, 1777, 1778, besonders heftig aber wüthete er 1786, 1788 bis 1790, 1793 bis 1797.
Dr. Will, der Gründer und erste Professor der Thierarznei-schule in München (1790), veröffentlichte 1786 eine Instruction der Viehbesitzer unter dem Titel: „Will, über den jetzt herrschenden Zungenkrebs,quot; 1790 erschien von demselben Verfasser folgende Schrift:
„Will's Unterricht nebst den nöthigen Mitteln bei gegenwärtiger Viehseuche, der Milzbrand oder gelbe Schelmquot; genannt. Auf Befehl
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Verschiedene Bezeichnungen der Milzbrandlormen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;167
der Churfürstlichen hohen oberen Landesregierung 1790. Ferner: dessen nöthiger Anhang zu diesem Unterricht etc. München 1790.
Bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts finden wir für die zahlreichen hier in Betracht kommenden Krankheitsformen viele verschiedene Bezeichnungen; so z. B.:
Milzseuche, Milzfieber, brandiges, wildes Blut, gelbes Wasser, gelber Schelm, Sommerseuche, Sumpffieber, Pestfieber, Brandbeulon-seuche oder Beulenseuche, Beulenfieber, Beulenpest etc. etc. Chabert betrachtete alle diese Krankheitsformen als ihrem Wesen nach zu­sammengehörig; derselbe hat in seiner Schrift: „Description et traitement du charbon, Paris 1780quot; die vermeintliche wesentliche Uebereinstimmung der bis dahin verschieden benannten und klinisch mannigfach verschiedenen Krankheiten nachzuweisen versucht. In neuerer Zeit ist jedoch festgestellt worden, dass eine so weit gehende Identität fragl. Zustände, als Chabert angenommen hat, in der That nicht besteht.
In Frankreich unterschied man bis vor Kurzem folgende Haupt­formen des Milzbrandes : 1) le charbon apoplectique oil apoplectiforme (Milzbrandblutschlag), 2) la fiövre charboneuse oh le charbon suraigu (Milzbrandfieber); 3) le charbon symptomatique (der abermals unter­schieden wurde als: charbon pustuleux, tubereux et ^rysipelateux, Milzbrand mit äusseren Localisationen); 4) le charbon h6am (charbon essentiel de Chabert) oil le charbon chronique, der sich durch das Auftreten von unschmerzhaften Hautgeschwülsten und durch einen protrahirten Verlauf mit deutlich remittirendem Fieber characterisirt ist; 5) L'emphysfeme charbonneux, Geräusch, Rauschbrand u. s. w.
No. 3 (le charbon symptomatique) und No 5 (L'emphysfcme charbonneux) sind in neuerer Zeit aus der Reihe der Milzbrandkrank­heiten gestrichen worden.
In Russland sind die Verheerungen, welche der Milzbrand anrichtet, bis zur Gegenwart noch sehr bedeutend. So herrschte z. B. im Jahre 1864, 1865 und 1866 im Zarenreiche die sogenannte „sibirische Pestquot;, welcher auch Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Die preussische Regierung sah sich in Folge dessen veranlasst, eine Commission nach Russland zu entsenden, welche an Ort und Stelle die Krankheit be­obachten und diagnostisch feststellen sollte. Das Gutachten derselben, welches auf „Milzbrandquot; lautete, befreite das ganze westliche Europa von der auf ihm lastenden Furcht vor einer etwaigen Einschleppung der bis dahin ungekannten, und deshalb um so mehr gefürchteten Seuche. Bei dieser Gelegenheit erfuhr man auch, mit welcher Roh-
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1(38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Milzbrandl'ormen der verschiedenen Hausthiergattungen.
heit, Unkenntniss und Leichtfertigkeit man in gewissen Gegenden Russlands mit den Cadavern gefallener Thiere umging, und vielfach wohl noch umgeht; dieselben blieben nicht selten unverscharrt im Freien liegen, oder wurden zu Hunderten in die Flüsse geworfen und dadurch die Verbreitung der Seuche wesentlich begünstigt. Die von der russischen Regierung zur Erforschung der Ursachen der Milz­brand - Enzootien ernannte Commission erklärte: ein Hauptausgangs­punkt fragl. Seuche sei die mangelhafte Beseitigung der an Milzbrand verendeten Schiffs-Pferde an der Scheksna, einem Zuflüsse der Wolga, südöstlich vom Ladoga See. Die daselbst zum Schleppen der Kähne verwendeten Pferde erkranken und fallen massenhaft an Milzbrand; gewöhnlich werden die Cadaver nicht vergraben und begünstigen durch ihre Verwesung an der Luft oder im Wasser die Verbreitung des Milzbrandgiftes im Boden oder in fraglichem Stromgebiete, dessen angrenzende Länderstrecken überdies aus sumpfigem Boden bestehen. So verlor Russland im Jahre 1864 an Milzbrand: 72000 Pferde; blos im Gouvernement Nowgorod gingen in den 4 Jahren von 18G7 bis 1870 über 50000 Pferde, Kühe und Schafe, sowie 528 Menschen an Milzbrand zu Grunde. —
Nach Russland kommt in europäischen Ländern der Milzbrand am häufigsten vor: in Ungarn, in den Gebieten der unteren Donau, in verschiedenen Theilen Frankreichs (Auvergne, Beauce, Charente, Sologne, Eure et Loire) und in Deutschland in den Alpen Südbayerns und Tyrols, auch in der preussischen Provinz Sachsen und in einigen anderen Provinzen unseres Staates kommt er als Enzootie noch ziemlich häufig vor. Im Jahre 1879 starben auf einer Domäne des Regie­rungsbezirkes Merseburg vom 24. Juli bis zum 20. Decbr. 62 Stück Rindvieh, 4 Pferde und 3 Schafe an Milzbrand. Wir wollen nun in Folgendem die Krankheit selbst etwas näher betrachten.
Die Milzbrandformen der verschiedenen Hausthier-Gattungen.
Bei unseren Hausthieren tritt der Milzbrand in sehr verschie­denen Formen auf; eine der wichtigsten Verschiedenheiten besteht darin, dass derselbe entweder ohne oder m i t äusserer Localisation auftritt.
Es fragt sich indess, ob man diese Eintheilung noch länger wird beibehalten können, da die neuesten Untersuchungen ergeben haben, dass die seither als Milzbrand mit äusserer Localisation oder als Karbunkelkrankheit unterschiedene Form kein eigentlicher Milzbrand
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Milzbrandformon ohne äussero Localisntion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ]09
ist, Vorläufig jedoch wollen wir aus den bereits angegebenen Gründen an fraglicher Eintheilung noch festhalten.
A. Milzbrandformen ohne äussere Localisation.
Der Milzbrand verläuft manchmal so schnell, dass der Tod ohne deutlich ausgesprochene Krankheitserscheinungen eintritt. Diese Form wird als Milzbrandblutschlag, apoplectisch er Milzbrand, „Anthrax acutissimus* bezeichnet. Bei derselben stürzen die Thiere wie vom Blitze getroffen todt nieder; so werden z. B. Thiere, welche Abends noch ganz gesund erschienen, am folgenden Morgen todt im Stalle, oder auf der Weide angetroffen. Meist werden die bestgenährten, kräftigsten, jüngeren Individuen des Viehstandes von dieser Milzbrandform befallen. Häufiger ist indess die nicht so höchst acute Milzbrandform ohne Localisation, der „Anthrax acutus*, bei welcher die bis dahin ganz gesund scheinenden Thiere zu zittern anfangen, mit dem Kopfe schütteln, zu Boden stürzen und entweder unter Zuckungen bald verenden, oder sich periodisch etwas erholen, um einem der nach kurzer Zeit folgenden weiteren Anfülle zu er­liegen. Zwischen den einzelnen Anfällen stehen bei andauernder Gehirnhyporämie die Kranken mit stieren Augen da, zeigen sich un­sicher auf den Beinen, oder taumeln gar hin und her, namentlich wenn sie zu Bewegungen veranlasst werden; sie stützen den Kopf auf die Krippe, den Körper an die Stallwand etc.; kurz, sie zeigen Erscheinungen einer mehr oder weniger auffallenden Betäubung. Wo eine Ueberfüllung des Gehirns, der Lungen, oder eines anderen edlen Organes mit Blut fehlt, bieten die milzbrandkranken Thiere meist keine besonders auffälligen Erscheinungen, ausser zur Zeit eines perio­dischen Anfalles.
Diese Anthraxform endet in der Regel nach 4 bis 36 Stunden mit dem Tode. Treten die Erscheinungen weniger heftig auf, so kann die Dauer über 3 bis 4, ja selbst bis zu 7 Tagen sich aus­dehnen. Es zeigen sich dann gewöhnlich deutliche Remissionen, welche mehrere Stunden (einen ganzen Tag und noch länger) an­dauern können und so selbst dem Kundigen leicht eine eingetretene Reconvalescenz vortäuschen, bis die auf sie gesetzte trügerische Hoffnung schwindet, indem neuerdings Exacerbationen mit meist lethalem Ausgange eintreten. Die wesentlichsten Symptome dieser Krankheitsform sind folgende:
Zuweilen schwellen die Augenlider etwas an, das Athmen ist periodisch oder andauernd erschwert, die Verdauung gestört. Fress-
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Milzbrandl'onuen mit äusserer Localisation,
lust und Wiederkauen fehlen oft gänzlich; der Durst ist nur selten gesteigert; die Excremente sind meist dunkel gefärbt, in der ersten Periode der Krankheit gewöhnlich trocken, nicht selten blutig, gegen das Ende stellen sich blutige Durchfälle und Auftreibung des Hinter­leibes ein. Die Absonderung der Schleimhäute wird reichlicher und bereits schon vor dem Tode fliesst aus den Nasenlöchern und auch wohl aus dem Maule ein blutiges Secret. Auch kann die Betäubung und Hinfälligkeit der Patienten stellenweise einen hohen Grad er­reichen. Nicht selten hat bei diesem Verlaufe das sogenannte Milzbrandfieber so wenig characteristische Erscheinungen, dass selbst der tüchtigste Kenner nicht im Stande ist, ans denselben die Diagnose mit Sicherheit stellen zu können. Die Oertlichkeit, so wie die Ver­gangenheit, namentlich bereits vorausgegangene Milzbrandfalle in der betr. Localität werden oft wesentliche Anhaltspunkte für die Diagnose abgeben müssen. Die Fiebererscheinungen sind beim Milzbrand manch­mal sehr deutlich, manchmal aber wenig oder gar nicht in die Augen fallend. Oft tritt im Anfange der offenbaren Erkrankung ein deut­lich wahrnehmbarer Frostschauder ein, mit heftigem Zittern der Extremitäten-Muskulatur, worauf bald eine nngleichmässig gesteigerte Temperatur der verschiedenen Körpertheile folgt. Bald treten die Erscheinungen einer Affection des Gehirns, bald die der Hinter­leibs- oder der Respirations-Organe mehr in den Vordergrund. Im letzteren Falle stellen sich mehr oder weniger bedeutende Athembe-schwerden ein, die wegen der Ueberladuug des Blutes mit Kohlen­säure in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit nie ganz fehlen, falls nicht der Verlauf ein sehr acuter ist.
B. Milzbrandformen mit äusserer Localisation.
Der eigentliche Sitz der sogenannten Milzbrandkrankheiten ist immer das Blut. Je nachdem nun in dem einen oder anderen Organe, resp. Gewebe Hyperämien und Exsudate zu Stande kommen, wird das Krankheitsbild sich scheinbar wesentlich verschieden gestalten können. Es sei indess ausdrücklich bemerkt, dass alle echten Milzbrand­formen in ihrem eigentlichen Wesen vollkommen gleich sind. Wie weit dieser früher allgemein gültige Satz durch die neueren Versuche eingeschränkt werden muss, lässt sich augenblicklich noch nicht mit Sicherheit bestimmen. Das bis jetzt hierüber bereits Festgestellte werde ich am geeigneten Orte mittheilen. Auch beim sog. Milz-brandfieber finden in der Regel Localisationen, indess nach inneren Organen, statt, wodurch dieselben für die Dauer des Lebens der
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Zungen-Antlirax,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;171
Wahrnehmung entgehen, wenn sie nicht ein Organ betreffen, dessen physiologische Leistung für den Gcsammtorganismus von besonderer Wichtigkeit ist, so dass die Störung derselben auch nach aussen in die Erscheinung tritt. Bilden sich die Localisationen im Umfange der äusseren Körperoberfläche, so sind dieselben schon während des Lebens dem Auge und Gefühle direct wahrnehmbar und sollen als­dann im Ganzen genommen eine günstige Bedeutung haben; man will die Erfahrung gemacht haben, dass die Milzbrandformen mit äusseren Localisationen, mit sogenannter Karbunkelbildung, häufiger mit Genesung enden, als das sog. Miizbrandfieber. Es erscheint dies leicht begreiflich, weil die äusserlich gelegenen Ausscheidungen aus dem Blute durch geeignete therapeutische Eingriffe entfernt und unschäd­lich gemacht werden können; da aber nach den neueren Untersu­chungen von Arloing und Cornevin die Ablagerungen von Krank­heitsstoffen in das Bindegewebe weniger einen blutreinigenden (depu-ratorischen) Character haben, sondern eher eine bedenkliche Compli­cation zu sein scheinen, so wird jene früher unbestrittene Behauptung in Bezug auf ihre Richtigkeit näher geprüft werden müssen.
Je nach dem Orte der Localisation hat man die betreffenden Milzbrandformen verschieden benannt. Die gebräuchlichsten derartigen Bezeichnungen sind:
a. Der Zungenanthrax oder Glossanthrax, auch wohl Zungenbrand, Zungenfäule oder Pestblatter, früher auch „Zungenkrebsquot; genannt. Derselbe ist durch das Auftreten von Blasen in der Mund- und Rachenhöhle, namentlich auf dem Rücken und am Grunde der Zunge, am Gaumen, an den inneren Flächen der Lippen und Backen, so wie um das Zungenbändchen herum, gekennzeichnet. Die Blasen sind anfangs weisslich und durchscheinend, werden aber alsbald trüb, violett oder schwarzblau und nehmen besonders dann, wenn sie in geringer Anzahl vorhanden sind, schnell an Umfang zu, so dass sie die Grosse eines Hühnereis erreichen. Dieselben platzen entweder mit Ergusa einer ätzenden, schwärzlichen Jauche; — oder sie trocknen zu einem Schorfe ein, unter welchem in kürzester Frist die benachbarten Gewebe zerstört werden. Erst mit dem Platzen der Blasen oder Pusteln treten deutliche Fiebererscheinungen hervor. Die Umgebung der Geschwürsflächen schwillt stark an, die Schmerzen steigern sich bedeutend, aus dem Maule fliegst mit Brandjauche ge­mischter Schleim in reichlicher Menge ab und oft tritt schon 1 bis 2 Tage nach dem Hervortreten der Blasen der Tod ein, indem die
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Anthrnxbräune und Jlnsttlnnricarbiiiikt'l.
brandigo Zerstörung gewöhnlich den Schlund- und Kehlkopf, oder auch den harten Graumen mit ergriffen hat.
Diese Milzbrandform hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der Pustula maligna des Mensehon, indem auch bei dieser zunächst die Brandblasen (oder Karbunkel) und erst später Erscheinungen eines Allgemeinleidens (Fieber) auftreten. Ea liegt demnach die Ver-muthung nahe, dasraquo; beim Zungenantlirax meist, wenn nicht immer, eine Infection von der Mundschleimhaut ans zu Stande kommt. Auch der Umstand, dass bei einer frühzeitig eingeleiteten, zweckmässigen Behandlung nicht selten Genesung eintritt, spricht für diese Annahme. Streng genommen sind dann in diesem Falle die Localisationen in der Maul- und Eachenhöhle nicht als (metastatische) Ausscheidungen aus dem Blute, sondern als die Folge eines localen int'ectiösen Ent­zündungsprozesses, und die Maulhöhle als das „Atriumquot; des Krank-heitsstoffes für den betreffenden Fall aufzufassen.
Beim Ausgange in Genesung bleiben häufig noch längere Zeit hindurch Geschwüre in der Maulhöhle zurück, welche der Futterauf-nahmo und dem Kauen hinderlich sind.
Diese Anthraxform wurde in früheren Zeiten viel häufiger als gegenwärtig beobachtet; die Gründe hierfür liegen wahrscheinlich in Verhältnissen, welche Verletzungen der Maulschleirahaut seltener machen, als solche früher vorgekommen sein mögen.
b.nbsp; nbsp;Die Anthraxbräune, die S. 174 näher beschrieben ist.
c.nbsp; nbsp;Der Mastdarmkarbunkel, welcher auch wohl Rücken­oder Lendenblut genannt wird. Diese Milzbrandform ist während des Lebens vorzugsweise durch den Abgang eines theorähnlichen Blutes, das unter anhaltendem Drängen mit den gewöhnlich festen Excrementen entleert wird, von den übrigen Anthraxformen unterschieden. Bei der Exploration per anum findet man die Schleimhaut des Mastdarms ge­wöhnlich sehr heiss und bedeutend geschwollen. Der Tod tritt bald sehr schnell (innerhalb weniger Stunden), bald erst nach einer Krankheits­dauer von einigen Tagen ein. DaBlutungea aus dem Mastdärme auch unter verschiedenen anderen Umständen vorkommen können, so sind bei der Diagnose des Mastdarmkarbunkels selbstverständlich die ander­weitigen Verhältnisse mit zu berücksichtigen.
Es sei hier ausdrücklich vor dem Ausräumen des Mastdarmes mit der Hand gewarnt, da dasselbe dem Thierc unnöthige Schmerzen verursacht und leicht eine Infection der betreffenden Person zur Folge haben kann. Vor der Exploration des Mastdarmes versäume man nie, die
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Milzbrand dei' Schafe.
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untersuchende Hand gut einzuölen, thcils um das Geschäft für sich selbst und den Patienten zu erleichtern, theils um sich vor etwaiger Infection möglichst zu schützen.
In Bezug auf das Vorkommen der einzelnen Milzbrandformen bei unseren verschiedenen Hausthieren gilt im Aligemeinen folgendes:
Bei Schafen tritt der apoplectische Milzbrand häufiger als bei den übrigen Hausthieren auf und wird gewöhnlich Blutseuche oder „Blutstaupequot; (franz. „sang deratequot;) genannt; zur Kar­bunkelbildung kommt es bei dieser Thiergattung selten; wo dies ge­schieht, pflegen die Geschwülste am Euter, an den Gliedmassen oder am Kopfe aufzutreten und meist die erysipelatöse Form anzunehmen. Die Verluste, welche durch Milzbrand, namentlich durch die Blut­staupe unter den Schafen verursacht werden, sind in manchen Ge­genden sehr bedeutend. So soll z. B. Frankreich durchschnittlich etwa 30 Millionen Frs. jährlich durch Milzbrandfälle bei Schafen ver­lieren.
Ob die von Dr. Krabbe (Zeitschrift für Thiermedicin Bd. I. S. 34 bis 39) beschriebene Schafkrankheit, welche dänisch als „Brad-sot* bezeichnet wird, dem Milzbrande angehört, ist sehr fraglich, sogar wenig wahrscheinlich. Dieselbe soll deshalb an dieser Stelle nur ganz kurz besprochen werden. In Island (so wie auch auf den Faroern) kommt unter den Schafen, vorzugsweise während des Win­ters in den Monaten October bis Januar, und nur ganz ausnahms­weise im Sommer eine Krankheit vor, welche besonders die besten und fettesten Individuen im ersten und zweiten Lebensjahre befällt. Auf den Faroern, wo der Winter verhältnissmässig milde ist, bleiben die Schafe das ganze Jahr hindurch draussen. Krabbe schildert den Verlauf der Bradsot folgendennasscn: Ohne vorhergehende Krank-heitserscheinungen hört das Thier auf einmal auf zu fressen, legt sich nieder, kauert sich zusammen, stöhnt, schäumt aus dem Munde und verendet oft im Laufe einiger Minuten, höchstens dauert die Krank­heit wenige Stunden und es zeigt sich dann (wie es scheint, mitunter schon während des Lebens) Auftreibung des Bauches. Nach dem Tode tritt die Zersetzung ausserordcntlich rasch ein; der Bauch wird von Darmgasen stark aufgetrieben, Leber und Nieren werden schnell mürbe, die Haut nimmt eine blaue Färbung an und die Wolle löst sieh; das Fleisch geht so schnell in Fäulniss über, dass weder Hunde noch Raben es verzehren und der todte Körper verbreitet einen in­tensiven Gestank. Tödtet man das Thier im Anfange der Krankheit,
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Milzbrand dei- Ziegen und Schweine.
dann findet man am Labmagen einen tief bliiulichrothen Fleck, welcher, wenn das Thier an der Krankheit gestorben ist, an Grosse zugenommen hat und die Hälfte des Labmagens einnehmen kann. Diese Krankheit scheint dem Schafe eigenthünilich zu sein, indem andere Hausthiere an derselben nicht erkranken. Ihre Ursachen sind unbekannt, die Prognose ebenso ungünstig und jede innerliche Behandlung ebenso nutzlos, wie bei Milzbrand. Um die Verluste, welche Island durch die Bradsot erleidet, ungefähr taxiren zu können, sei noch kurz be­merkt, dass dieses Land im Jahre 1870 auf G0703 Einwohner 352443 Schafe besass und von letzteren im Winter 1870/71 11317 Stück = 3,2 0/o an fraglicher Krankheit verlor. Da die diesen Verlust­zahlen zu Grunde liegende Statistik unvollstiindig ist, so stellen sich die wirklichen Verluste noch höher. Im Südamte Islands, das gegen 140000 Schafe besitzt, sollen in den Jahren 1849/54 jährlich etwa 0000 Stück = ca. 41/30/o an der Bradsot zu Grunde gegangen sein.
Bei Ziegen verläuft der Milzbrand in der Regel weniger schnell als bei Schafen; das Milzbrandfieber ist die gewöhnlichste Anthrax-form dieser Thiergattung.
Beim S c h w e i n e ist die apoplectische Milzbrandform, ebenso der Maul- oder Zungenanthrax, hier gewöhnlich „Rankkornquot; genannt, sehr selten. Etwas häufiger kommt bei dieser Thiergattung die Bil­dung von Milzbrandgeschwülsten am Halse und im Rachen, die soge­nannte „Anthraxbräune* vor. Mit den Erscheinungen eines heftigen Fiebers stellt sich beschwerliches, keuchendes, pfeifendes Athmen und heiseres Grunzen ein; der Rüssel wird heiss und trocken, die Zunge schwillt an, die Maulschleimhaut wird bräunlich roth, das Schlingen und Athmen beschwerlich, wobei Brechneigung sich einstellt. In der Kehlkopfsgegend und im Verlaufe der Luftröhre bildet sich eine heisse, derbe und schmerzhafte Geschwulst, welche sich nicht selten auch über die Vorderschenkel und zwischen diesen hindurch auf die Unterbrust verbreitet; dieselbe ist anfangs roth, nimmt aber häufig bald eine bleigraue und zuletzt violette Färbung, so wie ein ödematöses Aussehen an. Auch die Maulschleimhaut und der Rüssel werden bleifarbig, die äussere Körperwärme sinkt, die Athembeschwerden und das Allgemeinleiden steigern sich, so duss die Patienten inner­halb 1 bis 2 Tagen an Erstickung, oder in Folge ausgebreiteten Brandes sterben. Genesung tritt nur sehr selten ein; wenn dies aus­nahmsweise geschieht, so nehmen die Athem- und Schling-Beschwerden ab, die Karbunkel breiten sich nicht weiter aus und werden allmählich kleiner.
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Die weisse Borste des Sehweines.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;175
Zuweilen sitzt in der Nähe des Kehlkopfes und der Ohrspeichel­drüse in der Tiefe ein nur bohnengrosser Karbunkel, auf welchem die Borsten (12 bis 20 Stück) büschelförmig sich aufrichten, bleich, hart und spröde weiden. Der geringste Zug an denselben verursacht den Patienten sehr lebhafte Schmerzen. Diese Form des Milzbraud-karbunkels pflegt man als „weisse Borstequot; zu bezeichnen. — Unter andauernden Athembeschwerden, Stöhnen, Zähneknirschen und Zuckun­gen gehen die Thiere gewöhnlich innerhalb einiger Tage zu Grunde.
Uebcr das Vorkommen eines derartigen Krankheitszustandes beim Schweine haben viele Laien und Fachmänner berichtet, ohne dass bis jetzt dessen wahre Natur vollkommen klar gestellt werden konnte. In der Zeitschrift für Thiermedicin (Bd. I. S. 175 bis 179) hat Zündel über „die weisse Borste des Schweinesquot; einen sehr interessanten Artikel veröffentlicht. Derselbe macht auf das nicht seltene Vorkommen von Halskiemenfisteln bei Schweinen aufmerksam und bemerkt dazu, dass er selbst in solchen Fisteln oft ein Büschel von 3 bis 0 eingedrungenen, abgeblassten Borsten gefunden habe. Zündel ist geneigt anzunehmen, dass diese weissen Borsten zufällige Befunde sind, da eine Anschwel­lung oder Entzündung der Ohrdrüsen, resp. der oberen Halsgegend der Schweine hei jedem typhösen Leiden, d. i. bei allen dem Milz­brande mehr oder weniger ähnlichen Krankheiten, häufiger beobachtet werde. Andere, so z. B. Delafond, Reynal, Lafosse, Bunion etc. nehmen an, dass die in die Fistel eingedrungenen Borsten eine ge­fährliche (brandige) Bräune hervorzurufen im Stande sind. Im einen, wie im anderen Falle erscheint die Milzbrandnatur der sogenannten weissen Borste des Schweines somit sehr fraglich.
Im Archives v^rinaires 1881 No. 15, S. 584 u. folg. haben Arloing Cornevin und Thomas einige Versuche mitgetheilt, welche die bereits früher von Toussaint (Recherches sur la maladie charbo-neuse 1879) ausgesprochene Ansicht, dass das Schwein gegen das Milzbrandgift immun sei, zu bestätigen scheinen. Sie glauben ferner aus Versuchen bei Schweinen mit Karbunkelgift schliessen zu dürfen, dass diese Thiergattung auch gegen das Karbunkelgift unempfindlich, reap, für seine gefährlichen Wirkungen unempfänglich sei. In Folge dessen gelangen sie zu dem weiteren Schlüsse, dass Milzbrand, so wie die eigentliche Karbunkelkrankheit, bei Schweinen überhaupt nicht vorkommen, und dass alle bis dahin bei fraglicher Thiergattung beob­achteten, unter diese Rubrik eingereihten Krankheitszustände auf ein anderes giftiges Agens, als auf Milzbrandbacteridien, oder Karbunkel-bacterien zurückzuführen seien. — So wahrscheinlich es nun auch
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Milzbrand der Hunde und Katzen, des Gelliigels und Rindes.
ist, dass unter den früher sogen, milzbrandartigen Krankheiten im Laufe der Zeit eine weitere Scheidung stattfinden wird, so ist diese vorläufig doch noch nicht hinlänglich begründet.
Bei Hunden und Katzen entwickelt sieh der Milzbrand nur in Folge des Genusses von Cadavertheilen, oder von Aderlassblut milzbrandiger Thiere. Alle wesentlichen Formen der Krankheit sind bei denselben beobachtet worden. Am häufigsten jedoch kommt Milz­brand mit äusseren Localisationen, namentlich im Maule, oder an anderen äusseren Partien des Kopfes oder Halses bei Hunden vor.
Auch beim Hausgeflügel ist der Milzbrand in seiner apoplecti-schen Form, wie auch als Anthraxfieber und Karbunkelkrankheit beobachtet worden. Die Krankheit endet in der Regel mit dem Tode, der meist einige Stunden nach der offenbaren Erkrankung einzu­treten pflegt.
Beim Rinde scheinen Anthraxformen ohne äussere Localisationen am häufigsten vorzukommen und zwar ist die apoplectische Form nicht selten, dennoch aber weniger häufig als das Milzbrandfieber. Bei Ausbruch einer Milzbrandenzootie pflegen in der ersten Zeit die meisten Fülle von Milzbrandblutschlag beim Rinde vorzukommen. Die Karbunkelkrankhcit kommt bei dieser Thiergattung verhältnissmässig selten, jedoch in verschiedenen Formen vor. Nach meinen Beob­achtungen in Deutschland und in der Schweiz kommt das sogen. Rücken- oder Lendenblut, resp. der Mastdarmcarbunkel, relativ am häufigsten vor.
Beim Pferde kommen folgende 3 Milzbrandformen vor:
a)nbsp; Die apoplectische Form; dieselbe ist bei dieser Thierart im Ganzen selten und bietet keine nennenswerthen Eigenthümlichkeiten. Der Tod folgt entweder bald nach dem ersten Anfalle, oder es tritt eine kurze Remission ein, während welcher die Betäubung in mehr oder weniger hohem Grade fortbesteht; dieser Remission folgt meist nach 4—6 Stunden ein neuer Anfall, der dem Leben des Thieres ein Ende macht.
b)nbsp; Eine weniger acute Form, welche nach 3 bis 4 Tagen den Tod herbeiführt. Die Patienten erscheinen betäubt und hinfällig, zeigen Anschwellung der Augenlider, blutige Infiltrationen derNasen-schleimhaut und Augenlidbindehaut, erschwertes Athmen, sehr be­schleunigten Puls und anhaltende, oder remittirende, meist heftige Kolikerscheinungen.
Die wichtigsten Sectionserscheinungen sind: Milzschwellung, Blutungen in das subseröse Bindegewebe, Schwellungen der Gekrös-
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Milzbrand des Pferdes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 177
drüsen, Imbibition der Intima der grossen Gefässstäinme mit rothem BlutfarbostofFe, bedeutende Hyperämien der Lungen und des Grehirns, ohne dass für gewöhnlich eine eigentliche Gehirnblutung nachzu­weisen wäre.
c) Die mit äusseren Localisationen auftretende Form wird ge­wöhnlich als „Pf'erdetyphus* bezeichnet; sie hat aber mit dem eigent­lichen Typhus des Menschen keine Gemeinschaft. Die Anthraxnatur des sogenannten Pferdetyphus ist trotz seiner Uebereinstimnuing in den auffallendsten Krankheits- und Sectionserscheinungen nicht sicher festgestellt. Derselbe tritt allerdings nicht selten in Localitäteu auf, in welchen auch bei anderen Thiergattungen Milzbrandfälle gelegent­lich vorzukommen pflegen.
Die erstenKrankheitserscheinnngen sind gewöhnlich die eines Danncatarrhs verbunden mit einer massigen Puls- und Athemfrequenz. Bald, di h. am ersten bis dritten Tage, erscheinen an der äusseren Körperoberfläche verschieden grosse Geschwülste, welche am häufigsten an der Brust und am Bauche, so wie seitlich in der ganzen Länge der Wirbelsäule und auf der Kruppe vorkommen. Manchmal treten sie plötzlich an der einen Stelle zurück, während au einer anderen neue erscheinen. Nicht selten bilden sich ausgedehntere ödematöse Anschwellungen an den Gliedmassen, welche diese an der betreffenden Stelle ganz umfassen, auf der Krone des Hufes beginnen und all­mählich bis zum ersten Gelenke über der Fusswurzel d. h. bis zum Ellenbogen- oder Kniegelenke emporsteigen und von da aus auf die untere Körperfläche sich fortsetzen; dieselben sind an ihrer Grenze scharf abgesetzt. Sie erreichen manchmal einen so bedeutenden Um­fang, dass die Bewegung der erkrankton Gliedmasse mehr oder weniger bedeutend beeinträchtigt, oder ganz unmöglich wird. Aebnliche Ge­schwülste treten auch öfter am Kopfe auf, wo sie gewöhnlich an der Nasenwurzel beginnen und sich bis zu den Nasenlöchern, oder über diese hinaus bis auf die Lippen ausdehnen. Es können dadurch eines-theils die Nasenlöcher mehr oder weniger vollständig verschwellen und so das Athmen in verschiedenem Grade erschwert werden, — anderntheils kann die Futteraufnahme durch die Festigkeit und Steifig-keit der geschwollenen Lippen behindert, oder ganz unmöglich ge­macht werden. Die Anschwellungen können vom Kopfe auch in der Drosselrinne auf die Unterbrust, den Unterbauch und bei männlichen Thieren auf den Schlauch hinuntersteigen, und im letzteren Falle die Harnentleerung erschweren. Kleinere, scharf umschriebene Karbunkel
Pütz, Lehrbuch äor anstookouden Thlerkrauliliciteu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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178 Milzbranä des Pferdes (Pferdetyphue)| Krankheiteersoheinnngen.
findet mau am häufigsten am Kopfe, an den Seiten des Halses, der Brust und des Bauches, so wie an der Ausseufläche der Hinterbacken. Auch im Augapfel bilden sich nicht selten blutige Extravasatc, welche dieses wichtige Organ zerstören. Die Geschwülste am Kopfe und in der Kehlkopfgcgend werden zuweilen so umfangreich, dass sie den Tod des Patienten durch Erstickung herbeiführen; dies geschieht namentlich dann, wenn gleichzeitig bedeutendere Localisationen im Bereiche der Schleimhaut der Nasen- und Bachenhöhle vorhanden sind. Die Nascnsclileimhaut erscheint alsbald intensiv gerottet, ge­schwellt und von zahlreichen, punkt- und striemenförmigen Extra-vasaten durchzogen, stellenweise auch von gelben, streifenweise durch Extravasate violett gefärbten Exsudaten infiltrirt; ein ähnlicher Zu­stand stellt sich häufig auf der Schleimhaut der Vorder- und Hinter­lippe, seltener am Zahnfleische ein, das, so wie die Schleimhaut des ganzen Maules, eine gesättigt-gelbe Färbung zeigt. Es stellt sich ein zäher, schmutziger, häufig blutiger Nasenausfluss ein und auch aus dem Maule fliesst in Fäden und Strängen ein zäher Geifer ab. Wenn nicht gleichzeitig die Nasenöffnungen verschwollen sind, so ist auch jetzt noch die Athem- und Pulsfrequenz eine nur massig gesteigerte; der Puls ist meist weich und voll, 00 bis 70 in der Minute, der Herz­schlag bald fühlbar, bald nicht. Auf der Nasenschleimhaut, beson­ders der Scheidewand, treten häufig bläulich roth gefärbte, 1 Mm. bis 1 Ctm. im Durchmesser haltende, runde oder längliche Flecken auf, welche aus kleinen Blutextravasaten, gemischt mit gelbsulzigem Exsudat, bestehen. Dieselben nekrotisiren nicht selten, indem sie mit der betreffenden Schleimhautstelle zu einem gelben Schorfe eintrocknen, der ringsum noch von infiltrirten Partien umgeben ist und so lange allmählich sich vergrössert, bis die ganze infiltrirte Stelle in eine safrangelbe, zundersilmliche Schorfmasse umgewandelt ist. Diese wird dann In der Folge durch eine anfangs seichte, allmählich breiter werdende Fin-che von der umgebenden Schleimhaut geschieden, und beginnt dann vom Bande aus sich zu lösen; mit fortschreitender Ab­trennung von dem unterhalb gelegenen Gewebe wird sie morsch, zer­klüftet, und flottift endlich, wenn sie nur noch an einer Stelle fest­sitzt, frei in der Nasenhöhle; mit der gänzlichen Abstossung bleibt ein Geschwür zurück, das an den Bändern stark infiltrirt ist. Diese Geschwüre dringen in der Begel bis in das submueöse Bindegewebe, können aber auch, falls auf beiden Seiten der Nasenscheidewand tiefer greifende Geschwüre sitzen, selbst den Scbeidcwandknorpel por-foriren. Eine wesentliche Verschiedenheit in den klinischen Erschci-
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jrilzbrniid des Plertles (Plerdetyplius); Verlauf und Ausgang,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;179
nungen des Pfcrdutypluis und denen des Milzbrandes .anderer llaus-säugotliiere besteht darin, dass bei jenem der Durst weit mehr ge­steigert zu sein pflegt, als bei diesen. Die Exeremente sind gewöhnlich feucht, locker oder gar nicht geballt, blass; — der Harn dunkel nicht selten blutig gefärbt und wird meist in grösseren Zwischen­räumen unter Drängen abgesetzt. In der Regel sind die Patienten mehr oder weniger abgestumpft, theilnahmlos, seltener aufgeregt und unruhig. Die Abstumpfung erreicht zuweilen einen so hohen Grad, dass die Thiere den Kopf auf die Krippe, oder gegen die Wand stemmen und das Vorhandensein einer hochgradigen Gehirndepression erkennen lassen. Bei Ablagerungen in die Magen- und Darmschleim-haut stellen sich Kolikcrscheinungen ein, die einen sehr verschiedenen Grad erreichen können. Die höheren Grade pflegen von dem Ab­sätze weicher oder flüssiger, oft höchst übelriechender, gewöhnlich blutig gefärbter, oder mit geronnenen Exsudaten oder Schorfen be­legter Exeremente begleitet zu sein. Der Verlauf und Ausgang der Krankheit ist in der Mehrzahl der Fälle ein ungünstiger. Am ehesten tritt auch hier Genesung in den Fällen ein, wo Erscheinungen innerer Localisationen gänzlich fehlen, oder doch ganz unbedeutend sind, wäh­rend solche im Umfange der äusseren Körperoberfläche vorhanden sind. Die Genesung erfolgt eventuell im Verlaufe von 6 bis 8 Wochen, indem die Geschwülste, so wie alle anderen Krankhcitserscheinungeu ganz allmählich sich verlieren. Fälle, bei denen die Erscheinungen eines Darmleidens auftreten, sind um so gefährlicher, je stärker das Darmleiden ausgeprägt ist. — Auch beim Pferdetyphus ist ein höchst ungünstiges Ereigniss stets das rasche Zurücktreten der äusseren Ab­lagerungen, indem alsbald die heftigsten Kolikerscheimmgen sich ein­stellen, unter denen die Thiere in der Regel innerhalb weniger Stunden sterben. Zuweilen lassen nach einigen Stunden die Kolikerscheimmgen nach, während die äusseren Locaiisationen zurückkehren; ein solcher Wechsel kann sich möglicherweise bei demselben Patienten mehrmals wiederholen.
Tritt zum Pferdetyphus „Lungenentzündungquot; hinzu, was be­sonders bei herabgekommenen Pferden öfter der Fall ist, so ist der Tod meist die Folge von Lungenbrand; auch sind Lungen- und Glottis-Oedeme häufig die nächste Todesursache.
15ei der Section begegnen wir ausser den äusseren subeutanen Locaiisationen vorzugsweise im Verdammgsapparate krankhaften Ver­änderungen, weshalb wir mit diesem beginnen wollen.
Im Anfange der Krankheit erscheint die Schleimhaut besonders
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Scctionsbefimd beim Pl'erdetyplms.
des Pfdrtnertheiles des Magens und dci- dünnen Gedärme, manchmal auch jene des Dickdarmes, stark geschwellt, gelockert, dunkel ge-röthet und von mehr oder weniger gehäuft stehenden Punkten aus­getretenen Blutes durchzogen. Die Schleimhaut hat ein saramtähn-liches Ansehen; das submucöse Bindegewebe ist von einer trüben, gallertähnlichen Masse infiltrirt und von zahlreichen bluterfUllten Gre-fässen durchzogen. In seltenen Fällen ragen die Peyer'schen Drüsen-hauten als dunkelgeröthete, geschwellte, sichähnlich durchlöcherte Wülste über die angrenzenden Schleimpartien hervor.
Im vorgerückten Stadium der Krankheit bilden sich am häufig­sten in der Schleimhaut des Pförtnertheiles des Magens, des Zwölf-fingor-, Blind- und Grimindarmes zahlreiche, beulcnartige Infiltrate, wobei die betreffende Schleimhautpartie sehr gelockert, dunkelblauroth gefärbt und bis in die Muskelhaut, bisweilen selbst bis in das sub­seröse Bindegewebe von einer bläulich schwarzen, zähen oder galler­tigen , von gelben Exsudatstreifen durchzogenen Masse infiltrirt ist. Manchmal sind solche Stellen so dicht gehäuft, dass die ki-ankc Schleim­hautfläche einer mit Blut gefüllten Blase gleicht. Die betreffende Stelle ist von einer zähen, gelben, schleimigen Flüssigkeit bedeckt und in die Darmhöhle nicht selten eine grosse Menge dunklen, locker oder gar nicht geronnenen Blutes ergossen. — Durch die violette Färbung und die Injection, welche der seröse Ueberzug des Darmes zeigt, ist man im Stande, schon von aussen die infiltrirten Partien zu erkennen.
In den Fällen, wo während des Lebens die äusseren Hautab­lagerungen mit periodischen Koliken wechselten, scheint es abwech­selnd zur Resorption des Darminfiltrates und der Hautansehwellungon zu kommen. Im Darme erkennt man dies an der sehr intensiven Pigmentirung und an der Faltung des serösen Darmüberzuges an den Stellen der früheren Infiltration. In den meisten Fällen aber nokroti-siren die infiltrirten Partien zu einem feuchten in der Folge trocken werdenden, gesättigt-gelben Schorfe, welcher anfangs noch fest mit seiner Basis an dem infiltrirten submueösen Bindegewebe, oder an der Muskelhaut haftet, sich in der Folge vom Umfange gegen die Mitte zu loslöst und schliesslich nur mehr an einer Stelle aufsitzend, als zottige Masse frei in der Darmhöhle flottirt. Die Schleimhautpartie, welche die verschorften Stellen umgibt, ist stark gewulstet, von einer trüben Flüssigkeit durchtränkt und schiefergrau, oder violett pigmentirt. Nach Abstossung der Schorfe bleiben Geschwüre mit zackigen Rändern zurück, welche in der Regel bis in das pigmentirte submucöse Binde-
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Sectionsbel'und beim Pl'erdetyplms.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;]81
gewehe, oder bis in die stark pigmentirte und gelockerte Muskelhaut, reichen. An solchen Geschwüren können Heilprozesse sich bemerkbar machen und kommt es sogar vor, dass kleine Geschwüre vollständig ausheilen. Grosse Geschwüre scheinen aber nie zu heilen, sondern stets den Tod zur Folge zu haben.
Bei ein und demselben Individuum kommen nicht selten an ver­schiedenen Stellen des Darmcanales verschiedene Stadien des Ge­schwürsprozesses zur Eeobachtung.
Aehnliche Veränderungen linden sich, wie schon erwähnt, auf der Schleimhaut der Nasenhöhle. Karbunkulöse Ablagerungen, oder Nekrose an verschiedenen Stellen der Respirationsschleimhaut fehlen selten. Ausserdem verdienen die Anschwellungen in der Haut und dem Unterhautbindegewebe eine besondere Beachtung. Die kranken Stellen erscheinen auf einem Durchschnitte nicht selten mehrere Ctm. stark verdickt; das Unterhautbindegewebe ist mit einem gelben, sul­zigen, von zahlreichen Blutstriemen durchzogenen Exsudate infiltrirt, welches sich auch in dem intermuskulären Bindegewebe findet. Nicht selten sind derbe Faserstoft'klumpen und abgestorbenes Binde- und Sehnengewebe in buchtigen, von einer jauchigen Flüssigkeit umspül­ten llohllegungen unter der allgemeinen Decke vorhanden, welche theilweise noch mit der Umgebung zusammenhängen. — Das Fleisch ist stets mürbe, wie gekocht, oft dunkelbläulichroth gefärbt, stellen­weise von blutigen Herden durchzogen. — Blutungen und sulzigc Ergiessungen in der Schleimhaut des Kehlkopfes, so wie in der Schleim­haut der Luftröhre und des Kehlkopfes gehören zu den gewöhnlichen Erscheinungen.
Die Beschaffenheit des Blutes, der Lungen, des Herzens, der Milz, der Gekrösdrüsen, der Subserosa der verschiedenen Organe, der Intima der grossen Gefässe etc. verhält sich wie beim Milzbrande der übrigen Hausthiere.
Der Verlauf des Pferdetyphus ist entweder ein sehr acuter, unter heftigen Kolikerscheinungen innerhalb weniger Tage zum Tode füh­render, — oder es erstreckt sich die Krankheitsdauer auf eine oder mehrere Wochen, — und wenn (in den seltenen Fällen von Genesung) die sehr langwierige Reconvalescenz hinzugerechnet wird, selbst über Monate hinaus.
Die Prognose lautet beim Pferdetyphus im Allgemeinen un­günstig, stets unsicher. Dem Eintritt blutiger Durchfälle pflegt oft­mals bereits nach einigen Stunden der Tod zu folgen.
Nicht selten treten trügerische Remissionen ein, so dass in den
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Milzbrand wild lebender Tliiere.
weniger schnell verlaufenden Fallen die Patienten zuweilen sogar einige Tage lang sich besser zu befinden scheinen, wodurch leicht zu grosse Hoffnungen geweckt werden können. Man vergesse in solchen Fällen nie, dass häufig alsbald neue Nachschübe folgen, die den Patienten gewöhnlich das Leben kosten. Umgekehrt tritt, wenngleich viel sel­tener, noch Genesung ein, wenn bereits alle Hoffnung verloren zu sein schien. Im Ganzen dürfte der Prozentsatz von Genesungen beim Pferdetyphus etwas höher sein, als beim Anthrax der übrigen Hausthiere.
Unter den wild lebenden Thieren tritt der Milzbrand an manchen Orten zuweilen seuchonartig auf und richtet dann nicht selten bedeutende Verheerungen an; besonders ist dies bei den wilden Wiederkäuern der Fall, bei welchen ebenfalls der Milzbrand weit häufiger ohne, als mit äusseren Localisationen vorzukommen scheint, So werden in Lappland und in Sibirien die Rennthiero häufig durch Milzbrand, meist in Form des Milzbrandblutschlages, bedeutend heiin-gesucht. Im Regierungsbezirke Potsdam herrschte derselbe an ver­schiedenen Orten in den Jahren 1840, 18G1 und 1873 unter dem Dam- und Rothwild. Im Jahre 1874 verursachte er dort bedeutende Verluste. Man fand im Ganzen tudt 1895 Stück Damwild, 57 Stück Rothwild, ü Kehe und 4 Hasen. In einzelnen Revieren soll der Ver­lust bis gegen 890/o des Wildbestandes betragen haben. — Im Kreise Sprottau fielen (s. Mittheilungen aus der thieviirztl. Praxis, Berlin 1878, S. 72) von (JOO Stück Damwild 269 Häupter an karbunkulösein Anthrax. Aehnliche Beobachtungen wurden auch an anderen Orten gemacht und sind in der thierärztlichen Literatur zahlreich zu finden.
Mit dem Milzbrande haben bestimmte Formen der Septieämie grosse Aehnlichkeitj so dass Verwechslungen beider Zustände häufig vorgekommen sind und auch wohl noch vorkommen werden. So ist namentlich der sogenannte „rauschende Brandquot; unter verschiedenen Namen, z. B. „Geräusch, Antoniusfeuer, Milzbrandemphysem, brandi­ger Rothlauf etc. etc.quot; dem Anthrax zugezählt worden. Die Bildung von Luftgeschwülsten im Unterhantbindegowebo etc. ohne mechanische Verletzungen der äusseren Haut, oder ohne Communication mit der Luft in den Lungen, ist stets die Folge einer Blutzersetzung mit putridem Character.
Dor Grad der Empfänglichkeit der einzelnen Thierarten für das Milzbrandcontagium ist ein sehr verschiedener. Vögel und Fleisch-fiosser sind unter allen Warmblütern am wonigsten cnipfängllch, Kalt-
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Die Ol'SßOben dos iSlilzbriiiules.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;183
blüter zeigen sieh im Allgemeinen gegen das Milzbrandgit't sehr wider-staiulst'ähig. Frühor glaubte man, dass der Igel gegen alle thierischen Gifte sieh immun verhalte; Versuche haben aber gezeigt, dass er an den Folgen von Milzbrandinfection erkranken und sterben kann.
Nach den zahlreichen Versuchen Oemlors (Archiv für wisseu-sehaftlicho und practische Thierkeilkunde, Berlin) sind die verschie­denen Grade der Empfänglichkeit der einzelnen Thiergattungen für den Impfmilzbrand folgende ; Schafe, Ziegen, Kaninchen, Hasen und Mäuse besitzen für denselben eine grosse Einpfitnglichkeit; weniger ist dies bei Pferden und noch weniger bei Rindern, Schweinen, Hun­den und Füchsen der Fall. Empfänglicher sind für denselben Katzen als Hunde, kleine Vögel im Allgemeinen mehr als grössere; Raub­vögel , so wie Dohlen und Staaro scheinen gegen Milzbrand immun zu sein. Frösche zeigten sich sehr widerstandsfähig, Fische, z, B. Karpfen und Goldfische etwas mehr cmpfünglieh, immer aber noch sehr widerstandsfähig. Auch Fes er impfte Frösche und Blindschleichen stets ohne Erfolg. Koch impfte 2 Hunde, ein Rebhuhn und einen Sperling zu wiederholten Malen mit ganz frischem Material ohne Er­folg. Frösche zeigten sich stets immun.
In den meisten Culturstaaten tritt der Milzbrand gegenwärtig nur mehr als Ortsseuche, und zwar häufig in sporadischen Fällen auf. Gleichwohl ist derselbe eine Panzootie im weitesten Sinne des Wortes, insofern er in allen Zonen unserer Erde und bei allen warmblütigen Thieren beobachtet worden ist.
Die Aetiologie des Milzbrandes ist in den letzten 30 Jahren Gegenstand der sorgfältigsten Forschungen gewesen. Ich will hier nur die wesentlichsten Momente dieser Forschungen kurz anführen. Im Jahre 1849 fand Dr. Rollender (in Wipperfürth) im Blute milz-brandkranker Rinder eine unzählige Menge feiner Stäbchen, deren Bedeutung und Entstehung ihm unbekannt waren. Unabhängig von rollender hatten zwei andere FWscher, Dr. Davaine in Paris (im Jahre 1850) und Professor Brau eil in Dorpat (1857) fragliche Stäb­chen im Milzbrandblute wahrgenommen. Brauell fand diese Stäbchen auch im Blute lebender milzbrandkranker Thiere und verwerthete sie als diagnostisches Criterium.
Im Jahre 18G3 kam Davaine auf seine frühere Beobachtung zurück und nannte die Milzbrandstiibchen erst „Bacterienquot;, später aber „Bacteridienquot;, zum Unterschiede von den bewegliehen „Fänlniss-baetcrienquot;.
Seither ist viel darüber gestritten worden, ab diese Bacteiidien
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184
Milzbrandbacillen.
thierische oder pflanzliche Organismen, ob Ursache oder Folge, resp. zufällige Begleiter des Milzbrandes sind. — Die erste Frage ist für uns von untergeordneter Bedeutung, scheint indess sicher zu Gunsten der pflanzlichen Natur fraglicher Organismen entschieden zu sein. Das höchste Interesse nimmt die zweite Frage in Anspruch. Und
Fig. 66.
Eutwickhingsformen dos Bacillus antliracls, Vergr. 3O0. a rotho Blutkörperchon, b farblose,
c einzelne- und aucliiaudergerellite Baclllen zwischen den Blutkfirperchen, d abKOStorbone,
e f g die durch Auswuchsen der llacillen nach Koch's Schilderung cutstehenden I'Tiden mit
den eingelagerten Sporen, h frei werdende, i wieder auswachsemlo Sporen,
auch sie darf seit neuerer Zeit als gelöst betrachtet werden, indem kaum ein Zweifel mehr zulässig ist, dass fragliche Mikroorganismen die wirklichen Krankheitserreger des Milzbrandes sind.
Der grösste Antheil an dem Verdienste, den Weg zu dieser Erkenntniss gezeigt zu haben, gebührt Pasteur, der um die Mitte der sechziger Jahre den Beweis führte, dass der im Jahre 1835 bereits entdeckte Pilz bei der sogenannten „Muscardinequot; der Seidenraupen der wirkliche Erreger dieser verderblichen Krankheit ist. Aber auch direct hat Pasteur einen Antheil an der Erkenntniss, dass die Milz-brandbacteridien als spezifische Krankheitserreger zu betrachten sind. Derselbe brachte etwas Milzbrandblut in eine Flüssigkeit, die Asche von Bierhefe, weinsteinsaures Ammoniak und Zucker enthielt. Von dieser Flüssigkeit, die mit dem kleinen Quantum Milzbrand blut ver­mischt war, nahm er 1 Tropfen, den er mit Urin verdünnte; später
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Milzbrandbaeillen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 185
nahm er wieder 1 Tropfen dieser Mischung, den er abermals mit Urin verdünnte und so fuhr er während aller Versuchsmonate fort. Die in diesen potenzirten Verdünnungen gezüchteten, ursprünglich von Milzbrandblut herrührenden Bacteridien erzeugten nach ihrer Ein­impfung bei den betreffenden Thieren stets den Milzbrand.
Um dem Einwände zu begegnen, dasa nicht die Bacteridien, sondern ein lösliches Ferment das wirksame Agens sei, hat Pasteur wiederholt Milzbrandblut, sowie bacteridienhaltige, künstlich herge­stellte (potenzirte) Flüssigkeiten filtrirt und dabei gefunden, dass die Einimpfung eines Tropfens solcher Flüssigkeiten vor der Filtration den Tod schnell herbeiführt, während die Einimpfung von 10, 20, 30, 40 bis 80 Tropfen filtrirter Flüssigkeit, resp. von filtrirtem Milzbrandblute wirkungslos war. Da die Filtration durch Gypsgefässe erfolgte, so kann allerdings a priori die Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass durch die innige Berührung der Flüssigkeit mit dem schwefelsauren Kalke die Impffähigkeit jener auch dann vernichtet werden könne, wenn das Gift ein chemisches sei, da derartige Fermente überhaupt sehr leicht sich zersetzen und dadurch unwirksam werden.
Um die Erkenntniss der biologischen Verhältnisse der Milzbrand-bacteridieu haben Professor Cohn in Breslau und Regierungsrath Dr. Koch in Berlin ganz besondere Verdienste sich erworben. Die von Ersterem ausgesprochene Ansicht, dass die Bacteridien in zwei Haupt­formen resp. Entwicklungsphasen uns begegnen, nämlich in Stäbchen­form als eigentliche „Bacillenquot; und in Kugelform als sogenannte „Dauersporenquot;, ist von Dr. Koch (früher Kreisphysikus in Wolstein) positiv erwiesen worden. Dieser Forscher hat die Entwicklung von Dauersporen aus Bacillen und die weitere Entwicklung der Milz­brandstäbchen aus fraglichen Dauersporen durch experimentelle Stu­dien ausser Zweifel gesetzt, indem er beide Uebergänge wirklich beobachtete.
Bereits um die Mitte der 60er Jfthre hatte Pastenr beobachtet, dass bei Vibrionen, welche die bereits erwähnte Inl'ectionsUmnkheit der Seidenraupen her­vorrufen, eine Art Parthenogenesis existirt. Nachdem in Rede stellende Mikro­organismen sich während einer gewissen Zeit durch spontane Theilung vermehrt, haben, entstehen hier und dort in Ihrer Substanz, welche bis dahin durchschei­nend und homogen war, stärker (als die übrige Masse) lichtbrechende Körperchen, um welche herum die Stäbchensubstanz vollständig resorbirt wird. An Stelle der zahllosen, kleinen, einl'aclien oder gegliederten, in freiwilliger Theilung be-grilfencn Stäbchen findet man später nur noch eine Menge glänzender Punkte (Körnchen), die einen Durchmesser von 0,001 bis 0,002 Jim. haben. Pasteur hat diese Körperchen ausgetrocknet und durch Ausstreuen des dadurch gewon-
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18(jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entwicklung iKt Milzbrundstübcheu uiui -Öporen.
neiioii SUmbes am' Manlbeerljlattei' die betrell'emle Krankheit bei denjenigen Seidt'iiwimneru erzeugt, welche von rrnglielien Blättern gefressen batten- Kooh bringt ein kleines Stückellen frischer, bncillenlmltiger Milzsubstanz auf ein Übject-gläschen in einen Tropfen ganz frischen Rinderblutes, oder wässeriger Feuchtig­keit eines Rinderauges und legt dasselbe, mit einem Deckgläschen versehen, auf einen mit nassem Hände gefüllten und mit einer einfachen Lage FUtl'irpapier be­deckten Teller, der selbstverständlich mehrere derartige Präparate aufnehinen kann. Werden diese nun sofort bei einer Temperatur von 35 bis 37 Grad in einen Brutapparat gebracht, so findet mau bei mikroskopischer Untersuchung bereits nach 15 bis '20 Stunden von der Peripherie in der Richtung zum Centrum des Untersuclinngsobjectes fortschreitend Bncillen d. li. fadenlonnig verlängerte Wilzbrandstäbchen, welche das lOOfache und selbst noch mehr des gewöhnlichen Jiaasses der IJacteridieii erreichen.
In denselben treten stellenweise kleine stärker lichtbrechende Körnchen in regelniässigen Abständen auf. In den am Rande liegenden Fäden ist die Ent-wioklung am weitesten vorgeschritten, dieselben enthalten vollständig ausgebildete Sporen, welche in Gestalt von etwas länglich rnuden, stark lichtbrechenden Körperehen in kurzen, ganz regelniässigen Abständen in die Substanz der Fäden eingebettet sind. Später zerfallen die Fäden, wodurch die Sporen frei werden.
Koch hat min durch weitere Versuche zu erforschen gesucht, dass und wie aus diesen Sporen die Milzbrandstiibchen sich entwickeln. Ks geschieht dies in der Weise, dnss die Sporen sieh zunächst eiförmig verlängern and dann faden­förmig werden.
Es ist bekannt, dass die Milzbranderkrankiingen nur ausnahmsweise von Individuum zu Individuum übergehen , also nicht häutig auf dem Wege der An­steckung sich weiter verbreiten , sondern dass meist anderweitige Verhältnisse bald mehr, bald weniger zahlreiche Mil/.brandl'älle in einem Viehbestände oder in einer Gegend bedingen. — Diese sogenannte originäre Kntwicklung des Milz­brands wird nur durch die Kenntniss der Thatsache verständlich, dnss die Milz-brandbacteridieu und ihre Sporen nicht nur im Thierkörper (entogen), sondern auch ausserhalb desselben (ektogen) unter entsprechenden Bedingungen sich ent­wickeln können. Dass locale Wirthschal'ts- und Bodenverhältnisse so wie die Witterung bei Kntstelunig des Milzbrandes eine grosse Rolle spielen, weiss man ja seit langer Zeit. Auch ist es schon lange bekannt, dass namentlich die humusreichen Bodenarten mit undurcblassendeni Untergründe, wie z. B. Torfmoore, in der Nähe st eilender Gewässer gelegene ürund stücke, Gebiete, welche von Flüssen überscliwemmt werden, e #9632;• die originäre Kntwicklung des Milzbrandes begünstigen. Bin solcher Boden ist geeignet, im Verein mit günstigen Witteriingsverhällnissen die erfor­derlichen Bedingungen zu erfüllen, an welche die Vervielfältigung des vorhan­denen Milzbrandgiftes gebunden ist. Wo dies im Boden fehlt, da entsteht kein sogenannter miasmatischer oder idiopathischer Milzbrand, wenn auch alle übrigen Verhältnisse sogenannter Milzbrandörtlichkeiten vorhanden sind. Ist aber ein solcher Boden einmal mit JMilzbrandgift inticirt, so kann die Krankheit jederzeit unter entsprechenden Witterungsverhältnissen zum Ausbruch kommen.
Paul Bert machte in der Sitzung der biologischen Gesellschaft in Paris um 28. Juni 1877 folgende Mittheilung! „Herr Pasteur hat die Freundlichkeit gehabt, mir einige Tropfen l'riu ZU geben, in welcliem er Bucteridien ciiltivirle. Ich impfte damit ein Meerschweinchen, welches 30 .Stunden nachher Starb; sein
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Lelieiisziihigkeit der MUzbl'andstamp;bohen und -Sporen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1^7
Blut wimmelte von Hactoridieu. Dieses Blut nun, dessen Virulenz unsserordcnl-lich heftig war, wie anderweitige Impfungen ergaben, verlor dureliaus jede VVirU-samkeit, nachdem dasselbe eine Woche lang mit cornprirnirtera Saucrstod'e, oder mit concentrirtem Alkoliol in beständiger Heruhrmig gestanden halte. — Ks waren also in diesem Blute doch wohl die ßacteridien, welche den Tod bedingten.quot;
Den Widerspruch dieser mit der ersten in i'raglioher Angelegenlieit abge­gebenen Erklärung Bert's sucht Pasteur durch folgende Auseinandersetzungen zu heben. Er erinnert nämlich an die (uns bereits bekannten) zwei wesentlich verschiedenen Formen, unter welchen die Milzbrandbacteridien auftreten) an die verschieden langen Fäden, welche sich durch Spaltung vermehren — und an die glänzenden Körperchen, welche aus Jenen entstanden, gelegentlich neuerdings In unzählige Legionen fadenförmiger Individuen sich verwandeln.
Wenn man Milzbrandblut durch Alkohol zum Gerinnen bringt und das Coagulum, welches alle Bacteridien eingeschlossen enthüll, schnell trocknet, so werden alle ililzhrandstäbclien getödtet und das Blut absolut unwirksam. Wendel man dasselbe Verfahren, d. h. die Austrocknung auf die Kugelbaoteridien an, so behalten diese die Fähigkeit zu inlleiren, und In neutralem Urin, oder In sonstigen geeigneten Kährllüssigkeilen sich weiter zu einwickeln. — Ebenso sterben die fadenförmigen Baoteridien in Berührung mit oomprlmirtem Sauerstoff (bei 10 bis 12 Atmosphären Druck) leicht, wtthrend die Kugelbacteridien In reinem Sauerstoff 21 Tage lang einen Druck von 10 Atmosphären aushallen, ohne dadurch die Fähigkeit, sich vermehren und für Milzbrand empfängliche Thiere inlleiren zu können, zu verlieren. Die von Bert angewandte Compression auf Milzbrandblut konnte somit zu zwei verschiedenen, anscheinend ganz wider­sprechenden Resultaten führen. Wenn das Blut nur Faden bacteridien enthält, so verliert es in Folge der qn. Compression jede Virulenz: wenn es aber Kugel­bacteridien (Dauersporen) enthält, so ist es nach der angegebenen Compression ebenso gefährlich, wie vor derselben.
Nach don Versuchen Koch's wird dio Keimfähigkeit der Dauer-sporen durch eine 3 bis 4 Tage hindurch andauernde Erwärmung bis auf 70 und selbst 80 quot; 0. und bei trockener Erhitzung selbst bei 120 bis 1300 C. nicht vernichtet. Dies geschieht ebensowenig durch eine Jahre lange Austrocknung, noch durch Monate langes Ver­weilen dieser Kugelbacterien in faulenden Flüssigkeiten, oder durch einen öfteren Wechsel von Durchfouchtung und Austrocknung der­selben. Die Stäbchen hingegen sterben in dauernd trockenem Zu­stande sehr bald ab. Dieselben verlieren in dünnen Lagen einge­trocknet (je nach der grössoren oder geringeren Mächtigkeit der be­treffenden Schicht) schon nach 12 bis 30 Stunden ihre Impffähigkeit, sowie das Vermögen, im Brutapparate weiter zu wachsen. In stärkeren Schichten getrocknet, blieben die Milzbrandbacteridien 2 bis 3 Wochen lang entwicklungs- und impffähig; in noch grösseren Fleiachstücken war dies gegen 4 bis 6 Wochen lang der Fall. — Ferner ergab sich:
Dasa die Bacilleu bei 35 0 C. am schnellsten wachsen und bei
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Bedingungen zur Entstehung von Milzbrand.
dieser Temperatur bereits nach 20 Stunden die schönsten Sporen bergen können. Die Entwicklung dieser geht bei 30 0 C. schon etwas langsamer von Statten (erst nach circa 30 Stunden); bei 18 bis 20 0 C. bedarf sie 21/2 bis 3 Tage. Unter 18deg; C. kommt es nur ausnahms­weise noch zur Sporenbildung und unter 10 • C. hat Koch ein Wachs-thum der Bacillen überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Anderer­seits wird nun auch bei höheren Temperaturen die Entwicklung der Bacteridien kümmerlich und bei 45 0 C. schien sie ganz aufzuhören. Durch diese Ermittelungen werden manche Beobachtungen der Praxis unserem Verständnisse zugänglicher.
Die Milzbranderkrankungen des Menschen, welche nach dem Genüsse gekochten Fleisches von milzbrandkranken Thieren öfter beobachtet worden sind, lassen sich vielleicht nunmehr so erklären, dass man annimmt, es sei in dem betreffenden Individuum zur Bildung von Dauersporen gekommen, was in der Regel nicht zu geschehen pflegt, weil bei milzbrandkranken Thieren, ausser der weit höheren Temperatur als 35 0 C, möglicherweise auch noch andere bis jetzt unbekannte Verhältnisse die Entwicklung von Dauersporen beein­trächtigen. Fes er will Dauersporen aus Milzbrandbacillen im Blute lebender Thiere angetroffen haben. Wo solche nicht vorhanden sind, da wird das Fleisch durch gründliches Kochen seine Virulenz ver­lieren, weshalb dasselbe sehr häufig ohne Nachtheil von Menschen gegessen worden ist.
Für die Entstehung des Milzbrandes bei unseren Hausthieren sind nach den Versuchsresultaten Kochs folgende Dinge von Bedeutung:
Massige Verdünnung bacillenhaltiger Substanzen mit destillirtem oder mit Brunnenwasser verhindert die Sporenbildung nicht; bei stärkerer Verdünnung der Nährflüssigkeit aber sterben die Bacillen ab und sind bereits nach etwa 80 Stunden nicht mehr im Stande, Milzbrand zu erzeugen. Ebenso wenig entwickeln sich in reinem destillirtem, oder in gewöhnlichem Brunnenwasser Anthraxsporen aus Milzbrandbacteridien. Sobald es aber vorher zur Bildung von Dauer­sporen gekommen ist, erhalten sich diese in Brunnenwasser u. s. w. Wochen lang (vielleicht Monate und Jahre lang) impffähig resp. infectionsfahig.
Was die Beschaffenheit des Bodens anbelangt, so kommen fol­gende Verhältnisse in Betracht:
1) Seine grössere oder geringere Porosität, 2) die Durchtränkung des Bodens mit organischen Abgängen, 3) die Durchfeuchtung des­selben durch den wechselnden Höhenstand des Grundwassers, oder
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Eintritt des Milzbrandgiftes In den Thierkörper.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 189
durch den wechselnden Wasserstand von Sümpfen und Höhen, je nach Verschiedenheit der Witterung, 5) die Temperatur des Bodens, 6) der grössere oder geringere Reichthum des Bodens an Regen­würmern, welche, nach Pasteur's neueren Mittheilungen, die Milz­brandkeime aus tieferen Erdschichten an die Oberfläche bringen sollen.
Endlich kommen auch noch die Stallungen in Betracht. Wie durch die Einwohnerzahl eines Hauses, durch Ventilations Vorrichtungen in den Wohnungen etc. Verhältnisse gegeben sind, welche die Aus­breitung der Epidemien beeinflussen, so ist dies auch bei Epizootien der Fall. Die Vermehrung vorhandener Milzbrandkeime, resp. die Empfänglichkeit für deren schädliche Einwirkung, scheint in über-mässig besetzten Stallungen grosser zu sein, als in nicht überfüllten.
Die Frage, ob das Milzbrandgift bei natürlicher Infection mit der Respirationsluft, oder mit dem Futter, oder auf beiden Wegen aufgenommen, resp. wirksam wird, ist noch nicht vollkommen klar gelegt. Nach den Versuchen Koch's konnten Kaninchen und Mäuse durch die Fütterung mit — frischen und alten — erprobt wirksamen Mikbrandobjectcn, ebenso durch innere Verabreichung von Anthrax-resp. Dauersporen enthaltenden Flüssigkeiten nicht milzbrandkrank ge­macht werden. Es scheint demnach, dass diese beiden Thierspezies vom Magen- und Darmcanale aus nicht inficirbar sind, wenn nicht irgendwo eine Verlotüung der Schleimhaut des Verdauungscanales vor­handen ist. Ob sich dies bei unseren grösseren Hausthieren ebenso verhält, ist noch nicht sicher festgestellt, aber durch Versuche Pa­steur's u. A. sehr wahrscheinlich geworden.
Das Eindringen der Milzbrandstäbchen in den Blutstrom scheint längere Zeit (etwa 14 Stunden bei geimpften Mäusen) zu erfordern; sind sie aber einmal in denselben eingedrungen, so vermehren sie sich in der üppigsten Weise. Es geschieht dies durch Verlängerung und fortgesetzte Quertheilung der Bacillen. Diese Forschungsresultate sind für das weitere Studium der Aetiologie des Milzbrandes von grosser Wichtigkeit.
Um nachzuweisen, daslaquo; Aas Auftreten der Älilzbrandkrankheiten unter allen Umstiindon auf eine der verschiedenen Kntwicklungsformen der Bacteridien zu­rückzuführen sei, versuchte Koch das Verhalten dieser Organismen unter ülin-lichen Bedingungen zu ermilteln, wie sie wahrscheinlich nach dem Tode der nulz-brandigen Thiere bestehen. Hierbei ergaben sich im Wesentlichen folgende Re­sultate :
1) Die in sehr dünnen Lagen eingetrockneten Bacillenmassen verlieren, je nach ihrer Dicke, nach 12 bis 30 Stunden ihre Inipffähigkeit, gleichzeitig aber
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Versuolisi'esultnte Koch's.
auch die Möglichkeit, im Brutapparate zu langen Faden auszuwachsen. Unmittel­bar nach dem Anfeuchten hatten auch diese unwirksamen Bacillen dasselbe An­seilen, wie im IVischen. wirksamen Zustande, aber sie zerfielen sehr bald. Sie waren also, nachdem sie einen gewisson Tlieil ihrer Feuchtigkeit verloren hatten, abgestorben. In dickeren getrockneten Stücken hielten sich die Hacteridien 2 bis :) Wochen enlwicklungs- und implTähig; in noch grösseren Stücken war dies gegen 4 bis 6 Wochen der Fall. Der Grund hierfür darf wohl ohne grosses Be­denken in der langsameren Anstrockninig gesucht werden.
2)nbsp; Die Milzhrandbacillen wachsen am schnellsten bei 35deg;; bei dieser Tem-peratw können sich schon nach 20 Stunden die schönsten Sporen in denselben entwickelt haben. Diese zeigen sich bei 30deg; etwas später (erst nach etwa 30 Stau­den)- Bei 18—20deg; bedürfen sie 2,/i bis 3 Tage zur Spnrcnbildung. Unter 18deg; kommt es nur ausnahmsweise dazu und unter 10deg; hat Koch überhaupt kein Wachsthum der Bacillen mehr beobachtet. Ueber 40quot; wird die Entwicklung Uümmerlich nnd bei 45quot; schien sie aufzuhören.
3)nbsp; In verkorkten Glasern sterben die mit passender Nährlliissigkeit in den Brutapparat gebrachten Bacillen, schon nach 24 Stunden ab und es gelingt dann nicht mehr, mit den betreffenden Substanzen Milzbrand zu erzeugen. Das Ab­sterben ist hier, nach Koch's Ansicht, mehr von dem Mangel an Sauerstoff ab­hängig, als von dem Einflösse der sich entwickelnden Fäulnissgase; ein Control-versuch mit Unbehindertem Luftzutritt zeigt nämlich, dass es hierbei zur vollen­detsten Sporenbildnng der Milzbrandstiibchen kommt.
4)nbsp; nbsp;Massige Verdünnung bacillenlmltiger Substanzen mit destillirlem oder Brunnenwasser verhindert die Sporenbildnng nicht, aber bei stärkerer Verdün­nung entwickeln sich die Bacillen nicht mehr, sie sterben bald ab und erzeugen (ungefähr 30 Stunden nach der Verdünnung eingeimpft) keinen Milzbrand mehr. Die Nährllüssigkeit muss also eine gewisse, noch näher zu bestimmende Menge von Salzen und Eiweiss enthalten, damit die Bacillen zur Sporenbildnng gelangen.
5)nbsp; Für sich allein (d. h. ohne Zusatz geeigneter Nährstoffe) in destillirtes Wasser oder in Brunnenwasser gebracht, entwickeln sich die Anthraxsporen nicht.
6)nbsp; In bacillenhaltigem Blutserum, welches hei 8deg; aufbewahrt wurde, star­ben die Bacillen bereits am dritten Tage ab, indem sie körnig und gegliedert erschienen ; nur bis dahin war die betreffende Substanz Impffähig, — Warm­gehaltenes mit Bacillen versehenes Blutserum wnr vor und nach der Sporen­bildung wirksam; selbst nach 14 Tagen Hess sich mit solchem Blute, welches Bacillensporcn enthielt, wenngleich es Krscheinungen der Filulniss zeigte, noch mit derselben Sicherheit Milzbrand erzeugen, wie mit frischer, stäbchenhaltiger Milz, — Die Sporen scheinen sich sein' lange, in faulenden Flüssigkeiten ebenso gut, wie in nicht faulenden, keimfähig zu erhalten. Mit Glaskörper aus Rinder­augen . in welchen, bei ungefähr 20 Grad, Bacillen einer Mausmilz zur Sporen­bildnng kamen, und wo die Milzsubstanz nebst Glaskörper nach 3 Wochen voll­ständig ansgefanlt waren, konnte noch nach 11 Wochen mit absoluter Sicherheit; durch Impfung Milzbrand hervorgerufen werden. Der Bodensatz dieser ausge-l'aulten Flüssigkeit enthielt sehr viele von kleinen Schleimllocken zusammenge­haltene Bacillen-Sporen, während mnn in der fast klaren Flüssigkeit bei mikro­skopischer Untersuchung oft mehrere Gesichtsfelder durchsuchen musste, bevor man einige vereinzelte Sporen fand. Von Fäden war natürlich nicht das Ge­ringste mehr vorhanden. Bei den Impfungen mit dem sporenreichen Bodensatze
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Vei'Miclisresultate Koch's und Feser's.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ](,)\
uikI der spovenni'mcn Flüssigkeit stellte sieh die interessante Thatsaohe heraus,
dnsB niit crstereni, also mit vielen Sporen geimpfte Mäuse nach 3 bis 4 Tagen au Jlilzbrand starben. Dieser Versuch wurde mehrere Male und immer mit dem­selben Erfolge wiederholt.
7)nbsp; Sporenlmltige Flocken der nämlichen Flüssigkeit wurden 3 Wochen in einem mit Brunnenwasser gefüllten, offenen Reagensglase aufbewahrt; trotzdem blieben dieselben wirksam.
8)nbsp; Ebensolche, sporenlmltige Substanzen wurden getrocknet, nach einiger Zeit mit Wasser wieder nufgeweicht und dieser Prozedur wiederholt unterworfen ; aber sie verloren ihre Fähigkeit. Milzbrand zu erzeugen, dadurch nicht.
9)nbsp; Impl'versuche mit bacilleufreier, fauler wässeriger Augenfeuchtigkeit, oder mit bncillcnfrciem, faulem Glaskörper, in dem sich eine der Jlilzbrandbactcridic sehr ähnliche Bacillusart spontan entwickelt hatte, endlich mit Spo'ren der Co hu­schen Heabacillen, blieben erfolglos. Die aus ganz reinen Ciilluren von Anthrax-bacillen stammenden Sporenmassen verursachten durch Impfung Jedesmal Ulilz-hrand. Da andere Sohlstophyten durch Impfung gar nicht, oder in anderer Weise krankheitserregend wirken, so ist, so weit unsere Beobachtungen bis .jetzt reichen , nur die eine Bacillusart, (Bacillus Anthracis) im Stande, den Milzbrand zu erzeugen.
10)nbsp; Kaninchen und Jläuse konnten durch die Fiitlerung mit frischen und alten wirksamen Milzbi'nndobjecten, ebenso durch innere Verabreichung von An-thmzsporen enthaltenden Flüssigkeiten nicht krank gemacht werden. Diese beiden Tlnerspezies scheinen also vom Magen und Darm aus nicht inficirt zu werden.
11)nbsp; nbsp; nbsp;Um zu erfahren, wie lange Zeit nach der Impfung die ersten Bacillen im Blute und in der Milz der geimpften Thiere sich zeigen, wurden 9 Mäuse gleichzeitig geimpft. Nach 2, 4. 0, 8, 10. 12, 14 und 10 Stunden wurde jedesmal eine der Mause getödtet, und sowohl Blut, als Milz sofort untersucht. In den ersten sechs Thieren wurden keine Bacillen gefunden. Erst in der Milz der 14 Stunden nach der Impfung getödteten Maus zeigten sich vereinzelte Bacillen. Bei der Maus nach Iti Stunden fanden sich schon mehr Bacillen und die Milz war vergrössert. Die letzte starb nach 17 Stunden unter den gewöhnlichen characteristischen Symptomen; ihre Milz war erheblich vergrössert unb vollge­stopft mit dichten Bacillenmassen. Das Eindringen der Bacillen in den Blutstrnm scheint also langsam vor sich zu gehen, aber wenn sie erst einmal hineingelangt sind, und hier in ihrer eigentlichen Heimat festen Fuss gefasst haben, vermehren sie sich in der üppigsten Weise.
12)nbsp; In den aufeinander folgenden Versuchsreihen Koch's wurde daslmpf-material stets von einer kurz vorher gestorbenen Maus entnommen. Da die längste dieser Ileihen 20 Mäuse betrug, so lagen in derselben mindestens eben so viele Bacillengenerationeu vor: und doch ergab sich bei sämmtlichen Thieren stets der nämliche Befund : Erhebliche Schwellung der Milz, diese angefüllt mit zahllosen, glashellen, unbeweglichen Stäbchen von geringer Orössendifferenz und Sporen-bildung. Andere Veränderungen als Verlängerung und Querlheilnng der Bacillen konnten am Thiere und seinen Theilen nicht beobachtet werden: ein Generations­wechsel fand also nicht statt.
Feser. der die Versuche Koch's wiederholte und die eben repnidiicirleu Angaben sämnillich bestätigt (and. beantwortet die von Koch gestellte und oll'en gelassene Frage: ob die Milzbrandbacillen im lebenden Thierkörper zur Sporen-
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192nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die constantesteii Sectionsbel'unde bei Milzbrand.
bllduug gelangen, oder niclit, mit Ja, (Siehe Pütz, Zeitschrift für Veterinür-Wissenschaft 1876, S 572.) Derselbe sah bei einem Schale, das 3 Tage vor seinem Tode l'risclie Milzbraadinilz erhalten und sich in Folge vorhandener Ver­letzungen dev Maulschlcimbaut inficirt hatte, im Gewebe der Schleimhaut des Unterkiefers eine Stunde nach dem Tode ganz deutlich ausserordentlich lange, theilweise in Zerfall und massenhafter Sporenbildung begriffene Bacillen. Im Blute, das völlig geronnen war, fanden sich gleichfalls Sporen und nur sehr selten einzelne kurze, glashelle Bacillen. In der Milz, welche ganz gesund aussah, fanden sich nur letztere, niiinlich Bacillen. Uanacli wäre die Sporenbildung im (lebenden?) Schale constatirt, vorausgesetzt, dass diese Einzelbeobacbtung Feser's sich be­stätigt. Nach Pasteur sollen im Momente des Todes bei milzbrundigen Thieren die Bacteridien anssohliesslich in Form von Stäbchen oder Fäden und nicht als Kugelbacteridien, resp. Dauersporen, vorbanden sein.
Die wichtigsten Ergebnisse der Koch'schen Studien über die Entwicklnngs-geschichte des Bacillus anthracis sind also folgende:
a)nbsp; Im Blute und in den Gewebssäften des lebenden Thieres vermehren sich die Bacillen ausserordentlich schnell und zwar in derselben Weise, wie es bei verschiedenen anderen Bacterien-Arten beobachtet worden ist, nämlich durch Ver­längerung und fortwährende Quertheilung.
b)nbsp; Im Blute des todten (und nach Feser auch des lebenden) Thieres, oder in geeigneten anderen Nährllüssigkeiteu wachsen die Bacillen innerhalb gewisser Temperaturgrcuzen und bei Zutritt der Luft zu ausserordentlich laugen, unver­zweigten (Leptothrix ähnlichen) Fäden aus, unter Bildung zahlreicher Sporen.
c)nbsp; Die Sporen des Bacillus anthracis entwickeln sich unter gewissen Be­dingungen (bei entsprechender Temperatur und Nährllüssigkeit, Zutritt der atmo-. sphärischen Luft etc.) wieder unmittelbar zu den urspiiiuglicli im Blute vorkom­menden Bacillen.
Dio Sectionserscheinungen werden in den Einzelfällen je nach den während des Lebens eingetretenen Localisationen und je nach der Krankheitsdauer sich mehr oder weniger verschieden ge­stalten. Bei Milzbrandcadavern findet man im Allgemeinen folgende Sectionsdata.
Bei Besichtigung der äusseren Körperoberfläehe und der natür­lichen Körperöffnungen nehmen wir gewöhnlich wahr, dass aus den Nasenlöchern und aus der Schamspalte weiblicher Tiiiere ein blutiges Serum ausfliesst, ähnlich wie dies auch bei Fanlfiebor (Septicämie) der Fall zu sein pflegt.
Wo es zu äusseren Localisationen gekommen war, worden wir an den betreffenden Körporstellen Schwellung in verschiedenem Um­fange antreffen. Beim Abhäuten an Milzbrand gestorbener Thiere fliesst aus den durchschnittenen Gefässen der äusseren Haut und des Unterhautbindegewebes ein dunkles, dickflüssiges, theerähnliches Blut, wie dies bei allen Formen des Erstickungstodes der Fall zu sein pflogt. Nach Abnahme der äusseren Haut zeigt sich, dass die
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Makroskopischer Sectionsbei'und bei Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;193
Karbunkel aus theerartigen Blutextravasaten, sowie aus gelbsulzigen Exsudaten bestehen, welche häufig in der Nähe von Lymphdrüsen liegen.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle fällt zunächst eine bald mehr, bald weniger ausgebreitete, diffuse Röthung des Darmcanales, be­sonders des Dünndarmes auf, der nicht selten über grössere Abschnitte dunkelblau gefärbt erscheint. Am Bauchfell, besonders unter dem serösen Ueberzuge der Eingeweide, findet man verschieden grosse Blutunterlaufungen (Sugillationen resp. Ekchymosen).
Die Milz ist in der Regel geschwellt, bald mehr gleichmässig, bald mehr ungleichmässig, knotig oder höckerig; sie ist schwarzroth von Farbe, besonders in ihrem Parenchym, das bei Einschnitten in dasselbe als eine schmierige, theerähnliche Masse hervorquillt. Im Gekröse, namentlich in dessen Wurzel, findet man nicht selten Karbunkel.
Die Nieren, sowie die Leber erscheinen bald nach dem Tode rnürb, wie gekocht, abgeblasst; auf Nierendurchschnitten findet man die beiden Substanzen nicht so scharf begrenzt, deren Farben Ver­schiedenheit mehr verwischt.
Bei weiblichen Thieren ist manchmal zwischen die Häute des Uterus ein mehr oder weniger verbreitetes Extravasat eingelagert.
In der Brusthöhle wird öfter Uebeiladung der Lungen mit Blut angetroffen; hat das Cadaver vor der Section längere Zeit (24 Stunden etwa) gelegen, so ist namentlich die Lunge derjenigen Körperseite, auf welcher dasselbe gelegen hat, mit dunklem Blute überfüllt. Die Serosa der Brust-Eingeweide ist nicht selten mit Blutunterlaufungen besetzt; auch in der Brusthöhle können Ablagerungen an irgend einer Stelle angetroffen werden. Am Herzbeutel, so wie auf dem serösen Ueberzuge des Herzmuskels, kommen öfter Blutunterlaufungen vor. Die Herzhöhlen sind entweder blutleer, oder es ist die rechte Herz­hälfte zum Theil mit Blut erfüllt, das meist nur sehr locker geronnen und von dunkler, theerähnlicher Beschaffenheit ist.
Die innere Auskleidung der Herzhöhlen, so wie die Innenhaut der grossen Gefässstämme sind diffus geröthet, d. h. von dem schon während des Lebens im Blutserum aufgelösten Blutfarbestoffe durch­tränkt.
Nicht selten findet man im freien Raum der Brusthöhle, häufiger aber der Bauchhöhle, ein grösseres oder geringeres Quantum eines blutigrothen Serums.
Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thierkrnnkhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
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|94nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Mikroskopischer Befund bei Milzbrand.
Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man unbewegliche Stäbchen, die bekannten Milzbrandbacteridien, im Blute und in den verschiedenen parenchymatösen Organen. Die Zahl der weissen Blut­körperchen ist vermehrt; die rothen Blutkörperchen sind klebrig, schmierig erweicht und sehr geneigt, mit einander zu verkleben.
Die häufig vorkommende Auftreibung des Hinterleibes nach dem Tode, wodurch das hintere Ende des Mastdarmes nach aussen ge-presst wird, ist eine Fäulnisserscheinung, welche somit auch bei Faul­fieber (Septicämie) gewöhnlich kurze Zeit nach dem Tode einzu­treten pflegt.
Für die mikroskopische Untersuchung ist Folgendes von Bedeutung;
Koch hat in seiner Schrift „Untersuchungen über die Aetiologie der Wund-Hifectionskrankheiten, Leipzig 1878quot; eine Methode veröffentlicht, welche zuerst von Weigert angewandt worden ist und für den Nachweis kleinster Organismen im Thierkörper von ausserordentlicher Wichtigkeit ist, weshalb ich das Wesent­lichste des betreffenden Verfahrens hier in Kürze mittheilen will.
Es ist allgemein bekannt, dass die Widerstandsfähigkeit der Bncterien gegen Säuren und Alcalieu in manchen Fällen zur Erkennung dieser Mikroorganismen verwerthet werden kann. Wenn z. B. in einem mikroskopischen Präparate ein Körnchenhaufen weder in Essigsäure, noch in Kali- oder Natronlauge sich ver­ändert, so spricht dies im Allgemeinen dafür, dass er aus Mikrokokken (in sog. Zooglöa-Form) besteht. Sind aber die Bacterion schwarmähnlieh ausgebreitet, so kommt uns das characteristische Aussehen der Zooglöa nicht mehr zu Statten und es ist dann ein diagnostischer Irrthum, eine Verwechslung mit anderen kleinen Körnchen in krankhaft veränderten Geweben und im Blute, sehr leicht möglich. Um einem solchen Irrthume zu entgehen, hat folgende Tinctionsmethode sich aus­gezeichnet bewährt: Die Untersuchungsobjecte werden in Alkohol gehärtet und die daraus gefertigten Schnitte in einer ziemlich starken wässerigen Lösung von Methylviolett längere Zeit liegen gelassen. Die Schnitte werden dann mit ver­dünnter Essigsäure behandelt, mit Alkohol entwässert, in Nelkenöl aufgehellt und in Canadabalsam eingelegt.
Statt des Methylviolett können auch andere Anilinfarben, z. B. Fuchsin, Anilinbraun u. s. w. in derselben Weise gebraucht werden.
Es sind dies allerdings nur die allgemeinen Umrisse, innerhalb deren sich das Verfahren bewegt, aber die einzelnen Gewebe und namentlich die verschie­denen Bacterien verhalten sich zu ungleich, als dass es möglich ist, ganz allge­mein gültige, alle Einzelheiten berührende Regeln anzugeben. Für manche Objectc eignet sich Fuchsin am besten, für andere passen wieder mehr die Methylfarben, Nach einiger Uelnmg wird man mit wenigen Versuchen sich genügend orientirt haben, welche Farbe die geeignetste ist, wie lange die Präparate in derselben liegen müssen u. s. w. Ein zu langes Verweilen der Schnitte im Alkohol und im Nelkenöl ist zu vermeiden, weil sonst die Farbstoffe durch diese Flüssigkeiten ausgelaugt werden.
In den Präparaten, die in dieser Weise behandelt sind, erblickt man nur die Kerne der Zellen und die Bacterien gefärbt. Letztere nehmen sämmtlich die
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Hüllsmittel l'iir die mikroskopische Untcrsufhuiig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;195
Anilinrärbung an und zwar fällt die Färbung so stark aus, dass die einzelnen Bacterien bedeutend besser zu erkennen sind, als nach Hamatoxyliularbung. In mit Anilinfarben behandelten Präparaten ist es deswegen sehr leicht, einzelne grosse Bacterien, z. B. die Milzbrandbacillen, mit voller Sicherheit in den ver­schiedensten Ueweben zu erkennen. Sobald aber kleinere Bacterien in Frage kommen, wird das Resultat unsicherer und lässt schliesslich bei ganz kleinen Formen vollständig im Stich.
Die Milzbrandbacillen sind durch Behandlung der in Methylviolett ge­färbten Schnitte mit schwachen Losungen von kohlensaurem Kali selbst bei ge­ringer Vergrüsserung leicht erkennbar. Schnitte aus der Magen- und Darm­schleimhaut, aus den Lungen, der Leber und den Nieren geben sehr übersicht­liche und instructive Präparate. Bei einer SOfachen Vergrosserung sehen derartige Präparate beim ersten Anblicke genau so aus, als wäre in die Gelasse eine blaue Injectionsmasse eingespritzt worden. Diese Injection betrifft jedoch nur das Capillargefässsystem; alle grbsseren Gelasse, selbst schon die Arterie und Vene einer Darmzotte sieht man entweder gar nicht gefärbt, oder nur mit einem leichten, blauen Anlluge — (und auch das nur stellenweise) — versehen. Bei einer 250-fachen Vergrosserung erkennt man schon, dass die Linien des blauen Capillar-netzes ans vielen feinen Stäbchen zusammengesetzt sind, und bei 700 facher Ver­grosserung ergibt sich, dass die scheinbare Injection nichts weiter ist, als die be­kannten, in diesem Falle dunkelblau gefärbten Milzbrandbacillen, die in ganz nnglaublichen Mengen im gesammten Capillargebiete abgelagert sind. In allen übrigen Gelassen, namentlich in den grössten, sind die Bacillen oft nur verein­zelt, auf längeren Strecken selbst ganz fehlend. Es bietet dies wieder ein schla­gendes Beispiel dafür, wie wenig massgebend bei Inlectionskrankheiteu die Unter­suchung irgend einer beliebigen Blutprobe ist. So ist es z. B. sehr leicht mög­lich , dass man aus dem Herzen einen Tropfen Blut nimmt und keine Mikro­organismen darin findet, die etwa darin vorhandenen auch wohl übersieht und dass trotzdem das Capillargefässsystem von Bacterien vollgepfropft ist.
Aber auch im Capillargebiete ist die Vertheilung der Milchbrandbacillen keine ganz gleichmässige. Am spärlichsten sind sie im Gehirn, in der Haut, in den Muskelcapillaren und in der Zunge; dagegen sind sie in der Lunge, Leber, Niere Milz und im Verdauungsschlauche in gewaltiger Menge vorhanden. Die Milz, welche der Krankheit den Namen gegeben hat, ist keineswegs von den übrigen vorhin genannten Organen durch grösseren Reichthum an Bacillen aus­gezeichnet. An denjenigen Orten, an welchen die Bacillen sich am meisten an­häufen, wie #9632;!.. B. in den Nierenglomerulis, in den Darmzotten, auch in der Magen­schleimhaut, in den Speicheldrüsen etc., kommt es zu Zerreissung einzelner Ca-pillaren, und dadurch zum Austritt von Blut und Bacillen in die Gewebe.
Die vorhin geschilderten Verhältnisse hat Koch bei Kaninchen und Mäusen, so wie auch bei einem milzbrandigen Schafe angetroffen. Derselbe empfiehlt das Studium von milzbrandigen Organen mit Hülle der isolirten Färbung ganz be­sonders denen, die trotz aller bis jetzt schon dafür gelieferten Beweise den Milz­brand immer noch nicht für eine parasitäre Krankheit halten.
Die Prognose ist bei Milzbrand im Allgemeinen sehr ungünstig.
Am günstigsten ist dieselbe bei primär äusserlicher Infection,
wenn frühzeitig eine entsprechende Behiindlung eintritt. Aber auch
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Prognose und Therapie bei Milzbrand.
in solchen Fällen tritt bei Thieren (trotz aller Kunsthiilfe) meist der Tod ein, während beim Menschen unter günstigen Bedingungen fast regelmässig Genesung erfolgt. Am ungünstigsten gestaltet sich die Prognose bei innerlicher Erkrankung ohne äussere Localisation (?) oder wenn die Karbunkel schnell wieder zurücktreten — und besonders beim Anthrax acutissimus. Bei äusseren Ablagerungen tritt nur dann, wenngleich immerhin selten, Genesung ein, wenn die Karbunkel nicht an solchen Stellen sitzen, an welchen sie lebenswichtige Functionen stören (Kehlkopf, Drosselrinne etc. etc.). —
In Bezug auf die Thiergattung gilt im Allgemeinen, dass der Milzbrand bei Schafen fast absolut tödtlich verläuft; bei Rindern ver-hältnissmässig etwas weniger Opfer fordert, als bei Schweinen und dass der Pferdetyphus relativ die günstigste Prognose zulässt.
Die Therapie vermag beim Milzbrande im Ganzen wenig zu leisten, weshalb über dieselbe nicht viel zu sagen ist.
Bei kräftigen, vollblütigen Thieren wird vielfach ein Aderiass empfohlen, während ein solcher bei schwächlichen Individuen durchaus unterbleiben muss. Für den ersteren Fall möge hier bemerkt werden, dass in Folge der eintretenden Stauung des Blutes im Gehirn durch Anlegen einer Schnur um den Hals manchmal die Thiere derart be­täubt werden, dass sie zu Boden fallen. Selbstverständlich muss dann die Schnur sofort gelöst werden, damit der Abfluss des Blutes vom Gehirn durch die Jugularvenen unbehindert stattfinden kann. Nach dem heutigen Standpunkte unserer Kenntnisse im Gebiete der an­steckenden Krankheiten scheint mir ein Aderiass nur bei starker Hy­perämie eines lebenswichtigen Organes zulässig, sonst aber in allen Fällen eher schädlich, als nützlich zu sein.
Bis jetzt kennen wir keine Arzneimittel, welche bei innerlichem Gebrauche irgend nennenswerthe Erfolge aufzuweisen hätten. In neuerer Zeit hat man Carbolsäure und Salicylsäure, sodann das bor­saure Natron (Borax) besonders empfohlen; aber auch diese Mittel haben sich ebensowenig wie andere bewährt. Bei Thieren, welche erbrechen können, wird die Kur gewöhnlich durch ein Brechmittel eingeleitet. Als Getränk verabreicht man am besten reines Brunnen­wasser mit Zusatz von Mineral- oder Pflanzensäuren. Auch öfter wiederholte Begiessungen mit diesen Flüssigkeiten sind als nützlich und wirksam empfohlen worden. Schweine können geschwemmt, oder bis an den Hals eingegraben und begossen werden.
Die Beulen oder Karbunkel in der Nähe der Körperoberfläche werden gespalten, mit dem glühenden Eisen tüchtig cautorisirt, oder
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Vorbeuge gegen Milzbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;197
mit concentrirten Mineral- oder Pflanzensäuren, namentlich mit Carbol-säure behandelt. Beim Pferdetyphus jedoch ist es nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen am besten, keine solche Einschnitte etc. zu machen, da denselben gern brandiges Absterben der Haut um die Wunden herum folgt. Platzt die Haut an einzelnen Stellen von selbst, so befeuchte man diese täglich mehreremale mit Phenylspiritus, Carbolwaaser etc. — Bei Localisationen in der Kehlkopfsgegend und daheriger Erstickungsgefahr kann die Tracheotomie nothwendig werden; auch hier tritt gern Brand um die Wunde und von da aus Infection der Lunge und des Blutes mit Brandgift ein.
Die Patienten müssen in luftigen, geräumigen Ställen unter­gebracht werden, welche auf geeignete Weise (besonders im Sommer) möglichst kühl zu erhalten sind.
In manchen Fällen vermag die Prophylaxis ebenso wenig gegen den Milzbrand zu leisten, wie die curative Behandlung; während in anderen Fällen die Verminderung der Milzbrand-Erkrankungen durch ein entsprechendes Verhalten herbeigeführt werden kann. Vermeidung ungesunder Stallungen, Weiden, Trinkwässer, verdorbenen, oder sonst verdächtigen Futters, Beseitigung aller die Entwicklung des Milz­brandkeimes begünstigenden Momente, so z. B. Beseitigung von Lachen etc., ferner möglichst unschädliche Beseitigung der Milzbrand­cadaver, so wie der Abgänge milzbrandkranker Thiere; Vernichtung derselben auf chemischem Wege oder durch Siedhitze ist besser, als noch so tiefe Vergrabung. Im letzteren Falle müssen die Cadaver mit ungelöschtem Kalk, Carbolsäure u. dergl. überschüttet werden. In sumpfigen Milzbrandörtlichkeiten hat die Drainage der betreflfenden Grundstücke häufig sehr vortheilhaft gewirkt. Der von Speculanten und einzelnen Besitzern empfohlene prophylactische Gebrauch der Salicylsäure ist aus verschiedenen Gründen zu widerrathen. Die Wirk­samkeit der Salicylsäure bei Pflanzenfressern ist bei innerlichem Ge­brauche eine sehr geringe; 40 bis 100 Grm. Salicylsäure pro Tag und Stück ist für Pferde und Rinder keine grosse Dosis; kleinere Mengen sind aber so zu sagen ohne jede wahrnehmbare Wirkung. Gaben von 1 Gramm pro Stück und Tag leisten nichts, sind also gradezu eine Verschwendung an Zeit und Geld. — Es ist wahr­scheinlich, class vielleicht schon in nächster Zeit die Pasteur'sche Schutzimpfung gegen Milzbrand in sogen. Milzbrandgegenden das souveränste Vorbauungsmittel werden wird.
Eine entsprechende Regelung des Abdeckerei-Wesens ist eine unerlässliche Bedingung, wenn wir mit möglichstem Erfolge die Ver-
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J98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Der Milzliranrt des Menschen,
breitung des Milzbrandes und anderer ansteckender Thierkrankheiten erzielen wollen.
Die äussere Haut darf nach sect; 33 des Seuchengesetzes nicht abgezogen, sondern muss durch Zerschneiden in kleinere Stücke un­brauchbar gemacht und mit vergraben werden.
Der Milzbrand beim Menschen.
Das Vorkommen des Milzbrandes beim Menschen ist schon seit alten Zeiten bekannt. Genauere Beschreibungen und Unterscheidungs­merkmale der einzelnen Formen verdanken wir indess hauptsächlich französischen Aerzten und Thierärzten des vorigen Jahrhunderts. So unterschied F o u r n i e r (1769) zuerst den spontanen und den mitge-theilten Karbunkel des Menschen, und schreibt den letzteren dem Fleischgenusse und der Verarbeitung der Wolle (und anderer Pro-ducte) milzhrandkrankerThiere zu. Auch Kausch (1700—1811), der die Contagiosität des Milzbrandes läugnete, gab wunderbarer Weise dennoch die häufige Infection des Menschen zu und meinte, dass die schwarze Blatter ihre Entstehung ausschliesslich der Infection durch Milzbrand von Thieren verdanke. In diesem Jahrhundert haben vor­zugsweise Heusinger, Virchow, Davaine, Guipon, Koranyi, Buhl u. A. um das Studium der Milzbrandformen beim Menschen sich verdient gemacht.
Der Milzbrand des Menschen wird mit Kecht zu den Zoonosen oder Thierkrankheiten im strengsten Sinne des Wortes gezählt, da er zu denjenigen Krankheiten gehört, welche nur bei Thieren, und zwar, wie wir gesehen haben, nur bei Pflanzenfressern, spontan sich entwickelt. Die Möglichkeit einer spontanen Entwicklung ist aller­dings auch für den Menschen von mehreren Autoren und zu ver­schiedenen Zeiten behauptet, bis jetzt jedoch niemals in zuverlässiger Weise nachgewiesen worden. Die scheinbar spontanen Milzbrandfalle beim Menschen lassen sich bei entsprechender Würdigung der ausser-ordentlich hochgradigen Verschloppbarkeit des Milzbrandgiftes meisten-theils selir ungezwungen auf Infection zurückführen. Alle Autoren, welche in Milzbranddistricten ihre Beobachtungen anstellten, sind hierüber einig. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das Anthraxgift sowohl aus Sibirien, wie über den atlantischen Ocean, namentlich aus Süd-Amerika, nicht selten nach Europa eingeschleppt worden ist. Fonmier kannte die grosse Tenacität des Milzbrandgiftes bereits im Jahre 17(59; er sagt: dass dasselbe sich mancbmal Jahre lang erhalte und dass der Milzbrand beim Menschen durch die Verarbeitung der
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Uebertruguiig des Milzbrandg-iftes auf Mensolien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 199
Wolle milzbrandiger Schafe in den Teppichfabriken zu Montpellier häufig beobachtet werde.
Ebenso erwähnt Montfils (1776) die Uebertragung des Milz­brandes auf den Menschen theils durch Behandlung kranker Thiere, theils durch Bearbeitung ihrer Häute, Haare, Wolle, so wie durch Fliegenstiche.
Die wesentlichsten Uebertragungsarten des Milzbrandgiftes auf den Menschen sind folgende:
1)nbsp; Die directe Einimpfung des Giftes bei Operationen an leben­den milzbrandkranken Thieren, oder durch Cadavertheile, welche von solchen Individuen herrühren. Obgleich zahlreiche Erfahrungen sicher gestellt haben, dass das Anthraxgift auch auf der unverletzten Haut haften und durch dieselbe in den Körper eindringen kann, so ist doch der Contact mit Milzbrandobjeeten vorzugsweise dann gefahrlich, wenn an dem betreffenden Körpertheile eine frische Verletzung, wenn auch nur eine ganz oberflächliche Abschürfung der Oberhaut vor­handen ist.
In den verschiedensten industriellen Etablissements werden Milz­brandfälle beim Menschen beobachtet, besonders in Gerbereien, in Wollengeschäften, in Hutfabriken, wo Wollabfalle benutzt werden, und selbst in Papierfabriken durch die Zubereitung der Lumpen.
2)nbsp; Der Genuss von Fleisch milzbrandiger Thiere. Diese Art der Infection ist relativ sehr selten, insofern sehr häufig derartiges Fleisch ohne nachtheilige Folgen consumirt wird. Auch beim Men­schen sind iu solchen Fällen (ebenso wie bei Fleischfressern) die In-fectionen am häufigsten, wenn die Schleimhaut des Verdauungscanales an irgend einer Stelle, besonders in den vorderen Partien, verletzt ist und das Fleisch roh, oder nicht gut durchgekocht verspeist wird. Es scheint aber, dass nicht jedesmal durch die Siedhitze das Gift zerstört wird, da Beobachtungen vorliegen, dass auch durch den Ge­nuss von gut gekochtem Fleische und Fleischbrilhen der Milzbrand sich entwickeln kann. Ob in solchen Fällen die Bildung von Dauer­sporen in dem betreffenden Fleische stattgefunden hat, ist bis jetzt noch nicht ermittelt. Die Entscheidung ist hier nicht immer leicht, ob der Fleischgenuss, oder der Contact mit demselben die Infection verursachte; in der Regel wird indess die Form des betreffcadon Milzbrandfalles, resp. der Ort des Auftretens etwa vorhandener Lo-calisationen hierüber Aufschluss geben.
Der Genuss von Milch, namentlich im ungekochten Zustande, von railzbrandkranken Thieren, so wie die aus jener bereitete Butter
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Milzbrand-Symptome beim Menschen.
soll Infectionen zur Folge haben können. Es bedarf diese Angabe indess der näheren Controle und eventuell sachlicher Bestätigung.
3) Die Uebertragung des Milzbrandgiftes soll öfter durch In-secten, die Blut von milzbrandigen Thieren gesogen haben, ver­mittelt werden. Wenn diese Annahme überhaupt richtig ist, so ist sie doch jedenfalls nicht die ausschliessliche oder vorzugsweise häufige Art der Uebertragung des Milzbrandgiftes auf Menschen und Thiere. Da beim Menschen die Milzbrandpustel durch einen stechenden Schmerz, ähnlich dem eines Fliegenstiches, sich zuerst bemerkbar zu machen pflegt, so mögen häufig subjective Täuschungen hierdurch verursacht werden.
Die Uebertragung des Milzbrandgiftes kann auch vom Menschen auf den Menschen stattfinden, ist jedoch aus nahe liegenden Gründen seltener, als vom Thiere auf den Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
Der Milzbrand des Menschen wird demgemäss am häufigsten dort sich finden, wo er unter den Hausthieren öfter vorkommt, und zwar in der Regel bei solchen Personen, welche mit lebenden oder todten milzbrandigen Thieren in Berührung kommen, oder Abfiille und Producte von solchen, namentlich Häute, Wolle, Rosshaare u. dgi. verarbeiten. In einzelnen Fällen ist es unmöglich, die Quelle der Infection bestimmt nachzuweisen. Die Empfänglichkeit des Menschen für die Wirkungen des Milzbrandgiftes ist glücklicherweise keine sehr grosse; sie steht ungefähr mit derjenigen der fleischfressenden Thiere gleich.
Die ersten Erscheinungen des Milzbrandes beim Menschen sind, je nachdem das Gift durch die äussere Haut oder durch den Ver-dauungsapparat aufgenommen wird, sehr verschieden. Wir wollen zunächst die durch äussere Infection entstandenen Formen hier kurz betrachten: Nach einer verschieden langen Incubationsdauer, welche von einigen Stunden bis zu mehreren, sogar bis zu 14 Tagen sich ausdehnen kann, bemerken die Patienten an dem betreffenden Theile ein Brennen und Jucken, oder einen stechenden Schmerz, wie nach einem Insectenstiche. Bei Besichtigung der betroffenen Stelle findet man einen kleinen, rothen, flohstichähnlichen Fleck mit einem cen-tralen, schwarzen Punkte. Dieser Fleck verwandelt sich bald in ein juckendes Knötchen, auf dessen Kuppe eine kleine, klare, meist röth-liche oder bläuliche, allmählich sich vergrössernde Blase (pustula ma-ligna) sitzt, die bald platzt und eine dunkelrothe Grundfläche zurück-lässt. Meist wird die so entstandene Pustel aufgekratzt, bevor sie erbsengross geworden ist. Die betreffende Stelle bedeckt sich all­mählich mit einem bräunlichen oder lividen Schorfe. Um dieselbe
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Milzbrandkarbunkel des Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;201
bildet sich in Folge entzündlicher Schwellung der Haut ein wulst­artiger, rother oder violetter Hof und um diesen sehr häufig ein bläu­licher oder blassgelber Ring, auf welchem hanfkorngrosse Bläschen entstehen, die öfters kranzartig den Schorf umgeben. Diese secun-dären Bläschen enthalten eine gelbliche, röthliche und schwärzliche Flüssigkeit, fehlen aber auch zuweilen saramt dem rothen Hofe. Der um und unter dem Schorfe sitzende derbe, oder teigig weiche Knoten, oder die Pustel wird erbsen- bis nussgross. In der nächsten Nach­barschaft bildet sich bald ein Oedem, welches sich sehr rasch über grössere Hautstrecken verbreitet, wobei lebhafte Schmerzen und das Gefühl grosser Schwere, namentlich in der betreffenden Gliedmasse, auftreten. Das Allgemeinbefinden kann bis dahin immer noch normal sein, so dass die Patienten öfters noch ihre Geschäfte verrichten; manchmal jedoch klagen sie über Eingenommenheit des Kopfes, zeigen Frösteln und die Erscheinungen eines massigen Fiebers,
In schweren Fällen breitet sich das Oedem immer weiter aus, zuweilen erscheinen Venenstränge auf dem betr. Körpertheile, oder im Verlaufe der Lymphgefässe rothe Stränge und Streifen; auch schwellen die Lymphdrüsen der betheiligten Lymphgefässe mitunter an.
Die Allgemeinerscheinungen sind im weiteren Verlaufe wenig constant. Bei schweren Fällen steigt das Fieber, es treten Delirien, kalte Schwoisse, Angstgefühl, Athemnoth, Krämpfe, grosse Schwäche, heftige Gliederschmerzen und bei ungünstigem Verlaufe nach voraus­gegangenem starkem Collapse der Tod ein. — Bei günstigem Aus­gange, welcher bei energischer Localbehandlung manchmal selbst dann noch eintritt, wenn die Symptome eine bedenkliche Höhe erreicht haben, schwinden mit den localen auch die allgemeinen Erscheinungen. Es erfolgt die Abstossung des Schorfes entweder durch Eiterung, oder nach Bildung einer Demarcationslinie ohne Eiterung.
Beim Menschen bleibt die Infection weit länger local als bei Thieren, bei welchen bereits nach einigen Stunden die Resorption des Giftes erfolgt zu sein pflegt. Beim Menschen sind Fälle, welche schon am 2ten oder 3ten Tage nach Ausbruch der Pustel tödtlich enden, sehr selten; die Dauer beträgt bei tödtlichem Ausgange meist 5 bis 8 Tage; beim Ausgange in Genesung kann sich der Verlauf über viele Tage und selbst auf Monate ausdehnen.
Eine Varietät des primären Karbunkels kann dadurch bedingt sein, dass die Pustel und der Schorf fehlen. Diese von Virchow als „diffuser oder erysipelatöser Anthraxkarbunkelquot; beschrie­bene Form gleicht den besonders bei Pferden häufig vorkommenden Haut-
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Milzbraiul-Infectioii des Menschen durch Fleischgeimss.
oder Unterhautbindegewebe - Karbunkeln. In einzelnen Fällen wurde das rothlaufartige Anthraxödem nach Fleischgenuss beobachtet; in solchen Fällen kann es zur multiplen Eruption an verschiedenen Körperstellen kommen.
Nach dem Fleischgenusse treten die ersten Erscheinungen mauch-mal sehr rasch (schon nach 8 Stunden) auf. Die Patienten klagen über Frösteln, Mattigkeit, Kopfschmerz, oder über allgemeines Un­wohlsein, Appetitlosigkeit, unruhigen Schlaf, grosse Mattigkeit, Nieder­geschlagenheit, worauf — manchmal erst am 8ten bis lOten Tage — Milzbrandkarbunkel zum Vorschein kommen, hauptsächlich am Kopfe und mehr noch am Ober- und Vorderarme.
Manchmal erfolgt nach dem Genüsse von milzbrandigem Fleische nach 24 bis 28 Stunden ein heftiger Schüttelfrost, Schmerzen im Leibe, Brechneigung, Erbrechen und nach 2 bis 3 tägiger Krank­heitsdauer der Tod, ohne dass es irgendwo auf der äusseren Haut zur Karbunkelbildung kommt.
Bei Milzbrand nach innerer Infection ist die Prognose sehr un­günstig, da Fälle von Genesung nur selten beobachtet wurden. Beim Milzbrand des Menschen sind die Sectionserscheinungen im Wesent­lichen denen bei Thieren, namentlich beim sog. Pferdetyphus, gleich. Ausser den äusseren Karbunkeln und Oedemen finden wir im Inneren eigenthümliche pustulöse und karbunkulöse Herde im Verdauungs-schlauche, Transsudate in den serösen Höhlen, seröse und serös-hämorrhagische Infiltrationen des peritonealen und mesenterialen Binde­gewebes, der Magen- und Darm-Wandungen, sowie der Schleimhäute, hämorrhagische Infiltrationen der Gekrös- und anderer Lymphdrüsen, Blutungen in verschiedenen Theilen des Körpers und oft eine Ver-grössei'img der Milz. Am Magen und vorzugsweise am Darme trifft man eine starke phlegmonöse Schwellung der Schleimhaut an um­schriebenen Stellen (um Pilzvegetationen herum), so wie nekrütische Zerstörungen der Oberfläche und Geschwürsbildung (Mycosis intesti-nalis). Die Entwicklung der Milzbrandbacteridien ist nicht allein auf die Oberfläche beschränkt, sondern sie dringen auch in die Gewebe ein, wo man manchmal besonders schön in den Gefässen der Submu-cosa die Pilzraassen eingelagert findet.
Innere Karbunkel können, ebenfalls wie bei Thieren, auch ohne äussere Localisationen vorkommen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung werden sowohl im Blute, wie auch in den Localisationen die Milzbrandbacteridien angetroffen. Im Blute des Menschen sollen iedoch die Bacteridien weit seltener so
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Prognose und Therajiie des Milzbrandes beim Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 203
gleiohraässig vertheilt sein, und im Granzen weniger zahlreich auf­treten, als im Blute der Hausthiere.
Neben den Fadenbacterien linden sich nach Bellinger's Angabe im Blute regelmässig Kugelbacterien, oder letztere kommen auch allein und auf gewisse Gefässgebiete beschränkt vor, wie dies durch Buhl, Wagner und W. Müller nachgewiesen wurde. Daneben findet sich im Blute eine mehr oder weniger ausgesprochene Loukocytose, die weissen Blutkörperchen sind öfters stark granulirt, was vielleicht durch eingedrungene Kugelbacterien bedingt ist. — Die rothen Blut­körperchen zeigen fast niemals die bekannte Lagerung in Geldrollen.
Wo die Diagnose beim Milzbrandkarbunkel frühzeitig richtig gestellt und eine passende Behandlung eingeleitet wird, hat letztere in der Regel günstige Resultate zu verzeichnen, so dass nur etwa 5 bis 9 0/o der äusserlich an Milzbrand erkrankten Menschen in solchen Fällen zu Grunde gehen. Grosser ist die Sterblichkeit dann, wenn die Infection verkannt und nicht rechtzeitig ärztliche Hülfe in An­spruch genommen wird; obgleich Fälle von spontaner Heilung von Milzbraudinfectionen beim Menschen nicht selten sind, so kann man doch annehmen, dass etwa 30 bis 40 0/o in Folge der Infection sterben, wenn nicht früh genug, oder gar keine entsprechende Behandlung eintritt.
Ho günstig also im Allgemeinen die Prognose beim äusserlichen Milzbrände des Menschen zu stellen ist, ebenso ungünstig ist dieselbe beim intestinalen Anthrax.
Die zum Schütze des Menschen gegen Milzbraudinfectionen zu treffenden Vorkehrungen sind selbstverständlich und leicht ausführ­bar, sobald die nöthigen Kenntnisse in diesem Punkte beim betheiligten Publikum vorhanden sind. Es erscheint deshalb zweckmässig, wenn in Milzbrandgegenden und in den betreffenden industriellen Etablissements eine entsprechende Belehrung der mit (kranken) Thieren und thieri-schen Bestandtheilen in Berührung kommenden Personen stattfindet.
Die curative Behandlung des Milzbrandes beim Menschen be­steht vorzugsweise in der gründlichen Zerstörung der örtlichen Prozesse, was bei äusserer Ansteckung, wie bereits erwähnt wurde, meistens zum gewünschten Ziele führt. Man bedient sich zum Aetzen der Infectionsstelle concentrirter Carbolsäure, der rauchenden Salpeter­säure oder des Aetzkalis etc. Bereits ausgebildete Karbunkel werden vorher exstirpirt oder tief eingeschnitten und dann cauterisirt. Die energische Zerstörung dor Milzbrandpustel ist auch noch in den späteren Stadien, wenn schon bedeutende Allgemeinerscheinungen
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Die Hadernkrankheit des Menschen.
aufgetreten sind, zuweilen von Erfolg. Die Aetzung muss dann mehreremal und zwar so oft wiederholt werden, bis kein neuer Hof mehr auftritt; meist reicht die einmalige gründliche Cauterisation hin; sie kann aber auch 2 und selbst 3mal wiederholt werden müssen. — Die weitere Behandlung ist Sache des Arztes.
In neuerer Zeit ist unter den Arbeitern in Papierfabriken eine meist schnell tödtlich endende Infectionskrankheit beobachtet worden, welche man auf Milzbrandkeime zurückführt und mit dem Namen „Hadernkrankheitquot; belegt hat. Dieser Zustand kommt fast ausschliesslich nur bei solchen Individuen vor, welche mit Sortireu und Zerkleinern von Lumpen, die auch „Hadernquot; genannt werden, sich beschäftigen und den hierbei entstehenden Staub einathmen. Man nimmt an, dass unter den Lumpen, die zum Theil aus Milzbrand­gegenden, so z. B. aus den östlichen Provinzen Oesterreichs und aus Russland kommen, sich auch solche finden, welche Milzbrandkeime bergen. Diese Annahme wird unterstützt: einestheils durch die Häufig­keit von Milzbranderkrankungen in den Gegenden, von wo ein grosser Theil der betreifenden Lumpen herkommt, so wie durch die geringe Sorgfalt, mit welcher von den dortigen Viehbesitzern Milzbrandobjecte behandelt werden, — andererseits durch die bei fraglicher Krankheit auftretenden Erscheinungen. Diese geben nach den vorliegenden Be­richten das Bild einer sogenannten typhösen Lungenentzündung. Leider fehlt es bis jetzt an einer genügenden Anzahl genauer Sectionsbe-richte; indess scheinen die von Frisch mit Haderninfus angestellten Impfversuche die milzbrandartige Natur der Hadernkrankheit zu be­stätigen, wenigstens wahrscheinlich zu machen. Wenn sicher fest­gestellt wäre, dass die Hadern keimfähiges Milzbrandgift enthalten, so würde der Weg der Infection offen vor uns liegen. Es versteht sich ja von seihst, dass die von dem Hadernstaub gereizten Luft­wege in hohem Maasse geeignet sind, die üeberführung der anhaf­tenden Milzbrandkeime in das Blut zu vermitteln.
Mitigirung des Milzbrandgiftes und Schutz-Impfung gegen Milzbrand unserer Hausthiere.
Toussaint, Professor an der Thierarzneischule in Toulouse, hat im Jahre 1880 der Academie der Wissenschaften in Paris ein Ver­fahren mitgetheilt, wodurch das Milzbrandgift an seiner gefährlichen Wirksamkeit derart verliert, dass dasselbe zum Impfen ohne beson­ders grosse Gefahr verwendet werden kann. Was diese Entdeckung
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Mitigirung des Milzbrandgiftes. Impfung mit Karbunkelgift.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 205
und Mittheilung ganz besonders werthvoll macht, ist der Umstand, dass durch dieselbe die Impfbarkeit des Milzbrandes im Dienste der Veterinär-Sanitätspolizei zuerst erkannt worden ist, insofern sich heraus­gestellt hat, dass 12 Tage nach der erwähnten Impfung die betreffen­den Thiere gegen die Gefahr von Milzbrandinfectionen in höherem Grade, oder vollkommen geschützt waren. Da das Toussaint'sche Verfahren von einer dazu eingesetzten Commission geprüft und als wirksam befunden worden ist, so will ich dasselbe nachstehend kurz schildern.
Frisches Blut eines milzbrandkranken Thieres wird gequirlt, resp. defibrinirt und danach die zurückbleibende Flüssigkeit 10 Mi­nuten lang einer Temperatur von 52lt;) C. ausgesetzt. Nach dem Er­kalten kann dieselbe zum Impfen verwendet, muss aber gegen den Eintritt von Fäulnissprozessen geschützt werden. Die Impflinge er­kranken in massigem Grade und genesen in der Regel nach mehreren Tagen. Folgt der ersten Impfung vor Ablauf von 12 Tagen eine zweite, so hat diese eine sogenannte cumulative Wirkung, indem die Impfkrankheit dann den Tod um so leichter zur Folge hat, je schneller die zweite Impfung der ersten folgt, oder je grosser die Menge der eingeimpften Lymphe ist. Nach Ablauf von 12 Tagen aber ist der Impfling gegen die Wirksamkeit des Milzbrandgiftes geschützt. Dieser Schutz kann ein graduell verschiedener sein; eine Nachimpfung macht denselben fast ausnahmslos zu einem absolut sicheren. Diese Forschungsresultate sind in mehr als einer Beziehung wichtig, worauf wir später noch wieder zurückkommen werden. Es sei hier nur noch bemerkt, dass Chauveau (Director der Thierarzneischule in Lyon) bei algierischen Schafen im Allgemeinen eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen die Wirkung des Milzbrandgiftes kennen gelernt hatte, die je­doch durch grosse Giftmengen überwunden werden konnte. Durch Impfung konnte er diese Widerstandsfähigkeit in eine absolute Im­munität verwandeln, so dass er nach Ablauf von 12 Tagen nach der Impfung die betreffenden Thiere gegen die Wirksamkeit selbst grosser Dosen von Milzbrandgift geschützt fand.
Eine weitere wichtige Entdeckung haben Arloing, Cornevin (Professoren der Lyoner Thierarzneischule) und Thomas (Veterinär in der Haute-Marne) gemacht.
Sie haben gefunden, dass das Gift der Karbunkelkrankheit von dem des eigentlichen Milzbrandes in mehrfacher Beziehung sich unter­scheidet. Wenn man letzteres direct in den Blutstrom unserer Haus-thiere bringt, bevor diese durch Impfung immun geworden sind, so
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20(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Milzbrand-Impfung nncli Toussaint.
sterben die Versuchsthiere um so schneller, je i'eicher der Impfstoff an Milzbrandbacteridien ist. (Toussaint.) Anders verhält sich das Gift der Karbunkelkrankheit. Wird dies von geronnenen Partikelchen befreit, in geringer Menge direct in die Jugularvene des Kalbes, des Schafes oder der Ziege injicirt, so überleben die Impflinge diese In­jection, wenn dafür gesorgt wurde, dass das Gift nicht zwischen die Wandungen der Vene, oder in das umgebende Bindegewebe gelangt. Es bilden sich dann bei den Versuchsthieren keine Karbunkel; es stellt sich nur ein mehr oder weniger deutliches Unbehagen ein, das von leichtem Fieber, verbunden mit Appetitlosigkeit, begleitet ist. Aber auch diese Erscheinungen dauern nur 2 oder 3 Tage; im All­gemeinen verschwinden sie schneller beim Kalbe und bei der Ziege, als beim Schafe. Durch diese intravenöse Injection wurden die Ver­suchsthiere nach 5 bis 20 Tagen immun gegen mit Karbunkelgift vorgenommene Impfungen.
Verbindet man mit dieser Injection gleichzeitig eine Impfung des Karbunkelgiftes in das Unterhautbindegewebe, so gehen die Ver­suchsthiere alsbald zu Grunde. Während die erste Impfung 5 Tage nach der intravenösen Injection noch einen Eiterungsprozess an der Impfstelle hervorrief, schwanden bei weiteren Nachimpfungen auch diese localen Zufälle immer mehr und blieben sehr bald ganz aus.
Auch diese Versuchsresultate sind von grosser Bedeutung, na­mentlich in Bezug auf die Erkenntniss der Vorgänge, welche für die Begründung einer Immunität von Belang sind.
So wichtig die Toussaint'schen und Chauveau'schen Versuchs­resultate im Gebiete der Milzbrandimpfungen auch sind, so war ihr Impfverfahren doch immer noch mit zu grosser Gefahr und Unsicher­heit verbunden, als dass dasselbe, selbst in Milzbranddistricten, in grösserem Umfange hätte empfohlen werden können. In neuester Zeit hat nun Pasteur ein Milzbrandimpfverfahren publicirt und unter Con-trole ausgeführt, das eben so ungefährlich, als sicher zu sein scheint. Seiner eminenten Wichtigkeit halber soll dasselbe hier in seinen wesentlichsten Punkten mitgetheilt werden.
In den Sitzungen der Acadetnie der Wissenschaften zu Paris hatte Pasteur am 28. Febr. und am 21. März 1881 die Mittheilung gemacht, dass es ihm gelungen sei, unter Mitwirkung der Herrn Chamberland und Roux, Milzbrandculturcn in den verschiedensten Graden der Virulenz herzustellen. Sie haben ermittelt, dass Milz­brandbacteridien, welche in einer geeigneten Culturflüssigkeit gezüchtet werden, die stets auf 42 bis 43deg; C. erwärmt gehalten wird, bereits
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Milzbrand-Impl'ung nach Pasteur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 207
nach 8 Tagen für Meerschweinchen, Kaninchen, Schafe und wahr­scheinlich auch für andere grössere Hausthiere ihre Giftigkeit, nicht aber das Vermögen, sich vermehren zu können, verloren haben. Impfungen mit solchen Culturen ergaben als Resultat, dass die Impf­linge entweder gar nicht, oder kaum wahrnehmbar erkrankten, dennoch aber gegen die schädlichen Wirkungen des weniger oder gar nicht mitigiiten Milzbrandgiftes unempfindlicher und nach einer späteren zweiten Impfung selbst gegen grössere Quantitäten sehr virulenten Milzbrandgiftes ganz immun wurden.
De la Rochette, Präsident der Ackerbaugesellschaft zu Melun, wurde in Folge dessen beauftragt, Pasteur im Namen fraglicher Ge­sellschaft einzuladen, in ihrer Mitte solche Impfungen vorzunehmen, wozu ihm auf Vereinsrechnung 60 Schafe und 10 Stück Rindvieh zur Verfügung gestellt wurden. Pasteur hat dieser Einladung Folge gegeben und in Gegenwart von etwa 100 Personen am 5. Mai 1881 die erste und am 1(3. Mai 1881 die zweite Vorimpfung, sodann am 31. Mai 1881 die Haupt-, resp. Control-Impfung vorgenommen.
Vorgeimpft wurden 25 Schafe und zwar am 5. Mai mit stark entgifteter, am 16. Mai mit einer etwas virulenteren Culturflüasigkeit. Diese 25 vorgeimpften Schafe wurden dann am 81. Mai gleichzeitig mit 25 anderen von der Ackerbaugesellschaft qu. zur Verfügung ge­stellten und nicht vorgeimpften Schafen mit sehr virulentem Cultur-railzbrandgifte geimpft. Am 2. Juni 1881, als unser Gewährsmann Nocard, klinischer Professor an der Thierarzneischule zu Alfort, seine Rückreise antreten musste, waren von 25 nicht vorgeimpften Schafen bereits 24 an Milzbrand gestorben und das 25. im Sterben begriffen, während alle vorgeimpften Schafe keine Spur von Kranksein zeigten; kaum hatte sich bei einigen der letzteren mittelst des Thermometers eine geringe Temperatursteigerung feststellen lassen.
Ein späterer Vergleich dieser 25 Impflinge mit den 10 reser-virten Controlschafen hat gezeigt, dass die immunen Versuchsthiere durch das angegebene Impfverfahren in keiner Weise an ihrer Ge­sundheit geschädigt worden sind. Eins dieser Schafe ist zwar nach­träglich gestorben; die von unbetheiligten Veterinären vorgenommene Section hat ergeben, dass der Tod in Folge einer im Uterus abge­storbenen und in Fäulniss übergegangenen Frucht eingetreten war, was ja bei Schafen bekanntlich nicht selten ist. — In La forme de Vincennes, einem zu Alfort gehörigen Gute in der Nähe (ca. 2 Ivilom.) von Vincennes, haben Pasteur und seine Mitarbeiter ca. 300 Schafe in der angegebenen Weise geimpft. Ich habe im August 1881 in La
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Milzbrand-Impfung nacli Pasteur,
ferme de Vincennes selbst eine Anzahl dieser Impflinge gesehen, und an denselben weiter nichts wahrgenommen, als 2 Löcher in dem Ohre, an welchem die beiden Vorimpfungen stattgefunden hatten. Zwei derart vorgeimpfte Schafe waren nach erlangter Immunität an die Schule nach Alfort gebracht und dort gleichzeitig mit 2 nicht vor­geimpften Schafen mittelst giftiger Cultur-Milzbrandflüssigkeit geimpft worden. Die beiden vorgeimpften Schafe blieben gesund, die nicht vorgeimpften Schafe starben beide am 2ten Tage an Milzbrand.
Die seither geschilderten Erfolge erregten selbstverständlich grosses Aufsehen in medicinisch gebildeten Kreisen und bei Land-wirthen. Unter anderen Zweifeln wurde auch der ausgesprochen, ob die Immunität der Impflinge sich bei Nachimpfungen bewähren würde, wenn man zu denselben statt des auf dem Wege der Cultur präpa-rirten Milzbrandgiftes natürliches Impfmaterial verwendete.
Eine aus Veterinären, Aerzten und Landwirthen zusammen­gesetzte Commission, welche durch den Präfect von Chartres ernannt worden war, hat diese Frage näher geprüft. Am 16. Juli 1881 hat dieselbe 19 Stück der in La ferme de Vincennes vorgeimpften Schafe nach Lambert, bei Chartres, kommen lassen und gleichzeitig mit 16 aus der Beauce stammenden, nicht vorgeimpften Schafen mittelst grosser Quantitäten natürlichen Milzbrandgiftes geimpft, das von einem 4 Stunden vorher an Milzbrand verendeten Schafe direct entnommen worden war.
Von den 16 nicht vorgeimpften Beauce-Schafen starben 3 am 17. Juli, 10 am 18. und 3 am 19. Juli an Milzbrand, während die von La ferme de Vincennes bezogenen vorgeimpften Schafe sämmtlich gesund geblieben sind. Dieselben haben sich dieser Impfung mit na­türlichem Milzbrandgifte gegenüber sogar vollkommen indifferent ver­halten; bei keinem einzigen dieser Impflinge hat sich auch nur eine leichte Störung der Gesundheit wahrnehmen lassen, obgleich jedem derselben eine beträchtliche Menge ('/ä Pravaz'sche Injections-Spritze) Milzbrandgift subcutan applicirt worden war.
Bei diesen Versuchen war eine grosse Anzahl Menschen gegen­wärtig, die in Folge der grossen Verluste, welche jene Gegend all­jährlich durch Milzbrand erleidet, für die Impfungen qu. in hohem Grade sich intereasirten. Unter Andern haben der Präfect und sein Generalsecretär, so wie der Arrondissementsrath von Chartres, viele Veterinäre, Aerzte und Landwirthe von der Richtigkeit der angege­benen Resultate sich selbst überzeugt.
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Die auf Milzbrand bezüglichen Gesetze des deutschen Reiches.
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Das deutsche Reichs-Vielmeuchengesetz vom 23. Juni 1880 ent­hält gegen Milzbrand folgende Bestimmungen:
sect; 31. Thiere, welche am Milzbrand erkrankt, oder dieser Seuche verdächtig sind, dürfen nicht geschlachtet werden.
sect; 32. Die Vornahme blutiger Operationen an milzbrandkianken, oder der Seuche verdächtigen Thieren ist nur approbirten Thier-ärzten gestattet.
Eine Oeffnung des Cadavers darf ohne polizeiliche Erlaubniss nur von approbirten Thierärzten vorgenommen werden.
sect; 33. Die Cadaver gefallener oder getödteter milzbrandkranker, oder der Seuche verdächtiger Thiere müssen sofort unschädlich be­seitigt werden.
Die Abhäutung derselben ist verboten.
Die gleichen Vorschriften finden beim Ausbruche des Milzbrandes unter Wildständen auf die Cadaver des gefallenen oder getödteten Wildes Anwendung.
Die Instmetion des Bundesrathes vom 24. Februar 1881 enthält in Bezug auf Milzbrand folgende Vorschriften :
sect; 5. Ist der Milzbrand oder der Verdacht des Milzbrandes Ijei Thieren festgestellt (sect; 12 des Gesetzes), so hat die Polizeibehörde die Absonderung, er­forderlichenfalls auch die Bewachung der milzbraiidltranken, oder der Seuche verdächtigen (sect; 1, Absatz 2 des Gesetzes) Thiere anzuordnen (sect; 19 des Gesetzes).
S 6. Erfolgt die Ermittelung des Seuclienausbruchs oder des Seuchenver­dachts in Aliwesenheit des leitenden Polizeibeamten, so bat der beamtete Tliier-arzt (sect; 2 Absatz 3 des Gesetzes) die sofortige Absonderung der milzbrandkranken oder der Seuche verdächtigen Thiere vorläufig anzuordnen. Von einer solchen durch ihn getroffenen Anordnung, welche dem Besitzer der Thiere oder dessen Vertreter entweder zu Protocoll, oder durch schriftliche Verfügung zu eröffnen ist, hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde sofort Anzeige zu machen.
sect; 7. Die Polizeibehörde und der beamtete Thierarzt haben dafür Sorge zu tragen, dass der Besitzer der milzbrandkranken, oder der Seuche verdächtigen Thiere, beziehentlich der Vertreter des Besitzers, auf die Uebertragbarkeit des Milzbrandes auf Menschen und auf die gefährlichen Folgen eines unvorsichtigen Verkehrs mit den erkrankten Thieren und der Benutzung ihrer Producte auf­merksam gemacht wird.
Personen, welche Verletzungen an den Händen oder an anderen unbe­deckten Körpertheilen haben, dürfen zur Wartung der erkrankten Thiere nicht verwendet werden.
Unbefugten Personen ist der Zutritt zu den für die kranken oder der Seuche verdächtigen Thiere bestimmten Räumlichkeiten nicht zu gestatten.
sect; 8. Thiere, welche am Milzbrände erkrankt oder dieser Seuche verdächtig sind, dürfen nicht geschlachtet werden (sect; 31 des Gesetzes).
Pütz, Lehrbuch der anstockenden Thiorkvaukhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14
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210nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die aul' Milzbrand bezüglichen Gesetze des deutschen Reiches.
Jeder Verkam' oder Verbrauch einzelner Theile, der Haare, der Wolle, der Milch oder sonstiger Producte von milzbrandkranken oder der Seuche verdach­tigen Thiercn ist zu verbieten.
sect; 9. Wenn in einem weniger als 20 Stück enlhaltenden Rindvieh- oder SchnlViehbestande eines Gehöftes innerhalb acht Tagen mehr als ein Thier am Milzbrand erkrankt, so dürfen innerhalb der nächstfolgenden 14 Tage Thicre des betreffenden Bestandes ohne polizeiliche Erlaubniss weder todt, noch lebend über die Grenzen der Feldmark ausgeführt werden.
Dieselbe Vorschrift findet Anwendung aui'Thiere eines 20 oder mehr Stück enthaltenden Rindvieh- oder Schafviehbestandes eines Gehöftes, so wie auf die Tliiere einer aus Rindern oder Schafen mehrerer Gehöfte bestehenden Herde, wenn in dem Bestände, beziehentlich in der Herde innerhalb 8 Tagen mehr als der zehnte Theil am Milzbrand erkrankt. Wird die Erlaubniss zur Ueberführung der Thiere In einen anderen Polizeibezirk ertheilt, so ist die betreffende Polizei­behörde von der Sachlage in Kenntniss zu setzen.
sect; 10. Die Vornahme blutiger Operationen an milzbrandkranken, oder der Seuche verdächtigen Thiercn ist nur approbirten Thierärzten gestattet und darf erst nach der erfolgten Absonderung der Thiere stattfinden.
Eine Oell'nung des Cadavers darf ohne polizeiliche Erlaubniss nur von approbirten Thierärzten vorgenommen werden (sect; 32 des Gesetzes).
sect; 11. Die Cadaver gefallener oder getödteter milzbrandkranker, oder der Seuche verdächtiger Tliiere müssen durch Anwendung hoher Hitzegrade (Kochen bis zum Zerfall der Weichtheile, trockene Destillation, Verbrennen) oder sonst auf chemischem Wege sofort unschädlich beseitigt werden. Die hierdurch ge­wonnenen Producte können frei verwendet werden.
Wo ein derartiges Verfahren nicht ausführbar ist, erfolgt die Beseitigung der Cadaver durch Vergraben, nachdem die Haut durch mehrfaches Zerschneiden unbrauchbar gemacht und die Cadaver mit roher Carbolsäure, Thecr oder Petro­leum begossen worden sind.
Zur Vergrabung der Cadaver sind solche Stellen auszuwählen, welche von Pferden, Wiederkäuern und Schweinen nicht betreten werden und an welchen Viehfutter weder gewonnen, noch vorübergehend aufbewahrt wird.
Die Gruben sind von Gebäuden mindestens 30 Meter, von Wegen und Ge­wässern mindestens 8 Meter entfernt und so tief anzulegen, dass die Oberfläche der Cadaver von einer unterhalb des Randes der Grube mindestens 1 Meter starken Erdschichte bedeckt wird.
Die Abhäntung der Cadaver ist verboten (sect; 38 des Gesetzes).
sect; 12. Bis zu ihrer unschädlichen Beseitigung sind die Cadaver so aufzu­bewahren, dass ihre Berührung durch andere Thiere verhindert wird.
Audi kann die Bewachung der Cadaver von der Polizeibehörde angeordnet werden.
Beim Transport müssen die Cadaver so bedeckt sein, dass kein Körper-theil sichtbar ist. Die Transportmittel (Wagen, Karren, Schleifen) müssen so eingerichtet sein, dass eine Verschüttnng von Blut, blutigen Abgängen oder Ex-crementen nicht erfolgen kann.
sect; 13. Die Vorschriften der sect;sect; 11 und 12 finden auch beim Ausbruch des Milzbrandes unter Wildständen auf die Cadaver des gefallenen oder getödteten Wildes Anwendung.
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Die auf Milzbrand bezüglichen Oesetze Üesterreichs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;211
sect; 14. tCxcremente, Blut und andere Ablulle von milzbrimdkranlien oder am Milzbrand gefallenen Thieren, die Streu und der durch Auswurfstoffe kranker oder gefallener Tliiere verunreinigte Dünger müssen sorgfältig gesammelt und verbrannt oder, wie die Cadaver, begraben werden.
Die durch Ablulle uiilzbrandUranlier oder am Milzbrand gelallener Thicre verunreinigten Fussboden, Stallwiinde, Stander, Krippen, Tröge u. s. w., des­gleichen die Stallgeräthschaften und die zum Transport der Cadaver benutzten Fuhrwerke oder Schleifen müssen ohne Verzug nach Anordnung des beamteten Thierarztes und unter polizeilicher Uebenvacbung desinficirt werden (sect; 27 des Gesetzes).
sect; 15. In denjenigen Bezirken, für welche auf Grund der Bestimmung im sect; 11 des Gesetzes die Anzeigepilicht bezüglich des Milzbrandes von der Landes­regierung für vereinzelte Fälle erlassen ist, müssen die Schutzmassregeln von der Polizeibehörde allgemein vorgesehrieben und durch amtliche Publication zur öffentlichen lOenntniss gebracht werden. — Zugleich ist auf die Uebertragbarkeit des Milzbrandes auf Menschen und auf die gefährlichen Folgen eines unvor­sichtigen Verkehrs mit milzbrandkranken oder der Seuche verdächtigen Thieren und einer Benutzung ihrer Producte aufmerksiim zu machen.
Die angeordneten Schutzmassregeln müssen von dem Besitzer der Thiere oder dessen Stellvertreter beim Ausbruch des Milzbrandes oder beim Auftreten verdächtiger Erscheinungen ausgeführt werden, ohne dass es in jedem Falle der Seuche der Zuziehung des beamteten Thierarztes bedarf (sect; 15 des Gesetzes).
Die bezüglichen Bestimmungen des österreichischen Viehseuchen-gesotzes vom 29. Februar 1880 lauten folgendermassen :
b. Milzbrand (Anthrax) der landwirthschaftlichen Hausthiere.
sect; 27. Thiere, welche nach dem Grutachten des abgeordneten Thierarztes als (milzbrand-) krank oder der Seuche verdächtig anzu­sehen sind, dürfen zum Zwecke des Fleischgenusses und der Ver-werthung sonstiger Bestandtheile nicht geschlachtet werden.
Die Nutzverwerthung und der Verkauf einzelner Theile, der Milch oder sonstiger Producte von miizbrandkranken oder verdäch­tigen Thieren ist verboten.
Blutige Operationen an derlei Thieren, sowie die Oeffiiung des Cadavers dürfen nur von approbirten Thierärzten vorgenommen werden.
Die Cadaver der an Milzbrand gefallenen oder deshalb getödteten Thiere dürfen nicht abgeledert werden und sind auf eine möglichst schnelle Art unschädlich zu beseitigen. (sect; 20, No. 6.)
Die Schlachtung noch gesund erscheinender unverdächtiger Thieiamp; eines verseuchten Gehöftes zum Zwecke des Fleischgenusses darf nur mit Zustimmung und unter der Aufsicht eines approbirten Thierarztes und nur im Seuchenorte stattfinden.
Die ministerielle Verordnung vom 12. April 1880 enthält in Bezug auf Milzbrand folgende Üurchfiilirungsbestimrnungcn:
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Die auf Milzbrand beziUrliohen Gesetze Oesterrelolis,
1.nbsp; nbsp; Niich erfolgter amtlloher Constatlrung hat die Qettielndebehörde bei dem Auftreten neuer Seuohenfftllo In dem Orte die vorgesohrlebenen veterlnär-pollzelllohen Slassregeln einzuleiten, olme dass es einer besonderen Erhebung durch den Amtsthierarzt bedarf,
2.nbsp; nbsp; MUzbrandkranke Tblere sind von den gesunden abzusondern und die verseuchten Ställe und Standorte abzusperren. Der Zutritt von Thieren jeder Art, so wie von unberufenen Personen In solche Ställe und Standorte ist hintan­zuhalten.
3.nbsp; nbsp; nbsp;Tritt der Milzbrand unter Thieren auf, welche sich ständig auf der Weide befinden, so hat nach Absonderung der Kranken die Absperrung des Weideplatzes einzutreten.
4.nbsp; nbsp; nbsp;Erlangt der Milzbrand in einem Orte eine seuchenarlige Verbreitung, so kann die Sperre der Ortsohaft oder einzelner Theile derselben angeordnet werden.
5.nbsp; nbsp; nbsp;Für die kranken Thiere sind eigne Wärter, welche mit gesundem Vieh nicht in Berührung kommen dürfen, zu bestellen und besondere Futter- und Tränkgeschirre und besondere Gerätbsoliaften zu verwenden. Diese Geschirre und Geräthe dürfen ohne vorausgegangene Desinfeotion, die in dem Krankenstalle oder ausserhalb desselben in nächster Nähe vorzunehmen ist, anderweitig nicht verwendet werden.
0. Die Besitzer der an Milzbrand erkrankten Thiere, so wie Jene Per1 sonen, welche sieh mit den kranken Thieren oder ihren Cadavern beschäftigen, sind über die leichte Uebertragbarkeit der Krankheit auf den Menschen und die daraus entstehende grosse Gefahr, so wie über die zu beobachtenden Vorsichten entsprechend zu belehren.
7.nbsp; nbsp; nbsp;Personen, welche Verletzungen an den Händen oder an anderen bloss getragenen Körpertheilen haben, dürfen zur Wartung kranker Thiere, oder bei Sectionen nicht verwendet werden.
In den Krankenställcn müssen raquo;Mittel zur Reinigung und Desinl'ection, 3 prozentige wässerige Lösung reiner Carbolsäure oder eine (jprozentige wässerige Mischung mit Carbolöl vorräthig gehallen werden.
8.nbsp; nbsp; nbsp;Die Krankenställe sind zur Hintanhaltung von Fliegen möglichst dunkel zu lialten und täglich mit Chlorgns schwach zu durchräuchern,
9.nbsp; nbsp; nbsp;Das Schlachten milzbrandkranker oder verdächtiger Thiere, die NutZ-venverthung und der Verkauf einzelner Theile oder Producte derselben ist ver­boten (sect; 27 des Gesetzes).
Als verdächtig sind diejenigen Thiere anzusehen, welche innerhalb der letzten vier Tage mit milzbrandkranken Thieren in unmittelbare Berührung ge­kommen sind.
10.nbsp; nbsp; nbsp;Die Cadaver der an Milzbrand gefallenen oder deshalb getödteten Thiere dürfen nicht abgeledert werden und sind auf eine möglichst schnelle Ali zu beseitigen (sect; 27 des Gesetzes).
Bis zu ihrer unschädlichen Beseitigung müssen sie so verwahrt werden (durch Bedeckung mit Erde, Stroh, Decken und dgl.), dass eine Berührung der­selben durch andere Thiere — auch Fliegen — möglichst hintangehalten wird.
11.nbsp; nbsp; nbsp;Findet die uuschädliclic Beseitigung der Cadaver nicht auf thermischem oder chemiscliem Wege, sondern durch Vergraben statt, so muss vorher die Haul kreuzweise in kleine Stucke durchschnitten werden. Die Gruben müssen tief
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Die Kßi'bDnkelkl'anltheit olt;ler der Rnnsehbrand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 213
angelegt und die hlneingebraohten Cadaver mit Aet/.kalk, und in Ermangelnng
desselben mit Asclie bestreut und mit Tliecr oder Jauche begossen werden.
Die Aasgruben müssen entspreobend verwahrt werden; die Plätze, au welchen sie sich befinden, dürfen mindestens durch drei Jahre als Gras- oder Ackerland nicht benutzt werden. — Auf gleiche Weise ist mit den aufgefundenen Cadavem des an dieser Krankheit eingegangenen Wildes vorzugehen.
12.nbsp; nbsp;Ablalle jeder Art, welclic von den milzbrandkranken Thieren stammen, sowie der Stalldünger und die Streu müssen verbrannt, oder nach vorausgegangener Ueberscliüttiing mit Aetzludk oder Asche tief vergraben werden.
13.nbsp; nbsp; Die verseuchten Stallungen, Standorte and Geramp;the sind mit ßtloksioht auf die schwere Zerstörbarkeit des Milzbrandgifles auf das Eingreifendste zn des-intlc.iren.
14.nbsp; nbsp; Wenn der Milzbrand als Seuche.auftritt, ist der Amtsthierarzt, wenn er nicht in dem Seuclienorte exponirt (domicilirt?) ist, zur Nachschau in Zwi-schenrüumeu von vier zu vier Tagen anzuweisen. — Bei vereinzelt bleibenden Fidlen genügt dessen Kiitsendnug zur Coustalinmg der Krankheit und zur Leitung des sehliesslichen Desinfectionsverfahrens.
15.nbsp; nbsp; Die eingeleiteten velerinärpolizcilichen Jlassregeln haben bei verein­zelten Krankheitsfällen ausser Wirksamkeit zu kommen, wenn keine kranken Thiere mehr vorhanden sind ; bei seuchenartigem Auftreten des Milzbrandes, dann, wenn innerhalb vierzehn Tagen nach dem letzten Genesungs- oder Todesfalle eine neue iMilzbranderkrankung nicht mehr vorgekommen und in beiden Fällen die vorsebriftsmässige Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe voll­endet ist,
3. Die Karbtnikelkranklieit oder der Rauschbrand.
In Frankreich hat man in neuester Zeit „die Karbunkelkrank-heit, le charbon symptotnatique ou externequot; (Arloiny und Cornevin Archives v^tdrinaires 1881, No. 15, 8. 579 u. folg.), in Deutschland „den Rausebbrand, l'emphyseine cliarlionneiixquot; (Feser, der Milzbrand auf den oberhayerisohen Alpen, Berlin I87G, 8. 09 u. folg.) aus der Reibe der Milzbrandkrankhciten gestrichen. Es ist vorläufig schwer zu entscheiden, ob damit 2 wesentlich verschiedene, oder gleichartige Krankheltsznstände gemeint sind. Halten wir uns an den bisher üb­lichen Beschreibungen, so ergeben sieb nicht unwesentliche klinische Verscbicdenheiten. Die Karbunkelkrankheit kennzeichnet sich durch das Auftreten von Geschwülsten an verschiedenen Körperstellen, beim Rinde namentlich am Halse, im Triel, an den Seiten oder unter der Brust- und Bauchhöhle, an den Extremitäten oder am Rücken. Diese Geschwülste sind entweder die Folge einer localen, oder einer vorausgegangenen allgemeinen Infection. Im ersteren Falle fehlen zunächst die Erscheinungen eines Allgemeinleidens; dieselben pflegen jedoch bald einzutreten, wenn nicht durch eine geeignete frühzeitige Behandlung die Aufnahme dos Karbunkelgiftes in das Blut
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Die Erscheinungen der Karbunkelkrankheit,
verhindert wird. Mit dem Hervorbrechen der Karbunkel tritt zuweilen eine deutliche Besserung des Allgemeinleidens und unter günstigen Umständen Genesung ein. Es wird dies dann der Fall sein, wenn die im Körper noch vorhandenen, d. li. zurückgebliebenen Krank­heitskeime in demselben fernerhin sich nicht mehr vcrmoliren, wenn, mit anderen Worten gesagt, inzwischen der betreffende Organismus „immunquot; geworden ist. In der Regel jedoch kehren die Fieberor-scheinungen alsbald mit erneuerter Heftigkeit wieder, und die Thiere sterben meist 3 bis 7 Tage nach dem Ausbruche der Krankheit.
Die Karbunkel sind anfangs klein, heiss und schmerzhaft, nehmen schnell an Umfang zu und erlangen nicht selten einen be­trächtlichen Umfang. Die vermehrte Wärme verliert sich in der Regel schnell, indem die Karbunkel alsbald kühl und unempfindlich werden. Ihr weiteres Verhalten ist ein verschiedenes; entweder schrumpft die sie bedeckende Haut ein und wird trocken, indem das Exsudat nekrotisirt und durch Eiterung in der Umgebung ausgestosseu wird; oder es entstehen eine oder mehrere Oeffnungen in der äusseren Haut, aus welchen eine brandig-jauchige, oder zähe-blutige Flüssigkeit nach aussen ergossen wird. Letztores pflegt am häufigsten — und zwar schon frühzeitig — am zweiten oder dritten Tage zu geschehen, worauf die brandige Zerstörung der Haut und des Unterhautbinde­gewebes weiter um sich greift. Oeffnet man einen Karbunkel vor seinem Zerfalle, so ergibt sich der Durchschnitt als ein blutig durch­setztes, derbes, gelbes, sulziges Exsudat. — Wie bei dem Hervor­treten der äusseren Ablagerungen im Allgemeinen die Fiebererschei­nungen nachzulassen pflegen, so sehen wir, wenn die Karbunkel in der Nachbarschaft wichtiger Organe, z. B. in der Nähe des Kehl­kopfes, der Luftröhre, oder am Kopfe sich entwickeln, oder wenn sie schnell wieder zurücktreten, die Fiebererscheinungen sich steigern.
Der Rauschbrand wird von Feser (1. c. S. 82) etwa folgender-massen geschildert:
Die Krankheitscrscheinungen, welche plötzlich eintreten, sind schon für den Laien höchst auffallend und führen nicht selten schon die Thicreigenthümer zur Erkennung der sehr gefürchteten Er­krankungsart. Das Erste, was bemerkt wird, ist die Sistirung der Futteraufnahme und der Rumination, Stöhnen, Unruhe (in einzelnen Fällen auch Kolikerscheinungen), steifer beschwerlicher Gang mit einer oder mehreren Gliedmassen, dem alsbald das Auftreten von kühlen, unempfindlichen, beim Darüberstreichen stark knisternden, teigigen Anschwellungen an verschiedenen Kürperstcllen folgt. Dabei
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Die Erscheinungen des Rauschbrandes nach Fcser.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 215
besteht Fieber; die extremitaleu Tlieile fühlen sich kühl an. Aussei' dem rasch auftretenden und schnell um sich greifenden Haut- und Muskelemphysem ist die Krankheit characterisirt durch starke An­schwellung der durch die Haut fühlbaren Lymphdrüsen, durch gelb-sulzige und hiimorrhagische Ausschwitzungen in die Bindegewebszüge und die Muskulatur, welche letztere, je nach der Krankheitsdaucr, in beschränkter oder sehr vei-breiteter Ausdehnung (auch bei verblu­teten Thieren) ein blasig alifgedunsenes, dunkelschwarzes Ansehen besitzt.
Die erkrankten Thiere verenden regelmässig und die curative Behandlung rauschbrandiger Thiere ist bis jetzt erfolglos geblieben; der Tod tritt nach dem Orte des ersten Auftretens des localen Pro­zesses in l'/s—3 Tagen sicher ein. Beim Einschneiden in die kni­sternden G-eschwülste zeigen sich die Patienten ganz unempfindlich: es zeigen sich dem Auge dicke, gelbsulzige und hiimorrhagische Binde-gewebsinfiltrationen, dunkelschwarze, erweichte, blasig aufgetriebene Muskulatur und dunkles Blut. Das am lebenden oder todten Thiere aus den Gefässen kommende Blut ist nie theerartig; es gerinnt stets zu einem mehr oder minder derben Kuchen, während das aus den hämorrhagischen Herden stammende Blut stets flüssig und lackfarbig ist.
Die Section ergibt ferner serös-hämorrhagische Ergüsse in die Brust- oder Bauchhöhle und in den Herzbeutel; sodann um die grossen Gefässstämme der Gliedmassen, des Herzens und um die Nieren aus­gedehnte, theils blutige, theils gelbsulzige Infiltrationen, Hämorrhagien unter der Pleura, den serösen Herzüberzügen, dem Peritonäum, im Netze, im Gekröse, in den Gekrösdrüsen, welche, wie die meisten übrigen Lymphdrüsen des Körpers, zugleich sehr vergrössert und er­weicht sind. Die Leber ist meist blutreicher, etwas geschwellt; die Milz nur in einzelnen Fällen und dann nur stellenweise dunkler, ge­schwellt und in ihrem Parenchym erweicht. Die auffallendsten Ver­änderungen finden sich stets in der Muskulatur der verschiedensten Körperstellen, besonders in der Nähe grössercr Gefässe, an den Glied­massen, unter der Schulter, am Halse, in den Lenden etc., nämlich mehr oder minder ausgebreitete, gelbsulzige und serös-hämorrhagische Infiltrationen, Ueberfüllung mit dunklem, flüssigem, lackfarbigem Blut; die dunkelschwarzen Fleischpartien sind stets knisternd, erweicht, sehr porös, mit Gasblasen und Lücken durchsetzt.
Durch diese (in Folge der vorhandenen) Blutzersetzung bei der Karbunkelkrankheit nicht selten an verschiedenen Stellen im Binde­gewebe sich bildenden Luftgeschwülste hat das Leiden in manchen
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Mikroskopischer Befund beim Raiisehbraiid,
Gegenden den Namen „Geriiusch- oder Rauschbrandquot; erhalten. Dieser Rauschbrand ist nun aber keineswegs ein wahres Milzbrandemphysem (emphyscmo charbonneux), wie man früher glaubte.
Beim eigentlichen Milzbrände kommen derartige Prozesse nicht vor; dieselben treten bei milzbrandkranken Thieren erst nach dem Tode, mit und in Folge der eingetretenen Fiiulniss, auf. —
Die klinischen Erscheinungen in Rede stehender Krankheit sind in manchen Dingen denen gleich, welche in Folge -von Infection mit putridon Stoffen entstehen. Beide Krankheitsbilder haben folgendes gemeinsam: Hohes Fieber, blutigen Ausfluss aus natürlichen Körper-öifnungen, entzündliche Geschwülste im Bereiche der äusseren Körper-überfläche, die bald kühl und unschmerzhaft werden u. s. w.
Der Rauschbrand (in den sächsischen Herzogthiiniern „fliegendes Feuerquot; genannt) tritt an gewissen Orten, ähnlich wie der Milzbrand, Jahr aus, Jahr ein auf und verursacht in dem betroffenen Viehstande nicht selten bedeutende Verluste. Die Erkrankungen fallen besonders in die Sommer- und Herbstinonate. Vorzugsweise werden die jüngeren Individuen und zwar meist die bestgenährlen, von demselben befallen; bei älteren Thieren wird er seltener beobachtet. Bei jungen, zarten Individuen wird die Krankheit bösartiger, als bei älteren, überhaupt widerstandsfähigeren; bei jenen ist das Gewebe lockerei', somit der Aus­breitung von Zersetzungsprozesacn (mit Bildung von Luftgescliwlllsteu) und der Aufnahme deletärer Stoffe in die Blutbahnen günstiger.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Blutes, des Fleisches u. s. w. der an Rauschbraud erkrankten oder gestorbenen Thiere findet man constant, namentlich in den Ablagerungen, kleine, kurze, sehr bewegliche Bacterien, in grosser Menge. Feser, der zuerst die Karbunkelkrankheit vom Milzbrande getrennt hat, glaubt, dass die Mikroorganismen jener sich in der Regel an den betreffenden Oert-lichkeiten in der Umgebung der kranken Thiere — entweder im Boden der Weiden oder der Stallungen, oder an und in anderen Ge­genständen massenhaft nachweisen lassen. Mit der Beseitigung der ihrer Existenz günstigen Bedingungen wird die Krankheit sich min­dern, oder ganz versehwinden.
Die Schwierigkeiten, welche sich vorläufig für die genaue Be­grenzung, resp. Scheidung in Rede stehender Krankheitsformen bieten, Hessen sich am einfachsten beseitigen, wenn man dem Antrage Zürn's (Ueber Milzbrand-Bacterien, Leipzig 1880, S. 15) gemäss, alle durch Bacillen verursachte Krankheiten unter der Bezeichnung „Bacilläiniequot; vereinigte. Für den Fortschritt unserer Erkenntniss des Wesens frag-
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Unterschied zwischen SlUzbrancU u. Karbnnke]gift iiaoh Arloing a.CornevIn, 217
licher Zustände wäre incless damit wohl nichts gewonnen. Die Ansicht Zurn's, class der Anthrax nichts anderes sei, als eine gewöhnlich über­aus rasch verlautende pernicioso Sopticämie etc., wird kaum jemals viel Beifall linden. Wie bereits erwähnt wurde, haben neuere Unter­suchungen von Arloing, Cornevin (und Thomas) ausser den objee-tiven Verachiedenheiten zwischen den bei der Karbunkellcrankhcit vorgefundenen Mikroorganismen und den Milzbrandbacteridien auch ein ganz verschiedenes Verhalten des Milzbrandgiftes im Vergleiche mit dem Karbunkelgifto bei directer Einführung in das Blut unserer Wiederkäuer (Rind, Schaf und Ziege) ergeben. Während das Milz­brandgift nach directer Einverleibung in die Blutgef'ässbahnen bei nicht immunen Thicren den Tod der betreffenden Individuen zur Folge hat, verursacht das Gift der Karbunkelkrankheit, wenn es direct in eine Blutader (Vene) eingespritzt wird, ohne dass hierbei ein Theil desselben in das umgebende Bindegewebe gelangt, keine erheblichen Krankheitserscheinungen, namentlich keine Karbunkel­bildung in der Nähe der Körperoberfläche. Die Versuchsthiere über­leben aber nicht nur diese Prozedur, sondern erlangen in Folge der­selben bereits nach 5 Tagen eine Immunität gegen die fernere Wirk­samkeit dos Karbunkelgiftes, so dass dieses nunmehr ohne besondere Gefahr auch in das Bindegewebe unter der Haut und zwischen den Muskeln etc. eingespritzt werden kann.
Aus diesen Versuchsresultaten ergibt sich somit einestheils, dass das Karbunkelgift sich nach intravenöser Injection wesentlich anders verhält, wie das Milzbrandgift und das gewöhnliche Fäulnissgift; an-derntheils aber ergibt sich aus denselben auch die sehr bedeutungs­volle Thatsache, dass durch die betreffende Art der Einvorleibung des Karbunkelgiftes bei dem Impflinge eine Immunität zu Stande kommt, ohne dass es zu den früher für so wesentlich gehaltenen Localisationen der natürlichen Karbunkelkrankheit kommt.
Arloing und Cornevin haben ferner gefunden, dasa das Gift der Karbunkelkrankheit sich von dem des Milzbrandes auch noch da­durch unterscheidet, dass ersteres bei trächtigen Thieren auf die Leibes­frucht übergeht, während dies beim Milzbrande nicht der Fall ist. Colin, der die Bacteridien-Theorio Pasteur's und Anderer vielfach in leidenschaftlicher Weise bekämpft hat, gibt an, im Blute eines halb ausgetragenen Fötus, welcher im Uterus einer in Vincennes an Milzbrand gestorbenen Kuh sich vorfand, im Herzen, in den grossen Gefässen, in der Pfortader, in den verschiedenen Geweben, kurz in allen Körpertheilen, für welche ihre Abwesenheit behauptet wird.
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Die Texasseuohe des Rindviehs Nord-Amerika's.
Bactoridion angetroffen zu haben. Dennoch soll dieses fötale Blut bei geimpften Kaninchen keinen Milzbrand erzeugt haben, während die mit dem Blute der Muter geimpfton Kaninchen an Milzbrand zu Grunde gingen. Es würde zu weit führen, hier auf die Einwendungen Colin's gegen die Baeteridien-Theorie noch weiter einzugehen. Es mag genügen an der Mittheilung, dass dieselben im Ganzen wenig stichhaltig und nicht im Stande sind, die positiven Errungensehaften anderer Forscher zu entkräften.
Vorläufig wollen wir die angegebenen Forschungsresultatc nur ad notam nehmen. Die Hoffnung ist indess nicht unbegründet, dass dieselben im Laufe der Zeit für die Seuchentilgung fruchtbar gemacht werden können. Wir werden der Vorbauung von Krankheiten überall da um so mehr unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, wenn die ärztliche Behandlung der einmal zum Ausbruch gelangten natürlichen Krankheit nur wenig oder gar nichts zu leisten vermag, wie dies bei den meisten (innerlichen) Infectionskrankheiten leider der Fall ist.
In Nord-Amerika richtet seit einiger Zeit eine Rinderseuche vielfach grosse Verheerungen an, die in den ausgedehnten Ländern im Norden und Nordwesten des Meerbusens von Mexico ihre Heimath zu haben scheint und von dort aus von Zeit zu Zeit über einen Theil der Vereinigten Staaten sich ausbreitet. Diese Seuche gehört wohl ziemlich sicher zu den Infectionskrankheiten und ist unter dem Namen „Texasseuche, Texasfieber, Milzfieber (Texas- oder Splenic-fever)quot; bekannt. Im Jahre 18G6 soll der Rindviehbestand Virginiens durch fragliche Krankheit fast vollständig vernichtet worden sein. Das Journal der amerikanischen Agricultur-Gesellschaft (The Journal of the American Agricultural Association, New-York 1881, Vol. I, No 1, pag. 200) enthält einen Artikel über den Export-Viehhandel der Ver­einigten Staaten etc., dem ich in Bezug auf das Texasfieber folgen­des entnehme: Das Texasvioh soll an fraglicher Krankheit nicht sterben, wohl aber Vieh anderer Racen und Länder, das jenem folgt, oder Stellen beweidet, auf welchen Texasvieh sich vorher aufgehalten hat. Der Berichterstatter (Colonel Robert Reverley) brachte im Jahre 186G einen Transport Rindvieh von 700 Stück aus Texas nach Vir-ginien. Diese Thiere begannen ihren Marsch im October; in Memphis wurden dieselben auf die Eisenbahn verladen und gelangten um die Mitte November nach Virginien. Dieses Vieh wurde hier über viele Farmen vertheilt und nirgendwo trat die Krankheit auf.
Im Mai des Jahres 18(37 importirte ein Herr Eddings 300 Stück
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Die Texasseuelie; Ursache derselben nach Reverley.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 219
Texasvieh, welches mit Texaszecken bedeckt war. Obgleich das ein­geführte Rindvieh gesund blieb und gedieh, so starb doch alles ein­heimische (d. h. nicht Texasvieh), das jenem auf dem Marsche be­gegnet, oder auf Weiden gefolgt war, selbst wenn dies auch 6 Wochen oder 2 Monate später geschah, als das Texasvieh dieselben passierte. Dasselbe ereignete sich, als Eddlngs im Mai 1808 wiederum Texas­vieh in Virginien einführte.
Reverley hält die Krankheit für eine durch die Texaszecke her­vorgerufene Blutvergiftung. Er behauptet, dass kein Fall dieser Krankheit in hohen Breitegraden (über 38 0 nördl. Breite) im Winter constatirt worden sei, und dass sie hier nach hartem Froste (in den Monaten November bis Februar oder März) nicht zu fürchten sei. Reverley hat beobachtet, dass die Texaszecken, wenn sie doppelt so gross geworden sind wie eine Hundezecke, in den Eisenbahnwaggons, auf der Weide und auf dem Wege abfallen und dass jede bald gegen 1000 Junge bringe, welche sich auf das nachfolgende Vieh setzen. Seit mehreren Jahren und zwar seitdem Virginien ein Gesetz besitze, welches die Einfuhr von Rindvieh aus Texas und den Südstaaten erst nach eingetretenem hartem Froste gestatte, sei es von fraglicher Krankheit verschont geblieben.
Ohne hier auf eine nähere Kritik der Zecken-Theorie einzu­treten, bemerke ich nur, dass dieselben an der Entstehung fraglicher Krankheit wahrscheinlich keinen, oder doch einen nur untergeord­neten Antheil haben dürften. Wir sehen ja auch andere Infections-krankheiten, so z. B. Milzbrand, Rauschbrand u. dergl. bei Frost­wetter verschwinden, um bei höheren Temperaturen gelegentlich wiederzukehren.
Die Erscheinungen des Texasfiebers sind im Wesentlichen fol­gende : Gesteigerte Athem- und Pulsfrequenz, Nachlassen oder gänz­liches Sistiren der Milchsecretion und der Fresslust, Mattigkeit, Ab­satz eines meist blutigrothen Harns und weicher (zuweilen blutiger) Excremente. Bei den meisten offenbar erkrankten Thieren und zwar bei etwa quot;/i o derselben pflegt innerhalb der nächsten 4 Tage der Tod einzutreten. Die Krankheit ist entschieden ansteckend. Die Zeit der Incubation scheint in der Regel einige Tage zu betragen; sie soll aber auch einige Wochen dauern können. Ob die Krankheit eine reine Contagion, oder miasmatisch contagiös ist, muss noch näher festgestellt werden.
Die Mittheilungen über die Erscheinungen am Cadaver der durch die Texasseuche getödteten Rinder sind noch mangelhaft. Welkheit
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Die Toxasseuche nach neueren Jliltlieilungen
de.s Muskelfleischeraquo;, Hyperämio dor Milz, Lebej- und Lungen, Blut-unterlaufungen am Vordauungscanale, im Gekröse, in den Nieren, am Herzbeutel und am Herzen, braunrothe Farbe des Blutes, starke Durcbteucbtung des Gehirns, ao wie die Anwesenheit von rothcn Blutkörpercbeu im Harne, werden als die wesentlichsten Öections-bet'undo angegeben. Genauere mikroskopische Untersiielumgea des Blutes, der verschiedenen Körpergewebe und Secrete scheinen noch zu fehlen; über die etwaige Anwesenheit und eventuelle Boschaft'cn-heit von Mikroorganismen bei der Texasseuche ist mir nichts bekannt.
In Bezug auf Therapie gibt Reverley an, von 8 an der Texas­seuche erkrankten Nichttexas-Kindern 5 Stuck dadurch gerettet zu haben, dass er dieselben von den ihnen anhaftenden Texaszeekcn mittelst Carbolseife und Reiben gründlich befreit habe. Bald darauf sei Frost eingetreten und die Seuche dann überhaupt erloschen.
Mehr Beachtung unsererseits verdient die Ansicht fraglichen Berichterstatters, dass die Seuche durch Texasvieh eventuell auch nach Europa verschleppt werden könne, falls Texasvieh während der wärmeren Jahreszeiten hierhin verschifft werden sollte.
Die Revue du Journal des Archives veterinaires bringt (in Xo. 18 des Jahrganges 1881 S. 711 n. folg.) nachstellende JliUheilung:
Das Texasfieber wird in einem Berichte der Centralcommission des AcUer-taues der Vereinigten Staaten Nord-Amerlka's, Washington 1880, der die nn-steckenden Thierkrankhelten betrifft, ..die Seuche des Südensquot; genannt. Diese Seuche ist auch unter dem Namen „spanisches Fieberquot;, „rothes oder schwur/es Wasserquot;, oder „der Milzkrankheitquot; u. s. w., im Qanzen unter 14 verschiedenen Benennungen bekannt. Sie verursacht nebst der Schweineseuclio und der Lungen-seuclie von allen Thierhraukheitcn in den Vereinigten Staaten Nord-Amerika's die erheblichsten Verluste.
In den Ebenen von Texas und des äussersten Westens ist während der letzt verflossenen Jahre eine ungeheure Zunahme von Vieh zu Tage getreten. Seit Jahren ist Texas als Land l'iir Fettvieh berühmt und die grosse amerikanische Wüste ist heute in eine ausgedehnte Weide umgewandelt, auf welche Jedes Jahr Tausende von Tliieren zur Mästung geschickt werden. Man bringt alljährlich grosse Massen (bandes) Junges Rindvieh dorthin, um daselbst Herden ZU bilden, denn Texas scheint besonders ein Land der Production zu sein. Die einheimi­schen Thlere, welche nicht sehr gross werden, wenn sie in Ihrem Oeburtslande bleiben, erreichen eine bedeutendere Grosse, wenn sie anderswohin verpflanzt werden. Die grosse Hitze, die Intensität und Dauer der vorkommenden Dürren, so wie die Seltenheit des Wassers, welche die Thiere zuweilen zu Tagesmärschen von 48 bis 04 Kilometer nöthigt, machen es verständlich, dass Thiere von be­deutender Grosse in Texas nicht gedeihen können.
Diese ausgedehnten Ebenen, welche im Herbst dem Fremden schrecklich versengt und unfruchtbar erscheinen, sind nichts Anderes, als eine ausgedelmle
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Die Texosseuohe nach neueren Mittheilungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 221
VoiTalhsluimnu'i', in welclici' rlns Gras sich auf (Icir Stolle getrocknet vorfindet, wodurch mau alle Kosten der Erndtc und des Einfahrens von Futter erspart. Siiiumtliche Thiere, uiäuuliclie und weibliche, junge und alte, weiden zusammen. Die Kühe gebären zu jeder Jahreszeit und gewöhnlich hält man auf je 2ö Kühe 1 Stier. Die in Herden zur Schlachtbank expedirten Thiere müssen 320 bis 800 Kilometer bis zur Bahnstntion marschiren.
Das Texasfieber scheint eine sehr mysteriöse Krankheit zu sein, welche sehr grosso Verheerungen anrichtet, obgleich sie blos während 3 Monaten im Jahre herrscht. In der Mehrzahl der Fälle variirl die Sterblichkeit der erkrankten Thiere zwischen 40 u. 90 l'roz.; es sind jedoch einzelne Fälle mit weit grösseren Verlusten mitgetheilt, so z. H. ein Fall, wo von 148 kranken Thicivn nur 1 Stück. ein anderer Fall, wo von 235 kranken Thicren nur 2 dem Tode entronnen sind. Die Pferde sogar, welche man aus dem Süden importirt, erkaufen ihre Accli-matisirung, da sie nicht verschont bleiben von einer All'ection, die mit derjenigen des Hindos die grösste Aehnlichkeit hat. Es ist wahrgenommen worden , dnss der Geimss des Fleisches von kranken Thicren schwere '/ulalle verursachen und seihst den Tod herbeiführen kann. Zwei mit einer kranken Leber gefütterte Hunde zeigten sehr heftigen Durchfall, in Folge dessen der Eine von beiden nach 12 Tagen an einer bei der Section festgestellten Magen-Entzündung starb; Ka­ninchen starben nach 4 bis 8 Wochen unter den Tiämlichen Uinslnuden.
Das Texasficber richtet besonders seine Verheerungen bei Tliieren au, die (aus den Orenzländern) erwachsen eingeführt werden. Kälber unter 6 Monaten scheinen eine Art Immunität zu besitzen und acclimatisiren sich gewöhnlieh. Durch einen verdienstvollen Veterinär ist erkannt worden, dass die Krankheit in diesem Staate (Texas) wirklich latent vorkommt und zwar bei Tliieren, die scheinbar ganz gesund sind. Diese Thatsache ist durch die Section festgestellt worden, lieber die Natur dieser ansteckenden Krankheit 1st man noch nicht im Klaren, obgleich dieselbe von mehreren bedeutenden Heobachtern und besonders von Professor Gam gee aus London, der zu diesem Zwecke sich mehrere Monate in Amerika aufgehalten hat, studirt worden ist. Die Symptome sind : Verlust des Appetits, Trockenheit des Kolkes, Unvermögen sich bewegen zu können und Nasen­bluten beim Eintritt des Todes. Die Patienten magern sehr schnell ab. Bei der Section findet man Veränderungen in der Hlntbeschad'eulieit und Läsionen an den Eingeweiden; die Milz, so wie auch die Leber haben einen beträchtlichen umfang erreicht und die Zustände scheinen eine gewisse Aehnlichkeit zwischen der in Hede stehenden Krankheit und der in Europa unter dem Namen „Anthraxquot; be­kannten Krankheit zu bieten.
Salmon hat diese Krankheit ebenfalls sehr eingehend studirt und macht besonders darauf aufmerksam, dass man es mit einer wirklichen Epizootic zu Ihun habe.
Wie dem auch sein mag, es ist sehr selten, dass einheimische Thiere von dieser Krankheit befallen werden, während die importirten Thiere ihr einen sehr schweren Tribut zahlen. Aelteres Kindvieh stirbt immer und unter den jungen Tliieren beträgt die Sterblichkeit mindestens 30 Proz. Der Verlust ist grosser für die im Monat Mai, als für die im December eingeführten Thiere. Hereford-Hinder scheinen widerstandsfähiger zu sein, als Durhams, welche in Amerika prachtvolle Herden bilden; wo sie hier genügende Nahrung finden, erfüllen sie in wunder­barer Weise die an sie gestellten Anforderungen, d. h. sie produciren in kurzer
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222nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dei' Kothlaul' del' Schweine und anderer Ilimsthiere.
Zeit viel Fleisch. Im Uebrigen lialjen sie mit den Texas-Kacen sehr gute Kreu­zungen gegeben.
Alan sagt, class das Texasfieber, wie das gelbe Fieber, mit dem Eintritt von Frostwetter anl'höre; es ist sehr selten, dnss die eingeborenen Thiere an dem­selben erkranken, weder in Texas selbst, noch auf ihren Wanderungen nach den benachbarten Staaten. Auch pflanzt die Krankheit sieh nicht in die nördlichen und westlichen Districte von Texas fort: gegen Norden transportirtes Texasvieh wird nicht von derselben belallen. Wenn aber Thiere anderer Herkunft die von Texasvieh verfolgte Route krenzen, so werden sie von der Krankheit belallen und sterben zu Tausenden; dies hat man z. B. bei Colorado-Vieh beobachtet. Man kann sich fragen, ob die auf diese Weise bei Thieren anderer Staaten ent­standene Krankheit ansteckender Natur ist. Diejenigen Thiere, welche bei Kreu­zung der Route des Texasviehes der Ansteckung entgangen sind, scheinen das Fieber von ihren sterbenden Stamingenossen nicht zu empfangen.
Wie. man sich denken kann, hat eine so gelahrliehe Krankheit die benach­barten Staaten #9632;veranlasst, Schutzbeslimmungcn zu erlassen; es darf demnach Texasvieh das Gebiet rraglicher Staaten während der wannen Jahreszeiten nicht betreten. Um die Transporte von Texasvieh In aller Sicherheit ausfuhren zu können, muss man dieselben während der Zeit bewirken, wo das Gras zu wachsen anlangt und das Vieh gegen Norden marschiren lassen , nach iMassgabe wie der Frühling in dieser Richtung vorschreitet. Wenn man dieser Methode folgt, so läuft man keine Geiahr. Als Schutzmittel gegen die zur Unzeit bewirkte Ein­wanderung von Texasvieh ist eine Quarantäne-Grenzlinie längs des canadiseheu Stromes gezogen worden. Aber die Ausführung dieser Sanitiits-Keglements .bietet in halb wilden Gegenden viele. Schwierigkeiten, so dass die ITebertretungen der erlassenen Gesetze, beträchtliche Verheerungen zur Folge gehabt haben. — Dass diese schreckliche Krankheit nach Europa importirt werde, ist nicht wahrschein­lich, noch dass sie über die Staaten im Centrum von Amerika sich ausbreite; sie scheint auf Texas begrenzt zu sein und sich nur gegen Süden verbreiten zu können.
4. Der RotManf der Schweine und anderer Hansthiere.
Unter Roth lauf (Erysipelas) versteht man eine (wahrscheinlich infectiöse) Entzündung der äusseren Haut, welche ihren Sitz vorzugs­weise in den oberflächlichen Schichten (Papillarkörper) und im Mal-pighischen Schleimnetze hat. Bei unseren Hausthieren, wie beim Menschen, kommen solche erysipelatöse Entzündungen gelegentlich vor und zwar treten dieselben entweder zu einer vorhandenen Ver­letzung als sogenannte „Wundrosequot; hinzu, oder sie erscheinen auch ohne sichtbare Verletzungen. Letzteres ist bei Schweinen manchmal in ausgedehntem Maasse der Fall, so dass grössere Schweinebestände in gewissen Jahren und Localitäten von diesem Uebel seuchenartig heimgesucht und oft in beträchtlicher Anzahl dem Tode überliefert werden.
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lieber Ursache und Contagiositüt des Rothlaufs,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;223
Man ist gegenwärtig vielfach geneigt, als Ursache des Roth-lauts Mikrococeusvegetationen anzunehmen. Manche der bis jetzt in Bezug hierauf angestellten Versuche und Untersuchungen scheinen die nahen Beziehungen zwischen Mikrococeusvegetationen und Eiysipel zu bestätigen; um diese Frage definitiv zu entscheiden, sind jedoch noch weitere Forschungen nothwendig. Eben so bedarf es noch ge­nauerer Untersuchungen, um festzustellen, ob die bei Menschen und Thieren als Rothlauf bezeichneten Hauterkrankungen vollkommen gleich sind, namentlich ob sie ein und demselben Krankheitsgifte ihre Entstehung verdanken. Nach den bisher angestellten Versuchen zu schliessen, scheint es in der That möglich zu sein, durch subcutane Injection von Serum aus Erysipelas-Blasen dos Menschen, bei Thieren wirklichen Rothlaut' zu erzeugen. Dagegen bemerkt Klein, dass er und sein Assistent mit verwundeten Händen den verschiedensten Objecten von Thieren, welche an Rothlauf verendet waren, ohne jeden Nachtheil in anhaltende und innige Berührung gekommen sei; diese Erfahrung ist ja auch an anderen Orten unendlich häufig gemacht worden. Mir ist überhaupt kein Fall bekannt, dass eine Infection beim Menschen durch die Zubereitung oder den Genuss des Fleisches rothlaufkranker Schweine nachgewiesen worden wäre.
Von nicht geringerer practischer Bedeutung ist ferner die Frage, ob der Rothlauf der Schweine (und anderer Thiere) eine verschlepp­bare Krankheit ist. Obgleich diese Frage von Thierärzten und Vieh­besitzern vielfach bejaht wird, so kann dieselbe doch noch nicht als sicher entschieden betrachtet werden. Zwar erscheint es für den Roth­lauf der Schweine, so wie für die Wundrose des Menschen kaum mehr fraglich, dass dieselben durch Instrumente, Verbandzeug, Bett­zeug, Kleidungestücke' u. dgl. verschleppt werden können. — Harms nimmt einen spezifischen Pilz als eigentlichen Krankheitserreger an (der Rothlauf des Schweines 18C9), der mit dem Futter in den Or­ganismus eingeführt werden soll. Diese Annahme stützt sich vor­zugsweise auf den Nachweis fraglicher Pilze (Mikrokokken und Bac-terien) in dem verabreichten Futter, so wie im Blute und in ver­schiedenen Körperoiganen; ferner darauf, dass Harms den Ver-dauungscanal stets zuerst ergriffen fand. — Auch Bellinger hat im Blute an Rothlauf verendeter Schweine kurze Cylinderbacterien und Mikrokokken angetroffen: die Frage über deren pathogene Bedeutung lässt er unentschieden. — Klein bat in verschiedenen Körperorganen einen beweglichen Bacillus gefunden, den er cultivirt, zur Sporen­bildung und Vermehrung gebracht hat. Schweine, welche mit Cultur-
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224nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kriinklieitsbcfuud bei rotliliuirkrankcn Thieren.
flüssigkeit der dritten bis acliter Generation geimpft wurden, er­krankten an Rotlilauf. Die kleinsten dieser Eacillen sind 1 bis 8 Mikro-millimeter lang; im Cidturapparate wachsen dieselben zu langen Fäden aus, in welchen sicli ovale Sporen von etwa lji Mikromillimetcr Längen-diirchmosser ont-wickeln; ihr Querdurchmesser beträgt ca. '/t bis '/ä Mikroraillimeter.
Wie aber durch die Erkenntniss dieser Thatsacho und durch die Lister'sehe Wundbehandlung die Rothlauf-Endemien in den Spitälern seltener geworden sind, so wird mit der genaueren Erkenntniss der Ursachen und Verbreitung des Rothlaufs unserer Hausthiere auch wohl der Weg sich finden, auf dem man wenigstens das enzootische Auftreten des Eothlaut's unter den Schweinen und die dadurch ver­ursachten, oft recht empfindlichen Verluste vermindern, und zuweilen vielleicht ganz verhüten kann.
Von anderen Infectionskrankheiten unterscheidet sich der Roth­lauf wesentlich dadurch, dass derselbe (namentlich beim Menschen) keineswegs eine länger andauernde Immunität, sondern sogar eine auffallende Neigung zu Recidivcn hinterlässt. In wie weit dies bei Thieren der Fall ist, muss noch näher erforscht werden.
Die Krankheit qu. ist stets von einem mehr oder weniger starken Fieber begleitet, das nicht selten der Hauteruption etwas vorausgeht. Störungen des Wohlbehagens und der Fresslust werden nicht selten einen, oder gar einige Tage vor der Hauteruption wahrgenommen. Letztere ist an dunkelfarbigen Hautstellen weniger in die Augen fallend, als an nicht pigmentirten Hautabschnitton. Sie verursacht häufig ein Juekgefilhl, das sich bei unsern Hausthieren durch Be­nagen oder Reiben der betreffenden Stellen offenbart. Diese sind vermehrt warm, anfangs gewöhnlich nur massig, später meist stärker empfindlich und zuweilen sogar wirklich schmerzhaft. Immer bildet sich eine flache, aber nichts desto weniger meist scharf begrenzte Geschwulst aus, die sich allmählich weiter ausbreitet und stellenweise mehr oder weniger ödematös erscheint. Nicht pigmentirte Hautstellen zeigen eine rosenrothe Farbe, welche nach Fingereindrllcken für kurze Zeit verschwindet. Wo die Geschwulst ödematös ist, gleichen sich die Fingeveindrücke nur allmählich aus. Manchmal kommt es zur Bildung von Blasen, oder von spontanen Blutungen an der Hautoberfläche. Die benachbarten Lymphgef'ässe und Lymphdrüsen sind in der Regel schon afficirt, bevor die Schwellung der Haut sich bemerkbar macht.
Obgleich alle Abschnitte der äusseren Haut an Rothlauf er­kranken können, so werden doch gewisse Partien derselben Vorzugs-
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Der Rotlilauf der Schweine CSchweineseuehe).
weise von demselbeu heimgesucht. Im Allgemeinen sind dies die zarteren und weniger behaarten Hautstellen, als namentlich die Lippen, die Nasenflügel, die Augenlider, die innere Fläche der Schenkel, die (äussere) Geschlechtsgegeud (Hodensack, Euter), die hintere Fläche der Köthe und die untere Fläche des Bauches und der Brust,
Bei protrahirtem Verlaute der Krankheit kann die Hautent­zündung an Stelleu, welche früher ergriffen wurden, bereits in der Abheilung sich befinden, bevor sie an den zuletzt befallenen Haut­abschnitten ihren Höhepunkt erreicht hat; auch kann bei dieser so­genannten „Wanderrose* eine bereits in der Abheilung begriffene Hautstelle neuerdings stärker erkranken.
Zuweilen kommt es zum brandigen Absterben kleinerer oder grösserer Hautpartion; im letzteren Falle endet das Leiden häufig tödtlich. Da aber selbst im günstigsten Falle bei grösseron Haut-defecten die Genesung sich lange hinausschiebt, weil die Narbenbildung stets lange Zeit erfordert, so wird es oft am besten sein, die Patienten rechtzeitig zu tödten.
Von hervorragender Wichtigkeit für die Praxis ist der Rothlauf der Schweine, der sich durch sein häufigeres epizootisches Auftreten ganz besonders auszeichnet. Die Ansteckungsfähigkeit dieser kurzweg „Sehweineseuchequot; genannten Krankheit kann für die Schweiuespezies kaum bezweifelt werden und zwar scheinen nicht nur Cadavertheile direct, sondern auch indirect die Ansteckung vermitteln zu können. Wasser, welches zum Abwaschen des Fleisches rothlaufkranker Thiere verwendet worden ist, darf gesunden Schweinen nicht vorgesetzt werden. Bezirksthierarzt Fünfstück theilt folgenden interessanten Fall mit (Bericht über das Veterinärwesen im Königreiche Sachsen für das Jahr 1872): Von dem Fleische eines wegen Typhus (Rothlauf) nothgeschlachteten Schweines kaufte ein Gutsbesitzer eine ziemliche Quantität Fleisch und legte es zur Conservirung in Buttermilch. Letz­tere wurde sodann seinen 3 Schweinen zum Genüsse vorgesetzt und schon am nächsten Tage erkrankten dieselben am Typhus. — Johne (1. c. S. 112) möchte der Krankheit eine beschränkte und bedingungs­weise Ansteckungsfähigkeit zuerkennen. Derselbe sah die Krankheit nie in Orten, in welchen sie nicht schon früher geherrscht hatte, wäh­rend einzelne Bestände trotz aller ungünstiger localer Einflüsse verschont blieben. Da sie in Ställen auftritt, wo die Verhältnisse normal sind, so glaubt Johne, dasa die Einschleppung wahrscheinlich durch Menschen stattgefunden hatte, z. B. durch Fleischer, die typhuskranke Schweine geschlachtet hatten.
-#9632;
Pütz, Lehrbuch dor nusteckcmlon Thiorkrankhoiten.
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226nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der Rothlauf der Schweine; Vorhersüg-c.
Die Krankheit macht sich durch Abnahme der Fresslust, zu­weilen durch Geifern, Brechneigung oder selbst durch Erbrechen zu­erst bemerkbar. Bald zeigen sich röthliche Flecken am Halse, am Bauche, an den Ohren, am Rüssel, an den inneren Schenkelflächen; die Patienten zittern und klagen, verkriechen sich in die Streu, ath-men beschleunigt und angestrengt. Die äusuere Körperwärme ist namentlich an den Ohren und Extremitäten wechselnd, die Mastdarm­temperatur soll bis 43deg; C. steigen. Zuweilen treten Gehirnerschei­nungen autquot;(Drehbewegungen oder grosae Abstumpfung), worauf manch­mal schon nach einer Krankheitsdauer von nur wenigen Stunden, meist innerhalb 24 Stunden, selten später, der Tod eintritt. Genesung kommt bei manchen Seuchengängen selten, bei anderen etwas häufiger vor; immer aber ist der Verlust durchschnittlich ein sehr grosser, 06 0/o der Erkrankten und gewöhnlich beträchtlich mehr. —
Die Vorhersage bei dieser Form der Krankheit ist somit unsicher, im Allgemeinen ungünstig. Wenn auf der Haut schärfer begrenzte, flach hervorragende Flecke von meist hellrother Farbe und nicht allzu beträchtlichem Umfange sich bilden, so pflegt häufiger Genesung ein­zutreten, als wenn die Flecke braunroth oder livid gefärbt erscheinen und wenigei' scharf begrenzt, sondern mehr diffus axisgebreitet sind, oder wenn sonstige bösartige Complicationen, namentlich Entzündungen innerer Körpertheile hinzutreten.
Es gibt auch eine mildere Form dieser Krankheit, welche wäh­rend des Lebens oft kaum wahrgenommen werden kann. Die Haut-affection kann dann ganz fehlen, oder sie beschränkt sich auf einzelne rothe Flecke. In der Regel ist aber ein leichter kurzer Husten vor­handen, die Leistendrüsen sind mehr oder weniger vergrössert und fühlbar. Auch diese Krankheitsfonn soll ansteckend sein. Werden mit derselben behaftete Schweine geschlachtet, so findet man bei der Section Veränderungen in den Verdauungs- und Respirationsorganen, in den Lymphdrüsen und an den serösen Häuten. Wenn sich das Leiden bei dieser Erkrankungsform nicht nachträglich noch steigert, so dass das Fieber keinen höheren Grad erreicht und die etwa vorhan­denen Hautflecken begrenzt und wenig umfangreich bleiben, so pflegt in der Regel Genesung einzutreten.
Bei Schweinen breitet sich der Rothlauf häufig über grössere Hautabschnitte und zuweilen über den ganzen Körper aus. Hierdurch wird die Lebensgefahr nicht unerheblich gesteigert, da ja bekanntlich alle, auch selbst durch äusserliche Schädlichkeiten (Hitze, Aetzmittel etc.) verursachte Hautentzündungen, auch wenn sie nur die oberflächlichen
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mm
Der Uothliiur lt;lcr Schweine; Behandlung.
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JIautschichten betreffen, lebensgefährlich werden, sobald sie sich über die Hälfte des Körperunitanges ausdehnen — und absolut tödtlich sind, wenn sie etwa ^ der Hautoberfläche einnehmen. In ähnlicher Weise nimmt auch beim Rothlauf die Gefahr mit seiner grösseren Ausbrei­tung zu; bei geringer Ausbreitung des Uebels pflegt regelmässig Genesung einzutreten, wenn dies nicht durch ungewöhnliche Ereignisse verhindert wird. Eine Ausnahme von dieser Regel scheint die Kopf­rose zu machen, die ja auch beim Menschen nicht ganz ungefährlich ist.
Der Rothlauf der Schweine herrscht in manchen Jahren in grosser Verbreitung und tritt dann auch in solchen Gegenden seuchen­artig auf, in welchen Milzbrand nicht vorzukommen pflegt. Die Krankheit kommt vorzugsweise in den wärmeren Jahreszeiten vor, seltener im Winter; sie ist jedoch bei — 5 bis — 80C. in Württem­berg und in anderen Ländern beobachtet worden. Aus den letzten Jahrzehnten liegen überhaupt zahlreiche Berichte vor, nach welchen diese Seuche bald hier, bald dort, sowohl in Europa, als in anderen Ländern, in bald mehr bald weniger grosser Ausdehnung geherrscht hat. In Amerika wird diese „Schweineseuchequot; neben der Lungen­seuche und dem Texasfieber zu den verheerendsten Thierkrankheiten gezählt. Während des Sommers 1870 herrschte sie in der preussi-schen Provinz Sachsen, so wie in anderen Gegenden Deutschlands, stellenweise in der bedenklichsten Weise. Selbst grössere Schweine­bestände starben vollständig aus und in manchen Dörfern blieben nur wenig Schweine am Leben.
Die Behandlung des Rothlaufs bei Schweinen hat im Ganzen wenig Erfolge aufzuweisen. Es sei hier namentlich bemerkt, dass auch die Einspritzung 2ol0iger Carbolsäurelösungen unter die Haut den auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hat. Ich selbst habe diesem Mittel früher mehr zugetraut; spätere Erfahrungen haben mich eines Andern belehrt. Und ebenso wenig wie die Carbolsäure, leistet die Salicylsäure.
Trennung der gesunden Schweine von den kranken, gründliche Reinlichkeit und Desinfection sind zu empfehlen.
Professor Dieckerhoff beobachtete unter einer 180 Stück zählenden sehr gut genährten Southdown-Negretti Läramerherde eine fieberhafte Krankheit, die mit Catarrh der Angenlidbindehaut und Anschwellung der Gesichtshaut verbunden war. Nach wenigen Tagen bekam die entzündete Haut ganz kleine Risse, aus welchen eine kleb­rige Flüssigkeit aussickerte, die bald zu Schorfen eintrocknete. Die
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228nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rothlauf Ijoi Sohal'en und beim Bindvieh.
Thiere magerten stark ah, einige starben, andere wurden geschlachtet. Im Ganzen erkrankten 30 Lämmer, von denen keins genesen ist. Bei der Section fand sich eine Ansammlung von klarer und heller Flüssigkeit im Rückenmarkscanalo. 144 Lämmer blieben gesund.
Die Ursachen der Krankheit konnton nicht ermittelt werden.
Kreisthierarzt Friebel beobachtete brandigen Rothlauf unter einer Rinderherde, welche eine tiefliegende, durch anhaltendes Regen­wetter aufgeweichte Moorweide besuchte. Anfangs August zeigten sich bei mehreren Thieren gespannter Gang, Fieber, Verdauungs­störungen und einige Tage später Anschwellung der Beine, so dass die Patienten sich kaum von der Stelle bewegen konnten. Es fielen Hautstücke brandig aus, mit Hinterlassung einer jauchenden Ge­schwürsfläche. Drei Thiere erlagen der Krankheit, die anderen (wie viele ist nicht angegeben) bei einer desinficirenden Behandlung ge­nasen. Nachdem die Herde auf eine andere Weide gebracht worden waren, hörten die Erkrankungen auf.
Bollinger berichtet (Zeitschrift für Thiermedicin 1879, S. 85 und folg.) über eine Wild- und Rindcrseucho, welche im Sommer in der Umgebung von München herrschte, sich im Wesentlichen als eine ansteckende Lungenbrustfell-Entzündung qualificirte, beim Rinde aber auch in der Form eines infectiösen Kothlaufs auftrat. Durch Impf­versuche wurde die Identität der Seuche beim Wilde (Wildschweine und Hirsche) und beim Rinde festgestellt. Während die Rothlauf-form beim Rinde häufiger vorkam, schien dieselbe beim Wilde zu fehlen oder doch selten zu sein.
Wo es sich bei dem sogenannten „brandigen Rothlauf der Schafe und Schweine um eine putride Blutzersetzung handelt, da wird der Genuss des Fleisches zu verbieten sein, während das Fleisch von Thieren, welche mit einfachem Rothlauf behaftet, frühzeitig geschlachtet werden, ohne Nachtheil für die menschliche Gesundheit gegessen werden kann. Bei der bezüglichen Beurtheilung jedes Einzeltällos ist Vorsicht nothwendig. Leider sind wir gegenwärtig noch nicht im Stande, alle Infectionskrankheiten während des Lebens und nach dem Tode in Bezug auf ihre Natur allseitig sicher qualificiren zu können. Namentlich gilt dies für die verschiedenen Milzbrandformen, so wie für die verschiedenen septischen und rothlaufartigen Erkrankungen.
Bei einfachem Rothlauf ist der Befund in den Eingeweiden häufig ein nur wenig auffälliger; zuweilen findet man mehr oder weniger um­fangreiche Blutungen. Es fehlen aber immer derartig auttällende Ver-
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Scctiüiisberiind bei Uollilnuf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 229
änderungen in den Structurverhältnissen der Organe, oder in der Be­schaffenheit des Blutes, dass dieselben als Todesursache angesehen worden könnten. Zwar findet man nach tödtlichem Ausgange Blut-übertullung oinzelner Organe, namentlich der Lungen, trübe Schwel­lung und bei mikroskopischer Untersuchung theilweise körnigen Zer­fall der Leberzellen und Nieronepithelien; es sind dies Befunde, welche vielen Infectionskrankheiten gemeinsam sind.
Es treten aber bei manchen Rothlauf-Souchen verschiedene Com-plicationen, namentlich Entzündung seröser Häute oder innerer Or­gane so häufig auf, dass dadurch diese Schweinekrankheit einen bös­artigen Character annimmt. Dass in solchen Fällen der Sections-befund ausser den angeführten Erscheinungen auch die der betreffen­den Complication aufweist, ist selbstverständlich. In solchen Fällen findet man das Brustfell und den Herzbeutel entzündet, Ansammlung von entzündlichen (blutig-serösen) Exsudaten in dem von ihnen um­schlossenen Höhlen; die Lungen sind hyperämisch, von oberflächlich gelegenen Blutungen durchzogen und stellenweise in grösserem oder geringerem Umfange hopatisirt. In der Luftröhre und in ihren Ver­zweigungen findet sich ein schleimig-eiteriges, blutig schaumiges Secret. Kleinere oder grössere Blutunterlaufnngen finden sich an verschiedenen Stellen, namentlich aber im Bereiche des Bauchfelles, das fast regel-müssig entzündet und mit Exsudat besetzt angetroffen wird. Im freien Räume der Bauchhöhle, resp. zwischen den verschiedenen Ein-gewoiden findet sich ein flüssiges Exsudat, das an der Luft gerinnt. Auch die Schleimhäute des Verdauungsrohres zeigen stellenweise Blut-unterlaufungen, oder Geschwüre; so z. B. die Schleimhaut der Maul-und Rachenhöhle, des Magens, des Zwölffingerdarmes und des hinteren Abschnittes des Hüftdarraes. Die Peyer'schen Platten sind deutlich geschwellt und ebenso die solitären Follikel der Hüftblinddarmklappe und des Grimmdarmes. Auf der Darmschleimhaut finden sich im Be­reiche dieser Schwellungen Geschwüre, welche im Grimmdarme durch Confluenz oft einen Durchmesser von mehreren Centimetorn erlangen. Die Leber ist mehr oder weniger vergrössert, zuweilen auch die Milz, die Nieren meist normal, nur zuweilen hyperämisch und von Blutungen durchzogen. Die Lymphdrüsen des ganzen Körpers sind vergrössert und blutig infiltrirt. '
Trotz dieser leitenden Anhaltspunkte kann es vorkommen, dass der Sachverständige in Zweifel darüber ist, ob er bei manchen Fällen von sogenanntem Rothlauf der Schweine etc. den Fleischgenuss ge­statten darf, oder ob das Uebel bösartigerer Natur ist, so dass der
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230nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Section she l'und bei Rotlilaul'.
Genuas des Fleisches nachtheiligo Folgen haben kann. In solchen Fällen sei man lieber etwas zu vorsichtig, als zu leichtfertig. — Wenn das Muskelfleisch blass und stark durchfeuchtet, und (wie Harms nach­gewiesen hat) in körnigem Zerfalle begriffen ist, dürfte der Verkauf des Fleisches unstatthaft erscheinen.
Diejenige Krankheit des Schweines, die als bösartiger Rothlauf (oder Schweinetyphus) in neuerer Zeit G-egenstand einer Vorordnung des englischen Gehoimerathes (vom 17. Docbr. 1878) geworden ist, scheint von dem gewöhnlichen Rothlauf der Schweine nicht wesentlich verschieden zu sein.
Klein hat in seiner Arbeit Ä Experimental contribution to the etiology of infectious diseases etc,quot; einen experimentellen Beitrag zur Erforschung der Natur der als bösartiger Rothlauf oder Schweine­typhus genannten Krankheit geliefert. Derselbe glaubt, dass dieselbe zweckmässiger als „Pneumono - Enteritis contagiosaquot; (ansteckende LungenDarm-Entzündung) bezeichnet werde. Auch Fiirstenberg hat im Jahre 1870/71 die Schweineseuche in Neuvorpomraern als eine seuehenartige Bauchfell-Darmentzündung auftreten sehen, und ist ge­neigt, die Krankheit auch so zu bezeichnen. Es sei indess bemerkt, dass nach seinen Angaben bei den sofort nach dem Ableben .vorge­nommenen Seetionen die Haut immer mehr oder weniger ausgebreitet blauroth gefärbt war. Ich möchte deshalb dem Namen „bösartiger Rothlauf auch in diesem Falle den Vorzug geben.
Aus der Mittheilung von Klein soll hier (nach einem Auszuge von Ponfick im Jahresberichte über die Leistungen und Fortschritte im Gebiete der gesammten Medicin, Berlin 1880, S. 345) das We­sentlichste kurz angeführt werden:
Neben Blutungen und Geschwüren (die fast niemals gänzlich fehlen) im Grimmdarme und den damit in Zusammenhang stehen­den entzündlichon Veränderungen am Bauchfell treten die Lungen in den Vordergrund, indem an ihnen lobuläre Infiltrate und starke Drüsenschwellung, nicht selten auch häraorrhagische Ergüsse vorhanden sind. Da gleichzeitig auch in anderen Organen Blutungen vielfach vorkommen, so lässt sich eine gewisse Aehnlichkeit mit Milzbrand nicht leugnen. Freilich ist das Incubationsstadium bei letzterem be­deutend kürzer, nämlich wenige Stunden bis einige Tage, während es beim bösartigen Rothlauf 2 — 5 Tage beträgt. Auch die Ueber-tragbarkeit des letzteren ist weit beachränkter; bisher ist es Klein nur beim Kaninchen, Meerschweinchen und der Maus, wenngleich nur mit grossen Schwierigkeiten gelungen, ein positives Resultat zu er-
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lieber die Ansteckungsrähigkoit des Rothlaufs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;231
zielen. Vor Allem ist aber das Verhalten der Milz und des Blutes grundverschieden. Erstere ist beim Eothlauf nur gelegentlich mit-afficirt und daa Blut ist in seinem äusseren Aussehen noch nicht nennensworth vom normalen abweichend, besonders aber fehlen ihm die Bacillen und damit die hohe Infectiosität des Milzbrandblutes. — Eine weitere Krankheit, mit der eine gewisse Aehnlichkeit besteht, ist die spezifische Septicämie und der Abdominaltyphus; indess ist in Wirklichkeit die Verwandtschaft mit diesen noch geringer.
Die Experimente ergaben nun, dass das frische Blut rothlauf-kranker Schweine in der Regel keine ansteckende Fähigkeit besitzt, in hohem Maasse dagegen die in der entzündeten Bauchhöhle ent­haltene Flüssigkeit, mag letztere frisch, aufbewahrt, oder gar getrocknet zur Anwendung gelangen. Ebenso ist das Gewebe der Lungen und des Darms Träger des Virus, sowie das Secret der Luftwege. Hieraus darf man schliessea, dass der Athem der kranken Thiere mit dem Gifte beladen ist. Ebenso wird wahrscheinlich der Mist von dem Darmrohre her ansteckende Eigenschaften besitzen. Ferner können gesunde Schweine durch das Zusammenwohnen mit kranken, ja schon durch den Aufenthalt in Räumen inficirt werden, in welchen früher kranke Thiere verweilt hatten. Es scheint, dass auch durch Füttern mit kranken Organtheilen gefallener Thiere eine analoge DarmafFection erzeugt zu werden vermag.
Auf dem Wege fractionirter Cultur erhielt Klein aus der frischen Bauchhöhlenlymphe ein Substrat, dessen Ueberimpfung bei 2 Thieren die Krankheit in ausgesprochenster Weise hervorrief. Ebenso wirkte auch getrocknete Lymphe.
Die mikroskopische Untersuchung der Culturflüssigkeiten ergab, dass dieselben der Sitz einer Bacterienform sind, die alle Charactere des Bacillus subtilis (Colin) darbietet. Dieselbe besitzt nämlich ein bewegliches Stadium, wächst in lange, leptothrixähnliche Fäden aus, die stark lichtbrechende Sporen in ihrem Inneren erkennen lassen. Unter Auflösung der Fäden werden diese frei, um dann rasch in feine Stäbchen auszuwachsen. Klein zweifelt hiernach nicht daran, dass in dem Bacillus subtilis das Contagium des bösartigen Rothlaufs der Schweine zu erblicken sei.
Beim Pferde habe ich Krankheitszustände gesehen, welche mit dem sogenannten Pferdetyphus, oder mit sogenanntem Faulfieber eine grosse Aehnlichkeit zeigten, die ich indess auf Grund des Sectionsergebnisses eher dem Rothlaxif zuschreiben möchte. Ich will einen solchen Fall nachstehend beschreiben;
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232nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rothlftuf beim Pferde; Krankheitsbel'und.
In der Nacht vom 24. zum 25. Juni 1881 verendete iu der Veterinärklinik der Universität zu Halle a/S. ein ca. 8 Jahre alter brauner Wallach, der am 21. Juni mit folgenden Krankheitserschei­nungen behaftet zugeführt worden war. Bei der Aufnahme des Pa­tienten waren die Vorder- und Hintergliedmassen geschwollen und die Lymphgefasse zum Theil strangförmig sichtbar. Unterhalb der Sprung­gelenke sickerte an einzelnen Stellen der äusseren Haut Blut tropfen­weise ab; auch aus den Nasenlöchern floss etwas blutig gefärbtes Serum aus. Auf dem Nasenrücken war eine ovale Geschwulst von etwa 8 Ctm. Länge und 6 Ctm. Breite vorhanden. Alle Geschwülste waren scharf begrenzt, teigig, flach und gegen Berührung empfindlich. Die sichtbaren Schleimhäute waren leicht geröthet und zeigten einen deutlichen Stich ins Gelbliche. Die Zahl der Pulse betrug am 21. Juli 90, am 22. Juli 83, am 23. Juli 92 und am 24. Juli 95 in der Minute ; der Rhythmus war unregelmässig aussetzend, die Blutwelle massig kräftig, die Arterie massig ausgedehnt und wenig gespannt. Die Temperatur im Mastdarme betrug am 21. Juli 40,3; am 22. Juli 40,4; am 23. Juli 40,0; am 24. Juli 40,5. Das Atlnnen war anfangs nur wenig angestrengt und frequent, nahm aber allmählich in beiden Eichtungen zu und wurde schliesslich mit starker Flankenbewegung und grosser Beschleunigung ausgeführt.
Bei der Section fand sich mit Abnahme der äusseren Haut, dass das subcutane Bindegewebe an den Gliedmassen stellenweise mit fest geronnenem Blute unterlaufen war. Der Darmcanal war zum Theil von normaler Beschaffenheit, nur an verschiedenen Stellen Blutunter-laufungen zwischen seiner serösen und muskulösen Schicht bergend, die in Form von kleinen confluirenden Flecken im Blinddarmgekröse sehr ausgebreitet vorkamen, auch im Grimmdarmgekröse nicht selten waren. Ein Theil des Grimmdarmes selbst war diffus geröthet und zwar in einer Länge von ca. 1 Mtr. Auch am Blinddarme war gegen dessen blindes Ende in der Nähe des kurzen Gekröses eine fleckige Röthung einzelner Poschen vorhanden. An verschiedenen Stellen des Dünndarmes fanden sich Sugillationen bis zu 1 Ctm. Umfang. Der Magen zeigte äusserlich nichts Abnormes; derselbe war mit flüssigem Futterbrei massig erfüllt. Die Schlundportion seiner Schleimhaut zeigte nichts Abnormes, während die Pförtnerportion dunkler als normal gefärbt war und zahlreiche Ekchymosen zeigte. Zwischen der Schleim­haut und Muskeihaut des Magens fand sich stellenweise eine blutig-sulzige Masse in mehr oder weniger reichlicher Menge; an einzelnen Stellen war dieselbe in einer Dicke von etwa 1 bis 2 Mm. flächen-
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Rotlilauf beim Pferde; Sectionsbel'uml.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;233
artig ausgebreitet. Punktformige Ekchymosen fanden sich auch an solchen Stellen der Magenschleimhaut, wo das sulzige Exsudat fehlte.
Die Milz war kaum wahrnehmbar geschwellt, eben, von nor­maler Farbe und zeigte auf der Schnittfläche nichts Abnormes; die Pulpe war braunroth und das Milzparenchym im Ganzen von normaler Consistenz.
Die Lober erschien etwas praller geschwellt und an ihi-er Ober­fläche von blass-gelb-röthlicher Farbe. An dieser zeigten sich keine Auflagerungen noch andere pathologische Veränderungen. Der seröse Ueberzug lässt sich von dem Leberparonchytn leicht abziehen. Die Leberinselchen waren mit blossem Auge deutlich zu erkennen. Das Lebcrparenchym war blassgelb gefärbt, saftreich und etwas mürber als normal.
Die Nieren waren ziemlich reich in Fett eingehüllt; ihre Farbe war braunroth, ihr seröser Ueberzug glatt und von der Nierenober­fläche leicht ablösbar. Die rechte Niere zeigte in der Nähe des Hilus eine etwas blassere Farbe. Auf der Schnittfläche war das Nieren-parenehym succulent und von fast gleiohmässiger Färbung; die Cortical-schicht nur etwas dunkler, als die Markschicht. Letztere zeigte eine schmutzig rosarothe Farbe, während die Rindenschicht etwas mehr dunkolroth erschien.
Die Lungen waren nicht in normalem Maasse zusammengefallen. Ihre Oberfläche war zum Theil blassroth, an den unteren Rändern der vorderen Abschnitte hingegen dunkelroth gefärbt. Unter ihrem serösen Ueberzuge zeigte sich eine beträchtliche Anzahl kleiner Blut-extravasate. Der untere Rand der linken und rechten Lunge, so wie beide Lungenspitzen fühlten sich derb an. Auf Durchschnitten dieser Lungenabschnitte zeigten sich dieselben mit Blut und einer sulzigen Masse stark infiltrirt. Das spezifische Gewicht dieser Abschnitte hatte in Folge dessen so bedeutend zugenommen, dass Ausschnitte aus den­selben bis zu ihrem oberen Rande im Wasser eintauchten. Die Luft­röhre und deren Verzweigungen waren mit blutig gefärbtem Schaume belegt und zum Theil ganz vollständig ausgefüllt. Das Lungengewebe war überall blutreich und stark durchfeuchtet.
Unter die Schleimhaut des Kehlkopfes waren ziemlich bedeu­tende Blutgerinnungen eingelagert, die im Bereiche des Schildknor­pels stellenweise eine Mächtigkeit von 2 Ctm. besassen. Alle Gebilde der Rachenhöhle waren an ihrer Oberfläche dunkel blutig gefärbt, ebenso der Zungenriicken.
Das Herz erschien an seiner Oberfläche ziemlieh normal, viel-
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Die Pocken unsevei' Hausthiere,
leicht otwas livid geröthet. Im rechten Ventrikel fand sich ein massig grosser Pfropf, der vorzugsweise aus einem gelben fibrinosen Gerinnsel bestand. Der linke Ventrikel war blutleer, während im linken Vor­hofe eine lockere Blutgerinnung in geringer Menge vorhanden war, in welcher sich auch eine gelbe Gerinnungsmasse ausgeschieden hatte.
Der Herzbeutel war stellenweise mit stecknadelkopfgrossen und etwas grösseren Sugillationen besetzt. An dem serösen Ueberzuge und der serösen Auskleidung des Herzens waren nur vereinzelte steok-nadelkopfgrosse Blutunterlaufungen vorhanden. Die Naseaschleimhaut war in grösserer Ausbreitung blutig unterlaufen.
Das aus den Gefässen ausgetretene Blut war überall fest ge­ronnen.
Die mikroskopische Untersuchung dieser Ausscheidungen ergab zahlreiche Kugelbacterien und vereinzelte Stäbchen, über deren Be­deutung ich nichts Bestimmtes anzugeben vermag.
5. Die Pocken unserer Hausthiere.
Als „Pocken oder Blattern* bezeichnet man eine acute, fieber­hafte Infectionskrankheit, bei welcher es zur Bildung von Knötchen, Bläschen und Pusteln auf der äusseren Haut und auf den Schleim­häuten kommt. Diese verschiedenen Formen des Exanthems folgen sich in der eben angegebenen Reihenfolge (Knötchen, Bläschen, Pusteln), sind indess bei Thieren nur an solchen Hautstellen deutlich zu ver­folgen, welche nicht pigmentirt und nur dünn behaart sind. Zunächst bilden sich an den betreffenden Stellen Knötchen, deren jedes von einem rothen Ringe oder Hofe umgeben ist. In den nächstfolgenden Tagen entwickeln sich diese Knötchen zu durchscheinenden, klaren Bläschen, welche einen fächerigen Bau haben, wodurch sie sich von einfachen blasigen Erhobungen der Epidermis wesentlich unterscheiden; ausserdem sind die meisten dieser Bläschen durch eine Einschnürung ihres Mittelpunktes, durch die sogenannte „Delle oder den sog. Nabelquot; ausgezeichnet. Diese Bläschen verwandeln sich in Pusteln, indem ihr anfangs klarer lymphatischer Inhalt sich in Eiter umbildet. Dui'ch Zunahme ihres Inhaltes werden sie hierbei praller gefüllt und verlieren dadurch ihre Delle, die indess mit der nun bald fol­genden Eintrocknung wieder hervortreten kann. Die Pusteln trocknen nämlich schliesslich zu bräunlichen Krusten ein, welche spontan ab­fallen, sobald unter ihnen die Haut vernarbt ist. Je nachdem der
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Die Kiihpooken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;235
Entziindungs-, reap. Eitorungsprozess mehr oder weniger tief das Haut­gewebe zerstört hat, bleibt an den betreffenden Stollen je eine klei­nere (seichtere), oder grössere (tiefere) Narbe.
Koinmen die Pocken bei ihrem Ausbruche nahe beisammen zum Vorschein, so erscheint die Cutis im ganzen Bereiche jener ödematös geschwellt. Bei grösserer Ausbreitung des Pockenausschlages werden zuweilen auch die Schleimhäute von demselben mitergriffen, womit in der Regel eine schwerere Erkrankung- des betroffenen Individuums verbunden ist. — Grewohnlich pflegt mit, oder gleich nach dem Aus­bruch des Hautausschlages das Fieber nachzulassen, dagegen für die Dauer des Eiterungsstadiums neuerdings sich etwas zu heben, um mit dem Stadium der Abtrocknung sich abermals zu mindern und alsbald ganz zu verlieren.
Als Ursache dor Pocken kennen wir nur den Ansteckungsstoff; die Möglichkeit einer spontanen Entwicklung ist streitig; ich werde hierauf erst später näher eintreten. Der Grad der Ansteckungsfähig­keit der Pocken verschiedener Thierarten variirt bedeutend. Man vermuthet, dass dies zum Gehalte an gewissen Microorganismen in causaler Beziehung steht. Nach Chauveau's Untersuchungen enthält die Schafpockenlymphe eine viel grössere Menge fraglicher Micro­organismen, als die Kuhpockenlymphe und ebenso verträgt jene eine 30 mal stärkere Verdünnung als diese. Fraglicher Autor impfte 21 Schafe mit 500 fach verdünnter Schafpockenlymphe und erzielte so in 13 Fällen echte Impfpusteln. Derselbe machte auch Versuche mit verdünnter Kuhpockonlymphe. Mischte er diese mit der 2 bis 15fachen Menge Wassers, so schlug jeder Impfstich an; impfte er aber mit 50 fach verdünnter Kuhpochenlymphe, so haftete die Impfung nur selten.
Obgleich bei sämmtlichen Hausthieren Pocken vorkommen können, so haben dieselben doch bei den einzelnen Thierarten eine verschie­dene Bedeutung. Für uns haben das meiste Interesse die Schafpocken und die Kuhpocken, weshalb wir diese zunächst und in etwas aus­führlicherer Weise als die Pocken der übrigen Hausthiere besprechen wollen.
A. Die Kuhpocken (variolae vaccinae) sind namentlich durch ihre Verwendung zur Schutzimpfung des Menschen gegen die Men­schenblattern wichtig geworden; in Bezug auf das Rind selbst haben sie meist eine untergeordnete Bedeutung.
Das Eruptionsfieber pflegt bei Rindvieh in der Regel so unbe-
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236nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I^'6 Kulipocken: Pockenlymplu'.
deutend zu sein, dass dasselbe meist übersehen wird; ihr Verlauf ist im Allgemeinen gewöhnlich ein so milder, dass ihre Gegenwart nur zufällig, so z. B. beim Melken der Milchkühe etc., wahrgenommen wird. Die Beeinträchtigung der Milchsocretion, sowohl die Quantität wie Qualität betreffend, lenkt nicht selten die Aufmerksamkeit dos Dienstpersonals auf dio Abnahme der Fresslust und des Wiederkauens, sowie auf die verzögerte Koth- und Harn-Ausleerung. Das Eutnr schwillt (besonders an den Strichen) an und wird gegen das Melken empfindlich, worauf gewöhnlich nach 3 bis 4 Tagen der Ausbruch des Hautausschlages sich zeigt. Am 8. bis 10. Tage der Krankheit erreichen die Pocken ihre höchste Stufe der Entwicklung, auf welcher sie einen Durchmesser von 1 Ctm. und mehr erlangt haben können, in der Regel jedoch hinter dieser G-rösse zurückgeblieben sind. Ihr Inhalt hat sich dann bereits getrübt; indem er sich eindickt, beginnt vom Mittelpunkte aus die Eintrocknung. Die sich nunmehr bildende Kruste oder Borke wird allmählich sfärker, dunkelbraun oder schwärzlich und fällt nach 10 bis 14 Tagen spontan ab, worauf dann noch längere Zeit hindurch in der Haut eine Narbe sichtbar bleibt.
Da die Pocken nicht überall zu gleicher Zeit, sondern schub­weise auszubrechen pflegen, so kann sich der Verlauf der einzelnen Fälle auf 4 bis (i Wochen hinausziehen.
Die geeignetste Zeit zur Abnahme der Pockenlymphe ist dann, wenn die Blase gefüllt, aber ihr Inhalt noch nicht eitrig geworden ist. Für die Echtheit der Pocke ist vorzugsweise ihre Structur, nicht aber ihre Farbe entscheidend. In Folge ihres fächerigen Baues ent­leert sie sich nicht sogleich nach gemachtem Einstiche durch ihre Oberhaut, wie dies bei einfachen Blasen der Fall ist, sondern bedarf hierzu einiger Zeit und Nachhülfe. Ein Irrthum ist für den Sach­verständigen, so lange der Inhalt der Pocke flüssig ist, nicht leicht möglich; ein solcher würde für die Impfung selbstverständlich nicht gleichgültig sein.
Ueber die Herkunft der Kuhpocken ist nichts Zuverlässiges be­kannt; wir wissen nur, dass dieselben durch Uebertragung des Giftes der Menschenblattern und der Pferdepocken etc. entstehen können. Die Ansicht Roloff's, dass die Kuhpocken jetzt nur noch vom Rinde auf Rind, oder von einem vuccinirten Menschen übertragen werden, ist insofern nicht ganz zutreffend, als die Möglichkeit einer Infection mit dem Gifte der Pferdepocke und der natürlichen Menschenblattern nicht bestritten werden kann. Die beiden von Roloff angegebenen Infectionswege können indess als die bei weitem am häufigsten be-
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DioBezlehungon d.Kuhpookeuzu den Pocken d. Mensohen u. einigerTbieriti'ten. 'i-!?
trachtet werden. Kreisthierarzt Koch berichtet (Mittheilungen aus der thierärztl. Praxis etc. Berlin 1872, S. 34), dass die Pocken in einer Rinderherde in Folge einer Uebertragung des Contagiums von den zur betreffenden Zeit vaccinirtou Leuten auf die Kühe, die Pocken in der Rinderherde des bezüglichen Gutes zum Ausbruch gekoimnen seien. An demselben Orte theilt Kreisthierarzt Cöster mit, dass eine Kuh an Pocken erkrankte, welche neben einem Pferde stand, das an (Öcliutz)-Mauke litt. Das Stroh, welches dem Pferde qu. als Streu gedient hatte, war in der Regel nachher der betreffenden Kuh unter­geworfen worden. Wirksame Uebertragungen des Blatterngiftes vom Menschen auf Kühe sind öfter beobachtet worden. Mittheilungen über derartige Infectionen, einerseits bei Gelegeuhoit des Herrschens der natürlichen Blatternkrankhoit des Menschen (oder durch vaccinirte Personen), so wie andererseits durch absichtliche Einimpfung des Blatterngiftes auf Kühe, sind manchmal gemacht worden. Hierbei hat sich die interessante Thatsache orgeben, dass mit natürlichem Blatterngifte des Menschen geimpfte Kühe niemals eine allgemeine, sondern stets eine auf die Impfstelle beschränkte Pockenruption zeigten und dass die Lymphe derartiger Impfpocken sich bei Rückimpfungen auf den Menschen durch alle folgenden Generationen ganz ähnlich verhielt, wie die gewöhnliche Kuhpockenlymphe. Das Rind scheint überhaupt keine Anlage zu besitzen, das Pockengift zu geucralisiren, wohl aber dieses zu mitigiren. Dieser Umstand ist insofern von prin-cipieller Wichtigkeit, als derselbe uns einen Weg offenbart, auf wel­chem die Natur ziemlich dasselbe erreicht, was Pasteur durch seine künstliche Cultur der Milzbrandbacteridien erzielt hat. Bei den Schaf­pocken werden wir hierauf noch wieder zurückkommen.
Die Prognose gestaltet sich bei den Kuhpocken so günstig, dass weder eine curative, noch eine prophylactisehe Behandlung gegen dieselben eingeleitet zu werden braucht. Das Einzige, was man zu beobachten hat, ist, dass die mit Pocken behafteten Kühe zuletzt gemolken werden. Veterinär-polizeiliche Massregeln sind gegen die Kuhpocken ganz überflüssig.
Unechte oder falsche Kuhpocken werden gewöhnlich fol­gende Euterausschläge genannt:
a) Die Spitzpocken, welche sowohl für sich allein, wie auch als Bogleiter der echten Kuhpocken auftreten können. Von letzteren unterscheiden sie sich durch das Fehlen von Hof und Nabel, so wie durch den schnellereu Ablauf ihrer Metamorphosen vom Knötchen bis zur Pustel- und Schorfbildung. In 4 bis 0 Tagen haben die ein-
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238nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Falsche Kulipockcn.
zelnen Spitzpocken, die, wie der Name sagt, auf der Höhe ihrer Aus­bildung eine spitze Pustel darstellen, ihre Wandlungen durchlaufen. Da indess der Ausbruch an verschiedenen Stellen des Euters und zu verschiedenen Zeiten sich häufig wiederholt, so kann sich die Dauer der Erkrankung gleichwohl über mehrere Wochen hinausziehen.
b)nbsp; nbsp;Die Stein- oder Warzenpocken sind noch weniger als die vorigen mit ecbten Kuhpocken zu verwechseln, indem sie linsen-bis haselnussgrosse, harte, unschmerzhafte, anfangs massig geröthete Knoten ohne Hof, oder warzenähnliche Auswüchse am Euter bilden, die oft Wochen und Monate lang unverändert bleiben und sich ganz allmählich zurückbilden.
c)nbsp; Die Wasser- oder Windpocken entwickeln sich schnell zu erbsen- bis haselnussgrossen Blasen ohne Hof und Nabel, die leicht platzen, worauf eine dünne, bald abfallende Kruste sich bildet. Manch­mal gelangt ihr Inhalt zur Aufsaugung, ohne dass die Epidennishüllo platzt, sondern scheinbar eine Windpocke bildet. Sie pflegen in 5 bis G Tagen die verschiedenen Metamorphosen zu durchlaufen.
Auf das Vorkommen von Aphthen am Euter werden wir bei Besprechung der Bläschenseuche näher eingehen.
Es ist bekannt, dass die echten Kuhpocken in Europa zuerst von dem englischen Arzte Jenner am 14. Mai 1790 verwendet worden sind, um durch Einimpfung der Vaccine-Lymphe den Menschen gegen die Blattern zu schützen.
Dr. Bruce in Baschir (Basra oder Biissora, in der Nillie der Vereinigung' von Euphrat und Tigris) erwähnt in einem Briefe vom Jahre 1813, dass die Eliats, ein Nomadenstamm bei Basra oder Bnschir, die Kulipocke, oder vielmehr die Sohalpocke und deren Schutzkral't sehr wohl kennen. Dieser Nomadenstamm ist von der Grenze China's hergekommen und züclitel vorzugsweise Schale; Rind­vieh wird von demselben nur sehr wenig und zwar nur als Zugvieh gehalten. Ob dies Volk die Pockenimpfung ans China mitgebracht bat, weiss man nicht; dass ihm dieselbe aus England zugeführt worden sei, ist nielit anzunehmen. Wohl aber ist dies der Fall in Bezug auf das südöstlich gelegene Persien, woselbst die Vaccination in den höheren Familien durch die Engländer sehr selinell eingeführt worden ist. Namentlich wird dort die königliche Familie seit einem halben Jahrhundert constant geimpft und kein Prinz derselben ist blatternarbig. — Nach einer Jlittheilung des Holländers Schlimmer, der eine Zeit lang Arzt desGouvcr-ueurs von Beludschislan war, scheint auch hier (also im Nordwesten von Vorder­indien), die Kuhpocke und deren Schutzkraft schon lange bekannt zu sein. Man lässt in diesem Lande die Kinder, wenn sie eine zufällige Verletzung an den Händen erbalten, eine pockenkranke Kuh melken, und sieh auf diese Weise impfen. Daselbst soll auch beim Kameelweibchen der nämliche Aussehlag mit der gleichen Schutzkraft sporadisch und zuweilen aucli epizootiseh vorkommen. (Jahresbericht von Virchow und Hirsch, Berlin 1880, Bd. 1. Abth. II. S. 398.)
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Die Kuhjiockenimpl'ung des Jlensclien.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2i30
Die günstigen Resultate dor Jenner'schen Vaccination führten in kurzer Zeit zur weiteren Verbreitung und in manchen Staaten zur Ein­führung der obligatorischen Schutzimpfung, womit die bis dahin so ver­heerenden Blatternepidemien wesentlich vermindert und eingeschränkt worden sind. Wenn nun auch nicht behauptet werden soll, dass die Vaccination das einzige Mittel zur Bekämpfung der Menschenblattern sei, sondern zugegeben werden muss, dass auch andere hygieinische Massnahmen hierzu in Gebrauch gezogen werden sollen, so kann doch andererseits mit Recht nicht bestritten werden, dass sie ein werthvolles Glied in der Kette von Hülfsmitteln gegen diese Seuche bildet und dass der Sturm, welcher in neuerer Zeit von Vegetarianern und Anderen gegen die obligatorische Vaccination in Scene gesetzt wird, nur wenig berechtigt ist. Namentlich zeugt die Behandlung dieser Fragen in der Weise mancher Impfgegner stellenweise für ein ge­ringes Verständniss der in Betracht kommenden Momente. Wenn Dr. Oidtmann in seinen Schriften „Virchow und die Impffrage*, ferner: Nach Canossa, oder der Anfang vom Ende des Impfzwanges, die Schafpocken-Impfung (Ovination) mit der Vaccination des Menschen in Parallele stellt, so ist dies einem Arzte, der sich berufen fühlt, solche Dinge öffentlich zu besprechen, nicht wohl zu verzeihen. Nach der Ovination entsteht bekanntlich eine Impfkrankheit, welche sich bezüglich ihrer Ansteckungsfähigkeit von den natürlichen Schafpocken nicht wesentlich unterscheidet. Während nach der Vaccination dos Menschen die Impfkrankheit niemals die Blattern zu verbi-eiten, oder zu erzeugen vermag, sind geimpfte Schafherden bekanntlich so lange im Stande, die Erkrankung an natürlichen Schafpocken zu vermitteln, bis die Impfkrankheit ganz vollständig erloschen ist. Dass somit die Schafpocken-Impfung vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus eine ganz andere Behandlung erfordert, als dif Vaccination des Menschen, ist so selbstverständlich, dass man hierüber vor Sachverständigen gar nicht weiter zu sprechen braucht.
Eben so wenig haben die gegen die Schutzkraft der Vaccination des Menschen von Seiten der Impfgegner erhobenen Einwendungen ein besonderes Gewicht. Denn wenn es auch wahr ist, dass trotz Vaccination und Rsvaccination bei Civil und Militär immer noch Per­sonen an Blattern erkranken und sterben, so ist dies doch in weit geringerem Maasso der Fall als ehedem. Hierüber gibt uns die Statistik bei unbefangener Kritik nähere Auskunft. Selbst Adolf Vogt, einer der bedeutendsten Gegner der Zwangsimpfung beim Menschen, anerkennt den schlitzenden Einfluss der Durchseuchung, wie der Vac-
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240nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; D'e Kuhpookenimpfung und der linplzwang.
cinatiou in seiner Schrift „Fill' und wider die Kuhpockenimpfung und den Impfzwang, Bern 1879quot;, indem er S. 114 sagt:
„Die Erfahrung von der verhältnissmässig grosseu Seltenheit eines wiederholten Befallenwerdons durch die Pocken, trotz vorhan­dener Ansteckungsgelegenhuit, so wie der Erkrankung eines vor nicht langer Zeit Vaccinirteu, ist zu erdrückend gross, als class man an einem solchen sehiitzenden Einflüsse zweifeln könnte etc.quot;
Aus den Acten des preussischen Medicinalstabes ergibt sich, dass in den letzten 10 Jahren vor Einführung der Re vaccination von 1825 bis 1834 jährlich 45 Mann an den Blattern gestorben sind. Nach Einführung der Revaccination von 1835 bis 1867 kommen da­gegen auf den Jahresdurchschnitt nur mehr 227/ioo Todesfälle, was in Anbetracht der inzwischen eingetretenen Vermehrung der Kopf­zahl des preussischen Heeres ein Verhäitniss von sonst und jetzt wie ca. 45 : 2 ergibt.
Ist dies rein zufällig, oder nicht wenigstens zum Theile der Re­vaccination beizumessen ? Letzteres ist durchaus nicht zweifelhaft, selbst wenn man auch anderweitigen inzwischen eingetretenen Ver­besserungen der sanitären Einrichtungen im preussischen Heere einen gewissen Einfluss auf die Abnahme der Biatternkrankheit bei der Armee zuerkennt.
Im Jahre 1875 hat John Simon für das englische Gesundhoits-amt 542 ärztlichen Corporationen und Autoritäten die Frage vorgelegt, ob irgend ein Zweifel vorhanden sei, dass eine kunstgerecht ausge­führte gelungene Vaccination in den meisten Fällen Schutz gegen die natürlichen Blattern gewähre? 540 der Gefragten haben diesen Zweifel verneint und sich zu Gunsten der Vaccination des Menschen ausge­sprochen.
Ein ähnliches Resultat hat eine durch die Bundesbehörde der Eidgenossenschaft veranlasste Abstimmung der schweizerischen Aerzte ergeben. Die Behörden hatten 1370 Stimmkarten versendet, von denen 1168 beantwortet zurückgekommen sind. Den an die Aerzte ge­stellten Fragen sind nachstehend die Antworten derselben beigefügt. Beide lauten:
1) Sind Sie nach Ihren Erfahrungen der Ansicht, dass eine er­folgreich ausgeführte Impfung vor echten Pocken, oder wenigstens vor den schweren Folgen derselben auf eine längere Reihe von Jahren schützt ?
1121 Ja, 22 Nein, 24 unentschieden.
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Berechtigung des Impfzwanges beim Menschen. Die Pocken der Ziegen. 241
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8) Werden Sie die Impfung gesunder Kinder empfehlen V 1128 Ja, 25 Nein, 15 unentschieden.
8) Werden Sie auch die Wiederimpfung (der Schulkinder) empfehlen ?
1038 Ja, 60 Nein, 25 unentschieden.
4) Sind Sie für Aufrechthaltung der obligatorischen Impfung'? 1010 Ja, 133 Nein, 25 unentschieden.
Wenn nun auch nicht behauptet werden soll, dass derartige Abstimmungsresultate sicher vor Irrthum schützen, so darf doch nichtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
unberücksichtigt bleiben, dass in ausreichendem Maasse sachliches Beweismaterial vorhanden ist, um annehmen zu dürfen, dass die Vaccination des Menschen in der Kegel für ungefähr 5 bis 10 Jahre eine Immunität gegen das Gift der Menschenblattern begründet. Ob­gleich diese Immunität nicht selten länger anzudauern scheint, so ist doch eine von 10 zu 10 Jahren wiederholte Re vaccination erforderlich, wenn man möglichst sicher sein will vor einer etwaigen Erkrankung an Blattern. Dass der durch eine einmalige Impfung gewährte Schutz weder nothwendig noch unbedingt ein absolut sicherer ist, sollte heute jeder Sachverständige wissen und dies bei Beurtheilung des Werthes der Vaccination stets gebührendermassen berücksichtigen. Berechtigter erscheint mir die Opposition gegen den Impfzwang aus dem Grunde, weil die Impfung von Arm zu Arm eine Uebertragung von Syphilis-, Skrophulosis- und anderen Krankheitsgiften mit sich bringen kann. Es ist keine Frage, dass der Staat mit der Vorschrift einer Zwangs­impfung auch die Pflicht auf sich nimmt, jeden Nachtheil möglichst zu verhüten, der durch den Vollzug des betreffenden Gesetzes ver­ursacht werden kann. Bekanntlich existiren schon jetzt vereinzelte staatliche und private Anstalten (in Basel, an der Thierarzneischule in Utrecht u. s. w.), welche stets für gute Vaccine sorgen. In diesem Punkte, sowie im Gebiete der Sanitätspolizei überhaupt, hätte von Seiten der Staatsregienmgen im Allgemeinen mehr geschehen sollen, als seither geschehen ist. Eine zeitgemässe Reform des Medicinal-und Veterinärwesens, welche allen berechtigten Forderungen möglichst Rechnung trägt, wird hoffentlich nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.
B. Die Pocken der Ziegen (variolae caprinae) sind sehr selten; die Pusteln sind kleiner als die Kuhpocken, diesen sonst aber sehr ähnlich. Sie koinmen vorzugsweise am Euter vor und entwickeln ein
Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thlerkraukheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;16
.#9632;#9632;; I
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Die Scharpocken; Entstehung derselben.
auf Ziegen llbertragbares Contagium. Prognose und Therapie wie bei den Kuhpocken. — Zuweilen kommt auch bei Ziegen eine allgemeine Pockeneruption vor, welche ähnlich verläuft wie die Schaf­pocken.
C. Die Schafpocken (variolae ovinae). Die Schafpocken treten meist seuchenartig auf und richten weit mehr Nachtheil an, als die Pocken der übrigen Hausthiere. Sie verdanken ihre Fortexistenz und schnellere Verbreitung ihrem sehr intensiv wirkenden Ansteckungs­stoffe, der nicht nur fixer, sondern auch sehr flüchtiger Natur ist. Das Pockencontagium der meisten übrigen Hausthiere scheint nur wenig oder gar nicht flüchtig, sondern blos fix zu sein. Der An­steckungsstoff der Schafpocken kann durch die atmosphärische Luft auf ziemlich beträchtliche Entfernungen auf andere Schafe wirksam übertragen werden. Deshalb, sowie auch wegen der grösseren Ge­fährlichkeit der Schafpocken, ist denselben von Seiten der Sanitäts­polizei mit Recht eine weit grössere Aufmerksamkeit zugewendet worden, als den Pocken der übrigen Hausthiere.
Die Frage, ob die Schal'pockeu eine reine Contagion, oder eine miasmatiscli-contagiöse Krankheit sind, wird vielfach noch für unentschieden gehalten. So sagt z. B. Böhm, einer unserer hervorragendsten Sohaffettobter der Gegenwart, in seiner Zeitung für Schafzucht und Woll-Production (Leipzig 1881, Ko. 2, S. 30gt; folgendes : „Professor Dr. Hallier hat die In der Schafpockenlymphe sich vorfin­denden Organismen in 9 Culturen grossgezogen und nach seinen ,parasitologisclieu Untersuchungen (S. 14)' gefunden:
1)nbsp; nbsp;dass in den Schafpocken nls ganz constantes Vorkommen der Mikro-eoecus von Pleaspora herharum auftritt,
2)nbsp; nbsp;dass die Pleaspora mit Bhizopus nigricans und mit einer Tilletia, wahr­scheinlich TiUetia Lolii, Im Generationswechsel steht.
Derselbe ist daher der Meinung — die, auf diese Untersuchungen und Be-fnndc gegründet, sehr viel Wahrscheinliches für sich hat, — dass Schale sich möglicherweise mit dem Mlkrococous der Pleaspora auf Lolitun perenne inficiren, welches auf den Weiderevieren, den Grasrändern an Triftwcgen n. s. w. sich findet, in manchen Jahren sehr stark mit Pleaspora herbarum befallen erscheint, und als Ursache des originärenPAuftretens [der Schafpocken die mit Befallungs-pilzen besetzten eultivirten und wildwachsenden Pflanzen anzusehen seien.quot;
In Bezug auf die in Rede stehenden Untersuchungen Hallier's sagt Zürn (die pllanzliehen Parasiten etc. in einer Anmerkung zu S. 321): „Hallier hat von mir, de? ich im Jahre 1865 und 18(gt;7 gegen 30000 Schafe impfte, Schafpocken­lymphe ans den verschiedensten Gegenden und Herden etc. erhalten; die Culturen sind in verschiedenen Räumen gemacht worden und immer ist dasselbe Resultat zu Tage gekommen. In den gleichen Räumen, wo diese Culturen statt hatten, wurden dieselben Substrate, Iwelclie den Organismen der Schafpocken als Nibr-boden dienten, ohne mit dem Mikrococcus variolae besäet zn sein, in kleinen
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Uober Selbstentwiolslg, d, Sohafpooken n. über Empfamp;ngllohkslt für Pockeng'lft. 24o Näpfen aufbewahrt und nlo zeigte sich auf diesen ein Vorkoimniüsfl, wie auf den
Nülirniatoriiilien, welche zur eigentlichen Cultur dienten.quot; Zürn sagt ferner (I.e. S. 314): „Wenn es nun iiueli feststellt, dass die hier in Rede stehende Krankheit in den meisten Füllen durch Ansteckung ihre Weiterverbreitung lindet, so darf man sie doch nicht als eine reine Cnntagion bezeichnen, denn es sind Falle von Selbstentwicklung mehrfach beobachtet worden. Auch ich (Zürn) sah 2 mal die Pockenkrank hei t auf ganz isollrt gelegenen Gütern zu einer Zeit auftreten, wo das Uebel sonst nirgends weiter in der Nähe grassirte. Weder war In die be-tretTenden Schäfereien zugekauftes Vieh importirl worden, noch hatte ein Dienst­botenwechsel stattgefunden, noch konnten sonstige Verhältnisse eine Kinschleppung des Contagiums ernioglicht haben,quot; — Unter anderen namhaften Sachverständigen spricht auch Haubner (Landwirthscliaftliehe Thierheilkunde sect; 514, S. 047, Ber­lin 1880) slcli für die Möglichkeit einer Selbstentwicklung der Schafpocken aus. Zürn ist der Ansicht (1. c. 321), dass der AnsteckungsstotV vorzugsweise durch die schlauch- und knüuell'örmigen Hautdrüsen in die Blutbahnen über­geführt werde, dass dies aber auch durch die Alhnmngsorgaiie geschehen könne. Letzteres dürfte bei der gewöhnlichen natürlichen Infection wohl die Kegel bilden. — Die Art und Weise, wie die Uebertragung vermittelt wird, ist mannigfach verschieden ; lebende und leblose Körper, Luftströmungen u. s. w. können den Ansteckungsstoff in wirksamer Weise von einem zum anderen Orte überführen.
Die Empfänglichkeit für das Pockengift kommt ohne Rücksicht auf Race, Alter und Geschlecht allen Schafen zu, insofern diese nicht durch das bereits frühere Ueberstehen der Pocken für dieselben immun geworden sind. Durch das einmalige Ueberstehen der natür­lichen oder Impfpocken-Krankheit wird nämlich in der Regel für die ganze übrige Lebensdauer, die ja bei Hausschafen keine lange ist, die Empfänglichkeit für die Wirkungen des Pockencontagiums getilgt.
Nach einer Jliltheilung Rickerts (Magazin für die ges. Thierkeilkunde, Berlin 1873, S. 102 n, folg.) seheint die Impfung hochtragender llutterschafe eine Immunität der Frucht für unbestimmte Zeil zur Folge zu haben. Rickert impfte nämlich am 28. Deobr. 18(18 etwa 700 Mutterschafe, welche im Febr. 1809 lammen sollten. Ungefähr 7 Proz. dieser Impflinge abortirten, 5 bis 0 Proz. starben. Die betreffenden Nachkommen der übrigen Impflinge wurden 4 bis 6 Wochen alt mit 30 neu angekauften etwa 4 Wochen alten Lämmern gleichzeitig oviiusirt. Jene, erwiesen sich einer 2 bis 3 mal wiederholten Ovinisiition gegenüber innmm, wäh­rend die 30 angekauften Lämmer rcgelmüssige Impfpocken bekamen. Bei einer im S.Lebensjahre wiederholten Impfung zeigten sich diese immun, wührend jene Impfpocken bekamen. Aehnliche Erfahrungen machten Roloff und Andere.
Wo eine Immunitcät nicht vorhanden ist, da pflegen nach stattgefundener natürlicher Infection: im Verlaufe von 4 bis 7 Tagen, — nach erfolgter Impfung: in 2 bis 3 Tagen, — die ersten Vorboten der Krankheit „Abnahme der gewöhnlichen Munterkeit und Fresslust, sowie der freien Beweglichkeit dor hinteren Gliedmassenquot; sich einzustellen. Nach 6 bis 9, resp. 3 bis 5 Tagen, von der Infection
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Scliiil'poclcoii; klinische Ersolieiuiiugci
im gerechnet, folgen dann Fiebererseheinungen, wobei Fressluat und Wie­derkauen ganz aufhören, die Abgeschlagenheit der Patienten zunimmt, die Excremente verzögert, klein geballt und trocken abgesetzt werden. Die Bindehaut des Auges röthet sich stärker, es stellt sieh vermehrte Thränenabsonderung und Nasenausfluss ein und die (rliedmassen werden näher unter den Bauch geschoben, d. h. näher zusammen­gestellt. Je heftiger das Fieber ist, um so stärker pflegt der Pocken­ausschlag zu werden; bei sehr reizbaren und gut genährten Thieren kommen indess von dieser Regel nicht selten Ausnahmen vor. Meist schon am 2 Tage nach dem Eintritt der Fiebererseheinungen folgt die Hauteruption, indem vorzugsweise an kahlen und dünn, resp. wenig bewollten Hautstellen, besonders am Kopfe, um die Augen und das Maul, an der inneren Fläche der Schenkel, an der unteren Fläche des Schweifes etc. flohstichähnliche Flecken sich zeigen, welche bereits am folgenden Tage zu kleinen, allmählich breiter werdenden Knötclien sich erheben. Diese werden gegen den 4. bis 5. Tag nach dem #9632;Ausbruche zunächst an der Spitze weisslich und nehmen den Cha­racter von Bläschen an, um welche herum sich ein geröthetcr, wul­stiger, ziemlich derber Hand (Hof) entwickelt. Der Pockenausbruch findet nicht an allen Körpertheilen gleichzeitig statt, weshalb der Ausschlag nicht überall den gleichen Grad der Entwicklung zeigt. Wo die Pocken zahlreich und gedrängt beisammen stehen, da ist die betreffende Hautstello, namentlich um die Zeit der Eruption, sehr blutreich, entzündet, so dass zuweilen die Augen, das Maul und die Nase ganz versehwollen sind. In der Regel lassen die Fiebererschei­nungen 4 bis 5 Tage nach dem Hauptausbruche des Ausschlages nach, oder verlieren sich ganz. Gegen den 0 Tag nach ihrem Ausbruche ist die Pocke reif, d. h. zur Abnahme der Lymphe geeignet; später wird ihr Inhalt eitrig, wobei sie an Grosse noch etwas zunimmt und ein gelbliches Aussehen erhält. Der sie umgebende Hof wird breiter und verschmilzt häufig mit dem der angrenzenden Pocken; das Fieber pflegt um diese Zeit wieder etwas anzusteigen, resp. von neuem sich einzustellen. Die Anschwellung der Augenlider, des Maules und der Nasenflügel wird stärker, wobei der Sehleimausfluss aus denselben fortbesteht. Das Stadium der Eiterung dauert etwa 8 Tage für jede Pocke, im Ganzen etwa 5 bis (i Tage, da ja die Eruption nicht gleich­zeitig erfolgt. Das letzte Stadium ist das dor Abtrocknung, welches von der Mitte der Pocke beginnt; die sich allmählich nach den Seiten hin ausbreitenden Schorfe fallen nach 5 bis (i Tagen ab, indem sie einen kahlen, rothlichen Fleck, die Pockennarbe, hinterlassen, auf
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Unrogelmässigkeiten im Verlaufe der Sohofpooken; Stelnpookeii! 245
welcher die Wolle nie wieder so reichlieh, wie vordem, naehwächst. .Mit Beginn der Eintrocknung der Pookenpustel pflegen die catarrha-lisohen und Fieherersoheinungen wieder nachzulassen, Fresslust und Wiederkauen zurückzukehren. Die Reconvalescenz ist um so kürzer, je geringer das Kxanthem und das Fieber waren. Die ganze Krank­heitsdauer beträgt im Allgemeinen bei dein soeben geschilderten regel-reehten und gutartigen Verlaufe etwa 3 Wochen. Von diesem Vorlaufe kommen aber mancherlei Abweichungen vor, welche a) in einer ausser-gewöhnlichcn Heftigkeit der Hauteruption und dos Fiebers, — b) in einer unvollkommenen Entwicklung der Pocken, oder c) in einem spärlichen Auftreten derselben bestehen können. In letzterem Falle pflogt der Verlauf ein milder zu sein, so dass das Fieber entweder vollkommen fehlt, oder nur einen sehr massigen G-rad erreicht. Unvollkommen entwickelte Pocken werden vorzugsweise bei schwächlichen, herunter­gekommenen Thieren, oder bei ungünstiger, namentlich feuchter, kühler Witterung beobachtet. Es können solche neben und zwischen vollkommen ausgebildeten Pocken sich vorfinden; ihr Verlauf ist ge­wöhnlich langsamer, als der Verlauf normaler Pocken.
Die sogenannten „Steinpockenquot; oder „warzigen Pockenquot; des .Schafes sind ebenso ansteckend, als die gewöhnlichen tichafpocken, welchen letzteren nicht selten die Dolle fohlt, während sie den zelligen Bau der Kuhpocke stets besitzen. Die Steinpocken bilden feste harte Knötchen, welche entweder nur wenig geröthet sind, oder eine braun-rothe resp. ziegelrothe Farbe zeigen; sie sitzen auf einem nur wenig oder gar nicht infiltrirten Hautgrunde; auch fehlt ihnen der Hof. Es kommt somit bei der Pockenkrankheit der Schafe keineswegs immer zur Bildung von roth umsäumten Blasen und Pusteln auf der äusseren Haut. Solche Fälle haben bei vorhandenem Nasencatarrh zuweilen zu diagnostischen Irrthümern, namentlich zur Verwechslung mit dem sogen. „Schafrotzquot; geführt. Da eine solche Verwechslung grosse Nachtheile im Gefolge haben kann, so sei hiermit auf dieselben besonders aufmerksam gemacht.
Ungünstige Abweichungen von der Norm sind die aub a) an­gegebenen. Bei sehr reichlicher Pockenontwicklung zeigt sich bereits im Anfange der Krankheit eine teigige Anschwellung und Röthung der Haut. Die Knötchen erscheinen dicht gedrängt, so dass die aus ihnen hervorgehenden Bläschen und Pusteln in einander fliessen. Die Papillen der Lederhaut vereitern; es bilden sich Abscesse im Unter­hautbindegewebe, die bisweilen in die Tiefe greifen, wodurch ganze Hautstücke, die Ohren, Lippen, Augen, und selbst Gelenke zerstört
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Aas- orler Brand-Pocken. Prognose der Sobafpooken,
werden können. Das Fieber erreicht in aolclien Fällen einen hohen Grad, dauert auch nach der Ausbildung der Pocken fort und steigert sich mit dem Eintritt des Eiterungsstadiums. Der Catarrh der Luft­wege, sowie des Maules und des Rachens ist sehr ausgesprochen; Pockeneruptionen auf der Schleimhaut dieser Gebiete, welche bis in die Luftröhre und Bronchien sich ausdehnen können, sind nicht selten. Zuweilen schwellen auch die Lymphdrüsen verschiedener Körperstellen an, welche später in Eiterung übergehen, wodurch die Kräfte der Thiere sehr in Anspruch genommen werden. In der Regel gehen in solchen Fällen die Patienten an Pyämie, oder in Folge langwieriger Eiterungen, an Erschöpfung zu Grunde.
Noch bösartiger sind die sogenannten „Aas- oder Brand­pockenquot;, welche blutigen Eiter oder vielmehr Jauche enthalten. Dieselben stehen vielfach so dicht gedrängt, dass sie zusammenflicssen, während stellenweise die umgebende Haut von kleinen Blutextravasaten (Petechien) durchzogen ist. Die jauchigen Zerstörungen, sowie das Allgemeinleiden sind bei Aaspocken noch bedeutender als bei den vorhin beschriebenen zusammenfliessenden Pocken. Nicht selten kommt es hier auf der Sehleimhaut der oberen Respirations- und Verdauungsorgane, so wie auf der Bindehaut des Auges zur Entwick­lung von Pocken, wodurch das Athmen und Schlingen sehr erschwert und der Eintritt des Todes beschleunigt wird. Als eine sehr un­günstige Erscheinung gilt die Gasentwicklung in den Pocken (em-physematische Pocken), welche in Zersetzungsvorgängen ihren Grund hat. Der tödtliche Ausgang ist bei dieser Form, bei welcher die Thiere meist einen abscheulichen Gestank verbreiten, Regel; die wenigen Patienten, welche durchseuchen, bleiben später grösstentheils wollelos-und siechen an chronischer Krankheit dahin.
Die Prognose richtet sich im Wesentlichen nach der Form und Ausbreitung der örtlichen Prozesse, sowie nach dem sie begleiten­den Allgemeinleiden und nach den äusseren Verhältnissen, welche auf die Patienten einwirken. Im Ganzen sind die Schafpocken eine ge­fährliche Krankheit, welche selbst in günstigen Fällen einen Verlust von 10 bis 20 0/n der Erkrankten nach sich zieht; dazu kommt noch, dass viele Mütter verlammcn und dass manche Thiere für die Folge Kränkler bleiben. Bei früher gesunden, gutgenährten einheimischen oder völlig aeclimatisirten Thieren ist bei der gutartigen Pockenform, sowie bei günstigen diätetischen und Witterungsverhältnissen der Ver­lauf am günstigsten. Aufenthalt im Freien bei heiterer, trockener und massig warmer Witterung, oder in geräumigen, luftigen, aber
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Prognose und Behandlung dci' Scliat'pocken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;247
nicht zugigen Stallungen ist ein sehr wichtiger Factor für einen milden Verlauf, während kalte oder neblige, sowie feuchtwarme und schwüle Witterung, schlechte Nahrung und Pflege, zu kleine, dunstige Stallung leicht nachtheilige Wirkungen im Gefolge haben, welche sich am meisten bei schwäclilichen, schon von früher her kranken Thieren geltend machen. In solchen Fällen beträgt der Verlust nicht selten 30 8/o und mehr. Noch nicht erwachsene Thiere, besonders Saug­lämmer, unterliegen der Krankheit meistens; die von kranken Müttern geborenen Lämmer sind häufig von Pocken ergriifen, während die Nachkommen durchseuchter Mutterschafe manchmal immun gegen Pocken sind.
Ausser den Todesfällen sind auch die Verluste in Anschlag zu bringen, welche durch die Verminderung des Wollertrages und durch die Frühgeburten etc. bedingt sind.
Bei Behandlung pockenkranker Schafe spielen die diätetischen Anordnungen eine Hauptrolle. Man sorge vor allen Dingen für einen geeigneten Aufenthalt im Freien oder in geräumigen Stallungen, welche eine ausgiebige Lüftung, jedoch ohne Zugluft, zulassen; ferner sorge man für eine gute, reine und trockene Streu, vermeide möglichst Stallteraperaturen von mehr als 8deg; C, sowie jede Erhitzung und schnelle Abkühlung der Thiere, besonders durch Regen oder Nässe irgend einer Art. Wenn es möglich ist, bringe man die zur Zeit noch gesunden Schafe in besondere Stallungen, welche mit Pockengift noch nicht inficirt sind. Wo die Stallverhältnisse den Anforderungen einer vernünftigen Gesundheitspflege nicht entsprechen, muss man durch angemessene Combinationen die gegebenen Verhältnisse möglichst vortheilhaft auszunutzen suchen.
Gutgenährten, kräftigen Individuen reicht man während des febrilen Stadiums ein weniger nahrhaftes Futter (Grünfutter, Eüben oder Kartoffeln in zerkleinertem Zustande und in entsprechenden Rationen), während Schwächlingen eine kräftige Nahrung verabfolgt werden muss. Solchen Patienten, welche wegen Anschwellung der Organe der Maul- und Rachenhöhle an der Aufnahme, dem Zer­kleinern oder Abschlingen der Futterstoffe behindert sind, gibt man Hafer- oder Gerstenschrot, mit heissem Wasser abgebrüht, aber nur im lauwarmen Zustande.
Bei gutartigem Verlaufe kann sich die therapeutische Behandlung auf das Vorlegen von Lecken aus Kochsalz und Salpeter mit etwas Hafermehl, sowie auf das Vorsetzen von etwas angesäuertem (durch Zusatz von etwas Schwefel-oder Salzsäure) Trinkwasser beschränken;
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Behandlung und impi'ung der Schal'pocken.
bei hartnäckige!quot; Verstopfung können Seit'enclystiere applicirt werden. Bei Milchvieh kann der Gebrauch von Melkröhrchen sich empfehlen, falls die Strichen durch Pocken so afficirt sind, dass das Melken an denselben dem Patienten Schmerz verursacht. In diesem Falle muss der gründlichsten Reinigung und Desinfection der Melkröhrchen vor der jedesmaligen Application alle Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Bei den bösartigen Pockenformen sind bittere und erregende Arzneimittel, Wachholderbeeren, Wermuth, Schafgarben etc. indicirt, jedoch nur bei sehr werthvollen Thieren anzuwenden. Wo aber erschöpfende Durchfälle oder zahlreiche Geschwüre sich bereits ein­gestellt haben, da verzichte mau auch bei werthvollen Thiereu auf jede Behandlung und beseitige die Patienten, resp. deren Cadaver mit Haut und Haaren.
Dass bei jeder Therapie die vorhandenen Geschwüre etc. nach den Regeln der Chirurgie behandelt werden müssen, ist wohl selbst­verständlich.
Ein wichtiges Schutz- und Tilgungsmittel gegen die Schafpocken bietet die Impfung. Je nach dem beabsichtigten Zwecke und der davon abhängigen Zeit ihrer Vornahme unterscheidet man die Schutz-und Vorbauungsimpfung und die Nothimpfung.
Die Schutzimpfung besteht darin, dass man in Gegenden, in welchen die Schafpocken häufig vorkommen, alle frisch angekauften Schafe, sowie auch die heranwachsende eigene Nachzucht des laufen­den Jahrganges impft, um so die ganze Herde gegen die natürlichen Pocken immun zu machen. Diese Art der Impfung bietet dem Be­sitzer den grossen Vortheil, dass er sich in jeder Hinsicht (d. h. sowohl in Bezug auf die Witterung, als auch auf das Alter der Nachzucht) einen möglichst günstigen Zeitpunkt für die Vornahme des Impf­geschäftes aussuchen kann. So zweckmässig mm die Schutzimpfung in solchen Gegenden auch sein mag, in welchen die Schafpocken häufig vorkommen, ebenso verwerflich ist dieselbe für Gegenden, in welchen die Schafpocken seit langer Zeit gar nicht, oder überhaupt selten, oder seit Menschengedenken gar nicht vorgekommen sind. Durch die Impfung entstehen nämlich in der betreffenden Herde die eigentlichen Schafpocken, ebenso wie beim Menschen nach Einimpfung des Blatterngiftes die eigentlichen Menschenpocken entstehen. Der Vortheil der Schutzimpfung besteht somit nur darin, dass die natür­lichen Impfpocken bei richtiger Wahl der Lymphe, der Witterung und des Alters der Impflinge einen weit milderen Verlauf zu nehmen pflegen, als bei, resp. nach der natürlichen Ansteckung. Da nun durch
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Sohutzlnapfnng der Sclml'e mit initigirter PoeUoiilymplip.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;249
die Schafpocken-Schutzimpfung die Schafpockenseucho möglicherweise in eine bis dahin von dieser freie Gregend eingeschleppt, somit das Eigenthura Anderer gefährdet worden kann, so hat das Reichs-Vieh­seuchengesetz die Schafpockenimpfung nur unter polizeilicher Controle und unter Beobachtung entsprechender Schutzmassregeln gestattet. Nach den Mittheilungen Pissin's (die beste Methode der Schutzpocken­impfung, Berlin 1874) soll auch die Vaccination, vom 12. Tage einer erfolgreichen Impfung an gerechnet, das Schaf gegen natürliche Pocken zu schützen vermögen. Kein anderes Thier scheint in dem Maasse dis-ponirt zu sein, das Pockengift zu general!siren, als das Schaf, bei welchem auch in Folge der Vaccination in der geimpften Herde die natürlichen Schafpocken zum Ausbruch kommen können.
In den Mittheilnngcn ans der tliicriirztlichen Praxis etc. Berlin 1872, S. 27 bis 32, finden sieh folgende interessante Berichte;
Kreisthierarzt Kooli bespricht die von ihm mit ovinisirter Vaeeine, welche er von Dr. Pissin in Berlin bezogen hatte, ausgeführten Impfungen, Nach den Angaben Koch's gehen die Pocken sehr leicht an, sogar am Obre bekommen sie eine grosse Ausdehnung und machen die. Schale fast gar nicht krank. Nur bei alten fetten Schafen beobachtete er einen Pockenansschlag über den ganzen Körper und in Folge dessen heftige Erkrankungen und Eingehen der Thiere. Grosse starke Lämmer, am Ohre geimpft, überstanden die Krankheit mit Leichtigkeit. Zwei Jährlinge mit 12 Tage alten Impfpocken wurden dauernd zwischen eine 10 Tage früher mit echter Schnfpocke durebgeimpfte Schafherde gesetzt, ohne dass sie an Schafpocken erkrankten. Zwei ungeimpfte Jährlinge wurden stets zwischen Versuchsthieren, welche zu verschiedenen Zeiten mit ovinisirter Vaccine geimpft waren, gehalten, um zu erforschen, ob die Pocken auch ohne Impfung übertragbar seien. Nach Verlauf von etwa 3 Wochen zeigte eines dieser Schafe eine grosse Pocke am Kinn, die, wie Koch annimmt, durch Selbstimpfung ent­standen war. Ans dieser Pocke wurden wieder Schafe mit Erfolg geimpft. Zum Schlüsse sagt Koch: Diese eben besprochene Pockenform überstehen die Schafe mit Leichtigkeit, und erzengt sie entweder keine, oder sehr geringe Austeckungs-stotfc und verdient somit die höchste Beachtung.quot;
Weniger günstig lautet folgender Bericht (1. c. S. 28 bis 30): Departements-thierarzt Fürsteuberg hat in dem (Jeneralbericlite pro 1869/70 über die Impfung mit Pissin'scher ovinisirter Lymphe im Frühjahre und Sommer 1870 weitere Impfungen im grossen Umfange ausgeführt. Da frische von Pissin bezogene Lymphe ohne Erfolg eingeimpft worden war, so wurden fragliche Impfungen mit Lymphe ausgeführt, die Referent selbst von geeigneten Pocken gesammelt hatte und welche 4 Monate alt war. Es sind etwa 2000 Schafe mit ovinisirter Vaccine geimpft worden. — Die Ergebnisse sind derart, dass sie, was Haftung anbelangt, alle Erwartungen übertrotfeu haben, da last nie einem Schafe Lymphe durch Impfung einverleibt wurde, welches nicht mindestens eine Pocke wahrnehmen Hess. Die grösste Mehrzahl, wohl beinahe 75 Proz., reagirten so bedeutend auf die Einführung dieses Contagiums, dass eine allgemeine Eruption bald stärkeren, bald geringeren Grades erfolgte. Die meisten Thiere litten nicht unbedeutend
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Schutziinpl'iing- dor Schaft mil uiitigirter Pockenlymplie.
durch laquo;Ins die Pookeneruptlon stets begleitende Fieber; auoh wurde sowohl da-flui'ch, wie durch sehr zahlreiche Todesfälle ein nicht unbedeutender Verlust ver­ursacht. Jung-e Lämmer, Muttorscharo und ältere Bücke litten bedeutend durch die Krankheit und lieferten das grösste Contingent zu den SWrhelallen. • Jähr­linge überstanden diese Impriing am besten, weil bei ihnen die allgemeinen Erup­tionen, wenn auch eben so häutig, so doch nicht so stark waren, als bei den übrigen Tliieren. Durch Zusammensein mit geimpften Thieron wurden nicht ge­impfte angesteckt. Zwei Schafe und zwei Böcke, welche niclil geimpft waren und mit den Impflingen zusnmmengelasson wurden, erkrankten alle vier nn den Pocken und zwar sehr heftig; zwei derselben erlagen sogar der Krankheit. — Die Schutzkrnft dieser Impfpocke wurde dadurch erprobt, dnss mehrere Schafe, welche mit der ovinisirten Lymphe geimpft waren und bei denen die Abheilung der Pocken oben erfolgt war, in eine Herde gebracht wurden, in welcher die natürlichen Pocken herrschten. Die Thiero erkrankten nicht an den Schafpocken.
Fürs ton 1) e rg glaubt der Impfung mit ovinisirter Vaccine keinen Vorzug vor der Ovination (d. b. der Impfung mit gewöhnlicher Schafpockenlymphe) zu­erkennen ZU können, nmsowoniger, als auch die Vaccine-Pusleln der Schafe ein ebenso kräftiges Contagium besitzen, wie die Schafpocken; wenigstens zeigen die Schafe eine ebenso grosso Empfänglichkeit dafür, wie die Rinder. Referent glaubt sogar annehmen zu können, dass die Empfänglichkeit der Schafe für diese Pocke eine grössere ist, als heim Rinde. Während bei dieser Thierspezios die Zahl der Impflinge, bei welchen eine, auf eine grössere Fläche des Körpers verbreitete Eruption vorkommt, stets eine sehr geringe ist, war bei den Schafen die Zahl der Thiere mit allgemeiner Pocken-Eruption die grössere. — Fiirstonborg hat versucht, die beim Rinde durch Impfung erzeugten Pocken auf Schafe zu über­tragen, und zwar direct von der Pustel, dies ist ihm jedoch incht gelungen.
Ebensowenig wie Fürstonberg ist Gips (1. c. S. 30 bis 32) von seinen wiederholten Impfvorsuchen mit ovinisirter Vaccine, die ebenfalls von Pissin be­zogen wurde, befriedigt. Die Kulipocken direct auf Schafe oder Ziegen durch Impfung zu übertragen, ist Roloff (1. c. S, 33) nicht gelungen. Derselbe schliesst daraus, dass Schafe für dasKiilipockoncontagium entschieden keine grosso Empfäng­lichkeit besitzen.
So wenig befriedigend bis jetzt die Versuche ausgefallen sind, einen bei Schafen mild wirkenden Pockenimpfstotf zu gewinnen, so dürfen wir, im Hin­blicke auf die Fortschritte im Gebiete der Cultur gewisser Krankheitserreger, dennoch hoffen, dass es demnächst gelingen werde, auch für Schafe eine mild wirkende Pockonlymphe herzustellen. Die Staatsregierungen können sich der Pflicht, die wenig zahlreichen Veterinär-Institute den Forsclmngszwecken ent­sprechend zu dotiren und zu organisiron, nicht länger mehr entziehen, ohne die Interessen dos Volkes fortgesetzt in bedenklicher Weise zu schädigen.
In Herden, in welchen die natürlichen Schafpocken ausgebrochen sind, kann die Dauer der Seuche in der betreffenden Herde durch eine frühzeitige Impfung wesentlich abgekürzt werden. Da nun diese Abkürzung des Seuchenveriaufes auch die Zeit der Gefahr einer möglichen Verschleppung dos Ansteckungsstoffcs ebenfalls verkürzt, somit vermindert, so hat das quäst. Seuchengesetz für gewisse Fälle
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Technik der Sclial'|iocUen-[inpl'iing. Impfstelle und Impfstoff,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;251
(Uo Schafpockenimpfung für obligatorisch erklärt. — Diese Art der Impfung bezeichnet man gewöhnlich als Nothimpfung. Dieselbe steht der Schutzimpfung in so weit nach, als sie eine Wahl der Impfzeit etc. nicht gestattet, sondern im Momente der vorhandeuen Gefahr ausge­führt werden muss, unbekümmert darum, ob die Wittorungs- und anderweitigen in Betracht kommenden Verhältnisse derselben günstig sind oder nicht.
Bei Ausführung der Impfung ist neben den bereits erwähnten äusseren Verhältnissen vorzugsweise wichtig: \) die Wahl der Impf­steile und 2) die Gewinnung des Impfstoffes. In Bezug auf den orsteron Punkt sei hier kurz bemerkt, dass besonders die wollfreie untere Fläche des Schwanzes, etwa 2—3 Zoll vom After entfernt, oder etwa die mittlere Partie der inneren Fläche der Ohrmuschel die geeignetsten Impfstellen sind. Nur wenn diese zufällig durch Ver­stümmelung etc. nicht benützt werden können, darf man als die nächst­folgende, aber immer weniger geeignete Impfstelle, die innere Fläche der Hinterschenkel benutzen.
Als Impfstoff soll stets nur die klare Lymphe einer reifen Pocke verwendet werden, welche je nach Umständen aus einer nutürlichon, oder aus einer Impf Schafpocke entnommen wird. Zum Zwecke der Schutzimpfung eines grösseren Schafbestandes wird man gewöhnlich eine Vorimpfung vornehmen müssen, um dadurch die nöthige Menge Lymphe zu erlangen. Je nach der Zahl der Impflinge werden mehr oder weniger Schafe zur Vorimpfung verwendet, wobei möglichst dafür zu sorgen ist, dass die für dieses Geschäft erforderliche Lymphe aus einer guten Quelle bezogen wird. Dieselbe muss von solchen Schafen herrühren, welche vor ihrer Erkrankung an den Pocken voll­kommen gesund waren, und welche auch nur in geringem Grade au regelmässig verlaufenden Pocken erkrankt sind; letztere müssen zur Zeit der Abnahme des Impfstoffes gut entwickelt und mit einer klaren noch nicht eitrigen Flüssigkeit gefüllt sein. Von der Impfung mit Blut, Pockeneiter oder Schorfen ist man aus guten Gründen ganz abgekommen. Berücksichtigt man die vorhin angegebenen Cautelen, so ist es im Allgemeinen gleichgültig, ob man den Impfstoff aus einer natürlichen oder aus einer Impfpocke entnimmt. An der Wiener Thierarzneischule hat bis zum Jahre 18(J4 (während 27 Jahren) eine Schafpocken-Impfanstalt bestanden und hat man dort die Erfahrung gemacht, dass die sogenannte Cultivirung der Schafpockenlymphe der Absicht einer Milderung des betreffenden Ansteckungsstoffes nicht entspricht,' sondern nur der beständigen Bereithaltung eines geeigneten
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Teclinili der Sohafpookeh-Iuapfuugi Gewinnung der Lympht'.
Impfmaterials zu dienen im Stande ist. Andererseits haben derartige Impfaimtalten den Nachtheil, dass sie stets einen Infectionsherd dar­stellen, von wölelieua aus eine Verschleppung der Seuche, selbst bei möglichster Vorsicht, nicht mimoglich ist.
Die Technik der Impfung ist im Ganzen sehr einfach, indem es im Wesentlichen darauf ankommt, die Lymphe an der Impfstolle in kleiner Menge unter die Epidermis einzuführen. Dies findet ent­weder statt, indem der Impfstoff direct aus einer reifen Schafpocke entnommen, oder vorher gesammelt und je nach Umständen kürzere oder längere Zeit aufbewahrt wird. Bei der directen Impfung aus der Pocke muss jede Berührung, odor auch nur zu grosso Nähe des Impflings und des Lymphe spendenden pockenkranken Schafes ver­mieden werden, um eine natürliche Infection möglichst zu verhindern; es darf deshalb auch der Luftstrom nicht vom kranken Thiere nach don Impflingen hin gerichtet sein.
Wird die Lymphe vor der Impfung gesammelt, so kann dies auf verschiedene Weise geschehen. Am zweckmäsaigsten ist es, na­mentlich wenn die Lymphe längere Zeit aufbewahrt werden soll, die­selbe in kleinen Glasröhrchen mit capillurem Lumen aufzusaugen und an beiden Enden mit Siegellack oder Wachs etc. sorgfältig zu ver-sohliesson. Unmittelbar vor dem Gebrauche werden dann diese Röhr­chen entleert, indem man ihren Inhalt aus don vorher abgebrochenen Enden vermittelst eines aufgesetzten Strohhalmes auf eine entsprechend grosse Glasplatte bläst.
Man kann die Lymphe aber auch unmittelbar aus don Pocken auf kleinen Glasplatten auffangen, deren Ränder mit Wachs oder einem anderen Kitte bestrichen sind; man liisst dann die Lymphe an der Luft halbtrockon werden, legt eine zweite genau passende Glas­platte auf je einen Objectträger, verklebt die Ränder beider sorg­fältig und wickelt demnach die Präparate vorsichtig in dichtes Papier. Die so aufbewahrte Lymphe muss vor dem Gebrauche mit warmem Wasserdampfe aufgeweicht und entsprechend verdünnt werden.
Weniger zweckmüssig ist es, die Lymphe in kleinen Stückchen eines Waschschwammes, oder in baumwollenen Fäden zu sammeln und diese Gegenstände nach ihrer vorsichtigen Austrocknung in reinen, gut verschlossenen Gläschen aufzubewahren. Es darf überiiaupt nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Pockengift in geeigneter Weise getrocknet und aufbewahrt, sehr resistent ist und Jahre lang wirksam erhalten werden kann, während flüssige Lymphe ihre Wirksamkeit leicht einbüsst. Flüssige Kuhpockenlymphe, welche nicht sofort in
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Pookenglft im Blmc; Aufbewahrung der Lynaphe; Verlauf der Impfkrankhelt, 258
Uöhrchen gesammelt und in der angegebenen Weise verschlossen wird, i^t in der Regel bereits nach 5 bis 8 Tagen unwirksam. Im Blute pockenkranker, oder geimpfter Menschen und Thiere ist der An-
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steckungsstoff in zu grosser Verdünnung vorhanden, als dass derselbe zur Impfung verwendet werden könnte. Hill er, welcher auf Grund negativer [mpfversucho mit Blut von Vaccinirtcu behauptete, „das Vaccinefcrmont sei entweder gar nicht, oder doch nicht in wirksamem Zustande im Blute vorhanden, ist durch die Versuche Reiter's rectiti-cirt worden. Dieser legte einem ungeinipften Kinde ein Vesicans im Umfange eines halben Kleinfingernagels; am folgenden Tage brachte er auf die von dem Blasenhiiutchen befreite Hautstelle Charpie, das mit frischem Blute eines vor 8 Tagen geimpften Kindes getränkt war. Es entstand eine grosse Vaccinepustel. — Im Blute eines Impf-linges (oder Pockenkranken) scheint somit der Anstockungsstoff nicht nur vorhanden, sondern auch wirksam zu sein, sobald er in genügender Menge und in geeigneter Weise angewendet wird.
Die Aufbewahrung der Lymphe muss stets an einem kühlen Orte und wo möglich gegen Licht und Luft etc. geschützt, stattfinden. Es empfiehlt sich deshalb, die in Papier gewickelten Gläschen oder Röhren in eine Schachtel zu legen, welche Kohlenpulver enthält. So kann mau die Lymphe ein volles Jahr lang wirksam erhalten. Das Impfen selbst geschieht mittelst der Lanzette, oder der ImpfnadelJ letztere ist in der thierärztlichen Praxis im Allgemeinen sicherer.
Nach erfolgter Impfung pflegt am 3. bis 4. Tage (bei kalter
Witterung auch etwas später) ein rother Fleck sichtbar zu werden,
der in den nächstfolgenden Tagen zu einem festen, dunkelrothen
Knoten sich weiter entwickelt. Aus diesem bildet sich dann in der
I früher beschriebenen Weise die reife Pocke, deren Grosse am Schweife
bis 2 (Jtm. im Durchmesser erreichen kann. Zur Sommerzeit findet
die Umwandlung zur Pustel aus der einmal gebildeten Blase oft schon
innerhalb einiger Stunden Statt, weshalb man auf der Hut sein muss,
dass man den richtigen Moment für die Ahnahme des Impfstoffes
nicht versäumt; bei niedriger Temperatur dauert es meist 1 bis
2 Tage, bis die Umwandlung der Blase zur Pustel sich vollzieht,
weshalb dann ein Verpassen des geeigneten Momentes zur Abnahme
des Impfstoffes weniger leicht vorkommt. In der Regel erreicht die
Impfpocke gegen den 9. bis 11. Tag ihre bedeutendste Grosse; sie'
ist um diese Zeit bläulich-weiss, oder gelb gefärbt und ergiesst beim
Anstechen eine klare, — entweder farblose, oder blassröthlich gefärbte
zähe Flüssigkeit.
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Infeotlosltttt clei' Sohafpooken-Impt'ki'ankheit,
Das Allgemeinleiden, welches dem Ausbruche einer localon Irapf-pocke vorausgeht und dieselbe begleitet, ist meist ein sehr geringes. Gewöhnlich entsteht nur an der Impfstelle eine Pocke; zuweilen jedoch bleibt sie an der Impfstelle selbst aus, während sich um diese herum mehrere Pocken entwickeln, welche dann kleiner und den natürlichen Pocken an Grosse ähnlicher sind. Manchmal aber stellt sich, ohne dass eine Impfpocke sich entwickelt, oder auch, nachdem eine solche sich gebildet hat, eine allgemeine Pockeneruption ein.
Schliesslich ist nochmals hervorzuheben, dass auch der eultivirten Schafpockenlymphe die fluchtige Ansteckungsfähigkeit nicht mangelt; es ist mehrfach — und so auch an der früheren Impfanstalt der Wiener Thierarzneischule — festgestellt worden, dass ungeimpfte (resp. überhaupt nicht immune) Schafe, welche mit solchen, die mittelst eultivirter Schafpockenlymphe erfolgreich geimpft worden waren, in dem gleichen Stalle sieh befanden, von den natürlichen Pocken, und •selbst von bösartigen Formen derselben, befallen worden sind. Es ist dies selbst dann beobachtet worden, wenn die geimpften und nicht geimpften Schafe durch Hürden von einander getrennt waren.
Hierin liegt ein Beweis für die im Allgemeinen intensivere Er­krankung nach der Aufnahme des Ansteckungsstoffes durch die Lungen, als nach der Erkrankung in Folge der Impfung; ein Beweis, der auch bei Beurtheilung der Lungenseucheimpfung Beachtung verdient. Ob es zwecknaässig ist, die Schutzpockenimpfung bei Schafen ganz zu verbieten, wie dies durch sect; 49 des deutschen Reichs-Viehseuchen-Gesetzes geschehen ist, wird die Zukunft lehren. Es stehen diesem absoluten Verbote sehr gewichtige Momente entgegen. Wie im Jahre 1840 die Variolisation (Blatternimpfung) des Menschen vollständig ver­boten und später durch Vaccination ersetzt worden ist, so mag vioh leicht auch die Zeit kommen, wo es möglich sein wird, die Ovini-sation der Schafe durch eine woniger gefährliche Impfung zu ersetzen. Dieses Ziel, so wie mancher andere segensreiche Fortschritt, wird uns vielleicht nächstens von Frankreich aus, wo die Veterinärinstitute den Anforderungen der Wissenschaft nicht entfremdet werden, sondern ganz dem Unterrichte und der Forschung sich widmen, als reife Frucht in den Schooss fallen.
Chauveau hat, wie bereits früher erwähnt wurde, gezeigt, dass die oberen Schichten von Flüssigkeiten, welche über Pockenlymphe vorsichtig aufgegossen werden, selbst nach längerer Diffusion nicht infectiös wirken, während die unteren Schichten, welche die körper­lichen Bestandtheile der Lymphe enthalten, zu Impfungen mit dem-
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Toussnints Onlturversuche mit Scliarpockciigil't und die Scliutzinifil'ung. 255
selben Erfolge verwendet werden können, wie reine Pockenlvmphe. Durch diese Versuche ist es sehr wahrscheinlich geworden, dass der Krankheitserreger bei Pocken kein lösliches, sondern ein organisirtes Gift ist.
Toussaint, Professor an der Thierarzneischule in Toulouse, hat die betreffenden Mikroorganismen der Schafpocken seit längerer Zeit gezüchtet; er hofft dieselben in ähnlicher Weise mitigiren zu können, wie dies mit den Milzbrandbacteridien bereits geschehen ist. Gelangen wir auf dem betretenen, oder auf irgend einem anderen Wege zu einer milde wirkenden Schafpockenlymphe, was möglicherweise uner­wartet schnell gelingen kann, so würde das sehr problematische Ver­bot der (gesetzlich streng überwachten) Schutzimpfung gegen Schaf­pocken in der geräuschlosesten Weise wieder aufgehoben werden können, oder aufgehoben werden müssen.
Die Begründung dieses Verbotes mit der unbestrittenen That-sache, dass in Gegenden, wo die Schutzimpfung gegen Schafpocken gebräuchlich sei, letztere am häufigsten vorkommen, erscheint mir sehr unsicher. In Gegenden, wo die Lungenseuche-Irapfiing gebräuch­lich ist, pflegt auch die Lungensouche weit häufiger zu sein, als da, wo nicht geimpft wird. Jedermann weisraquo; aber, dass in diesem Falle die Impfung sicher nicht, die Ursache, sondern die Folge ist der in anderen Verhältnissen begründeten starken Verseuchung mancher Gegenden.
Wenn nun auch die Impfpocken im Stande sind, die natürlichen Schafpocken zu verbreiten, so kann dies doch durch eine strenge Controle, wie sie durch das preussische Seuchengesetz früher vorge­schrieben war, mehr oder weniger sicher verhindert werden. Nach meiner Meinung fehlt aber jeder Beweis dafür, dass durch die Schaf­pocken-Schutzimpfung die natürlichen Schafpocken in Wirklichkeit häufiger geworden sind. Nach einigen Jahren, wenn die Schafherden ihren immunen Bestand vielfach verloren haben und in höherem Maasse für das Pockengift empfänglich geworden sein werden, wird sich das absolute Verbot der Schafpockon-Schutzimpfung vielleicht in empfind­licher Weise rächen.
Böhm bezieht sich (1. c. S. 31) auf das statistische Material der techni­schen Deputation lür das Vetcrinänvcsen in Prenssen und scldiesst aus der be­treffenden Zusammenstellung, dass dort, wo in grossem iMnasse die Schutzpocken-impl'ung der Lämmer ausgeübt wurde, fast durchgängig auf einem geringeren Prozentsatze von Gehöften die natürlichen Schafböcken ausgebrochen waren.
Böhm sagt (8.32 I.e.) ferner: Im Anfange dieses Jahrhunderts herrschte die Pockenseuche in so hohem Grade, dass die Schafzucht — so einträglich
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250 Toussnint's Ciilturvei'sudio mit Sclial'pockengirt und die Sohatzimpfung.
thinitils iinineiillicli die CuUlvlraug des lioclil'oint' Wolle tragenden MeriiioschiU'es sicli herausstellte — im eigentlichen Sinne drohte aufgegeben werden zu müssen. So weit es aus jener Zeit überhaupt statistische llittlieilungen gibt, betrug- der Verlust an Schuren in jenen üegenden 26—80 Prozent und darüber. Man kannte damals noch nicht die Methode der Schutzinipl'ung...........
Dieser verdanken wir es, dass die Verluste durch die Poclienepidemien von Jahr zu Jahr immer mehr abnuhmen, scbliesslich kaum nennenswerth waren. Nach den statistischen Ermittelungen des deutschen Reiches durch die Zählung am 18. Januar 1873 hat Pommern z.B. 3218(J74 Schafe. Von diesen sind nach dem ISerichte der technischen Deputation in dem Berichtsjahre 1877/78 bei dem Ausbruch der Poekenseuche auf 222 Oeliöl'ten und bei der statlgehahten Impfung auf 041 Gehöften, an den Pocken gestorben 470 Stück, also 11 auf 10000. — Die Provinz Brandenburg besitzt nach obiger Zählung 2 451971 Schafe; nach den Berichten der technischen Deputation aus besagtem Jahre sind von diesen bei Ausbrüchen der natürlichen Pocken auf 225 Gehöften — ulso auf dreien mehr als in Pommern — und bei der stattgehabten Impfung auf nur 149 Gehöften — also auf 492 Gehöften weniger als in Pommern geimpft — an Pocken 1311 Stück gestorben, mithin 50 Stück auf 10000, d. i. heinahe 5mal so viel als in Pommern etc. Indem Böhm noch weitere Argumente heranzieht, gelangt er zum Ausspruche:
„Im Ganzen kommen wir zu dein Resultate, dass dort, wo die meisten Schutzimpfungen stattgefunden hatten, die Verluste an Schafen durch die Pocken­seuche verschwindend klein waren.quot;
Ein Vergleich zwischen den Forschungen und Leistungen französischer und deutscher Veterinärschnlen im Gebiete der Aetiolngie und der auf diese sich gründenden rationellen Bekämpfung ansteckender Tbierkrankbeiten lässt es sehr wünschenswerth erscheinen, dass auch an unseren Thierarzneiscliulen die freie wissenschaftlicbe Forschung bald einen festeren Boden gewinnen möge.
Toussalnt hat die von Schafpocken entnommenen Mikroorganismen in Brühen von Schaf-, Ochsen- und Kaninchen-Fleisch, so wie in Hcfenwasser ge­züchtet und in Schaf- und Kaninchenbonillon die vollkommensten Rcsultatb er­zielt. Nach 2 bis 3 Tagen erscheinen die Culturllüssigkeiten mit Bactericn und Sporen beladen; auf der Oberfläche der Flüssigkeit bildet sieh ein lläntehen, das ungeheure Mengen Bacterien enthält. Nach 4 bis 5 Tagen fallen die Mikro­organismen in Form von Sporen zu Boden, worauf die Flüssigkeit sich klärt.
Am 1. Culturtage sind die Bacterien sehr klein (kaum 3—4 Mikromillim. lang); sie sind in diesem Zustande sehr beweglich und dtirchschweifen das Seh­feld nach allen Richtungen; alsbald verlängern und segmentiren sie sich. Nur selten sieht man mehr als 2 Glieder -vereinigt, mein- als 3 so zu sagen nie; fast immer ist das eine Glied stärker als das andere entwickelt. Vom 2. zum 3. Tage stellt man die längeren Uacterieu an jedem Ende je eine Spore abgeben, zuweilen bildet sich eine solche in ihrem Mittelthelle. Die kleineren Bacterien geben in der Regel nur eine einzelne Spore ab, die Schafpoekenbacterien sind etwas oval, sehr stark lichtbrecbend und kleiner als die Anthrnxbacille.
Bei Schafen, welche mit fraglichen Culturllüssigkeiten geimpft wurden, bildeten sich Blasen, die nach 15—18 Tagen ihren Höhepunkt erreichten; zur Eiterung resp. Bildung eigentlicher Pusteln kam es nie, ebenso wenig zu einer allgemeinen Eruption. Die Heilung erfolgte, ohne eine Narbe Zu hinterlassen. Gegen den 15. Tag war die Temperatur um 6 bis 0 Zehntelgrade gestiegen.
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Anderweitige Schutz- und Tilgmigsmassregeln gegen dii; Sohafpooken. 257
Tnussaint glaubt demuiichst sngeu zu künnen, ob diese Impfungen eine Immunität gegen die natürlichen SchulpocUen verleihen; zu diesem Controlzweoke werden die mit Uulturlymphc geimpften Schafe später ovinisirt. (llevue für Tliicr-heilkunde und Tliierzucht No. 10 des IV. Bandes Wien 1881.)
Aussei- der Itnpfimg kommen auch noch andere Schutz- und Tilguugsmassregeln gegen die Schafpocken in Betracht, die zum Theil durch das Seuchengosetz geregelt sind, zum anderen Theile in das Gebiet des Selbstschutzes fallen. Dieser hat es namentlich mit der sorgfältigen Ucberwachung der eigenen Schafe zu thun. Herrschen in der Nachbarschaft die Schafpocken, so ist eine öftere Revision der einzelnen Schafe geboten, um frühzeitig von einer etwaigen Ein-schloppung der Krankheit Kenntniss zu erhalten. Da die Pocken hei heruntergekommenen Individuen gewöhnlich einen bösartigen Verlauf nehmen, so ist es rathsam, alle Kränkler auszuscheiden und zu tödten, da vor dem Ausbruche der Pocken in der betreffenden Herde die Wolle und Haut, so wie auch häufig das Fleisch noch zu gebrauchen ist. — Der Verkehr mit fremden Schafen und Schäfern, mit Händlern, Fleischern etc. ist möglichst zu meiden. Ist ein Ankauf nicht zu umgehen, so sollten die neu ankommenden Schafe mindestens 2 Wochen hindurch separirt gehalten werden.
Ist die Krankheit in der eigenen Herde ausgebrochen, so ist eine sorgfältige Tronnung der Gesunden von den Krankon nothwendig. Man lässt zu diesem Zwecke die Thiere einzeln aus dem Stalle, um alle jene, bei welchen sich bereits Pocken oder auch nur ein Nasen-ausfluss, geschwollene Augenlider, ein matter oder lahmer Gang zeigen, von den noch gesund Befundenen zu trennen. Diese Durchsicht muss öfter wiederholt und nur von solchen Leuten vorgenommen werden, welche mit den pockenkranken Schafen und deren Pflegern nichts zu thun haben. Die Separationsmassregeln müssen bei den Schafpocken ebenso streng gehandhabt werden, wie bei der Rinderpest, da das Contagium jener ebenso flüchtig und verschleppbar ist, als dasjenige dieser Seuche. Thiere, welche an den bösartigen Pocken erkranken, werden am besten sofort getödtet und mit Haut und Wolle begraben, wie das Gesetz dies vorschreibt.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Schafpocken auch auf andere Thiere übergehen können. Ovinationcn von Ziegen, Rindvieh, Schweinen, Kaninchen und Hasen sind mit Erfolg ausgeführt worden; auch hat man beobachtet, dass Ziegen, Schweine und Rindvieh auf natürlichem Wege durch das flüchtige Schafpocken-Contagium inficirt worden sind.
Pütz, LclirlMieh lt;lor imstoekcmlon Thiorkranldioltoii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;17
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Die Pocken der Pferde: Schutz-JIiiuke.
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D. Die Pocken der Pferde (varlolae cquinue). Schon seit langer Zeit weiss man, class bei Pferden ein pustulöser Ausschlag vorkommt, welcher, auf Rindvieh übertragen, die Kuhpocken erzeugt. Nach der Ansicht Jenners sollen die Kuhpocken (cow-pox) keine selbstständige Pockonform bilden, sondern von der Pferdepocke (horse-pox) herrühren. Chauveau's zahlreiche Untersudumgen sind geeignet, diese Ansicht in so weit zu unterstützen, als sie zu der Annahme berechtigen, dass dem Pferde — und wahrscheinlich auch anderen Einhufern, — eine grössere Poeken-Anlage eigen ist, als dem ßinde. Jenner bezeich­nete beim Pferde die Extremitäten als die besonders bevorzugten Stellen der Poekeneruption und diese Angabe findet man in den meisten thier-ärztlichen Lehrbüchern. In neuerer Zeit jedoch haben wir durch die Mittheilung IT. Bouley's erfahren, dass, in Frankreich wenigstens, die Pferdepocken am Kopfe und selbst an der Geschlechts- und After-gegond häufiger, als an der hinteren Seite des Fcssels vorkommen.
In Deutschland scheinen die Pferdepocken gewöhnlich in der Form der sogenannten „Schutz-Maukequot; aufzutreten und weit seltener (als in Frankreich und in verschiedenen anderen europäischen Ländern) vorzukommen. Nach Bouley sind dieselben in der Gegend von Paris häufiger als die Kuhpocke. Dasselbe scheint auch für Lyon der Fall zu sein. Chauveau sagt wenigstens, dass die Pferdepocken in der Gegend von Lyon weit häufiger als die Kuhpocken beobachtet worden; diese relative Seltenheit der Kuhpocken glaubt er aber zum Theil dem Umstände zuschreiben zu sollen, dass die Individuen der Rinder­spezies weniger als die Pferde durch Personen untersucht werden, welche die Pocken kennen. Diese bestellen in einem pustulösen Exan-them auf der hinteren Fläche des Fesselgelenkes, dessen Ausbruch in der Regel ein mehr oder weniger ausgesprochenes Fieber voraus­geht. Alsbald stellt demnach an der hinteren Fläche des Fesseis, be­sonders der weiss gezeichneten Hinterfüsse, eine warme, schmerzhafte Röthung und Geschwulst der Haut sich ein, welche sich meist nicht auf die Köthe beschränkt, sondern über das Fesselgelenk hinaus nach oben steigt und in höherem oder geringerem Grade Steifigkeit und Hinken verursacht. Drei bis 5 Tage nach Eintritt des Fiebers ent­stehen mehr oder weniger zahlreiche Knötchen, die zu Bläschen und Pusteln sich transformiren, aus denen eine gelbliche, zähe, an der Luft schnell zu braunen Krusten vertrocknende Flüssigkeit aussickert, welche die Haare mit einander verklebt. Auch auf der Maul- und Nasenschleimbaut kommt es manchmal zur Bildung erbsengrosser
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Die Poclu'u der Pferde; Kopf-Exantbein,
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Bliisclien, welche mit ihrer Abheilung melir oder weniger bedeutende Substanzverlusto hinterlassen. Geifern, l'esp. Nasenausfluss gesellt sich dieser Localisation regeimässig hinzu.
Das Fieber, se wie die Anschwellung der Haut lassen mit Einlritt der Poekoneruption meist bald nach, auch die Absoiulornng der ent­zündeten Hautstellon nimmt alsbald wieder ab, die Haut wird trocken die Epidermis schuppt sieh wiederholt ab, bis die Krankheit nach 8-oder 4wöchcntlicher Dauer spontan ihr Ende erreicht.
Im Jahre 1855 wurde bei jungen Remonten in Wien verschiedene Male ein blasiger Ausschlug auf der Maulschleimhaut, so wie ein pustu-löser Ausschlag au den Lippen, an der Nase, auf der Nasen- und Augeulid-Schleimhaut beobachtet. Dieses Exanthem war für andere Pferde ansteckend und konnte auf solche auch durch Impfung über­tragen werden, während die Impfung auf eine Kuh ohne Erfolg blieb, was selbstverständlich nicht gegen die Möglichkeit einer solchen Ueber-tragbarkeit spricht. Sarrans und Lafosso beobachteton dieselben im Jahre 1800 in Frankreich bei mehr als 100 Pferden und im An­fange dieses Jahrhunderts scheinen sie in Frankreich, England und Italien häufig beobachtet worden zu sein. — Andere Ursachen, als die Ansteckung, sind auch für die Pferdepocken nicht bekannt.
Bellinger (lieber Menschen- und Thierpoekon etc. in Volk-manns klinischen Vorträgen, Leipzig 1877) ist geneigt, den Ursprung der Pferdepocken mit Wahrscheinlichkeit auf die Menschenpocken, reap, auf die humanisirto Vaeeino, zurückzuführen; die Selbstständig­keit der Pferdepocken hält er für sehr zweifelhaft. Den Chauveau-sclion Versuehsresultaten gegenüber erscheinen mir Bellinger's Argu­mente nicht ausreichend, um seine Ansicht haltbar zu begründen. Wenn ja auch das Vorkommen der sogen. Schutzmauke des Pferdes (nach Bollinger 1. c. S, 11 resp. 1031) in der Häufigkeit von Ver­letzungen oder Schrunden in der Fesselgegend insoweit ein begünsti­gendes Moment findet, als dadurch dem Ansteckungsstoffe ein leicht zugängliches Atrium geschaffen wird, so ist dies doch bei der in Frankreich etc. gewöhnlich vorkommenden Localisation am Köpfen, s.w. nicht in gleicher Weise der Fall. Chauveau macht darauf aufmerk­sam, dass die Infectionsgelcgenheit bei Melkvieh eine vorzugsweise günstige ist. Wenn aber dessenungeachtet die Pferdepocke an man­chen Orten häutiger vorkommt, als die Kuhpocke, so spricht dies zu Gunsten der Annahme, dass die Pockenanlago des Pferdes keine un-bedeutendo ist. Während beim Rindvieh die Pockeneruption stets auf das Euter, resp. auf den Ilodensack und die Analgegend beschränkt
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Die rocken dor Pferde, Schweine und Hunde
zu bleiben scheint, sind beim Pferde zerstreute Pockonausscliliige nicht selten. Aus diesen Gründen erscheint es mir bedenklich, die Pf'erde-pocke als eine verirrte und nicht als eine selbststiindige Pockeuforni zu qualificiren. Eine grosso Anzahl von Uebertragungäversuchen lehren, dass das Pferd in hohem Grade wenigstens die Fähigkeit be­sitzt, das Pockengift in sich aufzunehmen und zur Vormehrung ge­langen zu lassen. So sind z. B. humanisirte mid ovinisirte Vaccine, das Blatterngift des Menschen u, s. w. mit Erfolg auf Pferde über­tragbar.
Die Prognose der Pferdepoekon ist günstig und eine arznei­liche Behandlung in der Hegel nicht erforderlich.
Bei Abhaltung äusserer Schädlichkeiten erfolgt die Heilung von selbst.
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E.nbsp; nbsp;Die Pocken der Schweine (variolae suillae). Dieselben sind nicht so ganz selten und entwickeln sieh vorzugsweise am Kopfe, am Halse, an der Brust und am Bauche, so wie an der inneren Fläche der Schenkel. Sie sind auf Mensehen und Ziegen übertragbar; ebenso können Mensehcnpocken auf Schweine übergehen. Am häufigsten werden junge Schweine von Pocken befallen, was vielleicht theilweiso darin mit begründet ist, dass durch das einmalige Ueberstehen der­selben für die übrige Lebenszeit eine Immunität begründet wird.
Der Eruption des Hautausschlages pflegt meistens ein einige Tage dauerndos Fieber vorauszugehen. Bei regelmässigom Verlaufe entwickeln sich die Sehweinepocken nach den früher gemachten An­gaben, so dass gegen den i). Tag die Blasen sich gebildet haben, deren Inhalt alsdann eitrig wird und gegen den 9. bis 10. Tag einzu­trocknen beginnt. Es kommen aber bei den Pocken der Schweine ganz ähnliche Verschiedenheiten des Verlaufes und der Ausgänge vor, wie wir dieselben bei den Schafpocken kennen gelernt haben.
In Bezug auf Prognose, Vorbauung und Behandlung gilt deshalb im Allgemeinen das auf die Schafpoeken bezüglich Gesagte. Nur die Diät muss der Thierspezies entsprechend eine verschiedene sein. Als Getränk empfiehlt sieh saure Milch, Wasser mit Sauerteig, Salpeter, Glaubersalz u. dergl. Im Anfange der Krankheit kann ein Brechmittel verabfolgt werden.
F.nbsp; nbsp;Die Pocken der Hunde (variolae caninae) sind im Ganzen selten; sie unterscheiden sich sonst nicht wesentlich von den Schaf-und Schweinepocken. Sie sollen durch Uebertragung von Menschen-
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Die Pocken dor Kniünelieii, des Hausgeflügels und des Hen sollen. 2(]1
oder Schafpoeken entstehen. Clreve sah von ü mit dem Blattern­gifte des Menschen geimpften Hunden '•'gt; an den Folgen der Pocken-eruption zu Grunde gehen. Bolllnger bezweifelt das Vorkommen der Pocken beim Hunde.
Prognose und Behandlung sind ähnlich wie bei Sehweinepocken.
In prophylactisehor Hinsieht genügt es, die unmittelbare Bö-rührung blätternder Hunde mit gesunden zu verhüten, da das Con-tiiginm der Hundepocken nur wenig flüchtig ist. (Bei Katzen schei­nen Pocken nicht vorzukommen; wenigstens sind mir keine Beob­achtungen derselben bekannt.)
G. Die Kaninchen sind für das Pookengift in geringein Grade empfänglich, während Hasen für dasselbe ganz uiunnpfänglieli zn sein scheinen. Bollinger bemerkt (1. c. S. 14, resp. 1034), class bis jetzt alle Versuche, das Sohafpookongift auf Hasen.zu übertrugen, iniss-lungen sind. Er zweifelt nicht, dass der Prozess, welcher irrigerweise als „Hasenpocke bezeichnet worden ist, nichts anderes sei, als die von ihm (Virchow'a Archiv B. 59, S. ^49) näher beschriebene, ge­wöhnlich mit Knoten- und Pustelbildung in und auf der äusseren Haut einhergehende, eonstitutioaello und wahrBcheinüch infectiöse Krank­heit, die der Tuberoulose oder Syphilis nähor stehe, als den Pocken. In Rede stehende Krankheit ist in Süddeutsehland und in der Schweiz unter dem Namen „Venerio oder Syphilis der Feldhasenquot; bekannt.
H. Auch beim Hausgeflügel sollen Pocken vorkommen und zuweilen eine grosso Sterblichkeit veranlassen. Der Aussehlag soll besonders an den nicht befiederten Stellen des Körpers •und um den Schnabel herum auftreten, sich auch bis in den Schlund hinein ver­breiten.
Uebertragungen dieses Exanthema auf andere Hausthiere sind meines Wissens bis jetzt nicht beobachtet und auch experimentell nicht festgestellt, weshalb die Pockennatur desselben nicht siehergestellt ist. Spinola gelang es auch nicht, Kuhpocken auf das Geflügel zu übertragen. Bollinger ist der Ansicht, dass das Isxanthcm, welches man als Pocken der Vögel angesehen habe, ein eonta^iöses Epithe-liom sei. —
I. Die Menschenhlattern (variolae).
Ob die üenschenblattern als eine Zoonose aufzufassen, resp. als humanisirte Schafpocken zu betrachten sind, lässt sich augenblick-
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262 Dlo Pookön dos Mensohen In ihren Beziehungen zu den Thier-Pooken^
II.
lieh weder bestiiimt bejalicn, noch verneinen, da man zur Zeit nicht zu entscheiden vermag, ob jene in diesen ihre riauptursprungsquelle haben und ob die Häufigkeit des epidemischen Auftretens der Menschen­blattern in früheren Zeilen vorzugsweise auf den grösseren Verschleiss von Fellen und Wolle pockenkranker Schafe zurüekzuführeu ist. Unsere Kenntniss des Verhaltens thierischer Ansteckungsstoffe gegen­über dem Menschen ist immer noch eine sehr unvollkommene; das Verhalten der Schafpocken zu den Menschenblattern verdient jedenfalls die Aufmerksamkeit der Aerzte in höherem Maasse, als manciie andere Dinge. Dass die l'ockenausscliliige des Menschen und der Thiere sehr nahe verwandt sind und einander substituiren können, insofern der Ansteckungsstoff von der einen auf die andere Spezies mit Erfolg übertragen werden kann, unterliegt heute wohl keinem Zweifel mehr.
Bollingor sagt (I. c. S. 5 reap. 1025): den Mensohenpocken am
nächsten von alhsu Tliierpocken stehen zweifellos die Sehafpocken___
Die ersten Nachrichten über die Sehafpocken stammen ungefähr aus derselben Zeit, nämlich aus dem 15. Jahrhundert, wo die Mensehen-pocken zuerst in Mitteleuropa auftraten; diese, wie die Sehafpocken sind wahrscheinlich aus dem Orient eingeschleppt und gegenwärtig über fast ganz Europa verbreitet. Im Ucbrigen hält Bellinger (1. c. S. 3 rosp, 1023) die Menschenblattern und die Sehafpocken für 2 wohl characterisirto Pockenarten im naturhistorischen Sinne, die vielleicht mit einander verwandt, sogar homolog, aber durchaus nicht identisch seien. Die wechselweise Uoberimpfbarkeit verschiedener Thierpocken und der Menscheublattcrn beweise noch nicht, dass die­selben identische Krankheiten seien.
Es ist bekannt, dass die Schafpocken auf verschiedene Tiiier-arton und auf dun Menschen übergehen können, jedoch scheint dies nicht gerade häufig der Fall zu sein. Schmidt thcilt im Magazin für die gesammte Tliiorheilkunde 1878 S. 4(57 mit, dass er während Ausübung der Schafpoeken-Impfung sich mit der Impfuaclel in einen Finger gestochen habe, Die Verwundung wurde nicht weiter beachtet, weil der Berichterstatter im Laufe der vorausgegangenen letzten 15 Jahre sich häufig in ähnlicher Weise bei der Ovination verletzt hatte. Derselbe war ausserdem im Jahre 1867 mit ganz frischer, noch warmer Vaccine ohne Erfolg geimpft worden. — Am dritten Tage nach der letzten unfreiwilligen Impfung mit Sebafpockenlymplie machte sich auf der Stichstello ein runder, linsengrosser weisser Fleck be­merkbar : dieser war zunächst nur wenig auffallend hyperämisch um­säumt. Während der folgenden nächsten 4 Tage grenzte sich um den
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[ufeotion von Mensclien mit Schafpockengirt u. einesSeluiles mitBlntterngil't d. M. 203
ccntralen Fleck ein breiterer hyperämischer Hof ab. Am Oten Tage wurde das Centrum, welches scheinbar ein Bläschon bildete, ange­stochen, ohne dass eine Flüssigkeit austrat. In den niiehsten 7 Tagen zeigten sieh keine besonderen Veränderungen; am 17ten Tage nach der Infection vergrösserte sich die kranke Stelle bis zu 2 Ctm. Durch­messer und nahm eine schwarzrothe Farbe an. Tags zuvor war die betreffende Hand durch kalten Regen sehr nass geworden. Der Finger fing nunmehr an heftig zu brennen und die Achseldrüsen schwollen etwas an, wobei ein leichtes Fieber sich einstellte. Am 22. Tage nach der Impfung hatte sich eine grosse Blase mit klarer Lymphe gebildet. Von jetzt an nahmen die Erscheinungen ab, bis am 28ten Tage nach der Impfung in Folge einer neuen Erkältung beider Hände auf diesen Nebenpocken zur Entwicklung kamen, mit deren Eruption das Fieber, die Schmerzen und Schwellung der Achseldrüsen wieder zunahm. Am 38ten Tage nach der Impfung war die Abheilung der Pocken erfolgt, worauf noch einige Furunkel an der linken (nicht geimpften) Hand auftraten.
Kreisthierarzt Gröring berichtet (Mittheilungen aus der thier-ärztlichen Praxis im preuas. Staate, Berlin 1870 S. 42) wörtlich: „Das Impfgeschäft nahm ich am 10. Decbr, (1808) vor. In der Nacht vom 15. zum 16. Decbr. bekam ich heftiges Fieber mit Schmerz am ganzen Arm, Lymphgefässe und Achseldrüsen schwollen an, und ent­leerte ich am 7. Tage aus der reifen Pocke zwei Glasröhrchen voll schöner, klarer Lymphe, welche ich mit dem besten Erfolge wieder bei gesunden Schafen einimpfte. Die an meiner Hand vorhandene Pocke schuppte am 32ten Tage nach geschehener Infection ab und liess sich nach Ende März (1809) als ein dunkelrothes Fleckchen in der Haut erkennen.quot;
Auch Kreisthierarzt Krekeler theilt am vorhin angegebenen Orte mit, dass er sich mit Schafpockenlymphe inficirt und an der rechten Hand mehrere grosse schöne Pocken sich zugezogen habe. Umgekehrt scheinen denn auch die Mensehenblattern bei Thieren Pocken erzeugen zu können. Küchenmeister ist es nämlich ge­lungen, ein Schaf in der Weise zu inficiren, dass er demselben das von einem pockenkranken Menschen getragene Hemd 1 Stunde lang vorband und dadurch eine deutliche Poekeneruption erzielte.
Da die Blatternopidemien manchmal sehr mild und gutartig, manchmal aber sehr mörderisch auftraten, so kam man in früheren Zeiten zunächst auf den Gedanken der freiwilligen Blatternansteckung, indem man, besonders Kinder, bei mildem Krankheitsgenius der herr-
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2(34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Blattern- und Knhpoekcn-Impl'ung des Menschen.
sehenden Blatternepidcraic, zu pockenkranken Menschen ins Bett legte, um sie auf diese Weise für die Zeit einer bösartigen Epidemie immun zu machen. An den Kranken wurde von den Angehürigeu dos so mit Blattern gift Inficirtcn in der Regel eine Zahlung geleistet, weshalb man dies Verfahren als „Blatternkaufenquot; bezeichnete. An die Stelle desselben trat aber später die in China und Indien schon sehr früh geübte Einimpfung des echten Blatterngiftes, womit unver-kenubaie Vortheile, aber auch gewisse Uebelstände verbunden waren. Der hauptsiiehliehste Nachtheil dieser Impfung war der, dass die auf diese Weise Groimpften das Blatterngift leicht auf Personen ihrer Umgebung, welche nicht immun waren, übertrugen und so zur Ent­stehung und Ausbreitung der l'oekenepidemion mit beitrugen.
Deshalb wurde diese Methode in England, wo sie im Laufe des 18. Jahrhunderts sehr in Aufnahme gekommen war, im Jahre 1840 vollständig verboten.
An ihre Stelle trat allmählich die Kuhpockenimpfung (Vaccination), welche von Jenner nicht eigentlich erfunden, aber in der wirksamsten Weise zur Anerkennung gebracht worden ist. Schon im Jahre 1713 hatte Salger und 17(38 Sutton und Fewster in der Londoner medici-nisehon Gesellschaft über die Sehutzkraft der Kuhpockenimpfung Mit-theilung gemacht, ohne besondere Beachtung gefunden zu haben. Im Jahre 1774 hatten der Pächter Benjamin Jesty in Gloucestershire und im Jahre 17(J1 der holsteinische Lehrer Plett die K^hpoekcn-impfung versucht, ersterer au seiner eigenen Familie (an Frau und Kindern), letzterer an den Kindern des Pächters Martini.
Jenner impfte am 14. Mai 1790 zu Berkeley zuerst einen Bjäh-rigen Knaben mit der Lymphe aus einer Pockcnpustel eines Mädchens, das sieh beim Melken einer mit Pocken behafteten Kuh inficirt und an den Händen Pockcnblasen bekommen hatte. Zwei Monate später impfte er den nämlichen Knaben mit Blatterngift und wiederholte dies mehrmals auch bei anderen Personen, aber stets schloss die erfolgreiche Impfung des Kuhpockengiftes das Haften des Blatterngiftes aus, so dass die Vaccinirten mit den blatternkranken Menschen in der innigsten Weise verkehren konnten, ohne angesteckt zu werden. Bereits im Jahre 1799 entstand dann in London ein nationales Vaeeine-Etablissej ment, in welchem über 5000 erfolgreich vaccinirte Menschen später mit Blatterngift geimpft wurden, ohne dass letzteres jemals zur Wirk­samkeit gelangte. So wurde denn schon damals die Schutzkraft der Vaccination gegen die Menschenblattern ausser Zweifel gestellt.
Man glaubte eine lange Zeit hindurch, dass die so begründete
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Gefahren der Vaceinution dlt; M. Briangang einer Pooken-ImmunltAt. 2(i5
Immunität gowöhnlldi das ganze, oft viele Jahrzehnte dauernde Menschenleben bestehen bleibe. Diese Annahme hat sich indes.s als ein Irrthuni herausgestellt, der von fanatischen Itnpfgegnern vielfach über Gebühr zur Bekämpfung der Kuhpockenimpfung ausgebeutet worden ist.
Was im Uebrigen die Opposition gegen die Vaccination des Menschen anbelangt, so erkenne ich gern an, dass dieselbe in manchen Dingen eine gewisse Berechtigung hat und dem aligemeinen Wohle dadurch zum besonderen Vortheile gereicht, dass die mit der Impfung verbundenen Gefahren und möglichen Schädigungen der Gesundheit der Impflinge genauer gewürdigt und nach Möglichkeit beseitigt werden. Wer sollte z. B, nicht die Forderung unterstützen, dass alles aufge­boten werde, um die mit der Impfung verbundenen Gefahren einer Blutvergiftung der Impflinge, sei es mit dem Virus der Syphilis, der Tuborculose oder mit irgend einem anderen Krankheitsgifte, mög­lichst fern zu halten? Auch wird jeder Unbefangene ebenso unbe­dingt zugestehen, dass ausseiquot; der Impfung noch andere Faetoren im Kampfe gegen die Pocken (wie gegen alle übrigen Seuchen) von grossom Worthe sind. Andrerseits aber kann nur blinder Fanatismus der Impfung jeden Anthcil an der Minderung (resp. erfolgreichen Bekämpfung) der Pocken absprechen.
Eine Immunität gegen die Wirkungen des Blatterngiftes kann aber nicht nur nach der Geburt durch cutane Impfung, sondern auch im Mutterleibe erworben werden. Es sind derartige Fälle nicht wonige in der Literatur verzeichnet. Ich will hier indoss nur einen solchen mittheilen, der auch in anderer Hinsicht interessant ist. Eine 22jährige Frau, welche an den Blattern schwer erkrankt war, gebar in der Ab-trocknungsperiode ein Kind, dessen Haut ohne Spuren von Pocken­narben war. Das Kind wurde nach einem Monat, während dessen es in einem Saale mit Pockenkranken geblieben war, 3mal erfolglos ge­impft und zwar mit Lymphe, die bei allen anderen Iinptlingen an­schlug. (Desnot, Jahresbericht von Virchow und Hirsch 1871 Bd. 11, S. 27(3.) Bollingor, der (a. a. O. S. 35 resp. 1055) diesen Fall auch citirt, bemerkt, dass man annehmen müsse, das Kind habe im Mutter­leibe die „Pocken ohne Hautausschlagquot; durchgemacht. Dieser Schluss ist durch zahlreiche Erfahrungen, sowohl für die Menschenblattern, wie auch für die Schafpocken, sichergestellt. Es sind aber auch viele Fälle beobachtet, bei welchen die Früchte pockenkranker Mütter (bei Menschen und Schafen) pockenkrank geboren wurden.
Ich schliesse die Controverse über die Vaccination des Menschen
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Deuiiiif's Urtlicil über den Impfzwang beim Menschen.
15'
mit folgenden Worten Deinme's (s. die Schrift: Nutzen und Schaden der Schutzpoekeuimpfung von Prof. Dr. 11. Demme, Arzt am Jeuner'-schon Kinderspitale in Bern, 1870):
„Eine rationelle, ruhige und sachlielio Opposition der Impfgegner, wie sie bereits im Laufe dieser Arbeit anerkannt worden ist, dllrfen wir nicht gering schützen, sondern müssen ihr vielmehr von unscrni Standpunkte aus aufrichtig Dank wissen. Denn dadurch wird das Interesse für die Impffrage fortwährend wach gehalten, wir selbst aber werden zur unermüdlichen, gewissenhaften Prüfung und Unter­suchung der noch dunklen Punkte der Impflchre angespornt und erhält das Volk, durch die allseitig geübte strenge Controlc und offene Kritik, die beste Garantie für die richtige Ausübung unserer impfärztlichen Thätigkeiten.
Wie alle Dinge und Schöpfungen in unserem Mensehenlobeh, so hat eben auch die Schutzpockcniinpfung ihre Licht- und Schattenseiten. Wenn wir aber die Vortheile und Nachtheile der Vaccination einander gegenüberstellen, so überwiegt die Summe der Ersteren um Vieles die der Letzten. Dem einzelnen Individuum mag, wie wir gesehen haben, vielleicht in seltenen Fällen dadurch ein Schaden zugefügt werden, der Qesammtheit der Menschen aber gereicht die Entdeckung der Schutzpockenimpfung zum grösston und bleibenden Nutzen.
Und wie wir nicht unterlassen werden, uns des Pulvers und Dynamits zum Sprengen unserer Felsen zu bedienen, obschon durch unglückliehen Zufall oder Sorglosigkeit schon so manches Menschen­leben dabei verloren ging ete. etc., so werden wir auch in Zukunft fortfahren, unsere Kinder und uns selbst durch Schutzpockenimpfung vor der mörderischen Krankheit der Mensehcnblattern zu schützen.
Vom Standpunkte der freien Selbstbestimmung aus mag es be­klagt werden, dass eine, wenn auch noch so heilsame Gesundheits-Sehutzmassregel der Menschheit gesetzlich aufgezwungen wird. Es muss jedoch immer wieder darauf hingewiesen werden, dass es sich beim Impfzwange nicht nur um eine gesetzliche Sehutzmassrcgcl für den Einzelnen, sondern auch um eine solche für die Gosamintheit handelt. Denn jeder einzelne nicht Geimpfte kann die Veranlassung zu einer neuen epidemischen Ausbreitung der Menschenpocken und dadurch namentlich die Todesursache für zahlreiche, ihres zarten jugendlichen vVltcrs wegen noch nicht geimpfte Kinder werden.
Hoffen wir, dass die fortschreitende wissenschaftliche Forschung und Erkenntniss das Verfahren der Schutzpockenimpfung stets mehr und mehr vervollkommnen und seiner möglichen Gefahren gänzlich ent-
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Die auf Sohafpooken bozttgliohen Gesetze des deutsohen Relohes, 267
kleiden werde und dass die zunelimonde Aufklärung und Bildung den zur Zeit noeli imcntbelirliehen gesetzlichen Impfzwang' .sdiliesslieh von sell)st aufhebe und entbehrlich mache,8
Die Vorschritten des deutschen Reiclis-Vioiiscucliengesctzes be-ziclien sich nur auf die Pockenseuche der Schafe. Dieselben lauten:
sect; 40. Ist die Pockenseuche in einer Schafherde festgestellt, so muss die Impfling aller zur Zeit noch seuehenfreion Stücke der Herde angeordnet worden.
Auf den Antrag des Besitzers der Herde oder dessen Vertreters kann für die Vornahme der Impfung eine Frist gewährt werden, wenn nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes die sofortige Impfung nicht zweckmässig ist.
Auch kann auf den Antrag des Besitzers oder dessen Vertreters von der Anwendung der Impfung ganz Abstand genommen weiden, sofern Massregeln getroffen sind, welche die Abschlachtung der noch seuchenfroien Stücke der Herde innerhalb 10 Tagen nach Feststollung des Seuchenausbruches siehern.
sect; 47. Gewinnt die Seuche eine grössere Ausdehnung, oder ist nach den örtlichen Verhältnissen die Gefahr einer Verschleppung der Seuche in die benachbarten Schafherden nicht auszuschlicssen, so kann die Impfung der von der Seuche bedrohten Herden und aller in dem­selben Orte befindlichen Schafe polizeilich angeordnet werden.
sect; 48. Die geimpfton Schafe sind rücksichtlich der polizeilichen Schutzmassregcln den pockenkranken gleich zu behandeln.
sect; 49. Ausseiquot; in dem Falle polizeilicher Anordnung (sect;sect; 46 u. 47) darf eine Pockenimpfung der Schafe nicht vorgenommen werden.
Die Instruction des Biindesrathes vom 24. Februar 1881 enthalt in Bezug auf die Pockenseuche der Schafe folgende Vorschriften:
a. Vordacht der Seuche oder der Ansteckung.
sect; 92. Wenn ermittelt wird, dass der Verdacht der Erkrankung oder der Ansteckung bisher eeuchefreier Schafe mit Rücksicht auf eine nachgewiesene un­mittelbare Berührung derselben mit pockenkranken Schafen, oder aus anderen Ursachen vorliege, ein Ausbruch der Schafpockenseuohe Jedoch zur 'Zeit nicht festgestellt werden kann, so hat die Polizeibehörde die betreffenden Sehafc unter polizeiliche Beobachtung zu stellen.
Erklärt der beamtete Thierarzt (sect; 2, Absatz 8 des Gesetzes) nach Ablauf von 14 Tagen den Verdacht für beseitigt, so ist die polizeiliche Beobachtung wieder aufzuheben.
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208 I*'1-' ftttf Sohfirfpooken bezUglloben Gesetze des dentsohen Reiclies.
b. Ausbrnoh der Seiiclic.
sect; 93. Ist der Ausbraoh iler Sobafpooken festgestellt (sect; 12 des Gesetzes] so hat die Polizeibehörde denselben anvorzdglioh auf ortsttbllohe Weise und durch Bekanntmachung in dem für amtliche Publloationen bestimmten Blatte (Kreis-,
Amtsblatt u. 8. w.) zur öllViillieheu Keuidniss zu bringen.
Das Seuchengehöft ist an dem Haupteingangsthore oder an einer sonstigen geeigneten Stelle mit der Inschrift: „Sohafpookenquot; zu versehen.
sect; 94. Zugleich hut die Polizeibehörde für sB,mmtliohe auf dem Senohen-gehöfte befindliche Schafe die Gehöftssperre anzuordnen, sofern der üesil/.er niehl die sofortige Tödtiing der Thiere vorzieht.
sect; 95. Der Weidegang der unter Gehöftsaperro gestellten Schafe ist unter der Bedingung zu gcstatlen, dnss dieselben dabei keine Wege und keine, Weiden betreten, die von seuehelVeien Schafen aus anderen Gehöften benutzt werden, und dass sie auf der Weide mit solchen Schafen nicht In Berührung kommen.
Erforderlichen Falles hat die Polizeibehörde dafür zu sorgen, dass die Be­nützung der Weide und der Zugangswege für gesunde Schafe einerseits, und für kranke und verdächtige Schafe andererseits diesen Bestimmungen entsprechend regullrt werde.
sect; 9(!. Ein Wechsel des Staudortes (Gehöftes) kann für die. unter Gelüifls-sperre gestellten Schafe von der Polizeibehörde gestattet werden, wenn damit nach der Erklärung des beamteten Thierarztea die Gefahr einer Verschleppung der Seuche nicht verbunden 1st,
sect; 97. Dem Besitzer des Seuchengehöftes oder dem Vertreter des Besitzers ist die Durchführung der nachfolgenden weiteren Verkehrsbesohrftnkungen auf­zuerlegen :
1)nbsp; Die Abfuhr von Schafdünger aus dem Seuchengehöfte auf solchen Wegen und nach solchen Grundstücken, welche auch mit Schafen aus seuohenfreien Ge­höften betrieben werden, ist zu verbieten, sofern die Gefahr der Verschleppung der Seuche durch anderweitige polizeilich anzuordnende Vorkehrungen nicht be­seitigt werden kann;
2)nbsp; Kauhfiitter oder Stroh, welches nach dein Orte seiner Lagerung als Träger des Ansteckungsstoffes anzusehen ist, darf uns dem Seuchengehöfte nicht ent­fernt werden;
3)nbsp; Schäfer und andere Personen, welche mit den kranken Schafen in Be­rührung kommen, dürfen zur Abwartung und Pflege von Schafen in seuchefreien Gehöften nicht verwendet werden;
4)nbsp; die zu den unter Gehöftssperre stehenden Herden gehörigen Bunde müssen, so weit sie nicht zur Begleitung der Herden benutzt werden (sect;sect; 95, 911 und 10G), festgelegt werden;
5)nbsp; unbefugten Personen ist der Zutritt zu den kranken oder verdächtigen Schafen und deren Ställen nicht ZU gestatten;
(i) fremde Sehare dürfen das Seuchengehöft nicht betreten;
7)nbsp; gemeinschaftliche SehaCwäschen dürfen von den der Sperre unterwor­fenen Schafen nicht benutzt werden ;
8)nbsp; Personen, welche, der Sperre, unterworfene Schafe geschoren haben, dürfen innerhalb der nächstfolgenden 8 Tage mit anderen Schafen nicht in Be­rührung kommen ;
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Die auf Sdiariiockeu bezUgliohen Gesetze des deutschen Reiclies. 2G9
9)nbsp; nbsp;Wolle dai'f aus dem Seuobengehöfte nur dann ausgeflllirt werden, wenn sie in festen Säcken verpackt ist;
10)nbsp; nbsp;Häute von yel'allenen oder getödteten pockenkranken Scharen dürfen aus dem Seucliengeliofte mir In vollkommen getrocknetem Zustande ausgeführt werden, sofern nicht die directe Ablieferung derselben an eine Gerberei erfolgt.
sect; 'J8. Die Polizeibehörde hat die sofortige Impfung aller zur Zeit noch seuchefreien Stücke der Herde anzuordnen , in welcher die Pockenseuche l'cst-gestellt ist.
Auf den Antrag des Besitzers der Herde oder dessen Vertreters kann für die Vornahme der Impfung eine Frist gewährt werden, wenn nach dem Gut­achten des beamteten Tlüerarztcs mit Rücksicht auf den Zustand der Schafe, oder auf andere äussere Verhältnisse die sofortige Impfung nicht zweckmässig ist;
Auch kann auf den Antrag des Besitzers oder dessen Stellvertreters von der Anwemhing der Impfling ganz Abstand genommen werden, sofern Massregeln getroffen sind, welche die Absolllaohtling der noch seuchenl'reien Stücke der Herde innerhalb 10 Tagen nach Feststellung des Senchenausbriicbs sichern (sect; 40 des Geselzes).
sect; 99. Gewinnt die Seuche eine gmssere Ausdehnung oder ist nach den örtlichen Verhältnissen die Gefahr einer Verschleppung der Seuche in die be­nachbarten Schafherden niclil auszuschlicssen, so kann die Polizeibehörde die Impfung der von der Seuche bedrohten Herden und aller in demselben Orte be­findlichen Schafe anordnen (sect; 47 des Gesetzes).
sect; 100. Die geimpften Schafe sind rüoksichtlich der polizeilichen Schutz-massregeln den pockenkranken gleich zu behandeln (sect; 48 des Gesetzes).
sect; 101. Die polizeilich angeordnete Impfung muss in allen Fallen unter Aufsicht des beamteten Thierarztes erfolgen, sofern sie nicht von ihm selbst aus­geführt wird (sect; 23 des Gesetzes). Die Polizeibehörde hat im erstereu Falle den beamteten Thiernrzt zu beauftragen, die geimpften Schafe in der Zeit vom 9. bis 12. Tage nach der Impfung zu untersuchen und, soweit erforderlich, die sofortige Nachimpfung derselben anzuordnen.
sect; 102. Aussei' in dem Falle polizeilicher Anordnung (SS 98 und 99) darf eine Pockenimpfung der Schafe nicht vorgenommen werden (sect; 49 des Gesetzes).
sect; 103. Im Falle des S 99, wenn die Seuche im Orte selbst oder in dessen Umgegend eine grössere Verbreitung gewinnt, oder wenn die Impfung der be­drohten Herden angeordnet ist, sind an Stelle der in den #9632;?sect; 94 bis 98 dieser Instruction bezeichneten Schutzmassregeln für den oder die von der Seuche be­fallenen Orte und deren Feldmarken nachfolgende Verkelirsbcschränkungcn an­zuordnen :
1)nbsp; die Ausführung von Schalen, von Schafdünger und von Rauhfutter oder Stroh, welches nach dein Orte seiner Lagerung als Träger des AnsleckmigsstolVes anzusehen ist, darf nicht stattfinden;
2)nbsp; nbsp;die Ein- oder Durchführung von Schafen darf nur mit Erlanbniss der Polizeibehörde unter Ueobachtung der von derselben vorzuschreibenden Schutz-massregeln erfolgen;
3)nbsp; Wolle darf nur mit Erlanbniss der Polizeibehörde und nur dann aus­geführt werden, wenn sie in festen Säcken verpackt ist;
4)nbsp; Häute von gefallenen oder getödteten pockenkranken Schafen dürfen
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270 ^Je !Ul' Sohal'pooken bezügllohon Gesetze des deutschen Reiches.
mir in vollUoinmen getrookneteiu Zustande ausgeführt werden, sofern nicht die directe Ablieferung derselben an eine Gerberei erfolgt;
5) der Weidegang der-Schafe Innerhalb der Feldmark ist zwar y.n gestatten, jedoch liat die Polizeibehörde rttokslohtlioh desselben diejenigen Einsi'lirünkniijren anzuordnen, welche erforderlich sind, um eine Uebertrngiing Air Seucho in die seuclienl'rcien A'iohstündc der benachbarten Ortschaften zu verhindern.
Bei Scucheniuisbriicheii in grossen Ortschaften können die Vorschriften dieses Paragraphen auf einzelne, Theüe des Ortes oder der Feldmark beschränkt werden (S 22 des Gesetzes),
S 104. Wird die Seuche bei Treibherden oder bei Thieren, welche sich auf dem Transporte belinden, festgestellt, so hat die Polizeibehörde das Weiter­treiben zu verbieten und die Absperrung der Thicre anzuordnen.
Beim Transport auf Elsenbahnen kann die Weiterbeförderung his zu dem Orte gestattet werden, an welchem die Thiere dnrehseuchen oder abgeschlachtet werden sollen ; jedoch ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Berührung mit anderen Schafen ausgeschlossen wird.
sect; 105. In allen Fallen eines Scnchenausbruches hat die Polizeibehörde den Besitzer der von der Pockenseuohe befallenen Schafe oder dessen Vertreter anzu-h'altcn, von der erfolgten Abheilung der Pocken eine Anzeige zu machen. Auf diese Anzeige hat die Polizeibehörde ohne Verzug eine Untorsnchnng der Schafe durch den beamteten Thierarzt anzuordnen (vergl. auch Sj 108).
S 100. Nach Abheilung der Pocken kann die Polizeibehörde die Ausfüh­rung der den Absperrungsmassrcgeln unterworfenen Schafe zum Zwecke sofortiger Abschlachtung gestalten :
1)nbsp; nbsp;nach benachbarten Ortschaften ;
2)nbsp; nbsp;nach in der Nähe liegenden Eisenbahnstationen behufs der Weiter­beförderung nach solchen Schlachtvichhöfen oder ölVcntlichen Schlackt hänsern, welche unter geregelter veterinärpolizeilicher Aufsicht stehen, vorausgesetzt, dass die Thicre diesen Anstalten direct mittelst der Eisenbahn oder doch von der Abladestation aus mittelst Wagen zugeführt werden.
Durch vorgängige Vereinbarung mit der Eisenbahnverwaltung oder durch unmittelbare polizeiliche Begleitung ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Berüh­rung mit anderen Schufen auf dem Transporte nicht stattfinden kann. — Auch ist der Polizeibehörde des Schlachtortes zeitig von der Zuführung der Schale Kenntniss zu geben. — Das Abschlachten der Schafe muss unter polizeilicher Aufsicht erfolgen.
c) Desinfection.
sect; 107. Die Desinfection der Stallungen und Räumlichkeiten, in welchen pockenkranke oder geimpfte Schafe gestanden haben, muss nach Angabo des beamteten Thierarztcs und unter polizeilicher Ueberwachnng erfolgen.
Der Besitzer der Stallung oder dessen Vertreter ist anzuhalten, die erfor­derlichen Desinfectionsarbeitcn ohne Verzug ausführen zu lassen.
lieber die erfolgte Ausführung der Desinfection hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
d) Aufhebung der Sohutzmassregeln.
#9632;? 108. Die, Senchc gilt als erloschen und die angeordneten Schnlzmassregeln sind aufzuheben :
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Die nutquot; Sdinlpocken bcziigliclieu Gesetze Üosterrcichs.
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wenn nach der Erklärung des beamteten Tluerarztes die Pocken bei den Schalen gänzlich abgeheilt sind, und
wenn nach der Abheilung- der Pocken noch ein Zeitraum von 00 Tagen
verflossen ist.
sect; 109. Nach Aufbebung der Sclml/.massregelu hat die Polizeibehörde das Erlöschen der Seuche durch amtliche Publication in gleicher Weise wie den Aus­bruch der Seuche (sect; 93) zur öll'entliclien Kenutniss zu bringen.
Dem Führer einer nach sect; 104 abgesperrten Treibherde ist auf seinen Au­trag eine Beseheinigung darüber auszustellen, dass die angeordneten Schutzmass-regeln wieder aul'gehoben sind.
Die bezüglichen Bestiininungon des (isterreichiselicn Vieliseuchen-gesetzos vom 29. Februar 1880 lauten t'olgenclemassou;
e) i'oeken- oder Blattornseuche der Schafe.
sect; 30. Wenn bei testgestellter Pockenseuclie die Absonderung und Absperrung der kranken von den gesunden Thieren nicht durch­geführt werden kann, oder wenn die Krankheit unter der Horde eine grössere Verbreitung erlangt, so ist die Nothinipfung der noch seuche­freien Stücke durchzuführen.
Bei drohender Gefahr der Verschleppung des Ansteekungsstoffes in benachbarte Herden kann von der politischen Bezirksbehörde die Impfung der von der Seuche bedrohten Herden angeordnet werden.
Der Eigonthümer einer Schafherde darf die Schutzimpfung der­selben nur nach vorher eingeholter Bewilligung der politischen Bezirks­behörde vornehmen lassen. —- Die geimpften Schafe sind rücksicht­lich der Veterinär-polizeiliehen Massregeln gleich den pockenkranken zu behandeln.
Das Schlachten pockenkranker Schafe zum Zwecke des Fleisch­genusses ist verboten.
Die ministerielle Verordnung vom 12. April 1880 enthält in Bezug auf Pocken folgende Durchfiihrungsbeslunmungen:
1)nbsp; Wird die Pockenkrankheit in einer Schafherde oonstatirt, so ist die Absonderung der kranken Thicre von den gesunden und wenn möglich die Parzellirung der letzteren zu veranlassen; für beide Abtheilungen ist die Stall­sperre anzuordnen.
2)nbsp; Der Weidegang der noch gesund erscheinenden Schafe kann unter Ver­hältnissen, welche eine Verschleppung des Anstcekiingsstolfcs aussehliessen, ge­stattet werden.
3)nbsp; Aus dem gesperrten Stalle darf Schafdiinger unter Einhaltung aller gebotenen Vorsichtsmnssregeln nur auf solchen Wegen und auf solche Grund-stücke verbracht werden, welche von den Schafen gesunder Höfe nicht betreten werden.
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Die auf Soha^pooken bezüglichen Gesetze Oesten'eielis.
II
4) Knulil'utter und StreuvnaU'i'iiil, welobea in dem Seiichenstdle und auf dessen Hoden lagert, darf während der Senohendauer nieht uns dem Gehörte gebracht werden.
fgt;) Selmrwolle, die im verseuchten Gehörte lagert, darf nur in rtesinCicirtem Zustande und in Siicken verpackt, mit Bewilligung der Seuchencommissicm oder der polilisehen Behörde, ans dem Gehöfte gebracht werden. Personen, welche mit der Wartung pockenkranker Schale besohüftigt sind, oder mit ihnen in Be-riibnuig kommen, dürfen andere Schafstiille nicht betreten. Vor dem Verlassen des Seuchenhofes haben sie ihre Kleider zu reinigen und ihr Schuhwerk abzu­waschen,
01 Fremden, unberufenen Personen ist der Zutritt in die Seuchensüüle nicht za gestatten,
7)nbsp; Gemeinschaftliche Ornnnen, Tränken, Schafwäschea dürfen von den der Sperre unterworfenen Schafen nicht benützt werden.
8)nbsp; Die im Falle der Unmöglichkeit einer Absonderung der kranken von den gesunden Schafen, oder im Falle einer grösseren Verbreitung der Seuche durohzuftthrende Nothlmpfung der noch seucheftalen Stücke (sect; 30 Alinea l' des Gesetzes) muss stets unter Aufsicht des Amtslliierarztes stattfinden.
9)nbsp; Dasselbe hat zu geschehen, wenn von der politischen Bezirksbehörde die Vorbauungsimpfling der der Ansteckungsgefahr ausgesetzten, bisher seuche­freien Herden angeordnet wird (g 'iO Alinea 2 des Gesetzes).
10)nbsp; nbsp;Der Impfstoff zur Vonialune der Noth- und Vorhauungsiinpfnng wird am geeignetsten von gutartig blätternden (eine massige Pockencriiption und massiges Fieber zeigenden) Schafen, deren Pocken im Stadium der Keife sich befinden, abgenommen, Als Impfstelle kann ein Ohr oder die untere Fläche des Schweifes benutzt werden.
11)nbsp; Bei einer grossen Verbreitung der Pockenseuche in einer Ortschaft, oder wenn der ganze Schafviehbcstand derselben der Impfung unterzogen wurde, bat die Orts-, beziehungsweise die Flursperre einzutreten. Die Ortschaft ist als gesperrt zu bezeichnen. In diesem Falle ist;
a) die Ausfuhr von Schafen, von Ranhfutter und Streu, welche in Seuchen-Ställen gelagert waren und von Schafdünger aus dem Scnehenorte, sowie
1j) die Ein- und Durchfuhr von Schafen in und durch den Seuchenort verboten.
Ausnahmen von der iiestininning zu li) dürfen von der politischen Bezirks­behörde nur dann gestattet werden, wenn durch ausreichende Sichernngsmassregeln die Ansteckungsgefahr luntaiigchiilten werden kann.
c) Der Weidegang der Scliafe innerhalb der Feldmark darf unter der Vor­aussetzung gestattet werden, dass Vorkehrungen getroffen werden, um die Ver­schleppung des AnsteckungsstoH'es auf die seuchenfreien Schafe der angrenzenden Ortschaften hintanzuhalten.
12)nbsp; nbsp;Wird die Seuche bei Thieren auf dem Triebe oder Transporte con-statirt, so ist der Weitertrich einzustellen und die Absperrung der Schafe zu vera n hissen.
18) Schafe, welche mit pockenkranken in miltel- oder unmittelbare Be­rührung gekommen sind, sind durch 14 Tage unter polizeiliche Beobachtung zu stellen.
14) Die Erlaubniss zur Vornahme der Schutziinpfung (sect; 30 Alinea 3 des
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1-..
Die Lungenseuclie des Kindes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 273
Gesetzes) darf von der politischen Bczirksbcliörde wegen der Gel'iilir einer Ver-sobleppung des Ansteokiingsstoffes nur ausnahmsweise bei Isollrteu Holen ertheilt werden. In llöl'eu, in welelien die Sclmtzimpl'iing, welche nur unter Uebenvachung des Amtsthierarzlos Stattfinden darf, diirchgerUhrt wird, sind die Sperrmassregeln strengstens ZU Imndhaben.
15) Von den Pocken nicht befallene öchnl'e einer unter Sperre stehenden Herde dürfen unter thierärztlicher Aufsicht zum Zwecke des Fleischgeniisses ge-schlaebtel werden.
10) Die Cadaver gefallener odor getödteter pockenkranker Scbafe sind auf thermischem oder chcinischem Wege, oder durch tiefes Vergraben zu beseitigen. — Die abgenommenen Häute sind zu desinliciren und dürfen erst in vollkommen getrocknetem Zustande und nach Beendigung der Seuche ausgeführt werden.
17)nbsp; nbsp;Die verseuchten Stalhiiigen und Standorte, sowie, die bei pocken-kranken Schafen in tiehranch gestandenen Geräthe sind zu desinliciren.
18)nbsp; Während der Dauer der Pockenscnche ist der Amtsthierarzt in Zwischen­zeiten von 8 Tagen zur Revision in den Seuchenort zu entsenden.
19)nbsp; Die Poclcenseache ist als erloschen zu erklaren, wenn die von der Krankheit ergriffenen oder geimpften Schafe dnrehgeseucht oder gefallen, die Pocken völlig abgebeilt sind, und die Desinfecüon der Stallungen, Standorte und Geräthe durchgeführt ist. Der freie Verkehr mit Schafen der verseucht gewesenen Herden darf Jedoch erst 6 Wochen nach dem Krlöscben der Seuche wieder ge­stattet werden.
6. Die Lungeuseuche des Kindes.
Mit diesem Namen bezeichnet man eine dem Rindvieh cigen-tliümliche Infeotionskraakheit, deren Ansteckungsstoff flucht ig- und fix ist. Gelangt dieser Ansteckungsstoff mit der atmosphärischen Luft in die Lungen eines nicht iininimeu Kindes, so entwickelt sich in den­selben in der Regel ein mehr oder woniger ausgebreiteter exsudativer Entziindungsprozess, der fLir die weitere Existenz des betreffenden Individuums vcrhängnissvoll werden kann. Bei Tbieren, welche die Krankheit einmal überstanden haben, pflegt für die ganze folgende Lebensdauer die Einpfiinglichkeit für die Wirksamkeit dos Lungen-seuchegit'tes erloschen zu sein. Ausser bei unserem Hausrinde scheint dies Gift auch auf andere Einderarten wirksam übergehen zu können. So wurden im Jahre 1877 im Zoologischen Garten zu Brüssel bei 2 Yaks, 3 Bisons und bei einem Büffel Erscheinungen einer inter-stitiellen Pneumonie angetroffen, welche mit den Erscheinungen der Lungeuseuche unseres Hausrindes übereinstimmten.
Diese Krankheit hat erst im vorigen Jahrhundert die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die erste einigennassen zuver-liisbige Erwähnung der Lungenseuche bezieht sich auf eine Mittheilung
Pütz, Lehrbuch der ansteckoiulcn Thlorkninkholtcn,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lg
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Geselüchtliches über Lungenseuche.
Valentini'raquo;, der von einer ansteckenden Bruslkninkheit spriclitj die im Jahre 1G9;5 in J [essen grassirfe, an welclier der grösste Thcil des dortigen Kindvielibestandes zu Grunde gegangen sein soll. Ohne Zweifel hat die Seuche auch vordem existirt, wenngleich uns nähere Schilderungen derselben von älterem Datum fehlen.
1701 wurde die Lungenseuche in Sehwaben und 1713 im Canton Zürich festgestellt. Seit dieser Zeit wurde sie aus der Schweiz öfter gemeldet und im Jahre 1 743 durch den berühmten Berner Gelehrten und Staatsmann Albreeht von Haller in der Umgegend von Bern beobachtet. Eine Verordnung der Berner Regierung vom Jahre 1750 beweist, dass die Krankheit derzeit schon sowohl in Bezug auf ihre klinischen Erscheinungen, wie auch in Bezug auf Entstehung und Ver­breitung einigermassen richtig erkannt war. Bereits damals hat man im Canton Bern jede arzneiliehe Behandlung widerrathen, dagegen'die Tödtung des erkrankten, so wie des der Ansteckung ausgesetzt ge­wesenen Rindviehs empfohlen. Aus Staatsmitteln wurde denen eine Beihülfe gewährt, welche von jener Massrcgel zu schwer betroffen wurden.
Später wurde die Lungensenche in verschiedenen Bezirken Frank­reichs, Deutschlands und Italiens zu wiederholten Malen und in ver­schiedener Verbreitung beobachtet. Seit dem Jahre 1790 trat sie in Folge der französischen Kriege im Allgemeinen häufiger auf; besonders war sie seit 1812 in den vorhin erwähnten Ländern sehr verbreitet. Sie erschien im Jahre 1827 in der Gegend von Brüssel, Mecheln, Löwen und Diest; vorher soll sie in Belgien nicht bekannt gewesen sein. In Holland wurde sie im November 1833 zuerst beobachtet; hierhin war sie aus Rhoinprcussen und aus französisch Flandern ein-gesehleppt worden. Sowohl in Belgien, wie auch namentlich in Hol­land erlangte die Seuche alsbald eine so bedeutende Verbreitung, dass beide Länder als die gefährlichsten Lungenseucheherde gefürchtet waren.
1841 wurde die Krankheit durch holländisches Vieh nach Eng­land verschleppt, woselbst sie bis dahin unbekannt gewesen sein sollte. Dieser Behauptung widerspricht indess die Thatsache, dass bereits im Jahre 1736 Barker die Lungenseuche nach seinen eigenen in Eng­land gemachten Beobachtungen beschrieben hat.
1847 wurde die Lungensenche von England nach Schweden und von hier im Jahre 1848 nach Dänemark, 1859 von europäischen Häfen aus nach Südamerika, 1854 nach dem Cap der guten Hoffhung und nach Australien verschleppt.
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lieber Entstehung und Helmath der Lungenseuobe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27fgt;
Nach vorstehenden Mittbeilungen über den Verbreitungsweg der Lungenseuche scheint diese Krankheit zuniichst im Westen Europa'raquo; aufgetreten, resp. beobachtet worden zu sein. Oostlich gelegene Länder, nach welchen von hier aus, oder aus anderen nachträglich Infloirten Bezirken, keine Vielieinfuhr stattgefunden hat, sind bis heute von der Lungenseuche verschont geblieben. Diese macht somit eine Aus­nahme von der Regel, nach welcher die meisten ansteckenden Krank­heiten von Osten gegen Westen sich verbreitet zu haben scheinen. Es darf dies bei Prüfung der Frage, ob die Lungenseuche für die Staaten des westlichen Europa's eine reine Contagion sei, d. h. ob das Lungenseuchegift sich auch hier nur im Thierkörper (entogen) oder auch ausserhalb desselben (ektogen) rcpioduciren und wirksam erhalten könne, nicht unbeachtet bleiben. Die Thatsache, dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, die Localisation des betreffenden Exsu-dationsprocesses in den Lungen durch Filtterungsversuche u. s. w. künstlich zu erzeugen, schliesst die Möglichkeit nicht unbedingt aus dass dennoch, unter bis jetzt unbekannten Verhältnissen, die Lungen­seuche, wenn auch nur ganz ausnahmsweise, irgendwo im Westen Europa's spontan zu entstehen vermöge. Die absolute Negation dieser Möglichkeit erscheint mir ungefähr ebenso unberechtigt, als wenn man aus den nicht seltenen Fällen, in welchen die Einschleppung des Lungen-seuehegiftes trotz der genanesten Ermittelungen nicht nachgewiesen ja nicht einmal wahrscheinlich gemacht werden kann^ folgern wollte, die Seuche müsse in diesen Fällen unbedingt spontan entstanden sein. Für die Seuchentilgnng muss jedoch daran festgehalten werden, dass die Lungenseuche entweder ganz, oder doch nahezu ausschliesslich durch Ansteckung sieh weiter verbreitet.
Warum die Lungenseuche des Rindes bei keiner anderen Thier-spezies auftritt, ist nicht näher ermittelt. Der Reichthum der Rinds-lunge an interstitiellem Bindegewebe, auf den man verschiedentlich hingewiesen hat, mag die Wirksamkeit und Vermehrung des dorthin gelangten Ansteckungsstoffes wohl begünstigen, reicht indess nicht aus, alle hier in Betracht kommenden Momente zu erklären. Ist doch der Bau der Schweinelungen dem der Rindsinngen in fraglichem Punkte sehr ähnlieh und dennoch ist das Schwein für das Lnngenseuche-Contaginm nicht empfänglich. Am ungezwungensten vermag die Lehre von der organischen Natur der Contagien und Miasmen die generellen und individuellen Immunitäten nicht nur bei der Lungenseuche, son­dern auch bei anderen ansteckenden Krankheiten zu erklären. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Lungenseuche durch einen Mikro-
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2715 OcncrelU', Immunität gegen Lungeaseüohe, Wesen dieser Krunklieit.
Organismus bedingt wird, welcher nur im Blute, resp. in den Körper­säften der Grattung „Rindquot; die erforderlichen Bedingungen für seine Vermehrung findet.
Trotz der Unmögliclikeit, auf andere Thiorspczics übergeben zu können, ist die Lungenseuehe in vetcriniirsanitätspolizeilicher Hin­sicht eine der wichtigsten Thierkrankhoiten, indem die einmal stark verseuchten Gegenden mit regem Viehwechsel schwer von ihr zu befreien sind und indem sie tiieils durch directe Verluste von lungen-seuchekrankem Rindvieh, theils durch Störung des VVirthschaftsbetriebes den Nationalwohlätand im Gx*ossen und Ganzen viel bedeutender schädigt, als die Rinderpest, oder eine andere Thierseuche. Es ist dies vorzugsweise in folgenden Verhältnissen begründet:
Die Lungensouche des Rindes zeichnet sich durch ein langes latentes Stadium aus; während desselben wird dies Oontagium bereits erzeugt Und in der Regel weiter ausgebreitet, indem man, oder weil man von dem Vorhandensein der Krankheit noch keine Kenntniss hat. Nicht minder wird die Verschleppung des Ansteckungsstoffes, resp. der Seuche begünstigt durch den chronischen Verlauf der Krankheit, so wie durch die Eigenthümlichkeit, dass sie noch lange Zeit nach dem Zurück­treten aller klinischen Merkmale anstockend bleibt.
Das eigentliche Wesen der Krankheit ist bis jetzt noch nicht ge­nügend erkannt. Dasselbe ist, aber ganz gowiss mit Unrecht, in einer exsudativon interstitiellcn Pneumonie gesucht worden. Diese Annahme wird schon dadurch widerlegt, dass exsudative Entzündungen in der Regel eine Neigung zu Rocidiven hinterlassen, während die Lungenseuche, bekanntlich gerade umgekehrt, für die nächste Zu­kunft, resp. für das ganze übrige Leben eine Immunität hinterlässt. Uoberdies kommen Fälle von sogen, natürlicher Lungenseuche vor, wo der Exsudationsprocess in den Lungen fehlt und auf verschiedene Abschnitte des Brustfelles sich beschränkt; ja es ist sogar wahrschein­lich, dass eine grosso Anzahl Thiere durchseucht, d. h. gegen Lungen­seuche immun wird, ohne dasa es bei den betreffenden Individuen zur Exsudation an irgend einer Stelle in den Lungen, oder an der Brusthaut gekommen ist. Dass ein derartiges inneres Durchseuchen ohne Localisation auch bei anderen ansteckenden Krankheiten vor­kommen kann, haben neuere Experimente zur Genüge gelehrt.
Die Ursache der Lungensouche wird ziemlich allgemein einem belebten Ansteckungsstoffe zugeschrieben. Auch ist das Vorkommen eines Micrococcus in den Producten der localen Krankhoitsprozesse allseitig anerkannt. Wie viele andere Beobachter, so habe auch ich
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Ursnchc der Lungeusouolio.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;277
denselben sowohl in den Exsudaten der Lungen und der Pleura, so wie naeh Impfungen in den Exsudaten in der Nähe der [mpfstelle. so wie in den nach directea Lungeniinpfungen entstehenden Grelenk-afteetionen stets angetroffen. Derselbe findet sich theils als isolirto Kugelbaeterien, theils zu kleineren oder langen Torulalcetten anein­ander gereiht, oder in Form von kleinen Zooglüahaufeu beisammen gelagert; auch finden sich vereinzelte unbewegliche Baoillen.
Nur beiläufig sei hier erwähnt, dass Ilallier ans diesem Micro-coceus einen Sehinunelpllz „Mucor muoedo* gezüchtet haben will. — Der Name „Lnngenseuchequot; datirt aus einer Zeit, wo die Krank­heiten nach einem hervorragenden klinischen Symptome, resp. nach der auffallendsten Seotionsersobeinung bezeichnet zu werden pflegten. Hierdurch ist die richtige Vorstellung von dem eigentlich Wesentlichen mancher Krankheiton vielfach erschwert worden. In thiorärztlichen Kreisen begegnet man in Folge dessen sogar beute noch ziemlich allgemein der irrigen Anschammg, dass die Localisationen das eigentlich Wesent­liche gewisser Krau kl miten bilden, während sie in Wirklichkeit nichts Anderes als etwas Secundäres sind. Dieselben verdienen nur deshalb unsere besondere Beachtung, weil sie den Verlauf der Einzelerkran­kungen so häufig ungünstig beeinflussen. Und dies ist namentlich auch bei der sog. „Lungenseuehe'' der Fall. Denn nicht nur, dass die in die Lungen abgelagerten Krankheitsproducte häufig den Tod des Patienten nach sich ziehen, sondern es wird auch die Dauer der Ansteckungsfähigkcit durch dieselben nicht selten ganz ausserorderit-lieb in die Länge gezogen.
Die Lungenseuehe bleibt wahrscheinlich so lange ansteckend, bis die in den Lungen abgelagerten Krankheitsproducte wieder giinzlich rosorbirt, oder anderweitig unschädlich gemacht worden sind. Es kann dies bekanntlich geschoben durch Einkapselung und Verkalkung, oder durch Bindegewobsmetamorphose u. s, w.
Dass diese Localisationen in den Lungen für das Zustande­kommen einer Immunität gegen Lungenseuehe nicht erforderlich, sondern hierfür ganz unnötbig sind, soll später näher nachgewiesen werden.
Die ersten wahrnehmbaren Krankheitserscheinungen der sogen. Lungenseuehe beziehen sich auf Störungen in den Respirations-vorgängen, die anfangs ohne Fiebersymptome auftreten und ihrer schein­baren Bedeutungslosigkeit halber gewohnlieh übersehen, oder doch nicht näher beachtet worden. Zuerst wird ein kurzer, kräftiger Husten wahr­genommen, der nur zuweilen im Laufe des Tages auftritt, so nament-
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Symptomü dor I.uiigenseuolio.
Ill
lieh Morgens, wenn die Stallthüro geöffnet und dadurch ein plötzlicher Wechsel in der Tompcratur der Stallluf't verursaelit wird; ferner un­mittelbar nach der Aufnahme von Getränk, oder gleich nach dem Aufstehen vom Lager, Allmählich nimmt der Husten an Häufigkeit zu, dagegen an Stäi'ke des Tones ab; er wird schmerzhaft, indem nunmehr auch das Athmen nach und nach beschleunigter und erschwert wird. Man erkennt dies zuerst und am leichtesten an der stärkeren Bewegung der Nasenflügel, an dem Aufsperren der Nasenlöcher heim Ehiathmon und an dem auffallenderen Hervortreten der erweiternden Nasenmuskeln. Mit dein deutlichen Hervortreten der Athembeschwerden pflogen auch Fiebererscheinungeu in verschiedenem Grade sich einzu­stellen. Das Auge wird matt, die Haare sträuben sich, die allgemeine Körperwärme steigt, während an der Körperoberfläche die Temperatur nngloichinässig vcrthcilt ist, und namentlich an den Hörnern, Ohren und Extremitäten öfter wechselt; die Fresslust mindert sich, die all­gemeine Körpcrteinperatur steigt noch mehr, das Wiederkauen lässt nach, der ICoth wird seltener abgesetzt und nimmt eine trockenere Beschaffenheit an, die Milchsekretion wird spärlicher oder hört auch wohl ganz auf. Mit der steigenden Athembeschwcrde wird die Auf­nahme des Getränkes mühsam, von Husten unterbrochen; die Kranken werden im späteren Verlaufe von der inzwischen hochgradig gewor­denen Athenmoth sehr belästigt; sie strecken den Kopf und Mals nach vorn, stöhnen, stellen die Vorderfüsse weit auseinander, trippeln mit den Hinterfüssen, sperren das Maul auf, schäumen aus diesem und sterben schliesslich an Erstickung. Wenn die Kranken sich während dos letzten Stadiums niederlegen, so geschieht dies nur für kurze Zeit und mit nach vorn gestreckten oder untergeschlagenen Vorderfiissen auf das Brustbein; die Empfindlichkeit gegen Druck auf die Brust-wandungen erreicht einen hohen Grad. Endlieh können die Patienten sich nicht mehr auf den Beinen erhalten; sie liegen dann mit gestreck­tem Halse und offenem Maule, laut stöhnend, auf der Seite; es stellt sich vor dem todtlichen Ende in der Kegel ein übel riechender Durch­fall ein.
Da das erste Stadium der Krankheit keine auffallenden, nament­lich keine characteristischen Symptome bietet, so hat man dasselbe als das vorhorgene Stadium, „stadium occultumquot;, oder wegen seiner Eiober-losigkeit „das fieherloso Stadiumquot; genannt. Dasselbe dauert Ji Wochen bis 3 Monate, unter Umständen noch länger. Auch kommen Fälle vor, wo die Patienten in diesem Stadium bis zu ihrer Wiedergenesung verharren, so dass sie die Lungenseuohe durchmachen, ohne an dor-
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Verlauf und Ausgang der Lungenseuche,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;270
selben offenbar zu erkranken. Wo die Ablagerungen in den Lungen auf ein Miniimim besebränkt bleiben, da pflegt der Verlauf der Krauk-beit ein so milder zu sein, dass sie äusserlieh gar nicht La die Er-Bobeinung tritt. Aus diesen Eigenthümlicbkeiten erklärt es sieb leicht, warum die Seuche in einem inficirten grosseren ßindviehstando ge­wöhnlich schon weiter um sieb gegriffen bat, bevor dieselbe entdeckt wird.
Das zweite Stadium der Krankheit wird das offenbare: „stadium apertumquot; oder auch das „fieberhaftequot; oder, wegen seiner kürzeren Dauer, auch das „acutequot; genannt. Dasselbe dauert gewöhnlich eine bis drei Wochen, zuweilen auch viel länger.
Der Uoboi'gang aus dem ersten in das zweite Stadium erfolgt entweder allmälilich, indem nach und nach die Erscheinungen deut­licher hervortreten; oder der Uebergang erfolgt mehr plötzlich, so dass die heute noeb für gesund gehaltenen Thiere bereits am folgenden oder dritten Tage an der Lungenseuche offenbar erkrankt sind.
Verlauf und Ausgang der Lungenseuche ist ein sehr verschie­dener. Fast von jeder Stufe der Entwicklung kann Besserung und scbliesslich Genesung eintreten. Indess führt nicht jeder Stillstand, oder jede momentane Besserung zur Genesung; es kann jederzeit ganz unerwartet und plötzlich neuerdings eine Zunahme der Krank-heitserscheinungen in verschiedenem Grade eintreten, so dass ein lungcn-souebekrankos Thier, dessen Reconvalescenz deutlich ausgesprochen zu sein schien, unter Umständen sogar schon nach 24 Stunden als Todescandidat erscheinen, ja selbst eine Leiche sein kann.
Erfolgt Genesung aus dem ersten Stadium, so pflegt dieselbe eine vollkommene zu sein.
Der Ausgang aus dem zweiten Stadium ist ein dreifach ver­schiedener, nämlich: der Tod, mehr oder weniger vollkommene Ge­nesung, oder Abzehrung.
1)nbsp; Der Tod erfolgt in der Kegel durch Erstickung, nachdem die Athcmboschvverden allmählich einen hohen Grad erreicht batten; derselbe kann aber auch unerwartet schnell eintreten, ohne dass er durch die Veränderungen in den Lungen herbeigeführt wird; es ist dies namentlich dann der Fall, wenn der Herzbeutel an der Er­krankung in höherem Grade mit bethciligt ist.
2)nbsp; Die Genesung kann je nach dem Grade der vorhandenen Degenerationen in mehr oder weniger langer Zeit, so wie mehr oder weniger vollkommen erfolgen; bei unvollkommener Genesung bleiben Athembeschwerden und Husten zurück, als Ausdruck der pathologi-
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280 Verlauf und Auagftng derLungenseuohet Individuelle luuuunltäit gegen dieselbe.
sehen Veränderungen, welche nicht zur Rückbildung gelaugten. Fieber und Athembeschwei'den lassen nach, der Husten wird kräftiger, locker und ist gewöhnlich mit reichlichem Auswurf verbunden; derselbe ver­liert sieh aber erst nach und nach, vollständig manchinal erst nach langer Zeit.
3) Auch der Abzehrung pflegen Erscheinungen von Besseiung vorauszugehen; die Fiebererseheinungen und Schmerzen verlieren sieh, der Appetit kehrt wieder, während die Störungen in der Respiration manchiiial, aber nicht immer, fortbestehen; früher oder später schreitet die Abzehrung stärker vor, welche nach einigen Monaten, oft aber erst nach einem halben Jahre, oder nach noch längerer Zeit zum Tode führt.
Man nimmt an, dass etwa 308/o der an Lnngenseuclie erkrankten Thiere sterben, aber mindestens eben so viele wegen Naehkraukheiten u. s. w. gesehlachtet werden müssen, so dass der Verlust im Ganzen auf 00 n/o und mehr angeschlagen werden kann. Eh kommen jedoch in dieser Beziehung sehr bedeutende Verschiedenheiten vor.
In Stallungen und Ortschaften, in welchen die Lungcnsouehe noch nie, oder seit langer Zeit nicht mehr, geherrscht hat, tritt sie gewöhnlich bösartiger auf, als dort, wo sie schon heimisch geworden ist, oder erst vor Kurzem erloschen war. Thiere, welche im Anfange der Seuche erkranken, werden in der Regel stärker ergriffen, als solche, welche unter sonst gleichen Verhältnissen erst später erkranken; kräftig gefütterte, gut genährte Thiere pflegen heftiger zu erkranken, als massig gut genährte Thiere, junge heftiger als alte, Stallvieh stärker als Weidevieh, namentlich bei günstiger Witterung.
Fragen wir nach dem Grunde jener Thatsachen, die sich so ziemlich bei allen ansteckenden Krankheiten wiederholen, so liegt die Vennuthung nahe, dass im Laufe der Zeit durch fortgesetzte Auf­nahme von zunächst nur geringeren Mengen des Lungenseuchegiftes, also durch eine Art von Selbstimpfung, vorerst eine relative und end­lich gar eine absolute Immunität gegen die schädlichen Wirkungen des betreffenden Giftos entsteht.
^iimint man auch filr die Lungenseuche Mikroorganismen als die eigentlichen Krankheitserreger an, so könnte man sich hier, wie bei anderen mikroparasitären Krankheiten, den Vorgang etwa so vor­stellen, dass durch den allmählichen Durchgang fraglicher Parasiten durch den Körper eines für ihre Fortsetzung geeigneten Individuums die Vermehrung jener nicht so stürmisch von statten gehe, dass da­durch auffallende Störungen in diesem verursacht werden. Das be-
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IMt'iiliysicalisehc'uUntL'r.suchmigsiiiuthocU'n bei Luiifrcnseuche. Auseultiition. 281
treffende Individuum wird so immer weniger geeignet, späteren Ge­nerationen der Krankheitserreger als günstiger Nährboden dienen zu können, wodurch dasselbe in geradem Verhältnisse immer mehr der Gefahr entrückt wird, durch das betreffende Krankheitsgift in be-merkenswerther Weise geschädigt werden zu können.
Aus dem früher Gesagton ergibt sich einerseits, dass die Dauer eines concreten Lungenseuchut'alles eine sehr verschiedene (von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten) sein kann; die Dauer der Seuche in einem grösseren Viehstande erstreckt sich häufig auf Monate und Jahre , wenn nicht strenge Massregcln zu ihrer Tilgung mit Energie und Consequenz durchgeführt werden.
Für die Diagnose der Krankheit qu., so wie für die Prognose bei derselben, liefert die physiealische Untersuchung der Brust nicht selten werthvolle Aufschliisso. Dieselbe besteht in der sogenannten „Auscultationquot; und „Percussion.*
A. Auscultation der Brust nennt man das Belauschen der Athem-geräusche von der Brustwaud aus. Das Ergebniss derselben bei der Lungenseuche ist selbstverständlich nach der Ausbreitung und dem Grade der Krankheits-Prozesse ein verschiedenes. Im Allgemeinen findet man:
a)nbsp; vermindertes Bläschengeräusch, wenn nur wenig frisches (noch flüssiges) Exsudat im interlobulären Bindegewebe vorhanden ist, so dass die Lungenläppchen noch wegsam sind;
b)nbsp; vollständige Hube, Fehlen jedes Geräusches, bei völliger Un­wegsamkeit der Bläschen mit Füllung der Bronchien.
c)nbsp; Bronchialgoräusch, mehr oder weniger starkos Blasen, älm-Ikh dem Gaumenlaute „ein oder chüquot;, wenn die Bronchien noch offen sind und mit einem grösseren Luftwege in Verbindung stehen, in welchem noch Luftströmungen nach einem gesunden Theile hin be­stehen;
d)nbsp; lleibungsgeräuselio, wenn eine mehr oder weniger dicke Ex­sudatschicht auf dor Pleura liegt, wobei aber das Reiben nicht immer, sondern nur dann hervortritt, wenn die betreffende Lungenpartie noch theilweise wegsam ist und wirklich ^noch athniet. Das Exsudat auf stark hepatisirten Lungen verursacht kein Keibungsgeräusch.
Bisweilen ist das eine oder das andere dieser Geräusche vor­handen, oft ist das Verhältniss gemischt, so dass an der einen Stelle dieses, an der andern jenes Geräusch wahrgenommen wird.
An der gesunden Seite hört man stärkeres (verschärftes), aber normales Bläschengeräusch.
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282 Die pliysicalischcnUiitcrsuchungsmetliodcu bciLungcnseuche. Pei'oasslon^
Die im Kehlkopfe gebildeten Laute (Stölmen) sind bei bestehen­dem BronehienAthmen sehr deutlich an der Brustwand zu vernehmen (Bronchophonie).
B. Percussion dor Brust nennt man die Erschütterung der Brust­wand durch Anklopfen mit der Faust oder mit einem geeigneten Hammor (Percussionshammer).
Bei unvollständiger Ilepatisation, wo die Lungeuläppchen zum grossen Theil noch Infthaltig sind, ist der Peicussionston ein ge­dämpfter, matter;
ist hingegen vollständige Hepatisation odor Wassererguss vor­handen, so ist an den betroffenen Stellen der Percussionston ein leerer — Schenkelton;
wenn an der percutirten Stelle ein kleiner Theil der Lunge noch mehr oder weniger Infthaltig ist, während in der Nachbarschaft Hepatisation besteht, so ist der Percussionston ein dünner, heller und doch matter, fast leerer.
Alle vorhin beschriebenen, klinisch wahrnehmbaren Krankhoits-erscheinungen sind an der Hand der durch die Liuigenseuche be­dingten anatomischen Veränderungen theoretisch leicht zu erklären, dagegen in der Praxis keineswegs so leicht und sicher zu unterscheiden. Dadurch kommt es, dass selbst der geübteste Diagnostiker häufig nicht im Staude ist, allein auf Grund seiner Wahrnehmungen am kranken Thiere einen Lungenseucbefall sicher zu diagnosticiren. Na­mentlich sind Verwechslungen mit anderen Brustleiden (z. B. mit käsiger Pnoumonie, mit Echinokokken u. s. w.) oben so häutig, als verzeihlich.
Wir wollen uns nun die Sectionsergebnisse zunächst etwas näher ansehen.
Im Anfange der Krankheit findet man an irgend einer Stalle, in der Mehrzahl der Fälle in der Mitte einer, seltener beider Lungen, das die Lungenläppcheu vereinigende Bindegewebe blutreich und plastisch-serös infiltrirt, Streifen von blassgelblicher Farbe bildend. Die Lungenbläschen enthalten gewöhnlich etwas Serum, selten faser­stoffige Gerinnungen. Wenn die affieirto Lungenpartie nahe oder dicht an der Oberfläche liegt, so findet man den die Lungen über­ziehenden Theil der Brusthaut (pleura pulmonalis) getrübt, mit einem dünnen, faserstoffigen Exsudat beschlagen und das subseröse Binde­gewebe infiltrirt.
Der Krankheitsprozess schreitet von dem ursprünglichen In-fectionsherde aus oft weiter vor, so dass die plastisch-seröse Infiltration
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Seotionsbefund bei Langonsenoheinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 283
des interstitiollon Bindegewebes grössore Dimensionen annimmt; die betroffonou Lungenpartien worden dann durch weissgelbe Streifen von einigen bis mehreren Mm. Breite durchzogen , und durch diese die Lungonlüppehon deutlich von einander geschieden. Letztere sind zu­nächst hyperämisch, ihre Lungenbliischeu häufig mit dicht gedrängten Zellen erfüllt. Je nach der Ausbreitung dieser Prozesse erreicht die kranke Lunge ein Gewicht bis zu 50 Pfd. und selbst noch darüber hinaus. Derartig entartete Lungen sind fest und derb (hepatisirt), knistern beim Durclischnitto nicht und zeigen auf der Seiinittfläche ein eigenthi'milichcs, marmorirtes Ansehen, bedingt durch die blass-gelben Züge des plastisch infiltrirten interstiticllen Bindegewebes, welche die im Zustand.; der „rothenquot; Hepatisation befindlichen Lungen­partien in zahlreiche Folder scheiden. Dieses marmorirte Aussehen gilt für die Lungenseiudio als chaiaetcristiseli und soll in der ange­gebenen Weise bei keiner anderen Krankheit des Rindes, noch bei irgend einer Krankheit unserer übrigen Hausthiere angetroffen werden. Beim Schweine, dessen Lunge, wie bereits erwähnt, einender Lunge des Rindes ähnlichen Biiulegewebsreichthinn besitzt, ist jedoch eine derartige Mannorirung zuweilen beobachtet worden.
Auch bei Ziegen und Ffcrdcn sollen Fälle einer interstiticllen Pneuinonie mit .Mannorirung vorgekommen sein. Es ist indess nicht wahrscheinlich, dass diese mit cigentliehorLungenseuche wesentlich iden­tisch waren, da fragliche Thicrartcn für das Lungenseuchegift keine Empfänglichkeit zeigen. Ich habe selbst die Versuche von Willems und Anderen wiederholt, und ebenfalls bei Ueberiinpfimg der Lungen-seuciielvmphe auf andere Thierarten niemals eine Reaction an der Impfstelle, noch in irgend einer anderen Weise wahrgenommen.
Ist dar Lungonseuchc-Prozess bereits in grösserer Ausbreitung bei den betreffenden Individuen vorhanden, so fehlt eine mehr oder weniger ausgebreitete Brustfellentzündung fast nie. Die Rippen-waiuhmgen, so wie die Lungenoberfläche sind mit fasorstoffigen Ge-rinmingen beschlagen, die oft eine bedeutende Mächtigkeit erlangt babon; in der Brusthöhle ist eine geringere odor grössere Menge Flüssigkeit vorhanden, welche grössere oder kleinere Pasorstoftgcrin-nungen in sehr verschiedener Menge enthält.
In den Luft röhren-Verzweigungen (Bronchien) ist gewöhnlich ein schaumiges Serum angesammelt; die feineren Zweige sind hie und da mit croupösein Gerinnsel erfüllt und die in dem erkrankten Lungen-abschnitte vorlaufenden Blutgefässe theilweise thrombirt.
In den späteren Stadien der Krankheit treffen wir die anfangs
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Secüousberiind bei Luiigenseuche.
hy()ei'äinischeu Lungonläppchcn melir oder weniger unämiscl), und verschieden verändert. Durch die Volimis-Zunahme des interstitieilen Bindogowehes, die häufig durch allmählich fortschreitende Binde-gewebsneuhildung bedingt ist, worden die Lungenläppchen nach und nach stärker comprhuirt und dadurch Ilesorptions- und andere Pro­zesse in denselben angeregt. Zunächst verliert sich nunmehr die Hyperämie; indem dadurch, so wie durch die Aufsaugung des rothen Blutfarbestoffes die Lungenläppehen blasser werden, bildet sich all­mählich der Zustand aus, den man als „grauequot; Hopatisation zu be­zeichnen pflegt. — Weiterhin unterliegen die Exsudate und zum Theil auch die i'roducte der Neubildung der fettigen oder käsigen Metamor­phose, oder sie verkalken.
In verschiedenen Fällen stellt sich in dem hypertrophischen in­terstitieilen Bindegewebe Eiterung ein, wodurch grössere oder kleinere Lnngentheile von der Umgebung abgelöst und schliesslicii von ein­gedicktem Eiter umgeben, in einer um dieselbe neu gebildeten Binde-gcwebskapsel eingeschlossen, nahezu unverändert angetroffen worden. In anderen Fällen tritt in solchen losgelösten Lungentheilen Fänlniss ein; sie zerfallen zu einer fauligen, äusserst übel riechenden Masse, welche die Entstehung von Brand in der Nachbarschaft und in Folge dessen eine allgemeine Infection verursachen.
Wieder in anderen Fällen tritt Eiterung in den hepatisirten Lungenläppehen ein; die Eitorpunkto flicssen zu kleineren Eiterherden zusammen, welche sich zu grossen Eiterhöhlen vergrössorn können. Zuweilen findet man mehrere kleinere, durch das fibrös verdickte, interlobuläre Bindegewebe von einander getrennte, mit flüssigem oder eingedicktem Eiter gefüllte Abscesse.
Nicht selten kommt es zur Nekrose umschriebener infiltrirter Lmigenstücke, welche von der Umgebung losgelöst im Lungenparcn-ohym angetrofl'en werden. Dieser Zustand kann sowohl durch Druck auf die Bronchialgefässe, wie auch durch Thrombose derselben ver­ursacht werden. Wo die Bindegewebswuchcrungen überhand nehmen, kann es zur Verödung ganzer Lmngenabscbnitte kommen.
Localisationen des Lungenseucheprozesses sollen auch nach na­türlicher Infection ausserhalb der Brnstorgane vorkommen. So hat Ziindel in manchen Fällen ein faserstofl'reiches Exsudat im Binde­gewebe der Lober, besonders in der Umgebung ihre!' Gefässe ange­trofl'en. — Die Frage, ob auch bei Rindern eine nicht contagiöse interstiticlle Pneumonic vorkommt, ist noch nicht sicher entschieden. Dr. Pauli (Berlin)theilt zwar einige Fälle von spoiadisoher interstitiellcr
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Tfl
Werth der marmorirtenllepatisation I'iir dieDiagnose dorLungonseiiche. 288
Pneumonie mit und äussert sich in Bezug auf unsoro Frage (im 31. Bande des Magazins für die gesanmite Thierhoilkunde, Berlin 1866, S. 102) folgendertnassen:
„Es existirt beim Rinde sicher ein sporadisch auftretendes Lungen-leiden, das sowohl in seinen äusseren Erscheinungen am lebenden Thiere; als auch in den Sectionsergcbnissen der Lungenseuehe ganz ähnlich, wenn nicht gleich ist. Die Behauptung Spiuola's, wonach die raarmorirte Hepatisation lediglich Folge der Organisation der Rindslungen und an sich keine Eigonthümlichkeit der Lungenseuche ist, findet daher, wie so viele Behauptungen dieses an Erfahrungen so reichen Forsehers seine volle Bestätigung.8 Auch Fürstenberg äussert sich in älmlichem Sinne. Derselbe theilt einen von Pauli fur Lungenseuche gehaltenen Fall mit (Magazin für die ges. Thierheilk. 1867 S. 331 bis 344) und bemerkt hierzu 1. c. S. 384 folgendes: „Die Rinder, welche mit dem kranken Ochsen zusammengearbeitet, ferner die, welche länger denn 5 Monate in jener Nähe gestanden, und endlich die Kühe, welche in demselben Stalle aufgestellt waren, haben weder vorher, noch zur Zeit der Besichtigung, noch nachher Zeichen der Lungenseuche wahrnehmen lassen ; sie waren und sind noch jetzt gesund.
Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass das Marmorirte des Lungensöuchedurchschnittes bei Rindern an und für sich kein Symptom ist, welches zu der Annahme berechtigt, jedes Rind, welches eine so beschaffene Lunge besitzt, als von der Lungenseuche bofalien, hinzu­stellen und ist diese bisher allgemeine Annahme fernorliin nicht mehr aufrecht zu erhalten.quot;
Diese wenigen Citate zeigen, dass mindestens Grund genug vor­handen ist, die bezügliche Frage genauer zu studieren, da dieselbe bis jetzt eine befriedigende Lösung noch nicht gefunden hat.
Die Diagnose der Lungenseuche wird einerseits auf die Krank-heitserscheinungon, andererseits auf den Verlauf und die Verbreitung derselben sich stützen müssen. Wo letztere noch nicht bekannt sind, reichen jene für sich allein häufig nicht aus; entscheidende Aufschlüsse sind dann nur durch die Section und durch andere Verhältnisse (wie z. B. Gelegenheit zur Infection etc.) zu erlangen.
Für die klinische Untersuchung lungenseuohekranken, resp. -verdächtigen Rindviehs bleibt dessenungeachtet die physicalische Ex­ploration von Bedeutung, weil durch sie manchmal Resultate sich er­geben, bevor noch das betreffende Thier anderweitige characteristische Krankheitserscheinungen bietet. Wir haben ja erwähnt, dass bereits
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Die Diagnose der Lungcnseuehe.
im occulton Stadium der Krankheit Hcpatisation in einem gewissen Umfange sich ausbilden kann. Wo demnach eine umfangreiche He-patisation bei einem Kinde ermittelt wird, das erst seit einigen Tagen offenbar brustkrank erscheint, oder anscheinend noch wenig oder gar nicht krank ist, da kann und muss man an Lungensencho denken. Man darf indess nicht glauben, dass eine vorhandene (namentlich aber jede wenig umiangreiche) Hepatis-ation in allen Füllen durch die physloalisohe Untersuchung ermittelt weiden könne. Ob dies möglich ist, wird vorzugsweise von der mehr oder weniger oberflächlichen Lage der erkrankten Lungenpartie, so wie von der Ausbreitung und dem Grade der Hcpatisation abhängen. Es kommen manchmal Fälle vor, in welchen die Luugenseueho, namentlich bei vereinzeltem Auf­treten, mit Sicherheit selbst durch die Section kaum festgestellt weiden kann. In Stallungen, in welchen die Seuche bereits festgestelltquot; ist, können Temporaturmessungen die Ermittlung lungenseuchekranker Individuen erleichtern. Man darf jedoch auch von diesem Mittel keine absolute Sicherheit erwarten, da dasselbe nur einen bedingten Werth hat. Es können ja auch in Viehbeständen, welche mit Lungenseuche inficirt sind, gleichzeitig andere fieberhafte ßrustleiden vorkommen, die mit Lungenseuche nichts zu thun haben. Die Angaben verschie­dener Autoren, dass in solchen Viehbeständen jedes Stück Rindvieh, welches 39,5deg; C. und mehr Mastdarmtemperatur zeigt, als lungen-seuehekrank zu bezeichnen sei, kann ich nur sehr bedingt bestätigen. Ich habe unter den angegebenen (und auch unter anderen) Verhält­nissen beim Rinde Temperaturen in genannter Höhe (bis zu JJO,?0 C.) wiederholt angetroffen, ohne dass die betreffenden Thicro lungenseuche-krank waren. Temperaturen von über 39,5deg; C. lassen ein der An­steckung ausgesetzt gewesenes Kind wohl als lungenseucheverdächtig erscheinen, jedoch muss dieser Verdacht noch durch anderweitige Symptome unterstützt werden, um einen höheren Grad von Wahr­scheinlichkeit zu erlangen.
Bei vorherrschendem und frühzeitigem Ergrifiensein des Herz­beuteis, wo Herzbeutelwassersucht früher als eine umfangreiche Hc­patisation sich ausbildet, kann sehr leicht eine Verwechslung mit einer gewöhnliehen Herzbeutel-Entzündung stattfinden.
In zweifelhaften Fällen wird häufig ein Aufschub der Diagnose für einige oder mehrere Tage oder Wochen und die Schlachtung des Patienten nothwendig werden. Es darf hierbei nicht unberück­sichtigt bleiben, dass die allgemeinen fntercssen weniger geschädigt oder gefährdet werden, wenn allenfalls einmal ein lungenseuche-
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Therapie, Vorbeuge und Tilyiuigsninssregeln bei Luagenseuohe.
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verdächtiges Thier zum Zwecke der Sicherstellung dor Diagnose un-schuliligervveise geschhichtet, als wean die Sicherung der Diagnose zu lange versäumt wird.
Von einer modiciuischen Behandlung lungenseuchokranker Thicro sehen wir hier vollständig ab, weil es kein Arzneimittel gibt, weiches gegen die Krankheit irgend etwas leistet.
Wichtiger als die therapeutische Behandlung der einzelnen Krank­heitsfälle sind die Vorbeuguugs- und Tilgungs-Massregeln gegen die Seuche. Dieselben werden sich wesentlich gegen die Krankheits­ursachen zu richten haben, weshalb wir diese noch etwas näher be­sprechen wollen. — Wie bereits erwähnt wurde, ist mau über die Aetiologie der Lungenseuche getheilter Meinung, insofern hauptsächlich 2 Ansichten einander entgegenstehen. Nach der einen Ansicht soll dio Lungenseuche auch bei uns spontan entstehen können, während sie nach der andern Ansicht überall, oder doch wenigstens bei uns, stets nur durch Ansteckung entstehen soll. — Ohne auf die dieserhalb geführten Kämpfe hier näher einzutreten, sei nur nochmals daran er­innert, dass bis jetzt niemals die Entstehung der Lungenseuche auf einem anderen Wege als auf dein der Ansteckung hat nachgewiesen werden können und dass man doshalb neu angekauftes, aus verdächtigen Gregenden stammendes Vieh, namentlich Händlervioh, mindestens einige Monate lang in einein abgelegenen Stalle isolirt unterbringen sollte.
Um die Seuche zum Erloschen zu bringen, werden wir eines-theils die natürliche Ucbcrtragung dos Anstcckungsstoffes auf gesunde Rinder verhindern, oder gegen dessen Wirkung eine Immunität zu begründen suchen müssen. Was in ersterer Beziehung zu thun ist, wird durch die Vorschriften des Seuchengesotzes festgesetzt. Wir habon doshalb vorläufig nur die Frage zu studieren, ob und wie die zweite Aufgabe gelöst werden kann.
Wie bereits früher erwähnt wurde, begründet das einmalige Ueberstehen der Lungenseuche eine Immunität gegen die fernere Wirksamkeit ihres Ansteckungsitoffes in dem betreffenden Organismus; diese Immunität pflegt für das ganze übrige Leben des Individuums fort zu dauern. —#9632; Mit Rücksicht auf diese Thatsachc und auf die Erfolge der Vaccination des Menschen wurde im Jahre 1852 von Dr. Willems die Lungenseuchc-Tmpfung in Vorschlag gebracht. Die­selbe ist seither vielfach versucht, häufig empfohlen, aber auch hart­näckig bekämpft worden. In diesem Streite handelt es sich vorzugs­weise um die Beantwortung folgender Fragen :
l) Vermag die Impfung auf den Verlauf der durch natürliche
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Lungenst'uelie-Imprung; Wcrtli derselben.
Infection bei einem Rinde entstandenen Lungonseuche einen günstigen, mildernden Einfluss auszuiibon ?
2) Gewährt die erfolgreiche Impfung gesunder Rinder gegen die Ansteckung auf natürlichem Wege einen einigerniassen sicheren Schutz, eventuell wie lange dauert diese schützende Wirkung ?
Die erste Frage wird ziemlich allgemein verneint. Eokanntlich übt ja auch die Vaccination pockenkranker Menschen auf den quot;Verlauf der einmal zum Ausbruche gekommenen, oder in der Entwicklung begriffenen Blatternkrankheit keinen mildernden Einfluss aus.
Die zweite Frage wird von den meisten Sachverständigen und zwar sowohl von Thierärzten, wie auch von Thierbesitzern, welche sich mit der Lungenseuclie-Impfung vielfach beschäftigt haben, in ihrem ersten Theile bejaht, während der zweite Theil dieser Frage noch zu wenig sorgfältig discutirt worden ist. Da diese Angelegen­heit Thierärzte und Thierbesitzer in erster Linie interessirt und viel­leicht bald in den gesetzgebenden Kreisen neuerdings zur Sprache kommen wird, so wollen wir in Nachstehendem die Cardinalpunkte der Lungonseuehe-Impffrage kurz besprechen.
Die seither vorgenommenen zahlreichen Lungenaeuche-Impfungcn haben den Streit über den Werth derselben als Schutzmittel bis jetzt nicht zu entscheiden vermocht. Obgleich einer grossen Anzahl von Impfungen das Stillstehen, resp. das Erlöschen der natürlichen Seuche gefolgt ist, so kann doch der Einwand der Impfgegner, dass in den betreffenden Fällen die Seuche auch ohne die Impfung zum Stillstande gekommen sein könnte, nicht ohne Weiteres abgewiesen werden. Andererseits aber kann auch nicht ohne Weiteres die Behauptung als berechtigt anerkannt worden, das Resultat qu. sei nicht der Impfung, sondern dem Zufalle beizumessen. Den hierfür beigebrachten Beweis­gründen, dass ja einerseits in vielen Fällen nach frühzeitig ausge­führter Nothimpfung noch zahlreiche Erkrankungen an Lungenseuche vorgekommen seien — andererseits die Lungensp,uche häufig ohne Impfung plötzlich still stehe, bevor eine grössere Zahl des betroffenden Viehstandes offenbar erkrankt sei, wird von Seiten der Impffreunde entgegnet, dass beide Vorkommnisse Ausnahmen seien und dass nur solche Thiere nach einer gelungenen Impfung an der natürlichen Lungenseuche erkranken, welche zur Zeit der Inoculation bereits auf natürlichem Wege inficirt waren, oder welchen bei der Impfung ent­weder gar keine oder eine zu geringe Menge, oder überhaupt un­brauchbare Lymphe einverleibt worden sei.
Diese Meinungsverschiedenheit kann auf dem bis jetzt verfolgten
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Prüfung des Werthcs der Lungenseuclie-lmpfung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28f)
Wege kaum definitiv beseitigt werden, während die Entaclicidun
unter anderen entsprechend geregelten Verhältnissen leicht ist. Hierzu ist erforderlich, dass die Versuchs-Impfungen an ganz gesunden Rind Viehbeständen ausgeführt und dass neben den geimpften auch eine Anzahl ungeimpftor Controlthiere gehalten werden. Beide Arten von Versuchsrindern müssen in allen übrigen hier in Betracht kommenden Verhältnissen möglichst gleichmässig beschaffen sein und auch für die ganze Dauer des Versuches unter ganz gleichen Verhältnissen ge­halten werden.
Ist dann das Impfgeschäft in allen seinen Stadien abgelaufen, so müssen sämmtliche Versuchsthiore, geimpfte wie ungeimpfte, der natürlichen Lungenseuche-Ansteckung ausgesetzt werden. Es wird sich dann bald mit unantastbarer Sicherheit entscheiden lassen, ob die Lungenseuche-Impfung gegen die sogenannte natürliche Seuche einen Schutz gewährt oder nicht. Die nöthigen Mittel für derartige
Impfungen können von jedem grösseren Staate ohne grosse Anstrengung
der finanziellen Kräfte aufgebracht werden, weshalb die zunächst be-theiligtcn Kreise (Landwirtho und Thierärzte) sich um Errichtung entsprechender Impfanstalten an geeigneter Stolle bemühen sollten. Alle weiteren Raisonnements auf dem jetzt gegebenen Boden werden die Lösung der so hochwichtigen Frage kaum weiter zu fördern, viel weniger definitiv zu lösen im Stande sein, weil beide Parteien, Gegner wie Freunde der Lungenseuche-Impfung, keine unantastbaren Argumente, resp. Schlüsse aus den bis jetzt gewonnenen Resultaten zu formuliren vermögen, da ein und dasselbe Resultat eine ganz ver­schiedene Deutung zulässt. Nehmen wir beispielsweise nur noch fol­gende Thatsache:
Die Lungenseuche ist manchmal bei Individuen nachträglich zum Ausbruche gekommen, welche nach der Impfung Anschwellung der Impfstelle zeigten, vielleicht sogar einen kleineren oder grösseren Theil des Schwanzes nach der Impfung verloren haben.
Die Impfgegner interpretiren diese Thatsache zu Gunsten ihrer Ansicht, dass die Impfung gegen die natürliche Lungenseuche nicht schütze, während die Impffreunde nicht ohne Grund behaupten, dass Geschwulst an der Impfstelle an und für sich nicht als Criterium einer erfolgreichen Lungenseuche-Impfung, sondern nur als Criterium der Aufnahme eines Entzündung erregenden Stoffes angesehen werden könne; dass ferner nach Einimpfung von Brandjauche Nekrose des Schwanzes etc. entstehen könne, ohne dass deshalb von einer erfolg­reichen Uebertragung des Lungenseucbevirus die Rede zu sein brauche
Pütz, Lehrbuch der ansteokendon ThlcrkriinUlioiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
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Prüfung des Werthes der Liingenseuehe-Iraprung.
u. s. w., dass aber grade von der Einimpfung reiner Lungenseuche-lymphe und zwar zu .einer Zeit, wo der botreffende Organismus noch nicht auf natürlichem Wege mit Lungenseuchegift inficirt war, der Erfolg wesentlich abhänge u. s. w. Auch wissen wir gegenwärtig, dass es verschiedene Grade der Immunität gegen ansteckende Krank­heiten gibt und dass einer erstmaligen Impfung keineswegs immer eine absolute, sondern oft nur eine relative Immunität folgt. Leider ist indess die Beschaffung zuvorlässig guter Lymphe, so wie die Möglichkeit der Erkennung einer bereits vorher stattgehabten Infection noch keines­wegs für alle Fälle genügend gesichert. So weit unser Boweismaterial bis jetzt reicht, lässt sich bei objeetiver Prüfung desselben nicht ver­kennen, dass es weit mehr für, als gegen die Schutzkraft der Lungen­seuche-Impfung spricht. Als feststehend kann angenommen werden, dass die schützende Wirkung der Lungenseuche-Impfung von der ört­lichen Reaction weniger abhängig ist, als von dem Durchgange des Giftes durch die Körpersäfte. Chauveau's Versuche mit Pockenlymphe haben gelehrt, dass eine Pockeneruption auf der Haut keineswegs unbedingt nothwendig ist, um in Folge der Impfung die Empfäng­lichkeit für das Pockengift zu tilgen. Chauveau hat durch zahlreiche Versuche festgestellt, dass eine Durchseuchung an Pocken mit sicherer Immunität bei Pferden und Rindvieh durch intravenöse Injection von Pockengift erzielt werden kann, ohne dass auch nur die geringste Spur eines Pockonausschlages an irgend einer Stolle der äussoren Haut sich gezeigt hätte. Eine ähnliche Wahrnehmung machte Krois-thicrarzt Kloos. Derselbe impfte eine Schafherde, unter welchen die Pocken ausgebrochen waren; die Impflinge wurden nach der Operation in verschiedenen Räumen untergebracht. Bei einer dieser so gebil­deten grösseren Gruppen, welcher ein sehr kühler und luftiger Auf­enthaltsort angewiesen worden war, zeigte sich bei keinem Impflinge eine Schutzpocke. Und doch blieben diese sämmtlich von den na­türlichen Pocken verschont, ebenso wie die Impflinge der anderen Abtheihmgen, bei welchen Impfpocken sich entwickelt hatten.
Ferner haben die Versuche von Arloing, Cornevin und Thomas gelehrt, dass durch intravenöse Injection des Karbunkel­giftes die Karbunkelkrankheit erzeugt werden kann, ohne dass es in Folge dieser Impfung zur Bildung eines erkennbaren Karbunkels ge­kommen wäre.
Es ist somit gar nicht einzusehen, warum nicht auch eine Im­munität gegen Lungenseuche mit Umgehung der so oft fatalen Lo-calisatiouen in den Lungen möglich sein sollte. Dass diese für das
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Frttfung des Wcrtht's der Lungenseuohe-Impfunff.
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Zustandekommen einer limminität in Wirklichkeit bedeutungslos sind, geht unter Anderem auch daraus hervor, dass Thiere nach ihrer Ge­nesung von der sogenannten natürlichen Lungenseucho gegen diese in Zukunft geschützt sind, auch wenn die Localisationen in den Lungen sehr minime waren, häufig auch, wenn sie, selbst bei Infection durch die Lungen, ganz gefehlt haben. Der Grund, weshalb Thiere, welche in mit Lungenseuche inticirten Stallungen oft von jeder Lungenaffeetion verschont bleiben, dürfte kaum in etwas Anderem zu suuhen sein, als in einer stillen (inneren) Durchseuchung ohne deutliche Localisation des Krankheitsgiftes.
Wie wichtig es ist, dass der Lungensouche-Impfstreit endlich in sachgemiisser Weise entschieden werde, mögen folgende Erwägungen etwas näher veranschaulichen.
Es kann wohl nicht bestritten werden, dass die radicalste Mass­regel gegen die Lungenseuche die Tödtung aller inficirten Viehbestände sein würde. Anders verhält es sich mit der Ausführbarkeit dieser Massregel, insofern die nationalöconomischen Interessen hierbei die gebührende Berüeksichtigung finden sollen. Die landwirthschaftlichen Verhältnisse der verschiedenen Länder und Landestheilo werden hier­bei für die Entscheidung von massgobonder Bedeutung sein. Indu­strielle WirthSchäften mit einem regen Rindviehwcchsel erfordern andere Rücksichten und Massregoln, als kleinere Viehhaltungen und Gegenden mit geringem oder gar keinem Rindviehiraport. Wohl alle Kenner der Lungenseuche werden darüber einig sein, dass Thiere, welche einmal an der Lungenseuche gelitten haben, für den Handels­verkehr lange Zeit hindurch sehr gefährliche übjeete sind. Es sind Fälle in hinlänglicher Menge beobachtet, dass von der Lungenseuche anscheinend gänzlich genesene Thiere noch nach 6, 12, ja sogar noch nach 15 Monaton die Lungenseuche verbreitet haben. Deshalb ver­langt eine einigermassen zuvorsichtliche Lungenscuchetilgung, dass Thiere, welche einmal an Lungenseuche gelitten haben, nie wieder in den Verkehr kommen dürfen.
Als ein in diesem Punkte musterhaftes Gesetz kann das Bundes­gesetz der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 8. Februar 1872, welches die über 100 Jahre alten Vorschriften des Cantons Bern gegen Lungenseuche im Allgemeinen adoptirt hat, gelten, weshalb wir die betreffenden Bestimmungen desselben hier kurz anführen wollen:
„Art. 24. In der Schweiz darf Rindvieh, welches einmal an der ansteckenden Lungenseuche gelitten hat, nicht mehr in den Ver­kehr kommen.quot;
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292 Mekümpl'iuiff der Lunyeiiseu-clie in der Scliwoiz und in anderen Ländern.
i: #9632;
i
„Bei dem Vorkommen dieser Krankheit im eigenen Lande müssen die erkrankten iind die im gleichen Stalle oder auf derselben Weide gestandenen Thioro getödtet werden. Nur mit Bewilligung der Me-dicinalbehörde des betreffenden Cantons dürfen Heilungsvorsuche ge­macht werden, jedoch unter Anwendung genügender polizeilicher Massregeln gegen Weiterverbreitung der Krankheit. Die Thiere, welche geheilt wurden, dürfen ebenfalls nicht mehr in den Verkehr kommen, wohl aber zum Schlachten verwendet werden.quot;
„Gegen das Ausland richtet sich die Strenge der Massregeln insbesondere danach, ob daselbst in ähnlicher Weise vorfahren werde. Die strengsten Massregeln sind gegen solche Nachbarstaaten zu richten, in welchen an der Lungenseuche leidendes Rindvieh ärztlich behan­delt und das durchgeseuchte Vieh wieder in den Verkehr gebracht wird.*
Die Entschädigung, welche in dem viehreichen Cantort Bern, der bekanntlich einen sehr wcrthvollen Viehstand besitzt, zum Zweck der Lungenseuchetilgung für getödtete Thiere innerhalb 15 Jahre (1859—74) gezahlt wurde, betrügt nach den darüber vürhandonen amtlichen Acten auf jo 54GO0 Frs. Viehcapitalwerth 1 Fr. jährliche Entschädigung.
Wären aber alle europäischen Culturstaaten in ihrer Lungen­seuchetilgung erst so weit, wie die kleine, ringsum von verseuchten Nachbarstaaten umgebene Schweiz, so wurde sich schliesslich die Entschädigung vielleicht auf Null reduciren. Und dies zu erreichen, rauss das Endziel unserer Bestrebungen sein.
So vorzüglich nun obiges Verfahren in der Schweiz sich be­währt hat, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass die dortigen landwirthschaftlichen Verhältnisse ganz andere sind, als bei uns, in­dem man dort die grosson Wirthschaftcn mit ihren zahlreichen Vieh­beständen, wie sie z. B. in unserer Provinz und auch noch ander­wärts im deutschen Reiche vorkommen, gar nicht kennt. Es fragt sich deshalb, ob für das deutsche Reich das Lungenseuchegesetz der Schweiz passen würde. Ich glaube diese Frage verneinen zu müssen, da ich die Keulung grosser Viehbestände bei Ausbruch der Lungen­seuche in denselben vom national-öconomischen Standpunkte aus für unrichtig, dagegen bei kleinen Viehständen für ganz zweckmässig halte. Für das deutsche Reich bedürfen wir ein Gesetz, welches den so sehr verschiedenartigen landwirthschaftlichen Verhältnissen der ein­zelnen Staatsgebiete gebührendermassen Rechnung trägt. Für die giossen Viehbestände dürfte doshalb die Impfung, wenn sie zur rechten Zeit ausgeführt wird, ein sehr werthvolles Schutzmittel bieten.
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Anpassg.d.Massregeln geg. Lungenseuobeand. gegeb.Wlrlbsobaftsverhftltnlsse, 29.'{
Für diese Ansicht führe loh folgende Gründe an:
1)nbsp; Die von den Tmpfgvgnern vorgehrachten Einwendungen gegen die Schutzkraft der Liinge,nscuche-Tmpfung stützen sich auf Beob­achtungen, welche einer sachlichen Oritilc gegenüber als wenig oder gar nicht brauchbar sich erweisen und zu irgend welchen entscheidenden Schlüssen nicht berechtigen.
2)nbsp; nbsp;Vom rein theoretischen Standpunkte aus qnalificirt sich die Lungenseuche ganz vorzugsweise als Impfkrankhcit.
3)nbsp; Alle unter entsprechenden Verhältnissen vorgenommenen genau controlirten Impfungen sprechen, so weit dieselben verüffontlieht worden und mir bekannt sind, siimmtlich zu Grünsten der Sohatzkraft der Lungenseuche-Impfung.
ad 1. Die Impfgegner berufen sich im Allgemeinen auf Impfungen, welche nach dem offenbaren Ausbruche der Lungenseuche in dem be­treffenden Viehstande vorgenommen wurden. Da in Redo stehende Krankheit stets erst dann äusserlich erkennbar wird, wenn sie schon mehrere Wochen, oder gar Monate lang in den inficirten Individuen bestanden hat, so kann man in solchen Fällen nie beurtheilen, wie weit die natürliche Infection zur Zeit der Feststellung der Seuche, schon um sich gegriffen hat. Somit berechtigen die nach Noth-impfungen etwa eintretenden Misserfolge nicht zur Verneinung der Schutzkraft der Lnngemeucheimpfung überhaupt; dies aber um so weniger, wenn die Impfungen nicht unter peinlichster Beachtung aller für ihren Erfolg massgebenden Verhältnisse ausgeführt und weiter controlirt worden sind. Eine derartige Genauigkeit in Bezug auf Ausführung und spätere Controle habe ich in keinem der mir bekannt gewordenen Mittheilungen sämmtlichcr Impfgegner angetroffen. Eben so wenig motivirt ist der Einwand gegen die Lungenseuche-Tinpfung, dass das Lungenseuchegift mit dem Erkalten des Cadavers seine Wirksamkeit verliere, somit in der erkalteten Lymphe nicht mehr activ sei. Die Haltlosigkeit dieser Behauptung wird schon durch die eigen­artigen, nur bei der Gattung „Rindquot; auftretenden Erscheinungen nach der Impfung widerlegt. Es ist aber auch eine allgemein gültige und bekannte Thatsache, dass Krankheitsgifte weniger leicht durch Frost, als durch die Siedhitze und Fäulniss zerstört werden. — Wenn es nun auch richtig ist, dass das Lungenseuchegift von erkalteten Cadaver-theilen sich niciit leicht mehr vorfliiehtigt, so ist doch damit noch keineswegs der Schluss berechtigt, dass auch das fixe Contagium da­durch in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt, resp. vernichtet werden müsse. Bei der Rinderpest besitzt das flüchtige Contagium bekannt-
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hl
294 Lebenszfthlgkelt und Vergoblepplarkeit rtcs Lungenseuohegiftes.
lieh eine verhältnissmässig grosso Lebenszähigkeit; aber auch dieser Ansteckungsstoff kann durch Frost für so lange unwirksam werden, bis die Träger desselben neuerdings einer Temperatur von etwas über Null Grad ausgesetzt werden. Das Contagium wird hier dem­nach durch die Kälte nicht zerstört, sondern nur so weit gebunden, dass es sieh nicht in iuisreichender Menge verflüchtigt, um eine An-steiduing bewirken zu können. — Lydtin führt einen Fall an (Thier-ärztl. Mittheilungen,raquo;11. Jahrg., Carlsruhe 1870), wo Fleisch und Lungentheile eines lungenseuchekrank befundenen Rindes mehrere Tage nach dem Scblaehton eine Infection bewirkt haben sollen. Wenn diese Mittheilung bisher auch ziemlich vereinzelt dasteht, so ist doch mehrfach bekundet worden, dass durch Heu und Stroh, welches mit flüchtigem Lungcnseuchegift imprägnirt war, die Seuche übertragen wurde. Auch Personen sollen in ihren Kleidern das Lnngerisetiche-contagium wirksam übertragen können. Mir selbst sind einige Fälle bekannt geworden, wo nach den angestellten Ermittelungen der Aus­bruch der Lungenseucho lediglich auf den Personenverkehr zurück­geführt werden konnte. Auch fehlt es nicht an Mittheilungen, wo­nach die Lungenseuche in evaeuirten, aber nicht desinficirten Stallungen unter dem nach einigen Monaten in dieselben eingeführten Rindvieh-bestände zum Ausbruch kam, ohne dass eine anderweitige Gelegen­heit zur Infection ermittelt werden konnte. Endlich sei noch erwähnt, dass sogar die Ausdünstungen aus einer Grube, in welche 3 Monate vorher lungenäouchokrankes Rindvieh beerdigt worden war, eine An­steckung bewirkt haben sollen (Becker). (?)
ad 2. Wenn man die Krankheiten, welche neben einem fixen auch einen flüchtigen Ansteckungsstoff erzeugen, im Allgemeinen zu den irapfbaren zählt, so ist zunächst nicht einzusehen, warum die Lungonsenehe hiervon allein eine Ausnahme machen sollte. Wir er­kennen aber auch die thatsächliche Impfbarkeit der Limgenseuche daraus, dass a) bei Impfungen mit guter, frischer Lymphe die Reaction an der Impfstelle stets erst nach längerer Zeit, etwa nach 2—3 Wochen, also in ganz eigenartiger Weise eintritt; dass b) die gut ausgeführte Impfung, wie gleich gezeigt worden soll, einen relativen und unter entsprechender Wiederholung und Ausführung der Impfung vielleicht sogar einen absoluten Schutz gegen die natürliche Krankheit gewährt.
Ist aber die Lungenseuche eine impfbare Krankheit, so mnss die Inoculation derselben ganz besonders deshalb rationell erscheinen, weil in Folge derselben die Körpersäfte von dem Gifte durchdrungen werden, ohne dass es zu den so sehr gefährlichen massenhaften Ab-
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Die Longenseuohe als Itnpfkrankheiti.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;295
lagerungen von Krankheitsproducten in den Lungen kommt, wie solches bei der Aufnahme des Ansteckungastoffes bei natürlicher Infection der Fall zu sein pflegt.
Da es feststeht, dass die Lungensouche vorzugsweise durch die Localisationon in den Lungen Unheil stiftet, was in Bezug auf den Verlauf und die Dauer sowohl des einzelnen Krankheitsfalles, als auch der Seuche gilt, so liegt die Frage sehr nahe, ob wir denn kein Mittel besitzen, dieser verderblichen Localisation vorzubeugen.
Für die Beantwortung dieser Frage ist es nicht ohne Bedeutung zu wissen, dass für einen leichten oder schweren Durchgang eines Krankheitsgiftes durch den Thierkörper, resp. für einen gutartigen oder bösartigen Verlauf ansteckender Krankheiten, für den Ort der Deposition und die Massenhaftigkeit der Ausscheidungen das Organ nicht gleichgültig ist, durch welches der Ansteckuugsstoff in den Thierkörper aufgenommen wird. So z. B. pflegen die Schafpocken nur vereinzelt auf der äusseren Haut zu erscheinen und in gleichem Maasse, wie die Pockeneruption geringer ist, milder zu verlaufen nach einer mit allen erforderlichen Rücksichten vorgenommenen Impfung, als wenn der Ansteckungsstoff durch die Lungen aufgenommen wird und eine verbreitete Pockeneruption an der Körperoberfliiche zur Folge hat.
Obgleich demnach die Impfkrankheit in der Regel weit milder verläuft, als die natürlichen Schafpocken, so schützt jene doch eben so gut wie diese die betreffenden Individuen gegen die fernere Wirk­samkeit des Pockengiftes.
Wer das Zustandekommen einer Immunität gegen ansteckende Krankheiten in einer Aenderung der Qualität der Körpersäfte sucht, welche die Fortexistenz des Contagiums in dem betreffenden Indivi­duum fernerhin für eine Zeit lang, oder für immer unmöglich macht, der wird sich leicht vorstellen können, dass eine solche Alteration auch ohne Localisationon an bestimmten Körperstellen zu Stande kommen kann. Auf jeden Fall aber bedarf die Behauptung der Luugcn-seuche-Impfgcgncr, „dass die Ablagerungen in den Lungen zur Be­gründung einer Immunität gegen die Lungenseuche unbedingt noth-wendig seien,quot; des näheren Beweises. Arloing und Cornevin haben gezeigt, dass die Localisationon des Karbunkelgiftes im Bindegewebe irgend einer Körperstelle grade die schweren Zufälle bedingen, ohne dass sie für Erlangung einer Immunität irgendwie erforderlich sind. Und so scheint es auch bei der Lungenseuche zu sein. Wo die Lo-calisationen nach der Impfung am Schwänze und nach natürlicher
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Positive Ergebnisse oxiicter Lungenseuclie-Impl'versiu'he.
Infection in den Lungen fehlen, oder nur gering sind, da ist der Ver­lauf der Krankheit stets ein milder. Vor dem Forum der theoreti-schon Wissenschaft erscheint somit die Lungonseuche-Impfung als eine Massregel, die möglicherweise grossen Nutzen zu gewähren vermag. Schon wir nunmehr zu, wie sich diese Massregel seither in der Praxis gestaltet hat. Um dies zu ermitteln, werden wir uns nur an solche Impfrcsultato halten, welche unter Bedingungen gewonnen worden sind, dass sie zu brauchharen Schlüssen herechtigen.
ad 3. Eine Commission im Departemont du Nord stellte 34 geimpfte und 24 nicht geimpfte Hinder 5 bis G Monate lang mit lungenscucheki'imkcn Thicrcn zusammen. Von den geimpften erkrankte nur eins = 3(gt;/o; von den ungeiinpften erkrankten 14 = 57 0/o (1:10).
An der Tliiorarzneischule zu Utrecht wurden 21 geimpfte und
5nbsp; nbsp;nicht geimpfte Rinder in einen Stall gestellt und unter dieselben
6nbsp; nbsp;lungenseuchekranke Tliiere so vorthcilt, dass diese mit den ge­sunden in möglichst nahe Berührung kommen konnten. Innerhalb 13 Wochen nach dem Einstellen der lungenseuchekranken Thicro waren von den 5 nicht geimpften 4 Stück an Lungenseuehe zu Grunde gegangen, während bei keinem einzigen geimpften Tliiere irgend eine Spur von Lungenseuehe sich zeigte.
Diese Eesultate bedürfen keines Comraentars; auch könnte ich noch einige andere derartige comparative Lungenscuehe-Impt'ungon anführen, die ebenso schlagend für die Schutzkraft derselben sprechen. Es mag indess an den beiden angeführten Versuchen genügen. Sie zeigen, wie man zu Werke gehen muss, um über den Worth der Lungenseuche-Impfung ein rein sachliches Urthcil zu gewinnen.
Es sei noch bemerkt, dass in sachverständigen Kreisen Hollands die Wirksamkeit der Lungenseuche-Impfung gegenwärtig ziemlich allgemein anerkannt wird. Da in den Niederlanden einige Zeit hin­durch diese Impfung in gewissen Fällen zwangsweise angeordnet worden ist, so war dort seitdem vielfach Gelegenheit geboten, die Impferfolgo kennen zu lernen. Wir wollen dieselben deshalb an dieser Stelle etwas näher betrachten.
Noch vor wenigen Jahren war Holland ein so gefürchteter Lmigenseucheherd, dass alle Nachbarstaaten sich gegen dasselbe in­sofern abschlössen, als sie die Einfuhr von Rindvieh aus Holland ver­boten. In Folge dessen hat man dort die Tilgung fraglicher Seuche sehr zwockmässig angegriffen und durchgeführt. Man hat sieh hier­bei nicht auf die Tödtung lungenseuchekranker und -verdächtiger Thiere beschränkt, sondern auch in verständiger Weise die Impfung
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Die Erfolge Hollands im Kampfe gegen die Lungenseaohe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2il7
durehgetührt und so Erfolge erzielt, wie sie bis jetzt nirgends anders erzielt worden sind. Die auf die Impfung bezüglichen Vorsohrifteu Hollands lauton ira Wesentlichen: „In inficirten Bezirken ist die .Luiigeiiseuche-Impfung für alles Rindvieh obligatorisch; alle in jene eingeführten Kinder müssen innerhalb der 3 ersten Tage nach ihrer Ankunft in denselben geimpft und mit dem Brandmal V auf dem linken ev. auf dem rechten Hörne oder llufo gezeichnet werden. — Kein Stück Rindvieh darf mit geimpften in Berührung gebracht werden, ohne vorher selbst geimpft worden zu sein. Aus einem mit Lungen-seuche inficirten Districte darf kein- Stück liindvieh ohne Erlaubniss des Bürgermeisters ausgeführt und diese Erlaubniss darf nur auf Grund einer näheren Prüfung der vorhandenen Verhältnisse ertheilt werden.
Solche Thiere dürfen nur mit einem Begleitscheine, der ein aus­führliches Signalement jedes einzelnen Individuums enthält, transpor-tirt werden. Wird ein solches Thicr nicht zur Sohlachtbank geführt, so muss der Thicrarzt des Districtes, wohin es geführt wird, von seiner Ankunft in Kenntniss gesetzt werden. Dasselbe soll 3 Monate lang unter Quarantaino gestanden haben, bevor es mit anderem Rind­vieh in Verkehr gebracht werden darf. Es kann nur in isolirten Wagen transportirt werden, auf welchen angezeigt ist, dass das Thier aus einem inficirten Bezirke kommt.quot;
Holland ist es gelungen, mit seinen Massregeln in verhältniss-mässig kurzer Zeit, die Luugenseuche in Bezirken, welche eine ähn­liche landwirthschaftliche Industrie und einen damit zusammenhängenden Viehreichthum und Viehwechsel haben, wie unsere Provinz Sachsen, fast radical zu tilgen.
Vergleicht man die Erfolge, welche Preussen und andere Staaten, deren Seuchengesetze auf die Tödtung der an Lungenseuche offenbar erkrankten Thiere und auf Sperrmassregeln sich beschränken, oder gelegentlich auch einmal einige der Ansteckung verdächtige Thiere tödten, mit den Erfolgen Hollands, welches auch eine verständig ge­regelte Impfung durchgeführt hat, so ist mau gezwungen anzunehmen, dass letzterer ein besonderer Antheil an dem brillanten Erfolge des holländischen Gesetzes gebührt.
Für die Ausführung der Lungenseuche-Impfung sind folgende Dingo von Wichtigkeit:
1) Der Gesundheitszustand der zu impfenden Thiere, insofern die Impfung nur dann zu schützen vermag, wenn dieselbe so frühzeitig vorgenommen wird, dass die durch sie im Impf­linge verursachten Veränderungen der Körpersäfte bis zu
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Die Teclinili der Lungenseuclie-Imprunii;.
einem gewissen Grade abgeschlossen sind, bevor das Lungen-seucliegift in den Lungen sich localisirt hat.
2)nbsp; nbsp;Die Wulil und Zubereitung des Impfstoffes, welche Vorsicht und Kenntniss -der bezügliclien Verhältnisse erfordert. Man nimmt die Lymphe am besten aus den Lungen sonst gesunder Thiere, welche im ersten Stadium der plastischen Infiltration au Lungenseuche erkrankt sind und in deren Lungen keine anderen Krankheitsprozesse, namentlich keine Eiterung oder Nekrose etc. sich finden. Die von geeigneten Individuen zu entnehmende Lymphe wird gesammelt, indem man in die saftreichen infiltrirten Lungenabschnitte Einschnitte macht und die demnach aussickernde Flüssigkeit in einem reinen Ge-fässe auffängt. Dieselbe wird demnach möglichst bald filtrirt und zur Impfung verwendet, bevor irgend eine Spur von Fäulniss in derselben eingetreten ist.
3)nbsp; Die Impfung wird am zweckmässigston bei jedem Impflinge zweimal vorgenommen, um etwaigen unberechenbaren Zu­fälligkeiten möglichst zu entgehen, durch welche ein aus­reichender Schutz verhindert werden kann. Die erste Impfung wird am besten stets an der Schwanzspitze und die zweite etwa nach G bis 8 Wochen wiederum am Schwänze, etwas über der ersten Impfstelle, oder im Triel vorgenommen. Die Einverleibung der Lymphe kann in oder unter das Haut-gewebe (cutan oder subeutan) stattfinden und mittelst einer Lanzette oder einer Impfnadel ausgeführt werden. Auf die Wahl dos Instrumentes kommt es im Ganzen weniger an, als auf die sorgfältige Einführung des Impfstoffes in den Körper des Impfliuges, was sowohl mit der Lanzette als mit der Nadel möglich ist. Man vermeide ja recht sorgfältig hei der Impfung eine stärkere Blutung zu verursachen, weil dadurch die in die Impf wunde eingeführte Lymphe leicht wieder wegge­schwemmt werden kann.
Die Lungcnscuche-Impfung verdient um so mehr unsere Beach­tung, als die Impfkrankheit verhältnissmässig leicht verläuft und nicht, wie die natürliche Lungenseuchc es zu thun pflegt, Krankheitsproductc in den Lungen aufspeichert, durch welche die Ansteckuugsfähigkeit durchgeseuchter und latent kranker Thiere so sehr in die Länge ge­zogen wird, was die Verschleppung der Seuche bekanntlich in hohem Grade begünstigt. Diesen und anderen Naehtheilen der sogen, natür­lichen Lungenseuchc gegenüber sind die Verluste, welche nach knnst-
i ;
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Die LungeuseHclu'-Imprung in Uolliiiul.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;299
gerechter Impfung eintreten, so geringe, class sie kaum der Erwiih-nung worth sind. In Südhollaml betrugen diese Verluste bei den unter staatlicher Controle ausgoführt on Limgenscuche-Iinpfiingen durehsolmitt-lich etwa */raquo; Procent.
Mau hat mehrfach versucht, der Impfung an den glänzenden Erfolgen Hollands im Kampfe gegen die Lungenseuche jeden Anthcil abznsprochon, oder diesen Antheil möglichst klein erseheinen zu lassen. Studiert man aber den Verlauf der Limgenseuchotilgung in Holland genauer, so findet man, dass grade im Brennpunkte der am meisten verseuchten niederländischen Provinz Südhollaud, nämlich im Centrum des sogenannten Spoclingdistrictes, diejenigen Massregeln, welchen man vorzugsweise den Erfolg zuschreiben möchte, gar nicht, oder doch nur in sehr beschränktem Maasse in Betracht kommen können. In ge­nanntem Districte ist neben der Zwangsimpfung aller in demselben befindlichen und in denselben eingeführten Rinder nur die Tödtung offenbar lungenseuchekranker, nicht aber der Seuche, oder der An­steckung blos verdächtiger Thiere durchgeführt worden. Es erschien dies unausführbar, weil im Herbste 1878, als der betroffende District gesperrt und die Zwangsimpfung durchgeführt wurde, die zahlreichen Mastviehbestände daselbst so allgemein verseucht waren, dass die­selben fast gäuxlich hätten vernichtet werden müssen, wenn man die vorhandenen Infeetionsherde hätte ausrotten wollen. Obgleich des­halb die Tödtung auf die offenbar lungenseuchekranken Thiere be­schränkt blieb, so nahm doch die Seuche seit Ausführung der Zwangs-irapfung stetig immer mehr ab, bis bereits im Sommer 1880 dieselbe in genanntem Districte dem Erlöseheu nahe zu sein schien. Von Juli bis November 1880 war im Centrum des Spoelingdistrictcs kein einziger Fall von offenbarer Erkrankung an Lungenseuche constatirt und damit die Besehaffung brauchbarer Lymphe zum Impfen unmög­lich geworden. Du die in den Schlachtliiiusern noch vorgefundenen LungensoucheprozGsso nur selten eine brauchbaro Lymphe zum Impfen lieferten, so konnte die Impfung der in den gesperrten Bezirk neu eingeführten Thiere lange Zeit hindurch nur üusserst unregel-mässig ausgeführt werden. Im November 1880 brach dann die Lungen­seuche unter nicht geimpften Thicren neuerdings wieder aus und griff alsbald weiter um sich, wobei auch einige früher geimpfte Thiere mit erkrankten. Nachdem hierauf möglichst bald alle noch nicht geimpften Thiere mit nunmehr vorhandener frischer Lymphe geimpft worden waren und die Impfung aller neu eingeführten Thiere wieder regeltnltsaig ausgeführt wurde, erlosch die Seuche bis November 1881
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Versuche, die Lungeiiseuche-MikrokokUcn künstlich zu ziicliten.
abermals so weit, class es wiederum an brauchbarem Impfstoffe mangelte.
Nach alle denn erscheint die Lungenseuche-Impfung als eine Massregel, welche bei Tilgung dieser Krankheit eine bedeutende Rollo zu spielen berufen ist, obgleich die Beschaffung brauchbarer Lymphe stellenweise mehr oder weniger beträchtliche Schwierigkeiten verur­sacht. Es wäre deshalb von eminenter Bedeutung, wenn die an der Thierarznoischule in Brüssel gegenwärtig fortgesetzten, von den Pro­fessoren Verriest und Bruylant zu Löwen begonnenen Versuche „auf dem Wege künstlicher Cultur Lungcnseuehelymphe lierzustcllcnquot; vom besten Erfolge gekrönt würden. Aber auch ohne dies kann durch eine angemessene Ausführung der Lungenseucho-Impfung schon jetzt viel Nutzen gestiftet werden, wenngleich man nicht Alles von ihr allein erwarten darf, sondern auch noch andere Mittel in denquot; Dienst des Kampfes gegen diese Seuche zieht. Eine gesetzliche Regelung der Lungenseuche-lmpfung besteht bis jetzt nur in Holland und Frank­reich; wahrscheinlich wird dieselbe demnächst auch in anderen Cultur-staaten nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Jannc, Distriotsthierarzt in Holland, dem ein sehr lehrreiches Material für sein Urtheil zu Gebote steht, äussert sich über den Worth der Luiigenseucho-Tinpfnng folgonderraassen:
„Die Anwendung des Gesetzes vom 8. August 1878 hat die besten Resultate geliefert und die günstigen Wirkungen der Impfung, welche als Schutzmassregel angewendet wird, inachen sich zum Glücke überall fühlbar.quot;
Diesem TJrtheile begegnen wir in Holland in allen betheiligten Kreisen, hei den Behörden, bei den Technikern und bei den Vieh­besitzern. So sagt der holländische Bericht 1879/80 an den König der Niederlande (S. 17):
„Das Vertrauen auf die Impfung hat demzufolge (d. h. nach den günstigen Erfolgen der verschärften Massregeln seit Scptbr. 1878, durch welche die Zwangs-Iinpfnng streng ausgeführt wurde) bei den Viehbesitzern so bedeutend zugenommen, dass sie, auch nachdem ihre Gemeinde nicht moht* zu dem gesperrten Kreist; gehört, aus eigenem Antriebe fortfahren, ihr neu angekauftes Vieh durch die Thierärzte impfen zu lassen, die innerhalb der gesperrten Bezirke von der Re­gierung damit beauftragt sind.quot;
Das deutsche Reichsviehsouchengesetz vom 23. Juni 1880 ent­hält gegen die Lungenseuche des Rindviehs folgendlaquo;! Vorschriften:
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Die auf Lungenseuche bezüglichen Gesetze des deutsclien Reiches. 301
sect; 54. Die Polizeibehörde hat die Tödtung der nach dem Gut­achten des heamteten Thierarztes an der Lungenseuche erkrankten Thiere anzuordnen und kann auch die Tödtung verdächtiger Thiere anordnen.
Die Instruction des Bundesrathes vom 24. Febrimr 1881 enthält über l'rag-liclie Seuche folgende Bestimmungen:
a. Enniltelung dos Öcuchenausbruchs.
sect; 70. 1st der Ausbruch der Lungenseuelie festgestellt (sect; 12 dos Gesetzes) oder liegt der Verdacht eines Seuchenausbruehs vor, so muss von der Polizei­behörde und von dem beamteten Thierarzte (sect; 2, Absatz 8 des Gesetzes) mög­lichst ermittelt werden, wie lange die verdachtigen Erscheinungen schon bestanden haben, ob das kranke oder der Seuche verdächtige Vieh mit anderem Kindvieh in Berührung gekommen, ob Rindvieh aus dem Gehöfte neuerdings geschlachtet, ausgeführt oder in verdächtiger Weise entfernt, ob und wo das kranke, oder der Seuche verdächtige Vieh etwa augekauft ist, und wer der frühere Besitzer war., Nach dem Ergcbniss dieser Ermittelungen sind die etwa erforderliehen Massregeln ohne Verzug zu treffen und nöthigenfalls die andern betheiligten Polizeibehörden von der Sachlage in Keuntniss zu setzen.
sect; 71. Wenn in einem bisher seucheufreien Gehöfte ein Thicr unter Er­scheinungen, welche den Ausbruch der Lungenseuche befürchten lassen, erkrankt, nach dem motivirten schriftlichen Gutachten des beamteten Thierarztes aber nur mittelst Zerlegung des Thieres Gewissheit darüber zu erlangen ist, ob ein Fall der Lungenseuche vorliegt, so hat die Polizeibehörde die Tödtung und Zerlegung des Thieres abzuordnen.
sect; 72. Lässt sich nach den ermittelten Thatumstiindcn annehmen, dass eine grössere Verbreitung der Lungenseuche in einem Orte stattgefunden hat, so kann eine Revision sämmtlicher Rindviehbestände des Ortes oder einzelner Ortstheile durch den beamteten Thierarzt von der Polizeibehörde angeordnet werden.
sect; 73. Erfolgt die Ermittelung des Seuchenausbruelis oder des Seuchen-verdachts in Abwesenheit des leitenden Polizeibeamten, so hat der beamtete Thier­arzt die sofortige vorläufige Einsperrung und Absonderung der erkrankten und verdächtigen Thiere, nöthigenfalls auch die Bewachung derselben anzuordnen. Von dieser Anordnung, welche dem Besitzer des Rindviehes oder dem Vertreter des Besitzers durch protocollarische oder anderweitige scliriftliche ErölTnung mit-zulheilen ist, hat der beamtete Thierarzt sofort der Polizeibehörde eine Anzeige ZU machen.
Zugleich hat der beamtete, Thierarzt in seinem Berichte an die Polizei­behörde die erkrankten, die der Seuche verdächtigen, sowie die übrigen auf dem Seuchengehöfte befindlichen Thiere näher zu bezeichnen,
b. Vordacht der Seuche oder der Ansteckung.
sect; 74. Der Rindviehbestand eines bisher seuchenfreien Gehöftes ist unter polizeiliche Beobachtung zu stellen, wenn durch amtliche Erhebungen festge­stellt ist:
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302 Die au'' Lungeuseuche buziigliuhen Gesetze dos deutschen lleiehes.
;'i,
1)nbsp; nbsp;(lass sieh unter dem Viehbestände ein der Seuche verdüchtiges Thier belindet, oder
2)nbsp; nbsp;dass innerliidb der letzten 60 Tage sich unter dem Viehbestände ein der Seuche verdächtiges Thier befunden hat.
Die polizeiliche Ijeubaclitung soll sich auf eine Frist von (J0 Tagen er­strecken, die im Fülle zu 1) mit dem Tage beginnt, an weichein die verdächtigen KranUheitserscheinungen festgestellt sind, und im Falle zu 2) mit dem Tage, an welchem das der Seuche verdachtige Thier aus dem Viehbestände entfernt ist.
Wird der Verdacht durch weitere Ermittelungen des beamteten Tlüer-Brztes vor Ablauf der COtagigen Frist beseitigt, so rauss die Beobachtung sofort wieder aufgehoben werden.
S 75. Die Polizeibehörde hat von dem beamteten Thierurzte ein Verzeich-niss des unter Beobachtung gestellten Rindviehbestandes aufnelimeu zu lassen und den Besitzer oder dessen Vertreter anzuhalten:
anderes Uindvieh nicht in den Räumlichkeiten einzustellen, welche für die unter Beobachtung gestellten Thiere bestimmt sind: auch ohne polizeiliche, Ge­nehmigung kein Thier des Bestandes in andere Stallungen, bezielientlieh Gehöfte zu bringen oder schlachten zu lassen;
Verkehr mit fremdem Rindvieh auf dem Gehöfte nicht zu gestatten;
von dem etwaigen Auftreten verdächtiger Krankheitsersclieinungen bei einem Thiere des Bestandes sofort der Polizeibehörde eine Anzeige zu machen.
So lange die unter Beobachtung gestellten Thiere keine verdächtigen Krank-lieitserscheinnngen zeigen, ist der Gebrauch derselben zur Arbeit zu gestatten. Der Weidegang dieser Thiere ist nur unter der Bedingung zu gestatten, daslaquo; eine Berührung des verdächtigen Viehes mit dem Rindvieh anderer Gehöfte auf der Weide durch entsprechende Vorkehrungen verhindert wird.
sect; 70. Auf die Anzeige von dem Auftreten verdächtiger Krankheitserscliei­nungen bei einem der unter polizeiliche Beobachtung gestellten Thiere hat die Polizeibehörde ohne Verzug die Untersuchung desselben durch den beamteten Thierarzt zu veranlassen.
c. Ausbruch der Seuche.
sect; 77. Ist der Ausbruch der Lungenseiiche festgestellt, so hat die Polizei­behörde denselben auf ortsübliche Weise und durch Bekanntmachung in dem für amtliche Publicationen bestimmten Blatte (Kreis-, Amtsblatt u. s. w.) zur öffent­lichen Kenntniss zu bringen.
Das Seuchengehöft ist am llaupteingangsthor oder an einer sonstigen ge­eigneten Stelle mit der Inschrift „Lungenseuchequot; au versehen.
sect; 78. Der beamtete Thierarzt ist zu beauftragen, unverzüglich den Vieh­bestand des Senchengehöftes aufzunehmen und die Thiere zu ermitteln, welche mit der Lnngonseuche behaftet oder der Seuche verdächtig sind. Alles übrige auf dem Senchengehöfte befindliche Rindvieh, einschliesslich derjenigen Stücke, welche abgesondert in besonderen Stallungen aufgestellt sind, gilt als der An­steckung verdächtig.
üeber die stattgefandenen Brmittelungen hat der beamtete Thierarzt eine schriftliche Aufnahme zu machen und der Polizeibehörde zu übergeben.
S 7'J. Die Polizeibehörde hat, soweit erforderlich nach vorgängiger Er­mittelung der zu leistenden Kutschiidigung, die sofortige Tödtung sämnillicher
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Die auf Lungonscuchlaquo; bszügllohen üesetzp des deutschen Reiches. 303
Tlüere anziKirdnen, welche nach der schni'tlichen Erkliirung des beamteten Thier-arztes an der Longenseuobe erkrankt sind.
Die Tödtung verdächtiger Thlere kann nach dem Ermessen der höheren Behörde angeordnet werden.
Ist eine, völlig sichere Ahsiierrung imsluhrhar, so kann von der Polizeibehörde auf Antrag des Besitzers l'Ur das Abschlachten der erkrankten oder verdächtigen Thierc (Absatz 1 und 2) eine Frist von höchstens 14 Tagen gestattet werden (vergl. auch SS 88 U. 89).
S 80. Das auf dem Seuehengehölt vorhandene verdächtige Rindvieh unter­liegt der Gehöftsperre mit den nachfolgenden Massgahen :
1)nbsp; nbsp;Eine Uehcrfiihrung der verdachtigen Thlere in andere Stallungen des-selhen oder eines anderen Gehöftes darf ohne ausdrückliche Erlaubuiss der Polizeibehörde nicht stattlinden.
2)nbsp; nbsp;Der Oebrauch der Thlere zur Feldarbeit kann von der Polizeibehörde gestattet werden, so lange dieselben keine verdächtigen Krankheitsersoheinun-gen zeigen.
Auch kann der Oebrauch solcher Thlere zu anderen Arbeiten von der Polizeibehörde gestattet werden, wenn damit nach Lage des Falles die Gefahr einer Verschleppung der Seuche nicht verbunden ist.
Der Gebrauch der Thlere zur Arbeit ist zu verbieten, wenn anzunehmen ist, dass die Thlere dabei In fremde Stallungen oder Gehöfte, oder auf Futter­plätze, zu welchen anderes Kindvieh Zutritt hat, gebracht werden.
3)nbsp; nbsp;Der Weidegang der verdächtigen Thlere ist zu gestatten, wenn die zu beweidende Flüche von dem Rindvieh senchenfreier Geliöfte nicht benutzt wird und wenn Vorsorge getroffen ist, dass auf der Weide eine Berührnng dieser Thlere mit gesundem Rindvieh aus anderen Gehöften nicht stattfinden kann.
4)nbsp; nbsp; Ranhfutter oder Stroh, welches nach dem Orte seiner Lagerung als Träger des Ansteckungsstoffes anzusehen ist, darf aus dem Gehöfte nicht entfernt werden.
sect; 81. Der Besitzer der unter Gehöftsperre gestellten Thlere, oder der Ver­treter desselben ist anzuhalten, von dem Auftreten verdächtiger Krankheits­erscheinungen bei einem Thlere sofort der Polizeibehörde eine Anzeige zu machen und die erkrankten Thlere im Stalle zu behalten.
Auf diese Anzeige hat die Polizeibehörde unverzüglich eine Untersuchung der Thlere durch den beamteten Thlerarzt zu veranlassen.
•5 82. Die Einluhrung von gesundem Rindvieh in das Seuchengehöft darf ohne ausdrückliche Erlaubniss der Polizeibehörde nicht stattlinden. Diese Er­laubuiss ist nur dann zu ertheilen, wenn die einzuführenden Thlere in einem isolirten und erforderlichenfalls vorher vorschriftsmüssig desinlicirten Stalle unter­gebracht werden, und wenn nach der Art der Verwendung und Verpflegung dieser Thlere jede unmittelbare Berührung derselben mit dem verdächtigen Vieh aus­geschlossen werden kann.
sect; 8'i. Gewinnt die Seuche in einer Ortschaft eine grossere Verbreitung, so kann die Polizeibehörde den Seucheort oder einzelne Ortstheile gegen die Ausführung absperren. In diesem Falle ist von der Polizeibehörde für die Dauer der Ortssperre die Abhaltung von Rindviehmärkten in dem Seuchenorte zu verbieten.
sect; 84. Bricht die Seuche auf der Weide unter solchem Rindvieh aus,
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304 Dlfl |quot;1l Lungt'iiseuelii' bezüglichen Qesetze des deutschen Eeiches.
welches ständig mif der Weide gelullten wil'd, so hat die Polizeibehörde die Tödtimg der erkrankten TMere nach der Vorschrift im sect; 79 anzuordnen und wenn die Umstände des einzelnen ialles es zulassen, die Weidelläche gegen den Abtrieb des Weideviehes und gegen den Zutrieb von Rindvieh abzusperren. Bei der Anordnung der Weidesperre ist dafür Sorge zu trugen, dass das abgesperrte Vieh mit dem Kindvieh anderer Weiden nicht in Bcridirung kommen kann.
Die abgesperrte Weidelläche ist mit Tafeln zu versehen, welche die Inschrift „Lungenseuchequot; führen.
Ist die Absperrung der Weidelläche nicht ausführbar, so ist das verdächtige Weidevieh der Absperrung in anderweiten üertlichkeiten zu unterwerfen.
S 85. Wird die Seuche bei Thiereu, welche raquo;ich auf dem Transporte be-iinden, l'eslgestellt, so hat die Polizeibehörde das Weitertreiben zu verbieten, die Tiidtung der erkrankten und die Abspemmg der verdächtigen Thiero anzuordueu.
Beim Transport auf Eisenbahnen kann die Weiterbeförderung bis zu dem Orte gestattet werden, nn welchem die Thicre durchseuehen oder abgeschlachtet werden sollen; jedoch ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Berührung mil anderem Bindvieh ausgeschlossen wird.
sect; 8(i. Die Polizeibehörde kann die Ausführung des der polizeilichen Be­obachtung oder den Absperrungsmassregeln unterworfenen, der Ansteckung ver­dächtigen Rindviehs zum Zwecke sofortiger Abschlachtuug gestatten :
1)nbsp; nach benachbarten Ortschaften;
2)nbsp; nach in der Nähe liegenden Eisenbahnstationen behufs der Weiterbeför­derung nach solchen Sohlachtviehhöfen oder öffentlichen Schlachthäiisern, welche unter geregelter veterinärpolizeilicher Aufsicht stehen, vorausgesetzt, dass die Thierc diesen Anstalten direct mittelst der Eisenbahn, oder doch von der Ablade­station aus mittelst Wagen zugeführt werden.
Durch voi'gänglge Vereinbarung mit der Eisenbahnvenvaltiiug oder durch unmittelbare polizeiliche Begleitung ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Berüh­rung mit anderem Rindvieh auf dem Transporte nicht stattfinden kann.
Auch ist der Polizeibehörde des Schlachtortes zeltig von der Zuführung des der Ansteckung verdächtigen Viehes Kenntniss zu geben.
Das Abschlachten des der Ansteckimg verdächtigen Viehes muss unter polizeilicher Aufsicht erfolgen.
Die durch die Vorschriften dieses Paragraphen den Polizeibehörden crthellte Ermächtigung erstreckt sieh nicht auf das an der Lungenseuche erkrankte oder der Seuche verdächtige Rindvieh.
sect; 87. Werden verdächtige Thierc in verbotswidriger Benutzung, oder ausserhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit oder au Orten, zu welchen ihr Zutritt verboten ist, betroffen, so kann die Polizeibehörde die sofortige Tödtung derselben anordnen (sect; 25 des Gesetzes).
sect; 88. Die an der Lungenseuche erkrankten Thlei'e, deren Tödtung von der Polizeibehörde angeordnet Ist, sind unter polizeilicher Aufsieht Im Bereiche des Seuchengehöftes oder in anderen geeigneten Gehöften des Seuchenortes zu schlachten und abzuhäuten.
sect; 89. Die Lungen der getödteten oder gefallenen lungenseuchekranken Thierc müssen behufs unscliädlicher Beseitigung mindestens 1 Meter tief vergraben werden. Das Fleisch solcher TMere darf vor völligem Erkalten aus dem betref-fendeu Gehöfte nicht auscreftthrt werden.
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Dio auf Lungeiiseuche bczüglicheii Gesetze Deutsclilands und Oesterreichs. 305
Häute liuigeiiseuclielii'anliev Thlere dürfen aus dem betreffenden Gehöfte oder dem Schlachthause (sect; 80) nur in vollkommen getrocknetem Zustande aus­geführt werden, sofern nicht die directe Ablieferung- derselben an eine Gerberei erfolgt.
d. Desinfcctlon.
sect; 90. Die Desinfection der Stallungen und Räumlichkeiten, in welchen lungenseiicbckranke Thicre gestunden haben, der Krippen, Raufen und Stall-geräthschaften, muss nach Anordnung des beamteten Thierarztes und unter polizei­licher Ucbenvachung erfolgen.
In den evaeuirten Seuchcnstilllen des Gehöftes muss die Desinfection schon vor Aufhebung der Schutzinassregeln vorgenommen werden.
Zur Abfuhr und Unterpflügung des Düngers der an der Lungenseuchc erkrankten oder der Seuche verdächtigen Thiere sind fremde Rindviehgespanne nicht zu benutzen.
Die Polizeibehörde hat den Besitzer anzuhalten, die erforderlichen Des-infectionsarboiten ohne Verzug ausführen zu lassen.
Ueber die erfolgte Ausführung der Desinfection hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
6. Aufhebung der Schutzmassrogcln.
sect; 91. Die Seuche gilt als erloschen und die angeordneten Schutzmnssrcgeln sind von der Polizeibehörde aufzuheben:
wenn der ganze Viehbestand getödtet oder zum Schlachten ausgeführt ist, oder wenn das erkrankte Rindvieh beseitigt und untei dem ver­dächtigen Vieh (sect; 78) G Monate nach dem letzten Erkrankungsfalle keine neuen Erkrankungen vorgekommen sind, und wenn die vorschriftsmässige Desinfection erfolgt ist. Das Erlöschen der Seuche ist, wie der Ausbruch derselben, zur öffentlichen Kenntniss zu bringen (sect; 77).
Das Osterreichische Viehseuchengesetz vom 29. Februar 1880 enthält in Bezug auf in Rede stehende Krankheit folgende Vor­schriften :
e) Lungenseuche des Rindviehes.
sect; 28. Der Abtrieb noch vollkommen gesunder Rinder aus ge­sperrten Ställen und Ortschaften behufs der Schlachtung kann auf Grundlage des Gutachtens des Amtsthierarztes und unter den ent­sprechenden Vorschriften von der politischen Bezirksbehörde gestattet werden.
Fleisch von geschlachteten kranken Rindern darf nur im Seuchen­orte auf Grund des thierärztlichen Befundes zum Genüsse zugelassen werden, es sind jedoch die Lungen der geschlachteten kranken, zum Genüsse geeignet befundenen, sowie die Cadaver der an der Lungen-
Pütz, Lohrbuch dor anstcolieiiclcn Thlorkrankheitcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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3UG
Die auf Liiiigcnscuch(; bezttgUohen Gesetze üesterreichs.
souche gefallenen und der geschladitotcn kranken, zum Grenusse nicht geeigneten Thiere unschädlich zu beseitigen.
Das Fleisch der wegen des Verdachtes der Lungensouche ge­schlachteten und nach, der Schlachtung gesund befundenen Rinder darf in Orte grösseren Verbrauchs jedoch nur mittelst Eisenbahnen und Schiffen unter entsprechenden Vorsichten vorführt werden.
Die Hiiuto umgestandener oder geschlachteter kranker Rinder sind zu desinficiren.
Werden der Lungenseuche verdächtige Thiere in verbotwidriger Verwendung oder ausserhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit oder an Orten, zu welchen der Zutritt für sie verboten ist, betroffen, so kann, wenn eine Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche durch das betroffene Vieh vorhanden ist, die sofortige Tödtung desselben von der politischem Bezirksbehorde, unter besonders bedenklicheu Um­ständen aber von der Ortsbehörde angeordnet werden.
Die ministerielle Verordnnng vom 12. April 1880 enthält in Bezug auf die Lungensenche folgende Durclifülirungsliestiniinungen;
1.nbsp; nbsp; Kiinn bei der Erhebung die Gegenwart der Lungensenche nach dem Befunde hei den lebenden, krank erselieiueuden Thieien nielit zweifellos sicher­gestellt werden, ergibt jedoch deren Untersuchung Erscheinungen, welche sie dieser Krankheit verdächtig machen, so darf in Ermangelung eines Cadavers die Tödtung eines verdächtigen Thieres nach vorausgegangener Schätzung seines Werthes über Ermächtigung der politischen Bezirksbehörde^yorgenommen worden (sect; lü des Gesetzes).
Wird auch hiedurch der Sachverhalt nicht klargestellt und besteht gleich­wohl der Verdacht des Vorhandenseins der Krankheit fort, so sind die verdäch­tigen Thiere abzusondern und der Stall unter Sperre zu setzen, insohmge bis nicht, der Verdacht behoben oder das Vorhandensein der Krankheit sichergestellt ist.
2.nbsp; nbsp;Ist die Lungenseuche in einem Hofe constalirt worden, so ist zu er­heben, ob — und im bejahenden Falle, woher das kranke Vieh angekauft worden und ob dasselbe mit dem Vieh anderer Bestände in Berührung gekommen sei, dann ob Vieh aus dem verseuchten Hofe und wohin abverkauft oder geschlachtet wurde. Auf Grund dieser Erhebungen hat die politische Bezirksbehörde die etwa erforderlichen weiteren Maassnahnien sofort zu veranlassen.
3.nbsp; nbsp; Der verseuchte Stall unterliegt der Sperre und ist als solcher zu be­zeichnen; die Ausfuhr von Kauhfutter und Streumaterial aus dem Stalle und aus den mit demselben in unmittelbarer Verbindung stehenden Räumlichkeiten ist verbfiten.
Für Vieh, welches ständig auf der Weide sich befindet, ist die Absperrung, des Weideplatzes einzuleiten. Solche Plätze sind durch Tafeln mit der Aufschrift „Lungenseuchequot; kenntlich zu machen.
4.nbsp; nbsp;Die kranken Thiere sind von den gesunden zu trennen und durch be­sondere Wärter zu besorgen.
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Die auf Luugonseuche boziigliehen Qesetze Oesterrciclis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;307
Letztere dürfen erst midi griindliclu'r Reinigung ihres Körpers und naeli Wechsel ihrer Kleider mit gesunden Kindern wieder in Berührung treten.
5. Bei grosserer Verbreitung der Seuche in einer ürtschnl't ist der Seuclun-ort und dessen Gemarkung gegen die Auslühr von Kindvieh und gegen den Durchtrieb desselben abzusperren. In derart gesperrten Orten ist die Abhaltung von Rindviehraärkten verboten.
0. Ausnahmen von den Vorschriften in Betreu der Sperre sind bezüglich des Abtriebes gesunder Rinder aus gesperrten Ställen und ürtsehaften in andere Orte behufs der sofortigen Schlacbtung zulässig (sect; 28, Alinea 1 des Gesetzes).
7.nbsp; nbsp; Die Verwendung des Arbeitsviehes aus seuchefreien ötiUlen eines ge­sperrten Ortes ist innerhalb der Ortsgemarkung zulässig.
8.nbsp; nbsp; Zum Zwecke der Abkürzung der Seuchendauer und der Hintimhaltung schwerer Verluste für den Viehbesitzer ist von Seite der Seiichencoramissum Ihunlichst dahin zu wirken , dnss kranke und verdächtige Thiere baldigst ge­sehlachtet werden. Die Schlachtung ist unter Aufsicht des Thierarztes vorzu­nehmen, welchem auf Grund des Augenscheines die Entscheidung'bezüglich der zulässigen Verwendbarkeit des Fleisches der geschlachteten Thiere zum Genüsse zusteht (sect; 28, Alinea 2 des Gesetzes). Der Thierarzt hat zu bestimmen, was mit den zum Genüsse nicht zugelassenen Theilen zu geschehen hat. Kann die Schlach­tung wegen zu besorgender Qefahr der Ansteckung in der Schlachlloeiditäl der Ortschaft nicht gestattet werden, so ist sie in dem Hofe des Viehbesitzers vor­zunehmen.
Für den nach sect; 28, Alinea 3 zur Beförderung in grössere Consumortc zu­gelassenen Fleischtransport ist von der Seuohenconimission ein Certificat nach dem anruhenden Formulare auszufolgen.
Von dem Eintreffen des Transportes ist die Localbehörde des Consumortes rechtzeitig zu verständigen.
9.nbsp; nbsp;Dem Dunstkreise kranker Thiere ausgesetzt gewesenes Futter und Stroh darf nur für zum Rindergeschlechte nicht gehörige Thiere und 'erst nach dem Er­löschen der Seuche verwendet werden.
10.nbsp; nbsp; Wird die Krankheit in Triebherden oder bei Rindern während ihres Transportes cemstatirt, so hat der Gemeindevorsteher den Weitertrieb einzustellen und die Absperrung der kranken und verdächtigen Thiere zu veranlassen. Die politische Bezirksbehörde hat auf die müglichst baldige Schlachtung der Thiere hinzuwirken (Punkt 8).
11.nbsp; nbsp; Die Cadaver der an Lnngenseuche gefallenen und der geschlachteten kranken, zum Genüsse nicht geeignet erklärten Thiere und nicht zum Genüsse geeigneten Theile von Thieren, dann der Dünger aus den Stallungen sind mit Vermeldung von Rindergespannen auszuführen; erstere sind unschädlich zu be­seitigen ; der Dünger ist auf entlegene Grundstücke zu bringen und vor dem Untcrackern mit Erde reichlich zu bedecken.
Die Häute umgestandener oder geschlachteter kranker Thiere sind zu des-inficiren (Vollzugsvorschrift zu sect; 20, Punkt 7).
12.nbsp; nbsp; Die Stallungen und Räumlichkeiten in welchen lungcnseuchekranke Thiere untergebracht waren, die Einrichtungsstücke und Stallgeräthe sind der Desinfection zu unterziehen.
Die Ställe sind zuletzt einer starken Käucherung mit Schwefel oder Chlor-dämpfen auszusetzen.
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Die Ilindorpcst.
13. Die Impfung der Lungenscuche darf nur in von der Lungenseuche bereits verseuchten Ställen (Nothimpl'ung) über Verlangen des Vieheigenthümers und auf seine Gefahr und nur von dem Amtsthierarzte vorgenommen werden. Die Spernnassregeln dürfen hiedurch keinen Abbruch erleiden.
Während der Dauer der Lungenseuche ist je nach dem Grade ihrer Aus­breitung der Thierarat in Zwischenräumen von 8 bis 14 Tagen zur Vornahine der Revision in den Seuchenort zu entsenden.
15. Die Sperrmassregeln bezüglich jener Seuchengehüfto, in welchen Rind-vieli übrig geblieben ist, sind erst 3 Monate nach dem Erlöschen der Krankheit und nach bewirkter Reinigung und Desinfection der Stallungen, Standorte und Geräthe aussei' Wirksamkeit zu setzen.
Rindviehstücke, welche mit den kranken In Berührung gewesen, aber ge­sund gehlieben sind, dürfen, den Fall der Schlachtung ausgenommen, erst nach Ablauf von weiteren 2 Monaten in Verkehr gebracht werden.
Von Rindvieh vollkommen entleerte Ställe dagegen dürfen 14 Tage nach vollendeter Desinfection wieder mit Rindern besetzt werden.
7. Die Rinderpest.
Diese Krankheit ist unter allen Tbierseuchen diejenige, welche in der Regel den intensivsten Ansteekungsstoff erzeugt, der indess nur auf das Rind und einige andere (vicllcieht auf alle) Wiederkäuer wirksam übergehen kann. Sie ist eine schon sehr lange bekannte Krankheit und wurde bereits im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung weit von ihrer Brutstätte im Westen Enropa's beobachtet; wohin sie aus dem Osten, wahrscheinlich durch die Viehherden der in der Völker­wanderung den Westen Europa'raquo; überfluthenden Volksstämmo, einge­schleppt worden war. Seitdem hat sie häufig, vorzugsweise als ein Begleiter der aus dem Osten kommenden Armeen, die verschiedenen Länder unseres Continents durchzogen, während sie gegenwärtig in Folge des lebhaften Eisenbahnverkehrs sich überall einzunisten droht, wenn dieselbe nicht durch geeignete Vorbeugungs- und Tilgungs-massregeln in jedem einzelnen Falle bekämpft und dadurch in Schran­ken gehalten würde. Wie sehr dieselbe den Nationalwohlstand zu schädigen im Stande ist, das haben wir noch vor Kurzem in Holland und England sehen können, wohin die Rinderpest im Jahre 1805 von einem russischen Seehafen aus eingeschleppt, in einigen Jahren die herrlichen Viehstände dieser Staaten in furchtbarer Weise deeimirte und Millionen des Nationalvermögens dieser viehreiciien Länder ver­nichtete. Die damalige Fahrlässigkeit der betreffenden Staatsregierungen hat neben den grossen finanziellen Verlusten des eigenen Landes einen Vortheil für die Allgemeinheit, nämlich eine Bereicherung der Wissen­schaft zur Folge gehabt, indem den Thicrärzten des westlichen Eu-
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Geschichtliches über Rinderpest.
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ropa's liior die ausgiebigste Gelegenheit geboten war, diese bis dahin noch wenig genau erforschte und deshalb nur oborfliichlicli gekannte Seuche eingehender zu studieren. Auch mir war es vergönnt, bei dieser Gelegenheit die Rinderpest in einer grossen Zahl von Füllen selbst zu beobachten, da ich zu jener Zeit 10 Tage lang in verschie­denen Provinzen Hollands, besonders in der Umgegend von Utrecht verweilt und zunächst in dem Rindviehstande der Utrechter Tbierarznei-sehule, fragliche Krankheit in den verscliiedeneii Stadien ihrer Ent­wicklung beobachtet und mehreren Obductionen von an Kinderpest verendeten Thieren beigewohnt habe. Bevor ich ineine damals gesam­melten eigenen und die in der Literatur niedergelegten reichen Er­fahrungen Anderer hier l'tbersichtlich zusammenstelle, will ich die na-tionalüconomischo Bedeutung dieser Seuche nach einer Uebersieht von Sommer anschaulich zn machen versuchen.
Die Rinderpest ist wahrscheinlich schon im Alterthum in den Steppcügobieten Ost-Europa's und Central-Asicns und ebenso wahr­scheinlich erst durch die Völkerwanderung nach dem westlichen Eu­ropa verschleppt worden. Die Schriftsteller des Alterthmnes enthalten über diese Seuche weniger sichere Nachrichten, als über das damalige Auftreten des .Milzbrandes; die ersten zuverlässigeren Nachrichten sollen von Soverus Sanetus Endelcchius stammen, und danach die Rinderpest im vierten Jahrhundert n. Chr. durch die Hunnen, Sar-maten und öothen aus dem Osten nach Süd- und West-Europa ge­bracht worden sein. Dieselbe herrschte im Jahre 395 n. Chr. in Ungarn, Oesterreich und den Niederlanden.
Seitdom worden die Nachrichten über ihre Verheerungen in Europa häufiger. Im Jahre 570 soll in Italien und Frankreich alles Vieh an einer Seuche, die wahrscheinlich die Rinderpest war, umge­kommen sein. 809 war sie über ganz Europa verbreitet und im Jahre 810 richtete sie in Deutschland grosso Verheerungen an. Sodann herrschte sie 820, 850, 870 in West- und Süd-Europa, 992 in Deutsch­land und 1096 in Böhmen. Und so sind auch aus dem 13., 16. and 17. Jahrhundert verschiedene Invasionen Europa's durch die Rinder­pest bekannt.
Genauere Beschreibungen besitzen wir ttber Rinderpest-Invasionen vom Jahre 1710 bis 1714. Merkwürdig ist, dass sie in den Jahren 1713 und 1770 in England durch die Keule schnell getilgt wurde, während in den GOer Jahren dieses Jahrhunderts dort erst nach bedeutenden Verlusten geeignete Massnahmen gegen dieselbe ergriffen wurden.
Europa soll von 1711—1714 im Ganzen Vja Million Stück
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GescliicUtliohcs über Rinderpest.
Rindvieh an der Rinderpest verloren haben. Von da an hat diese iSeuehe mit kurzen Uulerbrochungen während des ganzen 18. Jahr­hunderts die verschiedenen Länder Enropa's heimgesucht und ganz enorme Verluste verursacht. Viele Millionen Stüok Rindvieh hat Europa im 18. Jahrhundert durch die Rinderpest verloren. Deutsch­lands Verluste werden auf etwa 28 Millionen und die Verluste von ganz Europa auf etwa 200 Millionen Stück Rindvieh angegeben. Am wenigsten sind hiervon Spanien und Schweden betroffen worden, weil dieselben kein Vieh importirten. Im Anfange des 19. Jahrhunderts verbreitete sich die Rinderpest in Folge der Napoleonischen Kriege zu wiederholten Malen über Ccntral-Europa bis nach Frankreich. 1801 und 1805 herrschte sie in Oesterreich, Böhmen und Sachsen; 1800 bis 1808 in Preussen und Schlesien; 1809 inOesterroich, Böhmen, Mähren und Schlesien; 1813 in Deutschland, besonders in Schlesien (wo sie auch 1811 geherrscht hatte), Mecklenburg, Schleswig und Holstein, 1814 bis 181G in Frankreich und den Niederlanden.
Seit dieser Zeit werden im ganzen westlichen Europa die Rinder­pest-Invasiüiien wieder seltener, weil von da an geeignetere Massregeln getroffen wurden, einestheils um die Einschleppung der Seuche aus den östlielicn Ländern möglichst zu verhindern, anderntheils um die ausgebrochene Seuche möglichst schnell zu tilgen.
1820 herrschte die Rinderpest in Livland, Estland und im pskow-schen Gouvernement, 1827 in (Jurland und in Oberschlesien.
1827 und 1828 wurde sie während des russisch-türkischen Krieges nach Galizieu, Polen, Schlesien, Siebenbürgen, Ungarn, Oesterreich, Böhmen und Mähren gebracht. 1829 und 1830 herrschte sie in Ga­lizieu und Mähren; Ungarn verlor im Jahre 1830 an der Rinderpest 30000 Stück Rindvieh.
Aegypten verlor an dieser Seuche von 1841 bis 1844 ca. 400 000 Stück Rindvieh; die Krankheit war hierhin durch in Ana­toli en und Rumänien angekauftes Steppenvieh eingeführt worden.
In Russland starben 1844 bis 1845 an der Rinderpest etwa 1 Million Stück Rindvieh. 1833, 1834, 1835, 1844, 1845 und 1840 herrachte diese Seuche in Bessarabien, 1845, 1840 und 1847 in der Moldau und Walachei. 1830, 1831, 1832, 1833, 1834, 1835, 183,0, 1848, 1852, 1854, 1857, 1870, 1871 und 1880 drang sie bis an die baltischen Gouvernements vor.
Oesterreich verlor von 1819 bis 1865 etwa 483000 Stück Rind­vieh durch die Rinderpest, Preussen hingegen von 1855 bis 18G4 nur
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Gescliiclitliches über Rinderpest.
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32G4 Stück. Im Kriogsjalirc 1860 vorbreitete sieh die Rinderpest wiederum über Oesterreieh bis an die Schweiz.
Italien verlor von 18(32 bis 18(3(5 ca. 50 000 Kinder und 20 000 Schafe an der lliuderpost, welche von Dalmatien aus zunächst nach Neapel eingeschleppt worden war.
1804 herrschto die Ilinderpest in Indien und in den Jahren 1805 bis 1807 richtete sie in Holland und England grosso Verheerungen unter dem Rindvieh an; Holland allein verlor damals etwa 100000 Stück Rindvieh und England für etwa 80 Millionen Mark durch die Rinder­pest. Verbiiltnissinässig gering waren die Verluste Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz während des deutsch-französischen Krieges 1870 bis 1871, weil hier die Seuche überall durch energische Mass­regeln schnell getilgt wurde.
Aus diesen Angaben erkennen wir, dass die; Rinderpest in früheren Zeiten bis gegen Ende des Mittelalters nur selten über Europa sich verbreitet hat. Es hat dies erst stattgefunden, seitdem häufiger aus den Steppengegenden Süd-Russlands Rindvieh nach Ungarn, Polen, Oesterreieh, Deutschland, Italien etc. transportirt worden ist. Nament­lich werden mit dein 18. Jahrhundert die Verheerungen durch die Rinderpestausserhalb Russlands häufiger, während sie seit Beschränkung des Viehhandels durch Einfuhrverbote, so wie durch Anwendung strenger Massregeln gegen verdächtige oder kranke Thiere wieder seltener geworden sind.
In Russland sind aber auch heute noch die durch diese Seuche verursachten Verluste sehr bedeutend; so betrugen dieselben im Jahre 1870 etwa 100000 Stück, 1877 ca. 212708 Stück und 1878 unge­fähr 321885 Stück Rindvieh, durchschnittlich also jährlich 2—300000 Stück Rindvieh im Werthe von etwa 10 Millionen Rubel. Es be­tragen aber diese Verluste in einzelnen Jahren dort weit mehr, so z. B. wird der Verlust von 1844 bis 1845 auf 1 Million Rinder an­gegeben.
Wenn man den Gesammtverlust, welchen Europa seit dem An­fange des vorigen Jahrhunderts durch die Rinderpest an Rindvieh erlitten hat, nur auf 180 Millionen Stück Rindvieh, jährlich also im Durchschnitt auf ca. 1 Million veranschlagt, so repräsentirt dieser Verlust eine Summe von etwa 27 Milliarden Mark im Ganzen oder von etwa 150 Millionen Mark pro Jahr.
Rechnet man hierzu die enormen Summen, welche indirect, nämlich durch Störung des landwirthscbaftlichen Betriebes etc. verloren gehen.
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Die Kinderpest in der Schweiz (1871).
so wird man den Wcrth einer geregelten Souehentilgung leieht zu erkennen vermögen.
Dass diese ganz vorzugsweise von einer frühzeitigen Erkennung der Krankheit abhängigquot; ist, liegt sehr nahe, indem hierdurch die grössere Ausbreitung der Seuche in erster Linie verhindert wird. So sind die eigenen Wahrnehmungeuund meine ckaherige Kenntniss der Souehe, welche ich in den OOr Jahren in Holland gesammelt hatte, nnd später an der Hand trefflicher Monographien über die in Holland und England beobachtete Rinderpest erweitert habe, der Schweiz im Jahre 1871 beim Uebertritt der Bourbakischen Armee zu statten gekommen, indem ich in Verriöres Suisses (Ct. Neufchatel) und an anderen Orten die Rinderpest festgestellt und dadurch mit dazu bei­getragen habe, dass dieselbe frühzeitig und mit verhältnissmässig ge­ringen Opfern getilgt werden konnte.
Ich erwähne dies hier keineswegs aus Eitelkeil, sondern aus dem Grunde, ^yeil damals von schweizerischen Fachgenossen eine unwürdige Aufstachclung der Bevölkerung durch die Tagesprcsse stattgefunden hat, gegen welches Ver-fahren ich auch an dieser Stelle protestiren zu müssen glaube. Es sei deshalb hierauf bezüglich kurz bemerkt, dass auf der laudwirthschal'tlichen Schule Rütti bei Bern Im Jahre 1871 meinerseits die Rinderpest in ihrem ersten Auftreten festgestellt worden ist. Da ich die persönlichen Eigenschaften verschiedener Gegner der deutschen Professoren an der Bemer Thierarzneischulc damals bereits kannte, so ersuchte ich Herrn Professor Klebs, den betreffenden Sectionen bei­zuwohnen, um die bezüglichen Präparate sofort au sich nehmen und später unter­suchen zu wollen. Meines Wissens hat von allen Hetzern jener Zeit keiner sich die Mühe genommen, fragliche Präparate auf dem pathologischen Institute in Bern selbst in Augenschein zu nehmen, obgleich ich hierzu wiederholt öffentlich eingeladen habe. Nichts desto weniger wurde die Rinderpestnatur fraglicher Krankheit fortgesetzt hartnäckig gelängnct und die Tütltung der betrcITenden Thiere als eine durchaus unberechtigte Massregel hingestellt, Allerdings habe ich schon damals die Genugthnung gehabt, dass die solide Presse, wie z. B. Berner Bund, Orenzpost, Berner Intelligenzblatt, Handelscourier und andere besser redigirte Blätter mich gegen die stellenweise masslosen Angriffe in Schutz ge­nommen haben. Dass die Klebs'schcn Untersuchungen, so wie die Urtheile an­derer gewiegter Sachverständiger meine Diagnose bestätigt haben, wird vielen Lesern dieser Zeilen wohl bekannt sein.
Die Revue für Thlerheilkunde etc. Wien den 1. Novbr. 1881 theilt einen auf diese Untersuchungen sich stützenden Artikel'der Allgemeinen Wiener me-dicinischen Zeitung mit, worin Klebs über die Aetlologle der Rinderpest sich aussert. In dieser Jlittheilung der Revue heisst es:
Anlässlich der gegenwärtig in Kieder-Oesterreich grassirenden Rinderpest findet es Klebs für angezeigt, einige Bemerkungen bezüglich der pathologisch-nnatomischen Veränderungen zu machen, welche in den Anfangsstadien des Pro­zesses vorhanden und auch geeignet sind, über die ätiologischen Momente dieser
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Ergebnisse der Klebs'sclien Rinclcrpeststudien.
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Krankheit Licht zu verbreiten. Aul' Grund seiner im Jahre 1871 in der Schweiz genuichten diesbezüglichen Studien, welche ihn über die ersten Anl'iinge, so wie den weiteren Verlauf der Uinderpest ein völlig klares Bild gewinnen Hessen und wohei sich unter den von ihm untersuchten Fällen eine ganze Anzahl solcher befanden, hei welchen nur mikroskopische Veränderungen vorhanden waren, so wie andere, bei denen üusserst geringfügige mikroskopische Veränderungen ge­funden wurden, sagt Klebs:
Die Krankheit besteht in dem Eindringen und in der Verbreitung eines bestimmten Micrococcus in den Körper dazu geeigneter Tbiere, namentlich des Kindes, der Schale und Ziegen, so wie in den hierdurch hervorgerufenen Folge-Erscheinungen. Wir können diesen Micrococcus als einen spezifischen, also als „Micrococcus pestis bovinacquot; bezeichnen, da derselbe einerseits sich durch be­deutendere Grosso und durch die besondere Art seiner Verbreitung im Körper von anderen bekannten Formen, so den septischen und diplitheritischen unter­scheidet, wie er auch andererseits niemals, so weit unsere Kenntnisse reichen, spontan entsteht, sondern nur, von einem erkrankten Thiere auf gesunde über­tragen, bei diesen die Krankheit hervorruft. Wir kennen kaum eine Krankheit, bei welcher diese fundamentale Eigenschaft so sicher nachgewiesen ist, wie bei dieser. Im Sinne l'ettcnkofers handelt es sich also um eine eminent endogene Form des Micrococcus, welche entweder direct von Thier zu Thier, oder, was wohl das häufigere ist, indirect, haftend an Kleidern oder an den Händen der mit (rindevpestkranken) Thicren beschäftigten Leute, oder mittelst verunreinigter Futterstoffe verbreitet wird. Auch der Mist erkrankter Thiere ist als eine der wichtigsten Quellen der Weiterverbreitung der Krankheit anzusehen, wie aus der folgenden Darstellung der Verbreitung der Mikrokokken im Körper der Rinder ohne Weiteres hervorgeht.
Diese Mikrokokken linden sich zunächst im Speichel der Maulhühle und dringen von hier aus auf zwei Wegen in die Gewebe ein. Zuvörderst haften sie an dem Epithel und entwickeln sich in den tieferen Schichten desselben weiter, bilden hier, indem sie eine stärkere Secretion anregen, Lücken nach Art der Variola-Pusteln. Indess entstehen hier niemals grüssero Blasen, sondern vielmehr eine grosso Reihe kleinerer Höhlen, wodurch eine Auflockerung des Epithels zu Stande kommt, welches Jetzt als ein weicher, gelblicher Schorf nur locker der Oberfläche anhaftet. Abgestossen oder abgestreift tritt dann das stark geröthete, aber sonst nicht destruirte Schleimhautgewehc zu Tage. Diese, oftmals mit dipli­theritischen verwechselten Schorle, eine der l'rühesten makroskopischen Verän­derungen von höchster diagnostischer Wichtigkeit, linden sich vorzugsweise an den Zahnfleisch-Bändern, besonders der Schneidezähne, sodann an den Spitzen einzelner kolbiger I'apillen des Zangenrückens, welche durch die Schwellung ihres Gewebes stärker hervorragen und deshalb leicht erkennbar sind, ferner an der Basis der hakenförmigen Fapillen, welche an den Seitentheileu der Zunge vor­kommen, endlich an den umwallten Pupillen und an den Mündungen der ton-sillaren und pharyngealen Krypten, hier oftmals weissliche Ringe um dieselben bildend.
Der zweite Weg, auf welchem die Mikrokokken in die Tiefe der Gewebe eindringen , sind die Ausführungsgänge särnmtlichcr drüsiger Gebilde der Maul-böble, welche man schon sehr frühzeitig mit schleimigen Massen angefüllt findet, die reichliehst von zerstreuten Mikrokokken durchsetzt sind. An diesen Orten, z.B.
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Ergebnisse der Klcbs'sclien llindorpestsüulicn.
an den Lnbinldrüsen dringen sie, wolil wegen der zarteren Stl'uotur der Kpithelien, selion sehr IVülizeilig in das Grnndgewebe ein, verbreiten sicli daselbst gleiehfalls ganz dilTus, niemals Haufen bildend in dem Bindegewebe, welches auf Schnitten deshalb wie bestiiubl aussieht. Hier findet nun weiterhin alsbald ein Eindringen dieser Organismen in die Lymph- und Blutgefftsse statt, welche oft auf viele Strecken von dicht gedrängten enormen Massen von Mikrokokken erlnllt sind. Schon Jieale (180(1) machte die Bemerkung, dnss die Vouen oft von einer gelb­liehen Flüssigkeit angefüllt sind, welche reich an körnigen Massen ist, deren Natur er aber nicht erkannte. Diese Kigenthümlichlu'it der Mikrokokken-Au-häul'ung' in den Hhitgclassen bewirkt nun eine zweite, makroskopisch erkennbare, für die Diagnose äusserst werthvolle Veränderung, das sind lebhaft geröthetc Flecken, die bald den Character von hämorrbagisehen annehmen. Namentlich an den von zarter Schleimhaut überzogenen Theilen, wie den Lippen, erscheinen diese wenig scharl' begrenzten, länglichen oder auch streifigen rothen Flecke oft schon sehr frühzeitig. Dasselbe ist der Fall an den weiblichen Genitalien und am Euter, wo sie aber meist später erscheinen, wenn nicht die Infection etwa durch das Melken verursacht ist. Diesen Jlikrokokken-Infillratioiicn folgen dann spater überall zellige Wucherungen, die indess ineit stärker im Darm. a,ls an den eben erwähnten Theilen sich entwickeln.
Im DarmtractUS findet man schon sehr frühzeitig reichliche Mengen einer dünnen grangelben Flüssigkeit, namentlich im Dünndiirnie, die Solitär-Follikcl geschwellt, die Plaques gewöhnlich intact. Unabhängig von dieser Schwellung dorFollikel treten aber auch sehr bald kleine, etwa linsengrosse Verschorfungen auf, welche sich als scharf umgrenzte, gelbliche, leicht ablösbare Pfropfe dar­stellen. In diesen Fällen zeigt die mikroskopische Untersuchung schon selir tief­greifende Veränderungen. Das intcrstitiellc Gewebe der eigentlichen Mucosa ist dicht erfüllt mit Rundzellen, die Submucosa aber durchsetzt von massenhaften Mikrokokken, die Gelasse von dichten Haufen der letzteren erfüllt.
Die weiteren Veränderungen können wir hier übergehen, da sie für die Diagnose frischer Fälle keine Bedeutung besitzen. Nur wollen wir auf das früh­zeitige Eintreten von Fieber aufmerksam machen, welches mittelst des Thermo­meters bisweilen sebon constatirt werden kann, bevor gröbere Veränderungen der Gewebe mit blossem Auge zu erkennen sind.
Aus den vielen, der letzten Rinderpest-Invasion in England und Holland entsprungenen Arbeiten über fraglicbo Krankheit, liebe ich noch die vorzügliche Monographie des um die thierttrztliche Wissen­schaft so hoch verdienten verstorbenen Directors der Berliner Thiel'-arzneisclmle, des Geh. Medicinalrathes Professor Gerlach, ferner dio bezüglichen Untersuchungen Leisering's und Fürstenborg's besonders hervor. Auch von englischen Gelehrten ist damals die Krankheit ein­gehend studirt und bearbeitet worden.
Ich will nun znniiehst die Krankheitserscheinungen in Nachstehendem nach vielfach eignen Wahrnehmungen folgen lassen und
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Symptome der liiiulerpest.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; y],'raquo;
zwar in derjenigen Reihenfolge, wie sie für die Diagnose am besten zu verwerthen sind. Die wesentlichsten Krankheitserscheinungen be­ziehen sieh auf die Schleiinhiiute des Respirations- und Verdauungs-Apparatcs. Die ersten wichtigen Localerschoinungen der Rinderpest bestehen in catarrhalischen Aifectionen genannter Hclileiinluiuto, (bei weiblichen Thicrcn unter häufig gleichzeitiger Bethoillgung der Schleim­haut des Genitalcanales) welche mit Fieber verbunden sind. In der Regel fällt zunächst ein Thränen der Augen auf. untersucht man nun ein wirklich rinderpestkrankes Thier genauer, so findet man die Conjunetiva (Bindehaut) der Augen, welche bekanntlich eine Fort­setzung der Nasonsehleimhaut ist, so wie die Schleimhaut der Maul-und Nasenhöhle, (bei weiblichen Thieren auch die Schleimhaut des Genitalcanales) meist striemig geröthot. Diesen localon Erscheinungen pflegt eine Erhöhung der allgemeinen Körpertemperatur um 1 bis 2n C. bereits 24—80 Stunden vorauszugehen, womit bei inilchgebcnden Kühen gleichzeitig die Milchsecretion nachzulassen, oder ganz zu ver­siegen und das Wiederkauen zu sistiren pflegt. Für die Feststellung des Seuchenausbruches im ersten Erkrankungsfalle sind diese allge­meinen Erscheinungen in der Regel nicht zu verwerthen, dagegen haben sie, sobald die Seuche einmal in einem Viohstande oonstatirt ist, für die Diagtiose weiterer Fälle einen nicht geringen Worth, da (nach Sanderson) bereits 36 bis 48 Stunden nach erfolgter Infection eine deutliche Teinperatursteigorung wahrgenommen werden kann. Die Mastdanntemporatur sehwankt in der Regel zwischen 39 bis 42deg; 0. und erreicht nur ausnahmsweise ein höheres Maass. Bei tödtlichem Ausgange sinkt die Temperatur gegen das Ende der Krankheit oft 2—3deg; unter die Norm. Die Fresslust nimmt in der Regel frühzeitig und schnell ab, der Kothabsatz zeigt anfangs keine auffälligen Ver­änderungen, indem die Excremente bald normal, bald etwas weicher, bald etwas fester als normal abgesetzt werden. Die Bothcilignng des Circulationsapparates, so wie der Respiration bietet nichts (Jharac-teristisches; die bezüglichen Erscheinungen sind sehr variabel. Da­gegen pflegen die Patienten traurig und theilnahmlos dazustehen, allein auch in diesem Punkte ist keine Constanz, insofern selbst bei ein und demselben Individuum in Bezug auf diese Erscheinungen von heute auf morgen ein plötzlicher Umsehwmig eintreten kann.
Mir ist in dieser Beziehung eine eigene Beobachtung unter dem rinderpestkranken Viehbestande der Utrechter Thierarzneischule (im Jahr 18(37) sehr interessant. Ich traf dort am ersten Tage meines damaligen Besuches fraglichen Institutes in dessen Stallungen mehrere
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Symptome dor llinderpcst.
rinderpestkranke Individuen, von denen eins hochgradige Athem-beschworden zeigte, während oino nebenanstehende Kuh kaum auf­fällig1 krank erschien. Am folgenden Tage fand ich die Sache um­gekehrt, indem die Tags vorher schwer kranke Kuh nunmehr viel weniger leidend erschien und ruhiger athmete, als die gestern schein­bar so unbedeutend erkrankte Kuh.
Am wichtigsten sind stets die weiter folgenden Veränderungen an den Schleimhäuten, welche reichlicher secerniren und namentlich häufig am Zahnfleische der Schneidezähne alsbald eigonthümliche Ver-ändürungon zu bieten pflegen, In der Regel bildet sich liier ein ober­flächlicher Zerfall des Epithels, wodurch das Zahnfleisch ein ähnliches Ansehen gewährt, als wenn dasselbe mit Cigarrenasche bestrichen wäre. Bei weiblichen Thieren zeigen sich auf der Schleimhaut der Mutterscheide häufig ähnliche Erscheinungen, oder es bilden sich grössere oder kleinere graue, oder gelbliche Flecken auf derselben mit nachfolgender partieller Abstossung zusammenhängender Schleimhaut-fetzen an fragliehen Stellen. Die von dem Epithel entblössten Schioim-hautatcllen erseheinen hochroth. Auch an anderen Partien der ver­schiedenen Schleimhäute können ähnliche Prozesse auftreten; am häufig­sten pflegt dies (aussei- am Zahnfleische) an den Papillen der Maul-schleimhaut zu geschehen.
Bereits am zweiten oder dritten Tage nach der offenbaren Er­krankimg pflegt sich Durchfall einzustellen und damit gänzlicher Ver­lust der Fresslust, grosso Abgesehlagcnheit und Hinfälligkeit, worauf ein starkes Zusammenfallen des Körperumfangcs (Abmagerung) in rapidem Maasse folgt. Die Dannausleerungen sind zunächst von brei­artiger Consistenz, werden bald ganz wässerig, nicht selten mit Blut­spuren und schleimigen Massen vermischt. Der Kothabsatz pflegt trotz seiner flüssigen Beschaffenheit schmerzhaft zu sein, weil die Mastdarmsohleimhaut von dem entzündlichen Prozesse mit ergriffen ist, was sich bei dem zeitweisen Hervortreten derselben an ihrer auf­fälligen Röthung leicht erkennen lässt. Die Kräfte der Patienten ver­fallen immer mehr, so dass diese sich schliesslich nicht mehr zu er­heben vermögen, wobei der flüssige Koth aus dem nniunehr nicht selten permanent offen stehenden After unwillkürlich abzufliessen pflegt. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt der Tod am vierten bis siebenten Tage nach dem Ausbruche, manchmal aber auch erst später, selten früher. Im Allgemeinen geiien von den an Rinderpest erkrankten Individuen 7O — 750jn zu Grunde. Hochträchtige Thiere pflegen auf der Höhe der Krankheit zu verwerfen.
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Symptome und Verlauf der Rinderpest,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 317
Genesung kann möglicherweise selbst bei stark entwickelter Krank­heit noch eintreten; am häufigsten jedoch erfolgt sie begreiflicher­weise bei geringeren Graden der Erkrankung. Es muss hier darauf aufmerksam gemacht werden, daas das Fieber keineswegs immer im gradcn Verhältnisse zur Pulsfrequenz und zu anderen Krankheits­erscheinungen steht, und dass die höheren Temperaturgrade nicht nothwendig einen tödtlichen Ausgang bedingen. Der Tod kann ein­treten bei Thieron, welche nicht über 40 bis 41 ^ Temperatur zeigen, während bei einer Temperatur von 41 bis 42deg; Genesung erfolgen kann. Der Fiebertypus ist ein continuirlicher mit kleinen Remissionen am Morgen und mit kleinen Exacerbationen am Abend.
Die Betheiligung der llespirationsschleimhaut ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, so dass demnach bald grössere bald geringere Athembeschwerden vorbanden sind.
Manchmal ist auch die äussero Haut in Mitleidenschaft gezogen, indem an verschiedenen Stellen derselben, namentlich an ihren dün­neren, zarten Partien, wie besonders am Euter, Milchspiegel, an der inneren Fläche der Hinterschenkol und bei männlichen Thioren am Hodonsacko, ein Erythem mit stärkerer Abschuppung oder leichter öcliorfbildung sich einstollt.
Zuweilen werden auch Luftgeschwülste im Unterhautbindegewebe, namentlich längs der Wirbelsäule und am Halse angetroffen. Die Krankheitserscheinungon, so wie die unten angegebenen Sections-befunde sind keineswegs immer gleich, sondern wechseln bei den ein­zelnen Individuen, so wie bei den verschiedenen Racen und nach dem herrschenden Krankheitscharaeter. Im Allgemeinen verläuft die Krank­heit am mildesten bei der grauen Steppenrace Slid-Russlands, Ungarns und Rumäniens. Die Seuche nimmt aber auch allerorts, wo sie ihrem Ende entgegengeht, in der Regel einen milderen Character an, als sie daselbst in der ersten Zeit ihres Bestehens zeigte.
Bei Weidegang ist der Verlauf der Krankheit im Allgemeinen günstiger als bei Stallfiltterung; es hat dies einesthcils seinen Grund in der besseren Luftbeschaffenheit, anderntheils in der Beschaffenheit des Futters. Die Reizung der Darmschleimhaut wird selbstverständ­lich durch feste Nahrungsmittel mehr als durch weiche, gesteigert.
Bei Ziegen und Schafen gestalten sich Erscheinungen und Ver­lauf der Rinderpest ziemlich ebenso, wie beim Rinde (S. S. 327 u. folg.).
Die wichtigsten Sectionsdata treffen wir im Verdauungsrohre und zwar im Labmagen (nicht aber, wie man früher angab, im Psalter,
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Seotlonsbefond bei Rinderpest.
von welcher irrigen Annahme der Name „Löseidürrequot; datirt), sowie im. Darmcanalo. Dieselben sind manchmal ziemlich oharacteristisch, während sie in anderen (nicht seltenen) Fällen filr sich allein nicht ausreichen, um die Diagnose zu sichern; selbst erfahrene Sachver­ständige sind deshalb nicht immer im Stande, im ersten Erkran-kungs- oder Todesfälle eine bestimmte Diagnose zu stellen. Ich habe mohrercmal Sectionen beigewohnt und theilweisc selbst gemacht, wo so wenig characteristische , ja so wenig auffallende Sectionsdata ge­funden wurden, dass aus diesen allein Niemand die Diagnose auf Rinderpest zu stellen, noch auch den Tod sich zu erklären im Stande gewesen wäre. In anderen Fällen jedoch sind die Leichenerschoi-nungen auffallender und mehr oder weniger characteristisch. Zu­nächst pflegt man dann die bereits angegebene Beschaffenheit der sichtbaren Schleimhäute, eventuell den Hautausschlag anzutreffen. Die wichtigsten pathologischen Veränderungen findet man nach der Leichenöffnung im Labmagen, im Darmcanale und in der Rachen-höhlo. Im Wesentlichen beziehen sich die Veränderungen an ge­nannten Orten auf entzündliche Prozesse in der Schleimhaut. Na­mentlich häufig ist die Schleimhaut der Pförtnerhöhle stark geröthet, verschiedentlich von kleinen punkttormigen oder streifigen Extrava-saten hesetzt, und mit einem blutig-schleimigen Exsudate überzogen. Aehnlicho Erscheinungen bietet stellenweise auch die Schleimhaut des Dickdarmes, besonders des hinteren Endes des Mastdarmes, dessen FaltenMmme, wie überhaupt die nach innen vorspringenden Schleim-hautkämrao der betreffenden Partien, stets am stärksten ergriffen sind. Der Magen- und Darminhalt ist in der Regel flüssig; der Psalter­inhalt zuweilen fest. Die Schleimhaut des Verdauungsrohres ist, vom Labmagen nach hinten zu, manchmal stollenweise mit leichten Schorfen bedeckt. Aussei- Verschorfung verschiedener Schleimhäute findet man Areolirung der solitären und Poyer'schen Follikel. Die Aussenfläche des Darmes zeigt bald eine fleckig rothe, violette, oder aalgraue Farbe.
Die umwallten Papillen der Zunge sind häufig entzündet oder verschorft. In der Rachenhöhle trifft man nicht selten oberflächliche Zerstörungen und auch die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luft­röhre ist zuweilen streifig und fleckig geröthet, oder mit einem weissen oder gelblichen Belage überzogen.
Lunge, Leber und Milz bieten keine besonderen Veränderungen ; die Gallenblase pflegt mit einer wässerigen, hellgrünen Galle stark angefüllt und die Schleimhaut derselben stellenweise geröthet und stark irjicirt zu sein; auch die Gebärmutterschleimhaut ist manch-
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Sectionsbel'iuul bid Uintlorpost.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;519
mal stark geröthüt und aufgelockert, besonders aueh die Vaginal-schleimhaut.
Was den mikroskopischon Sectionsbcfund anbelangt, so stimmen die meisten neiioren Untersuchungen darin überein, dass dieselben der Hauptsache nach ausser in einer Alteration des Blutes, in folgenden Veränderungen der oberfläcldiclien Schichten der Haut, besonders aber der Schleimhäute bestellen :
Die Haargefiisse sind erweitert und mit Blut überfüllt; stellen­weise finden sich kleine Blutergüsse in ihrer Umgebung. Das Epithel und die Drüsenzellon haben sich in abnormer Weise vermehrt, sind in schuellem Zerfalle und in der Abstossung begriffen. Nur selten ist die Schleimlederhaut in ihren tieferen Schichten auffallend er­krankt; wo Ulceration und Nekrose an derselben sich zeigen, oder wo dieselbe durchlöchert ist, da sind diese Zustände die Folge voraus­gegangener mechanischer Insulte durch Futterstoffe u. dergl. rn. Die Dannzotten sind immer zellig infiltrirt, während das Sehleimhaut-gewebe nur stellenweise zwischen den Peyer'schen Drüsenhaufen und im Maule zellig infiltrirt erscheint. Die plattenartigen Auflagerungen auf einzelnen Stellen der Schleimhäute bestehen vorzugsweise aus Zellen und Kernen, so wie aus moleculären Zerfallsmassen; dieselben hängen nur locker mit dem darunter liegenden Schleimhautgewebo zusammen.
Mit der Diphtherie haben diese Zustände bei der Rinderpest nur darin eine gewisse Aehnlichkeit, dass hier wie dort die Epithelien und die oberflächlichen Schleimhautpartien Mikrokokken enthalten, und stellenweise zerfallen sind. Die Prozesse bei beiden Krankheiten unterscheiden sich indess nicht unwesentlich dadurch von einander, dass die Zerstörungen bei der Rinderpost mehr oberflächliche sind, wäh­rend dieselben bei der Diphtherie tiefer in das Hchleimhautgewebe eindringen. (Vergl. die Angaben von Klebs S. 312 u. folg.)
Das Herz ist gewöhnlich schlaff, schmutzig verfärbt und ent­hält flüssiges oder nur locker geronnenes Blut.
Wo bei Rinderpest-Invasionen der erste Erkrankungst'all keine bestimmten diagnostischen Merkmale bietet, da wird in der Regel, namentlich in grösseren Viehbeständen, der weitere Verlauf der Krank­heit, reap, der Seuchengang entscheiden.
Die-Zahl der Krankheiten, welche mit Rinderpest verwechselt werden können, ist im Allgemeinen nicht gross. Am häufigsten kom­men Verwechslungen vor mit: Lungenseuche, Koptkrankheit und Ruhr;
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Dilici'cntiul-Ding-uose der llinflerpest.
Maulseuobe alt unregelmfirssigeni bösartigom Verlaufe mag zuweilen auch eine entfernte Aehnliclikeit mit Kinderpest bieten.
Wo mit dem Ausbruche der Kinderpost die respiratorischen Er­scheinungen zunächst in den Vordergrund treten, während die Sym­ptome auf der Maulsclileimhant etc. mehr zurücktreten, da ist eine Verwechslung mit dem fieberhaften Stadium der Lungen­seuche für kurze Zeit wohl möglich; diese ist denn auch häufig genug wirklich vorgekommen; so anno 1865 in England, wo die Seuche längere Zeit verkannt und erst durch französische Thierärzte als Rinder­pest festgestellt wurde. Die Section liefert in solchen Fällen sicheren Aufschluss.
Bei dem bösartigen Catarrhalfiober (Kopfkrankheit) des Rindes kann die Aehnliclikeit manchmal so gross sein, dass man in den ersten Tagen und zuweilen sogar auch später zu keinem sicheren Urtheile im Einzelfalle gelangt; die Erscheinungen können so sehr überein­stimmen, dass eine Unterscheidung zunächst unmöglich wird. Zwar .tritt bei der Kopfkrankheit in der Mehrzahl der Fälle alsbald auf­fallende Trübung der durchsichtigen Hornhaut auf, was bei der Rinder­pest nicht der Fall ist; diese Hornhauttrübung kann aber auch bei der Kopfkrankheit (in allerdings seltenen Fällen) so unbedeutend sein, dass sie als diagnostisches Criterium nicht zu verwerthen ist. Und möglicherweise kann in solchen Fällen auch die Section die Sache unentschieden lassen, obgleich die Kopfkrankheit im Allgemeinen durch das Fehlen der genannten Erscheinungen im Verdauungsschlauche und durch das Vorhandensein entzündlicher Erscheinungen in den Respirationsorganen, in den Nieren und in der Harnblasenschleimhaut sich zu unterscheiden pflegt.
Auch die Kuh r kann im Einzelfalle sowohl in Rücksicht auf die Kraukheitssymptome als auch auf den Verlauf der Krankheit eine so grosse Uebereinstimiming mit der Rinderpest zeigen, dass selbst nach dem Tode durch die Section eine sichere Diagnose nicht immer möglich ist. Erst der weitere Verlauf der Seuche, d. h. die weitere Ver­breitung der Krankheit unter den übrigen Insassen eines Stalles, pflogt in solchen Fällen nähere Aufschlüsse zu gewähren. Bei der rinder­pestähnlichen Ruhr ist die Ansteckung, resp. Verbreitung der Seuche unter dem betreffenden Viehstande keine so intensive, resp. rapide, als bei der Rinderpest; in der Regel pflegt ja auch der Sectionsbefund ein verschiedener zu sein, so dass durch -wiederholte Sectionen wohl bald die Diagnose gesichert würde. Der bei Kinderpest häufig vor­kommende Zerfall des Zahnfleisch- resp. Maulschleimhaut-Epithels etc.
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Die Ursachen der Rinderpest,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;321
kommt meines WisaenB bei Ruhr nicht vor, und kann somit unter Umständen, d. h. wo er vorhanden ist, als ein wichtiges Critorium für Rinderpest verwerthet werden.
Eine Verwechslung der Aphthenseuche mit Rinderpest kann einem vor- und umsichtigen Sachverständigen nicht leicht und höch­stens nur momentan passiren, da beide Krankheiten in der Eegel wenig Aehnlichos und so zu sagen nichts Gemeinsames haben. Zwar kommen zuweilen bösartige Formen der Aphthenseuche vor, welche während des Herrschens der Rinderpest für eine kurze Zeit Verdacht erregen können. Der weitere Verlauf der Krankheit wird aber bald jeden Zweifel heben.
Was die Ursachen der Rinderpest anbelangt, so ist darüber zunächst so viel sieher bekannt, dass sie für unsere Viehstände aus-schliesslich in der Ansteckung gegeben sind, indem die Seuche für den ganzen Westen Europa's und für viele andere Staaten (Amerika etc.) eine reine Contagion ist. Wir wissen nicht sicher, ob und wo ge­genwärtig die Rinderpest überhaupt noch spontan entsteht. Wäh­rend man früher allgemein annahm, dass dieselbe in den russischen Steppen eine eigentliche Ursprungsstätte habe, ist in neuerer Zeit von russischen Thierärzten behauptet worden, dass sie dorthin eben­falls nur eingeschleppt werde und originär in Asien sich entwickle. Wir wollen diese Frage hier nicht weiter untersuchen, da es für unsere Zwecke zunächst genügt zu wissen, dass vorzugsweise aus Russland und indirect aus anderen Ländern, namentlich aus Oester-reich etc. die Seuche auf verschiedenen Wegen und zu verschiedenen Zeiten nach DButschland, Italien u. s. w. eingeschleppt wird und dass wir deshalb den Viebhandel mit diesen Staaten genau und unausgesetzt controliren müssen.
Der Ansteckungsstoif ist vorzugsweise in den Absonderungs-produeten der erkrankten Schleimhäute enthalten , haftet aber auch am Blute, an der Hautausdünstung und anderen ilüssigen Se- und Excreton (Serum, Harn etc.). Und nicht nur vom lebenden, rinder­pestkranken Thiere, sondern auch von den Leichen dieser theilt der Ansteckungsstoff der atmosphärischen Luft sich mit, so dass Infectionen ohne directo Berührung pestkranker Thiere, oder ihrer flüssigen und festen Abgänge, oder ihrer Cadaverbestandtheile in verschiedener Weise zu Stande kommen können. In geschlossenen Räumen häuft sich das Contagium leicht stärker an, als im Freien, so dass es in nicht sehr gut ventilirten Stallungen concentrirter vorhanden zu sein pflogt, als
Pütz, Lohrbuch der ansteckenden Thlerkraukholton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;21
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Das Rindorpest-Contagium.
aussorhalb. Die Entfernungen, auf welche der flüchtig-e Amteckungs-stoff sich wirksam zu erhalten vermag, sind vorzugsweise von der Luftströmung und von der Concentration desselben abhängig. Durch dichte Stallwände dringt dasselbe nicht, so dass bei frühzeitiger Er-kenntniss der Krankheit auf einem Gehöfte dieselbe möglicherweise auf den zuerst und einzig inficirten Stall beschränkt werden kann. Ebenso kann die Seuche unter ähnlichen Verhältnissen in einem Dorfe etc. auf das zuerst und einzig inficirte Gehöft beschränkt werden, falls die Krankheit frühzeitig erkannt und sofort sHchgemäss bekämpft wird.
Der AnsteckungsstofF wird in der Regel (wenn nicht ausschliess-lich, so doch vorzugsweise bei natürlicher Infection) durch die Ath-mungswerkzeuge aufgenommen und dem Blute einverleibt.
Bei -wenig bewegter Luft dürfte der Dunstkreis des Rinderpest-
contagiums auf etwa 20 bis 30 Schritte sich erstrecken; derselbe wird
selbstverständlich in der Richtung gegen den Windstrom vermindert,
unter Umständen auf fast Null reducirt, während er mit dem Wind-
#9632; ströme zunimmt.
Während der AnsteckungsstofF somit in freier Luft meist auf grossere Distanzen nicht zu wirken vermag, kann er durch poröse Gegenstände (Kleidungsstücke, Futter-und Streumaterial, Wolle, Haare u. dergl.) selbst auf weite Strecken verschleppt werden, was nament­lich bei Transporten durch die Eisenbahnen in erhöhtem Maasse der Fall ist.
Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, dass frühzeitig die erforderlichen Schutzmassrcgeln getroffen werden und dass in allen zweifelhaften Fällen eher etwas zu viel, als zu wenig geschehe. Na­mentlich ist es unstatthaft. Fleisch von Thioren, welche der Rinder­pest verdächtig sind, ohne strenge Controle zu verkaufen, da nicht selten gerade dadurch die Zahl der Infectionsherde bedeutend ver­mehrt worden ist.
Aus diesen kurzen Mittheilungen ergibt sich die Nothwendigkeit strenger Sperrmassregoln gegen Rinderpest. Dieselben sind gegen Steppenvieh um so nothwendiger, als bei diesem die Krankheit oft so gelind verläuft, dass sie leicht übersehen oder verkannt werden kann. Die frühere oder spätere Zerstörung des Ansteckungsstoffes richtet sich in hohem Grade nach den gegebenen Umständen. Während derselbe, dein freien Luftzuge ausgesetzt, in kurzer Zeit seine Wirk­samkeit verliert, erhält sich diese in geschlossen liegenden Heu- oder Strohvorräthen mehrere Monate lang. Werden dieselben 24 Stunden lang bei trockenem luftigem Wetter im Freien dünn ausgebreitet, so
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Heber das Coutagium und die Behandlung der Rinderpest.
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können dieselben ohne Gefahr für gesunde Tliiero verwendet worden. Aehnlieh wirken auch höhere Temperaturen, während durch Killte (selbst Frost) das Rindorpostcontagium nicht zerstört wird. So z. B. war gefrorener Dünger nach dem Aufthauen im Frühjahre noch an­steckend. Dagegen kann durch geeignete Träger, welche mit den Efflüvlen rinderpestkranker Thiere verunreinigt, an der frischen Luft oder in einem Backofen vollkommen ausgetrocknet worden sind, das Contaginm nicht mehr weiter verbreitet werden, wenn sie dasselbe nicht vorher neucidings wieder aufnehmen.
Der Ausbrach der Krankheit erfolgt äusserst selten früher als 5 bis G Tage nach stattgehabter Infection, oft später, etwa nach 7 bis 9 Tagen. Ausnahmsweise soll die Incubationszeit 2 bis 3 Wochen dauern können.
Ist der Anstcekungsstoff in einen Viehstand eingeschleppt worden, so pflegt für gewöhnlich die Krankheit sich schnell auszubreiten, so­bald dieselbe einmal bei einem Individuum zum Ausbruche gokommen ist. War nur ein einzelnes Thier der Infection ausgesetzt, so pflegen etwa 5 bis 6 Tage zu vorgehen, bevor nach dessen Erkrankung an­dere, gewöhnlich die zunächst stehenden Thiere ergriffen werden.
Eine arzneilieho Behandlung ist in allen Culturländern Europa's mit Recht verboten, weil sie gegen die Rinderpest nichts leistet; unser ganzes Handeln ist deshalb auf geeignete Vorbeugungs- und Tiigungs-Massregoln angewiesen. Zu diesem Zwecke sind bereits seit längerer Zeit in Preussen gute Vorkehrungen getroffen worden. Das Gesetz vom 7. April 18G9, Massregeln gegen die Rinderpest betreffend, wurde für den damaligen „Norddeutschen Bundquot; erlassen und ist durch die revidirte Instruction 1873 (Reichsgesetzblatt 1873 8. 147) auf das ganze deutsche Reich ausgedehnt worden.
England und Holland haben in den Jahren 18G5—1807 zur Ge­nüge erfahren, wie wenig seine therapeutische Behandlung der Rinder­pest zu leisten vermag. Die Vernachlässigung der Rinderpest in heiden Ländern hat aber nicht nur den Werth einer guten Seuchetilguug neuerdings kennen gelehrt, sondern auch, wie bereits erwähnt wurde, Veterinären Europa's Gelegenheit geboten, diese Krankheit in den verschiedensten Stadien ihrer Entwicklung genauer studiren zu können.
In Oesterreich ist das Verfahren gegen die Rinderpest durch ein Gesetz vom 29. Februar 1880 geregelt. Wie es um analoge Massregeln im fernen Osten Europa's bestellt ist, weiss ich nicht ganz genau. Nur so viel ist mir bekannt, dass in den Ländern der im-
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Rinderpest-Impfangi
toren Donau und ganz vorzugsweise in Russland für das westliche Europa der eigentliche lufcctionsherd zu suchen ist. Wie wonig letzteres Reich sich die Seuchontilgung angelegen sein liisst, ist all­gemein bekannt; sehr bezeichnend hierfür ist folgende Aeusserung Kasimir Raupach's (siehe dessen Rindcrpest-Impfberiehte pro 1872 und 1873):
„Obgleich nachweislich durch den täglichen Vorkehr, hauptsäch­lich auf Jahrmärkten die Rinderpest in Russland weiter verbreitet werde, so sei es ihm doch unmöglich gewesen, die Schliessung der Märkte für einige Zeit zu erlangen; man habe ihm geantwortet: eine solche Massregel könne selbst beim Herrschen der Seuche durch kein bestellendes Gesetz gerechtfertigt werden.quot;
Die Frage, ob es nicht möglich und rathsam sei, in den russi­schen Steppenländern die Vorbaunngs- und Nothimpfung einzuführen, um dadurch die Verluste durch die Rinderpest zu beschranken, ist früher vielfach discutirt worden. Die Gobriider Raupaoh haben in den Jahren 1872 und 1873 in Karlofka (im Poltawa'schen Gouverne­ment) an 1728 Stück Rindvieh Rinderpest-Impfungen ausgeführt und hierüber einen Bericht erstattet, aus dem sich etwa Folgendes ergibt:
„Der Impfstoff soll manchmal unwirksam sein, obgleich derselbe nach Aussehen und Geruch gut erscheint. Beide Raupach sind der Ansicht, dass dies namentlich dann der Fall sei, wenn dor Impfstoff nicht in der richtigen Krankheitsperiode gesammelt wurde. Am besten soll es sein, denselben während des catarrhalischen Stadiums der Krank­heit zu entnehmen, bevor das typhöse Stadium begonnen hat. Dass ein mit Erfolg geimpftes Thier vor weiterer Erkrankung an Rinderpest geschützt ist, geben auch die Impfgogner allgemein zu. Ob aber die mit nicht geringen Kosten verbundene Rinderpest-Impfung in den russischen Steppenländern ausführbar und zweckmässig sei, wird sehr bezweifelt. Wenn aber geimpft werden soll, 30 ist für Thieve, welche aus seuchenfreien Gegenden kommen, die Vorbauungs-Impfung be­sonders deshalb die empfehlenswerthere, weil dieselbe in der Regel unter günstigeren Aussenverhältnissen (bei geeignetem Wetter und Futter etc.) vorgenommen werden kann, was bei der Nothimpfung mehr vom Zufalle abhängig ist.quot;
Die Impfverluste der Gebrüder Raupach betrugen durchschnitt­lich 4,0o/i). Es sind jedoch stellenweise die Verluste in Folge der Rinderpest-Impfungen in Russland (nach Rawitsch) bis auf (300/o ge­stiegen.
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Rindei'pest-Inipfangi
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Unterberger, der frühere Direotor des Vetoriniir-Institutes in Dorpat, war gegen die Selmtzimpfimg dor Rinderpest in den russi-Bohen Stepponliiiulern, weil die angestellten Versuche ergeben haben, (lass die Impfkrankheit ebenso ansteckend ist, als die durch natürliche Infection entstandene Rinderpest. Es erscheint ihm dies um so be-denklioher, weil in Russland bei dem grossen Mangel an Veterinären von einer geordneten Veterinär-Polizei noch gar nicht die Rede sein kann, und weil dadurch die Gefahr der Weiterverbreitung der Rinder­pest in derselben Progression, in welcher deren Contagiiun durch die Impfung vermehrt werde, sieh steigern würde.
Dagegen empfiehlt Unterborger die Nothimpfung dor Rinderpest für alle Seuchenorte Russlands, in welchen der Veterinär die Unmög­lichkeit voraussieht, den einstweilen der natürlichen Ansteckung ent­gangenen Theil der Horde für die Folge durch polizeiliche Mass-rcgeln retten zu können. Aber auch diese hält er nicht für möglieh, so lange nicht dem Viehbesitzer das in Folge der [mpfung gefallene Vieh im vollen Werthe entschädigt werde.
Das Studium der Binderpest-Impfung hat auch für alle übrigen russischen und nicht russischen (namentlich europäischen) Länder eine grosse Bedeutung, obgleich man nicht daran denken wird, fragliche Impfungen anderswo auszuführen, als dort, wo diese Seuche heimisch oder stationär geworden ist. Alle die Länder, in welche diese Seuche nur von den russischen Steppen aus auf directem oder indirectem Wege eingeführt wird, wären ja gegen die periodischen Invasionen der Rinderpest geschützt, wenn alles ausgeführte russische Vieh gegen diese Krankheit durch Impfung vorher immun geworden wäre.
Die Impfung der Rinderpest wurde zuerst, im 18. Jahrhundert in England, später auch in verschiedenen anderen westeuropäischen Staaten, woselbst sie damals stationär zu werden drohte, sowohl als Präcautions-, wie als Noth-Impfung von verschiedenen Seiten empfohlen und vielfach versucht. Da aber die Impfkrankheit im Allgemeinen grosse Verluste verursachte und die mit derselben verbundene Re­production von sehr activem Rinderpesteontiigimn beständig Seuchen­herde unterhielt, von welchen aus die Verbreitung der Seuche auf natürlichem Wege erfolgte, so wurden diese Impfungen hier mit Recht liberal! wieder aufgegeben. Dagegen fanden selbige in Russland an Jossen (seit 1834) einen warmen Vertheidiger. Dieser brachte es dahin, dass die russische Regierung in europäischen und westasiati­schen Gouvernements (von 1853 bis 1803) zahlreiche Impfungen vor­nehmen Hess. In Karlowka unterhielt später die hochsinnige Gross-
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EUnderpest-Impfiuiffi
fllrstin Helene lange Zeit hiiuluicli ein Eindcrpest-Imptlnstitut, durch welches die Gebrüder Raupach in Stand gesetzt wurden, ihre Er­fahrungen auf diesem Gebiete sammeln zu können. Ohne hier auf weitere Details einzutreten, sei nur bemerkt, dass auch in Russland die Rinderpest-Impfungen den auf sie gesetzten Erwartungen bis jetzt nicht entsprochen haben, namentlich die Hoffnung auf Erzielung einer Mitigation des Rinderpestgiftes bis jetzt nicht erfüllt haben. Es fragt sieh aber, ob nicht dennoch der Gedanke Jessens in den russischen Steppen die obligatorische Rinderpest-Impfung gesetzlich einzufuhren, Aussichten auf endliche und vielleicht schon baldige Verwirklichung hat. Die Pasteur'schen .Milzbrand-Impfungen ennuthigen neuerdings zu Vorsuchen; auf dem Wege der künstlichen Cultur wird es viel­leicht gelingen, die Mitigirung des Rinderpestgiftes zu erzielen.
Es ist deshalb sehr zu wünschen, dass an der Hand der jüngst errungenen wichtigen Fortschritte bezüglich der Mitigirung der An­steckungsstoffe die Frage der Rinderpost-Impfung in den russischen Steppenländcru neuerdings sorgfältig studiit werde.
Die Erfahrung hat bereits jetzt gelehrt, dass Steppenvieh, wel­ches nur ganz leicht an Rinderpest einmal erkrankt gewesen ist, gegen nochmalige Erkrankung an dieser Seuche eben so sieher geschützt ist, wie andere Kinder, welche nach schwerer Erkrankung genesen sind. Sollte es gelingen, wozu jetzt berechtigte Hoffnung vorhanden ist, demnächst einen linpfstoff herstellen zu können, dessen Inoculation rogehnässig nur eine leichte Erkrankung nach sich zöge, so wäre die Frage der Rinderpest-Impfung für die Steppenländer wissenschaft­lich gelöst. Die gesetzliche Regelung derselben würde dann wohl kaum auf besondere Schwierigkeiten mehr stossen.
An dieser Stelle möge folgende Mitthellnng Semmer's (Revue für Thicr-lieilknnde oto. Wien 1. Novbr. 1881) wörtlich reprodueirt werden: „Für den Sommer 1881 wurde Ich (Sommer) mit dem Professor C. Raupaoh in die siid-liclien Gouvernements dos russischen Reiches entsendet, zum Zwecke einer Prü-fung des Mitigationsverfahrens von Toussaint und Pasteur bei verschiedenen Seuchen, Hierzu wurden uns vom Dorpnter Veleriniir-lnstilut die erforderlichen Mittel bewilligt. Auf Wunsch des Directors F. Unlerberger sollten wir aber bei tinscrn Versuchen die Rinderpest aas dem Spiel lassen.
Gleichzeitig bewilligte uns das Medicinal-Departement des Ministeriums des Innern Mittel zu demselben /wecke mit Einseliliiss der Rinderpest. Leider wurde uns aber die Krlmiliniss zur Anstellung von Versuchen mit Hinderpest in Karlowka, im Foltawa'schen Gouvernement, auf Wunsch des Veterinar-Comites heim Ministerium des Innern sehr bald wieder genommen, so dass es uns nicld, gelang, die besonders für Russland so wichtige Frage betreffs tier Rinderpest zum Abschlnsse zu bringen. Aus den wenigen Versuchen, die wir anzustellen
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Blnderpestartige Erkrankung- bei Schalen und Ziegen.
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Gelegenlieit liatlcn, geht raquo;ber so viel iiervor, dass durch ein 10 Minuten langes Erwärmen auf 55 0C. das llindorpcstcontagium vollkommen zerstört wird. Etwa 30 Gramm 10 Minuten lang auf 55 quot;C. erwärmtes Blut und eben so hchandelter Nasenschleim von rinderpestkranken gesunden Kälbern subcutan beigebracht, schützte diese nicht gegen natürliche Ansteckung, welche in einem verhältniss-mässig kleinen geschlossenen Baume durch Zusammenstellen mit Kranken fast umnittelbar nach der Einstellung erfolgte und der alle 4 benutzten Kalber der Dcvonshire-Rnce erlagen, während die 3 Kälber der grauen Steppenraoe sämmt-licli genasen.
Ein Hitzegrad von 55deg; C. ist somit zur Mitigation des Rinderpestcontagiums zu hoch und beraubt die llinderpestbacterien ihrer Wirksamkeit, denn nach den Versuchen von Pasteur wird die Iinmuuität gegen ansteckende Krankheiten durch Bacterien und nicht durch Producte derselben bewirkt.
Welche Wurmegrade dazu erforderlich sind, um eine so vollständige Miti­gation der Bacterien zu bewirken, dass auch die Nichtsteppenracen davon nicht zu Qrnnde gehen, und olj auch solches durch fortgesetzte Culturen der llinder­pestbacterien im Hinderblutserum oder in Kinderbouillon bei entsprechend hohen Temperaturen erzielt werden kann, ferner ob auch das Blut der durch Beibringen mitigirten Impfstoffes Erkrankten gegen weitere Ansteckung schützt — alle diese Fragen müssen leider auf Wunsch des Director F. Unterbergcr und des Veterinär-Comite's der Zukunft überlassen bleiben, oder nusserhnlb Kusslands gelöst werden.quot;
Hoffen wir, dass die Zeit recht bald kommen möge, wo die Resultate der bezüglichen Forschungen nicht nur Russland, sondern ganz Europa von der gegenwärtig fortgesetzt drohenden Geissei der llinderpest befreien, oder doch die durch in Hede stehende Seuche verursachten enormen Verluste auf ein Minimum bescliränken werden. Es wäre kein geringer neuer Triumph der Wissenschaft, wenn der­einst die Rinderpost (und andere Seuchen) in den rassischen Steppen durch ein rationelles Impfverfahren, statt bei uns mit der Mordwaffe
niedergehalten würde.
Bei Schafen und Ziegen stimmen die Krankheits- und Sec-tions-Erselieinungen im Wesentlichen mit denen beim Rinde überein. Immer ist ein schmerzhafter rauher Husten bei diesen Thieren vor­handen, der meist mit einer lobulären Lunge-Entzündung und mit seeundiirer (circumacripter) Brustfellentzündung verbunden ist. Die Sterblichkeit ist im Aligemeinen geringer, als beim Rinde. Bei Schafen schwankt sie in der Regel zwischen 20 bis 409/o ; es sind aber auch Jahrgänge bekannt, in welchen die Schafpest-Verluste weit bedeu­tender waren. So genasen z. B. im Jahre 18G4 in Galizien nur 30,o der an der Pest erkrankten Schafe. — Unter den Ziegen scheint die Pest weit seltener vorzukommen; es mag dies zum Theil vielleicht in dem weniger zahlreichen Vorkommen dieser Thierc mit begründet
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Die auf Rinderpest bezüglichen Gesetze Deutsclünnds.
sein. Jedcut'alls abei- sclieint auch die Widorstandsf'ähigkeit der Ziegen gegen die Pest grosser zu sein als beim Schafe. In 8icilien herrschte die Ziegenpest von 18G3 bis 1805, wobei 30 bis 700/o der erkrankten Thicre genesen sein sollen.
Das Reichsgesetz, welches die Massregeln gegen die Kinderpest botrillt, wurde für den Norddeutschen Bund am 7. April 1809 er­lassen und Im Jahre 1872 für das ganze Deutsche Reich in Kraft gesetzt. Dasselbe lautet:
sect; 1. Wenn die Rinderpest (Löserdürre) in einem Bundesstaate oder in einem an das Gebiet des Norddeutschen Bundes angrenzenden oder mit demselben im directen Vorkehre stehenden Lande ausbricht, so sind die zuständigen Verwaltungsbehörden der betreffenden Bundes­staaten verpflichtet und ermächtigt, alle Massregeln zu ergreifen, welche geeignet sind, die Einschleppung und beziehentlich die Weiter­verbreitung der Seuche zu verhüten und die im Lande selbst aus-gebrochene Seuche zu unterdrücken.
sect; 2. Die Massregeln, auf welche sich die im sect; 1 ausgesprochene Verpflichtung und Ermächtigung je nach den Umständen zu erstrecken hat, sind folgende:
1.nbsp; nbsp; Beschränkungen und Verbote der Einfuhr, des Transports und des Handels in Bezug auf lebendes oder todtes Rindvieh, Schafe und Ziegen, Häute, Haare und sonstige thierisehe Rohstoffe in frischem oder getrocknetem Zustand, Rauchfutter, Streumaterialien, Lumpen, gebrauchte Kleider, Oleschirre und Stallgeräthe; endlich Einführung einer Rlndvichcontrole im Grenzbezirke;
2.nbsp; nbsp;Absperrung einzelner Gehöfte, Ortstheile, Orte, Bezirke gegen den Verkehr mit der Umgebung;
3.nbsp; nbsp; Tödtung selbst gesunder Thiere und Vernichtung von gift­fangenden Sachen, ingleichen, wenn die Desinfection nicht als aus­reichend befunden wird, von Transportmitteln, Gcräthscliaften u. dergl. im erforderlichen Umfange;
4.nbsp; nbsp; Dcsintizining der Gebäude, Transportmittel und sonstigen Gegenstände, sowie der Personen, welche mit seuchekrankon oder verdächtigen Thieren in Berührung gekommen sind ;
5.nbsp; nbsp;Enteignung des Grund und Bodens für die zum Verscharren getödteter Thiere und giftfangender Dinge nothigen Gruben.
sect; 3. Für die auf Anordnung der Behörde getödteten Thiere, vernichteten Sachen und enteigneten l'lätze, sowie für die nach recht­zeitig erfolgter Anzeige dos Besitzers gefallenen Thiere wird der
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Die auf Uiiidcrpost bcziig'liehiMi Uesotzc Dcutschlamls.
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durch impartoiisclic Taxatoren festzustellende gemeine Werth aus der Buudeskasse vergütet.
Diese Entschädigung wird jedoch nicht gewährt für solches Vieh, welches inuerhalh zehn Tagen nach erfolgter Einfuhr oder nach Ein-ti'ieh über die Bundesgrenze an der Seuche fällt.
sect; 4. Jeder, der zuverlässige Kunde davon erlangt, dass ein StUok Vieh an der Rinderpest krank oder gefallen ist, oder dass auch nur der Verdacht einer solchen Krankheit vorliegt, hat ohne, Verzug der Ortspolizeibehördo Anzeige davon zu erstatten. Die Enterlassung schleunigster Anzeige hat für den Viehbesitzer selbst, welcher sich dieselbe zu Schulden kommen lässt, jedenfalls den Verlust des An­spruches auf Entschädigung für die ihm gefallenen oder getödteten Thiore zur Folge.
sect; 5. Die Einwohner von der Rinderpest betroffener Orte sind verpflichtet, die Behörden bei Ausführung der polizeilichen Mass­regeln entweder selbst oder durch geeignete Personen zu unterstützen.
sect; G betrifft die Desinfection von Eisenbahnwagen, welche zum Transport von Rindvieh benutzt worden sind. Derselbe ist aufge­hoben durch das Reichsgosetz vom 25. Februar 187(3, die Beseitigung von Ansteckungsstoffeu bei Viehbetorderungen auf Eisenbahnen be-treffend.
sect; 7. Die näheren Bestimmungen über die Ausführung der vor­stehenden Vorschriften und deren Ueborwachung durch die geeigneten Organe, über die Bestreitung der entstehenden Kosten und die Be­strafung der Zuwiderhandlungen sind von den Einzelstaaten zu treffen. Es ist jedoch von den deshalb erlassenen Verfügungen dem Bundes­präsidium Mittheilung zu machen.
sect; 8. Vom Bimdespräsidium wird eine allgemeine Instruction erlassen, welche über die Anwendung der im sect; 2 unter Nr. 1 bis 4 aufgefülirton Massregeln nähere Anweisung gibt und den nach sect; 7 von den Einzelstaaten zu treffenden Bestimmungen zur Grundinge dient.
sect; 9. Sobald die Regierung eines Bundesstaates in die Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu ei-lassen, zu verändern oder aufzuheben, hat dieselbe dem Bundospräsidium und den Regierungen der benach­barten Bundesstaaten davon Mittheilung zu machen.
sect; 10. Einfuhrbeschränkungen zwischen den einzelnen Bundes­staaten sind erst dann zulässig, wenn die Rinderpest innerhalb eines Bundesstaates ausbricht.
sect; 11. Bricht die Rinderpest in einem Bundesstaate aus, so ist dem Bimdespräsidium hiervon, sowie von den ergriffenen Massregeln
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Die auf Rinderpest bezüglichen üesetze Dcutschlimils.
Anzeige zu nmclien, dasselbe auch von dem weiteren Gange der Öeuelie in Kenntniss zu erhalten,
sect; 12. Dem Bundeskanzler liegt ob, die Ausführung dieses Ge­setzes und der auf Grund desselben erlassenen Anordnungen zu über-waohen. Erforderlichen Falls wird der Bundeskanzler selbstständig Anordnungen treffen, odor einen Bundescommissar bestellen, welcher die Behörden des betheiligten Einzelstaates unmittelbar mit Anweisung zu versehen hat. Tritt die Seuche in einer solchen Gegend des Bundesgebietes oder in solcher Ausdehnung auf, dass von den zu er­greifenden Massregeln nothwendig die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden müssen, so hat der Bundescommissar für Herstellung nnd Erhaltung der Einheit in den Seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Massregeln zu sorgen und deshalb das Erforderliche anzuordnen.
sect; 13. Die Behörden der verschiedenen Bundesstaaten sind ver­pflichtet, sich bei Ausführung der Massregeln gegen die Binderpest auf Ansuchen gegenseitig zu unterstützen.
sect; 14. Zur Durchführung der Absperrungsmassregeln ist inili-tärischo Hülfe zu requiriren. Die Commandobchörden haben den des-fallsigen Requisitionen der competenten Verwaltungsbehörden im er­forderlichen Umfange zu entsprechen.
Sämmtliche Mehrkosten, welche durch die geleistete militärische Hülfe gegen die regleinentsmässigen Kosten des Unterhalts der re-quirirten Truppen in der Garnison entstehen, fallen der Bundeskasse zur Last.
Die revidlrte Instruction zu vorstehendem Rinderpest-Gesetze datlrt vom 9. Juni 1873. Sie enthält l'olgcnde zur Zeit rechtskräftige Vorschriften;
Erster Abschnitt.
Massregeln gegen die Einschleppung der Rinderpest in das Bundesgebiet.
a. Bei dem Ausbruche in entfernten Gegenden.
sect; 1. Tritt die Rinderpest in entfernten Gegenden des Auslandes auf, welche durch Eisenbahnen oder durch Sohifffahrt in solcher Verbindung mit dem In-landc stehen, dass Viehtransporte in verhältnissmässig kurzer Zeit in das Inland gelangen können, so ist die Einfuhr von Rindvieh, Schafen und Ziegen und an­dern Wiederkäuern aus den verseuchten Gegenden ganz zu verbieten.
sect; 2. Das Einfuhrverbot hat sich ferner zu erstrecken auf alle von Wieder­käuern stammenden thicrische Theile in frischem Zustande (mit Ausnahme von Butter, Milch und Käse).
Dagegen ist der Verkehr mit vollkommen trockenen oder gesalzenen Häuten und Därmen, mit Wolle, Ilaaren und Borsten, mit geschmolzenem Talg in Fässern und Wannen, sowie auch mil vollkommen lufttrockenen, von thicrischeu Weieh-theilen befreiten Knochen, Hörnern und Klauen nicht zu beschränken.
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Die mil' Rinderpest bezüglichen Gesetze Deutschlands.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;y^J
sect; 3. Die Einfaür von Wlederkftuent uns nicht rerseuohten Gegenden des betreffenden Landes kann auf bestimmte Stationen besobramp;nkt und davon ab-liäugig gemaclit werden, dass
a)nbsp; nbsp;durch amtliches '/eugniss nachgewiesen ist, dass die betreffenden Thiere anmittelbar vor ihrem Abgange mindestens 30 Tage raquo;n einem seuchenlVeien Orte gestanden haben, und dass 20 Kilomeier um denselben die Seuche nicht herrscht,
b)nbsp; der Transport durch seuchenl'reie Gegenden erfolgte,
c)nbsp; die bctrellenden Thiere beim Uebergangc über die Grenze von einem amtlichen Thiernrzte untersucht und gesund befunden worden sind.
Dabei können indessen erleichternde Bestimmungen für die Einfuhr von Schlachtvieh nach solchen Städten getroffen werden, in welchen öffentlicheSchlaclu-slütten vorhanden sind, die durch Schienenstrange mit der Elsenbahn, auf welcher die Einfuhr Stattfindet, in Verbindung stehen. Die Einfuhr muss für jeden be­sonderen Fall von der Behörde genehmigt werden und hat unter Beobachtung der für jeden Fall besonders zu erlassenden |iolizeiliclien Vorschriften zu erfolgen.
sect; 4. Weitergehende Beschränkungen (sect;S 1—:gt;gt;) der Einfuhr von Thieren. thierischen Producten und giftfangenden Sachen können gegenüber solchen Län­dern angeordnet werden, von welchen wegen zeiliger, umfangreicher oder stän­diger Verseuchung die Binsohleppung der Rinderpest in hervorragender Weise droht.
sect; 5. Was von der Einfuhr gesagt ist, gilt mich von der Durchfuhr. b. liei dem Auftreten in der Nähe.
sect; II. Tritt die Seuche in Gegenden des Nachbarlandes auf, welche nicht über 40 bis 80 Kilometer von der Grenze entfernt sind, dann ist für die nach Umständen zu bestimmende Grenzstrecke das Einfuhrverbot unbedingt
auf alle Arten von Vieh, mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und Esel.
auf alle von Wiederkäuern stammenden thierischen Thelle in frischem oder getrocknetem Zustande (mit Ausnahme von Milch, Butter und Käse),
auf Dünger, Rauchfutter, Stroh und andere Strenmateriallen, gebrauchte Stallgerälhe, Geschirre und Lederzenge,
auf unbearbeitete (beziehungsweise keiner Fabrikwäsche unterworfenequot;) Wolle, Ilaare und Borsten, auf gebrauchte Kleidungsstücke für den Handel und Lumpen zu erstrecken.
Personen, deren Beschäftigung eine Berührung mit Vieh mit sich bringt, z. B. Fleischer, Viehhändler und deren Personal, dürfen die Grenze nur an be­stimmten Orten überschreiten und müssen sich dort einer Deslnfection unterwerfen.
Ausnahmen können unter besonderer Genehmigung der Behörde und unter Anordnung der nach den besonderen Umständen erforderlichen Sicherheitsmass­regeln eintreten bezüglich der Einfuhr der im sect; 2 Absatz 2 aufgeführten thieri­schen Producte, sowie bezüglich in Säcken verpackter Pumpen, sofern die Ein­fuhr in geschlossenen Eisenbahnwagen erfolgt und durch amtliche Begleitscheine nachgewiesen ist . dass die betreffenden Gegenstände aus völlig seuebenfreien Gegenden stammen,
Heu und Stroh, sofern es lediglich als Verpackungsmittel verwendet 1st, unterliegt dem Einfuhrverbote nicht, Ist jedoch am Bestimmungsorte zu vernichten.
S 7. Rückt die Seuche bis in die Greuzgegenden vor, oder gewinnt sie längs der Grenze in einer noch vom kleinern Greuzverkehr berührten Entfernung
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Die auf Rinderpest bezüglloheu Qesetzo Deutsolüancls.
an Aiusdoliuuiiy, diniii bat fiir dio betreffenden ärenzstreoken die vollständige Vei'kehrssperre unter Bildung eines Cordons mit niililiii'iselien KriU'ten einzu­treten, im benachbarten Inland treten aber die Vorsobriften des II. Absohnitts in Ki'aft.
Der Durohffang vpn Bisenbahnztiffen und Posten u. s. w. 1st auch während der Verkehl'BSperre unter den nach Luge der l'insliinde erfoi'derliohen Uescliriin-kungen und Vorsichtsmassregeln /.u gestatten.
sect; 8. Wird In den vorstehend (sect;sect; (i u. 7) behandelten Fällen die angeord­nete Sperre dnrelibroelien, so sind die der Sperre unterworfenen Tldere sofort zu tödten und zu verscharren, giftfangende Sachen aber zu vernichten oder zu desinliciren.
Sonstige Gegenstände, sowie Menschen müssen im Falle eines DurchbraollS der nach sect; 7 bestehenden VerUehrssperre, sofern eine Desinfection nicht thunlieli erscheint, auf kürzestem Wege wieder über die Grenze zurückgebracht werden, womöglich ohne Ortschaften zu passiren.
#9632;; i). In den bedrohten Grenzkrelseu sind für sämud liehe Ortschaffeen, welche innerhalb 15 Kilometer von der Grenze entfernt liegen, folgende Contl'Ol-massregeln einzuführen. Es ist in Jedem Orte ein Viehrevisor zu bestellen, der ein genaues Register über den vorhandenen Rindviehbestaud aufnehmen und täg­lich den Ab- und Zugang sowie jede Veränderung in dem Viehbeslande speziell verzeichnen muss.
Die Viehregisler sind mindestens einmal wöchentlich von den vorgesetzten Organen zu revidiren. Bei vorkommenden Kranhheits- oder Todesfällen im Rind-viehstande ist sofort Anzeige zu machen,
c. Qemeinschaftliche Bestimmung.
sect; 10. Die im gegenwärtigen Abschnitte enthaltenen Vorschriften sind unter den durch die umstände gebotenen Abänderungen auch dann in Anwendung zu bringen, wenn die Gefahr einer Einschleppung zu Wasser droht.
/weiter Abschnitt. Massregeln beim Ausbruche der Rinderpest im Inhmde.
5 11. Sobald in einem Orte des Inlandes ein der Rinderpest verdächtiger Krankhcits- oder Todesfall an Rindvieh vorkommt, oder in einem Orte innerhalb 8 Tagen zwei Erkrankungs- oder Todesfälle unter verdächtigen Erscheinungen sich in einem Viehbestände ereignen, tritt die in S 4 des Gesetzes vom 7. April 181)9 ausgesprochene Anzeigepflicht ein.
J; 12. Der Besitzer darf dann die kranken Thiere nicht sohlachten oder tödten, etwa gefallene Thiere aber nicht verscharren oder sonst beseitigen, ehe die Natur der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin sind todte Thiere so aufzu­bewahren, dass das Hinzukommen von Thieren und Menschen abgehalten wird.
sect; IB. Auf die erhaltene Anzeige ist von den Ortspolizeibehörden sofort der competonle Thierarzt herbeizuholen, um an Ort und Stelle die Krankheit zu constatiren. Behufs der hierzu erforderlichen Section ist in Brntangelung eines Cadavers ein Thier zu tödten. Das Ergebnisa der Untersuchung ist protokollarisch aufzunehmen.
sect; 14. Wird die Krankheil als Rinderpest erkannt, so ist die Untersuchung auch auf die Ermittelung der Art der Einschleppung zu erstrecken.
Im üebrlgen ist dann sofort zur weiteren Anzeige an die vorgesetzten Be-
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Die auf Rinderpest bezUgllohen Gesetze Dentschlands.
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liördcu zu selii-eiten, in welcher auf die Anzeigopllicht mich sect; 4 des Geselzea vom 7. April 18Ü9 fttr die zuniielist liegenden Bezirke noch besonders hinzuweisen ist. Vom Zeitpunkte dieser Bckiinntmnchuug an treten die in sect;sect; 17 bis 1lt;) an­gegebenen Verbote und Yerpiliohtangen ein.
sect; 15. Ist nur ein dringender Verdacht der Kinderpest zu eonstatiren , so ist eine vorläufige Sperre des Qehöftfi (ve.rgl. sect; 20) auf so lange anzuordnen, Ins die Krankheit durch weitere Erkrankungen und beziehentlieh Seetionen unzweifel­haft festgestellt oder der Verdacht als unbegründet erwiesen ist. In zweifel­haften Fällen ist ein höherer Thierarzt zuzuziehen.
Ergibt sich der Verdacht auf grössoren, unter regelmamp;ssiger velerhüir-polizeilicher Controle stehenden SchlachtviehhöCen, so kann die vorläufige Sperre unter Anwendung der nothwendigen Vorsichtsmassrcgeln auf einen einzelnen Theil dos betreffenden Viehhofes beschränkt werden.
Besteht der Verdacht der Rinderpest in Bezug auf Herden, welche sich auf dem Transporte befinden . so sind die nach den Umständen erforderlichen Vorsichtemaasregoln zu treffen.
sect; IG. Anwendung, Verkauf und Anempfehlung von Vorbauungs- und Ileil-milteln bei der Rinderpest sind bei Strafe zu verbieten, Zu den VorbauungS-milteln sind Desinfeetionsmitlel nicld zu rechnen.
sect; 17. Nach Ausbruch der Rinderpest ist in einem nach Jlassgabe der Um­stände besonders zu bestimmenden Umkreise, welcher in der Regel nicht unter 20 Kilometer Entfernung vom Seuchenorle bemessen werden soll, die Abhaltung von Viehmärkten, nach Belinden auch von anderen Märkten und sonstigen grös-seren Ansammlungen von Menschen und Thieren zu untersagen,' auch der Handel mit Vieh und der Transport des letzteren, sowie von Dünger, Rauchfutter, Stroh und anderen Streumaterialien ohne besondere Erlaubnissscheine. Das nöthige Vieh zum Fleischconsam darf nur unter Aufsicht der mil der Veterinärpolizei betrauten Behörden gekauft werden.
In den bedrohten Gemeinden sind ferner die im sect; Ü Abs. 2—4 erwähnten Controlemassregeln einzuführen.
Für Residenz- und Handelsstädte sowie für sonstige Slädte mit lebhaftem Verkehr und für die Umgebung solcher Städte können besondere, von den Be­stimmungen dieses Paragraphen abweichende Anordnungen getroffen werden.
sect; 18. Im Seuchenorte bat das Schlachten nur nach Anordnung der Polizei­behörde und unter Aufsicht von Sachverständigen nach Massgabe des Bedarfes stattzufinden.
sect; 19. Im Seuchenorte erstreckt sich die Anzeigepilicht auf jeden Erkran-knngsfall von Rindvieh und anderen Wiederkäuern, mit Ausschluss der Fälle nur äusserer Verletzungen.
sect; 20. Das Gehöft, in welchem die Rinderpest ausgebrochen ist, wird zu­nächst durch Wächter abgesperrt, welche weder das Gehöft betreten, und mit dessen Einwohnern verkehren, noch den Ein- und Austritt von Personen (aussei-den besonders dazu legitimirlen), lebenden und todten Thieren oder Sachen aller Art dulden dürfen.
'Zu Wächtern sind nur erwachsene männliche Personen zu benutzen, and müssen dieselben mit einem leicht erkennbaren Abzeichen versehen sein.
Die Ermächtigung zum Eintritte in das Gehöft kann nur den mit der Tilgung der Seuche selbst beschäftigten Personen, sowie Geistlichen, Gerichts-
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Die lull' RinderpOBt bezüglichen üesetze Deiitsehl.'iiiils.
personell, Aerzten oder llebennuiieu beliul's Ausiibuiig ibrer Berufsgesohäfte cr-Ibeilt werden, und ist fttr deren l'ormelle Legitimation zu sorgen. Beim Wieder-uustritt hat eine Desinl'ection derselben statl/.nliuden. Am EHngange und rund um das Gehöft sind Tafeln mit der Inscliril't „Rinilerpestquot; anzubringen.
S 21. Für den ganzen Ort, welchem das inhcirte Gehört angehört tritt eine relative Ortssperre ein, welche in Folgendem bestellt:
Die Kinwohner dürfen unter einander verkehren, aber den Ort ohne be­sondere Genehmigung — welche in der Kegel nur solchen Personen erthellt werden soll, die keinen Verkehr mit Rindvieh haben — nicht verlassen.
Alle llaiisthiere, mit Ausnahme der Pferde, Mault liiere und Esel, müssen im Stalle bebalten, beziehungsweise eingesperrt werden. Werden sie frei um­herlaufend betroffen, so sind sie einzulangen und zu schlachten; Hunde und Katzen aber zu tödten und zu verscharren. Fuhren dürfen nur mit Pferden Maulthleren oder Eseln gemacht werden.
Für alles Vieh, Heu, Stroh und andere giftfangende Sachen ist die Bin-Aus- und Durchfuhr zu verbieten. An allen Ein- und Ausgängen des Ortes sind Tafeln mit der Aufschrift „Rinderpestquot; aufzustellen und Wächter, welche die Beobachtung vorstehender Verbote zu Überwachen haben.
sect; 22. Für Jeden grösseren Ort, beziehungsweise für mehrere benachbarte kleinere Orte gemeinsam ist für die Dauer der Seuche ein Ortscommissilr (welchem nach Befinden noch besondere Aufseher beizugeben sind) zu bestellen, an welchen die im sect; 19 vorgeschriebenen Anzeigen zu richten sind . und welcher die Aus­führung der nöthigen Jlassregeln zu überwachen hat.
Wenn der Ausbruch der Seuche an einem Orte constatirl 1st, so hat der bestellte Orlsconimissür die Constatirnng etwaiger neuer Krankheitsfälle sect; 18 herbeizuführen.
sect; 23. Ergreift die Krankheit einen grösseren Thoil der Gehöfte des Ortes, dann kann durch die höheren Behörden die absolute Ortssperre verfügt werden.
Der Ort wird dann vollständig durch Wachen (in diesem Falle militärische) ceruirt und gegen Jede Art des Verkehrs — mit Ausnahme legitimirter Personen und unumgänglicher Bedürfnisse fttr die Ortseinwohner unter besonders anzu­ordnenden Vorsichtsmassregeln — gesperrt.
Der Verkehr der Bewohner unter einander ist, ebenfalls auf das Unver­meidliche zu beschränken. Gottesdienst, Schule und andere Versammlungen (vergl. sect; 17) können nicht abgehalten werden, die Scliänken und Gasthöfe werden geschlossen.
Die durch den Ort führenden Strasseu sind einstweilen zu verlegen. Liegt, der Ort an einer Eisenbahn, so darf kein Eisenbahnzug daselbst halten, selbst, wenn der Ort ein Stationsort wäre; es sei denn, dnss der Bahnhof so gelegen ist, dass er vom Orte vollständig abgesperrt und der Verkehr der Eisenbahnstation mit anderen Orten ohne Berührung des Senchenorles unterhalten werden kann.
S 24. Je nach der Orösse und Bauart des von der Seuche betroffenen Ortes kann die relative und die, absolute Ortssperre auch auf einzelne Ortstbeile beschränkt werden, sowie andererseits einzelne Häuser und Gehöfte benachbarter Orte nöthigenfalls mit in die -Sperre einznschliessen sind.
Alles an der Rinderpest erkrankte oder derselben verdächtige Vieh ist sofort zu tödten.
Rinder gelten stets für verdächtig, sobald sie mit erkrankten Stücken in
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Die auf Rinderpest bezügUolien Gesetze Deutsohlands.
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ilcmselben Stulle {joslnnden. die Wärter, die Fiittergerathschnl'ten oder die Tränke gemeinsohaftlioh gehabt liaben, oder sonst mit erkrankten Stücken In eine mittel­bare oder unmittelbare Berührung gekommen sind.
Unter welchen Voraussetzungen andere Wiederkäuer laquo;Is verdächtig anzu­sehen sind, ist in jedem Falle nach den besonderen Umstanden zu ermessen.
Wird durch die Tödtung der verdächtigen Thiere der Viehbestand eines Qehöftes bis auf einen verhältnissmässig kleinen Rest absorbirt, so ist auch letz­terer zu tödten.
Auf Ermächtigung der höheren Behörde kann auch zu schnellerer Tilgung der Seuche gesundes Vieh, ohne dass die obige Voraussetzung eingetreten 1st, getödtet, und diese Jlnssregel auf nachweislieh noch nicht inlicirte Gehöfte aus­gedehnt werden (vcrgl. namentlich sect; 30 Abs 1).
In grösseren Sliidten und auf den nutcr regelmässiger veteriiiiirpolizeilicher Controle stehenden Schlachtviehhöfen kann die Verwertliung der Häute und des Fleisches von Thiereu, welche bei der Untersuchung im lebenden und geschlach­teten Zustande gesund befunden worden sind, gestattet werden. Das Schlachten der betreffenden Thiere muss jedoch unter veterinärpolizeilicher Aufsicht in ge­eigneten Räumen stall linden, auch dürfen das Fleisch und die inneren Theile erst nach dem Erkalten abgefahren und die Häute nur dann ausgeführt werden, wenn sie entweder vollkommen getrocknet sind, oder drei Tage in Kalkmilch (1:00) gelegen haben.
sect; 2li. Die gelödleten Thiere, bezüglich deren nicht die Bestimmung im letzten Absätze des sect; 2.5 Anwendung findet, sind zu verscharren. Zu diesem Helmfe sind geeignete Plätze, möglichst entfernt von Wegen und Gehöften, an solchen Stellen zu benutzen, wohin kein Rindvieh zu kommen pllegt. Soweit möglich, sind wüste und gar nicht oder wenig angebaute Stellen zu wählen. Die Verscharrungsplätze sind ferner in der Regel zu umzäunen und mit solchen Pflanzen zu besetzen, welche schnell wachsen und tiefe. Wurzeln treiben.
Die Gruben müssen so tief gemacht werden, dass die Erde mindestens 2 Mtr. hoch die Cadaver bedeckt.
sect; 27. Tödten und Verscharren erfolgt, soweit möglich, durch die Ein­wohner des inlicirten Gehöftes oder durch solche Personen aus dem Orte, welche selbst kein Vieh haben und nicht mit Vieh In Berührung kommen. Personen ans anderen Orten, insbesondere auch ausserhalb des Ortes wohnende Abdecker, dürfen nur dann, wenn keine geeigneten Ortseinwohner vorhanden sind, verwendet werden. Zur Verhütung der Verschleppung der Rinderpest durch solche Personen sind die geeigneten Massrcgeln zu ergreifen (^ 42).
sect; 28. Die Stelle, au der die Viehstücke getödtet werden sollen, hat der Urtscommissär unter Zuziehung des bestellten Thierarztes, unter Berücksichtigung der Vermeidung jeder V'erschlcppungsgel'ahr, zu bestimmen.
Auswurfstoffe, welche das Thier während des Transports entleert, sind zu beseitigen und zu vergraben. Cadaver dürfen nur durch Pferde oder Menschen auf Wagen, Schleifen oder Schlitten, ohne dnss einzelne Theile die Erde be­rühren, nach der Grube transporlirt werden. Die Transportmittel sind, so lange noch weitere Transporte in Aussicht stehen, sorgfältig separirt aufzubewahren, dann aber zu vernichten.
sect; 29. Das Abledern der Cadaver, bezüglich deren nicht die Bestimmung Im letzten Absätze des sect; 25 Anwendung lindet, ist streng zu uiilersagen. Vor
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Die auf Rinderpest bozttgllolion Gesetze Dentsohlands,
dem Vcrscliurron nmss von den dazu besteUten Personen die lliint im mehreren Stellen sersohnltten und unbrauolibar gemagt;oht werden. Alle atwsigm AbiVdle, Blut und mit lilut yetrünkte Erde sind mit in die, ümbe zu werfen. Soweit möglich, sind die Cadaver vor dem Zuwerfen der Grube mil Kalk zu bescliütten. Beim Ausfüllen der GrubB sind Zwisobensohiohten von Steinen oder Reisig, wenn miiglich, anzubringen. Igt;ie Urube ist bis zur Aufhebung der Sperre, mindestens aber S Wochen bindnreli, mit Wachen ZU besetzen.
sect; i30. Ist ein Stall, in welchem krankes oder verdächtiges Vieh gestanden hat, durch Tödtung des Viehbestandes entleert, so ist, sofern die eigentliche Des-infection (sect;sect; 4011'.) nicht sofort nach Entfernung des Viehbestandes yorgenommen werden kann, der etwa zurückbleibende Dünger zu verbrennen oller mit Des-inl'eetionslliissigkeit zu iibergiessen, der Stall nach luftdichtem Verscldnss aller Oeifuungen stark mit Chlor zu räuchern und hierauf die Stalltliüre bis zum lie-glnn der Ausführung der eigentlichen Desinfeotion zu sohliessen und zu ver­siegeln. Alle Stallutensllien und wns sonst bei den Thleren gebraucht worden ist, verbleihen im Stalle und sind beziebenllieb vor dessen Versclllass wieder hineinzubringen.
sect; 81. Vorstehende Vorschriften über die Uehöl'ls- nml Ortssperrc erleiden dann die im Interesse der Wirlhscliaft unbedingt nütbigen .Mddiliealioucn, wenn die Seuche zu einer Zeit auftritt, wo Feldarbeiten und Weidegang im Gange sind. Diese Modiflcationen sind von der vorgesetzten Behörde besonders restzu­stellen. Es sind dabei folgende Gesichtspunkte (SS 32 n, 33) zu beachten.
sect; 82. Die Gehöftsperre (S Iß u. 20) kann auch dann nicht umgangen oder gemildert werden. Es ist aber dann dabin zu streben, dass sobald als möglieh zu völliger Reinerklärung des Gehörtes gelaugt werde (vergl. sect; 25).
unaufschiebbare Feldarbeiten sind entweder durch fremde Hülfe oder durch die eigenen Leute des Gehöftes unter den uöthigen VorsiehtsmoBsregeln zu be­schaffen,
S 33. Sind die Voraussetzungen der Ortssperre gegeben, so tritt dann an deren Stelle die Sperre der ganzen Feldmark . d. h, die in sect;g 21 U. 23 IT. ange­ordneten Spcmnassregeln werden an die Grenze der Feldmark verlegt. Die durch die Feldmark führenden Woge werden abgegraben. Für längs der Grenze hin­führende Wege wird das Betreten und der Transport von Vieh, itauehfutter u. s. w. verboten.
Alle Ortselnwolmer, welche noch krankheitsfreie ungesperrte Gehftfte haben, können ihre Feldarbeiten mit eigenen Leuten \iud Gespannen verrichten.
EUndviehgespanne sind dabei von der nachbarlichen Flurgrenze und von bezw. verbotenen Wegen soweit irgend thunlich fern zu halten.
sect; 34. Für die Umgebung des Seuchen ortes (sect; 17) ist nöthigenfaUs der Weidegang ebenfalls zu untersagen, und für die unmittelbar angrenzenden Fluren sind die nöthigen Bescbränknngcn des freien Verkehrs und Vorsichtsmassregeln für die Feldbestellung anzuordnen,
sect; 85. Bei der absoluten Sperre 1st für Herbeischaffung der nothwendlgsten Bedürfnisse der Bewohner: Lebensmittel, Brennmaterialien, Futter etc. unter den nöthigen Vorsichtsmassregeln Sorge zu tragen,
sect;30. In Residenz- und Handelsstädten, sowie in anderen Städten mit lebhaftem Verkehr kommen die relative und absolute Sperre des Ortes nicht in Anwendung; auch sind sonstige, durch die Verhältnisse gebotene Ausnahmen
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von den Bestimmungen der sect;sect; 18 IV. zulässig. Ks ist jedoch siuis auf möglichst rasche Tilgung der Seuche durch schnelle Tödtung des gesaminten Viehbestandes der crgrilTenen Gehöfte, sowie durch geeignete Absperrung der inficirlen Locali-täten und schleunige Desinfection Bedacht zu nehmen.
Ist die Rinderpest in einem ülfentlichen Schlachthause oder auf einem als besondere Anstalt bestehenden Schlachtviehmarkte einer grösseren Stadt constatirt, so ist die betreifende Localität sofort gegen den Abtrieb der auf derselben be-fimllichen Wiederltäuer und Schweine abzusperren. Hierbei kann, sofern die Krankheit noch keine solche Verbreitung gefunden hat, dass die sofortige Tödtung und Vernichtung des gesnmmten Bestandes an Wiederkäuern uothwendig ist, das Absehlachten der noch nicht erkrankten Thiere zum Zwecke der Verwerthung gestattet werden. Die Schlachtung, welcher auch die Schweine zu unterwerfen sind, hat jedoch in der hetrelfenden Localität und unter Aufsicht und Leitung von Thierärzten innerhalb längstens dreier Tage zu geschehen. Bezüglich der Abfuhr des Fleisches und der inneren Thcile, sowie der Häute der geschlachteten Thiere, ist nach sect; 25, Abs. 6 zu verfahren.
Bei dem Ausbruch der Rinderpest unter Thieren, welche sich auf dem Transporte oder Marsche belinden, sind die zu ergreifenden Vorkehrungen nach Lage der besonderen Verhältnisse zii treffen.
Dritter Abschnitt. Massregcln nach dem Erlöschen der Seuche.
sect; 37. Die Seuche gilt in einem Gehöfte oder Orte für erloschen, wenn entweder alles Rindvieh gefallen oder getödtet ist, oder seit dem letzten Krank-heits- oder Todesfalle drei Wochen verstrichen sind, und wenn die Desinfection nach Mnssgabe der folgenden Bestimmungen stattgefunden hat.
sect; 38. Mit der Desinfection ist nach Massgabe der Umstände sofort zu beginnen, sobald in einem Gehöfte ein Stall vom Vieh entleert ist. Dieselbe hat auch dann einzutreten, wenn die Tödtung eines Viehstandes stattgefunden hat, ohne dass der Ausbruch der Rinderpest unter demselben constatirt war (sect; 25, Abs. S).
sect; 39. Die Desinfection darf nur auf amtliche Anordnung und nur unter sachverständiger Aufsicht geschehen.
sect; 40. Die Desinfection beginnt, sofern ein Verschluss des Stalles (sect; 31) stattgefunden hat, mit der Wiederöffnung desselben, welche womöglich innerhalb 24 Stunden erfolgen soll, für ausreichende Lüftung während der Desinfections-arbeiten ist Sorge zu tragen.
Der Dünger wird heraiisgeschaflft und verbrannt, oder an Orten, in welche innerhalb der nächsten 3 Monate kein Vieh hinkommen kann, tief vergraben. Die in Jauchegruben angesammelte Jauche ist unter Anwendung von Schwefel­säure und Chlorkalk entsprechend zu desinficiren und in hinlänglich tiefe Gruben zu bringen.
Alles Mauerwerk wird abgekratzt (die Fugen gereinigt) und dann frisch mit Kalk beworfen und abgeputzt. Holzwerk wird ebenfalls abgefegt, mit heisser scharfer Lauge gewaschen, nach einigen Tagen mit Chlorkalklösung überpinselt.
Erd-, Sand- und Tennen- (Lehmschlag-) Fussböden werden aufgerissen, die Erde einen Fuss tief aufgegraben und Alles gleich dem Dünger behandelt. Pllaster-Fussböden gewöhnlicher Art, d. h. deren Steine in Sand oder Erde gesetzt sind, Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thierkrankheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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338nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Pi* quot;quot;f Rinderpest bezüglichen Gesetze Deutschlands.
werden ebenfalls aufgerissen, die Ki'de einen Fuss tie!quot; aulgegraben und wie der Dünger behandelt. Die Steine können gereinigt, mit Chlorkalklösung behandelt und, wenn sie 4 Wochen lang an der Luft gelegen haben, wieder benutzt werden. Fussböden von Holz werden nach Massgabe ihrer Beschaffenheit entweder ver­brannt oder in entsprechender Weise desinficirt. Müssen die Fussböden aufge­rissen werden, so ist die Erde ebenfalls wie vorstehend auszugraben und zu be­handeln. Feste, undurchlässige Pflaster von Asphalt, Cement oder in Cement gesetztem Pflaster werden gereinigt und desinficirt.
Statt des Chlorkalks können auch andere, erfalirungsmässig als wirksam bekannte Desinfectionsmittel, wie siedendes Wasser, Carbolsäure u. s. w. benutzt werden.
Alles bewegliche Holzwerk (Krippen, Raufen, Gelasse und sonstige Uten­silien, womöglich auch die Scheidewände) wird verbrannt, Eisenzeug wird aus­geglüht.
Jauchebehältei' und Stallschleusen werden analog behandelt wie Stalll'uss-böden, oder, wenn sie gomaiiert werden, wie das Mauerwerk. Nach Beendigung der Desinfection wird der Stall vierzehn Tage lang durchlüftet.
g 41. Bei der Desinfection dürfen nur Leute aus dem eigenen, oder aus anderen inficirten Gehöften, oder solche Personen verwendet werden, welche selbst kein Vieh haben; diese Personen müssen bis zur Beendigung der Reinigung im Gehöfte bleiben. Zu den Fuhren sind nur Pferdegespanne anzuwenden.
Bei dem Transporte von Dünger und Erde ist wie nach sect;sect; 28 und 29 zu verfahron. Die Transportgeräthe können statt des Verbrennens auch einer sorg­fältigen Desinfection, wie sie für Holzwerk vorgeschrieben ist, unterworfen werden.
sect; 42. Die Kleidungsstücke der mit den kranken und todteu Thieren be­schäftigt gewesenen Leute sind entweder zu verbrennen, oder, soweit sie wasch­bar sind, mit heisser Lauge 12 bis 24 Stunden stehen zu lassen, dann mit Seife gründlich zu waschen und an der Luft zu trocknen, soweit sie nicht waschbar sind, 12 bis 24 Stunden lang mit Chlor zu räuchern oder trockener Hitze aus­zusetzen und dann 14 Tage zu lüften.
Schuhwerk und Lederzeug muss sorgfältig gereinigt, mit Lauge oder schwacher Clilorkalldösung gewaschen und frisch gefettet, nochmals mit Chlor geräuchert und 14 Tage gelüftet werden.
Die Personen selbst haben die Kleider zu wechseln und den Körper gründ­lich zu reinigen.
sect; 415. Alles Rauchfutter, welches nach der Art seiner Lagerung der Auf-nalime von Ansteckungsstoff verdächtig erscheint, ist sogleich bei beginnender Desinfection durch Verbrennung zu vernichten.
sect; 44. Dünger nnf den Düngcrstätten, welcher während des Auftretens der Seuche oder innerhalb 10 Tagen vor der Constatirung derselben auf die Dung-stättc gebracht wurde, ist wie der Stalldünger zu behandeln (sect; 40).
Der übrige Mist auf den Düngerstätten ist mit Pferdegeschirr auf das Feld zu schaffen und womöglich nach drei bis vier Wochen unterzupflügen. So lange Letzteres nicht geschehen ist und vier Wochen nachher darf kein Rindvieh dieses Feld betreten. Ist die sofortige Wegschaffung des gesammten Düngers nicht thunlich, so ist die oberste Schicht mit einer Desinfectionsflüssigkcit zu über-giesseu. Die Fortschnffung nach Massgabe der vorstehenden Bestimmungen hat indessen möglichst bald zu erfolgen.
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Die auf Rinderpest bezüglichen Gesetze Deutschlands und Oesterveiclis. 339
sect; 45. Selbst nach vollständiger Desinl'cction eines Gehöftes oder Ortes und Beseitigung der Sperre darf neuer Ankauf oder Verkauf von Vieh erst nach einer von der Behörde zu bestimmenden Frist erfolgen, welche nicht unter drei Wochen, von dem Zeitpunkte, an dem der Urt für seuchenfrei erklärt wurde, an gerechnet, betragen darf.
Weideplätze, welche von pestkrankem oder pestverdächtigem Vieh benutzt worden sind, dürfen nicht vor Ablauf von mindestens zwei Monaten wieder be­nutzt werden.
Die Zeit, in welcher die Verscharrungsplätze wieder benutzt werden dürfen, wird nach Massgabe der localen Verhältnisse in Jedem Falle von der höheren Behörde bestimmt.
sect; 46. Die Abhaltung von Viehmärkten ist nicht vor Ablauf von drei Wochen, nachdem der letzte Ort im Seuchenorte für seuchenfrei erklärt ist', zu gestatten.
War die Rinderpest in Residenz- und Handelsstädten, oder in sonstigen Städten mit lebhaftem Verkehre oder in der Nähe derselben ausgebrochen, so können besondere, von den Bestimmungen des sect; 45, Abs. 1 und sect; 40, Abs. 1 abweichende Anordnungen getroffen werden.
Schlussbeslimmung.
Bezüglich der Desinfcctiou der Eisenbahnwagen bleiben die Bestiinnmngen der Instruction vom 20. Mai 1809 einstweilen unverändert in Geltung.
Endlich sei hier noch bemerkt, dnss für die auf polizeiliche Anordnung wegen Rinderpest getodteten Thiere ans Reichsmitteln der volle Taxwerth der­selben vergütet wird und dass der auf Rinderpest sich beziehende Paragraph des Strafgesetzbuches für das deutsche Reich folgendennassen lautet:
sect; 328. Wer die Absperrangs- oder Aufsichtsmassregeln oder Einfuhr­verbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniss bis zu einem Jahre bestraft. Ist in Folge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden, so tritt Gefängnissstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren ein.
Das österreichische Gesetz vom 29 Februar 1880, betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest, lautet:
1. Abschnitt.
Massregeln gegen die Einschleppung der Rinderpest in das Geltungsgebiet dieses
Gesetzes.
Einfuhr aus verseuchten Gegenden.
sect; 1. Tritt die Rinderpest in einem au das Geltungsgebiet dieses Gesetzes
angrenzenden oder mit demselben in unmittelbarem Verkehre stehenden Lande
auf, so dürfen aus den verseuchten Gegenden desselben nicht eingeführt werden:
a)nbsp; Rinder und andere Wiederkäuer im lebenden oder todten Zustande ;
b)nbsp; alle von Wiederkäuern stammenden thierischen Theile, Abfälle, Roh-stoiTe in frischem oder getrocknetem Zustande.
Ausgenommen hievon sind Molkereiproductc, ausgeschmolzener Talg, dann Schafwolle, welche gewaschen oder calcinirt worden und in Säcken oder Ballen verpackt ist;
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
c)nbsp; nbsp;Ruuclil'uttei', Stroli und andere Slrcumaterialien, dann Dünger \
d)nbsp; nbsp;gebrauchte Stallgeriithe und Anspanngeschirre, für den Handel be­stimmte getragene Kleider, derartiges Sclmhwerk und Hadern.
Heu und Stroh und anderes als Vcrpackungsmittel benutztes Streumaterial ist am Bestimuuingsorle der Waare sogleich nach der Ankunlt zu vernichten.
Als verseuchte Gegend ist diejenige anzusehen, welche innerhalb des Kreis-uml'aiiges liegt, der durch einen Halbmesser von 20 Kilometer Länge von dem verseuchten Orte aus beschrieben wird.
Einfuhr aus nicht verseuchten Gegenden.
sect; 2. Aus nicht verseuchten Gegenden verseuchter Länder kann von der politischen Landesbehörde des angrenzenden hlerseitigen Verwaltungsgebietes
die Bin- und Durchfuhr der im sect; 1 von der Einfuhr ausgeschlossenen Tliiere und Gegenstände unter folgenden Bedingungen gestattet werden:
a)nbsp; die Einbringung darf nur an jenen Orten erfolgen, welche hiefür be­sonders bestimmt werden; überdies muss
b)nbsp; um Eintrittsorte durch amtliches Zeugniss nachgewiesen werden, dass die betreffenden Thiere aus nicht verseuchten Gegenden stammen, sowie dass der Transport durch seuchenfreic Gegenden erfolgte;
c)nbsp; nbsp;der gesunde Zustand dieser Tliiere durch die Untersuchung eines Amts-thierarztes sichergestellt und
d)nbsp; bei Transporten der im sect; 1, b) c) d) von der Einfuhr ausgeschlossenen Gegenstände der amtliche Nachweis geliefert werden , dass dieselben nicht aus verseuchten Gegenden stammen und nicht in verseuchten Orten gelagert waren.
Einfuhrverbot: Grenzsperre. sect; 3. Tritt jedoch die Rinderpest in Orten, die nicht über 40 Kilometer von der Grenze entfernt sind, oder überhaupt in bedrohlicher Weise auf, so ist von der politischen Landesbehörde des angrenzenden hlerseitigen Vervvaltungs-gebietes die Ein- und Durchfuhr der im sect; 1 bezeichneten Tliiere und GegensUlnde über die gefährdete Grenze überhaupt zu verbieten und die Absperrung derselben (Grenzsperre) nach Erforderniss auch mittelst eines militärischen Cordons zu verfügen.
Verkehrserlcichterungen.
sect; 4. Die Landesbehörde des angrenzenden Vcrwaltiingsgebietes kann aber auch in den Fällen des sect; 3 die Zulassung für nachbezeichnete Transporte aus nicht verseuchten Gegenden in das Geltungsgebiet dieses Gesetzes unter den Be­dingungen des sect; 2 bewilligen:
a)nbsp; für Transporte von Schlachtvieh nach solchen Orten, in welchen öffent­liche Schlachthäuser bestehen;
b)nbsp; für Transporte von vollkommen trockenen Häuten, Knochen, Hörnern, Hornspitzen und Klauen, gesalzenen und getrockneten Rinderdärmen, Saitlingen, nngeschmolzeneni Talg in Fässern und Wannen, Ktihhaarcn, Schweinsborsten, Schafwolle und Ziegenhaaren, insofern letztere Gegenstände in Säcke oder Ballen verpackt sind.
Die unter a) und b) bezeichneten Transporte dürfen nur auf Eisenbahnen oder auf dem Wasserwege und unter Beobachtung besonderer Besckränkungen
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und Vorsichten statt/Tnden. Rücksichtlich der unter a) bezeichneten Transporte rauss das Schlaclithaus in unmittelbarer Verbindung mit dem Schienenwege oder dem Landungsplätze der ScliiU'e stehen.
Die näheren Vorsiehtsmassregeln werden im Verordnungswege getroffen.
Im Falle der Durchfuhr ist die Gestaltung des Eintrittes durch die Nach­weisung bedingt, dass die Regierung des Landes, nach welchem der Transport auszutreten bestimmt ist, den Uebertritt desselben über die Grenze nicht be­anstandet.
Desinl'ection von Personen.
sect; 5. Nach verfügter Grenzsperre haben sich Personen, von denen bekannt oder anzunehmen ist, dass sie in verseuchten Orten gewesen sind oder mit den im sect; 1 unter a, b, c, d genannten Thieren oder Gegenständen in Berührung waren, vor ihrer Zulassung in das Geltungsgebiet dieses Gesetzes einer Desinl'ection zu unterziehen.
Der Desinfection sind auch die Effecten solcher Personen und die von den­selben benützten Fuhrwerke zu unterziehen.
Seuchengrenzbczii'k.
sect; 6. Beim Herannaben der Seuche auf weniger als 20 Kilometer Ent-fernnng von der Grenze haben in den Ortschaften der bedrohten Grenzbezirke die Vorschriften für den Seuchenbezirk (sect; 27) In Amvendung zu kommen.
Die politischen Bezirksbehörden haben in einem solchen Falle für die be­theiligten Grenzbezirke eine Revision der vorhandenen Wiederkäuer und die Evidcnzlmltung des Gesundheitszustandes, sowie des Zu- und Abganges derselben mittelst Anlegung von Viehstandsregistern anzuordnen und die letzteren einer öfteren Revision unterziehen zu lassen.
Massregeln gegen stündig und häufig verseuchte Länder.
sect; 7. Die Ein- und Durchfuhr von Rindern aus Ländern, von welchen wegen häufig vorkommender Verseuchung die Einschleppung der Rinderpest in besonderer Weise droht, ist verboten. Diese Länder werden im Verordnungs­wege bezeichnet.
Die Ein- und Durchfuhr von Schalen und Ziegen kann unter den Be­dingungen des sect; 2 von der politischen Landesbehörde insolange gestattet werden, als die Seuche nicht innerhalb 80 Kilometer von der Grenze herrscht oder ihre Verbreitung in dem betreffenden Auslnnde nicht überhaupt die Einfuhr als un­zulässig erscheinen lässt.
Unter denselben Bedingungen kann auch die Ein- und Durchfuhr der im sect; 4 lit. b) bezeichneten tbierischen Theile gestattet und überdies für dieselben eine entsprechende Desinfection beim Uebertritte über die Grenze vorgeschrieben werden.
Die Transporte der vorbezeichneten Thierc, sowie der thierischen Theile sind, wo nur immer möglich, mittelst der Eisenbahn oder auf Wasserwegen an ihren Bestimmungsort zu befördern. Die hiebei zu beachtenden besonderen Vor­sichten werden im Verordnungswege bestimmt. Thierische Theile im frischen Zustande sind von der Ein- und Durchfuhr ausgeschlossen.
Gewaschene oder calcinirtc Wolle, Molkereiproducte und ausgeschmolzener Talg unterliegen rücksichtlich ihrer Ein- und Durchfuhr keinen Beschränkungen.
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
Zur Einfuhr der im sect; 1 lit. c) und d) bezeichneten Gegenstände ist die besondere Bewilligung der politischen Landesbehörde erforderlich.
Massrcgeln gegen Schmuggel. sect; 8. Zur Verhinderung des Schmuggels mit Rindvieh hat den im sect; 7 bezeichneten Ländern gegenüber beständig eine verschärfte Grenzüborwachung einzutreten.
Die Einrichtung dieser Grenzbewachung wird im Verordnungswege bestimmt. Nöthigenfalls ist zum Zwecke derselben Militärmannschaft zu Hülfe zu nehmen.
Viehcataster.
sect; 9. In dem an diese Länder grenzenden Gebiete ist innerhalb einer Strecke von 30 Kilometer durch die landesfürstlichen Thierärzte unter Mitwirkung ent­lohnter und beeideter Viehrevisoren für die Gemeinden und Gutsgebiete ein Ca-taster des Rindviehstandes anzulegen.
Dieser Cataster ist durch die Revisoren in Evidenz zu halten, dessen Füh­rung durch die Gendarmerie zu controliren und durch Jdie Bezirksbehörden zu überwachen.
Innerhalb dieses Grenzgebietes muss jedes Stück Rindvieh mit einem Brand­zeichen versehen, und wenn es aus seinem Standorte abgetrieben wird, durch einen Viehpass gedeckt sein.
Die Gemeinden und Gutsgebiete sind zur Mitwirkung bei Durchführung dieser Massregeln verpflichtet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt;
Viehbeförderung auf Eisenbahnen.
sect; 10. Die Eisenbahnverwaltungen jdürfen [innerhalb des im sect; 9 bezeich­neten Grenzgebietes Wiederkäuer zur Weiterbeförderung nur auf bestimmten Eisenbahnstationen und auf Grund vorschriftsmässig ausgestellter Viebpässe über­nehmen.
Seeprovenienzen.
sect; 11. Für Seeprovenienzen gelten bezüglich der Einfuhr von Wieder­käuern und der von denselben stammenden thierischen Theile die für den Land­verkehr gegebenen Vorschriften.
Die für diese Provenienzen nötbigen besonderen Vorsichten werden im Verordnungswege bestimmt.
II, Abschnitt.
Massregeln zur Verhinderung der Weiterverbreitung und zur Tilgung der
Rinderpest im Geltungsgebiete dieses Gesetzes.
Allgemeine Massregeln. sect; 12. Zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Rinderpest ist rück-sichtlich
a)nbsp; der Beibringung von Viehpässen für die in den Verkehr gebrächten Wiederkäuer;
b)nbsp; der sachverständigen Beaufsichtigung der Viehmärkte, Viehauctionen lind öffentlichen Thierschanen;
c)nbsp; der bei Beförderung von Wiederkäuern mittelst Eisenbahnen oder Schiffen einzuhaltenden Vorschriften;
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
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d)nbsp; der Untersuchung der Triebherden;
e)nbsp; der Durchführung der Vieh- und Fleischbeschau;
f)nbsp; nbsp;der Uebenvachung der Wasenmeistereien;
g)nbsp; der Einhaltung besonderer Verpflichtungen von Seite jener Personen, welche mit fremdem Vieh, mit Thiercadavern oder mit frischen thierischen Ab­fallen beschäftigt sind, in dem Gesetze vom 29. Februar 1880 (R.G.B1. Nr. 35) durch die Bestimmungen der sect;sect; 4, 8 bis 14 vorgesehen.
Rücksichtlich der Verpllichtung zur Anzeige von Erkrankungen und Um-stehungsfällen haben die Bestimmungen der sect;sect; 15 und 1(3 des bezogenen Ge­setzes Anwendung zu finden.
Nebstdem haben noch die folgenden Bestimmungen zu gelten: Vorsichten rücksichtlich eingebrachter Rinder und des Zutrittes in Stallungen,
sect; 13. In rinderpestgefährlichen Zeiten kann von der politischen Landes­behörde angeordnet werden :
a)nbsp; dass aus fremden Orten angekaufte Rinder, unter Umständen auch an­dere Hausthiere, erst dann unter die einheimischen, sei es im Stalle oder auf der Weide, gebracht werden dürfen, wenn sie vorher an einem abgesonderten Orte durch eine entsprechende im Verordnungswege zu bestimmende Zeit beobachtet worden sind und ihr unverdächtiger Gesundheitszustand aussei' Zweifel*gesetzt worden ist.
In einem solchen Falle ist bei grösseren Viehständen für abgesonderte Wartung des hinzugekommenen Viehes Sorge zu tragen.
b)nbsp; Dass Fleischhauer und Viehhändler in fremde Stallungen nicht zuge­lassen werden,
sect; 14. Wenn in einem Lande der Ausbruch der Rinderpest amtlich kund­gemacht worden ist (sect; 22), so muss in den verseuchten und in den an diesen angrenzenden politischen Bezirken in jedem Falle, in welchem an einem Rinde Erscheinungen einer innerlichen Erkrankung überhaupt wahrgenommen werden, die unverzügliche Anzeige an den Gemeinde- (Gutsgebiets-) Vorsteher, beziehungs­weise an die politische Bezirksbehörde erstattet werden.
Der Gemeindevorsteher (Gutsgebietsvorsteher) hat jedenfalls, sobald er von einem der Rinderpest verdächtigen Erkrankungs- oder Umstehungsfalle eines Thieres auf irgend eine Weise Kenntniss erlangt, unverweilt die Anzeige hievon an die politische Bezirksbehörde zu erstatten.
Das Gebiet, für welche diese Verpflichtung eintritt, ist unter Anführung der die Verpflichtung zur Anzeige betreffenden Bestimmungen und unter Hin­weisung auf die Folgen der Unterlassung in allen betheiligten Gemeinden (Guts­gebieten) kundzumachen.
Die nach den vorangehenden Bestimmungen erweiterte Verpflichtung zur Anzeige besteht beständig in den durch den sect; 9 bezeichneten Grenzgebieten und kann von jeder anderen Landesbehörde auch bei blosser Gefahr der Einschleppung der Rinderpest entweder für das ganze Verwaltungsgebiet oder für Theile des­selben in gleicher Weise angeordnet werden.
Belohnungen für Anzeigen.
sect; 15. Die politische Landesbehörde kann für Personen, welche zur An­zeige berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, Belohnungen für die erste Anzeige von Rinderpestausbrüchen in bis dahin von der Rinderpest noch nicht ergriffenen
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
Ortschaften bis zum Betrage von zweihundert Gulden und für Anzeigen von Uebertretungen der Rinderpestvorschriften durch verbotene, den ycrfall nach sich ziehende Einbringung von Rindern bis zum vollen Betrage des reinen Erlöses für die in Verfall erklärten Rinder, endlich für Anzeigen von begangenen ander­weitigen Uebertretungen dieser Vorschriften bis zum Betrage von einhundert Gulden festsetzen.
Massregeln beim Ausbruche der Rinderpest. Vorläufige Massrcgeln.
sect; 10. Der Gemeinde- (Gutsbezirks-) Vorsteher hat, sobald er von einem den Verdacht der Rinderpest erregenden Erkrankungs- oder ümstehungsfalle, oder von einem ausgesprochenen Falle der Rinderpest Kenntniss erlangt, vorläufig und bis zum Eintreffen der Seuchencommission
a)nbsp; den Vorfall in der Gemeinde zu verlautbaren;
b)nbsp; denselben den Nachbargemeinden und Gutsgebieten bekannt zu geben;
c)nbsp; die Sperre des betreffenden Stalles oder Standortes zu veranlassen ;
d)nbsp; das [Entfernen von Rindvieh, Schafen und Ziegen aus dem Orte zu verbieten;
e)nbsp; den Weidegang einzustellen.
enbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Seuchencommission.
sect; 17. Wird ein den Verdacht der Rinderpest erregender Erkrankungs­oder Umstehungsfall oder ein constatirter Fall dieser Krankheit der politischen Bezirksbehörde angezeigt, so hat diese einen politischen Beamten und den be­amteten Thierarzt an Ort und Stelle abzuordnen.
Der abgeordnete politische Beamte, der Thierarzt und der Gemeinde-(Outs-gebiets-) Vorsteher bilden die Seuchencommission.
Diese hat zu erheben, ob ein Fall von Rinderpest vorhanden ist, und im bejahenden Falle auch die Art [der Einschleppung und deren Ausbreitung zu erforschen.
Der abgeordnete politische Beamte hat als Leiter der Seuchencommission die auf Grund des Gesetzes und der Vollzugsvorschrift durchzuführenden Mass­regeln anzuordnen und für deren Durclifülining Sorge zu tragen.
sect; 18. Die Seuchencommission ist ermächtigt, in Ermanglung eines Cada­vers zum Zwecke der Feststellung der Rinderpest ein krankes, der Rinderpest verdächtiges Thier behufs Vornahme der Section tödten zu lassen.
Der Werth eines zu diesem Zwecke zu todtenden Thieres ist vorher ord-nungsmässig abzuschätzen.
sect; 19. Die Anempfehlung, der Verkauf, die Anwendung von Vorbauungs­oder Heilmitteln bei der Rinderpest sind verboten. Desinfectionsmittel sind zu den Vorbauungs- und Heilmitteln nicht zu rechnen.
Vorkehrungen, a. Bei^Seuchenverdacht.
sect; 20. Wird durch die Erhebungen die Rinderpest nicht mit Bestimmtheit sichergestellt, jedoch der Verdacht ihres Bestehens nicht gänzlich behoben, so hat die Seuchencommission bis zur Erlnssung weiterer Anordnungen die im sect; 10 vorgezeichneten Massregeln aufrecht zu erhalten und ausserdem noch folgende Massregeln zur Durchführung zu bringen.
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oosterreichs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 345
a) Der gcsnmnite Viehstand des Ortes an Rindern, Schafen und Ziegen ist unter angemessenen Vorsichten anl'zunehmen und bezüglich seines üesundlieits-zustandes zu besichtigen.
h) Die Geholte oder Standorte, in welchen sicli verdächtige oder mit diesen in Berührung gekommene Thiere befinden, sind unter Benchtimg der Bestim­mungen des sect; 21 lit. g) versperrt zu halten und l'iir diese Thiere eigene Wärter zu bestellen.
c) Jeder Erkrankungs- oder Umstclningsfall eines Stückes der envälmten Thiergattungen ist unverzüglich anzuzeigen (sect;sect; 12, 14).
So lange die Scuchencommission im Orte anwesend ist, hat die Anzeige an dieselbe zu erfolgen.
d)nbsp; nbsp;Gefallene Thiere dürfen weder verscharrt, noch sonst wie beseitigt werden, ehe die Natur der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin ist das Hinzu­kommen von Menschen und Thieren von denselben abzuhalten. Nach dem Er­messen der Seiichencommission kann die Section eines jeden gefallenen Thieres vorgenommen werden.
Die Cadaver des gefallenen oder getödteten Thieres sind unschädlich zu beseitigen.
e)nbsp; Die Schlachtung von Rindvieh aus unverdiiehtigen Stallungen oder Stand­orten darf nur mit Zustimmung der Seuchencommission und unter Aufsicht eines Thierarztes stattlinden.
Für die Vcrwerthung des Fleisches, sowie der Haut eines nach der Schlnch-tung von dem Thierarzte als gesund erkannten Thieres gelten die Bestimmungen des sect; 21 c) und d).
Finden sich an dem geschlachteten Thiere auch nur die geringsten Er­scheinungen der Rinderpest, so ist mit demselben in Gemässheit des sect; 21 b) yoi'-zugehen.
Ergibt sich der Verdacht der Rinderpest auf Schlnchtviehmärkten oder in Schlachthäusern, so ist die Absonderung der verdächtigen Thiere nach den Be-Btimmungen des Gesetzes vom 29. Äbruar 1880 (R.G.B1. Nr. 35, sect; 9) zu ver­anlassen.
b. Bei festgestellter Rinderpest.
sect; 21. Wird durch die Erhebungen das Bestehen der Rinderpest siehergestellt, so haben bezüglich des verseuchten Hofes (Besitzung, Stall, Standort) folgende Anordnungen zur Ausführung zu kommen:
a)nbsp; nbsp;Alle pestkranken, sowie alle jene Rinder, welche mit pestkranken Thieren in demselben Stalle oder Standorte untergebracht oder sonst mit ihnen unmittelbar oder durch gemeinschaftliche Warter, Futtcrgeräthschnftcn, Tränken u. dergl. mittelbar in Berührung waren, sind unter Aufsicht der Seuchencommission un­verzüglich zu tödten.
Auch steht es der Seuchencommission zu, die Tödtung von Rindvieh, das sich in einem anderen Standorte desselben Hofes oder in der nächsten Umgebung desselben auch in anderen Höfen befindet, zu verfügen, wenn die Möglichkeit der Ansteckung mit Gruud anzunehmen ist.
b)nbsp; Die an der Pest gefallenen und erschlagenen pestkranken Rinder sind sofort ohne Hinwegnahme irgend eines Theiles auf thermischem oder chemischem Wege unschädlich zu machen oder nach kreuzweise durchschnittener Haut hin­reichend tief zu vergraben.
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346nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dm auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
Die Verscharrnugspliitze, rücksichtlieh welcher nach sect; 42 des Gesetzes vom 29. Februar 1880 (R.G, Bl. Nr. 35) ivorzugehen ist, sind gegen den Zutritt ent­sprechend zu versichern und zu bewachen.
c)nbsp; Das Fleisch von Rindern, welche wegen des Verdachtes der Rinderpest getödtet und nach der Schlachtung von dem Thlerarzte gesund befunden worden sind, darf unter angemessener, im Verordnungswege vorzuschreibender Vorsicht entweder im Seuchenorte selbst verbraucht, oder in grössere Verbrauchsorte be­hufs Verwerthung verführt werden.
d)nbsp; Die Häute der unter c) bezeichneten Rinder dürfen, wenn sie unver­züglich durch Einlegen in Kalldauge desinficirt worden sind, zum Zwecke der sogleichen Verarbeitung in Gerbereien unter Aufsicht verführt werden.
e)nbsp; Wenn in verseuchten Rinderstallungen, aus welchen sämmtliche Rinder zum Zwecke der Seuchcntilgung gekeult wurden, Schafe und Ziegen in geringerer Anzahl sich befinden, so sind diese zu tödten; das weitere Verfahren mit den getödteten Thieren hängt, wie bei den Rindern, von dem thierärztlichen Befunde vor und nach der Tödtung ab.
Grosse Schafherden, welche in besonderen, aber mit den verseuchten Rinderställen in Verbindung stehenden Ställen untergebracht sind, dürfen par-cellirt und müssen hierauf durch 21 Tage abgesperrt und beobachtet werden.
Hunde, Katzen, Federvieh und andere kleine Hausthiere sind ausserhalb der Rinderstallungen eingeschlossen zu halten.
Derlei Thiere, die in den verseuchten Rinderstallungen sich befunden haben oder im Freien angetroffen werden, sind zu tödten und zu vertilgen.
f)nbsp; nbsp;Der Hof, in welchem seuchenkranke oder mit ihnen in Berührung ge­kommene Rinder, Schafe oder Ziegen sich befinden oder befunden haben, ist durch Aufstellung von Wachen, nöthigenfalls mit Militär abzusperren und durch die Aufschrift „Rinderpestquot; kenntlich zu machen.
g)nbsp; Ohne besondere Erlaubniss der Seuchencommission dürfen nur Sicher­heitsorgane und Gcrichtspersonen, Geistliche, Aerzte und Hebammen In Ausübung ihrer Berufsptlichten in das verseuchte Gehöft zugelassen werden.
Dagegen darf ohne diese Erlaubniss;
aa) keinerlei Gegenstand .ans dem verseuchten Gehöfte herausgebracht
werden, bb) kein Bewohner des Gehöftes mit den übrigen Ortsbewohnern ver­kehren oder das Gehöft verlassen, h) Alle Personen, welche das verseuchte Gehöft verlassen, haben sich bei dem Austritte einer sorgfältigen, vorzüglich auf die Beschuhung Rücksicht neh­menden Reinigung zu unterziehen.
Die Orte, an welchen rinderpestkranke Thiere sich aufgehalten haben, ebenso die mit solchen Thieren in Berührung gewesenen Gegenstände und die von ihnen stammenden Abfälle sind ohne Verzug vorschriftsmässig zu reinigen und zu desinficiren.
Können derlei Gegenstände nicht desinficirt werden, oder sind sie werthlos, so sind sie zu vernichten.
k) Ebenso sind die Kleidungsstücke der mit den kranken oder tödten Thieren und bei dem Desinfectionsverfahren beschäftigt gewesenen Personen zu desinficiren oder, wenn sie werthlos sind, zu verbrennen.
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreiclis.
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Diese Personen haben ihren Körper einer gründlichen Reinigung zu unter­ziehen.
1) Die Desinl'ection muss unter sachverständiger Aufsicht durchgeführt werden.
Verlautbarung des Seuchennusbruches.
sect; 22. Der Ausbruch der Rinderpest ist in den Landessprachen kundzumachen.
Die politische Bezirksbohörde hat denselben in ihren) Bezirke zu verlaut­baren und hievon die benachbarten politischen Bezirke, in den Küstenländern auch die Seesanitätsbehörden, zu gleichem Zwecke zu verständigen.
Eine solche Verständigung hat auch an solche Gemeinden zu erfolgen, nach welchen eine Verschleppung des AnsteckungsstofTes möglicherweise statt­gefunden haben könnte; insofern der verseuchte Ort nicht über 75 Kilometer von der Reichsgrenze entfernt liegt, ist auch die zustündige Behörde des benach­barten Staatsgebietes von dem Seuchenausbruche in Kenntniss zu setzen.
Die politische Landesbehörde hat die Verlautbarung des Seuchenausbruches in ihrem Verwaltungsgebiete zu veranlassen und hievon auch die benachbarten politischen Landesbehörden, rücksichtlich der Küstenländer auch die Seebehörde in Triest, sowie jene Venvallungsgebiete zu verständigen, mit welchen ein be­deutender und directer Verhehr aus den veraeuchten Gegenden stattfindet.
Bei Rinderpestfällen der im sect; 33 bezeichneten Art hat die Verständigung nach allen Richtungen zu erfolgen, rücksichtlich welcher die Gefahr der Ver­schleppung angenommen werden kann.
Sämmtliche Anzeigen und Verlautbarungen über Rinderpestausbrüche sind sofort zu bewirken und durch die politische Landesbehörde dem Ministerium des Innern unverzüglich zur Kenntniss zu bringen.
Massregeln im Seuchenorte.
sect; 23. Jede verseuchte Ortschaft ist. als solche für Jedermann kenntlich zu machen.
In derselben sind ausser den vorangehenden Bestimmungen nachfolgende Massregeln zur Ausführung zu bringen:
a)nbsp; Schafe und Ziegen sind aus den Riuderstallungen für die Dauer der Seuche zu entfernen;
b)nbsp; alle Hausthiere, mit Ausnahme der Pferde, sind ausserhalb der Rinder­stallungen eingeschlossen zu halten, herumlaufende Hunde und Katzen sind zu tödten;
c)nbsp;Personen, welche den Seuchenort verlassen, haben sich den Bestimmungen des sect; 21 lit. g) und h) zu unterziehen;
d)nbsp; aus seuchenfreien Stallungen ist täglich der Mist zu entfernen;
e)nbsp; die Abhaltung von Vieh- und anderen Märkten und von sonstigen grös-seren Ansammlungen von Menschen und Thieren ist zu untersagen; ebenso kann den Bewohnern des verseuchten Ortes die Theilnahme an solchen Versammlungen ausserhalb des Seucherortes untersagt werden;
f)nbsp; Rinder, Schafe und Ziegen dürfen nur insofern in den Seuchenort ein­gelassen werden, als derlei Vieh zur Verproviantirung nothwendig ist;
g)nbsp; die Durchfuhr von Rindern, Schafen, Ziegen und thierischen Rohpro-dueten mittelst der Eisenbahn oder auf Schiffen ist nur unter Beobachtung von Schutzmassregeln zulässig, welche die Gefahr der Verschleppung nusschliessen ;
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348nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dm 8Uf Rinderpest bezügliche Gesetz Oesterreichs.
Ii) die Aus- und DureLl'iihr von Heu, Stroll und anderen zur Verschleppung
der Anstecluingsstoll'e geeigneten Uegenstümlen ist verboten.
Heu und Stroh dnrf als Verpackungsinittel für Industriecrzeugnisse nur in (lesinlioirtcm Zustande verwendet werden. Dasselbe ist nach dem Auspacken so­fort zu verbrennen;
i) bei grösserer Verbreitung der Seuche in einer Ortschaft kann diese oder einzelne Theile derselben mit einein nöthigenfalls militärischen Cordon umgeheu und noch strengeren Verkehrsbcschrünluingen unterworfen werden;
k) tritt die Seuche zu einer Zeit auf, in welcher Feldarbeiten im Gange sind, so können die angeordneten Sperrmassregeln an die Grenze der Feldmark verlegt (Flursperre) und den Ortscimvohnern , deren Höfe noch seuchenl'rei sind, der Betrieb der Feldarbeiten mit ihren Gespannen unter den nöthigen Vorsichten gestattet werden.
sect; 24. Die politische Bezirksbehörde, beziehungsweise die von derselben abgeordneten Organe haben die im sect; 23 bezeichneten Massrcgeln anzuordnen und für deren Ausführung Sorge zu tragen.
Die Gemeindebehörde (Gutsgebietsvorstelmng) des Seuchenortes ist für die genaue Durchführung der angeordneten Massrcgeln verantwortlich und hierin durch die politische Bezirksbehörde zu überwachen.
Besondere Jlassrcgeln für grössere Orte. sect; 25. Kommt die Rinderpest in grösscren Städten oder ausgedehnten Ort­schaften nur an einzelnen Punkten zum Ausbruche, so kann die Seuchencommission nach Massgabe der örtlichen Verhältnisse die Aufnahme des Viebstandcs, sowie die Absperrangs- und Sicherungsmnssregeln auf einzelne Theile der Stadt oder der betreffenden Ortschaft, oder auf den Seuchenhof, oder selbst auf den ver­seuchten Stall beschränken.
Für isolirtc Gehöfte.
sect; 20. Verseuchte Gehöfte, insofern sie isolirt, das ist mindestens 500 Meter von allen anderen Wohnstätten und Geholten entfernt liegen, können nach Zulass der örtlichen Verhältnisse als besondere Seuchenorte behandelt werden. In diesem Falle ist die über sie verhängte Sperre auf die betreffenden Gemeinden, falls diese seuchenfrei sind, nicht auszudehnen.
Scuchenbezirk.
sect; 27. Herrscht die Rinderpest in einem Orte mit Ausnahme grösserer Städte, in welchen die Ausnahmsbestimmungen des sect; 25 Platz greifen, so ist von der politischen Bezirksbehörde, nöthigenfalls im Einvernehmen mit den benach­barten Bezirksbehörden, nach den localen Verhältnissen ein in der Regel nicht unter 20 Kilometer vom Seuchenorte sich erstreckender Umkreis (Seuchenbezirk) zu bestimmen, in welchem die nachfolgenden Anordnungen zu gelten haben :
n) Der Viehstand an Rindern, Schafen und Ziegen ist von den Gemeinde-(Gutsgebiets-) Vorsteliern aufzunehmen, zu besichtigen und in Evidenz zu halten; nach Erforderniss sind diese Thiere mit einem Brandzeichen zu versehen.
Jede Aenderung im Viehstnude ist dem Gemeinde- (Outsgebiets-) Vorsteher anzuzeigen.
b) Jeder Erkrankungs- und Umstehungslall eines Stückes dieser Thicr-gattungen ist unverzüglich dem Gemeinde- (Gutsgebiets-) Vorsteher (sect; 14) und von
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Ueslerreiclis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;34()
diesem der politischen Bezirksbehörde, beziehungsweise bei Anwesenheit im ver­seuchten Bezirke der Seuchencommission anzuzeigen.
c)nbsp; Gefallene Thiore sind dort, wo sie verendet haben, sorgfältig zu be­decken und unter Ilintauhaltung jeder Berührung bis zur weiteren Verfügung zu belassen.
Die Seuchencommission kann die Section jedes gefallenen Wiederkäuers behufs der Feststellung der Krankheit anordnen.
d)nbsp; Die Bin- und Durchfuhr von Rindern, Schafen und Ziegen in und durch den Seuchenbezirk, ebenso die Durchfuhr von Rauhfutter und Stroh bedarf einer besonderen Genehmigung der politischen Bezirksbehorde.
e)nbsp; Die Durchfuhr solcher Thiere mittelst Eisenbahnen und Schiffen ist nur unter den im sect; 23 lit. g) bezeichneten Vorsichten zulässig.
f)nbsp; Viehmärkte dürfen in den grösseren Städten des Seuchenbezirkes nur mit besonderer Bewilligung der politischen Ijnndcsbchorde und unter der Be­dingung abgehalten werden, dass alle auf den Markt gebrachten Wiederkäuer diesen nur verlassen können, um uninittelbar zur Schlachtbank desselben Ortes geführt zu werden.
, g) Die Ausfuhr von Rindern, Schafen und Ziegen, ebenso die Ausfuhr von roher Schafwolle, ungeschmolzenem Talg, Hörnern, Klauen, Riuihfutter, Stroh, Streumatcrial und Dünger aus dem Seuchenbezirke ist untersagt.
h) Nur ausnahmsweise und unter besonders berücksichtigungswürdigen Verhältnissen darf die Ausfuhr von Schlachtvieh, von Rauhfutter und Stroh von der politischen Bezirksbehörde unter entsprechender Controle und mit Zustim­mung der politischen Bezirksbehörde des betreffenden Bezugsortes, insofern es sich aber um die Ausfuhr in ein anderes, unter das Geltungsgebiet dieses Ge­setzes fallendes Land handelt, mit Zustimmung der Landesbehörde des letzteren gestattet werden.
i) Auf das Fleisch, sowie auf die Häute von Rindern, Schafen oder Ziegen, welche innerhalb eines Seuchenbezirkes im gesundem Zustande, oder wegen des Verdachtes der Rinderpest getödtet und nach der Schlachtung vom Thierarzte gesund befunden worden sind, finden die Bestimmungen des sect; 21 lit. c) und d) Anwendung.
k) Den an die verseuchten Orte angrenzenden Ortschaften ist bei zu be­sorgender Gefahr der Ansteckung der Weidetrieb von der politischen Behörde zu verbieten.
Gemeinschaftliche Seuchenbezirke.
sect; 28. Sind mehrere einander nahe gelegene Orte verseucht, so ist ein ge­meinschaftlicher Seuchenbezirk festzusetzen und öffentlich bekannt zu machen.
Abtheilung des Seuchengcbictes im Senchenhezirke.
sect; 29. Ist die Rinderpest über einen grösseren Landstrich verbreitet, so ist das Seuchengebiet in kleinere Seuchenbezirke zu theilen und in jedem eine Seuchencommission niederzusetzen.
Die Oberleitung der Seuchentilgung in dem verseuchten Gebiete ist in einem solchen Falle einem von der politischen Landesbehörde zu bestimmenden ComAissär zu übertragen.
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Dns aul' Rinderpest bezügliche Gesetz Üesterreichs.
Cordon. sect; 30. Die Einhaltung der anlasslicli der Bildung von Seuchenbezirken eintretenden Verkehrsbeschränkungen ist nöthigeni'ulls durch Aulstellung eines militärischen Cordons zu sichern.
Verkehr in den nicht verseuchten Landestheilen.
sect; 31. Bestehen in einem Lande nur in einer Gegend wenige vereinzelte Seuchenorte, so unterliegt der Verkehr der nicht im Seuchenbezirke lallenden Theile des Landes untereinander und mit den anderen Ländern keiner weiteren Beschränkung.
Herrscht die Rinderpest in einem Lande in grijsserer Verbreitung oder in mehreren zerstreuten Seuchenorten, so haben gegenüber diesem Lande nach Muss­gabe der Einschleppungsgelähr die Bestimmungen sect;sect; 1 bis 5 mit Berücksichtigung der die Verwerthung des Fleisches, sowie der Haute betreffenden Bestimmungen des sect; 21 c) und d) in analoge Anwendung zu kommen.
Ein allgemeines Einfuhrverbot und die Grenzsperre (sect; 3) kann jedoch gegenüber dem verseuchten Lande nur mit Zustimmung des Ministeriums des Innern angeordnet werden. Ist die Einfuhr aus dem verseuchten Lande auf die im sect; 4 genannten Transporte von Schlachtvieh und von bestimmten thierischen Rohproducten beschrankt worden, so darf Nutzvieh (Zucht-, Arbeits-, Milch- oder Jungvieh) aus den nicht verseuchten Gegenden des verseuchten Landes in ein anderes Land nur im Falle des nachgewiesenen dringenden Bedarfes über ein­geholte Bewilligung der betreffenden Landesbehörden, unter den von diesen fest­gestellten Bedingungen eingebracht und mnss bei der Ankunft an seinem Be­stimmungsorte jedenfalls durch zehn Tage unter Beobachtung abgesperrt (contu-macirt) und auf Kosten des Eigenthümers tbierärztlich beobachtet werden.
Erlöschen der Rinderpest in Ortschaften oder Gehöften.
sect; 32. Die Kinderpest ist in einem Gehöfte oder in einer Ortschaft als er­loschen zu erklären, wenn während 20 Tagen nach dem letzten Todesfalle an der Rinderpest oder nach der letzten Tüdtung wegen Erkrankung an der Rinder­pest oder wegen Verdachtes dieser Krankheit kein neuer derartiger Erkrunkungs-l'all vorgekommen und in allen Fällen die Desinlection nach Massgabe der Be­stimmungen der Uiirchführungsverordnung vollzogen worden ist.
Der politischen Bezirksbehörde bleibt vorbehalten, selbst nach vollständiger Desinfection eines Gehöftes oder Ortes und nach Beseitigung der Sperre die Wiederbesctzung der verseucht gewesenen Ställe noch für eine angemessene Zeit zu verbieten.
Weideplätze, welche von pestkrankem oder pestverdächtigem Vieh benutzt worden sind, dürfen erst nach einer weiteren, von der Behörde zu bestimmenden Frist wieder benützt werden.
Massregeln bei Rinderpestfallen aul' Transporten. sect; 33. Wenn die Rinderpest in einer Herde auf einem Schiffs- oder Eisen­bahntransporte, oder auf dem Marsche behördlich constatirt ist, so sind alle Thiere dieser Herde, die kranken sowohl, als die gesunden, so schleunig als möglich zu tödten. Bezüglich der getödteten Thiere und der mit den kranken und verdäch­tigen Thieren beschäftigten Personen haben die Bestimmungen des sect; 21 Anwen­dung zu finden.
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Das auf Rinderpest bezügliche Gesetz Oestei'reichs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;351
Viehmürkte in Schlnchtliäusern. Wird die llinderpest auf einem Sclilachtviehmarkte oder in einem ölTent-licheii Selilftehthause festgestellt, so ist, falls nicht daselbst ausreichende bleibende Vorkehrungen gegen die Verschleppung von Ansteckungsstoffen und deren Ueber-tragung auf andere Triebe getroffen sind, der Abtrieb der daselbst befindlichen Wiederkäuer einzustellen und die Tödtung derselben zu verfügen.
III.nbsp; Abschnitt.
Pest bei Schafen und Ziegen.
sect; 34. In Betreff der Pest bei Schafen oder Ziegen finden jene Massregcln sinngemässc Anwendung, welche rücksichtlich der Rinderpest vorgeschrieben sind.
IV.nbsp; Abschnitt.
sect; 35 bestimmt, dass den Eigenthiimem der gemeine Schätzungswerth als Entschädigung gezahlt werde für die wegen Rinderpest auf staatliche Anordnung getödteten Thiere, sowie für Gegenstände, welche behufs Durchführung der Des-infection auf Anordnung der Seuchencommission vertilgt wurden. Hiervon ist nur der Dünger ausgeschlossen.
Das Recht auf Entschädigung geht verloren:
a)nbsp; wenn dem Eigenthümer der Thiere an der Einschleppung der Rinder­pest ein Verschulden zur Last fallt;
b)nbsp; wenn er die ihm obliegende unverzügliche Anzeige über die Erkrankung der Thiere unterlassen hat;
c)nbsp; wenn unter dem aus Ländern, die nicht zum Geltungsgebiete dieses Gesetzes gehören, oder aus einem Seuchenbezirke eingebrachten Vieh oder in dem Viehstande eines Gehöftes, in welches solches Vieh eingestellt wurde, inner­halb 10 Tage nach dieser Einbrlngnng die Hinderpest ausbricht.
Auch für Rinder, welche in den Seuchenbezirk, wenngleich mit behörd­licher Genehmigung eingebracht worden sind (sect; 27 d) wird keine Entschädigung geleistet, wenn sie, bevor der Seuchenbezirk als solcher aufgelassen worden ist, über amtliche Anordnung der Seuchencommission geheult werden müssen.
Der Erlös für die nach Zulass der Bestimmung des sect; 21 c) und d) ge­wonnenen tbierischen Rohproducte fällt dem Staate anheim, wenn dem Eigen­thümer eine Entschädigung für die getödteten Thiere gebührt; in allen übrigen Fällen geschieht die zulässige Verwerthung auf Gefahr und Rechnung des Eigen-thiimers und entfällt hiefür jeder Ersatzanspruch an den Staat.
sect; 36. Der Ausspruch über die Entschädigung ist nach sect; 40 des Gesetzes vom 29. Februar 1880 (R.G. Bl. Nr. 35) zu fällen,
V.nbsp; Abschnitt.
Der sect; 37 regelt die üestreitung der durch Vorkehrungen gegen die Rinder­pest erwachsenden Kosten aus dem Staatsschätze, aus Landesmitteln, durch die Gemeinden und durch den Eigenthünier.
Letzterem fallen die Kosten für die üesinfection der Höfe und Stallungen zur Last.
VI.nbsp; Abschnitt.
sect;sect; 38 und 39 regelt die Bestimmungen in Betreff der Strafen bei Zuwider­handlungen gegen dieses Gesetz.
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Die Ruhr odor Magenaeuche.
VII. Abschnitt. sect; 40 handelt über die Uebergangsbestimmungen, namentlich in Bezug auf
Wiederkäuer.
Die Bestimmungen der ministeriellen Verordnung vom 12. April 1880; die Rinderpest betreffend, sollen hier, der Raumersparniss halber, nicht reproducirt werden. Aus denselben Rücksichten ist auch das umfangreiche Rinderpestgesetz Oesterreichs klein gedruckt worden.
8. Die Ruhr oder Magenseuche.
Zuweilen kommen acute Magen- und Darm-Catarrhe bei unseren Hausthieren in seuchenartiger Ausbreitung vor und werden nament­lich dann, wenn sie intensiver auftreten und mit mehr oder weniger flüssigen, sehr oft blutigen Darmausleerungen verbunden sind, als Ruhr (oder Magenseuche) bezeichnet. Selbstverständlich ist hier nicht die Rede von jedem beliebigen Durchfalle, der durch verschiedene Ur­sachen bedingt und verschiedenen Krankheiten beigesellt sein kann, sondern es handelt sich hier um eine besondere und in mancher Hin­sicht spezifische Erkrankung, die wir zur Gruppe der Infectionskrank-heiten rechnen.
Die Ruhr war in früheren Zeiten häufiger, als gegenwärtig; an manchen Orten ist sie mit Einführung der Stallfütterung ganz ver­schwunden. In Ländern, in welchen die Thiere grosse Strecken auf dem Landwege zurücklegen und über Nacht auf der Weide verbleiben, kommt auch heute die Krankheit noch häufiger vor, als in solchen Gegenden, in welchen die Thiere im Stalle gehalten und per Eisen­bahn transportirt werden. Auch hat man seit Alters die Erfahrung gemacht, dass unter dem Schlachtvieh, welches in Kriegszeiten den Armeen folgt, oder in belagerten Festungen mit eingeschlossen ist, die Ruhr in grösserer Verbreitung auftritt. In neuerer Zeit war dies nach Zundel (Dictionnaire etc. Paris 1874, S. 600) bei der Belagerung von Beifort im Jahre 1870/71 der Fall, wo eine grosse Anzahl Vieh der Garnison an Ruhr zu Grunde gegangen ist. Dass gerade in solchen Fällen eine Verwechslung mit Rinderpest sehr leicht vorkommen kann, liegt nahe.
Die Ruhr localisirt sich vorzugsweise in den Hinterleibsorganen, namentlich im Dickdarme. Je nach der Verbreitung des Krankhoits-prozesses über einen grösseren oder kleineren Abschnitt des Verdauungs­schlauches erreichen die Krankheitserseheinungen eine verschiedene
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Die Ruhr oder Mageuseiiche; Ersclieiiiuiigcn derselben.
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Hoho. Die eintretoiulen Störungen in der Fresslust sind mit Fiobor-orsclioinungen verbunden (gastrisches Fieber), so class bei vcrminclertom oder gänzlich fohlendem Appetit und Wiederkauen der Durst gesteigert ist. Die Hchleimhaut des Maules ist meist stark geröthet. lioiss, an­fangs trocken, später pappig, mit einer dünnen Scliieiinlage überzogen. Der Mistabsatz pflegt im Anfange der Krankheit verzögert oder unterdrückt zu sein; meist ist der Kodierst fester als normal und mit einem schleimigen Häutchen überzogen, zuweilen ist er gleich von Beginn der offenbaren Erkrankung an weich, selten jedoch ist schon von Anfang an Durchfall vorhanden. Letzterer pflegt sich in der Kegel erst am zweiton oder dritten Tage der Krankheit einzustellen, dann öfter ganz dünnflüssig, wässerig und blutig zu worden. Bei Wiederkäuern tritt in der Kegel Aufblühen, bei Pferden (nicht selten auch bei Hunden) Kolik auf. Der Hinterleib ist gewöhnlich gegen Druck empfindlich; die kranken Tiiiere, namentliol Pferde und Kindvieh, setzen die Hinterfüsse unter den Bauch nach vorn, um jede Spannung der Bauchwände mögliehst zu vermeiden. Nieder­legen und Aufstellen wechseln häufig ab. Der Mastdarm ist geröthet, entzündet, inanclimal exeoriirt. Afterzwang, häufiges Drängen unter Abgang übel riechender Darmgase u. dergl. gehören zu den gewöhn­lichen Erscheinungen der Ruhr. Das Allgemeinbefinden ist auffallend gestört, indem die Thiero entweder sehr traurig, abgestumpft, oder aufgeregt, ängstlich und unruhig sind. Zuweilen ist Gelbfärbung der sichtbaron Schleimhäute vorhanden, was für den gestörten Abfluss der Galle nach dem Darme hin zeugt. In der Volkssprache pflegt man diese Erkrankungsform: „Gallenfieberquot; zu nennen.
Aus vorstehender Darstellung ergibt sich, dass in manchen Fällen die Krankheitserscheinungen bei der Ruhr denen der Kinder­pest so ähnlich sein können, dass eine sichere Diflerentialdiagnose in der ersten Zeit nicht gestellt werden kann. Ebenso verhält es sich mit dem S ection s bef u nd e, der bei der Kuhr einem verschieden-gradig entwickelten Magen - Darmcatarrhe entspricht. Röthung der Schleimhaut des Vordauungscanales, Schwellung und Erweichung der­selben, namentlich in den beiden vorderen Abtheilungen des Dick­darmes, aber auch in den dünnen Gedärmen und in der Pförtnerhälfte des Magens, wobei auch die Peyer'schen Drüsen geschwellt oder areolirt erscheinen, sind gewöhnliche Befunde. Der Darminluilt ist reichlich; er besteht in der Regel aus einem Gemisch von Blut und sonstigen flüssigen Massen; ferner gehören ein schleimiger oder eiteriger Belag der Magen- und Darm-Schleimhaut, seröse Infiltration des sub-Pülz, Lehrbuch dor anstookenddn Tblerkriuikhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2.3
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354 Dlfl Rulir odar Magenseuohe; DUferentioldiagnose und Krankheitserregei',
mucösen Bimligewebes, loiclite Schwellungen der Mesenterialdrüsen, Ekchymosen in der Hcliloiinhaut etc. zu den wesentlichsten Leiclien-erschoinungen, deren In- und Extensität in den einzelnen Fällen nicht unerheblich variirt.
Wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen Rinderpest und Ruhr sind häufig erst durch die weitere Gestaltung des Senchenver-laut'es zu erkennen; dieselben gründen sich vorzugsweise auf folgende Verschiedenheiten beider Seuchen:
Die Rinderpest entwickelt bekanntlich einen im Aligemeinen sehr intensiv wirksamen Ansteckungsstoffj
Die Ruhr hingegen ist nur in geringem Grade, oder gar nicht ansteckend. — In zweifelhaften Fällen könnten somit Impfversuche die Differential-Diagnose fördern.
Die Ruhr ist eine einheimische Krankheit, deren Entwicklung zu schädlichen Witterangs- oder diätetischen Verhältnissen in ursäch­licher Beziehung zu stellen scheint und auf deren Verlauf durch ent-sprechondo Aenderungen in der Diät, durch Bewahrung unserer Hausthiere vor etwaigen schädlichen Witterungseinttüssen etc. ändernd, resp. vorbauend und heilend eingewirkt werden kann.
Die Rinderpest ist hingegen eine fremde Seuche, die bei uns nur durch Einschleppung ihres Ansteckungsstofies entsteht und auf deren Verlauf Witterungs- und diätetische Verhältnisse nur einen untergeordneten Eiufluss auszuüben vermögen. Bei der Rinderpest kann die Infection in der Mehrzahl der Fälle leicht und sicher nach­gewiesen werden. Sie erscheint nur selten an einem einzelnen Orte des westlichen Europa's, sondern den Verkehrs- und Handelswegen folgend, an verschiedenen, vom Infectionsherde gewöhnlich radiär ge­legenen Punkten. — Ob der Ruhr ein bestimmter spezifischer Krank­heitserreger zukommt, ist zur Zeit noch unentschieden. Dies ist je­doch wahrscheinlich der Fall bei eigentlicher epizootischer, resp. en-zootischor Ruhr. Im Allgemeinen pflegt die Krankheit qu. vorzugs­weise im Frühjahre und im Herbste, besonders mit Beginn des Weideganges aufzutreten. Man hat dann häufig gewissen Gräsern, oder einem zu schroffen Wechsel des Futters und der Witterung, die Schuld an dem Auftreten des Uebels beigemessen; namentlich sind aber uueh Befallungspilzo, oder sonstige nachtheilige Veränderungen des Futters, Nebel, feuchte Kälte n. dergl. als Ursachen der Ruhr beschuldigt worden.
Wie in mancher anderen Hinsicht, so hat auch in ursächlicher Beziehung die Ruhr dos Menschen und unserer Hausthiere eine ge-
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Die Ursachen der Ruhr des Alensclieu und der Ihiastlik-re.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 355
wisse Äebnliohkeit miteinander, Untor Menschen und Thiaran herrscht diese Krankheit häufig in Gegenden, in welchen ihnen Btaguirendes und seldammigos Wasser als Getränk dient, besonders wenn dies Zer-fallsproduote von organischen Körpern enthält. Das Krankheitsgift scheint aber auch durch die Respirationsorgane aufgenommen, zur Wirksamkeit gelangen zu können; wenigstens sieht man die Ruhr in der Nähe von Schlachtt'eldern, zuweilen auch von schlecht gehaltenen Abdeckereien bei Mensehen und Thieren auftreten, oime dass eine schleehte Beschaffenheit der Nahrungsmittel nachgewiesen werden kann. Auch nimmt man an, dass der Ansteckungsstoff' der Ruhr bei Menschen und Thieren, wie bei Cholera und Typhus etc., im Aligo-meinen keine grosse Rolle spiele und vorzugsweise an die Darmaus-loerungen gebunden sei. So sagt iSeitz (SSpez. Pathol. und Therapie von Niemeyer, Berlin 1879, S. 758): „Neben der miasmatischen Ent­stehungsweise kommt der epidemischen Ruhr indessen auch eine, ob­wohl nicht immer deutlich hervortretende, nur bedingungsweise vor­handene Ansteckungsfälligkeit zu. Es ist nicht ganz selten beobachtet worden, dass in Sälen, in welchen sich ein Ruhrkranker befand, sonstige Patienten und zuweilen grade diejenigen, welche dem Ruhrkranken zunächst gebettet waren, gleichfalls von Dysenterie ergriffen wurden; doch scheint es wahrscheinlich, dass hei der Ruhr, ähnlich wie bei Cholera und Typhus, die Ansteckung weniger vom kranken Mensehen selbst, als von dessen Abgängen, oder von Naehttöpfen, Stechbecken, Sehwämmen, Clystierspritzen, Bettüberzügen etc., weiche mit diesen verunreinigt sind, ausgehe.quot; Aehnlich äussert sich Zundel (1. c. S. G02) über die Ruhr der Thiere, indem er etwa Folgendes sagt: „Man hat mehrfach behauptet, die Ruhr sei ansteckend; so z. B, Faulet, Vitet, Grognier, Hurard p^re; heute wird das im Allgemeinen verneint. Es ist sicher (nach Gelllaquo;5), dass niemals ein Thier durch blosse Berührung des Körpers eines mit Ruhr behafteten Individuums inficirt worden ist. Wohl aber kommt eine Ansteckung auf miasmatischem Wege zu Stande; die Emanationen der Excremento können (nach Hering) auf kurze Entfernung die Krankheit mittheilen, ohne Zweifel zufolge der Mikrokokken, welche sie einschliessen. Es steht fest, dass Thiere an Ruhr dadurch erkranken können, dass sie au Orten und besonders in Stallungen untergebracht werden, wo diese Krankheit herrseht (Reynal, Spinola, Rychner). Es ist anzunehmen, dass die Mikrokokken, welche den Excrementen beigemengt sind, wenn sie auf einen günsti­gen Boden fallen, ihrerseits in Pilze auswaehsen, welche sich schnell vermehren und neue Sporen erzeugen.quot;
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356 Verlauf, Vorhersage und Behandlung' der Rulir unserer Ratfsthiere,
Der Verlauf dos Magou-Danncaturrhs ist in deu einzel­nen Fiillou von Ruhr sehr veraohieden.. Bald tritt unter Abnahme der Krankheitsersoheinungen Genesung ein, was in jedem Stadium der Krankheit möglich, bei leichterer Erkrankung indess liäufiger ist, als bei schwerer. Bald steigern sich die Fielieierseiieiiuiiigcii, die Ab-Btmnpfung und HinMligkeit; bei grösserer Verbreitung der Entzündung des Dickdarmes treten hlittige DurchMle ein, die Kranken magern sclmell und stark ab und sterben dann öfter 4 bis 7 Tage nach ihrer Erkrankung. Tritt ans einem iortgeschrilteueren Stadium der Krank­heit noch Genesung ein, so erfordert diese in der Kegel lange Zeit. — rs'icht selten wird der bis zu einem gewissen Grade entwickelte Magen-Darmcatarrh chronisch, und hat dann nicht selten andauernde Ernährungs- und Verdauungsstörungen zur Folge.
Die Vorhersage ist bei massigem Grade der Krankheit im Allgemeinen günstig; sobald indoss schwerere (sog. typhöse) Zufälle sich ausgebildet haben, ist dieselbe sehr zweifelhaft.
Chronische Magen-Darmcatarrhe, auch wenn dieselben ohne Fieber fortbestehen, sind bei unseren llausthioren, nainentlicb den m'össeren, sehr schwer heilbar und widerstehen nicht selten jeder medicinischen und diätetischen Behandlung. Gelingt es, dieselben zu stillen, so ist die Heilung meist nur von kurzer Dauer, indem sehr leicht. Rück fälle eintreten.
Die Therapie hat zunächst die diätetischen Momente streng ins Auge zu fassen: Jede Gelegenheit zu Erkaltungen, so wie Diät­fehler sind sorgfältigst zu meiden. Es darf den Patienten nur leicht verdauliches Futter, und zwar nur in geringen Quantitäten auf ein­mal, verabreicht werden. Hierauf ist natürlich um so strenger zu achten, je weniger die Fresslust daniederliegt, da bei völligem Verlust derselben nur die Getränkaufnahme entsprechend zu regeln ist. Leicht angewärmtes Wasser, oder schleimige Flüssigkeiten in kleinen Zwischen­zeiten und Gaben verabreicht, sind am meisten zu empfehlen. Wo es thimlich ist, unterlasse man nicht, die ruhrkranken Thiere so bald als inoglieh von den gesunden Thieren zu entfernen und in einem be­sonderen , gut eingerichteten Stalle unterzubringen. Wenn die Ruhr unter Weidevieh eine grössero Verbreitung zu gewinnen droht, so müssen auch die noch gesunden Thiere eingestallt und entsprechend verpflegt werden. Ist dies nicht ausführbar, so suche man die betr. Morde wenigstens auf einer günstiger beschaffenen Weide unterzu­bringen.
Die arzneiliche Kur richtet sich nach dem Stadium der Krank-
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Die Hciiaiidlimg dor Ruhr imsi'vor lliiustliicic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;,(,quot;')7
heit, so wie nach der Thicrart, wulcliem Patient angehört. Hei Fleischfressern und Schweinen ist im Anfange der Krankheit manch­mal ein Brechmittel indicirt, namentlich wenn Brechneigung, oder wirkliches Erbrechen vorhanden ist und Ueberladting des Verdauungs­apparates, resp, dor Q-enuss schwer verdaulicher Futtermittel oder unverdaulicher Stoffe als Ursache dos Leidens mitgewirkt hat. Bei arideren Thiergattnngen empfiehlt sich gegen solche Cruditiiten im Verdanungsrohre der vorsichtige Gebrauch von milden Abfilhrungs-mitteln, und zwar nicht nur im ersten Stadium der Krankheit bei etwa vorhandener Obstruction, sondern auch dann noch, wenn bereits Durchfall eingetreten ist. Bei Pferden ist hier das Calomel am Platze; bei Wiederkäuern ist dem Glaubersalz oder Bittersalz der Vorzug zu gehen. Bei Fleischfressern und Schweinen bedient man sieh am besten des Kicinusöls ; dasselbe wird entweder ohne vorausgegangenes Brech­mittel, oder nach diesem angewendet, wenn einige Tage nach dem Erbrechen keine wesentliche Besserung sich zeigt. Warmhalten des Bauches, so wie leicht erregende Einreibungen in die Bauchdeckeu verdienen als Unterstützungsmittel empfohlen zu werden. Bei sehr gutem Ernährungszustände und hochgradigem Fieber kann auch ein massiger Aderlass gemacht werden. 1st der Darmcaual und Magen von unverdaulieben Substanzen befreit, ohne dass die Erscheinungen der Ruhr abgenommen, resp. sich verloren haben, so sind schleimige Clysticre angezeigt; innerlich können angewendet werden: Nux vomica, Tannin, Alaun, Bleizucker, Höllenstein, bittere Mittel etc. Tritt, Besse­rung ein, so beobachte man während der Reeonvaleseenz und noch einige Zeit nach der Genesung auf das strengste das angegebene diätetische Regime; man kehre mit aller Vorsieht erst nach und nach zur gewöhnlichen Fütterung zurück, weil sonst leicht Recidive, oder hartnäckige, selbst unheilbare Durchfälle sieb einstellen.
Znndel hält ungesäuertes und schleimiges Getränke eben so wenig für nützlich, als narkotische Mittel. Derselbe vorspricht sieh bessere Erfolge von Adstringcntien; er glaubt, dass der rechtzeitige Gebrauch der Tormentillwurzol, oder der Eichenrinde, des Catechu, des Bleizuckers, Kalkes, Eisenvitriols u. dergl. häufig Heilung be­wirken werden. Am zweokmüssigsten aber erscheint Zundel die inner­liche Anwendung der Phenylsäure, weil diese mit ihrer adstringirenden Wirkung die antiparasitäre verbindet, was er im vorliegenden Falle für sehr wichtig hält. Er empfiehlt täglich .'?mal, jedesmal B Gramm Carbolsäure in einem Liter Camillenthee für ein erwachsenes Rind zu verabreichen, und in solchen Fällen, wo man in Folge dessen Ver-
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358 Die Kopfkrankheit oder das bösartige Catarrhalfleber des Rindes. '
dauungsstörungen Lefürelite, abwechselnd 25 Gramm Salzsäure mit Spiritus in einer Abkoobuug von Enzianwurzeljmlver zu geben. Auch in der Mcnscliunhoilkunde ist in neuerer Zeit (von Amelung) die Car-bolsäure gegen Ruhr und zwar in folgender Form empfohlen worden: Carbülsäure 1,0, rectificirter Weingeist 15 Tropfen, Opiumtinetur 20 Tropfen, destillirtos Wasser 150,0, Schleim von Gummi arabicum und Syrup. Diaoon. von jedem 25,0. Dreistündlich! Ksslötfcl voll zu geben. Statt adstringirender Olystiere empfiehlt Zundel zu diesem Zwecke das überniangansiuire Kali, weil es dcsinlicircnd wirkt und weil bei seiuetu Gebrauche keine besonderen Rücksichten zu nehmen sind.
9. Die Kopfkrankheit oder das bösartige Catarrhallieber des Rindes,
Diese Krankheit kommt iu manchen Gegenden, oder in gewissen Ortschaften und Stallungen häufiger, zuweilen sogar enzootisch vor, während sie in anderen Gegenden selten ist und höchstens gelegent­lieh in vereinzelten Füllen erscheint. Ihr Verlauf variirt etwas, so dass man daraus Veranlassung genommen hat, zwei verschiedengradig bösartige Formen der Eopfkrankheit des Rindes zu unterscheiden, welche folgende Erscheinungen bieten:
a) Die weniger bösartige Form ist im Allgemeinen gekenn­zeichnet durch einen Catarrh der Augenlidbindehaut und der Luft­wege, durch Eingenommenheit des Kopfes, vermehrte Wärme des­selben, besonders seiner Stirn- und Scbädelportion, durch verminderte Fresslust, träges Wiederkauen und verzögerte Kothentlecrung, sowie nicht selten durch Steifigkeit, resp, Schwäche des Kreuzes und der Hintergliedmassen.
Die Entzündung der Augenlidbindehaut breitet sich in der Regel über die vordere Fläche des Augapfels aus, so class ausnahmslos eine mehr oder weniger ausgebreitete und deutlich auffallende Trübung der durchsichtigen Hornhaut entsteht; auch die inneren Theile des Auges werden nicht selten in Mitleidenschaft gezogen. Die Augen­lider sind meist geschlossen, zwischen denselben tliessen im inneren Augenwinkel zahlreiche Thränen ab.
Diese Krankheitsform geht häufig in Genesung über, indem im Verlaufe von 3 bis 5 Wochen Naturheilung zu erfolgen pflegt, so dass die Behandlung auf eine entsprechende Regelung der diätetischen Verhältnisse sich beschränken kann. Die Patienten kommen während
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Die Kopfkrankheit des Kindes; Ersoheinnngen derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;359
dieser Zeit in ihrem Evniilinmgszustando stets sehr lieruiitor und bleiben aueli in der Folge meist nocli längere Zeit in ihrem Wohl­befinden und in ihrer Entwicklung gestört.
b) Die bösartigere Form wird durch Hinzutreten versdiiedencr Complioationen zu der vorigen bedingt. Das Leiden bleibt nicht auf die Ecspirationsseblemilmut beschränkt, sondern greift auch auf die Schleimhäute des Verdauungs-, Harn- und Geschlechts-Apparates über. Die oatarrhalischen Affeotionen treten bald hier, bald dort stärker hervor und führen am Zahnfleische zuweilen Erosionen herbei, wie diese bei der Rinderpest so häufig heobaehtot werden. Auch auf der Öchleira-baut des Genitalcanales können ähnliche Erscheinungen auftreten.
Bei ausgebreiteterein Ergriffensein der Schleimhäute der Kopf-bühlen wird der ganze Kopf vermehrt warm; am auffallendsten zeigt sieh dies in der Hegel am Grunde der Hörner; manchmal schwillt der Angesicbtstbeil des Kopfes mehr oder weniger deutlich an.
Die Abstumpfung der Patienten ist bei dieser Krankheitsform grosser als bei der vorigen; der Kopf wird meist aufgestützt, Orts-bowegungen verursachen den l'atienten Schmerzen, sogar das Stehen wird denselben sauer, weshalb sie viel liegen; alsbald stellt sich eine auffallende Schwäche des Hintertheiles ein. Der Catarrh der Nasen-und Augenlid-Schleimhaut ist profuser, die Respiration beschleunigt und erschwert, nicht selten mit Schleimrasscln verbunden. Auf der Nasenschleimhaut kommt es öfter zur G-esohwürsbildung; der Nasen­spiegel ist bald feucht, bald trocken und rissig; Fresslust und Wieder­kauen sind versehwunden, der Durst meist nicht vermehrt. Der Koth ist anfangs in der Regel trocken und dunkel gefärbt, der Urin saturirt, zuweilen blutig-roth. Die glanzlosen Haare der spröden (bretartigen) Haut sträuben sich, die Patienten magern schnell ab.
Rei tödtlicbem Ausgange nehmen die Ausscheidungen, nament­lich auch der Nasenausfluss, in Bezug auf Farbe, Geruch und Con-sistenz eine üble Beschaffenheit an; es tritt Durchfall ein, der die Kräfte des Thiores schnell noch mehr erschöpft; die Patienten sind entweder sehr erregbar, oder .abgestumpft; der Puls wird immer schwächer, der Herzschlag pochend, bis schliesslich das Leben erlischt.
Bei dor Section findet man die Schleimhäute der Kopfhöhlen in verschiedenem Grade und Umfange entzündet; in der Regel ist die Auskleidimg der Nasen- und Rachenhöhlo, des Kehlkopfes und der Luftröhre am stärksten afficirt und mit Auflagerungen, Blutunter-laufungen, oder Geschwüren besetzt. Das Zahnfleisch ist aufgelockert, livid gefärbt, in der Umgebung der Zähne mehr oder weniger auf-
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360 Die Koprkrnnklicit des Rindes; Seotlonsbefand, Wesen u. Ursache derselbea.
fallend geschwürig; auch an anderen Partien der ilaulschleimhaut finden sieh öfter Defecte.
Je nach den vorhanden gewesenen Complicationen erscheinen die Brust- oder Bauch-Eingeweide verändert. Häufig findet man die Luf'trührenäste mit grau oder rötlilich gofäibtem Schleime belegt, die Lungen in verschiedenem Grade und Umfange entzündet. Auch die Bauch - Eingeweide werden öfter verändert angetroffen. Leber und Milz sind häutig mit Blut überfüllt; an ersterer finden sich zuweilen Eilt-zündungserscheinungen. Auch im Bereiche des Magens und Darm-canalcs; so wie der Harn- und Geschlechtsorgane werden gelegentlich Entzündungserscheinungen angetroffen. Das Blut zeigt in der Regel eine wässerige Beschaffenheit. Die Gefässo des Gehirns sind meist stark mit Blut überfüllt, in den Hirnhäuten zuweilen kleine Blutaus-tretungeu vorhanden. Die Substanz des Gehirns und des Rückenmarkes bietet im Uebrigen in der Regel keine makroskopisch wahrnehmbaren Veränderungen. Die Augenlidbindehaut, so wie die inneren Tlieile des Auges sind entzündet u. s. w.
Zundel fand in einigen Fällen in den Bronchiaklrüsen, so wie in den Lungen und in den Hirnhäuten Tuberkel, weshalb er geneigt ist, die Krankheit für eine Form der Tuberculose (Meningitis tuher-enlosa sou granulosa) zu halten. Oreste (Gazetta .Medicu-Veteriimria, Milano 1873) identificirt das bösartige Catarrhalfieber mit der Diph-theritis; die Befunde Zundel'e in den Hirnhäuten hält er für zu­fällige u. s. w.
Bis jetzt herrscht über das Wesen und die eigentliche Ursache fraglicher Krankheit noch ein recht bedauerliches Dunkel; auch ist die Frage noch nicht entschieden, ob dies Leiden ansteckend ist, oder nicht. Vereinzelte Erkrankungen sind keine Seltenheit, selbst nicht in grösseren Viehbeständen; in diesen kommen aber auch manchmal mehrere Erkrankungen kurz nach einander vor und zuweilen sogar in solcher Anzahl, dass die Krankheit den Character einer Ortsseuche annimmt, Als Ursache wird meist Erkältung beschuldigt; dies ist wohl deshalb der Fall, weil die Kopfkrankheit des Rindes in Gebirgs­gegenden mit schroffem Temperaturwcchsel am häufigsten beobachtet wird. Sie fohlt aber auch in Ebenen nicht. Hier in Halle a/S. und im Saalkreise habe ich sie im Flachlande verschiedenemal zu sehen Gelegenheit gehabt, allerdings nur in vereinzelten Fällen, so dass in grösseren Viehbeständen je nur eine Erkrankung vorkam. Seit neuerer Zeit wird das bösartige Catarrhalfieber ziemlich allgemein für eine Infectiouskrankheit gehalten und der Krankheitserreger in Mikro-
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Die Kopfkrankheit des Rindes; Wesen und Ursnehc derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gfll
organisinen gesucht, über deren Natur indesraquo; bis jetzt noch wenig Zuverlässiges testgestellt worden ist. Bereits bat Spinola diese Krank­heit zu Pilzbildungen in ursächliche Beziehung gebracht, indem er (Aiumlen der Laiulwirthsehat't 1870 „Ueber scliiidliche Wirkung pflanz­licher Parasiten auf die Gesundheit der Thiere8) angibt, dass Streu­stroh, welches mit Bostfleokeu und sonst mit Filzen besetzt war, in einer Rinderherde eine diphtheritische Schleiinhautentzündung (bös­artiges Oatarrhaltieber) verursaeht habe. — Auch Haubner stellt das bösartige Catarrhaifieber des Rindes (nebst dem brandigen Nasen-catarrh „Kopfkrankbeit des Pferdes8) zu den diphtheritisohen Krank-heitsprozessen. — Kreistbierarzt Naozynski, der nach einer Mittbeiluug (Tbierai'zt 1871, S. 208) mit mikroskopischen Untersuchungen des Blutes etc. kranker resp, gestorbener Thiere (und Menschen) sieh viel beschäftigt zu haben scheint, will bei (Rotz, Lungenseuche, Influenza, Pnerperalis, Pocken, Lues, Keuchhusten der Kinder, Strahlkrebs, Strahlfäule, Mauke, Sohlämpeausschlag, Traberkrankheit, Füllenlähme, Starrkrampf, Rinderpest und) bösartigem Catarrhalfieber im Blute der betreffenden Thiere Mikrokokken gefunden und aus diesen PilzsohlSnche gezüchtet haben. Damit ist indess in keiner Weise der Nachweis geliefert, dass die bezüglichen Mikrokokken zum bösartigen Catarrhal­fieber in ursächlicher Beziehung stehen. — Da der eigentliche Krank­heitserreger des bösartigen Catarrhalfiebers des Kindes meines Wissens bis jetzt noch von Niemanden nachgewiesen worden ist, so unterlasse ich es, noch weitere Citato aus der einschlägigen Literatur hier an­zuführen.
Ob die sogenannte Kopfkrankheit, resp. das bösartige Catarrhal­fieber des Rindes und Pferdes, wesentlich identische Krankhoitszustände sind, erscheint mir keineswegs genügend festgestellt zu sein. Bei Besprechung der Diphtherie werden wir hierauf nochmals zurück kommen.
Die Kopfkrankheit des Rindes kommt am häufigsten im Früh­jahre vor, seltener im Herbst. Eine Verwechslung derselben mit Rinderpest ist am ehesten dann möglieh, wenn deutliche Trübungen der Cornea fehlen und oberflächlicher Zerfall des Sehleimhautepithels am Zahnfleische und im Genitaleanale vorhanden ist. Die Differential-diagnose bleibt namentlich dann nicht selten längere Zeit unsicher, wenn die Kopfkrankheit seuchenartig auftritt. Aber auch in diesem Falle wird der aufmerksame Sachverständige nicht allzu lange im Unklaren bleiben, da bei verschiedenen Patienten Krankheitsbilder sich zeigen werden, welche über die Natur des Leidens gewöhnlich
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3tgt;2 Dk KopfkrankUelt des Rindes; Vorliersage und Behandlung derselben,
mehr Licht verbreiten, Auch verdient der Umstand Beachtung, dass die Kopfkrankheit vorzugsweise jung-c Tbiere bis zu (i Jahren befällt, während die Binderpest in dieser Beziehung keinen Uutersoliied zu machen pflegt.
laquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Vorhersage ist beim bösartigen Catarrhalfieber des Kindes
unsicher; die Mehrzahl der erkrankten Thiere geht zu Grunde. Wo Genesung eintritt, pflegt dieselbe lange Zeit zu erfordern; es dauert in der Kegel mehrere Wochen, ja oft mehrere Monate, bis die volle Gesundheit wiederkehrt. Das Sehvermögen bleiht nicht selten in mehr oder weniger beträchtlichem Maasse noch längere Zeit, oft Monate lang, zuweilen sogar für immer gestört. Je schwerer die Coinpli-cationen sind, um so vorsichtiger wird man bei der Vorhersage alle Einzelnheiten zu berücksichtigen haben.
Hei der Behandlung derartiger Patienten spielt ein geeignetes diätetisches Verhalten eine Hauptrolle. Unterbringung derselben in einem trocknen, luftigen, nicht zu warmen, aber auch nicht zu kalten Stalle, Darreichung leicht erwärmter Tränke, die aus Wasser mit massigen Gaben Brechweinstein, oder auch aus Mehlwasser bestehen können, kleine Portionen tadellosen Wiesenheues sind zu empfehlen. Auch können mit der nöthigen Vorsicht Dunstbäder applioirt werden. Bei Athemhesehwerdeu muss man namentlich darüber wachen, class beim Gebrauche jener mit den aufsteigenden Wasserdämpfen den Kespirationswegen gleichzeitig die erforderliehe Menge atmosphärischer Luft zugeführt wird, damit die Patienten nicht etwa ersticken.
Zum innerlichen Gebrauche sind die verschiedensten Arznei­mitted gegen das bösartige Catarrhalfieber des Kindes empfohlen worden, so z. B. .Salmiak, Brechweinstein, Salpetersäure, Salzsäure, bittere, aromatische und bitter#9632; aromatische Mittel, Chinarinde und dergl, mehr, Auch fehlt es nicht an Berichten, in welchen eine streng antiphlogistische Behandlung (einschliesslich des Aderlasses) gerühmt und die innerliche Anwendung des Salpeters mit Kampher besonders empfohlen wird. Ferner sind Einwickinngen in nasse ausgerungene Tücher mit scheinbarem oder wirklichem Nutzen angewendet worden. Ob aber irgend eins dieser Mittel in der That an den ihm zuge­schriebenen Erfolgen einen unbestreitbaren Antheil hat, erscheint mir mindestens sehr fraglich. Jedenfalls ist die günstige Wirkung aller genannter Mittel in weitaus den meisten Fällen nicht wahrgenommen worden.
In den letzten Jahren; wo die Carbolsäure gewissermassen als Panacee gegen allelnfeetionskrankheiten angepriesen worden ist, hat
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Die Eotzkrankheltnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;{(i,'i
es auch an Empfehlnngen derselben gegen die Kopfkrankheil des Rindes nicht gefehlt, Nachdem Schmelz von den bis dabin gerühmten Methoden in den meisten Fällen im Stiche gelassen worden war, ver­suchte er (wie andere Praetiker) die Carbolsiiure. Er gab dicsolbe in gleichen Tbeilen Spiritus gelöst zu 5 Grra. in einer Flasche Wassers, alle 4 Stunden eine solche Gabe; gleichzeitig entwickelte er im Stalle schwache Theordämpfe. Der Erfolg war angeblich ein sehr günstiger.
Obgleich auch andere Berichterstatter das Mittel rühmen, so zweifle ich doch, dass dieser Ruhm von langer Dauer sein wird. Ich befürchte, dass die auf dasselbe gesetzten Erwartungen sich eben so wenig verwirklichen werden, als dies bei anderen Tni'ectionskrank-heiten der Fall gewesen ist.
10, Die Rotzkranklieit.
Die Rotzkrankheit ist eine ansteckende, in der Regel unheil­bare Krankheit, welche vorzugsweise häutig unter den Einhufern auftritt, aber keineswegs diesen allein eigenthümlich ist, wie früher vielfach geglaubt und behauptet wurde, sondern auf verschiedene andere Thiergattungen, so wie auf den Mensehen übertragen werden kann. Die klinischen Erscheinungen dieser Krankheit können mannigfach verschieden sich gestalten, so dass dadurch mehrere, äusserlich ein­ander nur wenig ähnliche Formen entstehen, welche indess ihrem eigentlichen Wesen nach nichts desto weniger gleich sind, insofern der Ansteckungsstoff der einzelnen Formen in seinen Wirkungen derselbe ist, und je nach Umständen, bald diese, bald jene Rotzform erzeugt. Eine wesentliche Verschiedenheit der Form wird nament­lich durch die verschiedene Localisation der Rotzprozesse bedingt. Dieselben haben nämlich zwei Prädilectionsstellen, die Respirations-Organe und die äusserc Haut, incl. das Unterhaut - Bindegewebe. Indess werden bei rotzigen Thieren zuweilen auch in anderen Körper-tbeilen (Leber, Milz, Hoden, Nieren etc.) pathologische Veränderungen angetroffen.
Die am längsten gekannten Rotzformen sind (nach der heutigen Nomcnclatur bezeichnet): „der Nasenrotzquot; und „der subeutane Rotzquot;; letzterer wurde früher „Wurmquot;, jener schlechtweg „Rotzquot; genannt. In neuerer Zeit hat man noch 2 andere Formen kennen gelernt, deren Diagnose häufig grosso Schwierigkeiten bietet; es sind dies:
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Die linlzkrauklu'it; Alter, Wesen und CoiitagiosiUU derselben.
„der innere odor Lttngen-Rotz8 und Bder cutanc, oder exanthetuatisoho oder Haut-Rotzquot;.
Die Frage naeli dem Alter der Rotzkrankheit lüsst sicli nur daliin beantworten, dass dieselbe bereits v. dir. Geburt von llippo-krates (400—877) und von Aristoteles (384—322), so wie im 4. Jahr­hundert u. Chr. von Apsyrtns, der Rossarzt im Heere Constantiu's des Grossen war, angeführt wird. Letzterer beschreibt den suboutanen Rotz oder Wurm unter der Bezeichnung „Elephantiasis0, den Rotz der vorderen Respirationsorgane (Nasenrotz) unter den Namen ^fiä'/.Ki und malleus*. Im 5. Jahrhundert erwähnt Vegetius beide Rotzformen in ähnlicher Weise.
Im Jahre 1082 suchte van Helmont zu beweisen, dass die Rotz­krankheit der Pferde mit der Syphilis des Mensehen wesentlich gleich sei, und dass diese wahrscheinlich von jener herkomme. Diese Vor­stellung beruht nach Virchow auf der irrigen Annahme, dass die Rotzkrankheit gegen Ende des 15. Jahrhunderts (bei der Belagerung von Neapel), gleichzeitig mit der Syphilis, zuerst aufgetreten sei. Kotz und Syphilis sind aber keineswegs identische, sondern wesentlich verschiedene Kvaiiklieitszustänile, ebenso wie die Perlsucht des Rindes und die Syphilis identitieirt worden, aber wesentlich verschieden sind.
Die Contagiosität der Kotzkrankheit wurde lange Zeit hindurch, namentlich in Frankreich, sogar noch bis gegen die Mitte dieses Jahr­hunderts, bestritten. Die Thierarzneischule in Alfort, an ihrer Spitze Bourgelat und Chabert, stand auf Seiten der Anticontagionisten, während die Thierarzneischule in Lyon für die Lehre der Contagio­sität der Rotzkrankheit eintrat. Obgleich diese im Jahre 1797 durch exaetc Versuche an der Thierarzneischule in Kopenhagen (Viborg's) direct nachgewiesen, so wie durch Gebier und Huzard im Anlange dieses Jahrhunderts bestätigt worden war, so dauerte der Streit in Frankreich dennoch fort, bis um die 50er Jahre Barthelemy und St. Cyr (Professor in Lyon) es gelang, über die Contagiosität der Rotzkrankheit auch unter ihren französischen Collegen überall richtige Ansichten zu verbreiten und damit die enormen Verluste, welche Frankreich bis dahin durch die Rotzkrankheit erlitten hatte, bedeutend zu mindern. (Ein ähnlicher Streit wurde noch bis in die 40er Jahre in Deutsehland über die Ansteckungsfälligkeit der Lnngonseuche und heute noch über die Impfbarkeit dieser Krankheit geführt.) Wie gross die Verlnsto Frankreichs durch jenen Irrtluim gewesen sein mögen, läset sich nach den Aufzeichnungen über die Einbussen, welche all­jährlich der französischen Armee durch die Kotzkrankheit, bis zur
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Die Rotzkranlcheit; Contagiosltftt, Wesen imd Draaohe derselbe!
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Anerkennung ihrer Contagioaitttt erwachsen waren, nur anuttbernd taxiren; jedenfalls zählen dieselben nach vielen Millionen Frs. Auch auf einen anderen heute noch nicht ganz beseitigten Irrthum muss hier aufnierksam gemacht werden. Bi.s vor wenigen .Jahren glaubte man noch ziemlich allgemein, dass der Kotz in so fern keine spezifische Krankheit sei, als derselbe aus verschiedenen dyskrasiseben und lymphatischen KrankbeitszustKnden sieh entwickeln könne. Nament­lich wurden Druse und Kotz häufig in genetischen Zusammenhang gebracht. Ohne auf diesen Punkt jetzt bereits näher einzutreten, .sei vorläufig nur bemerkt, dass beide Krankheitszustände auf wesentlich verschiedenen Prozessen beruhen und, wenigstens der J^egcl nach, in keinem cansalen oder genetischen Zusammenhange stoben. Die Ver­wechslung oder Identificirung derselben mit einander rührt wohl vor­zugsweise, wenn nicht lediglich daher, dass der Nasenrotz und die Druse in den nämlichen Geweben sich localisiren und gewisse äussere Krankheitserscheinungen gemeinsam haben, so dass für eine unbe­stimmte Zeit eine sichere Differential - Diagnose schwierig oder un­möglich sein kann.
Die Ansichten über die Natur und das . Wesen der Rotzkrank­heit haben mehrfach gewechselt. Bald glaubte man, dieselbe beruhe auf einer lymphatischen oder anderweitigen Dyskrasie, bald hielt man sie für eine Tuberoulose, ähnlich der Tuberculose des Menschen, bald für eine Scrophulose etc. etc.
Erst in neuerer Zeit wurde eine richtigere Erkenntniss durch Virchow angebahnt, indem derselbe zuerst darauf hinwies, dass die dorn Kotze eigenthümlichen „Rotz- und Wurm-Knoten* aus einer zelligen Wucherung hervorgehen, welche „Rotztuberkel* genannt werden.
Uie elgentllcbe primäre Ursache dieser pathologischen Bildungen wird go-gcnwih'tig ziemlich allgemein in einem pflanzlichen Mikroorganismus gesucht und demgemäss die RotzUrimklioii zu den [nfectionskrankheiten gestellt, Jliillcr (in Wien), Zürn, Hallier, lliiidllciscli u. Andere haben im Blute, in den Lymphdrüsen^ in den Ausscheidungen der Rotzgeschwüre u. s. w. Mikroorganismen nachge­wiesen, llidlier hat den ihm von Zürn ttbergebenen Mikrococcas gezüchtet und einen Pilz erzielt, welcher von dem Syphiliskeime angeblich nicht nnterscheidbar ist. Zürn hat diesen pllanzliehen Parasiten unter dem Namen „Conlothecium syphilitloumquot; in der Zeltschrift „Floraquot; Regensburg 1808, abgebildet und genauer beschrieben, Dass aber Rotz und Syphilis nicht identisch sind , wurde bereits erwähnt. — Chauveau lial indess nachgewiesen, dass von rotzigen Thleren stam-mende Flüssigkeiten ihre Inl'eotiosiüit. verlieren, wenn die in denselben enthaltenen Mikrokokken aus denselben entfernt werden. Es scheint demnach, dass letztere in Wirklichkeii den eigentlichen raquo;Rotzkeimquot; bilden.
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ßOi;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Rotzkrankheit; Pathologlsoh-Ancttomisohes.
Dio eigentliche Kotzkrankheit hobt stets mit in Retle stehenden Neubildungen an und zwar ist die Sehleiiuhaut dos llespirations-apparates, das suboutane Bimlegewobe und die äussere Haut der ge-wöhnlieiie Sitz der Kotzuoubildungen. Zuweilen treten dieselben auch wohl im Bindegewebe an anderen Orten, und in zweiter Linie in dem Lymphgefässsystenu) auf. — Am häutigsten wird das Lungengewebo, die Sohleimhaut der Nasensoheidewand, demnach die der Nasen-mnseheln und der Kieferhöhlen, dann das subeutaue Bindegewebe be­fallen, au welches letztere sich das Hautgewebe anreiht. — Eine bis jezt noch völlig dunkle Eigeutlüimliehkeit der Rotzprozesse besteht darin, dass dieselben in weitaus der grossen Mehrzahl der Erkrankungen nur in einer Körperhälfte — und zwar etwas häufiger der linken, als der rechten — beobachtet werden.
Die looalen Prozesse der Rotzneubildung heben damit an, dass an der betreffenden Stelle kleine Knötchen sieh bilden. Obgleich die zum Aufbau dieser Knötchen verwendeten Spindel- und Rundzellen in ihrer Form nichts Besonderes zeigen, letztere vielmehr den Granu-lationszollen und den Eiterkörperchen gleich erscheinen, so bilden sie doch die eigentliche Grundlage der Rotzneubildung und werden des­halb „llotzzellenquot; genannt. Dieselben können ebensowohl aus Epithel­elementen als aus Bindegewebskörperchen sieh entwickeln.
Die Rotzneubildungen sind von sehr verschiedener Lebensdauer. Rotzzellen mit flüssiger Intercellularsubstanz wachsen nicht, indem sie alsbald einschrumpfen und zerfallen. Rotzzellen mit biiulego-webiger Intercellularsubstanz werden dagegen grosser und älter, und zwar ist ihre Lebensdauer eine um so grössere, je sparsamer sie im Bindegewebe ausgestreut liegen.
Die rüekscbreitende Metamorphose beginnt mit dem Auftreten von kleinen Fettkörnehen im Kerne und später auch ausserhalb des­selben ; sie fllhrt schliesslich zur fettigen Degeneration der ganzen Zelle.
Der Untergang der Rotzzelleu erfolgt entweder mit, oder ohne Zerfall der Intercellularsubstanz und des Biudegewebsgeriistes.
Im ersteren Falle tritt eine Continuitätsstörung — Gcschwür-und Höhlenbildung — ein. Ein solcher Massenzerfall tritt immer da ein, wo die Rundzellen zusammengeschichtet liegen und nur wenig Intercellularsubstanz vorhanden ist; derselbe beginnt gewöhnlich im Centrum der Zellennester.
Die Infectionsl'ähigkeit der Rotzproducte ist spezitisch und patho-gnomonisch: dieselbe ist jedoch nicht in den Formen der organischen Elemente, sondern in der Materie begründet. Eben so wie die
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I)ie Uotzkrnnklieit; liUcctiosiüit derselbei).nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3G7
lebendigen sind auch die todteu, zcrtalleneu Uotnzollon ini'ectionstiiliig; sowolil die käsigen Miisstm, wie auch das wässerige Traiissudat. Die [nfeotionsfähigkeit der botrelTenden blassen ist wabrsoheinlioh an die Gegenwart eines bostiminten lebendigen Spaltpilzes gebunden. Der AnstockungsstofF ist fixer und Hliolitigor Natur, seine Lobenszähigkeit im Aligeinoinen gross, so class die Desinfeetion mit Rotzgift verun­reinigter Gegenstände (Stallungen, Geräthscliafton, Eekleidungsgogcn-stiinde, Fouragc u. s. w.) mit grosser Sorgfalt ausgeführt werden muss. Vollkommenes Eintrocknen des Vehikels fixen Hotzcontagiums gewährt für sicli allein keine ausreichende Garantie, dass der Träger des Ve­hikels, oder dieses selber, dadurch unschädlich geworden sei; es muss vielmehr eine gründliche Reinigung und Desinfeetion der betreffenden Träger stattfinden. Carbolsäure, Chlor, hohe Wärmegrade u. s. w. sind geeignet, bei passendem Gebrauche das Rotzgift zu zerstören. Die Flüchtigkeit des Hotzcontagiums hat man in früherer Zeit nicht genügend gewürdigt. Heute aber weiss jeder erfahrene Sachverständige, dass Kotzinf'ectionen bei Pferden, welche mit einander einen Stall be­wohnen, per Distance nicht ganz selten vorkommen und dass auch für Personen das Schlafen in einem Stalle, in welchem rotzige Pferde sich befinden, keineswegs ungefährlich ist. Die Flüchtigkeit des Rotz­giftes ergibt sich aber auch ans der Tlmtsaeho, dass bei Rotzsectionen nicht selten in den Lungen Rotzprozesse älteren Datums, als in den Nasenhöhlen angetroffen werden, oder dass in jenen Kotzneubildnngen vorhanden sind, während sie in diesen und in anderen Körpororganen fehlen. Es scheint aber, als wenn das flüchtige Contagium der Rotz­krankheit auf grössere Entfernungen hin in der atmosphärischen Luft sich nicht wirksam zu erhalten vermag. Dieser locale Inf'cctionsprozcss schreitet ohne Entziindungserscheimmg'en langsam, mit Entzündungs-erscheinungen rasch voran.
Auffallend ist eins Versuchsresultat Renault's! Derselbe brachte die Nasen von 7 rotzigen, mit denen von 7 gesunden Pferden paarweise durch je einen Schlauch derart in Verbindung, dass Je ein gesundes Pferd die nusgeatlimete Luft je eines rotzkranken Pferdes einathmen musste. Obgleich dieser Versncb eine Woche hindurch läglieb 1 Stande lang ausgeführt wurde, so soll dennoch von den gesunden Versuchspl'erden in der Folge keins rotzkrnnk geworden sein, — Ob das fixe Rotzgift stets eine örtliche Reaction hervorruft, wenn dasselbe von einer wunden Haut- oder Schlelmhautstelle aufgenommen wird, erscheint mir zweifelhaft. Dagegen wird die Verbreitung der Rolzkranlibeit in einem grösseren Pferdebestandc begünstigt, wenn in der Körperperipherie Drnckscbiiden oder sonstige Ilantwnnden vorhanden sind. Obgleich demnach diese Stellen wahrscheinlich als Atrium dienen, so sind doch keineswegs constant, oder auch
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Die Rotzkrankkelt; Infeotlosität derselben,
nur regelmässig, an denselben die ersten Ei'sohelQungen einer stattgehabten ln-fectlon erkennbar^
An dio oellulare Infection reihet sieb in zweiter Linie die In-feotion der Lvniphget'iisse und Lympbdrtlsea. Auch in den Lymph-baiinen ist das Fortsehreiten des Botzprozesses so lange ein langsames. als sich nicht gleichzeitig anderweitige acute Zcrstörungsprozesse mit der Botznenbildung vorbinden. Die Erkrankung der Lvmphgot'ässe besteht oft nur auf einer kurzen Strecke, ohne dass die betreffende Lymphdrüse, wenn dieselbe nicht in der Kühe liegt, mit afficirt wird. Sohliesslioh jedoch erkrankt die näcliste Drüse in jedem Falle; sie schwillt an, ist anfangs schmerzhaft, es stellt sich (due Bindegewcbs-wucherung ein, die zur organischen Verhärtung (Induration) der Drüse führt. Hierdurch wird der Weg zum Weiterwandern des Prozesses in den Lyinphbalinen gesperrt und die liotzinfectionen gehen so oft lange Zeit nicht über die erste Lymphdrüsenstation hinaus. Auf diese Weise ist es erklärlich, dass oft Monate vergehen, ehe es zur Bildung metaatatischer Rotzhorde an entfernten Punkten kommt. Bei dem Kotzprozesse in dein lockeren, subontanen Bindegewebe erfolgt die Infection in den Lymphbahnen gewöhnlich schneller und ausge­breiteter, weshalb der sogenannte Wurm (oder Unterhautrotz) schneller als der Jv1asen- oder Lungenrotz zu verlaufen pflegt. Sobald indess die afticirte Lymphdrüse selbst wieder zu einem infectiösen Horde geworden ist, wie dies beim Potz im subeutanen Bindegewebe häufig — und in Begleitung von Entzündung regelmässig vorkommt, geht die infection weiter. Schliesslich gelangen infectiöse Stoffe auch in das Blut, wodurch früher oder später ein Aligemeinleiden bedingt wird, welches man gewöhnlich als „liotzdyskrasiequot; bezeichnet.
Bellinger bemerkt (Zeitsohr. f. Thiermed. 187(3, S. 77), dass die meisten Rotzinfectioncn durch Aufnahme des betreffenden Giftes mit der eingeathmeten Luft zu Stande kommen und in erster Linie ent­weder eine Blutvergiftung mit nachfolgenden Ablagerungen in ver­schiedenen Organen, oder zunächst eine Localisation an irgend einer Stelle der Pespirationsorgane hervorrufen, welche nachträglich eine (Blutvergiftung) Allgemeininfection bewirkt.
Durch Verschiedenheiten in der Zusammenlagorung und der Meta­morphose der Kotzzellcn sind mehrere anatomische Formen bedingt. Wir unterscheiden demnach im Wesentlichen 4 verschiedene Formen von Potzneubildungen und zwar: 1) Kotzknoten; 2) Rotzabscesse; 3) diffuse Rotzprozesse und 4) Kotzgeschwüre.
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Die Rotzkrankheit; die Neubildungen derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 309
1. Die llotzknoten.
Diese Neubildungen treten an mehr laquo;der wuniger begrenzten Punkten auf und bilden verscliieden grosse Knoten; die kleinsten sind kaum sichtbare Pttnktohen, die grössten bilden die sogen. Kotzge-wiichse; zwischen heiden kommen verschiedene Zwischenstufen vor. Obgleich demnach eine Trennung nach den Grössonverhältnissen wissenscliaftlich nicht thunlich erscheint, so ist dieselbe für die practi-schen Zwecke dennoch zweckmiissig. Wir unterscheiden demnach a) den Hotztuberkel und b) das Rotzgewächs.
a. Der Rotztuberkel.
Man trifft denselben von der kleinsten Form bis zur Erbsen-grösse: in den Lungen -— besonders unter dein serösen Ueberzuge derselben, aher auch tief in der Substanz der Lungen; ferner in der Schleimhaut der Nasenhöhle und sogar der Nasen-Nebenhöhlen: so­dann in den indurirten Kchlgangsdrüson und zuweilen auch in der ausseren Haut. In den Lungen ist derselbe als „Miliartuberkelquot; schon lange bekannt und so häufig beobachtet worden, dass man behauptet hat, derselbe sei bei der Rotzkrankheit constant an dieser Stelle vor­handen. Wenngleich nun diese Behauptung als erwiesen nicht be­trachtet werden kann, so ist doch sicher, dass in der grossen Mehr­zahl dor Rotzfälle (nach Roll reichlich in 2/3 aller Fälle) Miliartuberkel in den Lungen angetroffen werden. In manchen Fällen dürften sie wegen besonderer Kleinheit übersehen werden und ausnahmsweise können sie auch wohl ganz fehlen. In der Regel treten sie erst später auf, können aber bei aeutem Verlaufe auch schon sehr früh auftreten. Gerlach und auch Roll sind der Meinung, dass die Rotz­tuberkel in der Regel erst später auftreten. Sie können aber bei acuter Entwicklung der Rotzkrankheit auch schon sehr früh entstehen; so sah sie Gerlach bereits 8 Tage nach einer intensiven Infection neben grösseren Knoten — und in einein zweiten Falle 3 Wochen nach der Infection. Pflug sah bei einem auf die Nasenschieimhaut geimpften Pferde bereits nach 5 Tagen exquisite Rotzerscheinungen und als das Thier 8 Tage nach der Impfung getodtet wurde, fanden sich in der Lunge Rotztuborkel. — Sie liegen im gesunden Lungenge­webe eingebettet, anfangs grauweiss und weich, werden aber später fester. Schliesslich schrumpfen die Zellen, das zarte Zwischenge-webe zerfällt, der ganze Inhalt gestaltet sich zu einer käsigen Masse, die eintrocknet und in welche sieh später Kalksalze ablagern. Pütz, Lehrbnoh dor nnsteckendeu TbtorkTanklielton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot;
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Die Rotzkrankheit; die Neubildungen derselben.
Das Vorhandensoin von iniliiiren Knötclicu in den Lungen be­kundet keineswegs allemal und unbedingt das Vorhandensein der Eotz-krankheit. Wenngleich naeli den bis vor Kurzem bekannten Tbat-sacben eine sehr grosso Wabrscbeinliuhkoit für diese Annahme sprach, so haben doch weitere Beobachtungen gelehrt, dass auch in den Lungen die Knotenbildnng auf regressivem Wege ein zu allgemeiner Vorgang ist und nichts Spezifisches hat.
Von dem Vorhandensein gewisser pathologischer Veränderungen in der Lunge, nainentlieh von der Existenz der Tuberkel die Diagnose: „Rotz oder nicht Rotza abhängig zu machen, ist mindestens ein grober Fehler. Ja man kann sogar die Frage aufstellen, ob Bildungen ähnlicher Art, wie die Kotztuberkel, nicht auch in der Lunge nicht rotziger Pferde vorkommen können? (Pflug). Es kommen wohl unzweifelhaft Fälle von veritabler Rotzkrankheit vor, bei welcher die miliaren Knotclun in den Lungen fehlen, andererseits können solche zugegen sein, ohne dass Rotz vorhanden ist. Nach Roll (Die Thier-seuchen S. 220) sollen etwa reichlich bei zwei Dritteln der zur Section kommenden Rotzfälle auch Rotzknoten in den Lungen angetroffen werden. Die nach Ablauf chronischer l'eribronchitis in den Lungen alter Pferde vorkommenden Knötchen sollen sich von den Kotztuber­keln dadurch unterscheiden, dass letztere in der Regel ein verschie­denes Alter erkennen lassen. Die Kotzknötehen jugendlichen Alters besitzen auf der Diirchschnittsfläehe ein blutiges Ansehen. Und wenn auch in den Lungen nur Rotztuberkel von grauer oder kalkiger Bo-Bchaffenheit sich zeigen sollten, so sind doch auf der Respirations-schlcimhant, oder in anderen Organen auch solche jüngeren Datums vorhanden (üieckorhotf). Für die Mehrzahl der Fälle mag durch diese Differential-Befunde die Diagnose sicher gestellt werden können; ob dies aber für alle Fälle zutrifft, möchte ich doch bezweifeln,
Selbst mit Beihülfe des Mikroskopes wird es mehrfach uner­ledigt bleiben müssen, ob vorhandene Knoten in den Lungen „Rotz­tuberkelquot; sind, oder nicht.
Die Kotzknötehen in der Nasenschleimhaut treten am deutlichsten auf der Scheidewand hervor; sie kommen in kleinen Pünktchen bis Erhsengrösso vor, prominiren auf der Fläche nur wenig, sind oft eben zu fühlen, aber nicht zu sehen. Diese Knötchen zerfallen oder schrumpfen; Verkalkung derselben kommt auf der Nasenschleimhaut nicht vor. Nach dem Tode treten sie in Folge einer gewissen Schrumpfung der Schleimhaut etwas deutlicher hervor. Sie liegen einzeln oder gruppenweis, meist in der oberen Schicht der Schleim-
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Die, Rotzkrankheit; die Neubildungen derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; laquo;jyj
haut und markiren sich dann durch graue, graaweissliohe, graugolb-Hohe''Färbung auf der gerötheten Schleimhaut; sie treten aber auch tiefer in der Schleimhaut auf, sind dann weniger scharf begrenzt, bilden nur wenig hervortretende Wölbungen und sind nach aussei! nicht durch Farbenverschiedonheit markirt. Sie treten erst auf der Schnittfläche deutlich hervor,
Die Rotzknoten in der Cutis verhalten sich ganz wie die in der Nasenschleimhaut. Wäbrend dieselben beim Menschen zu den con-stantesten Erscheinungen gehören, werden sie bei Pferden nicht ge­rade häufig angetroffen. Wegen der behaarten Haut werden indess in der Kegel auch nur die grössoren wahrgenommen.
Miliarknötehon findet man regehnässig in den verhärteten Lymph­drüsen ; sie liegen in den bindegewebigen Massen der Drüsen und lassen sieh auf der Schnittfläche als kleine Körnchen herausheben. Auch hier seheinen dieselben nicht zu verkalken, dagegen einzu­trocknen.
b. Rotzgewächse.
Dieselben werden ausgebildet nur in den Lungen angetroffen. Sie treten meist vereinzelt auf, durchsetzen aber auch zuweilen die ganze Lunge. Ihr Lieblingssitz ist der untere scharfe Rand der Lunge; aber auch tief in der Substanz der Lunge kommen sie vor. Sie sind entweder abgegrenzt von Tauben- bis Gänse-Ei-Grösse, oder sie nehmen grössere Partien des scharfen Lungenrandes ein.
Die Entwicklung, dieser Gewächse geht gewöhnlich von ver­schiedenen Punkten ans, zwischen denen das Lungengewehe immer mehr verschwindet, bis endlich die verschiedenen Herde zu einem Gewächse verschmolzen. Das Lungengewebe ist in der nächsten Um­gebung hyperämisch; eine scharfe Abgrenzung tritt gewöhnlich erst später ein. Bald sind die Rotzgewächse mehr derb, ähnlich den fibroiden Neubildungen, bald sind sie grau, graugelblich von Farbe und auf der Schnittfläche speckig.
Die mikroskopischen Bcstandthcile sind im Wesentlichen die­selben, wie in den kleinen Knoten.
Die weitere Metamorphose scheint nach Gerlaeh's Beobachtungen in zwei Richtungen vor sich zu gehen, in Folge deren entweder käsige Herde oder fibroide Gewächse entstehen. Zerfallen die Ele­mente mit der Tntercellularsubstanz, welcher Prozess gewöhnlich, aber nicht immer im Centrum beginnt, so bilden sich kleinere oder grössere käsige Herde. Bei aeuterem Verlaufe, namentlich wenn die Lungen-
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Die Rotzkranldielt; die Neabildunffen derselben.
knulon in Form von. naetastatisoheu Entzündungen beginnen, tritt
immer — uud zwar sehr rasch — der innere Zerfall ein; es kommt dann oft gar nicht zur Bildung einer festen zusammenhängenden Knotenmasse, sondern gleich zur Eiterbildung, ganz wie hei den Wurmbeulen,
Bei einein mehr ohronisohen Verlaufe worden die zerfallenen Randzellen unter Bindegewebswuoherung resorbirt, wodurch die Kotz-gcwiichse ganz den Character der Fibroide annehmen, die nur stellen­weis noch Rundzellen zeigen und lange ohne weitere Veränderung fortbestehen können; ein ganz ähnliches Verhältniss linden wir auf der Nasenscheidewand,
2, Rotzabscesse,
Dieselben entstehen constant bei dem „subeutanen und inter­muskulären Kotze, dem sogen. Wurm.quot; Bei Entwicklung der Wurm-knoten ist stets ein localer Entzündungsherd vorhanden, in dessen Centrum eine stürniische Vermehrung der Bindegewebskörperchen stattfindet. Die vorhandene Hyperämie liefert gleichzeitig ein flüs­siges Transsndat, welches die Rundzellen gleich bei ihrer Geburt aufnimmt und ihren Zerfall beschleunigt, so dass es in den entzünd­lichen Wurmknoten schon in einigen Tagen zur Abscessbildung und zum Durchbruch durch die äussere Haut kommt. Secundär tritt dann auch eine Infection der benachbarten Lymphgefässe in und unter der Haut auf, in denen nicht selten neue Knoten sich entwickeln und die wohl Veranlassung geworden sind, das Leiden „Wurm* zu nennen. Solche Rotzabscesse können durch Bindegewebsneubildung vernarben.
3. Diffuse Rotzprozesse. (Infiltrirter Rotz.) a. Rotzcatarrh.
Bei demselben ist die Schleimhaut der Nasenhöhlen in Form eines Catarrhs erkrankt. Dieselbe ist häufig in hohem Grade und in grös-serer Ausbreitung mit Blut überfüllt, daher geschwellt und zu Blu­tungen geneigt. In und unter das Schleimhautgewebe findet eine uesterweise Einlagerung von Rundzellen statt, welche zerfallen uud zur localen ülceration dos Schleiinhautgewobos führen. Bei der sog, verdächtigen Druse sehen wir den Rotzcatarrh oft Monate, ja Jahre lang bestellen, ohne irgend eine wesentliche Veränderung der Nasen-schleimhaut äusserlich constatiron zu können; — erst später werden schwielige Verdickungen, Knoten und Geschwüre sichtbar.
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Die Rützkninkhoit; die Neubildungen derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;378
Nur durch die spozifisclie Intectioiist'äliigkeit ist der Naseuaus-fluss bei diffusem Kotz zu erkennen; in Folge dessen sehen wir in der Kegel alsbald eine Infection der Kehlgangsdrüse und auch wohl eine Inteotion bei anderen Pferden, oder bei Menschen erfolgen.
b. Diffuse Wucherung in dem Sohleimhautgewebe,
Es kann aber auch im Sohleimhautgewebe die Kotzzellenneu­bildung zerstreut auftreten. Hierbei kommt es dann weiterhin immer zur Bindegewebswucherung. In der zarten Sehleimhaut der Neben­höhlen der Nase, namentlich in der Kieferhöhle, kommt es unter Anhäufung von schleimig-eiterigem Secret, welches nicht selten zur käsigen Masse eingedickt wird, zur beträchtlichen Verdickung mit unebener, gewissermassen granulirter Oberfläche. In der Nasenhöhle, besonders an der Nasenscheidewand durchdringt dieser Wucherungs-prozess die ganze Schleimhaut bis in das submueüse Bindegewehe und führt durch bindegewebige Neubildung zu schwieligen Verdickungen, deren allmähliche Schrumpfung nach und nach eine narbige Ein­schnürung bedingt. Diese Narben haben in der Regel ein Centrum, von welchem die weisslichen harten Narbengewebsztige strahlenförmig und zum Theil weithin auslaufen. (Leisering.) Während die be­treffenden Lufthöhlen mit schmieriger Masse sich anfüllen, bilden sich in den benachbarten Knochen Osteophyten, wodurch dieselben an Um­fang zunehmen.
Diffuser, resp. infiltrirter Kotz kommt auch häufig an der Schleim­haut des Kohlkopfes, so wie in den Lungen, in der äusseren Haut und im Unterhautbindegewebe vor.
4. Rotzgeschwüre.
Lieselben finden sich am häufigsten auf der Nasenscheidewand, namentlich in der Nähe der unteren Fläche der Nasenbeine. Sie gehen stets aus Kotzknötchen hervor und treten deshalb ursprünglich alle in runder Form auf. Der Vorgang besteht in dem fettigen Zer­fall der Rotzzcllen mit ihrer Intercellularsubstanz. Nach Umständen gestaltet sich äusserlich der Bildungsvorgang verschieden.
a)nbsp; nbsp; Die grösscren, etwa erbsengrossen, tief in die Schleimhaut hmeinreichonden Knötchen fallen in der Mitte ein, wodurch ein steck-nadelknopfgrosses Loch oder Grübchen entsteht, welches in der Kegel schon in wenigen Tagen in ein der Grosse des Knötchens ent­sprechendes Geschwür sich verwandelt.
b)nbsp; nbsp;Die kleinen, mehr oberflächlich liegenden Knötchen, die oft
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Die Rotzkrankhoit; die Neublldanffen derselben.
nur als graue Pünktchen oder Flockchen erscheinen, verlieren das Epithel mit einem oherfliichliclien, kaum bemerkbaren weiteren Sub-stanzverlustc und machen den Eindruck einer einfachen Abscliilrfung des Epithels, einer sogen. Excoriation; — oder die zerfallene ober­flächliche Knötchensehicht bildet eine gelbliehgrauo Masse, die von Epithel noch eine kurze Zeit bedeckt wird, so dass eine Art Pustel, ohne eine wirkliche blasige Abhebung des Epithels, bestellt. In beiden Fällen bilden sieh kleine und flache — linsenförmige —Geschwür-chen, die, ebenso wie die Knötehen, oft dicht gmppirt auftreten und dann leicht zusammenfliessen.
In dem Grunde und an den Rändern der Geschwüre, wie auch in der nächsten Nachbarschaft treten neuerdings graue Fleckchen und Knötehen — Rundzellennester — auf, die wieder zerfallen, worin das sogen, -Weiterfressen8 seinen eigentlichen Grund hat. 80 dringen die Geschwüre in die Tiefe, indem sie einen aus (runden) Rotzzellen bestehenden, grau-speckigen Grund zeigen. In dieser Weise können bei anhaltender rotziger Zerstörung die Geschwüre durch die ganze Schleimhaut hindurch bis in die Knorpel der Nasenscheidewand und in die Knoelieiiblättchen der Nascnmuscheln eindringen, was jedoch nur selten vorkommt; es sind indess einzelne Fälle beobachtet und mitgetheilt worden , in welchen die Nasenscheidewand sogar perforirt war. Die tiefgehenden Geschwüre haben in der Regel einen schmutzigen Grund, weil zerfallenes Gewebe und Blut denselben verunreinigen.
Die Verbreitung der Geschwüre in der Fläche ist eine regel-mässigere Erscheinung als das Eindringen derselben in die Tiefe; am schnellsten erfolgt jene bei den flachen, lentieulären Geschwiirchon mit zerfressenen, grauen oder rothen, scharfen Rändern. 15ei diesem Weiter­fressen auf der Fläche confluiren die einzelnen Geschwüre, so dass sich grosse Platten bilden, die mehrere Ctm. im Durchmesser haben können.
Der Vorgang der rotzigen Uleeration in der Cutis ist genau derselbe; stets folgt der Zerfall der vorhergegangenen Rotzknötchon-bildung. Am häufigsten kommt dieser Prozess an den Lippen und Nasenrändern, selten an den Beinen — und noch seltener an den übrigen Körpertheilen in der Cutis vor. Es ist manchmal schwierig, ein solches Rotzexanthem richtig und sicher zu diagnosticiren, da es leicht mit anderen Knötchenausschlägen verwechselt werden kann. Nur dann, wenn gleichzeitig Erscheinungen irgend einer anderen Eotz-form, oder sonstige Verdachtsgründe auf Rotzkrankheit vorhanden sind, wird die Bestimmung eines Rotz-Exanthems keine besonderen Schwierigkeiten bieten.
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Die klinischen Formen der RotzUrmiklieil: Nasenrotz.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 375
Die klimsohen Rotzformen.
A. Nasenrotz.
Bei ilemselbcu ist der Sitz dos Botzprozesses vorzugsweise die Scliloiiniiaut einer Nasenliölile und ihrer Nebenhöhlen, Von letzteren leidet am häufigsten die Oberkieferhöhle mit; Rachenhöhle, Luftsäcke, Kehlkopf und Luftröhre bleiben (aeuten Rotz ausgenommen) in der Regel verschont. — Die linke Kopf- (resp, Körper-) Hälfte soll etwas häufiger als die rechte betroffen werden; nur selten leiden beide zu­gleich an Rotzerkrankung.
Der Nasenrotz ist im Wesentlichen durch folgende ;J Symptome gekennzeichnet!
1)nbsp; nbsp; durch meist nur einseitigen Nasenausfluss,
2)nbsp; nbsp; durch knotige Schwellung der correspondirenden Kehlgangs-lyinphdrüse (Rotzbubo) und
3)nbsp; nbsp;durch Kotzknötchen und RotzgesohwUre in der Nasenschleimhaut, Der Nnseiiaiisilnss wird in der Kegel als grünlich, oder grünlich­gelb, missfarbig, übelriechend, klebrig etc. bezeichnet. Nach meinen Erfahrungen ist auf diese Qualitäten kein besonders grosser Werth zu legen. Bedeutsamer ist es, wenn derselbe von Zeit zu Zeit blutig erscheint, was auf Zerstörungen der Schleimhaut an einer dem Auge nicht zugänglichen Stelle durch Rotzgeschwüre schliessen lässt.
Sehr beachtenswerth ist das Vorhandensein einer (gewöhnlich einseitigen) knotigen Schwellung der mit dem von (Rotz-) Catarrh ergriffenen Nasongange correspondirenden Kohlgangslymphdrüse.
Wo eine solche Schwellung, „Rotzbuboquot; vorhanden ist, da gilt dor Zustand, auch ohne die Anwesenheit anderer Rotzsymptome, so lange für verdächtig, bis ein anderer Grund als Ursache fraglicher Erscheinung bestimmt ermittelt wurde. Die Diagnose auf Rotz lässt sich mit Sicherheit erst dann stellen, wenn aussei- den bis jetzt er­wähnten beiden Erscheinungen auch Rotzknötchon, resp. Rotzgeschwüre sichtbar werden.
Eine Verwechslung des Nasenrotzes mit der regelmässig ver­laufenden gutartigen Druse ist nicht leicht möglich, wonngleich bei beiden Krankheitszuständen Nasenausfluss und Drüsenachwellung vor­handen sind. Bei der gewöhnlichen Druse haben wir einen Catarrh beider Nasengänge mit meist bedeutender entzündlicher Schwellung beider Kehlgangslymphdrüsen und des umgebenden Bindegewebes. Diese Geschwulst füllt den ganzen Kehlgang aus und überragt den­selben sogar nicht selten (Ki-opf); sie ist vermehrt warm, schmerzhaft
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Die Idinisclion Formen ilor Rotzkrnnkhcit; Nascnrotz.
und pflegt ziemlich regelmiisäig' Neigung- zur Eiterbildung zu zeigen. Bei Nasenrotz ist diese Neigung nicht vorhanden; die Drüse ist wenig oder gar nicht selnnerzhaft, knotig, höckerig, von der Grosso einer Bohne oder kleinen Nuss bis zu der eines Hühnereies. Anfangs ist dieselbe im Unterhantbindegewebe noch ziemlich leicht verschiebbar; später liegt sie mehr oder weniger fest dem betreffenden Unterkiefer-aste an.
Aber auch bei anderen Krankheitsprozessen in der Nasenhöhle und deren Nebenhöhlen kann ein äusserlieh gleicher Znstand der Kehl-gangsdrüsen mit einseitigem Nasenausflusse auftreten, so dass dadurch eine bestimmte Diagnose sehr erschwert, ja für längere Zeit (oft Jahre lang) unmöglich wird, wenn aussei- den klinischen Erscheinungen nicht andere diagnostische Hülfsmittel (Impfung, natürliche Ansteckung, Trepanation etc.) uns Gewissheit verschaffen. (Polypen, Kiefer-höhlenentzündung etc. bedingen ähnliehe Erscheinungen).
Eben so wenig wie ein einseitiger Nasenausfluss und knotige Schwellung der correspondirenden Kehlgangslymphdrüse können ein­seitiger Nasenausflnss und Geschwürsbildung auf der Nasenschleimhaut für sich allein die Diagnose auf Nasenrotz ohne Weiteres begründen. Es kann auf der Nasenschleimhaut auch ohne Rotzprozess zur Ge­schwürsbildung kommen, wie z. B. bei der sogen. Blatterndruse, dem folliculären Nasencatarrh etc., weshalb man die Beschaffenheit und Genesis der Geschwüre, so wie das Vorhandensein und die Qualität einer vorhandenen Lymphdriiscnschwellung genau zu untersuchen und zu beachten hat.
In den selteneren Fällen, wo Rotzcatarrh und Rotzbubo aid' beiden Seiten der betreffenden Kopfpartien vorhanden sind, zeigen sich die Erscheinungen meist auf der einen Seite stärker ausgeprägt, als auf der anderen.
Manchmal treten zunächst die Symptome einer gewöhnlichen Druse auf, aus welchen dann allmählich die Erscheinungen der sogen, „verdächtigen Drusequot; und später die Erscheinungen der Rotzkrankheit sich entwickeln; es können aber jene Befunde auch allmählich sich vorübergehend, oder dauernd wieder verlieren, d. h. es kann schein­bare, oder wirkliche Genesung erfolgen. Früher nahm man allgemein an, dass Rotz aus der Druse sich entwickeln könne, während man jetzt ganz allgemein der von Haubner bereits im Jahre 1859 (in G. und H. Mag. Heft III, S. 257 und folg.) öffentlich ausgesprochenen Ansicht zustimmt, dass der Rotz bereits vor dem Auftreten der Drusen­symptome im Körper verborgen vorhanden sein muss, wenn jener
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Die Idiuisclii'n Formen der Rotzkrankheit; Lungeurotz.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;377
scheinbar aus diusor hervorgeht. Es ist nicht selten, dass bei latent­rotzigen Pferden mit dem Hinzutreten der Druse die Rotzkrankheit offenbar hervorbricht und dann auch rapide Fortsehritte macht, d, h. in ein acutos Stadium tritt.
Der Nasenrotz pflegt schliosslich joder beliebigen anderen Roiz-form sieh hinzuzugesellen, somit eher das Finale, als den Anfang frag­licher Krankheit darzustellen.
B. Lungenrotz.
Bei dieser Form der Rotzkrankheit sind vorzugsweise oder aus-schliesslieh die Lungen eine unbestimmte Zeit lang Sitz der oben besprochenen verschieden grossen Kotzknoten, oder Rotzgewächse. Beide Arten der Rotzneubildung können selbstverständlich in ver­schiedenen Stadien ihrer Entwicklung angetroffen werden. Keines­wegs selten, ja vielleicht häufiger, als man glaubt, sind die Lungen der alleinige Sitz der Rotzprozesse, in welchen Fällen während des Lebens die Diagnose oft sehr schwer, oder ganz unmöglich ist. In Folge allgemeiner Blutinfection pflegt endlich auch bei Lungenrotz knotige Schwellung der Lymphdrüsen im Kehlgangc, oder an anderen Körperstellen aufzutreten, was für die Diagnose selbstverständlich sehr bedeutungsvoll ist. — Thiere, welche nur mit Lungenrotz behaftet sind, oder nur im Luftsacko oder an anderen , dem Auge und Tast­organe nicht zugänglichen Orten Rotzneubildungen oder -ülcerationen besitzen, ohne dass Nasencatarrh, oder Schwellung der Kehlgangs­oder anderer äusserlicli gelagerter Lymphdrüsen vorbanden ist, können für ihre Umgebung gerade deshalb sehr gefährlich werden, weil sie oft lange Zeit (selbst Jahre) hindurch unverdächtig unter einem Pfordebestande stehen, bis man endlich durch wiederholte Infection und Rotzerkrankung ihrer Nachbarn auf die Vermuthung kommt, dass sie an innerem, resp. an Lungenrotz leiden.
Ich will hier einen derartigen Fall, welchen Ilaubner l. c. er­wähnt, kurz mittheilen:
„Bei einem Gutsbesitzer in Pommern (Grimmer Kreis) kam seit ca. 6 Jahren der Rotz jährlich vor. Endlich wurde Haubner zu Rathe gezogen. Bei Durchmusterung des Pferdebestandes fand er ein Pferd vor, ohne Nasenausflussund ohne Drüsenanschwellung, aber mit mehreren sternförmigen Narben in der Nase, die er für Rotznarben erklärte. Mit Rücksicht auf einige früher gesehene ähnliche Fälle Hess er mit den übrigen rotzigen Pferden auch den eigentlichen „Sündenbockquot; tödten, wodurch die Krankheit dauernd beseitigt war. Der Besitzer
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378nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I*'1' liliiiischcii Rotzformen; Lnngenrotz.
sagte über fragliohea Pferd Folgendes! Seitdem das Pferd im Stalle sei, sei auch dor Kotz aufgetreten. Es sei aber nie offonbai' krank, nie in einein anderen Zustande gewesen, als zur Zeit, wo llauhner es sah. Nur zeitweilig, namentlich im Frühjahre habe sieh etwas Nasen-ausfluss eingestellt, der aber immer von selbst wieder verschwunden sei. Der Kotz war in der Kegel (oder sogar immer) in dem Gespanne, zu #9632;welchem das betreifende Pferd gehörte, zum Ausbruche gekommen, der Grund jedoch stets in anderen Dingen gesucht worden.quot;
Dieser Fall lehrt (wie viele andere), dass die Kotzkrankheit Jahre lang bei einem Pferde vorhanden sein und Infectionen bewirken kann, ohne dass bei dein zuerst erkrankten Thicro auffallende Erscheinungen hervortreten. Obgleich llauhner hier nicht ausdrücklich von Lungen­rotz spricht, so wird es sich doch wahrscheinlich um einen solchen Fall mit höchst chronischem Vorlaufe gehandelt haben; in jener Zeit schenkte' man bei Kotzsectionen der Untersuchung der Lungen eine geringere Aufmerksamkeit als heute. — Zuweilen kommt aber auch der Lungenrotz schon frühzeitig sehr schnell zum offenbaren Ausbruche.
So übeniabin ich am 1. Mai 1877 (mit Antritt meiner jetzigen Stelle) die Behandlung eines 8jährigen, braunen Wallachs, der wegen Strahlkrebs am 8. März c. a. in hiesige Veterinärklinik aufgenommen worden war, und bei welchem gegen den 10. Juni, als das Hufleiden beinahe ganz geheilt war, sieh zunächst die Erscheinungen einer gewöhnlichen Druse einstellten, die bald einen sehr bedenklichen Character annahmen und bereits am 19. Juni als dem boidseitigen Nasenrotzc angehörig festgestellt wurden. In früheren Zeiten würde man hier die Sache so erklärt haben, dass der Strahlkrebs schliesslicb in Rotz übergegangen sei. Heute jedoch glaubt man an derartige Transmutationen nicht mehr. Die Section des Pferdes ergab die Merk­male des Lungenrotzes und die offiziell angestellten Keeherchen führten zur Feststellung der Thatsache, dass dem betreffenden Besitzer Ende Februar 1877, also kurz vor Ueberführung des Braunen qu. in die hiesige Veterinärklinik, ein Pferd wegen Kotz getödtet worden war. Der braune Wallach war, so weit die Sections- und Untersuchungs-Ergebnisse üu einem Itlickschlussc berechtigen, mit occultem (Lungen-) Rotze der hiesigen Veterinärklinik zugeführt worden.
Ob nun, wie Gerlach angibt, das Hinzutreten eines fieberhaften Catarrhs der Respirationsorgane zu occultem Kotz (Lungenrotz) in der Regel den Ausbruch der offenbaren Kotzkrankheit (des Nasen­rotzes) zur Folge hat, lasse ich unentschieden. In vorliegendem Falle war der Rotz-Eruption sehr wahrscheinlich eine Infection mit Drusen-
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Die kliiiisclicii Fonnen der KiuzUi-auklicii; Lungenrotz,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;370
gilt vorausgegangen. Icli babe andere Fülle beobachtet, wo bei nacli-träglich mit altem Luiigenrotze bebaftet befundenen Pferden acute und fieberhafte Catarrho der liespirationsorgane auftraten und wieder verschwanden.
Mit Lungenrotz behaftete Pferde zeigen zuweilen Erscheinungen von Dämpfigkeit; diese können somit in gewissen Füllen unsere be­sondere Aufmerksamkeit in Anspruch nebmen, insofern sie uns in Stand setzen, den oeculten Kotz mit grösserer oder geringerer Wahr-scbcinlichkeit, unter Umstünden sogar mit einiger Sicherheit zu dia-gnosticiren. Die Dämpfigkeit eines Pferdes erscheint verdächtig:
1)nbsp; Wenn ein trockner, dumpfer, keuchender Husten vorherrschend und die eigentliche Athenibeschwcrdo oft nur gering ist.
2)nbsp; nbsp;Wenn solche Pferde neben einem rotzverdächtigen, rosp. neben einem rotzigen Pferde gestanden, oder gearbeitet haben.
3)nbsp; nbsp;Wenn neben einem derartig dumpfigen Pferde ein anderes, oder bereits mehrere andere Tbiere an Potz erkrankt sind.
4)nbsp; nbsp;Wenn vor der Dämpfigkeit eine sogen, „verdächtige Druse* oder ein Nasencatarrh bestand.
5)nbsp; nbsp;Wenn zur vorhandenen Dämpfigkeit Erscheinungen der ver­dächtigen Druse — wenn auch nur unter wenig starker Entwicklung des Nasencatarrhs und der knotigen Drüsenschwellung — sich ein­stellen.
Je mehr derartige Umstände zusammentreffen, um so dringender wird der Verdacht; schon beim Zusammentreffen zweier vorstehender Momente ist die Tödtung und Ohduction des betreffenden Thieres im Interesse der Sanitätspolizei geboten. (Gerlach.)
Der Verlauf in Hede stehender Botzform ist sehr chronisch. Monate, selbst Jahre können vergehen, bis die Krankheit offenbar wird. Nur wenn acute fieberhafte Erkrankungen, namentlich der Respirationsorgane, hinzutreten, pflegt es rapid vorwärts zu gehen, in wenigen Tagen kann dann hochgradiger Haut- und Nasenrotz ausgebildet sein und tödtlich enden.
C. Der suboutane Rotz (Wurm).
Bei dieser Rotzform treten die Rotzprozesse vorzugsweise im subeutanen Bindegewebe auf. Es entstehen Beulen oder Knoten „Wurmbeulenquot; bis zu einigen Ctm. Durchmesser unter der Haut, über welchen diese sich anfangs verschieben iässt. Später tritt die Haut mit dem hervorragendsten Punkte der Beule in innigere Verbindung; inzwischen sind diese (Wurmbeulen) bereits erweicht und durchbrechen
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^80 Die Ulinischeii Formen der Eotekrankheit; suboutaner Kotz (Wurm).
in der Regel die allgemeine Decke, um an der Oberfläche dieser aus einer anfangs kleinen Ottlnung einen dicken Eiter zu entleeren. Die so entstandenen Geschwüre haben rotlie, aufgeworfene zackige Ränder und werden .Wurmgesohwüre* genannt. Lieblingssitz dieser Beulen sind die Gliedmassen, die Seitenflächen der Brust im Verlaufe der Sporader, der Kopf und Hals; sie kommen aber auch an verschiedenen anderen Körpertlieilen, bald vereinzelt, bald mehrfach und dann in verschiedenen Entwicklungsstadien vor. Manchmal sitzen die Wurm­beulen in perlsehnnrälinlielior Anordnung, indem die benachbarten Lymphgetasse in Mitleidenschaft (in eine rotzige Entzündung) ver­setzt werden, wohei es in ihrem Verlaufe zur Bildung erbsen- bis wallnussgrosser Knoten und zum Durohbruche dieser kommt. Die correspondiremlen Lymphdrüsen sehwollen anfangs entzündlich an, werden aber bald unschmerzhaft und zeigen Neigung zur Verhärtung, wie die Kehlgangslymphdrüsen beim Nasenrotze. Im Bereiche der Wunnbuhonenquot; treten gewöhnlich odematöso Schwellungen auf; am ausgebreitetsten trifft man dieselben an den Glicdmassen bei rotziger Schwellung der Leisten- resp. Achseldrüsen.
Der Verlauf dieser Prozesse beim Unterhautrotz ist bald ein chronischer, bald ein acuter. Nicht selten entstehen wallnussgrosse Wurmknoten innerhalb 2 bis 3 Tagen; ja es kann sogar ein heute noch kaum erkennbarer Knoten nach 2 bis 3 Tagen bereits iluctuiron, selbst die Haut schon durchbrochen haben. Trotz dieses aeuten Ver­laufes des localen Rotz- (Wurm-) Prozesses verläuft der subeutane Rotz, resp. Wurm, im Allgemeinen dennoch chronisch, so lange keine allgemeine Infection, oder kein anhaltendes Fieber sich hinzugesellt. In diesem Falle pflegen die Wurmbeulen an verschiedenen Körper­stellen und in grösserer Anzahl hervorzubrechen, innerhalb weniger Tage zu erweichen und die Haut zu perforiren. In der Regel folgt dann bald eine allgemeine Dyskrasie mit tödtlichem Ausgange. Es können aber auch die Fieborerscheinungen sich wieder verlieren und die Wurmgesohwüre, resp. Wnrmheulen, spontan oder durch Kunst­hülfe zur Heilung gelangen. Dies ist keineswegs selten, wenn die Wurmbeulen nur vereinzelt und ohne Fieber sich entwickelten. Es pflegt dann die Krankheit einen chronischen Verlauf anzunehmen und zuweilen scheinbar wieder ganz zu verschwinden. — Derartigen Hei­lungen darf man nie rückhaltlos trauen, da sie meist trügerische sind; früher oder später pflegen denselben neue Nachschübe mit oder ohne Complication, z. B. mit Nasenrotz etc., zu folgen, die schliesslich mit dem Tode enden. Wenn die Beulen an der einen Stelle verschwinden,
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Die Idlnisoheil llotzlbniu'ii : cutimoiquot; oder raquo;'XiiiUliL'inaUsclit'r l{(ptz. liSl
während an einer anderen neue hervorbrechen, so bezeichnet man den Zustand mit dem unpassenden Namen „fliegender Wurinquot;.
D. Der cutane oder eigentliche Haut-Botaj exanthe-matischer Kotz.
Diese Rotzform ist bei Pferden selten, relativ häufig hingegen beim Menschen. Bei derselben treten die primären Rotzherde im Hautgewebe auf, so dass die secundären Lymphgefftssaffectionen auf die feinen liautlymphgefässe beschränkt bleiben, was indeslaquo; die Mög­lichkeit nicht ausschliesst, class die correspondirenden Lymphdrüsen schwellen und Oedeme sicii bilden.
Als die wesentlichste und primäre Erscheinung zeigen sich kleine, oberflächlich liegende — und etwas grössere, tioter in der Lederballt sitzende Knötchen in grosser Zahl. Dieselben brechen auf und bilden oberflächliche, linsenförmige, oder tiefere, runde Geschwürebon, dio anfangs stark nässen und meist scharfe, rothe Ränder haben; ersterlaquo; stehen gruppenweise mehr oder weniger dicht beisammen, letztere treten vereinzelt oder reihenweise auf. Am häufigsten finden wir diese Hanteruptionen an den Lippen, der Nase, an der inneren Fläche der Hinterschenkel, seltener an anderen Körpcistellen.
Auch diese Rotzform ist unter Umständen schwer zu diagnosti-ciren, da manchmal lange Zeit vergehl, bis die Knötchen von anderen dem Ansehen nach ähnlichen Hauteruptionen als „liotztuborkelquot; sieh unterscheiden lassen. So berichtet Baer (Bezirksthierarzt zu Camenz) im Jahre 1859 Folgendes:
„Bei einem 12 Jahre alten Wirthschaftspferde, welches an einein flechtenartigen Ausschlage am Kopfe litt, zeigte sich zu Zeiten ein sehr geringer, flockiger Nasenansfluss. An den Schleimhäuten war nichts Auffälliges wahrzunehmen; auch die Kehlgangsdrüsen waren nicht gesehwollen. Vier Pferde, welche diesem Unglücksthiere nach und nach zugespannt wurden, erkrankten an Kotz; erst später stellte sich heraus, dass letzteres jene angesteckt hatte.quot;
Eine eigenthümliehe Form des eutanen Rotzes ist die elephan-tiastische Forin, bei welcher mehr oder weniger auffällige, knotige llautverdiekimgen, besonders an den Beinen sich bilden. Dieselben sind entweder auf eine Gliedmasse beschränkt, oder gehen auf zwei, selten auf alle vier Beine, oder auf andere Körpertheile über. Die knotigen Hervorragungen erweichen und verwandeln sieb ineist in flache, selten die Cutia bis zur Innenfläche perforirende Geschwüre
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,'580 Die klinischen Formen der Rotzkrankheit; suboutoner Rotz (Wurm).
in der Regel die allgemeine Doeke, um an der Oberfläche dieser aus einer anfangs kleinen Oellnung einen dicken Eiter zu entleeren. Die so entstandenen Geschwüre haben rothe, aufgeworfene zackige Ränder und werden „AVurmgesehwürequot; genannt. Liebiingssitz dieser Beulen sind die Gliedmassen, die Seitenflächen der Brust Im Verlaufe der Sporader, der Kopf und Hals; sie kommen aber auch an verschiedenen anderen Körpertbeilen, bald vereinzelt, bald mehrfach und dann in verschiedenen Entwicklungsstadien vor. jManehmal sitzen die Wurm-beulen in perlschnurähnliebor Anordnung, indem die benachbarten Lymphgefiisse in Mitleidenschaft (in eine rotzige Entzündung) ver­setzt werden, wobei es in ihrem Verlaufe zur Bildung erbsen- bis wallnussgrosser Knoten und zum Durchbräche dieser kommt. Die correspondirenden Lymphdrüsen schwellen anfangs entzündlich an, werden aber bald unschmerzhaft und zeigen Neigung zur Verhärtung, wie die Kehlgangslymphdrüsen beim Nasenrotze. Im Bereiche der „Wurmhuboncnquot; treten gewöhnlich ödematöse Schwellungen auf; am ausgebreitetsten trifft mau dieselben au den Gliedmassen bei rotziger Schwellung der Leisten- resp. Achseldrüsen.
Der Verlauf dieser Prozesse beim Unterhautrotz ist bald ein chronischer, bald ein acuter. Nicht selten entstehen wallnussgrosse Wurmknoten innerhalb 2 bis 3 Tagen; ja es kann sogar ein heute noch kaum erkennbarer Knoten nach 2 bis '.) Tagen bereits fluetuiren, selbst die Haut schon durchbrochen haben. Trotz dieses aeuteu Ver­laufes dos localen Rotz- (Wurm-) Prozesses verläuft der suboutane Rotz, resp. Wurm, im Allgemeinen dennoch chronisch, so lange keine allgemeine Infection, oder kein anhaltendes Fieber sich hinzugesellt. In diesem Falle pflegen die Wurmbeulen an verschiedenen Körper­stellen und in grösserer Anzahl hervorzubrechen , innerhalb weniger Tage zu erweichen und die Haut zu perforiren. In der Regel folgt dann bald eine allgemeine Dyskrasie mit tödtlichem Ausgange. Es können aber auch die Fiebererscheinungen sich wieder verlieren und die Wurmgeschwüre, resp. Wurmbeulen, spontan oder durch Kunst­hülfe zur Heilung gelangen. Dies ist keineswegs selten, wenn die Wurmbeuleu nur vereinzelt und ohne Fieber sich entwickelten. Es pflegt dann die Krankheit einen chronischen Verlauf anzunehmen und zuweilen scheinbar wieder ganz zu verschwinden. — Derartigen Hei­lungen darf man nie rückhaltlos trauen, da sie meist trügerische sind; früher oder später pflegen denselben neue Nachschübe mit oder ohne Complication, z. B. mit Nasenrotz etc., zu folgen, die sehliesslich mit dem Tode enden. Wenn die Beulen an der einen Stelle verschwinden,
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Die kliuisehi'ii Rol/.Torincn ; culnuer oder fxiinllieinausclic'i' RotZ, 881
während an einer anderen neue hervorbreelien, so bezeielmet man den Zustand mit dem unpassenden Namen „fliegender Wurmquot;.
D. Der cutane oder eigentliche Haut-Rotz; exanthe-matiseher Kotz.
Diese Rotzform ist bei Pferden selten, relativ häufig hingegen beim Menschen. Bei derselben treten die primären Rotzherde im Hautgewebe auf, so dass die secundären Lymphgeftlsaaffeotionen auf die feineu liautlympligefässe beschränkt bleiben, was indesraquo; die Mög-liohkeit nieht ausschlieast, dass die correspondirenden Lymphdrüsen schwellen und Oedeme sich bilden.
Als die wesentlichste und primäre Erscheinung zeigen sich kleine, oberflächlich liegende —• und etwas grössere, tieter in der Lederhaut sitzende Knötclien in grosser Zahl. Dieselben brechen auf und bilden oberflächliche, linsenförmige, oder tiefere, runde Geschwürchen, die anfangs stark nässen und meist scharfe, rothe Ränder haben; erstere stehen gruppenweise mehr oder weniger dicht beisammen, letztere treten vereinzelt oder reihenweise auf. Am häufigsten finden wir diese Hauteruptionen an den Lippen, der Nase, an der inneren Fläche der Hinterschenkel, seltener an anderen Körpers teilen.
Auch diese Rotzform ist unter Umständen schwer zu diagnosti-eiren, da manchmal lange Zeit vergehl, bis die Kuötchen von anderen dem Ansehen nach ähnlichen Hauteruptionen als „Rotztuberkel8 sieh unterscheiden lassen. So berichtet Baer (Bezirksthierarzt zu Camenz) im Jahre 1 85!) Folgendes :
„Bei einem 12 Jahre alten Wirthschaftspferde, welches an einem flechtenartigen Ausschlage am Kopfe litt, zeigte sieh zu Zeiten ein sehr geringer, flockiger Nasenansfluss. An den Schleimhäuten war nichts Auffälliges wahrzunehmen; auch die Kehlgangsdrtlsen waren nicht geschwollen. Vier Pferde, welche diesem Unglücksthiere nach und nach zugespannt wurden, erkrankten an Rotz; erst später stellte sich heraus, dass letzteres jene angesteckt hatte.quot;
Eine eigenthiiinliche Form des cutanen Rotzes ist die elephan-tiastische Form, bei welcher mehr oder weniger auffällige, knotige Ilautverdickungen, besonders an den Beinen sich bilden. Dieselben sind entweder auf eine Gliedmasse beschränkt, oder gehen auf zwei, selten auf alle vier Beine, oder auf andere Körpertheile über. Die knotigen Hervorragungen erweichen und verwandeln sich meist in flache, selten die Cutis bis zur Innenfläche perforirende Geschwüre
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;i82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verlauf der Rotzkrankheit; ohronlsoher Rotz.
mit scharfen ausgezackten Rändern; zuweilen auch mit fungösen Wuoherungen — die leprose Rotzform. — Gerlaoh sah die Geschwüre an fler inneren Sohenkelfläche, am Sprunggelenke und sogar am Halse stellenweise so dicht liegen, dass sie theilweise confluirten und grOssere Gcschwiirsdächen bildeten. — Die allgemeine Infection erfolgt hierbei sehr langsam; es können Monate vergehen, bevor es zur Erkrankung der Leisten-, resp. Achseldrüsen kommt und ehe andere Erscheinungen dor Kotzkrankheit auftreten.
Verlauf der Rotzkrankheit.
Wie aus dem Vorhergesagten sieh ergibt, kann die Rotzkrank­heit sehr lange, bis zu mehreren Jahren sich hinziehen, aber auch schon nach kurzer Zeit mit dem Tode enden. Diese Verschiedenheit wird durch mancherlei IS1 ebenumstände bedingt. Je nach der Dauer des Krankheitsverlaufes unterscheidet man den chronischen und acuten Kotz.
1. Der chronische Kotz ist durch seine Monate, bis Jahre lange Dauer characterisirt. Die Kotzprozesse haben an und für sich in der Kegel einen acuten Verlauf; dessenungeachtet pflegt die Rotz­krankheit des Pferdes oft über viele Wochen und Monate, ja über mehrere Jahre sich hinzuziehen, indem die localen Prozesse periodisch auftreten und theils vernarben; zwischen den einzelnen Eruptionen kann ein verschieden langer Stillstand eintreten. Nach dem Zurück­treten fraglicher Prozesse pflegen Wochen , oft Monate zu vergehen, bis neuerdings verdächtige Erscheinungen auftreten. In der Kegel entwickelt sieh die Rotzkrankheit ganz allmählich und ohne Eruptions-fieber, wenn die Infection ohne örtliche Verwundung zu Staude kam. Vorzugsweise lange entzieht sieh die Krankheit der Wahrnehmung, wenn ihre primäre Entwicklung in den Lungen stattfindet. Erfolgt die Infection mit, resp. in Folge einer örtlichen Gewebsverletzung, so treten oft zunächst locale Entzündungserscheinungen mit Fieber auf, welche sich bei unerheblichen Verletzungen öfter bald beruhigen, worauf der Kotz allmählich sich entwickelt; manchmal aber treten die eigentlichen Rotzerscheinungen schon nach kurzer Zeit hervor und haben unter fortdauerndem entzündlichem Fieber alsbald den Unter­gang des betreffenden Individuums zur Folge. Dies geschieht nament­lich dann, wenn mit der Kotzint'eetion eine tiefere örtliche Liision, oder ein andauernder Reiz verbunden ist; es kann in solchen Fällen schon in wenigen (4—6) Tagen die Kotzkrankheit ausbrechen und
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Verlaut der Rotzkranlcheit; obranlsoher Rotz.
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nach einigen Tagen tödtlicli werden. Naeh Impfung mit Rotzgift pflegen die localeu Eräclioinungen nur selten erst nach Ablauf von 8 Tagen einzutreten.
Iiuless auf jeder Stufe der Entwicklung kann die Krankheit längere Zeit stehen bleiben, ja sogar scheinbare Rückschritte machen. so dass rotzverdiiehtigo, oder oft'enbar rotzige Pferde auf dem Wege der Heilung begriffen, oder gar genesen zu sein scheinen. Anderer­seits können auch jederzeit unerwartet sehneile Fortschritte eintreten, so dass Pferde, welche lange Zeit hindurch verdächtig, oder latent erkrankt waren, in einigen Tagen vollständig die Erscheinungen der Rotzkrankheit zeigen.
Die Entwicklung des Nasonrotzes pflegt mit einem iinschein baren Naseneatarrh anzuheben; erst nach Wochen oder Monaten gesellen sieh demselben Lymphdrüsensohwellung hinzu, wodurch der Zustand erst verdächtig wird; es können dann wiederum Wochen und Monate, ja selbst Jahre vergeben, bevor diese 8verdächtige Drusequot; in offenbaren Motz übergeht.
Treten die Eotzprozesse im lockeren Bindegewebe unter der Haut auf, so pflegt die Entwicklung der Krankheit im Allgemeinen zwar schneller zu erfolgen, als bei Rotz der llespirationsorgane, in der Regel jedoch ist der weitere Verlauf ein chronischer. Bei Locali­sation der Rotzprozesse in der Haut pflegt die Eruption des Exan­thema von Fieber begleitet zu sein; dieses verliert sich indess gewöhn­lich bald, indem der exanthematische Rotz, eben so wie der sub-cutano, meist chronisch verläuft.
Mehr noch als der Ort der Localisation ist auch die Beschaffen­heit des Individuums von Einfluss auf den Verlauf der Rotzinfectionen. Bei Hengsten soll sieh die Krankheit meist schneller entwickeln, als bei Stuten und Wallachen, ich habe indess gesehen, dass bei einem Hengste Wurmbeulen im Verlaufe der Sporader und eine rotzige (wenigstens spontan entstandene) Hodenentzündung heilton, worauf erst nach mehreren Monaten neuerdings rotzverdächtige und nach nicht langer Zeit alle Erscheinungen der Rotzkrankheit sich zeigten.
Die Witterung, das diätetische Verhalten, der allgemeine Ge-sundheits- und Ernährungszustand, das Alter der betreffenden Indivi­duen etc. sind für den Verlauf und die Daner der Rotzkrankheit, mehr noch als das Geschlecht, von Bedeutung. So ist es Regel, dass der Sommer, resp. trockene und warme Witterung, Griinfutter etc. eine Abnahme — der Herbst und Winter, resp. nasskaltes, rauhes, stür­misches Wetter, namentlich wenn die Thiore demselben häufig, direct
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384nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verhüll' der Rotzknuilihcit; obronisoher ttncl iu'iiler Rolz,
und anhaltend ausgesetzt yiud, schlecht gefuttert und stark ange­strengt werden —#9632; eine Zunahme der rotzverdächtigen Erscheinun­gen zur Folge haben. — Bei jungen und kräftigen Pferden soll die Rotakrankheit nicht so leicht zum Ausbruche kommen, als bei alten, abgelebten, durch schlechte Pflege und Ernährung heruntergekom­menen. Es ist jedoch zu bemerken, dass die Kotzkraukheit in allen Zonen vorkommt und dass ihre grössere oder geringere Verbreitung vorzugsweise von den Verkehrs- und Handelsverhältnissen der ver­schiedenen Lancier, so wie von der Art der Seuchentilgung u. s. w. abhängig ist. In Kriegszeiten, wo letzterer sich mancherlei Hinder­nisse entgegenstellen, pflegt die llotzkrankheit, namentlich unter dem Pferdebestunde der mobilen Arnioen, eine grössere Verbreitung zu erlangen; unter den Privatpferden der betreffenden Staatsangehörigen pflegt sie in den ersten Jahren nach dem Friedensschlüsse häufiger aufzutreten. Bei den mit Demobilisirnng der Armeen stets verbun­denen Pferdeauotionen kommen stets eine Anzahl mit oecultom Rotze behafteter Pferde zum Verkaufe, wodurch die Krankheit nach ver­schiedenen Richtungen hin verschleppt wird. Dass erwachsene Pferde häufiger an Rotz erkranken, als Füllen, hat wohl darin seinen Grund, dass jene in Folge des Dienstgebrauches häufig mit fremden Pferden in Berührung kommen. Das jugendliche Alter besitzt nämlich keines­wegs eine besondere Immunität gegen das Rotzgift, was namentlich daraus zu erkennen ist, dass bei Ausbruch der Rotzkrankheit in Fohlen­höfen oder Gestüten die Krankheit unter den Fohlen ebenso um sich greift, wie unter den Pferden.
2. Der acute Rotz ist als eine Abweichung von der Regel an­zusehen, indem durch gewisse Complicationen, namentlich durch fieber­hafte Entzündungsprozcsse, welche im Bereiche der Respirationsorgane sich entwickeln, durch septische Stoffe etc. die Rotzprozesse momentan, oder dauernd weiter um sich greifen. Wir haben bereits gesehen, dass Entzündungsprozcsse zunächst in loco acute Rotzherdc (z. B. Wurmbeulon) erzeugen, dass aber, wenn die Producte dieser keine fieberhafte Allgemein-Infection zur Folge haben, die Rotzkrankheit dennoch ihren chronischen Verlauf behält.
Eine acute Entwicklung der Kotzkrankheit soll gleich von ihrem Anfange an eintreten:
a)nbsp; Wenn das betreffende Individuum schon zur Zeit der An­steckung fieberhaft erkrankt ist.
b)nbsp; nbsp;Wenn mit der Rotzinfection zugleich eine putride Vergiftung
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Verlauf der Rotzkrankhelt; aoutei Rotz. Diagnose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;385
stattfindet, oder wenn die Ansteckung#9632; von einem mit ausgebildotem aeutem Eotze behafteten Individuum ausgeht.
c) Wenn die Infection eine intensive und namentlich mit einer Vorwundung verbanden ist, wie z. B. beim Impfen.
In allen derartigen Fällen erfolgt die Entwicklung meist in 8 bis 10 Tagen, nach intensiver Impfung selbst schon in 6 Tagen.
Aber auch der Impfrotz vorläuft nicht immer acut; derselbe kann auch chronisch werden.
Das begleitende Fieber mag man als -Eruptionsfieber8 be­zeichnen; man darf aher nicht vergessen, class dasselbe nicht eigentlich der Botzkrankheit, sondern anderweitigen Nebenumständen sein Dasein verdankt.
Dor acute Verlauf tritt schliesslich .auch ein bei tief eingewur­zelter chronischer Rotzkrankheit und zwar in Folge umfangreicher In­fection, wenn die Thicre nicht vorher getödtet werden. Dies kommt im Allgemeinen am friihesten bei „Wurmquot; vor.
Meist gesollt sieh gegen den tödtlichen Ausgang hin Nasenrotz und Wurm zu einander; auch tritt die eine oder andere beider Rotz­formen schliesslich zum Lungen- oder exanthematischen Rotze hinzu. Bei aeutem Wurm pflegt eine raotastatische rotzige Lungenentzündung sich einzustellen und den Eintritt des Todes zu beschleunigen. Dabei nimmt die Entzündung stets den diphtheritischen Character an; die directe Mortification der entzündeten Schleimhaut kann so stürmisch vor sich geben, dass der Rotzprozess stollenweisc ganz verdeckt wird, die Rotzgeschwüre uuregelmässige Formen annehmen, nur eine käsige Verschorfung und weder im Grunde, noch in den Rändern eine Neu­bildung von Rotzzellen erkennen lassen, während an anderen Stellen wieder graue Rotzknötchen und schankröse Rotzgesehwüre auf der ge-rötheten Schleimhaut characteristiseh hervortreten.
Die Diagnose der Rotzkrankheit kann unter Umständen leicht, in anderen Fällen aber sehr schwierig, oder für längere Zeit sogar ganz unmöglich sein. Bei Rotzverdaeht hat Bollinger die Impfung als diagnostisches Mittel vorgeschlagen und das Kaninchen hierzu empfohlen. Gerlach hat Kaninchen stets ohne Erfolg geimpft, wäh­rend Andere diesen Thieren eine grosso Empfänglichkeit für das
Rotz
quot;copy;'
ft vindiciren.
Meine eigenen hierauf bezüglichen Versuche sind nicht derart ausgefallen, Inss ich die Kaninchen-Uotzimpl'ung als vielversprechend l'iir diagnostische Zwecke empfehlen könnte. In der Zeitschrift für Veterinürwissenschaft, Bern 187(1, S. 49 Pütz, Lclxrbucli dor anstoclicmlen Tliicrla-iiiikhciten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2o
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;jg(jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;DU' HolzUranldipit; Disposition und Sectionsbeluml.
bis 59 habe loll die Resultate einiger [mpfversnche mil Rotzgift bei Kauiuehen und Hunden nülgetlieilt, die bei den beiden zu l'raglidien Versuchen verwendeten Karnnehen den Tod innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Impfang durch iSepticamie hcrbeifi'du'len. Slefdamgl'Otzliy impfte 6 Kaninchen mit Rotzgil't (lgt;e-richt über das Veterinärwesen im Kbnigreieho Sachsen für das Jahr 1870, S. 72 und 73), von welchen 2 keine Infeetionserscheiniuigen zeigten, während in S Fällen die Versuchsthiere an Seplicämie zu Grunde gingen und zwar (wie S. 1. c. an­gibt) unter ähnlichen Verhältnissen wie meine beiden vorhin erwähnten Impf­linge. — Spätere Versuche haben mich forner belehrt, (lass die Kaninehen-lmpfnug mit Kotzgift auch dadurch noch für diagnostische Zwecke verliert, dass die localen Impferscheinungen zuweilen verschwinden, während In inneren Organen chronische Rotzprozesse auftreten, die Monate lang occult verlaufen können,
Ueber die Empfänglichkeit der verschiedenen Thierspezies für das Rotzgift sind die Angaben theilweise widersprechende, Im Allgemeinen darf angenommen werden, dass das Rind immun, das Schwein wenig empfänglich für Rotzgift ist. Die Disposition des Hundes, an Rotz zu erkranken, soll im Allgemeinen eine ge­ringe sein. Meine 1. c, ausführlicher mitgetlieilten Versuchsresultate lassen ver-muthen, dass die individuelle oder Familien-Anlage der Hunde, an Rotz erkranken ZU können, eine grosse sein kann. Von (i etwa 10 Wochen alten Hunden wurden 3 mit Rotzgift, geimpft, 3 wurden nicht geimpft, blieben aber mit den Impflingen längere Zeit zusammen. Letztere starben am llj.. 22. und 25. October an Haut-rotz: die nicht geimpften starben in Folge spontaner Infection am 19, October, 17. und 19. November an Hantrotz mit Nasencatarrh verbunden, obgleich die beiden zuletzt erkrankten am 19. October Isolirt worden waren. — Thiere des Katzengeschlechtes scheinen im Ganzen empfänglicher ids Hunde für das Rotzgift zu sein. Dass Hunde und Katzen in Folge des Genusses von angekochtem Fleische rotzkranker Thiere an Holz zu Grunde gegangen sind, wurde mehrfach beob­achtet. — Schafe und Ziegen besitzen eine ziemlich grosse Empfänglichkeit für das Rotzgift, indem sie ebenso leicht nach absichtlicher Impfung, als mich An-. Steckling auf natürlichem Wege an Holz erkranken und sterben.
tSoctionsot'schcinungen,
Die Entscheidung, ob ein wogen Rotzverdacht getödtetes, oder ein mit verdächtigen Symptomen behaftetes und gestorbenes Thiet-wirklich rotzkrank war, wird in der grossen Mehrzahl der Fälle keine besonderen Schwierigkeiten bieten. Zuweilen aber ist die Diagnose auch am Cadaver sehr schwer, und es kann passiren, dass selbst ein guter Kenner aller in Betracht kommenden Verhältnisse und Prozesse über die Frage, ob das Thier an Rotz gelitten habe, oder nicht, im Unklaren bleibt. Wo Wurmbeulen, Uotzknotcn und Rotzgeschwüre, knotige Lymplidrüsenschwellungen in ihren characteristischen Formen angetroffen worden, da kann die Feststellung der Krankheit leicht und sicher erfolgen, lieber diese Befunde wollen wir deshalb hier nicht weiter sprechen. Wo dieselben fehlen, namentlich Wurmbeulen
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Die Kiitzlu'iinUhoit; Seotlonsbefand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jj87
und Rotzgcschwüro nicht vorhanden sind, da werden wir die Sohleim-liaut der Luftwege his in die Verzweigungen der Bronchien hinein, sowie des Lungongewebes sorgfältig zu prüfen haben. Bereits früher wurde erwähnt, dass die llotzneubildungen in der Nasenhöhle vorzugs­weise auf der Schleimhaut der Scheidewand und der Dütenbeine, in den Lungen, in der Subploura, aber auch tiefer im Lungengewebe sitzen. Es sei hier nur nochmals ausdmeldieh daran erinnert, dass man nicht als sichergestellt annehmen darf, es seien auch im Lungen-gewehe koine Kotzknötchen vorhanden, wenn solche durch Ueber-streichen mit den Fingern über die Lungenoberfläehe nicht als sand­kornähnliche Erhabenheiten gefühlt werden; dieselben können auch zerstreut tiefer im Lungengewebe sitzen. Die Zahl der Knötehen ist oft äusserst spärlieli, so dass es unter Umständen viel Aufmerksam­keit und Genauigkeit bei der Untersuchung erfordert, um den sachlich begründeten Ausspruch thun zu können, dass in den Lungen keine Knötehen enthalten seien. In anderen Fällen treten die Iiotzknötchen auf den Schnittflächen der Lungen in verschiedener Zahl und Grosse auffällig hervor. Wo während des Lebens hochgradige acute Er-seheinungen vorhanden waren, da finden wir in der Regel auf den Schleimhäuten der L'espirationsorgane croupöse und diphtheritisehe Pro­zesse, besonders in der Nasenhöhle und im Kehlkopfe. — Secun-däro Zustände, Abscessbildnng in Folge metastatischer rotziger Ent­zündung, wie z. B. mehr oder woniger umfangreiche Zerstörungen, metastatisehe Herde in Lunge, Leber und Milz, sowie in den Nieren, Hoden und Knochen kommen als mehr aussergewöhnliche Befunde vor; ferner: verbreitetes Oedem im Unterhantbindegewebe, Wurm-beulen, so wie Darmcatarrh und Follicularverschwärung. Bei diffusem Lungenrotz findet mim bald in der Tiefe, bald an der Oberfläche die betreffenden Lungenabschnitte zunächst gallertartig infiltrirt, luftleer und ringsum von blutüborfülltom Gewehe umgeben. Liegt ein solcher Herd nahe der Lungenoberfläehe, so ist die Lungenpleura an der correspondirenden Stelle getrübt, oder mit plastischen Massen belegt. In späteren Stadien der Entwicklung findet man die betreffenden Lungcnabsehnitte gelbweiss, käsig, oder verkalkt. Nur selten trifft; man in den Lungen Cavernen von der Grosse eines Taubeneies, welche in Folge von Rotzulceration sich entwickelt haben und beim Ein­schneiden eine bräunliche Jauche entleeren. — Die Rotzgewächse pflegen am scharfen Rande der Lungen zu sitzen; ihrer auffallenden Beschaffenheit halber sind dieselben nicht leicht zu übersehen. Als das am meisten charactoristische und constanteste Merkmal der Rotz-
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yss
Die Rotzkrankheit; Prognose und Behandlung,
kmukheit gibt Colin die auffallende Vermehrung der weissen Blut­körperchen (Leucocythose des Blutfts) an.
Die Prognose ist beim Rotze sehr imgünstig, da die vollkommen ausgebildete Krankheit selten oder nie in Genesung übergeht, sondern meistens, wenn nicht immer, mit dem Tode endet. Nach den An­gaben französiaoher Thierärzte (Deeroix) sollen in Algier und nach den Angaben italienischer Thierürzte auf Sicilien spontane 1 [eilungen der Botzkraukheit häufig vorkommen. Auf fraglicher Insel soll die Krankheit überhaupt nicht einheimisch sein, sondern nur in Folge von Eiaschleppung vom Continente zur Beobaohtung kommen. In Algier hingegen soll der Rotz nicht selten vorkommen, indesa häufig spontan heilen.
Bei uns zu Lande soll die Prognose beim Hautrotze, reap, sub-cutanen Rotze, namentlich dann weniger ungünstig sich gestalten, wenn die Krankheit durch iiussere Ansteckung entstanden, zu einer Zeit zur Behandlung gelaugt, wo sie noch localisitt ist. Die klini­schen Erfahrungen verschiedener Thierürzte seheinen dafür zu sprechen, dass in einzelnen Fällen, namentlich aus den ersten Entwiekluiigs-stadien der Rotzkrankheit, auch spontan Genesung eintreten kann. Die mir bekannt gewordenen derartigen Mittheilungen sind zum Theil mehr oder weniger beweiskräftig und nur dadurch zu annulliren, dass man dieselben einfach auf diagnostische IrrthUmer zuiückführt. Wenn ich demnach die Behauptung, dass die Botzkraukheit absolut unheilbar sei, zwar nicht als sieher erwiesen ansehen kann, so muss ich doch nachdriickliehst bemerken, dass der tödtliehe Ausgang durchaus als Hegel zu betrachten ist, und dass deshalb in der Praxis, namentlich mit Rücksicht auf die Sanitäts-Polizei, die llotzkraukheit gegenwärtig wie eine gemeingefährliche unheilbare Krankheit behandelt werden muss.
Von einer arzneilichen Behandlung der Botzkraukheit ist bis jetzt nicht viel Kühmliches zu sagen. Es sind im Laufe der Zeit viele Mittel versucht und gerühmt worden, ohne dass bis jetzt irgend eins sieh bewährt hätte. In neuerer Zeit sind namentlich die Carbol-siiure und der Borax empfohlen worden; erstere leistet so zu sagen gar nichts, Borax wurde noch zu wenig versucht, um ein sicheres llrtheil über seine Wirkungen abgeben zu können. Vorläufig bleibt uns im allgemeinen Interesse keine andere Wahl, als die mit der Rotzkrankheit behafteten Thiere möglichst bald zu tödten und so gut als möglich unschädlich zu machen.
Je trauriger es um die Möglichkeit der Heilung einer Krank­heit steht, um so wichtiger sind die Vorbeugungätnassrcgeln.
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Die Kntzkniuklu'it vorschiecknor Thicrspczics, besonders dos Mensohen. ,'i80
Da einii spontane oder miasmatisolic Entwicklung dor Rotzknmk-heit wahrsclieiulich nirgends mehr, wenigstens Im uns nicht mehr vorkommt, so muss es möglich sein, vermittelst einer verständigen ITandhalnmg eines guten Seuehengesetzes dem Uebcrhanflnohmen dieser zur Landplage gewordenen tückischen Krankheit Schranken zu setzen, oder gar die gänzliche Ausrottung derselben im Laufe der Zeiten zu erzielen. Es wird allerdings Zeit und Geld kosten, bis die Nachwchon der früheren Vernachlässigung der Veteriniirg'esetzgcbung verschmerzt sein werden. Es wird dies jedoch um so schneller ge­schehen, je mehr die einzelnen Oulturstaaten sich beeilen, das ge-saramte Veterinärwesen saohgemäss zu regeln.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass auch hei Eseln und den Bastarden von Pferd und Es*l die verschiedenen Formen der Rotz­krankheit — und zwar meist mit acutom Verlaufe — beobachtet worden sind. Ueberhaupt sind weit mehr Thiergattungen für die Kotzkrankheit empfänglich, als man früher geglaubt hat. Dieselbe ist, wie bereits erwähnt wurde, auf unsere sämmtlichen Hausthiere — mit Ausnahme des Rindes — sowie auf verschiedene wilde Thiere (in Menagerien) wie z. B. Prairiehuud, Eisbär, Löwe etc. und leider auch auf den Menschen übertragbar. Aber nicht nur die generelle, sondern auch die individuelle Empfänglichkeit für die schädlichen Wirkungen des Rotzgiftes ist (wie bei allen übrigen thierischon An-steckungsstoffen) eine sehr verschiedene. Die Empfänglichkeit des Menschen für das Rotzgift verdient unsere besondere Aufmerksamkeit, •welche wir demselben nachstehend zuwenden wollen.
Die I!(it/Uraiikli( il des Menschen,
Das Verdienst, den Rotz des Menschen zuerst genau beschrieben zu haben, gebührt dem Regimentsarzt Schilling zu Berlin, welcher 1821 einen ausgesprochenen Fall veröffentlichte. Bald nachher be­schrieben Rust und Weiss einen zweiten Fall, worauf dann zahlreiche weitere casuistische Mittheilungen folgten. In England publieirtc im Jahre 1827 Travers und im Jahre 1S;{3 Elliotson Beobachtungen, welche ebenfalls die Empfänglichkeit des Menschen für das Rotz-contagium bewiesen. In Frankreich fand diese Lehre eine entschie­dene Opposition und namentlich war es Barthelemy (von 1814 bis 1825 Professor der Anatomie an der Thierarzneischulc in Alfort), der im Jahre 1887 in der Academic der Medicin mit hinreissender Be-redtsarakeit dieselbe bekämpfte. Indess wies Rayer, Leibarzt des Kaisers und Commandeur der Ehrenlegion, der bei einem seiner Pa-
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390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; T)'0 HolzUriiiiklioit des Mensclieu.
tieuten die Diagnose auf Rotzinfection gestellt hatte, durch Impfung von Eiter aus den Gestdiwüreu des hotreücnden Menschen auf ein Pferd die Dichtigkeit seiner Diagnose nach, indem das geimpfte Thier an Rotz erkrankte, Rayer besohäftigte sich viel mit dem Studium der Einwirkung thierischer Anstockungsstotfe auf den mensehlichen Körper. Anno 18:57 erschien seine Schrift „De la morve et du farein ehez riiommequot;, in weicher er die höehst gefährlichen Folgen schildert, welche durch Uehertragung des Rotzgiftes (und des Milzbrandgiftes) auf den Menschen, für diesen entstellen können. — (Bartheieiny practieirte seit 1825 als Thierarzt in Paris und hatte in Alfort (182:3) Versuche üher die Ansteokuugsfähigkeit des Milzbrandgiftes ange­stellt. Er war Mitglied der Aekerbaugesellschaft, so wie dor Aca­demic der Medioin zu Paris und stellte sieh, als daselbst die erste Nachricht von der Uebertragharkeit der Rotzkrankheit vom Pferde auf den Menschen sich verbreitete, an die Spitze der Opposition, welcher er, unterstützt durch sein ausgezeichnetes Rednertalent, das man in diesem Grade bis dahin in der Academie noch nicht ge­kannt hatte, Worte lieh, die alle Anwesendon bezauberten, aber nicht überzeugten, da gegen die Wahrheit des von Rayer beobachteten Faetvuns nicht aufzukommen war. Wenngleich er deshalb in diesem wissenschaftlichen Streite unterlag, so wurde seine in demselben zu Tage getretenen geistigen Fähigkeiten dadurch doch erst allgemein bekannt und in seiner noch in dem nämlichen Jahre erfolgten Wahl zum Präsidenten der Academie öffentlich anerkannt. Es war seit Gründung der Academie das erste Mal, dass diese Ehre einem Thier-arzte zu Theil wurde.) — An der Empfänglichkeit des Mensehen für das Rotzgift zweifelt heute kein Sachverständiger mehr. Unter den deutschen Gelehrten ist namentlich Virohow es gewesen, welcher die Kenntniss der menschlichen Rotzkrankheit vorzugsweise gefördert hat. Die Rotzkrankheit des Menschen hat ihre Quelle stets in der Uehertragung des Rotzgiftes; eine spontane Entwicklung kommt beim Menschen ebenso wenig vor, wie beim Pferde, oder bei einem anderen Thiere. Die Art und Weise der Uehertragung des Rotzgiftes auf den Menschen ist sehr mannigfach, bald sehr leicht, bald schwer oder gar nicht sicher nachweisbar. Es scheint, dass bei zarter Haut auch ohne Verletzungen derselben durch sie Infectionen vermittelt werden können. Ersteres pflegt der Fall zu sein, wenn das Gift in frische Wunden, Excoriationen, Schrunden, Nagelwurzeln etc. eindringt, wie dies beim Verkehr mit rotzkranken Thieren vorkommen kann und leider schon häufig vorgekommen ist. Aber nicht nur die äussere
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Die Rotzkrankbeit dos Mensohen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 391
limit; soudeni aucii die Scslileiiuhäute dor Nase, dor Augen, der Lippen etc. können als Aiitnalimsorgan dienen; namentlich ist das sog. Auspruaten der Pferde auf diesem Wege schon oft unlieilvoll geworden, indem hierbei Schleimpartikelchen mit Rotzgift geschwängert auf die genannten Schleimhäute gelangten und die Ansteckung be­wirkten. — Es lässt sich ferner nicht bestreiten, dass auch durch den Q-enuas dos Fleisches von rotzkranken Pferden, der bei mangelhafter Fleischhescliaii, namentlich in grösseren Städten, gewiss öfter vor­kommt, Rotzinfeclioneu beim Menschen ebenso gut wie bei Tigern, Löwen etc. zu raquo;Stande kommen können. Denn wenn auch die Virulenz durch die voraiisgeheiiden Zubereitungsmetlioden meist zerstört werden mag, so gobon doch die vorausgehenden Manipulationen zur Ansteckung vielfach Gelegenheit.
Eine mehr indirecte Art der Uebertragung durch Vermittlung von Zwischen trägem kommt seltener vor, wie z. B. durch verunreinigte 'rücher. Decken etc. etc.
In allen Fällen, wo eine Erkrankung der Lungen ausseien Locali-sationen vorausgeht, njusa entweder das Gift mit der atmosphärischen Luft aufgenommen worden sein, oder an der Stelle seines Eintritts keine auffälligen Erscheinungen verursacht haben.
üebertragungen vom Menschen auf den Menschen sind sehr selten; in einem Falle jedoch sollen durch gemeinschaftliches Essen aus derselben Schüssel Mann und Frau, sowie ihre 4 Kinder sehr rasch nach einander an liotz erkrankt sein. Es ist dieser Fall um so merkwürdiger, als glücklicherweise die Disposition, reap, Empfäng­lichkeit des Menschen für das Rotzgift keine grosse ist, wie aus den verhältnissmässig wenig zahlreichen Rotzfällen beim Menschen im Vergleiche mit der häufigen Gelegenheit zur Ansteckung sich ergibt. Allerdings kommen hier auch noch zwei andere Momente in Betracht, dass nämlich die am meisten exponirten Pferdewärter in der Regel durch ihre dicke Epidermis sehr geschützt sind und dass ferner höchst wahrscheinlich häufiger Infectionen beim Menschen vorkommen, die abortiv verlaufen und meist unerkannt bleiben. (Boulcy, Gerlach, Gerber u. A. haben an sich selbst derartige Beobachtungen zu machen Gelegenheit gehabt.)
Nach erfolgter llotzinfection lässt sich in der Regel ein Ineu-bationsstadium von 3—5 Tagen beobachten, welches manchmal auf 2—8 Wochen sich verlängern soll. Die hierauf folgenden Erschei­nungen, so wie der Verlauf der Rotzkrankheit des Menschen verhalten sieh in den einzelnen Fällen mannigfach verschieden. Die Dauer der
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392 Verlaul' der Kotzlu'aiiUheit des Menschen; acuter Mensohenrotz.
Krankheit kann von 8 Tagen bis zu mehreren Jahren variiren. Man unterscheidet doinnaeh beim Menschen, wie beim Pferde, einen „acutenquot; und einen „chronischen* Rotz, welchen Formen man als Zwischenstufe noch eine „suhacute* Form substituiren kann. Man zählt dann zu den ersteren (acuten) Fällen solche, welche bis zu 4 Wochen dauern, zu den subacuton Fällen die von 4—6 Wochen und zu den chronischen Fällen die von längerer Dauer.
Der acute Rotz des Menschen bietet im Wesentlichen fol­gende Erscheinungen:
Gewöhnlich macht sich zuerst ein Gefühl von Unwohlsein, Un­behagen, Mattigkeit, Kopfschmerzen und Frösteln, sehr oft verbunden mit wandernden Schmerzen in den Extremitäten, besonders in den Muskeln und Gelenken bemerkbar. Bald zeigen sich in Form um­schriebener oder diffuser Prozesse Localisationen in der Haut, oder in den Muskeln. Rildet eine verletzte Hautstelle das Atrium des Giftes, so wird' dieselbe meist schmerzhaft, entzündet, häufig mit Botheilignng der benachbarten Lymphgefässe. Mit den heftiger werdenden Schmerzen pflegt dann Fieber sich hinzu zu gesellen. Die Wunde verwandelt sich in ein Geschwür, dessen Ränder und Grund ein übles Ansehen bekommen; der abgesonderte Eiter zeigt eine schlechte Beschaffenheit; das ganze Geschwür wird häufig schankerartig, speckig, und seine Ränder erscheinen ausgenagt, zerfressen. Befindet sich die Wunde an einem Finger, so schwillt häufig der Arm an, wobei an demselben phlegmonöse und erysipelatöso Prozesse, häufig verbunden mit Pustel-und Geschwürsbildung, sich zeigen.
Dabei nehmen die Allgcmcinerscheinungen zu, der Appetit schwindet, es treten gastrische Störungen auf, die Patienten zeigen grosse Mattigkeit, die Schmerzen in den Gelenken und Muskeln worden stärker, das Fieber steigt fortwährend. Wo die localen Prozesse, d. h. die Merkmale der änssoreu Ansteckung fehlen, da hat das ganze Bild einige Aehnlichkeit mit einem beginnenden Typhus, oder, wenn die Schmerzen vorherrschen, mit acutera Gelenkrheumatismus. Erreicht das Fieber keinen höheren Grad, so versehen die Patienten wohl noch ihre Geschäfte und klagen nur über Schwäche, Mattigkeit und all­gemeines Unbehagen.
An verschiedenen Stellen treten auf der äusseren Haut rothe Flecken hervor, welche sich in pockenähnliche Pusteln verwandeln, die ungefähr erbsengross werden, aufbrechen und einen blutig­schleimigen, manchmal übel riechenden Eiter entleeren. Oft erscheinen aolche Pusteln in grosser Anzahl. In anderen Fällen bilden sich —
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Die RotskrankUeit ck'S Menschen mit iicutem VerliiulV.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 393
am häufigsten an den Gliedmassen — grtissere beulenartige Geschwülste und Abseesse, die sehr schmerzliaft und hart sind, allmählich teigig werden, fluetuiren und nach ihrer künstlichen oder spontanen Er­öffnung ausgebreitete Goschwüro mit imregelmässigen, woiss belegten Rändern darstellen; dieselben dringen zuweilen so tief ein, dass Seimen und Knochen bloss gelegt werden. — Während die Pusteln und Abscesso manchmal sich sehr rasch entwickeln, bereits nach 24—48 Stunden, dauert es in anderen Fällen länger; so kann der Entwicklung derselben Nasenansfluss, Anschwellung verschiedener Körperstellen und Unwohlsein vorausgehen und erst in der zweiten, dritten oder vierten Woche kommt es zur Pustelbildung.
Alle diese Ilautaffoctionen sind manchmal derart über die Körper­oberfläche verbreitet, dass kaum ein Theil verschont bleibt. Zuweilen treten noch Anschwellungen verschiedener Gelenke hinzu.
Die Localisation des Rotzes auf der Nasenschleimhaut ist beim Mensohon seltener als beim Pferde ; dennoch aber kommen noch ziem­lieh häufig entzündliche und ulcerative Prozesse auf dieser und auf anderen Theilen der Respirationsschleimhaut vor.
Bei Nasenaffeetion zeigt sich zunächst Absonderung eines dünnen, zähen, weisslichen Selileimes; bald gesellt sieh Anschwellung, Röthnng und grosso Sehmorzhaftigkcit der Nase und ihrer Umgebung hinzu, besonders wird die Nasenwurzel öfters gegen Druck empfindlich, indem sie diffus erysipolutos anschwillt.
Der häufig nur einseitige Nasenausfluss wird später dickflüssiger, mehr eiterig, manchmal braungelb, blutig und Übelriechend. Seltener ist man im Stande, förmliche Knoten nachzuweisen, die noch am häufigsten an den Nasenflügeln vorkommen. Manchmal lässt sich schon während des Lebens die Pustel- und Geschwürsbildung feststellen, die bei sehr bösartigen Formen zur Zerstörung der Nasenscheidewand und selbst des PHugscharbeins führen.
Beim Menschenrotz tritt, ebenso wie beim Pferderotz, die Nasen­affeetion häufig erst am raquo;Schlüsse der Erkrankung auf.
Aehnliche Prozesse wie auf der Nasenschloiinhaut können auch auf den Schleimhäuten des Auges, des Mundes, des Gaumens, des Kehlkopfes, der Luftröhre und der Bronchien, sowie des Schlundkopfes und des Schlundes auftreten. Je nachdem findet man bei derartigen Kranken einen üblen Geruch aus dem Munde, Schlingbeschwerden, Heiserkeit, erschwertes Sprechen, Hustenreiz oder Athembeschwcrden u. dergl. Die Unterkiefer- und Ünterzungen-Lymphdrüsen sind an-
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Aouter und chronisohei' MensoliBnrotz,
gescliwollen, sohtuerzhaft und zuweilen kommt es zur Abscossbildung und zum Durohbruobe dos Eiters nach ausseu.
Zuweilen zeigen sieh auch Ki'scheiiuingen eines Magen-Darm-catarrlies, nämlich: Appetitmangel, SohwerTerdaulichkeit, Verstopfung, welohe in spttteren Stadien nicht selten in Darobfall übergeht, wo­durch der bereits vermehrte Durst noch gesteigert wird.
Häufig treten früher oder später die Symptome eines Bronchial-oatarrhes auf; die Patienten husten stark und werfen reichlich Schleim aus, der dem Nasenausfhisse in der Kegel iihnlieli ist; der Athem ist manchmal übel riechend und hei Auscultation der Brust sind Kassel-geräusohe wahrzunehmen.
Der Fuls ist meist sehr frequent und klein, bis 100 oder 120 p, M. gestiegen; nur sehr selten ist der Pids (bei öehirndepression) retardirt. Die Temperatur steigt bis 400C. und darüber, nachdem im Anfange fieberhafte Erscheinungen oft vollkommen fehlten.
Die Theilnahmc des Centralnervensysteins zeigt sich zunächst in Sehwiiidelanfiillen, Kopfschmerzen, Ohrenklingen, Schlaflosigkeit, grosser Unruhe, zu denen bald nächtliche Delirien und hei verbreiteten Muskehibscesson, oder ausgedehnten Hautgeschwüren auch Schüttel­fröste hinzutreten können, — Die Eieberanfälle sind meist unregel-niäsaig, seltener von regelmässig iiiterniiftirendein Character. In sehr sehneil und bösartig verlaufenden Fällen ist das Fieber bedeutend und verläuft ohne alle Remission, so dass bereits am Morgen eine Tempe­ratur von 41deg; C, vorhanden zu sein pflegt.
Bei der aeuten Kotzkrankheit verfallen die Patienten meist in der 8 — 4, Woche in einen Zustand allgemeiner Schwäche, in Folge beträchtlicher Abmagerung, Unter Steigerung des Fiebers, Klein­werden des Pulses, Auftreten von Delirien, entwickelt sich ein sopo-röser Zustand, die Haut wird kühl, die Athinung oberflächlich und unregelmässig, die Pupillen erweitern sich, es erfolgen unfreiwillige Stuhlentleerungen und unter den Erscheinungen des Collapses tritt der Tod ein. — Diesem können auch folgende etwas anders geartete Erscheinungen vorhergehen: Die Trockenheit der Mund- und Schlund-sehleimhaut mehrt sich, die Kranken werden heiser und schwerhörig, derNasenausfluss wird missfarbig, zuweilen stellt sich Gelbsucht ein, die Athem- und Schlingbeschwerden nehmen zu, ebenso die Ilauteruptionen und die Benommenheit des Sensoriurns, bis unter krampfartigen An­fällen und schnarchender Respiration der Tod den Kranken von seinen Leiden erlöst.
Der chronische Menschenrotz bietet im Wesentlichen die
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.Die UuizkniiiUln.'U des Mciisclu'ii mil obi'onlsobein Verlaufe,
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nämlichen Ersclioiiningeii, wie der acute, nur class dieselben weniger schnell sich entwickeln, manchmal auch für kürzere oder längere Zeit, oder für immer wieder verschwinden.
An dieser Stelle möge ein von mir im Jahre 1867 selbst beob­achteter Fall von obronisohom Menaohenrotz mit tödtlichem Ausgange in kurzen Zügen geschildert werden.
Unter den Pferden eines Fuhrunternehmers zu Kngelskirchen im Kreise Wipporlürth fim preussisobeo Regierungsbezirke Cöln) herrschte seit längerer Zeit die Botzkrankheit. Nachdem von 19 Pferden im Januar und Februar 18ü7 sechs Stück getödtet -worden waren, trat ein Stillstand von mehreren Wochen ein, weshalb von der land-riithlieheu Behörde (aus übel angebrachter Milde), ohne vorher ineine Ansiebt eingeholt zu haben, dem EigenthUmer über seine noch vorhan­denen 13 Pferde das freie Verfügungsrecht zurückgegeben wurde.
Es war dies um so bedenklicher, als im Januar und Februar e. a, bei einem der 18 Pferde, nämlich bei einem Hengst-Rappen Erschei­nungen oonstatirt worden waren (Hodeiientzündung und Lyniphgefäss-entzündung im Verlaufe der rechten Sporader), welche sieb zwar zurück­gebildet, nichts desto weniger aber hei mir Bedenken hinterlassen hatten, dass fragliches Pferd früher oder später an der Rotzkrankheit zu Qrunde gehen würde. Fraglicher Fahrunternehmer verkaufte alsbald 8 Pferde; die übrigen .quot;) wurden zu Unterkaltenbach in der Nähe von Engelskirchen von einem Hlittendirector K. beschäftigt. liier fand ich bereits am 23. Mai e. a. den vorhin erwähnten Hengst-Rappen in so hohem Grade rotzkrank, dass der Eintritt des Todes alsbald zu erwarten stand. Ausscrdem fand ich an genanntem Tage unter don fraglichen 5 Pferden einen Blauscbimmel-Wallach in hohem Grade rotzverdächtig. Die meinerseits zum Zwecke einer genaueren Explo­ration vorgeschlagene Trepanation der betreifenden Kopf-Lufthöhlen wurde von Seiten des Besitzers abgelehnt. Bei meinem folgenden Besuche in U. (am 31, Mai 18Ü7J erfuhr ich, dass der Hengst qu. todt und bereits begraben sei; den Zustand des erwähnten Blau-sehimmel-Wallachs fand Ich nicht wesentlich verändert. Am (5. .Juli desselben Jahres constatirte ich bei diesem Pferde die offenbare Rotz­krankheit (Nasenrotz); Patient wurde einige Tage später in meiner Gegenwart getödtet und secirt. Bei meinem vorletzten Besuche in U. hatte ich erfahren, dass in Stiefelhagen bei Engelskirehen ein 19jäh­riger Jüngling P. wahrscheinlich an Rotz erkrankt sei. Derselbe hatte eins von den früher verkauften 8 Pferden 4 Wochen lang ge­pflegt. Nachdem dieses Thier gestorben war, hatte er die frisch
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Die Kotzkrankhelt des Menschen mit obroniBobein Verlaufe
abgezogene Haut in einen Sack verpackt und etwa l Stunde weit auf dem Kopfe zum Gerber (nach Riinilerotb) gebracht. Ich besuchte den F. an genanntem Tage in Begleitung des behandelnden Arztes Dr. B, aus KngeUkirehen. Patient war seit etwa 5 Wochen krank, d. h. in ärztlicher Behandlung. Nach der mir durch Dr. B. gemachten Mitthoilung hatte sich zunächst eine Geschwulst an der rechten Wade gezeigt, welche sieh bei meinem Besuche in ein etwa 10 Ctm. langes Geschwür umgewandelt hatte, das einen wässerigen, jaucheartigen Eiter soeernii'te. lieber dem linken Auge war ein schankröses rund­liches Geschwür, etwa 1 Ctm. im Durchmesser haltend; dasselbe hatte einen speckigen Grund und zackige Ränder und war von einem ziem­lich rothon grossen Hofe umgeben. Rechts von diesem Geschwüre und über dem linken Auge zeigte sich je eine Pustel. Patient hatte ein erdfahles Aussehen und litt seit einiger Zeit an Nachtschweissen; in der vorhergegangenen Nacht hatte sich Husten mit Auswurf ein­gestellt. Auf der linken Backe (neben und unter dem Ohre) war ein Drüsenknoten von der Grosse eines Hühnereies vorhanden. Patient starb nach etwa (i Monate langen Leiden, nachdem einige Zeit vorher Nasenausfhiss, vollkommene Stimmlosigkeit (Aphonie) und über Nacht einigemal plötzlich hochgradige Athcmnoth sich eingestellt hatten.
Bei günstigem Ausgange, der bei chronischem Rotze nicht selten ist, zeigen die vorhandenen Loealaflbctionen Neigung zur Heilung, das Fieber verliert sieh allmählich, kurz alle Erscheinungen nehmen nach und nach ab, bis sie schliesslich ganz verschwinden. Die Kranken erholen sich manchmal sehr langsam und erlangen nicht immer ihre volle Gesundheit wieder. Es kann aber auch die Reconvalescenz selbst nach Monate langer schwerer Erkrankung ziemlich rasch erfolgen und die frühere Gesundheit und Körperfülle bald wiederkehren.
Die Sectionscrschoinungen sind, so weit sie für uns Interesse haben, aus den angefühlton klinischen Erscheinungen leicht zu ent­nehmen und sollen deshalb hier nicht näher besprochen werden. Es sei nur noch bemerkt, dass sie vielfach mit den beim Pferde ge­fundenen übereinstimmen. Die Betheiligimg der Lymphdrüsen ist beim Mensehen im Allgemeinen eine geringere als beim Pferde, während bei diesem die Hautprozesse nicht in demselben Maasse häufig sind und die Muskelabscesse ganz zu fehlen pflogen.
In manchen Fällen kann die Diagnose der Rotzkrankheit beim Menschen ohne grosse Schwierigkeit mit Sicherheit gestellt werden; häufig jedoch ist dieselbe schwierig und zuweilen selbst nach dem Tode mit Zuhiilfenahmo der Sectionsdaten nicht mit absoluter Gewiss-
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Die Kotzki'iuikheit dos llcnselicn mit chron. Verlaufe. Differentlaldiagnose, 307
heit zu stellen. Ich habe die Ueberzengung, dass Rotzinfectionet) beim ]Moiisclioii nicht selten vorkommen und heilen, ohne dass der Patient, eventuell auch dor Arzt weiss, worum es sich eigentlioh gehandelt hat; häufiger als beim Pferde dürften Loim Menschen spontane Hei­lungen, besonders unerkannt gebliebener, resp. latenter Rotzfälle vor­kommen. Es dürften alier auch andererseits für Schwindsucht oder Pyämie etc. gehaltene, tödtlich-endende Fülle öfter, als man weiss, in Rotziufectionen ihren Qrund haben. Damit soll nun aber keineswegs gesagt sein, dass Rotz und Tuberoalose identische Prozesse seien. Ich bin vielmehr der Ansicht Bollinger's, der sieh über diesen Punkt (s. Zeitschrift für Thicrmediein 187(3, S. 85 u. 8G) dahin äusseit : „dass die Öchloimhautknötehen und -Creschwüre beim Rotz häufig die grösste Aehnliehkeit mit, tnborciilösen Affeotionen dos Kehlkopfes und des Darmes zeigen, die sich sogar auf hiatologisohe Details erstreckt; dass ferner der acute und subacute Kuötclienrotz der Lunge häufig einer acuten oder subacuten Jliliartuhcrculose der Monschenliingo sehr ähnlich sieht und dass besonders auch die rotzige Pneumonio, die rotzige Schleimhautentztlndnng als Analoga der tuberculösen Pnou-monio, der tubercnlösen Schleimhautentzüntlung gelten können ;a
„dass aber trotz dessen Rotz und Tuberculose ihrem innersten Wesen nach grundverschiedene Prozesse sind, wie sich durch Impfung von Thieren, welche ebensowohl für Rotzgift, wie für Tuberkelgift empfänglich sind, leicht und sicher nachweisen lässt und thatsächlich nachgewiesen ist.quot;
Ich habe aber einigen Grund zu der Annahme, dass Erkrankungen des Menschen in Folge von Infectlonen namentlich mit flüchtigem Rotzgifte nicht so ganz selten klinische Erscheinungen im Gefolge haben, welche mit Tuberculose leicht verwechselt werden können. Es sind mir einzelne Fälle bekannt, wo nach Rotzinfoctionen heim Menschen nach dem Zurücktreten der ersten Erscheinungen ein jahre­langes Siochthum und endlich der Tod an Schwindsucht (Lungen-Tuberculose oder -Rotz?) eintrat. Wenn nun auch in den betreffen­den Fällen der sichere Nachweis eines causalen Zusammenhanges zwischen fraglichen Infcctionen und dorn Eintritt des Todes nicht geliefert worden ist, so scheint es mir doch der Mühe worth, auf die etwaige Möglichkeit derartiger Vorkommnisse aufmerksam zu machen, um die dem Menschen durch die Rotzkrankheit drohenden Gefahren nicht zu unterschätzen, — Es sei schliesslich noch bemerkt, dass heim Pferde eine Verwechslung der Rotzkrankheit mit Tuberculose deshalb nicht wohl möglich ist, weil bei dieser Thierspezies letztere nur sehr
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398 Dk'Rotzlu'iuikli.il. AF.: Prognose, liestimm.d.deutseh. Roifiisviohsouclienges.
Belton oder gar nicht vorkommt, [ch liabe sollist einige ImptVersuche bei J'ferden mit Tiiberkclgift vom Monsuhen und Binde vorgonommen, die sämmtlieh negativ ausgefallen sind.
Die Prognose dor Rotzkrankheit des Menschen gestaltet sich nach dem Verlaufe der Krankheit verschieden. Dieselbe ist für die acuto Form absolut ungünstig, während sie für die chronische Form eher noch Hoffnung aufkommen liisst; nach Bellinger sollen 500/0 der an chronisobem Rotz leidenden Menschen mehr oder weniger voll­ständig genesen. — Wie gross die Zahl der von latentem Kotz ge­nesenden Menschen ist, kann natürlich nicht ermittelt werden.
Mit der Dauer der Krankheit wird die Aussicht auf Heilung im Allgemeinen günstiger, obgleich Fälle bekannt sind, wo der Tod erst nach mehreren Jahren eintrat.
Das deutsche Rcichsviehseuchengesetz vom 2o. Juni 1880 ent­hält in Bezug auf die Rotzkrankheit folgende Bestimmungen :
sect; 40. Sobald der Rotz (Wurm) bei Thieren festgestellt ist, muss die unverzügliche Tödtung derselben polizeilich angeordnet werden.
sect; 41. Verdächtige Thiere unterliegen der Absonderung und polizeilichen Beobachtung mit den nach Lage des Falles erforderlichen Verkehrs- Und Nutzungsbeschränkungeo oder der Sperre (sect;sect; 19 bis 22).
sect; 42. Die Tödtung verdächtiger Thiere inuss von der Polizei­behörde angeordnet werden,
wenn von dem beamteten Thierarzte der Ausbruch der Rotz­krankheit auf Grund der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird, oder
wenn durch anderweite, den Vorschriften dieses Gesetzes ent­sprechende Massregeln ein wirksamer Schutz gegen die Verbreitung der Seuche nach Lage des Falles nicht erzielt werden kann, oder
wenn der Besitzer die Tödtung beantragt, und die beschleunigte Unterdrückung der Seuche im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
sect; 43. Die Cadaver gefallener oder getödteter rotzkranker Thiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
sect; 44. Die Polizeibehörde hat von jedem ersten Seuchenverdacht und von jedem ersten Souchenausbrucho in einer Ortschaft, sowie von dem Verlaufe und von dem Erloschen der Seuche dem General-Com­mando desjenigen Armee-Corps, in dessen Bezirk der Seuchenort liegt, sofort schriftlich Mittheilung zu machen. Befindet sich an dem Seuchen-
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Die auf Rotz bezüglichen UoscITo des deutschen Reiehes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ßOi*
orte eine Garuisou, so ist die Mitthoilung dein Gouverneur, C'omman-danteu oder Garnisonsältoston zu maehen.
Die lustmctioii des Eundcsrallies vom 24. Februar 1881 zur Ansfilhmng dieses Gesetzes lautet:
a. Allgemeine Vorschriften.
sect; ;}2. Wenn bei einem Pferde die Rütz- (Wurm-) Krankheit oder der Verdacht der Seuche (sect; 1, Absatz 2 des Gesetzes) festgestellt Ist Csect; 12 des Ge­setzes), so ist von der Polizeibehörde und dem beamteten Tliiernrzt (sect; 2, Absatz o des Gesetzes) tnöglichst zu ermitteln, wie lange die verdächtigen Erscheinungen sehou bestanden haben, ob neuerdings Pferde aus dem Gehöfte verkauft oder in verdächtiger Weise entfernt sind, ob die, kraulien oder der Heuche verdächtigen Pferde mit anderen Pferden in Berührung gekommen, ob and wo dieselben er­worben sind, nml wer der frühere Besitzer war.
Nach dem Krgelniiss dieser Ermittelungen sind die etwa erforderlichen JlnssregMn ohne Verzug zu treffen, und nöthigenfalls die anderen betheiligten Polizeibehörden von dem Krgebniss der Ermittelungen in Kenntniss zu setzen.
S So. Lässt sich nach den ermittelten Thatunistandea annehmen, dnss eine grössere Verbreitung der Rotzkrankheit In einer Gegend oder in einem Orte Btattgefnnden hat, so kann eine Revision sünimtlicher Pferdebcstände der Gegend oder des Ortes oder ein/einer Ortstheile durch den beamteten Thierarzt angeordnet werden.
sect; l!4. Die Polizeibehörde und der beamtete Thierarzt haben dafür Sorge ZU tragen, dass der Besitzer oder der Vertreter lies Besitzers eines rotzkranken oder der Seuche verdächtigen Pferdes auf die Gefahr der Ansteckung durch un­vorsichtigen Verkehr mit dem kranken Thiere aufmerksam gemacht wird.
Der Wärter eines solchen Pferdes ist von joder Dienstleistung bei anderen Pferden auszuschliossen und darf nicht in dem Krankenstalle schlafen. Personen, welche Verletzungen an den Händen oder anderen unbedeckten Körperlheilen haben, dürfen zur Wartung des erkrankten Thieres nicht verwendet werden.
sect; 35. Erfolgt die Ermittelung des Seuchenansbrnchs oder des Seuchen-verdaehts in Abwesenheit des leitenden Polizeibeamten, so hat der beamtete Thierarzt die sofortige Absperrung der kranken und der der Seuche verdächtigen, sowie die polizeiliche Beobachtung der der Ansteckung verdächtigen Pferde vor­läufig anzuordnen. Von dieser Anordnung, welche dem Besitzer der Pferde oder dessen Vertreter durch protocollnrische oder anderweitige schriftliche Eröffnung niilzntheilen ist, hat der beamtete Thierarzt sofort der Polizeibehörde eine An­zeige zu machen.
In seinem Berichte an die Polizeibehörde hat derselbe die rotzkranken und die verdächtigen (sect; 1, Abs. 2 des Gesetzesquot;) Pferde näher zu bezeichnen.
sect; :Ugt;. Die Polizeibehörde hat von jedem ersten Seuchenverdacht und von jedem ersten Seuchenausbruche in einer Ortschaft sowie von dem Verlaufe nnil von dem Erlöschen der Seuche dem Oenernl-Commando desjeiiigeuArmee-Corps, in dessen Bezirk der Seuohenort liegt, sofort schriftlich Mittheilnng zu machen. Befindet sich an dem Seiichenorte. eine Garnison, SO ist die Mittheilung dem Gouverneur, Connnaiulnnten oder Garnisonsältesten zu machen (S 44 des Gesetzesquot;).
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400
Die auf Rotz bezüglichen Gesetze des deulsehen Reiches.
b, Botzkranbe Pferde.
sect; o7. Isl der Rotz bei Pferden festgestellt, so hnt die Polizeibehörde, so­weit erforderlich, mich vorgiingiger Ermittelung der zu leistenden Entschädigung, die unverzligliclie Tödtung der Thiere anzuordnen (sect; 40 des Gesetzes).
Den Ausbruch der Rotzkrankheit bat die Polizeibehörde auf ortsübliche Weise und durch Bekanntmachung in dem lur amtliche Publioationen bestimmten Blatte (Kreis-, Amtsblatt u. s. w.) zur öffentlichen Kendiiss zu bringen.
Der Stall, in welchem sich rotzkranke Pferde belinden, isl an der Haupt-eingimgsthür oder an einer sonstigen geeigneten Siedle mit der Inschrift „Rotzquot; zu versehen.
sect; 38. Bis ZU ihrer Todtung sind die rotzkranken Pferde so abzusperren, dass sie mit anderen Pferden nicht in Berührung kommen können.
Die zur Wartung rotzkranker Pferde, benutzten Geriithschaften dürren vor erfolgter Desinl'ection aus dem Absperrungsraume nicht entfernt werden.
sect; 39. Die Tödtung der rotzkranken Pferde muss an abgelegenen oder an anderen, von der Polizeibehörde für geeignet erachteten Orten erfolgen. Bei dem Transporte nach diesen Orten muss dafür Sorge gelragen werden, dassjede Berührung der rotzkranken Pferde mit anderen Pferden vermieden wird.
g' 40. Die Cadaver gefallener oder getödteter rotzkranker Pferde sind durch Anwendung hoher Hitzegrade (Kochen bis zum Zerfall der Wcichtheile, trockene Destillation, Verbrennen) oder sonst auf chemischem Wege sofort un-schädlich zu beseitigen.
Wo ein derartiges Verfahren nicht ausführbar ist, sind die Cadaver an ab­gelegenen Orten zu vergraben, nachdem die Haut durch mehrfaches Zerschneiden unbrauchbar gemacht ist.
Die Gruben sind so tief anzulegen, dass die Oberlläche der Cadaver von einer mindestens 1 Meter starken Erdschicht bedeckt wird.
Das Abhäuten der Cadaver, sowie die Benutzung der Haare und Hufe ist verboten.
c. Der Seuche verdächtige Pferde.
sect; 41. Die Polizeibehörde hat die Tödtung und Zerlegung der der Seuche verdächtigen Pferde anzuordnen (sect; 42 des Gesetzes):
1)nbsp; nbsp;wenn von dem beamteten Thlerarzte der Ausbruch der Rotzkrankheit auf Grund der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird. Der be­amtete Thierarzt hat dabei zu beachten, ob die der Seuche verdächtigen Pferde der Ansteckung durch rotzkranke Pferde nachweislich ausgesetzt gewesen sind, ob verdächtiger Nasenausfluss, harte Drüsenanschwellungen, namentlich im Kehl­gange, verdächtige LymphgelUssansclnvollungen, verdächtige Knoten in der Haut, verdächtige Anschwellungen einzelner Gliedmassen bestehen, besonders aber, ob zwei oder mehrere dieser Erscheinungen gleichzeitig vorhanden sind oder neben einem einzelnen der genannten Krankheitszeichen Dämpfigkeit oder schlechte Be-schall'cnheil des Haares wahrgenommen wird:
2)nbsp; wenn durch anderweite, den Vorschriften des Gesetzes entsprechende Massregeln ein wirksamer Schutz gegen die Verbreitung der Seuche nach Lage des Falles nicht erzielt werden kann ;
3)nbsp; nbsp;wenn der Besitzer die Tödtung beantragt, und die beschleunigte Unter­drückung der Seuche Im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
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Die auf Rotz bezttgllohen Gesetze des deutsohen Reiolies.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 401
sect; 42. Der Seuobe rerdamp;obtlge Pl'erde mUBsen bis dahin, ilass entweder ihre Todtung erfolgt oder ihre vollständige Genesung oder ünverdächtigkeit von dem beamteten Tliiernrzte auf Orund sorgfältiger Untersuchung besclieinigt ist, unier Stallsperre gehalten werden, so dass jede Berührung oder Genieinsclinft mit anderen Pferden wirksam verhindert wird.
Die. Polizeibehörde hat zu diesem Zwecke das Erforderliche anzuordnen und den Besitzer des Stalles zu sedchen Einrichtungen anzuhalten, welche die wirksame Durchführung der vorgeschriebenen Sperre sicher stellen (sect; 22 des Gesetzes).
Eine Entfernung des der Stallsperre unterworfenen Pferdes aus dem Ab-sperrungsraume darf ohne ausdrückliche Erlaubniss der Polizeibehörde nicht statt­finden. Ferner dürfen die zur Wartung des abgesperrten Pferdes benutzten Stall-utensilien, Krippen, Raufen und sonstigen Geräthschaften vor erfolgter Desinfection aus dem Absperrungsraiunc nicht entfernt werden.
sect; 4'^. Die Polizeibehörde hat die unter Sperre gestellten Pferde mindestens alle 14 Tage durch den beamteten Thierarzt untersuchen zu lassen.
Wenn der beamtete Thierarzt nach dem Ergebnisse dieser Untersuchungen den Ausbruch der Rotzkrankheit bei einem als der Seuche verdächtig abge­sperrten Pferde für festgestellt oder auf Grund der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt oder die UnverdBchtigkeit eines solchen Pferdes bescheinigt, so hat die Polizeibehörde ohne Verzug die vorschriftsmässigen Anordnungen zu t reifen.
S 44. Ist ein wegen Seuchenverdachtes unter Sperre gestelltes Pferd ge­fallen oder auf Veranlassung des Besitzers getödtet worden, so hat die Polizei­behörde die Zerlegung des Pferdes durch den beamteten Thierarzt anzuordnen.
Die, nach dem Ergebnisse der Zerlegung erforderlichen anderweitigen An­ordnungen sind von der Polizeibehörde ohne Verzug zu treffen.
sect; 45. Werden die unter Sperre gestellten Pferde in verbotwidriger Be­nutzung, oder ausserhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit, oder an Orten, zu welchen ihr Zutritt verboten ist, betroffen, so kann die Polizeibehörde die so­fortige Tödtung derselben anordnen (sect; 25 des Gesetzes).
d, Der Ansteckung verdächtige Pferde.
sect; 41). Alle Pferde, weicht mit rotzkrnnken, oder der Seuche verdächtigen Pferden gleichzeitig in einem Stalle gestanden haben, oder sonst in nachweisliche Berührung gekommen sind, aber noch keine verdächtigen Krankheitserscheinungen zeigen, sind in besonderen Stallräumen unter polizeiliche Beobachtung zu stellen. In diese Stallräume dürfen andere, Pferde nicht eingestellt werden.
sect; 47. Die Polizeibehörde hat die unter Beobachtung gestellten Pferde mindestens alle 14 Tage durch den beamteten Thierarzt untersuchen zu lassen.
sect; 48. Der Besitzer der unter Beobachtung gestellten Pferde, oder dessen Vertreter ist anzuhalten, von dem Auftreten verdächtiger Krankheitserscheinungen an einem Pferde, insbesondere von Masenauslluss, Drüsenanschwellungen im Kehl­gange, oder Anschwellungen in der Haut, der Polizeibehörde ohne Verzug eine Anzeige zu machen und das erkrankte Pferd sofort von den übrigen Pferden ab­zusondern und unter Stallsperre zu halten. Die Polizeibehörde hat auf diese Anzeige nnverzäglicb eine Untersuchung des Pferdes durch den beamteten Thier­arzt zu veranlassen.
Pütz, Lehrbuoh der auBteokenden Thlertoanlthoitoi).nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-
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402
Die auf Rotz bezttglloben Gesetze des dentsohen Kelches.
sect; 49. 8(1 lange die unter Beobachtung stehenden Pferde bei der llnef-iir/tliclien Dntei'suobung Itel von rotzverdtkohtigen Krankheltsersohelnungen be-fanden werden, ist der gebrauch derselben innerhalb der Grenzen des Ortes und der Feldmark au gestatten.
Der Qebl'auoh der Pferde ausserhalb des Urles und der Feldmark ilarl' nur mit ausdrllokllcber Brlaubniss der Polizeibehörde stattfinden, Diese Brlaabniss ist nur unter der Bedingung zu ertlieilen, dass die Pferde nloht in andere Stal­lungen eingestellt und dass für dieselben fremde Futterkrippen, Tränkeimer oder Geriitlischaflen nicht benutzt werden.
sect; 50. Die IJüner der polizeilichen Beobachtung ist mindestens auf H Mo­nate festzusetzen.
Während dieser Zeit dürfen die Pferde ohne schriftliche Erlaubnlss der Polizeibehörde nicht in andere Stallungen oder Räumlichkeiten gebracht werden, Im Falle der mit polizeilicher Erlaubnlss erfolgten Oeberftthrung ist die Beobachtung in den neuen Stallungen oder Räumlichkeiten fortzusetzen.
Wird die Erlaubnlss zur Ueberfuhrung der Pferde in einen anderen Polizei­bezirk ortheilt, so muss die betreffende Polizeibehörde behufs Fortsetzung der Beobachtung von der Sachlage In Kenntniss gesetzt werden.
S 51. Wird den polizeilichen Anordnungen von dem Besitzer der unter Beobachtung gestellten Pferde nicht pünktlich Folge, geleistet, so sind die be­treifenden Pferde sofort der Stallsperre zu unterwerfen.
sect; 52. Ist ein wegen Verdachts der Ansteckung unter Beobachtung (S 40) oder Stallsperre (sect; 51) gestelltes Pferd gefallen oder auf Veranlassung des Be­sitzers getodtet worden, so hat die Polizeibehörde die Zerlegung des Pferdes durch den beamteten Thierarzt anzuordnen.
Die nach dem Ergebnisse der Zerlegung erforderlichen anderweitigen An­ordnungen sind von der Polizeibehörde ohne Verzug zu treffen.
S 53. Die Polizeibehörde hat die Tödlung von Pferden, welche der An-steckung verdächtig sind, anzuordnen, wenn der Besitzer die Tödlung beantragt und nach dem Ermessen der höheren Behörde die beschleunigte Unterdrückung der Seuche Im ölTentlichen Interesse erforderlich ist.
e. Desinfection.
#9632;i 54. Die Desinfection der Stallungen und Räumlichkeiten, in welchen rolzkranke oder der Seuche verdachtige Pferde gestanden haben, sowie der Krippen, Raufen, Tränkeimer und Geräthscl'mften, welche bei den Thiercn benutzt worden sind, der Geschirre, Decken. Sättel, sowie der Deichseln, an denen solche Pferde gearbeitet haben, mnss nach Anordnung des beamteten Thierarztes und unter polizeilicher üeberwachung erfolgen.
Die Polizeibehörde hat den Besitzer anzuhalten, die erforderlichen Des-infectlonsarbeiten ohne Verzug ausführen zu lassen.
öeber die erfolgte Ausführung der Desinfection hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
f. Aufhebung der Schutzmassregcln.
S 55. Die Seuche gilt als erloschen und die angeordneten Schntzmass-regelu sind von der Polizeibehörde aufzuheben:
I) wenn die rotzkranken Pferde gefallen oder getödtet sind;
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Diu ant' Kotz beziigliclien Gesetze Deutwchlaiuls und Oestcrreiclis. 403
2)nbsp; wenn die der Seuche verdächtiffen Pferde gefalleu, getijdtct oder von dem beamteten Thierarzt für gesund erklärt worden sind;
3)nbsp; wenn die der Ansteckung verdilelitigen Pferde gefallen oder getiidtet sind, oder während der Dauer der Beobaohtung keine rotzverdäohtigen Krscliei-nungen gezeigt haben;
und wenn in nllen Füllen die vorsohriftsmässige Deslnfeotlon erfolgt ist.
Dns Erlöschen der Seuche ist auf ortsübliche Weise und durch Bekannt­machung In dem für amtliche l'iiblicationen bestimmten Blatte (Kreis-, Amts­blatt u. s. w.) zur öffentlichen Kenntuiss zu bringen.
g, Anwendung auf andere Einhufer.
sect; 56. Die. für Pferde in den sect;sect; 32 bis 55 ertheilten Vorschriften finden auch auf Esel, Maulthiere und Maulesel Anwendung.
Das östeiTüichische Vielisuuchengesetz vom 29. Februar 1880 enthält in Bezug auf die Rotzkrankheit folgende Bestimmungen:
sect; 29. Rotz- (wurm-) kranke Thiere sind ohne Verzug zu tödten.
Des Rotzes (Wurmes) nur verdächtige Thiere sind abzusondern, unter Stalisporre zu halten und behördlicherseits zu beaufsichtigen, dieselben dürfen nur durch einen approbirten Thierarzt bcliantlelt werden; dauert der verdächtige Zustand über sechs Wochen, so hat der Eigenthümer des Thieres die weiteren Kosten der behördlichen Ueberwachung zu tragen; kann oder will sich derselbe hierzu nicht herbeilassen, so ist die Tödtung des Thieres zu veranlassen.
Thiere, welche mit rotz- (wurm-) kranken oder mit dieser Krank­heit verdächtigen Tiiioren in derselben Räumlichkeit untergebracht, oder überhaupt in solcher Berührung waren, dass hierdurch eine An­steckung erfolgt sein könnte, sind durch zwei Monate in besonderen Räumen unter thierärztliehcr Beobachtung zu halten und dürfen erst nach Ablauf dieser Zeit, falls sie sich dann als vollkommen unver­dächtig erweisen, zum freien Vorkehre zugelassen werden.
Die politische Bezirksbehörde kann die Benützung solcher Thiere innerhalb der Ortsgemarkung, insolange sie gesund sind, unter ange­messenen Vorsichten gestatten.
Die politische Bezirksbehörde kann auch die Tödtung von Thieren, #9632;welche Erscheinungen zeigen, die den Rotzverdacht begründen, an­ordnen :
a) wenn das Vorhandensein der Krankheit von dem beamteten Thierarzte auf Grund der erhobenen Umstände und der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird; oder
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4()4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dl6 llf llotz bezügliohon Gesetze OesteiTcichs.
b) wenn unter den oLwaltonden Umständen durch anderweitige, diesem Gesetz entspreidiende Mussregeln ein wirksamer Schutz gegen die Weiterverbreitung der Krankheit nicht erreicht werden kann.
Werden der Absperrung unterworfene rotz- (wurm-) kranke Thiere in verbotwidriger Bonützung, oder ausserhalb der ihnen an­gewiesenen Räunüiobkeit, oder an Orten, zu welchen der Zutritt für sie verboten ist, betroffen, so kann die Ortsbehörde die sofortige Tödtung derselben anordnen.
Die, Cadaver gefallener oder getödteter rotz- (wurm-) kranker Thiere sind mit Haut und Haaren unschädlich zu beseitigen (sect; 20 Nr.6).
Die miiiislerielle Verordnung vom 12. April 1880. in Bezug auf dieses Gesetz, lautet;
1)nbsp; Als rotz- (wurm-.) krank sind von dem Thierurzte nicht nur Jene Thiere anzusehen, bei welchen Rolzknoten oder sogar schon Rotz-(Wurm-) Geschwüre aul'der Nasenschleimhaul oder In der Haut zugegen sind, sondern auch jene. welche .solche Erscheinungen zeigen, die quot;einen Sachverständigen auf die Ent-wicklung der Rotz-(Wurm-) Krankheit, wenn auch nur in ihrem Beginne liin-weisen. Solche Pferde sind ohne Verzug zu tödten (sect; 29 des Gesetzes),
2)nbsp; nbsp;Kann der Amtsthierarzt auf Grund der vorhandenen Krankheitsersohei-nungen die Diagnose des Rotzes (Wurmes) mit Sicherheit nicht stellen, erscheint ihmaber das Thier als rotz- (wurm-) verdächtig, so ist dieses abzusondern, unter Stallsperre und behördliche Beaufsichtigung bis zur Entscheidung des Zustniules zu stellen und durch einen eigenen Wärter zu besorgen.
Für dasselbe sind besondere Stallgeräthe zu verwenden. Werden solche kranke Thiere in verbotwidriger Benützung betroffen, so findet auf dieselben die Bestimmung des sect; 29, Alinea 6, Anwendung.
3)nbsp; nbsp;Sobald sich die Erscheinungen des Rotzes (Wurmes) deutlicher ent­wickeln, ist die Tödtung des Thieres sogleich einzuleiten.
4)nbsp; nbsp;Die Tödtung hat auch zu erfolgen, wenn der verdächtige Zustand des Thieres über ti Wochen dauert und der Kigenthümer sich nicht herheilässl, die weiteren Kosten der behördlichen llebervvachung zu tragen (Ji 2!). Alinea 2 fies Gesetzes).
5)nbsp; nbsp;Die |jei'iodische Nachschau bei rotz-(wurm-)verdächtigen, der Beob­achtung unterworfenen Tlüeren. ist mindestens alle 14 Tage durch den Amts­thierarzt vorzunehmen. Während der Observationszeit dürfen diese Pferde ohne Erlaubniss der politischen Bezirksbehörde nicht in andere, als die für sie ange­wiesenen Ställe und Gehöfte oder Unterstände gebracht werden.
(J) Die Benützung von unter Beobachtung stehenden, anscheinend gesunden Thleren innerhalb der Ortsgemarkung kann von der politischen Bezirksbehörde nur unter der Bedingung gestattet werden. dass die Thiere nicht In fremden Stallungen, wenn auch nur vorübergehend, eingestellt und dass sie von anderen Pferden ferne gehalten werden können.
Wird den getroffenen Anordnungen von dem Besitzer nicht genau ent­sprochen, so sind die Thiere der Stallsperre zu unterwerfen.
7) Personen, welche mit der Wartung von rotz-(wiirin-) verdächtigen Thieren
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Die auf Kotz bezüglloben (besetze Oesterrelohs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;405
#9632;m\ thun haben, sind übei- die Uebertragbarkeit der Krankheit auf den Menschen und über die hieraus hervorgehende Qefahr zu belehrm.
Personen, welclie mit Santabsohttrfüngen, Wunden, üesclnviiren. Sclirnnden, (besonders an den lläiiden und im Gesichte) behaftet sind, dürren zur Wartung solcher Tliiere nicht verwendet werden.
Die Wärter haben eine Besudlung ihrer blosseu Köl'pei'theile mit den Ab-sonderungsstoll'en kranker Tliiere zu vermeiden, und sich zu hüten, die von diesen Thieren ausgeathmete Luft Unmittelbar einzuathmeu, sieli lange In dem Krankenstalle aufzuhalten, oder gar in demselben zu schlafen, oder die Decken solcher Tliiere für den eigenen Uebrauch zu benützen,
Sie sollen sieh und ihre Kleider nach jeder, bei einem verdächtigen Tliiere vollführten Dienstleistung sorgfältig reinigen und hierauf die Hände mit einer Carbolsiiurelösung waschen.
Eine solche Lösung ist daher in den betreifenden Ställen vorrätbig zu halten. Die Wärter von als rotz- (wurm-) krank befundenen Thieren haben ihre Kleider einer Desinlection zu unterziehen.
8) Werden rotz-(wurm-) kranke Thlere, oder Tliiere, die Krsclicinungen zeigen, welche den Rotzverdacht begründen, ansserlialb ihres gewöhnlichen Stand­ortes betroffen, so ist die vorschriftsmässige Amtshandlung rücksichtlich derselben an dem Betretungsorte einzuleiten.
Befindet sich der gewöhnliche Standort in einem anderen politischen Be­zirke, so ist die betreffende fiolitiscbe Bezirksbehörde hieven behufs der weiteren Vorkehrungen zu verständigen.
ü) Sind in einer Ortschaft mehrere Rolz-(Wurm-) Fälle vorgekommen, oder lassen Umstände eine stattgefuudenc weil ere Verschleppung des Ansteckungs­stoffes befürchten, so ist eine Revision des gesammten Pferdebestandes der be-treffenden Ortschaften oder einzelner Theile derselben durch den Amtsthierarzt von der politischen Bezirksbehörde anzuordnen.
10)nbsp; nbsp; Die Cadaver rotz- (wurm-) kranker Tliiere sind ohne Hinwegnahme irgend eines Theiles und nach kreuzweise zerschnittener Haut auf thermischem oder chemischem Wege unschädlich zu machen, oder wie die Cadaver milzbrand­kranker Thlere zu verscharren.
11)nbsp; Die Desin feet ion der verseuchten Stallungen, Gerätbe. Arbeitsgcscbirre n. s. w. ist wegen der Widerstandsfähigkeit und schweren Zerstörbarkeit des AnsteckungBStoffes auf das Eingehendste durchzuführen: schadhafte oder werth-lose hölzerne Geräthe, Halftern, Anbindstricke, Gurten. Docken, Geschirre werden am besten verbrannt.
Ist in einem zur Einstellung einer grösseren Anzahl von Thieren bestimmten Stalle nur ein Thicr mit Rotz (Wurm) behaftet gewesen und hat dieses seinen Standort nicht gewechselt, so kann sicli mit der Desinfection dieses Standes und der beiderseits anstossenden Stände begnügt werden. Trifft diese Voraussetzung nicht ein, so sind grosse Ställe, ebenso wie kleinere Überhaupt, in allen Theilen zu desinficiren.
Die Desinfection hat sich auch auf die Deichseln, an welche rotz-(wurm-) kranke Pferde gespannt waren, auf Stränge und Kelten, dann auf die zum Aus­führen der Cadaver benützten Wägen und auf die dabei beschäftigten Personen zu erstrecken.
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Die DrUSfi dor Pferde; Disposition.
12) Die Seuche ist als erloBohen zu erklären, wenn aämmtllohe rotaver-damp;ohtlge Thiere entweder getödtet oder genesen, bei den unter Beobachtung ge­stellten Thieren während der Dauer der Observation keine verdächtigen Krank­heitserscheinungen aufgetreten und die Desinfeotlousinassregeln durchgeführt sind.
11. Die Druse der Pferde.
raquo;Seit neuerer Zeit ist der Begriff dieser Krankheit enger be­grenzt worden. Früher bezeiclineto man jede Schwellang der Kehl-gangslymplidrüscn als „Drusequot; und gab derselben mancherlei ver­schiedene Namen, indem man unter ihrem Namen auch Krankheits-zustände schilderte, welche mit der eigentlichen Druse in Wirklich­keit nichts zu thun haben. Gegenwärtig definirt man die Druse als eine Jugendkrankheit, welche vorzugsweise durch eine grossc Dispo­sition zur Eiterbildung im ünterhautbindegewebe und in verschiedenen Körpqrtheilcn, sowie durch reichliche Schleimseeretion der Kespirations-schlehnliaut, besonders in ihren oberen Abschnitten, sich characterisirt. Diese Krankheit ist dem Pferdegesohlechte eigenthümlioh und kommt bei demselben vorzugsweise im Alter von 2 bis 4 Jahren vor. Es scheint, dass gegen Ende der Entwicklung des Pferdokörpers eine sehr ausgesprochene Disposition zur Eiterbildung ziemlich allgemein vorhanden ist, so dass es nur eines geringen Anstosses bedarf, um dieselbe hervorzurufen. So ist z. 13. eine Veränderung in der Lebens­weise oder im Autentbalte meist schon ausreichend, um bei Pferden im jugendlichen Alter resp. vor vollendetem Wacbsthum, Druse her­vorzurufen. Am leichtesten werden solche Individuen von Druse be­fallen, welche vor dem Verkaufe mastig, aber nicht kräftig gefüttert wurden. Demgemäss sehen wir, dass Handelspferde in der grossen Mohrzahl mit Druse behaftet sind.
Die Pferde Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Hollands und Englands erkranken im Allgemeinen leicht an Druse, besonders aber Zugpferde, so wie überhaupt Thiere gemischter Racen. Pferde constanter Racen, orientalische und ungarische Pferde etc., sind der Krankheit qu. weniger unterworfen. In sehr nördlich, so wie in süd­lich gelegeneu Ländern ist die Druse selten; ebenso bei Eseln und bei den Bastarden von Pferd und Esel.
Von manchen Autoren wird der Druse eine blutreinigende Be­deutung beigelegt. Es ist bekannt, dass bei jungen Thieren die Zahl der^weissen Blutkörperchen zu den rothen sich verhält, wie 5 bis 12 : 1000 und beim Ausbruch der Druse soll sich dieselbe sogar wie
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Die Druse der Plenle; Efscbeiimngeii und Dauer dev Krankheit, 4f)7
20 i 1000 verlialton, während sie boi vollliominiiii ontwickelton Pferden wie 2 bis .quot;5 ; 1000 sich verhält. Durch die Eiterung'sjn'ozesse, so wie durch die reichliche Schleinisecrotion der Kespirationsscldoimhiiut soll der Ueberschuss von weissen Blutkörperchen aus dem Blute entfernt werden, so dass ihr. /ahlenverliältniss ilaeh Ablauf der Druse sich bedeutend verändert und dem von 2 bis '#9632;': L000 sich genähert habe.
Die gewöhnlichen Erscheinungen der Druse sind im Wesentlichen folgende: Nasenoatarrh mit mehr oder weniger uinfangreicher Ge­schwulst entzündlicher Natur im subeutanen Bindegewebe zwischen den beiden llnterkieferästcn. Der Nasenausflnss ist zunächst klar und wässerig, später wird er eiterartig, klebrig und grauweiss. Auch die Augenlidbindeiiaut, so wie tiefere Abschnitte der Respirations­schleimhaut erscheinen häufig catarrhalisch afficirt. Nicht selten ist neben der raquo;Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre auch die des Rachens mit afficirt, so dass neben mehr oder weniger heftigem Husten beschleunigtes, unrcgelmässigos Athmen, so wie Schlingbe­schwerden in verschiedenen Graden sich bemerkbar machen. Die Ohrdrüsengegend ist in solchen Fällen gegen Druck mehr oder weniger empfindlich, manchmal angeschwollen. Diese Schwellung verliert sich zuweilen wieder, ohne dass es zur Eiterung kommt. Manchmal aber tritt mit Eiterbildung im Kehlgange solche auch unter der Haut und in den tiefer gelegenen Organen der Ohrdrüsengegend auf. Die Abscesso bilden sich im Bindegewebe und nicht, wie man früher glaubte, in den Lymphdrüsen. Sie treten zuweilen vereinzelt, manch­mal aber in grösserer Anzahl auf; im letzteren Falle sind die einzelnen Eiterherde kleiner, können aber durch Confluenz grosser werden. Mit der fortschreitenden Gewebsschmelzung wird scbliesslich auch die äussere Haut durchbrochen, und so der Eiter nach aussen entleert. Letzterer ist gelblichweiss, ralnnartig, stellenweise etwas blutig.
Nunmehr pflegt der Nasenausflnss, so wie die Schlingbeschwerde abzunehmen, der Appetit besser zu werden und das bis dahin vor­handene Fieber nachzulassen.
Die Dauer der Krankheit beträgt bei dem so eben geschilderten regelmässigen Verlaufe ca. 2 bis 4 Wochen. Ungünstige Verhältnisse bedingen indess mancherlei Abweichungen von diesem Verlaufe und können eventuell noch in der Reconvalescenz Rückfälle mit oder ohne Complicationen nach sich ziehen. — Es kommen aber auch Fälle vor, wo trotz der besten Pflege die Eiterbildung nicht zum Abschlüsse kommen will, so dasa zuweilen in den verschiedensten Körpertheilen Abscesse entstehen und das Leben des Patienten bedrohen, oder wirk-
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Die Druse der Pferde; Coniplicationen.
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lieh zu Grunde richten. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Eitenuig eine zu grosse Ausbreitung gewinnt, oder unentbehrliche Körpertheile zerstört, oder aber wenn eine sogenannte „Eitervergiftung (l'yaeraie)quot; zu Stande kommt. Abscesso in den Gelenken, oder in edlen inneren Organen sind besonders lebensgefährlich.
Dass durch derartige Complicationen das Krankheitsbild sielraquo; mannigfach ändern kann und muss, liegt sehr nahe. So können die Backen, Nasenflügel und Vorderlippe in Mitleidenschaft gezogen und dadurch die Futteraufnahnie erschwert werden. Bilden sich Bläschen und Geschwürchen an genannten Körpertheilen, so wird dadurch leicht Rotzverdacht vorgetäuscht, namentlich wenn solche Bläschen oder Pusteln auch an verschiedenen anderen Körperstellen auftreten und wenn Anschwellungen im Bereiche der Lyniphgefässe, der Lymph­knoten, so wie Petechien oder oberflächliche Ulcerationen auf der Nasenschleimhaut sich zeigen.
Der Catarrh der Respirationsschleimhaut kann sich über die oberen Partien derselben hinaus weiter ausbreiten, so dass auch die Luftsäcke, die capillarcn Bronchien u. s. w. mit ergriffen werden. Bei Füllung des einen oder anderen, oder beider Luftsäcke mit Schleiin wird die Ohrdrüsengegend sich mehr oder weniger hervor-wölben, wodurch Schling- und Athembeschwerden in verschiedenem Grade verursacht werden können. Beim Herandrücken des Kopfes gegen das Brustbein zu pflegt ein grösseres Quantum Schleim auszufliessen u. s. w. Bei capillarer Bronchitis werden besonders die Athembe­schwerden sich wesentlich steigern. Es würde zu weit führen, wenn ich hier die verschiedenen Krankheitsbilder einzeln auch nur in ihren allgemeinsten Umrissen zeichnen wollte, welche durch die zahlreichen möglichen Complicationen zum Ausdruck gelangen können.
Mit dein Hervortreten von Entzündungserscheinungen und Eite­rungsprozessen in der Brusthöhle, oder an einer anderen Körperstelle, treten die Erscheinungen des Nasencatarrhes und der Schwellung oder Eiterung im Kehlgange manchmal plötzlich zurück. Man hat diese Form dor Krankheit „verschlagene Drusequot; genannt. Tritt ein öfterer Wechsel in diesem Hervorbrechen der Erscheinungen an einer anderen Körperstelle auf, so pflegt man die Krankheitsform als „wandernde Drusequot; zu bezeichnen.
Dass durch solche neue Eruptionen des Krankheitsprozesses au verschiedenen Körperstellen der Verlauf des Leidens sich in die Länge zieht und ein mehr oder weniger chronischer wird, liegt sehr nahe. Demgemäss spricht man von „acuter oder gutartiger Drusequot; und von
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Dia Druse der Pferde; verschiedene Formen derselben,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;409
„chronischer und bösartiger Drusequot;. Es ist zu bemerken, class die beiden letzteren Bezeichnungen sich nicht immer decken, da eine Druse sich in die Länge ziehen und damit chronisch werden kann, ohne eigentlich bösartig zu sein. Dieser Character wird im Allge­meinen erst durch folgende Erscheinungen ausgedrückt:
Der Nasenausfluss ist von schlechter BeschatFenheit, flockig, grünlich-gelb und zuweilen sogar übelriechend. Die Nasenschleimhaut erscheint verwässert, mit gelblichen oder röthlichen Flecken resp. Striemen besetzt. Die Geschwulst im Kehlgange ist häufig umt'ang-reich, ödcmatüs, kalt, schmerzlos und zeigt keine Neigung zur Eiter­bildung. Die Keblgangslymphdrüsen sind stark geschwellt, hart und unempfindlich gegen Druck. Nicht selten sind auch die Lympbget'ässe der Nachbarschaft mit ergriffen, strangfönnig gesehwellt und ähnlich wie beim Wurm mit Knoten.versehen. Oedematöse Anschwellungen kommen nicht selten an verschiedenen Körporstellen vor, so z. B. am Halse, im Bereiche der Brust und des Widerristes, an den Glied­massen, oder gar in tiefer gelegenen Organen, wie in der Ohrdrüse, in der Achsel- und in anderen Lymphdrüsen, in den Hoden, in den Organen der Brust- und Bauchhöhle, selbst in der Schädelhöhle u. s. w. Dass demgemäss die Gefahr für das Leben des Patienten ebenso verschieden sein wird, wie das Bild der Krankheit, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung.
Auch bei der bösartigen Druse; verschwinden die Geschwülste nicht selten an der einen Stelle, während solche an einer anderen wieder hervorbrechen. Kommt es an irgend einer Stelle zur Eiterung, so trägt diese einen üblen Character; der Eiter ist dünnflüssig, arm an Eiterzellen, überhaupt von schlechter Beschaffenheit. Von den inneren Organen werden am häufigsten die Brustorgane mit afficirt, so dass asthenischc Lungen- und Brustfellentzündung, capilläre Bronchi­tis u. s. w. sich einstellen. Zuweilen aber wird auch der Verdauungs­apparat in unverkennbarer Weise mit ergriffen. Verstopfung, Darin-catarrh, selbst Diarrhöe und dergl. machen sieh in höherem oder geringerem Grade bemerkbar. — Auch Gelenkentzündung, Augen­entzündung, wobei zunächst die Conjunctiva betheiligt ist, Gehirner-scheinimgen u. s. w. können als Complication auftreten.
Früher glaubte man allgemein, dass Druse in Rotz übergehen könne und unterschied demgemäss noch eine „verdächtige Drusequot;. Bei Besprechung der Rotzkrankheit wurde hierüber das Nöthige gesagt.
Die Druse mit unregelmässigem Verlaufe kann Wochen, ja
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Die Druse der Pferde; AJtersanlage.
Monate lang dauern. Manobmal erholen sich die Patienten einigerlaquo; niassen, behalten iil)er noch längere Zeit ein glanzloses struppiges Haar; in manchen Fällen bleiben ausserdem Abmagerung und Hasten ebenfalls fortbestehen, so dass die Reconvalesecnz sieh sehr in die Länge zieht.
Eine bis jetzt noch strittige Frage ist die: ob die Druse ein und dasselbe Individuum nur einmal oder öfter im Leben befallen kann? resp. ob Pferde über 5 bis ti Jahre überhaupt von Druse be­fallen werden können':'
Die Antwort auf diese Frage fällt verschieden ans, je nachdem man das Wesen der Druse definirt. Sucht man dasselbe in einem Catarrh der Respirationssohleimhaut mit gleichzeitiger Affection der Lymphdrüsen, besonders im Kehlgange, wie dies früher irrigerweise ganz allgemein geschah, so muss man unbedingt zugeben, dass in den verschiedensten Lebensaltern Pferde an Druse erkranken können. Hiebt man aber die Affection des Lymphapparataa als eine unwesent­liche Complication der Druse an, und wetzt man das Wesentliche dieser in eine grosso Disposition zur Eiterbildung, sowie in eine solche Disposition zu reichlicher iSchleimabsondermig der Nasenschleim-haut und anderer Abschnitte der Respirationsschleimhaut, so gestaltet sieh unser Urtheil anders. Nichts destoweniger glaube ich, dass es zu weit gegangen ist, wenn man behauptet, Druse könne nur allein bei Pferden bis zu 5 oder ü Jahren vorkommen. Ich bin der Meinung, dass Druse eine Jugendkrankheit sei, etwa in dein Sinne, wie Scharlach und Masern des Menschen. Ich halte die Möglichkeit einer Erkrankung älterer Pferde an Druse eben so wenig für ausgeschlossen, als die Mög­lichkeit einer Erkrankung älterer Personen an Scharlach oder Masern. Thatsache ist, dass auch bei älteren Pferden, wenngleich verhältniss-mässig selten, mit Catarrh der Respirationsschleimbaut eine gutartige Eiterbildung im Kehlgange u. s. w. verbunden auftreten kann. Es erscheint mir aber unstatthaft, solche Zustände bei älteren Pferden nicht als Druse ansehen zu wollen, weil die Patienten älter als 4 oder 5 Jahre sind. Wenn auch in letzterem Alter und einige Jahre früher die Neigung zur Eiterbildung im Allgemeinen grosser ist, als in späteren Jahren, so schliesst dies doch die Möglichkeit keineswegs ganz aus, dass eine solche Disposition ausnahmsweise auch bei Indi­viduen mittleren und selbst höheren Alters vorhanden sein, somit Druse auch in späteren Lebensperioden eintreten könne. —
Nach der Dauer und dem Verlaufe der Krankheit haben wir eine „acute und chronischequot; Form, sowie eine „gutartige und bedenkliche
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DU' Druse der Pferde; Contaglosität derselben. Prognose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 411
odor bösartigequot; Druse untorscliiod(gt;ii. Aussei' diesen verscliiodonon For­men hat mau mich dem Character der Krankheit eine „entzündlichequot; und eine „torpidequot;, nach dem Verlaufe eino „regelmiissi^cquot; und eine „imregelmiissige'', nach der Zusamnicnsotzuug eine -einfachequot; und eine „complicirtequot; Form, nach ihrer Verbreitung eine „sporadischequot;, „enzoo-tischoquot; oder „epizootischequot; Druse unterschieden. Eine Erklärung dieser Bezeichnungen ist überflüssig. Dagegen müssen wir uns die Frage vorlegen, ob das stellenweise seuohenartige Auftreten der Druse durch einen Anstcckuiigsstoff vermittelt werde? oder ob dasselbe in weit verbreiteten anderweitigen iiusseren Schädlichkeiten, welche eine grös-sero Anzahl zur Druse geneigter Pferde fast gleichzeitig treffen, be­gründet sei, indem in Folge deren Einwirkung die bis dahin schlum­mernde Disposition zur Krankheit angefacht werde?
Gegenwärtig lässt sich diese Angelegenheit noch nicht sicher entscheiden. Die Mehrzahl der Sachverständigen ist geneigt, die Druse den ansteckenden Infectionskrankheiten zuzuzählen. Obgleich auch ich dieser Ansicht bin, so rauss ich doch bemerken, dass die als Be­weis mit in die Wagschale gelegte Permanenz der Druse in den Stallungen der Pferdehändler auch durch den Wechsel der Fütterung des Aufenthaltes u, s. w. sehr wohl erklärt werden kann, ohne des­halb nothwendig ein Contagium /.u Hülfe nehmen zu müssen. Mehr scheint mir für die Contagiosität dieser Krankheit der Umstand zu beweisen, dass in jedem grösscren Pferdebestande, so auch in Thier-spitälern, die Druse eine grössere Ausbreitung zu gewinnen pflegt, nachdem ein mit derselben behaftetes Pferd zugeführt und eingestellt worden ist. Aber auch diese Thatsache kann durch die Einwirkung eines verbreiteten Miasma's ohne Zuhiilfenahine eines Contagiums er­klärt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der bis jetzt noch un­bekannte Krankheitserreger auch ausserhalb des Thierkörpcrs sich zu erzeugen resp. zu vermehren vermag, dass somit die Druse auf mias-matischem Wege entstehen kann; ob dieselbe eine miasmatisch-con-tagiöse Krankheit ist, d. h. ob der betreffende Krankheitserreger auch innerhalb des Thierkörpcrs sich vermehren kann, ist nicht ganz sicher festgestellt, indess sehr wahrscheinlich.
Die Prognose ist im Allgemeinen günstig; nur hei unregel-mässigem Verlaufe und bei schwereren Complicationen zieht sich die Wiedergenesung in die Länge, oder in selteneren Fällen endet die Krankheit tödtlich.
Die Behandlung ist nach der Form der Krankheit verschieden. Bei regelmässigem Verlaufe ist jede arzneiliche Behandlung nicht nur
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Die Druse der Pferde; Behandlung.
Ubeifllissig, sondern eine Verschwendung von Arbeit, Zeit und Geld. Vermeidung jeder Gelegenheit zu Erkältungen, frisclio gute Luft, gleiclnuiissige mittlere Tcmpüratur, reiehliche und trockene Streu, bei starker öehleim- und Eiterabsundorung nahrhaftes, aber leicht ver­dauliches Futter sind wesentliche Bedingungen für den normalen Ab­iauf der Krankheitsprozesse. Bei guter, massig warmer Witterung können dio Patienten sich im Freien bewegen, während sie hei nasser Witterung im Stalle gehalten werden müssen. Bei kalter Witterung muss man die Thiere eindecken. An frischem Wasser lasse man es nicht leiden; man kann demselben kleine Gaben Brecliweinstein (täg­lich 1 bis 4 Gramm) zusetzen, wenn die Verdauungsthätigkeit einer Anregung bedarf. Die früher so sehr beliebten Drusenpulver leisten im Ganzen wenig, oder gar nichts; sie stehen nur noch bei Unkundigen in einem gewissen Ansehen, das von Charlatanen häutig benutzt wird, um das Pnblioum auszubeuten. — Aderlässe sind im besten Falle mindestens entbehrlich, in vielen Fällen aber geradezu schädlieli. Dieselben dürfen nur dann gemacht worden, wenn die Druse mit irgend einem anderen Uebel coraplicirt ist, welches eine Biutcnlziehung erheischt. — Fontanelle oder Haarseile sind meist überflüssig; ob sie jemals bei Druse einen positiven Nutzen zu gewähren vermögen, ist sehr zweifelhaft. Bei kräftigen, gut genährten Thiercn, wo es auf einen etwas grösseren Säfteverlust nicht so sehr ankommt, mögen sie zur Beförderung eines localen Eiterungsprozesses applicirt werden. Ob diese örtlichen Reize aber im Stande sind, die Eiterung bei der Druse auf den Ort des Fontanelles, resp. Haarseiles zn beschränken, erscheint mir hnmeriiin fraglich.
Die Geschwulst im Kehigange so wie an anderen Körperstellen wird zweekmässig mit irgend einem Fett eingerieben und wo möglich durch Aufbinden eines wollenen Lappens oder Schafpelzes warm ge­halten. Ist die Neigung zur Eiterbildung gering, so kann dieselbe gefördert werden durch zweckraässige Verwendung der feuchten Wärme. Die demgemäss vielfach empfohlenen warmen Breiumschläge verlangen indess viel Fleiss und Aufmerksamkeit; werden dieselben in nach­lässiger Weise gemacht, so können sie schaden, statt zu nützen. Ich ziehe es deshalb im Allgemeinen vor, dieselben durch Einreibungen und Warmhalten der betreffenden Theile zu ersetzen. Fett oder Altheesalbe mit gleichen Theilen Lorbeeröl, in hartnäckigen Fällen Cantharidensalbe, sind die Mittel, deren ich mich zur Reifung des Abscesses meist bediene. Die Abscesse überlässt man bei normalem Gange der Dinge am besten sich selbst. Das Aufschneiden derselben
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Die Druse der Pferde; Behandlung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 413
ist nur dann rathsam, wenn ihr spontaner Darohbruoh nicht erfolgt, oder wenn Athernnoth u. dergl. einen operativen Eingriff nötliig maelien. Waren die Abscesse vor iiirer Eröffnung ordentlich reif, d. h. war die Schmelzung des Gewebes bis in die Nähe der missoren Haut vor­gedrungen , so erfolgt später die Vernarbung sclinoller und vollkom­mener, als nach der Eröffnung unreifer Abscesse. Der Eiter inuss täglich einigemal aus dor Hautwunde herausgepresst, die Abscess-höble mit warmem Wasser ausgespritzt und demnach die äussere Haut im Bereiche der Wunde möglichst abgetrocknet werden. So lange Sobwellung im subcutanen BindegeMrebe, oder in den Lymph­drüsen besteht, können die Einreibungen von Fett, oder einer gelind reizenden Salbe fortgesetzt werden. — Reinigung der Krippen, Docken, Raufen, Barren etc. wird bei druseukranken Pferden öfter noting.
Bei starker und lange andauernder Eiterung ist eine besondere Aufmerksamkeit der Verdauungsthiitigkoit und der Ernährung des Patienten zuzuwenden. Störungen joner sind entsprechend zu behan­deln, wobei bittere und aromatisch bittere Mittel meist eine Haupt­rolle spielen. Um die Bildung rother Blutkörperchen zu fördern, kann man kleine Mengen Eisen innerlich verabfolgen. Zu diesem Zwecke genügt es, täglich 1 Gr. Eisenvitriol in Wasser gelöst, allenfalls mit dem Trinkwasser, oder mit anderen entsprechenden Mitteln verbunden, zu verabreichen.
Nach den vorhin gegebenen Verlialtungsmassregeln über die Behandlung drnsenkranker Pferde bedarf es wohl kaum der näheren Auseinandersetzung, dass und weshalb nicht zu viele Patienten in einem Stalle beisammen stehen dürfen. Besonders aber sorge man dafür, dass Pferde mit bösartiger Druse isolirt werden, da der bös­artige Character der Krankheit leicht übertragen werden kann.
Zuckerstoffhaltige und aromatische Mittel, so wie Salmiak, Ter­pentin u. s. w, stehen im Rufe, den Ausbruch der Druse zu ei'leich-tern und zu befördern. Obgleich ich im Ganzen auf den Gebrauch dieser oder anderer Drusenmittel nur sehr venig Werth lege, so will ich doch der Vollständigkeit halber hier einige als wirksam empfoh­lene Verbindungen von Arzneimitteln anfuhren. Im ersten Stadium der Krankheit, also vor dem Eintritt einer reichlichen Secretion der Schleimhäute habe ich früher ohne Nachtheil und wahrscheinlich auch ohne besonderen Nutzen folgende Latwerge verordnet:
Brechweinstein........ 8,00
Glaubersalz .........400,00
Süssholzwurzel........120,00
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414nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Influenza der Pferde,
Mit Wasser zur Latwerge gemacht, alle 2 Stunden ao gross wie ein
Entenei einzugeben.
Nach Eintritt der iSehleimsecretion verordne ich gewöhnlich :
Brechweinstein........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 8,00
Salmiak........... (10,00
Glaubersalz .........200,00
Fenchelsamen oder Dillsamen, oder aber Wachholdcrbeeren . . . 100—150 Gr. Althee- oder Süssholzwurzelnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;120 „
Mit Wasser zur Latwerge gemacht und 2stttndlioh ein Hühnerei gross
einzugeben.
Selbstverständlich müssen alle Arztieikörpei' fein pulverisirt sein, bevor sie unter einander gemengt und mit Wasser zur Latwerge ge­macht werden.
12. Die Influenza der Pferde.
Es ist dies eine dem Pferdegeschlechte oigenthümliche bei uns einheimische Seuche, welche in den Einzelfällen eine so ausserordent-liche Mannigfaltigkeit in ihrer äusseren Erscheinungsform besitzt, dass es dadurch unmöglich wird, in kurzen Zügen ein prägnantes und um­fassendes Bild derselben zu entwerfen. Fast alljährlich tritt dieselbe in kleineren und grösseren Pferdebeständen sporadisch oder seuchen-haft auf, wobei fast jeder einzelne Krankheitsfall besondere Eigen-thümlichkeiten zeigt. Wollte ich das Krankheitsbild der Influenza in allen möglichen Variationen darstellen, so würde ich einen grossen Theil der Symptomengruppon zeichnen müssen, wie selbige sich bei entzündlichen Erkrankungen der Respirations-, Verdauungs- und Harn-Organe in den verschiedensten Combinationen und unter Hinzutritt nervöser Complicationen so ungemein mannigfaltig zu gestalten ver­mögen. Ich werde mich deshalb hier auf die Darstellung derjenigen Erscheinungen beschränken müssen, welche eine allgemeine Uebersicht über die constantesten und wesentlichsten Vorkommnisse bei dieser Krankheit gewähren. Nur so kann es gelingen, einen brauchbaren Leitfaden zur schnelleren Orientirung in diesem weitverzweigten Ge­biete zu finden.
In neuester Zeit ist von DieckerholV (Die Pferdestaupe, Berlin 1882) mit Recht betont worden, dass den unter dem Hamen „Influenzaquot; beschriebenen Krankheitsformen keine innere Einheit zu Grande liege und dass zunächst zwei verschiedene Infeotionskraukheiten unterschieden werden müssten, für welche
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Die Inlliicnza der Pferde; KraiiklieitseisclieiuiiiigL'n.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;415
er die Manien ., linistseucliequot; und „Pl'erdestimpequot; voraolllilgft. Bevor icii auf die Interessanten Ansfilhrangen DleokerholTs nidier eingehe, will loh erst die Influenza nach der bisher üblichen Darstellung kurz schildern und dann zur Differential-Diagnose nach Dieokerhoff übergehen.
Dein ofFeabaren Kranklieitsausbrucho gehen häufig Vorboten voraus, indem die inficirten Thiere etwa 1 bis 3 Tage lang weniger munter sind als sonst, verminderte Fresslust neigen und im Stande der Ruhe öfter mit den Hinterbeinen schildern, d, Igt;. abwechselnd das eine oder andere Hinterbein auf der Zehenspitze mit vornüber gebogenem Fesselgelonke ausruhen. Werden die betreffenden Pferde aus dem Stalle gebracht, so bewegen sie sich trüg und schwer­fällig, der Gang ist gespannt, auch wohl im Ilintertheile schwankend. Manchmal ist eine steife gespannte Haltung, manchmal eine schwan­kende Bewegung des Hintertheiles heim Gehen die zuerst in die Augen fallende Krankheitserscheinung. Ein ander Mal gehen Kolik-ersoheinungen voraus, die im Verlaufe der Influenza sieh noch mehr­mals wiederholen können.
Aus diesem Stadium der Vorboten gehen dann innerhalb weniger Tage noch auffallendere Krankheitserscheinungon hervor, oder es treten solche auch wohl ohne weiteres und unvermittelt auf. Es stellt sich eine grosso Hinfälligkeit ein, welche von Fiebererscheinungen und einer bedeutenden Abnahme des Appetits begleitet zu sein pflegt. Das Froststadium fehlt, oder dauert nur ca. 1 bis 2 Stunden, worauf eine vermehrte, trockene Wärme der peripheren Körpertheile, namentlich des Rumpfes folgt; die innere Körpertemperatur beträgt gegen 40deg; C. und mehr. Die Patienten stehen mit gesenktem Kopfe da, ihr Puls ist klein, weich, und leicht unterdrückbar, 50 bis (iO mal in der Mi­nute wiederkehrend; der Herzschlag ist meist deutlich fühlbar ; die Athemzüge sind meist um G bis 8 in der Minute vermehrt, indoss nur wenig angestrengt. Am folgenden Tage zeigt die innere Körporwärme oft die nämliche Höhe, während die Mattigkeit und Abgeschlagenheit zugenommen haben. Der Kopf wird tiefer gesenkt, die Ohren hängen schlaff, weshalb ihre Spitzen sich weiter von einander entfernen; die Augen sind halb oder ganz geschlossen, die Schleimhaut derselben ist stark geschwollen, häufig dunkel-ziegelroth, manchmal mehr oder weniger gelblich. Die Nasenschlciinhout ist um diese Zeit in der Kegel feucht, ihre Follikel am unteren Ende der Scheidewand sind deutlich pro-minirend, und deren Oeffnungen erweitert. Das Zahnfleisch zeigt fast immer einen dunkel gerötheten Saum, die Zunge einen gelblichen Belag; die Maulschleimhaut ist in verschiedenen Graden feucht, und
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#9632;11()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Influenza der Pferde; Krankbeltsersohelnungen.
oft fliosst Sohleim aus der Miuilhülilo ab; die Temperatur des Maules ist wecliselnd, ebenso die der unteren Partien der Gliedmassen. Die Zahl der Atbemzllge ist manchmal auf 20 —35 in der Minuto gestiegen, ebne dass die Respiration besonders erschwert wäre. Ott ist ein kurzer, matter Husten vorlianden und die ausgeatbmete Luft vermehrt warm. Futter und Getränk werden gowöbnlieh versehmäht, der Kotli wird verzögert und in kleinen, mit Schleim überzogenen Ballen abgesetzt. Die Kranken legen sieh nicht, ihr Gang wird immer unsieherer, matter und schwankender, die Gliedmassen werden in steifer Haltung naehgesehleppt und nielit selten hört man ein Knacken in denselben. Die Bewegung scheint den Patienten Schmerz zu verursachen, wobei die Gelenke des Ilnterfusses und die Bengesehnen der Zeherglieder häufig gegen Druck empfindlich befunden werden. Bei günstigem Ausgange gestaltet sich der weitere Ivrankheitsveriauf etwa folgen-dermassen;
Die Mitleidenschaft der Nervenecntren ist in den einzelnen Fällen wohl sehr verschieden, fehlt aber kaum jemals ganz. In einzelnen Fällen sind periodische Krampfanfiille, oder aueli Lähmungen einzelner Körpertheile beobachtet worden. (Im Späthorbste des Jahres 1855 sah ich bei einem an Inlluonza erkrankton jungen Pferde eine Facialis-Läbmnng eintreten, welche innerhalb 4—(i Wochen sieh wieder verlor.)
Zuweilen stellen sich nach 3- bis (itägiger Krankheitsdaner An­schwellungen am Bauche, am Kopfe oder an den Gliedmassen ein; die Athemzüge erreichen die Zahl von 30 — 40 in der Minute, wobei die Bippenwände nicht festgestellt und keine erhebliehe Erweiterung der Nasenlöcher einzutreten, die Bauchmuskel aber deutlich mitbewegt zu werden pflegen; der Husten ist häutiger und ein Schleiinrasseln in der Luftröhre wahrnehmbar geworden. — Die Temperatur der Rörperperipherie ist eoastanter und gleicbmässiger verthoilt, als in den ersten Tagen der Krankheit, die Mastdarintemperatur steht auf 40—41 n. Die Harnausscheidung erfolgt wieder etwas häufiger, der entleerte Urin ist gelblich-braun, eiweisshaltig und enthält oft Gallen­farbstoffe. — Zwischen dem 6. und 9. Tage pflegt die allgemeine Blutwärme bereits auf 39,5 bis 38,5deg; C herunterzugehen und die Pulsfrequenz um tgt; bis 10 Schläge in der Minute abzunehmen, wäh­rend die Zahl der Athemzüge noch 5—8 'Page lang unverändert bleibt, oder doch nur um einige Züge in der Minute sich vermindert. Die Patienten werden munterer, heben den Kopf wieder freier in die Höhe, öffnen die Augen und nehmen wieder etwas Futter und Ge­tränk in kleineren Portionen zu sich, am liebsten guten Hafer, oder
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Die liillucuza der Pferde; Kniuldieitsersclicinimgen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;417
susses Wiesenheu, so wie reines Wasser. Die Harnentleerungen sind sehr reichlich geworden, so dass von männlichen Patienten der ganze Stand überschwemmt wird, während Stuten mehr die Abflussrinne in Anspruch nehmen; der Urin zeigt eine dunkle, bierbraune Farbe.
Es aehmen nunmehr auch alle übrigen Krankheitserscheinungen ab, nur die Schwäche dauert noch fort. Die Patienten legen sich wieder nieder und bleiben gewölmlicli lange, in sichtlieh behaglicher Ruhe, liegen; das Aufstehen verursacht ihnen meist mehr oder weniger erhebliehe Schwierigkeiten, je nach dem Grade der vorhandenen Schwäche. Zwischen dem 10. und 20. Tage verlieren sich in der Kegel alle Krankheitserscheinungeu; die Peconvalescenz ist je nach dem Grade des früheren Leidens und der Widerstandskraft der be­treffenden Thiere von verschieden langer Dauer, meist 2 bis 4 Wochen.
Bei dem so eben geschilderten Verlaufe sind keine ausgebrei­teten Entzündungen innerer Organe zur Ausbildung gelangt; wo dies geschieht, da wird das Krankheitsbild entsprechend complicirter und die etwaige Heilung verzögert, resp. die Lebensgefahr vergrössert.
Nicht selten treten Erscheinungen eines heftigeren Darmloidens auf, so dass manchmal sogar Kolikschmerzen, mit oder ohne Auf­treibung des Hinterleibes, in verschiedenen Graden wahrgenommen werden. In solchen Fällen kann Kothverhaltung mit Durchfall ab­wechseln, oder es dauert, bald hartnäckige Verstopfung, bald ein mehr oder weniger starkes Abführen, ohne Unterbrechung fort. Ist der Abfluss der Galle in den Zwölffingerdarm behindert, so kommt es zur Stauung derselben in dem betretfenden Canalsystcrae und zur Auf­saugung von Galle in das Blut. Die dadurch bedingte Gelbfärbung der sichtbaren Schleimhäute ist vielfach als ein spezifisches Symptom der Influenza angesehen worden, was indess ganz unberechtigt ist: denn wenn dasselbe, aus nahe liegenden Gründen, bei Darmcatarrhen, somit auch bei der Influenza, öfter angetroffen wird, so fehlt dasselbe bei fraglichen Erkrankungen doch immerhin keineswegs selten.
In anderen Fällen kommt es zu erheblicheren Erkrankungen der Respirationsorgane, indem die Erscheinungen einer Lungen-Brust­fellentzündung sieh denen des Catarrhs, zuweilen auch einer erheb­licheren Entzündung der Verdauungsorgane hinzugesellen. In jenen Eällen ist das Athmen erschwert, kurz und beschleunigt; bis 60 und mehr Atherazüge kommen auf jede Minute. Die Rippen werden fest­gestellt, und jeder Druck auf die Rippenwandungen, so wie auch das Anklopfen (mit dem Percuasionshammer) an dieselben, verursacht
Pütz, Lehrlmoh der iiustcckcnden Tlifcrkrimklielten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 97
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418nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I*'6 Influenza der Pferde; die einfache oder gutartige Form.
den Thieren Schmerz. Die Patienten suchen die Brusthöhle von jedem beengenden Drucke zu befreien, indem sie die Vorderbeine entweder weit auseinander stellen, oder die Zehe der Vorderhufe nach innen, das Ellenbogenbein nach aussen drehen. Treten wässerige Er-giessungen in die Brusthöhle ein, so pflegt der Puls momentan weicher und regelmässigor, überhaupt eine trügerische Besserung für kurze Zeit vorgetäuscht zu werden. Bald jedoch wächst die Athemnoth, welche sich bei reichlicher Exsudation bis zur Erstickungsgefahr, oder gar bis zur wirklichen Erstickung steigert. Die Auscultation und Percussion liefern uns hier schon frühzeitig wichtige Aufschlüsse über den vorhandenen Zustand.
Die Lungenaffection beschränkt sich nicht immer auf einen ein­fachen Catarrh; manchmal kommt es in den tiefer gelegenen Lungen-abschnitten (namentlich im mittleren Lungenlappen und in den beiden vorderen Spitzen) zur Eiterbildung und zu Zersetzungsprozessen. Letztere führen fast regelmässig zur Nekrose und Ulceration angren­zender Lungenabschnitte, wodurch „Höhlen, sogenannte Cavernenquot; entstehen. Durch Resorption der Zerfallsproducte wird dann ferner dem ganzen Krankhoitsbilde der faulige (putride) Character aufge­drückt. Es erscheint ein sehr übel riechender, dünnflüssiger, blutiger, oft mit grauen Gewebsfetzen durchsetzter Naseuausfluss, sowie ein übler Geruch der ausgeathmeten Luft.
Durch die angeführten Verschiedenheiten des Krankheitsbildes sind zunächst zwei Hauptformen der Influenza zu unterscheiden:
1) Die einfache oder gutartige Form mit geringer, oder doch massiger Erkrankung der Schleimhaut des Respirations- und Ver­dauungs-Apparates, bei welcher alle Erscheinungen, die sich auf die vorhandenen localen Prozesse beziehen, in geringem, oder doch nur massigem Grade auftreten, während die Fiebersymptome einen ver-hältnissmässig hohen Grad erreichen können. Die Mastdarmtemperatur steigt um 1 bis 3 0 C. Die Dauer dieser Form erstreckt sich in der Regel auf 4 bis 14 Tage. Indem die leichten Localaflfectionen bald ausheilen und die Ausscheidung der Krankheitserreger, so wie der Zerfallsproducte der Körpergewebe vorzugsweise durch grössere Mengen eines stark getrübten Harnes zu erfolgen pflegt. Es kann der Ver­lauf dieser Form sogar ein so milder sein, dass verschiedene Pferde, ohne merklich zu erkranken, durchseuchen. Ein tödtlicher Ausgang ist bei dieser Form der Influenza selten. Diese Form dürfte im We­sentlichen der später zu besprechenden Pferdestaupe (DieckerholFs) entsprechen.
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Die Inlluenza der Pferde; die entzündliche Form. (Jomplicationen. 419
2) Die entzündliche Form, bei welcher die Localerkrankungen nicht nur in grösserer Ausbreitung und Stärke auftreten, sondern auch auf die serösen Häute und auf die parenchymatösen Organe sich er­strecken, ist weit bedenklicher, das Fieber stärker. Je nach dem Vorherrschen der Erkrankung dieses oder jenes Organes oder Systemes wird das Bild der Krankheit sich gestalten und eine grosse Verschieden­heit der einzelnen Fälle zeigen. Das Sterblichkeitsverhältniss dieser Influenzaforra ist im Allgemeinen grosser, als bei der einfachen Form; besonders ungünstig pflegt dasselbe zu sein bei hochgradiger Erkrankung der Brust- und Hinterleibsorgane. Indess kann auch bei dieser Krank­heitsform die Reconvalcscenz eine verhältnissmässig kurze Dauer in Anspruch nehmen, während sie zwar nicht selten, besonders wenn Nachkrankheiten zur Ausbildung gelangen, sich über mehrere Wochen und Monate zu erstrecken pflegt. Die meisten hierin gehörigen Fälle dürften der Brustsouche (Dieckerhoff's) angehören.
Die beiden Hauptformen der Influenza können durch Hinzu­treten anderer Krankheitszustände in mannigfacher Weise complicirt und verschlimmert werden. So z. B. wird bei schlechter Stallung und mangelhaften Ventilationsvorrichtungen der Krankheit öfter ein fauliger Character aufgeprägt, indem durch Zersetzungsprozesse die Stallluft leicht verdorben und dadurch der Grund zum Hinzutreten von Sopticämie (Faulfieber), oder anderen Complicationen gelegt werden kann.
In diesem Umstände mag wohl ein Hauptgrund für den Er­fahrungssatz liegen, dass die Influenza in grösseren Pferdebeständen anfangs gutartig auftritt, während sie später an Bösartigkeit gewinnt. Gewöhnlich ergreift die Krankheit gleich in den ersten Tagen meh­rere, manchmal viele, selten nur einzelne Thiere. Es kommt nur ausnahmsweise vor, dass gleich die ersten Seuchenfälle von vorn­herein bösartig auftreten.
lieber die eigentlichen Ursachen der Influenza ist nichts Näheres bekannt. Es ist indess wahrscheinlich, dass irgend ein Mikroorganismus der eigentliche Krankheitserreger ist, weshalb das Leiden den In-fectionskrankheiten beigezählt wird. Aus dem meist seuchenartigen Auftreten der Krankheit in grösseren Pferdebeständen wird dann ferner auf die Contagiosität derselben geschlossen. Beide Geschlechter und jedes Alter, so wie alle Racen unseres Hauspferdes können an fraglicher Seuche erkranken und auch Esel sollen zuweilen von der­selben befallen werden.
Zahlreiche Beobachtungen haben gelehrt, dass bei scharfen Ost-
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420 Die Inlliieuza der Pferde; Ilrsiielien und Seelioiiserselieinungeii derselben.
winden und bei hohem Bai'omcterstande entzündliclie Zustände der Lungen und des Brustfelles leicht und häufig zu Stande kommen; — dass ferner die sogenannten typhösen oder septicämischen Formen häufiger bei niedrigem Barometerstande, also bei grösserem Feuchtig­keitsgehalte der atmosphärischen Luft, namentlich in feuchten, engen oder übersetzten, dunstigen Ställen öfter auftreten, als bei günstigen Stallverhältnissen und bei geringem Feuchtigkeitsgehalte der die Pa­tienten umgebenden Luft.
Auf Grund dieser Wahrnehmungen lassen sich für die Praxis werthvolle Anordnungen treffen, namentlich dann, wenn die samtari­schen Anforderungen in befriedigender Weise erfüllt werden können. Auch liegt hierin violleicht ein mitwirkendes Moment für die That-sache, dass die LocalafFectionen, trotz einer grossen Verschiedcsnheit der Einzelorkrankungen, in den verschiedenen Jahrgängen im Ganzen doch eine gewisse typische Constanz zeigen, was namentlich auch in Bezug auf Gutai'tigkeit oder Bösartigkeit des Krankheitscharacters gilt.
Durch das einmalige Uoberstehen der Influenza scheint die Empfänglichkeit für dieselbe auf eine noch nicht sicher ermittelte Zeit vernichtet zu werden. Die so erworbene Immunität scheint wenigstens auf die Dauer eines Jahres hinaus sich zu erstrecken, da viele Beob­achtungen vorliegen, wonach Pferde, die vor einem Jahre an Influenza gelitten hatten, bei einem neuen Souchcnausbruche unter ihren Stall­genossen von der Krankheit verschont blieben. Es ist wohl selbst­verständlich, dass man einen gewöhnliehen Catarrh dor Respirations-schleimhaut ebenso wenig mit Influenza, wie mit Druse identificiren darf.
Die Sectionscrscheinungen sind je nach den vorhandenen Loealisationen mannigfach verschieden: im Allgemeinen findet man pathologische Veränderungen an den Schleimhäuten und serösen Häuten, sowie in den sogenannten parenehymatösen Organen. In den Ent­zündungsherden der Lunge fand Friedberger Mikrokokken, seltener Diplobacterien und Torulaketten.
Die Behandlung der an Influenza erkrankten Pferde erfordert ebenso viel Umsicht, als Vorsicht. Man hat bei derselben nicht nur die vorhandenen Looalaffectionen, sondern auch den zur Zeit herr­schenden Krankheitsgenius, odo-.r allgemeinen Character der Seuche zu studiren und zu bcriicksichtigcn. Im Allgemeinen lassen sieh fol­gende Kegeln hier aufstellen:
Ein massig warmer, gut ventilirter Stall, eine reichliche Streu, Schonung und Ruhe des Patienten, Vermeidung jeder Erkältung, Ver­abreichung leicht verdaulichen Futters und ausreichende Mengen reinen.
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Die Influenza der Pferde; Behandlung derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;421
etwaraquo; beschlagenen Wassers, öfteres Frottiren des Körpers, namentlich bei ungleichmiissiger Vertheilung der Hauttemperatur, je nach Be-dürfniss Eindecken, — spielen bei der Behandlung influenzakranker Pferde eine wichtige Rolle. Vor allen Dingen müssen die Patienten mit Eintritt der ersten wahrnehmbaren Krankheitserscheinungen von jeder Dienstleistung dispensirt und entsprechend verpflegt werden.
Aderlässe dürfen nur bei ganz besonderer Indication für die­selben angewendet werden, jedoch sind starke Blutentziehungen, so wie alle anderen Entziehungsmittel, durch welche die Kräfte des^ Patienten in höherem Maasse und für längere Dauer in Anspruch ge­nommen werden, sorgfältig zu meiden.
Die Application ableitender Einreibungen auf die Rippenwan­dungen erfordert eine genaue Differentialdiagnose in Bezug auf dio vorhandene Brustaffection. Bei Brustfellentzündung kann sie grossen Nutzen, bei Lungenentzündung grossen Nachtheil verursachen. Woniger Vorsicht erfordert die Application eines Fontanelles vor die Brust, das nur bei fauligem Character der Krankheit, oder bei bedeutender Blutarmuth des Patienten schädlich ist, in allen anderen Fällen aber als ein Indicator für die Reactionsfähigkoit des Organismus dienen kann. Eine normale Eiterung der Fontanellwunde ist gewöhnlich ein Beweis für das Vorhandensein einer entsprechenden Reaction.
Innerliche Arzneimittel sind bei leichterer Erkrankung in der Regel überflüssig. Tndess kann man in solchen Fällen kleine Gaben Brechweinstein mit dem Getränke verabreichen und zwar 8,0 bis 15,0 Gramm täglich; wenn Durchfall vorhanden ist, darf das Mittel nicht gegeben werden.
Auf die Verdauungsthätigkeit muss man ein besonderes Augen­merk richten. Weder Verstopfung noch Durchfall darf längere Zeit unbeachtet bleiben. Die Wahl der Mittel hat sich nach den jedes­maligen Umständen zu richten.
Bei Schwächezuständen sind aromatisch-bittere Mittel, ätherisch­ölige Mittel u. dergl. angezeigt; bei grosser Hinfälligkeit ist nament­lich der Kampher am Platze, 2stündlich zu 2 bis 8 Gramm.
Bei hoher Pulsfrequenz ist die Digitalis mit Vorsicht zu ge­brauchen, etwa 4 mal täglich zu 0,50.
Bei serösen Exsudaten ist die Ver-bindung von Digitalis mit Borax (8,00—15,00 pro dosi) zu empfehlen. Auch kann die Punction der Brusthöhle indicirt erscheinen und sogar wiederholt werden müssen.
Dem Eintritt der Crisis gehen oft Unregolmässigkeiten im Rhyth­mus des Pulses voraus, namentlich ist ein aussetzender Puls nicht
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422nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Oie Influenza der Pfevdej Behandlung derselben.
selten. Die Haut ist feucht und wai'in, die Patienten legen sich nieder, machen sich's bequem, indem sie zuweilen die Beine von sich abstrecken u. s. w.
Um alle Erscheinungen der Influenza richtig zu deuten und dena-geraäss die Therapie zu leiten, ist eine genaue Kenntniss aller nor­malen und der verschiedensten pathologischen Lebensprozesse erfor­derlich. Es ist doshalb nicht möglich, an dieser Stelle auf weitere Details einzutreten. Es sei deshalb nur noch bemerkt, dass die Crisis in der Regel durch Ausscheidung reichlicher Mengen eines trüben Urins eingeleitet wird und dass demnach die vorhandenen Krank-heitserscheinungen abnehmen, indem Fresslust, Munterkeit u. s. w. allmählich wiederkehren.
Aber nicht immer ist die Heilung, resp. Genesung eine voll­kommene. Nicht selten kommen Nachkrankheiten vor, welche je nach ihrer Beschaffenheit eine grössere oder geringere Bedeutung haben. Die häufigsten und wichtigsten Nachkrankheiten der Influenza sind folgende:
1)nbsp; Augenentzündungen, die meist die äusseren Theile, nament­lich die Augenlidbindehaut betroffen und fast immer gutartig sind, zuweilen aber einen chronischen Vorlauf annehmen. Entzündung innerer Theile des Augapfels kommt als eigentliche Nachkrankheit der Influenza nur ganz ausnahmsweise vor.
2)nbsp; Uobler sind seeundäre Halscntzündungon, welche meist mit Athembeschwerden verbunden sind und nicht selten Hartschnaufigkeit für mehrere Wochen, oder gar für immer hinterlassen.
8) Sehr übel können seeundäre Entzündungen der Sehnenscheiden sich gestalten. Dieselben betreffen am häufigsten die Scheide des Kronen- und Hufbeinbeugers im Bereiche des Fesselgelenkes, können aber auch an anderen Sehnenscheiden vorkommen. Durch diese Ent­zündungen kann in ungünstigen Fällen der Patient noch nachträglich unbrauchbar gemacht und die lleconvalescenz ungemein in die Länge gezogen werden. Beides ist am häufigsten dann der Fall, wenn meh­rere Sehnenscheiden gleichzeitig, oder nach längeren Zwischenzeiten ergriffen werden.
Nachkrankheiten pflegen in den ersten 4 Wochen der Recon-valescenz aufzutreten. Diese muss deshalb möglichst sorgfältig über­wacht werden, damit jene möglichst fern gehalten werden. Die Fütterung muss nachdem Grade und der Beschaffenheit des vorhandenen Schwäche­zustandes sich richten. Gegen aligemeine Körperschwäche sind leicht verdauliche, aber nahrhafte Futtermittel zu vorabreichen, namentlich
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Die Influenza lt;\er Pferde; Behandlung derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;423
Hafer und Heu, oder, wenn es zu haben ist, Grünfutter. Alle Futter­mittel, einschliesslich' Getränke, müssen in guter Qualität und in kleinen Portionen, 5 bis 6 mal des Tages, vorgelegt werden. Eei grosser Schlaflfheit, besonders bei weicher Beschaffenheit des Kothes, kann ein Theil des Hafers geröstet und dann gequetscht mit gleichen Theilen Häckerling vorgelegt werden. Grünfutter ist dann weniger zweck-mässig, als beim Abgange fester, klein geballter Kothbailen, resp. bei verzögertem Mistabsatze. In diesen Fällen kann dem Getränke etwas Haferschrot oder Weizenkleie zugesetzt und Kochsalz in kleinen Dosen als Lecke vorgelegt werden. Nöthigenfalls vorabreicht man eine oder mehrere Gaben eines geeigneten Abführungsmittels.
Im Stalle muss Reinlichkeit herrschen und der Boden stets mit einer weichen und reichlichen Streu versehen sein, damit die Thiere sich stehend und liegend bequem ausruhen können. Stehen die Re-convalescenten auf hartem Boden, so legen sie sich nicht gern nieder und ruhen sich nie so lange und so vollkommen aus, als auf einer weichen und sauberen Streu. Dadurch wird die vollständige Genesung meist erheblich verzögert, und das Entstehen von Nachkrankheiten sehr begünstigt. Namentlich kommen dann Entzündungen der Sehnen­scheiden, zuweilen auch mehr oder woniger schwere Hufleiden zur Ausbildung.
Ist das Fieber vollkommen verschwunden, so bewege man die Reconvalescenten eingedeckt bei guter Witterung im Freien; bei un­günstiger Witterung müssen sie im Stalle gehalten werden, wenn nicht eine gedeckte Bahn oder Koppel zur geeigneten Verfügung steht. Die Thiere dürfen durch die Bewegung nicht angestrengt werden. Besonders vorsichtig muss man sein, so lange noch Athembeschwerden fortbestehen. Eine leichte, nur kurze Zeit andauernde Bewegung kann auch hier die Resorptionsvorgänge fordern, während Bewegungen von längerer Dauer, oder in schnellerem Tempo leicht Nachtheil bringen können. — Zur Arbeit dürfen deshalb die Reconvalescenten nur ganz allmählich wieder angewöhnt werden. Zunächst benutze man sie nur für kurze Zeit zu ganz leichtem Dienste und führe sie behutsam nach und nach in ihre frühere Thätigkeit wieder ein.
Wenn in einem Pferdebestande die Influenza herrscht, so achte man auf die Fresslust und auf die Bewegungen der noch zum Dienste verwendeten Thiere. Alle Pferde, welche leicht ermüden und stark schwitzen, oder Schleimhautleiden und verminderten Appetit zeigei^ müssen sofort vom Dienste dispensirt und entsprechend verpflegt und behandelt werden. Die Stallungen müssen nach gründlicher Reinigung
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Die Influenza der Pferde nach Dieokerhofl
und Durchlüftuiig öfter mit Gips ausgestreut werden, dem man zweck-mässig etwas rohe Carbolsäure beimengt. Selbst leichte Dienstleistungen werden oft uachtheilig, sobald, die Influenza, wenn auch erst in ge­ringem Grade bei dem betreffenden Individuum vorhanden ist. Es pflegen jenen meist hochgradige Erkrankungen zu folgen, während bei frühzeitiger Erkennung des Uebels und bei entsprechender Pflege und Behandlung der Patienten der Krankheitsverlauf meist in günstiger Weise beeinflusst wird. — Wo die Räumliehkeiten es gestatten, trenne man stets die kranken von den gesunden Pferden, bringe erstere in entsprechend eingerichtete Stallungen oder Boxen und vermeide jeden Verkehr des Wärterpersonals aus dem Krankenstalle mit den gesunden Pferden.
Wie bereits S. 414 erwähnt wurde, hat Dieckerhoff in einer interessanten Monographie nachgewiesen, dass unter dem Namen „In­fluenzaquot; verschiedene Krankheiten zusammengefasst worden sind. Die sehr beachtenswerthen Ausführungen in Rede stehenden Autors sollen ihrem wesentlichsten Inhalte nach nunmehr hier besprochen werden.
Nach Dieckerhoff müssen unterschieden werden:
a)nbsp; nbsp;Die Brustseuche der Pferde oder die entzündliche Influenza resp. Lungen-Brustfellentzündung, Pleuro-Pneumonia con-tagiosa equorum und
b)nbsp; Die Pferdestaupe oder die rothlaufartige Influenza, Influenza erysipelatosa equorum.
In der deutschen Literatur ist der Name „Brustseuchequot; ursprüng­lich (1806) für die Pferdestaupe gebraucht; bald nachher aber wurde dieser Name auch auf die contagiöse Lungenbrustfellentzündung über­tragen. Da man irrigerweise annahm, dass beide genannte Krank­heiten auf gemeinsamem Boden wurzelten, so fasste man dieselben als zusammengehörig auf und bezeichnete sie vorzugsweise als „In­fluenzaquot;.
Dieser Missgriff wurde dadurch begünstigt, dass beide Krank­heiten zuweilen neben einander auftreten, indem neben der alljährlich vorkommenden Lungen-Brustfellentzündung zeitweise auch die Staupe der Pferde auftritt. Dem Bogriffe der Influenza wurden dann auch häufig noch andere Pferdekrankheiten beigeordnet, namentlich die ein­fachen Catarrhe der Respirationsschleimhaut, die sporadische Lungen­entzündung und die infectiösen Magen-Darmcatarrhe. So kam ein wirres Bild von allen möglichen Formen der sogenannten Influenza zu Stande, das zu der gegenwärtig noch fortbestehenden Unklarheit über fraglichen Krankheitsnamen, resp. der unter demselben auftro-
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Die Bruetseuohe der Pferde nnoh Dieckerholl'.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 425
tendon Erkrankungsfonnen, führte. Da ein von Haubner vor etwa 20 Jahren gemachter Vorschlag, die Lungenbrustfellentzündung der Pferde nicht mehr „Influenza* zu nennen, unberücksichtigt geblieben ist, so empfiehlt Diockerhoff, um die bestehende Verwirrung möglichst wieder zu beseitigen, die Bezeichnung „Brastseuchequot; auf die conta-giöse Lungen-Brustfellentzündung zu beschränken, dagegen für die andere in Rede stehende Pferdeseuche den Namen „ Pferdestaupequot; anzunehmen.
Die Brustseuche der Pferde besteht ihrer gewöhnlichen Localisation nach in einer contagiosen Lungen-Brustfellentzündung und steht in dieser Beziehung der Lungenseuuhe des Kindes (so wie der croupösen Pneumonie des Menschen) nahe. Dass indess ein we­sentlicher Unterschied in Bezug auf das ätiologische Moment, rosp. in Bezug auf die Natur des eigentlichen Krankheitserregers vorhanden ist, ergibt sich aus der Thatsache, dass das Contagium der Brust­seuche des Pferdes bei Menschen und Rindvieh nicht zur Wirksam­keit gelangt und dass ebenso wenig das Pferd für das Lungenseuche-Contagium empfänglich ist. Von der in Rede stehenden Pferdeseuche werden am häufigsten die grossen Pferdebestände verkehrreicher Städte und industrieller Landwirthschaften, namentlich die Bestände der Cavallerie- und Artillerie-Regimenter heimgesucht. Fast in jedem Jahre tritt diese Krankheit an vielen Orten Deutsehlands bald mehr vereinzelt, bald in grösserer Verbreitung auf. In kleineren, mehr abgeschlossenen ländlichen Wirthschaften kommt sie nur selten vor. Obgleich die Einschleppung der Krankheit häufig nachgewiesen werden kann, so ist es doch fraglich, ob die Brustseuche der Pferde eine reine Contagion ist; vielleicht gehört sie zu den miasmatisch-contagiösen Krankheiten.
Erst im gegenwärtigen Jahrhundert ist die Brustseuche der Pferde genauer bekannt geworden und die deutschen Thierärzte haben sie allgemein „Influenzaquot; genannt. Früher nahm man an, die Brust­seuche des Pferdes könne aus sehr verschiedenen Schädlichkeiten hervorgehen. Nach den heutigen Anschauungen über die Natur in-fectiöser Krankheiten kann diese Ansicht nicht längermehr aufrecht erhalten werden; eine Krankheit, welche einen spezifischen Ansteck­ungsstoff erzeugt, muss nach der Lehre von der belebten Natur der Krankheitserreger von einer bestimmten Ursache abhängig betrachtet werden. Auf die Contagiosität der Brustseuche ist aber bereits vor 40 Jahren aufmerksam gemacht worden. Uebor die Incubatiunsdauer des Ansteckungsstoffes lassen sich zur Zeit keine genauen Angaben
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42()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die lärustseuche und Staupe der Pferde nach Dieckerhoff.
machen; wahrscheinlich beträgt dieselbe in der Regel 8 his 5 Tage, kann aber auch länger, vielleicht bis zu 14 Tagen sich hinziehen. In grösseren Stallungen, in welchen das Contagium zunächst auf die entfernt stehenden Insassen in unzureichender Verdünnung einwirkt, kann es 2 bis 3 Wochen dauern, bis bei allen für dies Krankheits­gift empfängliche Pferde, die Seuche zum Ausbruch gekommen ist. Nach den Versuchen Dieckerhoff's scheint die Pferdestaupe, wie andere Infectionskrankheiten, eine Immunität zu hinterlassen, deren Dauer noch näher ermittelt werden muss. — Das Krankheitsgift wird vorzugsweise durch die Rospirationsorgane in den Thierkörper aufgenommen und erregt (nach Dieckerhoff) zunächst in der Schleim­haut der Bronchien und Bronchiolon einen Entzündungsprozess, welcher von da auf das interstitielle Lungengewebe, eventuell auf die Pleura sich vorbreitet. Der mit den örtlichen Entzündungsprozossen sich vermehrende spezifische Infectionsstoff wird durch Resorption in das Blut übergeführt und bedingt durch Vermittlung der Circulation eine grössere Reihe pathogener Wirkungen, deren wichtigste auf die Er­regung von Fieber, von parenchymatösen Entzündungen und Schwel­lungen des Herzens, der Leber, der Magendarmschleimhaut, der Nieren, der Körpermuskulatur und der Milz sich erstrecken. Da nun bei der Brustseuche einzelne von den für das Contagium empfiinglichen Or­ganen in einem excessiven Grade erkranken können, wodurch das Kraukheitsbild und der Vorlauf ein besonderes Gepräge erhalten, so ist es nach meiner Ansicht weder unzulässig, noch unpraktisch, ver­schiedene klinische Formen der Brustseuche zu unterscheiden. In diesem Punkte stimme ich demnach mit Dieckerhoff nicht überein. (S. 1. c. S. 111.) Auch bei der Lungenseuche des Rindes kann man eine pleuritische und pneuraonische Form unterscheiden (nasse und trockene Lungenseuche). Diese Unterscheidung hat indess einen ge­ringeren practischen Werth, weil die Differentialdiagnose nicht immer sicher zu stellen ist und weil eine therapeutische Behandlung der Lungenseuche weder besondere Erfolge aufzuweisen hat, noch gesetz­lich erlaubt ist. Und obgleich dies bei der Rotzkrankheit auch der Fall ist, so hat man dennoch bei derselben mehrere klinische Formen unterschieden.
Die Pferdestaupe ist seit alten Zeiten bekannt und in der Literatur unter verschiedenen Namen erwähnt. Dieselbe herrschte in Italien in den Jahren 1301 und 1310; Laurentins Rusius, welcher dieselbe beobachtete, nennt sie „Fieberquot; und „Bräune der Pferdequot;. Im Jahre
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Dio Pferdestaupe namp;oh Dieckerliofl': Historisches.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 427
1648 war'sie in Deutschland weit verbreitet und von 1711 bis 1712 durchzog sie fast das ganze festländische Europa. Dieselbe wurde von einem berühmten schlesischen Arzte (Kanold) mit der gleichzeitig allgemein herrschenden Rinderpest identlficirt, resp. aus dieser her­vorgegangen, betrachtet. Lancisi, welcher das Auftreten der Krank­heit im Jahre 1712 in Italien erwähnt, nannte sie schlechtweg „epi-demia equorumquot; (Pferdeseuche). liuxharn, der die Seuche im Jahre 1732 von September bis November in England kennen lernte, nannte sie „morbus opideinious inter equosquot; und „lues equinaquot; (Pferdeseuche oder Pferdepest). Eine ausführliche Beschreibung der Krankheit und ihres Verlaufes in England verfasste der Thierarzt Gibson. Von 1706—1767 herrschte die Seuche wiederum allgemein in England, im Jahre 1768 in Nord-America und 1776 bis 1777 in Oberitalien. Brugnone bezeichnete sie als „brandige Bräunequot;. Ihres Auftretens in Hannover im Jahre 17B6 erwähnt Havemann. Dann herrschte sie in Deutschland von 170quot;) bis 1707 und von 1804 bis 1806 verbreitete sie sich über Europa. Aus dieser Zeit datiren viele Namen, welche man der Seuche beilegte (Pferdeseuche, epidemisches Pferdofieber, holsteinische Seuche, hannoverische Seuche, Brustseuche, Lungenseuche der Pferde, Typhus der Pferde, Lungentyphus, Lebertyphus, Faul-fieberseucho, gutartiges Nervenfieber, seuchenartiges Nervenfieber, Influenza). Man hielt damals diese Pferdeseuche für übereinstimmend mit der Influenza (reap. Grippe des Menschen. Während des Krieges 1813 und 1814 wurde sie mit dem Vordringen der russischen Armee über Deutschland und Frankreich verbreitet und deshalb „nissische Pferdekrankhcitquot; genannt.
Ich will die historischen Mittheilungen Dieckerhoff's hier nicht weiter reproduciren, sondern nur noch bemerken, dass in Rede stehende Seuche seither in den verschiedensten Ländern Europa's und an den verkehrsreichen Handelsplätzen Amerika's, bald hier, bald dort beob­achtet und unter verschiedenen Namen beschrieben worden ist. So nannte sie Veith „das seuchenartige Catarrhalfieber des Pferdesquot;: Hayne „epizootisches gastrisch-catarrhalisches Fieberquot;; Girard „Gastro-J]n-teritequot; u. s. w. u. s. w.
Die Ansichten der Thierärzte über die Natur der Krankheit differiren auch gegenwärtig noch in mehr als einem Punkte. Roll (Tbierseuchen 1881) betrachtet neuerdings die „Influenza der Pferdequot; als eine Seuchenkrankheit, deren Ursachen auf Stallmiasmen zurück­zuführen seien; ihre Contagiosität wird in Abrede gestellt. Die Seuche soll in zwei Formen (einer „catarrhalischenquot; und einer „pneumoni-
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Die Pferdestaupe ftls spezifische Krankheit.
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sclionquot;) vorkommen. Dieser Auffassung ist Konhäuser (Monatschrift des Vereins der Thierärzte in Oesterreich, 1881) mit Beibehaltung einer dritten Form (der „erysipelatosenquot; oder „typhösenquot;) beigetreten. Lydtin (Thierürztl. Mittheilungen, Juli 1881) denkt sich als Grund­lage der Seuche die „Influenzaquot;, welche sich durch besondere Formen manifestiron soll. Zundel (Viehseuchen-Bulletin von Elsass-Lothringen, 1881) gebraucht zur Bezeichnung der Krankheit, übereinstimmend mit dem in seinem „üictionnairequot; vertretenen Standpunkte den Namen „Typhus der Pferdequot;.
Dieckerhoff, der die Pferdestaupe verschiedene Mal, namentlich auch im Sommer 1881 in Berlin vielfach zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, ist überzeugt, class dieselbe eine besondere Krankheit ist und nicht mit der in Deutschland vorzugsweise als „Influenzaquot; ange­sehenen contagiösen Pleuro-Pneumonic der Pferde identifieirt werden darf. Ebenso wenig hält er die Characterisirung der Seuche als „Typhus oder typhoide Krankheit der Pferdequot; für zulässig. Denn die An­wendung des Wortes „Typhusquot; als complexe Bezeichnung für eine grössere Gruppe von Krankheiten habe in der modicinisclien Wissen­schaft schon seit mehr als 25 Jahren aufgehört. Die Begriffe von Typhus und Typhoid werden in der Medicin gegenwärtig auf be­stimmte infectiöse Krankheiten des Menschen beschränkt, welche bei den Hausthieren nicht vorkommen. Bei der Pferdestaupe macht sich in jedem Falle die Wirkung dos Kiankheitsgiftes auf die Central-apparate des Nervensystems bemerkbar. Fast immer zeigt sich eine mehr oder weniger starke Blutcongestion nach dem Gehirn. Da eine erhebliche Transsudation von Serum in die Ventrikel, oder in die maschigen Räume der pia mater bei den an Staupe verendeten Pferden nicht gefunden wird, so ist zu vermuthen, dass analog den Wirkungen narcotischer Gifte die im Blute circulirenden Krankheitsstoffe durch ihre chemischen Beziehungen zu den Nervencentren, fragliche Stö­rungen verursachen. Die Verunreinigung des Blutes dürfte sich nicht darauf beschränken, dass sich in demselben das spezifische Contagium befindet; zweifellos wird auch durch die Resorption der entzündlichen Gewebsproducte die Dyscrasio des Blutes vermehrt und verlängert, wodurch sich die Verzögerung in der Restitution des Organismus bei manchen Krankheitsfällen erklärt.
Die physiologische Leistung des Herzens ist in der Regel gleich von Beginn der Krankheit an beeinträchtigt; diese Störung beruht in einer Erkrankung des Herzparenchyms, welche sich bei der Section durch Mürbheit und Farbenvcränderungon der Herzmnskulatur zu er-
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üie kliiüseheii Ei'Bobeinungen der Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 429
kennen gibt. In Folge der vorhandenen Herzschwäche wird der Blut­lauf in den Lungen unvollkommen und dadurch die Respiration gestört.
Ein regelmiissiger Begleiter der Pferdestaupe ist ferner die Affection der Augen, die aber graduell sehr verschieden sein kann. Sie besteht in einer crysipelatöaeii Entzündung der Augenlid-Binde­haut mit starker Injection ihrer Gefiisse auf der undurchsichtigen Hornhaut, so wie in einer wässerigen Infiltration (ödematösen Schwel­lung) der Submucosa. Im weiteren Verlaufe der Krankheit setzt sich die Entzündung von der Conjunctiva sehr oft auf die durchsichtige Hornhaut und zuweilen auch auf die Regenbogenhaut fort. Nicht selten kommt es dann zur fibrinösen Iritis und zu einer Blutung in die vordere Augenkaramer.
Die Respirationsschleimhaut erkrankt im Anfange der Krankheit an einem oberflächlichen Catarrh mit geringer Secretion von wässerigem oder auch von grauweissem zähem Schleime. Gelblicher Nasenaus-fluss, welcher hauptsachlich aus Blutserum besteht, wird durch eine consecutive Broncho-Pneumonio herbeigeführt. Eine starke Dejection von eiterig-weissen Schleimmasscn aus der Nase wird nur bei pro-trahirtem Verlaufe der Krankheit beobachtet und ist dann ebenfalls als Theilerscheinung einer den Krankheitsfall complicirenden Bronchitis oder Broacho-Pneumonie anzusehen. Oft beschränkt sich der ober­flächliche Catarrh auf die Nasenschleimhaut. Nicht selten sind aber auch der Kehlkopf und die Bronchialschleimhaut afficirt. Nur bei einzelnen Pferden tritt die Entzündung der Kehlkopfschleimhaut in einem höheren Grade und mit einer die Inspiration erschwerenden, erysipelatösen Schwellung auf. Grosser ist die Zahl der Krankheits­fälle, bei welchen die Bronchitis eine gewisse Bedeutung erlangt, wo­durch der Husten häufiger wird. — Von der Nasenschleimhaut wird das Contagium durch die Lymphgefässe den submaxillaren Lymph­drüsen zugeführt, welche dadurch in eine erysipelatöse Entzündung mit Infiltration der Dri'isenläppclien und ihrer unmittelbaren Umgebung versetzt worden; dieselben bilden so eine festweiche Goschwulst, die aber niemals zur Eiterbildung kommt.
Die Zunge ist trocken und belegt, die Maulschleimhaut dunkler geröthet, häufig gähnen die Patienten viel und belecken gern kalte Gegenstände; in diesem Falle wird vorgelegtes Kochsalz begierig aufgenommen.
Der Koth ist in den ersten Tagen der Erkrankung in der Regel, (häufig während des ganzen Krankheitsverlaufcs) normal, nicht selten aber auch etwas röthlich (verwaschen) gefärbt und breiig. Bei schweren
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480nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die klinischen Erscheinungen der I'lcrdcstaiijie.
Afi'ectionen stellt sich Durchfall ein, der nach 1 bis 2 Tagen wieder aufhört, zuweilen aber auch als Nachkrankheit fortbesteht. Dem Ein­tritt des Durchfalles geht oft eine leichte Kolik vorher, welche ge­wöhnlich einige Stunden, oder wohl einen ganzen Tag anhält und in einzelnen Fällen sich öfter wiederholt. Bevor die Excremente eine wässerige Beschaffenheit annehmen, zeigen viele Pferde Mastdarm­zwang. In anderen Fällen entwickelt sich zunächst ein starker Maat-darmeatarrh, wobei der After sich öffnet und die unter Tenesmus entleerten Excremente mit dicklich zähem, eiterähnlichem Schleim umhüllt sind.
Der Harn ist gelblich, zuweilen fadenziehend und enthält meist nur Spuren, mitunter aber eine grössere Menge von Eiweiss. Die Menge des abgesetzten Urins ist vermindert; sein Gehalt an Epi-thelien und Chlorverbindungen ist grosser, wahrscheinlich auch an Harnstoff Am dritten bis fünften Tage wird der Harn oft klar oder sehwach gelblich und dünnflüssig ; sein spezifisches Gewicht, welches vorher 102U bis 1040 betrug, mindert sich bis auf 1010 und noch weiter abwärts. Wenn nun die Patienten viel Wasser aufnehmen, wie dies der Fall zu sein pflegt, so wird die Harnsecretion reichlich. Auch drängen solche Thiere oft zum Uriniren. In schweren Krank­heitsfällen ist der Harn zuweilen gelb-braun, dicklich trübe und faden­ziehend, reich an Eiweiss, Epithelien, weissen Blutkörperchen, kohlen­saurem Kalk und Chlorverbindungen. Dieckerhoff sah bei hochgra­digen Erkrankungen und bei verschlepptem Verlaufe, dass der Harn einen oder einige Tage hindurch durch die Beimischung von Blut eine dicklichtrübe, chocoladenfarbene Beschaffenheit besass, und ein­mal, dass sich als Nachkrankheit eine tödtlich verlaufende Nieren­blutung einstellte, wobei längere Zeit hindurch grössere Mengen Blut aus den Harnwegen ausgeschieden wurden.
Oft findet man bei staupekranken Pferden eine steife Haltung des ganzen Körpers und das Bestreben, jede Ortsbewegung möglichst zu vermeiden. Werden die Patienten hierzu genöthigt, so ist ihr Gang gespannt und steif, oder schwankend. Diese Symptome beruhen theils in mangelhaften Impulsen der motorischen Nerven, theils in schmerzhaften Irritationen der Aponeurosen und zum Theil in ent­zündlichen Ernährungsstörungen, welche die Substanz der Muskeln betreffen; diese sind nämlich zuweilen gegen Druck von auasen ab­norm empfindlich.
In den meisten Fällen entwickelt sich an einer, oder an meh­reren Gliedmassen eine erhebliche diffuse ödematöse Schwellung der
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Die klinischen Erscheinungen und Prognose der Pt'erdestnupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;431
Subcutis und bei Hengsten und Wallachen zuweilen auch der Vor­haut. Ebenso befindet aich in der Gegend des Brustbeines und bei schwer erkrankton Thieren auch am Kopfe, namentlich an den Lippen und am Unterkiefer, eine diffuse Anschwellung im Unterhautbinde­gewebe. An den Hinterschenkeln sah Dieckerhoff in 2 Fällen Throm­bose der Hautvene eintreten, worauf die Schwellung bedeutend zu­nahm und gelbliches, eiweisshaltiges Serum tropfenförmig aus der Haut hervorquoll. (Der von mir beobachtete, S. 232 beschriebene Fall gehört vielleicht auch der Pferdestaupe an.)
Die wichtigsten Krankheitserscheinungen pflegen am fünften oder sechsten Tage nach stattgefundener Infection sich einzustellen; es sind dies: Steigerung der Körpertemperatur, Pulsfrequenz, Einge­nommenheit des Kopfes, Störung oder Verlust des Appetits, Licht­scheu mit Thränen der Augen und Schwellung der Augonlidbinde-haut u. s. w. Gewöhnlich geht die Temperatursteigerung den anderen Symptomen um einen Tag voraus; oft wird aber auch die Herzaffection, oder die Verminderimg der Fresslust, oder die Augenaffection zuerst und bereits einen Tag vor der Temperatursteigerung beobachtet. Letztere beträgt 39,5 bis 41,0deg; C.; die Körpertemperatur ist aussen ungleichmässig. Das Deckhaar ist häufig gesträubt, während Schüttel­fröste nur ganz ausnahmsweise beobachtet werden. Manche staupe­kranke Pferde liegen viel und lange, während andere meist stehen.
Die Pulsfrequenz steigt bis auf (30 bis 120 Schläge in der Mi­nute und bleibt auch nach Abnahme der Körpertemperatur häufig noch mehrere Tage, selbst 8 Tage und noch länger fortbestehen. Die Arterie fühlt sich weich an, der Puls ist schwach, leicht unterdrückbar; der Herzschlag linkerseits. gewöhnlich fühlbar.
Das Athmen ist nur bei hochgradig erkrankten Pferden abnorm ; es werden dann 15 bis 40 Athemzüge in der Minute gezählt; zu­weilen wird ein kurzer, scharfer Husten gehört, welchen die Patienten nicht selten zu unterdrücken suchen. Aus der Nase fliesst ein grau-weisser Schleim in geringer Menge; bei leichter Erkrankung fehlt dieser Ausfluss häufig, während er in complicirten Fällen sich ver­schiedentlich ändern kann.
Bei günstigem Verlaufe lassen die Krankheitserscheinungen be­reits am dritten Tage, in schweren Fällen erst am fünften Tage und ausnahmsweise am sechsten Tage wieder nach, worauf innerhalb 2 bis 3 Tage Genesung einzutreten pflegt.
Die Prognose der Pferdestaupe ist im Allgemeinen günstig, in­dem durchschnittlich etwa 9(5 0/0 der Patienten genesen, 4n/o sterben.
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DilVorcMitialdiagnose der Bmstseuclie und Staupe der Pferde.
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Der Tud tritt meist in Folge von Lähmung des Herzens und der Lungen, oder des Gehirns ein, kann aber auch durch Nachkrank­heiten bedingt sein.
Dass es sich bei der Brustseucho und der Staupe der Pferde, trotz mancher Auhnlichkeiten der Krankheitsbilder, um zwei wesent­lich verschiedene Krankheiten handelt, hat Dieckerhoff durch ver­schiedene Versuche nachgewiesen. Er hat gefunden, dass die Pferde­staupe eine impfbare Krankheit ist und dass die erzeugte Impfkrank­heit eine Immunität gegen die Staupe, nicht aber gegen die Brust-seuche hinterlässt.
Abgesehen von dem wirthsehaftlichen Interesse erlangt die Differentialdiagnose schon wegen der verschiedenen Prognose beider Krankheiten eine grosse practische Bedeutung. In klinischer Hin­sicht ist deshalb zu bemerken, dass bei der Brustseuche stets die Lungen-Brustfellentzündung in erster Linie steht. Der Grad dieser Localafi'ection ist allerdings in den einzelnen Fällen ein sehr ver­schiedener. Häufig kommt es zur Ausscheidung eines massenhaften serös-fibrinösen Exsudates in die Brusthöhle, wodurch der Krankheits-vorlauf ungünstig beeinflusst wird. Zuweilen aber wird die Krank­heit coupirt, d. h. es tritt einige Tage nach Eintritt einer fieberhaften Reaction von Seiten des Gesammtorganismus Genesung ein, ohne dass es zur Lungen-Brustfellentzündung gekommen ist. Ich kann deshalb dem Aussprache DieokerhofPs „dass ohne in Rede stehende Local-erkrankung keine Brustseucho existirequot; nicht unbedingt beistimmen, weil auch für andere Krankheitsgifte, welche eine Localerkrankung häufig nach sieh ziehen, die Möglichkeit ihres Durchganges durch den Thierkörper nachgewiesen ist, ohne dass es zur Localisation an dem betreffenden Orte kommt und dass dennoch eine innere Durchseuchung, eventuell mit Hinterlassung einer Immunität, stattfindet.
Die bei der Pferdestaupe zuweilen vorkommende Lungen-Brust­fellentzündung ist stets eine seeundäre, nie eine primäre Affection; entzündliche Brustwassersucht mit reichlichem serös-fibrinösem Ex­sudate hat Dieckerhoff bei der Pfordestaupe nie beobachtet. Er legt deshalb auf die durch Auscultation und Percussion, sowie durch den Husten und das schmerzhafte Athmen festzustellende Lungen-Brust-fellentzüiulung hesouderen Werth für die Diagnose der Brustseuche, resp. für die Differentialdiagnose beider in Rede stehender Pferde­krankheiten.
Auch das Verhalten der sichtbaren Schleimhäute soll ein ver­schiedenes sein. Bei der Pfordestaupe fehlt eine eigentliche Gelb-
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Dill'ereiitialdingn. u. Vorbeuge geg. üriists. u. Staupe fl.Plerde. Die Stäup ed. Hunde 433
tärbung der Conjunctiva; an ihrer Stelle ist eine ödeiuatöse Infiltration des submueösen Bindegewebes vorhanden. Die geschwollene Con­junctiva erscheint bei der Pferdestaupe zwar nicht selten gelblich-roth; es ist dies jedoch die Folge einer Beimischung von Blutfarbe-stofl', von infiltrirtem gelblichem Blutserum. Wirkliche allgemeine Gelbsucht soll bei der Pferdostaupo nur bei Nachkrankbeiten vor­kommen und zwar meist bei solchen Patienten, die an einem heftigen Darmcatarrh und an allgemeiner Entkräftung leiden.
Die sogenannten „kritischen Entleerungenquot; bei der Pferdestanpe haben (nach Dieckerhotf) nur eine symptomatische Bedeutung; die therapeutische Formel von der „Anregung der Krisenquot; hat keine wissensohaftiiebe Berechtigung. Wenn sie in dem Momente eintreten, in welchem die Krankheitserreger ihre Existenzfähigkeit im Blute verlieren, so ist es berechtigt, sie denjenigen Erscheinungen beizu­zählen, welche die günstige Wendung (Krisis) begleiten. Einen eigent­lich heilsamen Wertb haben sie nur dann, wenn durch sie spezifische Krankheitserreger, reap, directe und indirecte gesundheitsschädliche Producte derselben, oder sonstige dem Körper fremdartige Substanzen aus dem Organismus entfernt werden. Nach meiner Meinung kann und darf man aber nur derartige Ausscheidungen und nicht jede be­liebige vermehrte Excretion als „kritische Entleerungenquot; bezeichnen.
Die Vorbeuge hat bei der Brustseuche und Pferdestaupe der Pferde vorzugsweise dafür zu sorgen, dass jede Gelegenheit zur Uebertragung des Ansteckungsstoffes vermieden werde. Es kann dies nur durch geeigneten Selbstschutz geschehen, da der Erlass gesetz­licher Massregeln gegen fragliche Krankheiten nicht rathsam erscheint.
13a. Die Staupe der Hunde.
Diese Krankheit ist die häufigste und mörderischste aller Hunde­krankheiten. Wir finden dieselbe unter den verschiedensten Namen von zahlreichen Autoren beschrieben. Die Bezeichnungen „Hunde­seuche, Hundepest, Hundekrankbeit, Hnnderotz, Staupe, Laune, Sucht der Hunde u. s. w.quot; sind noch heute allgemein gebräuchlich. Einige historische Notizen nach Friedberger's Vortrag „Die Staupe der Hunde, Jena 1881quot; mögen hier ihre Stelle finden :
In Europa soll die Staupe der Hunde nach Gemmern und Mecke vor dem Anfange des vorigen Jahrhunderts unbekannt gewesen und erst nach der Mitte desselben heimisch geworden sein. Viele Thier-
Pütz, Lehrbuch der austeckenrtou Thiorkrankheiton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2S
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Die Staupe der Hunde; Historisches.
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ärzte betrachten sie deshalb als eine neue Krankheit, die von Asien aus nach Europa eingeschleppt wurde (Spinola), • während andere (Housinger) Peru als ihre Heimath bezeichnen *). Auch Contenir hält sie für eine neue Krankheit; derselbe sagt (Ronen 1760): „Seit etwa 20 Jahren hat sich über das Hundegeschlecht eine Krankheit ver­breitet, wovon jedoch die Hühnerhunde am meisten befallen werden und die ebenso gut, wie die ßäude oder Pocken ansteckend ist etc.quot; — In Deutschland soll diese Krankheit vor 174G nicht bekannt ge­wesen sein. — In Frankreich wurde die Staupe in den Jahren 1702 bis 17(33 von Desmar in der Gegend von Boulogne-sur-mer beobachtet, verbreitete sich über verschiedene Theile Frankreichs, Spaniens, Ita­liens und Englands. 1763 und 1704, sowie 1769 und 1770 herrschte sie in Paris und breitete sich in den beiden letztgenannten Jahren über ganz; Frankreich aus. Auch in den 90er Jahren des vorigen und im Anfange dieses Jahrhunderts herrschte sie zu verschiedenen Zeiten in Frankreich ziemlich allgemein und wurde auch in Deutsch­land und England (1805) beobachtet. In den 30er Jahren dieseraquo; Jahrhundorts herrschte sie in England seuchenartig (Lentin). — Im nördlichen Russland soll sie erst seit 1783 heimisch sein (Spinola). —
Auch in neuerer und neuester Zeit kommt die Staupe der Hunde sowohl sporadisch wie seuchenartig in den verschiedensten Ländern vor; sie scheint indcss nicht mehr die früher zu gleicher Zeit beob­achtete weit verbreitete epizootische Ausbreitung zu erlangen. Sie befällt aussei- den Haushunden auch andere zur Hundegattung ge­hörige Thiere, Wolf, Fuchs und Schakal. — Bei der Hauskatze kommt zuweilen eine Erkrankung vor, welche mit der Hundestaupe grosse Aehnlichkeit hat, mit derselben vielleicht identisch ist; auch die Hyäne soll von dieser Krankheit befallen werden können.
Die Staupe dor Hunde ist der Influenza der Pferde in vielen Dingen sehr ähnlich. In ihrer einfachen Form stellt die Krankheit einen mehr oder weniger tief gehenden, meist seuchenartig auftre­tenden fieberhaften Catarrh der Respirationsorgane, oder des Magens und Darmcanalcs dar; nervöse Erscheinungen bilden eine häufige Complication. Fast immer ist die Bindehaut des Auges geröthet und sind sogar Trübungen der durchsichtigen Hornhaut nicht selten. Auf
raquo;) Ulloa, der 1735 bis 1740 Siid-AmcriUa bereiste, sagt, dass die Hunde der gesamniten siidomerikanisclien Staaten von einer besonderen Krankheit heim­gesucht werden, welche man dort „Festequot; nenne und die viel Aehnlichkeit mit den Mensclienblattern zeige (Kevue für Thierlieilk., Wien 1882, No. 1, S. 7).
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Die Staupe der Hunde; Disposition und IrU'eetion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;435
dieser kommt es auch wohl zur Bildung von Bläschen (sogeiiannten Phlyctänen), wobei gleichzeitig ein pustulöser Hautausschlag sich ein­zustellen pflegt. Nur Hunde und Katzen sind dieser Infections-Krank-heit unterworfen; verzärtelte Individuen und Racen sind derselben am häufigsten und heftigsten ausgesetzt.
Das jugendliche Alter ist der Entstehung fraglichen Leidens weit günstiger, als spätere Altersperioden; es fallen weitaus die meisten Erkrankungen an Staupe in das erste Lebensjahr. Gleichwohl ist kein Lebensalter absolut sieher vor derselben, selbst dann nicht, wenn das betreffende Individuum bereits früher die Krankheit einmal überstanden hat. In gewissen Jahrgängen gewinnt dieselbe, namentlich im Früh­jahre und Herbste, eine sehr ausgedehnte Verbreitung. Die unter Laien noch vielfach verbreitete Ansicht, dass jeder einigermassen alt werdende Hund während seines Lebens mindestens einmal von Staupe befallen werde, ist eine irrige; manche Hunde bleiben ihr ganzes Leben lang von dieser Krankheit verschont. Es gibt ebenso wenig an die jugendliche Entwicklung nothwendig gebundene Krankheiten der Thiere, wie es solche Krankheiten des Menschen gibt.
Die einzelnen Seuchenjahro verhalten sich in Bezug auf Gut­artigkeit oder Bösartigkeit des Verlaufes der Mehrzahl der Krank­heitsfälle keineswegs gleich, sondern nicht selten sehr verschieden.
Ob die Staupe auf dem Wege der Ansteckung sieh weiter ver­breitet, oder ob ihr manchmal seuchenartiges Herrschen lediglich miasmatischen, resp. atmosphärischen Schädlichkeiten zuzuschreiben ist, muss noch bestimmter ermittelt werden. Wahrscheinlich kann die ausgeathmete Luft, sowie das Nasensecret, vielleicht auch die Hautausdimstung eines mit Staupe behafteten Thieres, andere em­pfängliche Individuen bei entsprechendem Contacte anstecken. Die meisten Thierärzte scheinen an die Contagiosität der Hundestaupe zu glauben und, wie mich dünkt, mit Recht. Denn wenn auch Impfungen mit Nasenschleim etc. vielfach negativ ausgefallen sind (Hertwigu. A.), so lassen doch die klinischen Erfahrungen einen Zweifel an der An­steckungsfähigkeit dieser Krankheit kaum mehr zulässig erscheinen. Die gleichzeitige, oder schnell nach einander folgende Erkrankung der meisten jungen, resp. nicht immunen Hunde, welche in einem Räume zusammengehalten werden, oder sonst mit einander in nähere Berührung kommen, kann sowohl auf ein Miasma, wie auf ein Con-tagium, aber auch auf beide Factoren zurückgeführt werden. Ein Miasma, d. h. die Möglichkeit einer ektogenen Entwicklung des Staupe­keimes, wird kaum von irgend einem Sachverständigen bestritten; es
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Die Staupe der Himdc; Knuiklicitserreger.
sprechen aber aussei' zalilreicheu klinibchen Erfahrungen, auch ein­zelne positive Impt'resultate für die Möglichkeit einer endogenen Ver­mehrung des Staupekeimes, so dass die Hundestaupe wahrscheinlich eine miasmatisch-contagiöse Infectionskrankheit darstellt. Der An­steckungsstoff scheint flüchtig und fix zu sein.
Semmer behauptet (Zeitschrift für Thiermedicin Bd. I, S. 204 bis 207) in verschiedenen Organen, im Blute und im Harn bei 600-facher Vorgrösserung Kugelbacterien und kloine Stabbacterien gefun­den zu haben, welche er für die Erreger der Staupe zu halten geneigt ist. (Fig. I—VT, S. 200 1. e. : I. Staupebactorien, II, Milzbacterien, III. Septische Bacterien, IV. Fäulnissbacterien, V. Kotzbacterien, VI. llindorpestbacterien.)
Friodberger (Jahresbericht der Münchner Thiorarzneischule 1877 bis 1878, S. 65) konnte diese Bacterien bei einer grösseren Anzahl an Staupe erkrankter Hunde trotz aller aufgewandten Mühe nicht finden.- In seinem erwähnten Vortrag „die Staupe der Hundequot; sagt Friedberger S. 50: „Bis jetzt ist es mir blos möglich geworden Bac­terien, die den von Semmer beschriebenen in der ausserordentlichen Zartheit und Kleinheit gleichkamen, dabei sehr lebhaft beweglich waren, nebst Unmassen von .Mikrokokken in den Entzündungsherden der Lungen zu findenquot; .... üb dieselben zur Staupe in ursächlicher Beziehung stehen, lässt Friedberger unentschieden.
Wenn demnach der eigentliche Krankheitserroger der Hunde­staupe noch nicht sicher nachgewiesen ist, so darf doch als wahr­scheinlich angenommen werden, dass derselbe organischer und spe­zifischer Natur ist. Die Disposition der verschiedenen Individuen für die Wirksamkeit des Staupegiftes scheint _ indess durch gewisse Mo­mente in der Aufzucht gesteigert und gemindert werden zu können. Namentlich kommt hier die Ernährung der Hunde in den verschie­denen Altersperioden in Betracht. Zunächst darf man nicht vergessen, dass auch an das Mutterthier keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Hering (Repert. 1870) stellte fest, dass junge Hunde in 9 bis 10 Wochen das 10 bis 1 ifaclie des Gewichtes erreichen, welches sie unmittelbar nach der Geburt haben. Es folgt hieraus, dass eine säugende Hündin, selbst bei sehr guter Fütterung, nur eine kleine Anzahl Junge ausreichend mit Milch zu versorgen vermag und dass es daher unzulässig erscheint, derselben (i bis 8 Junge, oder gar noch mehr als Säuglinge zu belassen. Dann vergesse man nie, dass der Hund von Natur ein Fleischfresser, somit auf Fleischnahrnng an­gewiesen ist. Bei Jägern (und anderen Laien in medicinischen Dingen)
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Die leichteren (jirade der Hundestaupe,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 437
begegnet man oft der Meinung, dass durch Fleischnahrung die Dispo­sition für die Staupe gesteigert, oder die Ausbildung des Geruchsinnes beeinträchtigt, oder die Neigung „das Wild anzuschneiden statt zu apportirenquot; verstärkt werde. Es sind dies Vorurtheile, die jeder that-(•ächlichen Stütze entbehren.
Die leichteren Grade der Staupe sind durch geringere Munterkeit, verminderte Fresslust, durch öfteres Niesen und Husten, durch einen bald nachher sich einstellenden -Ausfluss aus den Nasen­löchern und den Augen gekennzeichnet. Nach 8 bis 14 Tagen pflegt dann der normale Zustand sich wieder einzustellen.
Nicht selten aber kommt bei der Staupe eine Entzündung innerer Organe zu Stande, so dass wir eine entzündliche Krankheitsform bei dieser Krankheit (wie bei der Influenza der Pferde) unterscheiden können. Auch hier sind ganz vorzugsweise die Respirations- und Verdauungs-Organe der Sitz der Entzündungsprozesse. Neben den Erchoinungen, welche das Localleiden als solches bedingt, wie z. B. neben hohen Athembescbwerdcn bei Lungenentzündung u. s. w. treten auffallende Fiebererscheinungen auf, wobei die Hinfälligkeit der Kranken häufig einen hohen Grad erreicht. Die Nase ist wann und trocken, der Husten kurz und schmerzhaft, der Kothabsatz verzögert, zuweilen schmerzhaft. Die catarrhalische Affection dringt bis in die feinsten Bronchien vor (capillaro Bronchitis u. s. w.), selbst die Schleimhaut des Magens und Darmcanales wird mit ergriffen, was sich durch Brechneigung oder wirkliches Erbrechen eines zähen , gelblieh grünen Schleimes, völlige Appetitlosigkeit, bisweilen durch Abführen zu erkennen gibt. Die flüssigen Exoremente sind manchmal mit Blut und vielem Schleim gemengt. Häufig gesellen sich auch, meist erst einige Tage nach dem Auftreten der catairhalischon Affection, nervöse Erscheinungen, Zuckungen, Lähmungen u. s. w. hinzu, welche oft nach dem Ver­schwinden aller übrigen Symptome fortbestehen bleiben. In Folge solcher andauernder Lähmungen werden die Patienten durch ihre eigenen Exoremente fortwährend verunreinigt und liegen sich über­dies nicht selten wund.
Zuweilen erseheint ein Bliischenaussehlag an der unteren Seite der Brust und des Bauches, so wie an der inneren Fläche der Schenkel. Derselbe beginnt mit flohstiohähnlichen Flecken, welche um den 3, Tag sich zu pustulösen Bläschen umgestalten, die zu dünnen Krusten eintrocknen. Bei reichlichem Ausschlage verbreiten die Patienten einen widerlichen, fauligen Geruch. Dieses Exanthem hat einige ältere Autoren veranlasst, die Staupe der Hunde mit der Pockenkrankheit
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438 Die Bohwereren Formen der Hundestaupe: Sectionsersoheinungen.
zu idcntificiren und in dor Vaccination der jungen Hunde irrigerweise ein Schutzmittel gegen die Staupe zu suchen.
Bei den schwereren Formen der Staupe ist der Ausgang nicht selten ein ungünstiger. Die Nasenlöcher und Augenlider werden durch einen reichlichen, schmierigen Ausfluss verklebt, das Athmen wird immer beengter, der Husten sehr schmerzhaft, das Fieber hoch­gradig. Die Temperatur steigt manchmal bis über 40deg; C. und sinkt schliesslich beim Eintreten des Sopors und gegen das Lebensende bis auf ca. 32' C. (Friedborger). Der Herzschlag ist nicht selten ausser-ordentlich beschleunigt. Siedamgrotzky hat betont, dass in Folge fettiger Degeneration des Herzmuskels Herzparalyse eintreten und dadurch das lethalc Ende beschleunigt werden kann. Die Schwäche und Hinfälligkeit wird immer grosser, die angesammelten Schleim­massen können durch Husten nicht mehr entleert werden, die Ver-daiumgsthätigkeit liegt gänzlich darnieder und so gehen die Patienten endlich, zu Grunde, bald früher, bald später. Hat die Schwäche einen hohen Grad erreicht, oder ist bereits Schlafsucht (Coma) eingetreten, so kann die Athemfrequenz sogar unter die Norm heruntergehen. Es ist aber zu bemerken, dass auch selbst die scheinbar verzweifeltsten Fälle schliesslich noch in Genesung übergehen können.
Nimmt die Krankheit ein tödtliches Ende, so sind die Sections-erscheinungen, je nach der vorhanden gewesenen Krankheitsform, mannigfach verschieden. Bald findet man die Respirations-, bald die Verdauungs-Organe vorwiegend verändert. Die Cadaver sind mehr oder weniger stark abgemagert, die Augenlider und Nasonöffnungen mit eitrigem Schleime verklebt. Entzündliche Veränderungen in den Lungen, Röthungund Schwellung der Respirationsschleiuihaut, Schleim-ansainmlungen an verschiedenen Stellen derselben, Welkheit und Blässe (fettige Degeneration) des Herzens, BlutiiberfUllung und Blut-unterlaufung der Schleimhaut der Verdauungsorgane und des Harn­apparates, Gelbfärbung der Leber, die oft mit röthlichen Streifen oder Punkten besetzt ist, Schwellung der Milz, starke Durchfeuchtung der Nervencentren (des Gehirns und Rückenmarkes) sind Befunde, die in mannigfachem Wechsel und mit anderen Veränderungen com-plicirt angetroffen werden.
Gegen die Staupe gibt es kein sicheres Vorbeugungsmittel. Die von Laien stellenweise heute noch empfohlene Einimpfung der Kuh­pockenlymphe, oder des Nasenausflusses, oder des Inhaltes der zuweilen auftretenden Bläschen haben sich eben so nutzlos erwiesen, als die prophylactische Verabreichung von Schwefelblüthen und ähnlichen oder
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Die Staupe der Hunde; Vorbeuge und Bebandluiig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 439
anderen Mitteln. Es empfiehlt sich, die gesunden, namentlich noch nicht immunen Hunde mit staupekranken nicht in Berührung zu bringen.
Ferner ist es rationell, wenn man junge Hunde nicht verweichlicht, sie ausreichend lang von der Mutter säugen und dann mit Fleisch füttern lässt. Einem von der Natur auf Fleischnahrung angewiesenen Thiere nur Pflanzenkost oder Suppen zu verabreichen, ist durchaus verkehrt.
Bei den Vorboten der Staupe kann die Verabreichung eines Brechmittels, strenge Diät und Vermeiden jeder Erkältung der weiteren Entwicklung der Krankheit Schranken setzen.
Als Brechmittel kann man den sogenannten Brechweinstein: 0,10 bis 0,25, oder Kupfervitriol: 0,10 bis 0,35 in etwa 30 Gramm Wasser gelöst, verabreichen. Empfehlenswerther aber ist die hypo-dermatische Injection von 3 bis 5 Milligramm salzsauren Apomorphins in etwa 1 bis 2 Cubctm. destillirten Wassers gelöst.
Die Behandlung der Staupe erfordert eine genaue Berücksichti­gung des jedesmal vorhandenen Krankheitszustandes. Bei einfachen Catarrhen der Respirationsorgano empfehlen sich im zweiten Stadium der Krankheit, welches sich durch mehr oder weniger reichliche Schleim-secretion kennzeichnet, silss-aromatische Infusionen mit Zusatz von Salmiak und Süssholzwurzelsaft. So z. B.
250 Gramm Fenchel- oder Anis-Thee, (1 : 12 oder 8), 15 Gramm Salmiak, 20—30 Gramm Süssholzwurzelsaft.
Alle 2 Stunden 1 Esslöffel voll für einen mittelgrossen Hund.
Gegen die nicht selten zurückbleibenden Lähmungen und Zuckun­gen sind reizende Einreibungen längs der Wirbelsäule anzuwenden.
In besonders hartnäckigen Fällen leisten hypodermatische Strych-nin-Injectionen, oder Nux vomica innerlich verabreicht, nicht selten gute Dienste. Diese Mittel werden indess nur unter Beobachtung der entsprechenden Vorsichtsmassregeln angewendet. Nach Feser kann man pro Kilo Hund 0,1 Milligramm Strychnin subeutan, oder 0,1 bis 0,2 Milligramm innerlich, täglich einigemal anwenden; sobald tetanische Erscheinungen sich einstellen, muss ausgesetzt werden. Douchen und Electrisiren können hier ebenfalls gute Dienste leisten.
Friedberger versuchte das Kochsalz als Heilmittel gegen die Staupe, da von Zippelius die Ansicht ausgesprochen worden ist, dass diese Krankheit die Folge eines Natronmangels im Körper sei. Die Erfolge
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Die Staupe der Hunde; Beluindlung. — ScluUVotz.
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dieser Behandlung sprachen gegen fragliche Hypothese, da die Sterb­lichkeit bei den mit Kochsalz behandelten Hunden grosser war, als bei den ohne Kochsalzgabcn behandelten Patienten.
Besonders wichtig ist die diätetische Verpflegung der Patienten, gutes Lager, Eeinlichkeit und frische Luft bei Vermeidung jeder Ge­legenheit zu Erkältungen; dann spielt eine den Verhältnissen ent­sprechende Nahrung, die bei heruntergekommenen Thieren eine kräf­tige, aber leicht verdauliche sein tnuss, eine Hauptrolle. Bei hohen Temperaturen empfiehlt Friedberger salzsaures Chinin und zwar 2 Gramm täglich für grössere Hunde, mit Wasser und Altheapulver zur Pillen-masse gemacht uud diese in 2mal, 2 bis 8 Stunden auseinander, zu verabreichen. Bei schlechtem oder ganz mangelndem Appetit Tinctura Rbei aquosa täglich 1—4 Theelöffel voll mit Wasser; gegen Diarrhöe Tinctura Opii simplex 10 bis 40 Tropfen täglich, in 2- bis 3stüiid-lichen Zwiachenzeiten mit Gummischleim; in hartnäckigen Fällen vor­suche man Höllenstein und zwar 2 bis 8 Centigramm 3- bis 4 mal täglich in destiliirtem Wasser gelöst. Gegen allgemeine Schwäche der Patienten empfehlen Trasbot und Friedberger Kaffee und zwar 30 bis 100 Gramm des gewöhnlichen Aufgusses in 3 Portionen ge-theilt, täglich zu verabreichen; auch gute Fleischbrühe und bei werth-vollen Thieren V2 bis 1 Theelöffel Südwein, täglich einigemal mit etwas Wasser verdünnt. — Der Augenlidcatarrh etc. wird nach den Regeln der Chirurgie und zwar meist mit Lösungen von Zinkvitriol (1 : 200—300 Theilen Wasser) behandelt; unter Umständen können stärkere Lösungen dieses Mittels (oder von Höllenstein) angewendet werden. Will man noch stärker einwirken und mit dem Hölienstein-stifte touchiren, so versäume man nicht mit Kochsalzlösung die touchirte Fläche gründlich abzuspülen, um den überschüssigen Höllenstein ab­zuwaschen.
13b. Der Schafrotz (Catarrhalfieber der Schafe).
Bei Schafen kommt ein chronischer Nasencatarrh vor, der sich zuweilen über die Schleimhaut der Luftröhre und ihrer Verzweigungen bis tief in die Lungen hinein ausbreitet. Man hat diesen Zustand „Schafrotzquot; genannt. Derselbe sucht meistens Schwächlinge heim, für welche er häufig verderblich wird.
Die Krankheitserscheinungen bestehen in Ausfluss eines zähen, gelblichen, oder missfarbigen, bisweilen übelriechenden Secretes aus den Nasenlöchern. Meist ist ein lockerer, häufig wiederkehrender
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Der Sclial'rotz und die WutliknuiUheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;441
Husten vorhanden, durch welchen viel Schleim nach aussen geschafft wird. In Folge Schwellung der Schleimhäute der Respirationswege und Verstopfung dieser mit Schleim sind gewöhnlich grosse Athem-boschwerden vorhanden. Augenlidcatarrh fehlt nie. Die Patienten gehen unter Zunahme der Atherabeschwerden und Abmagerung in der Regel nach einigen Wochen, oder erst nach einigen Monaten zu Grunde. Können indess die diätetischen Verhältnisse entsprechend ge­regelt, die Thiore namentlich vor Nässe und Kälte geschützt im Stalle gehalten und gut verpflegt werden, so sind Fälle von Genesung keineswegs selten.
14. Die Wuthkrankheit, Rabies, Lyssa,
Die sogenannte Tlundswuth ist eine der Regel nach absolut tödt-liche Infections-Krankhoit, welche vorzugsweise beim Hundegeschlecht sich entwickelt, reap, verbreitet, aber auch auf alle andern warmblütigen Thiore und den Menschen übertragen werden kann. Sie ist eine Pan-zootie im eigentlichen Sinne des Wortes, welche über alle Zonen dor Erde sich verbreiten kann. Schon im grauen Alterthume scheint diese Krankheit bekannt gewesen zu sein. Aristoteles wusste bereits, dass dieselbe durch den Biss wuthkranker Hunde auf andere Thiore übertragen werden kann. Obgleich seitdem viele altere und neuere Schriftsteller mit dieser Krankheit sich beschäftigt haben, so ist unsere Kenntniss ihres Wesens doch auch heute noch eine sehr mangelhafte.
Während sporadische Fälle von Humiswuth fast alljährlich in grösseren Staatsgebieten vorkommen, zeichnen einzelne Jahrgänge durch eine fast seuchenartige Verbreitung der Himdswuth, bald in diesem, bald in jenem Lande sich aus. Der Grund hierfür ist zur Zeit noch unbekannt. Er kann kaum nur darin liegen, dass zufällig eine viel häufigere Uebertragung des Giftes von einem auf das an­dere Individuum in solchen Jahrgängen stattfindet; wahrscheinlicher dürfte es sein, dass bis jetzt noch unbekannte Gelegenheitsursachen die Entwicklungsfähigkeit des Wuthgiftes, resp. dessen Virulenz zu steigern vermögen.
Ob die Wuthkrankheit bei Repräsentanten des Hundegeschlechtes noch spontan entstehen kann, oder überhaupt nur mehr durch Ueber­tragung des Wuthgiftes von Wuthkranken auf gesunde Individuen erfolgt, ist eine offene Frage. Für die spontane Entstehung werden die verschiedensten Ursachen angeführt, wie namentlich grosse Hitze,
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442nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t)io Wullikrankheit; Infection und Incubation.
unbefriedigter Geschlechtstrieb, schlechte Pflege und Behandlung etc. Alle diese Dinge scheinen indess in Wirklichkeit an der Entstehung der Wuthkrankhoit nur einen untergeordneten, oder gar keinen An-theil zu haben. Die meisten Sachverständigen sind der Meinung, dass diese Krankheit nur auf dorn Wege der dirocten Infection zu ent­stehen vermag, da das Wuthgift ansserhalb dos Thierkörpers, sowie im Cadaver seine Wirksamkeit schnell zu verlieren scheint.
Die Uebertragung des Wuthgiftes erfolgt meist durch den Biss eines wuthkrankeu Thieres, seltener durch Belecken zufallig vor­handener Wunden. Eine von todten Thieren ausgehende Infection ist jedenfalls nicht häufig. Bis jetzt liegen nur ganz vereinzelte Mit­theilungen vor, dass durch Sectionen an Cadavern wuthkrank gewe­sener Thiere eine Infection zu Stande gekommen sein soll. Dennoch aber bleibt Vorsicht bei diesem Geschäfte geboten, weshalb es rathsam ist, erst nach völligem Erkalten, resp. nach etwa 24 Stunden die OefFnung der Cadaver vorzunehmen.
Die Zeit der Incubation beträgt meist 3 bis 7 Wochen, selten weniger, nicht selten hingegen mehr. Bei Mensehen und Thieren sind Ausbrüche der Wuthkrankheit noch mehrere Monate nach erfolgter Infection sicher constatirt. Und dass auch noch nach 1 und mehr Jahren beim Menschen die Krankheit ausbrechen könne, ist verschie­denen derartigen Mittheilungen gemäss kaum zweifelhaft, vielmehr sehr wahrscheinlich. Galtier (Journal de mdd. vet. Lyon 1881) gibt an gesehen zu haben, dass bei einer Hündin die Wuth erst nach einer Incubationsdauer von einem Jahre und einigen Tagen ausgebrochen sei. Aehnliche Mitthoilungen finden sich in der Literatur mehrfach. Und nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Pferden und Rindern sind Incubationsfristen von mehr als 1 Jahre beobachtet worden. Bei Schafen und Ziegen scheint die Incubation nur sehr seiton bis zu 3 Monaten sich auszudehnen, nie aber diese Dauer zu übersteigen, während diese Frist bei Schweinen zuweilen um etwas überschritten worden ist. Der Grund einer so verschieden langen Incubationsdauer ist nicht näher bekannt.
Manche Aerzte sind der Ansicht, dass das Gift an der Eintritts­stelle in den Körper (Impfstelle) sich fortgesetzt vermehre und dem Blute eine Zeit lang in geringer Menge zugeführt, durch die Aus-scheidungsorgane während der Incubationsdauer stets wieder aus dein Körper entfernt werde, ohne zur Action gelangt zu sein. Diese könne dann später noch eintreten, wenn durch irgend einen der Vermehrung des Giftes günstigen Umstand eine stärkere Anhäufung desselben im
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üie Wutlikrankheil: Stadium der lucubntion und dev Vorboten. 448
Blute stattfände. Als solche die Vermehrung des Wuthgiftes be-güustigendo Momente, betrachtet man körperliche (und geistige) An­strengungen, neue Verletzungen, erhebliche Diätfehler u. s. w. (Virchow, Zoonosen S. 366 u. f.).
Auch beim Menschen pflegt die Ineubationszeit des Wuthgiftes für die meisten Fälle auf 8—7 Wochen sich zu erstrecken. Bei dem S. 454 und 455 mitgetheilten Trolliet'schen Falle brach die Wuth bei 6 Personen zwischen dem 15. und 30. Tage, bei 4 zwischen dem 30. und 40. Tage, bei 2 zwischen dem 40. und 53. Tage und bei 1 nach 3 Mo­naten und 18 Tagen aus. In seltenen Fällen scheint die Ineubationszeit sich auf ein Jahr und vielleicht noch etwas darüber hinaus erstrecken zu können. So soll am 15. April 1878 in Asperg der Stadtpfleger Braun an der Wuthkrankhoit gestorben sein, nachdem er am 14. Ja­nuar 1870, also 21j-i Jahr vor seinem Tode, von seinem eigenen Hunde in das rechte Handgelenk gebissen worden war. Die Wunde war da­mals von Braun selbst ausgesogen und demnach 4 Wochen in Eiterung erhalten worden.
Im Volksglauben spielen die Zahlen 7 und 9 eine grosse Rolle, indem an manchen Orten die thörichte Meinung verbreitet ist, dass die Wuthkrankheit entweder 7, resp. 9 Stunden, oder Tage, oder Wochen, oder Monate, oder Jahre nach erfolgter Infection zum Aus­bruche gelange,
Die Bisswunde vernarbt, wie jede nicht vergiftete Wunde. In der Regel geht dem offenbaren Ausbruche der Krankheit ein Jucken der Narbe kurz voraus.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,.
Im Krankheitsverlaufe lassen sich oft mehr oder weniger deut­lieh 3 Stadien unterscheiden, nämlich das der Vorboten, der Raserei und der Lähmung.
Während des Stadiums der Vorboten sind keine eigentlich spezifische oder pathognomonische Erscheinungen vorhanden. Die Thiere sind entweder deprimirt, oder aufgeregt; im ersteren Falle trag und mürrisch, im letzteren ungewöhnlich freundlich und munter, aber leichter reizbar, als gewöhnlich. Nicht selten kommt wechselweise Depression und Exaltation bei dem nämlichen Individuum zur Be­obachtung. Die Thiere wechseln häufig ihren Platz, fahren plötzlich aus dem Schlafe auf und zeigen überhaupt eine auffallende Unruhe. Die Fresslust ist in der Regel vermindert, der Durst nicht selten ver­mehrt, die Aufnahme von Flüssigkeit anfangs unbehindert, auch keine Spur von Wasserscheu vorhanden. Zuweilen zeigt sich Neigung zum Erbrechen, auch wohl wirkliches Erbrechen. Der Blick ist häufig
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Die Wiitliluaiikhcil ; Stadium der Vorboten mid IrriUition.
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stier, oigenthümlich verstört, manchmal weniger auffallend veriindert. Man bemerkt in den Bewegungen meist schon während dieses Stadiums eine gewisse Mattigkeit und. Schwerfälligkeit, ferner Unlust zu ge­horchen. Scheu, Widerspenstigkeit, Neigung unverdauliche Gegen­stände zu verschlucken; manchmal Erregung des Geschlechtstriebes, Catarrh der Nasenschleimhaut, Geifern aus dem Maule u. s. w. Neben diesen ErsoheiDUDgen können noch verschiedene andere auf­treten, es können aber auch mehrere, ja selbst die meisten derselben fehlen. Das Stadium der Vorboten dauert gewöhnlich 1—3 Tage, in­dem es selten früher, noch seltener später in das zweite Stadium über­geht. In der Regel verändert sicli die Stimme, indem sie eigenthüm-lich heiser und heulend (für den Sachverständigen charaeteristisch) wird.
Das Studium der Irritation, resp. der Raserei beginnt mit Zu­nahme der Unruhe und Erregbarkeit; der Hund sucht zu entweichen und zeigt eine mehr oder weniger grosse Lust zu boissen, Ist das Entweichen unmöglich, so steigert sich die Beisssucht, so dass Patient die Gegenstände seiner Umgebung angreift etc.
Die Heftigkeit, Zahl und Dauer solcher Wuthanfälle ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, und namentlich von dem Character des Patienten abhängig, resp. mehr oder weniger beeinflusst. Der erste Anfall ist gewöhnlich der heftigste und der am längsten an­haltende, so dass dies Stadium, in den ausgeprägtesten Fällen fast in einem einzigen Wuthanfalle zu bestehen scheint.
Gelingt es dem wuthkranken Hunde zu entweichen, so läuft er planlos umher und richtet dann nicht selten mehr oder weniger Un­heil an.
Dressirte Hunde, namentlich Stubenhunde, kehren nach einiger Zeit (etwa 24 Stunden) in der Regel nach Hause zurück, wenn sie nicht in die Irre gerathen, oder sonstwie an der Heimkehr verhindert werden. Die nun noch folgenden Paroxysmen treten meist mit allmäh­lich abnehmender Heftigkeit auf; dieselben können durch Neckereien, oder auch durch länger fortgesetzte Liebkosungen gewöhnlich leicht her­vorgerufen werden, so dass bei Unkenntniss dieser Thatsachcn gerade dadurch schon oft Unheil entstanden ist.
Während der Paroxysmen sind die Bewegungen des Patienten rasch und hastig; dagegen treten während der Pemissionen die Er­scheinungen der Schwäche, namentlich beginnende Lähmung des Hintertheils und des Unterkiefers deutlicher hervor. Ein Hund, dessen Unterkiefer während der Remissionen bereits herunterhängt, kann denselben, wenn er gereizt wird, oder sonst einen neuen Wuthanfall
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Die Wuthkrankhcii; Stadium tier Irritation and der Lähmung. 445
bekommt, dennoch so stark, gegen den Unterkiefer bewegen, dass dadurch eine Hautverletzung bei Mensch und Thier, somit eine In­fection herbeigeführt werden kann. — Dies zweite Stadium dauert selten länger als 3 oder 4 Tage, indem es allmählich in das dritte und letzte Krankheits-Stadium übergeht.
Bevor wir dies betrachten, sei noch bemerkt, dass Hofhunde, oder überhaupt nicht dtessiite Hunde, wenn sie während der beiden ersten Stadien ihre Ilcimath verlassen, meist in die Ferne schweifen, 80 dass sie manchmal an dem Orte, WO sie der Krankheit erliegen, oder wegen ihres verdächtigen Benehmens getödtet werden, gänzlich un­bekannt sind.
lieber das Verhalten derartig hurumschweifender Hunde existiren im Publikum allerlei Mährchen. (Gradauslaufen, Schaum vor dem Maule, Einklemmen des Schwanzes u. dergl. m., letzteres tluni feige. Hunde, namentlich in der Fremde stets.
Wuthkrauke Thiere laufen keineswegs immer gradaus, zuigen aber in sehr verschiedenem Grade Rauflust u. s. w., sie scheuen kein Wasser, sondern schwimmen durch grössere Teiche, Bäche und klei­nere Flüssehen hindurch etc.
Das dritte Stadium ist durch das allmähliche Versehwinden der Paroxysmen, durch eine auffallende Abnahme der Kräfte des Patienten, durch zunehmende Abmagerung, Einsinken der Flanken, kurz durch allmählich stärker werdende Erschöpfung gekennzeichnet. Die Lähmungserscheinimgen nehmen immer mehr zu, so dass die Thiere schliesslich nicht mehr aufstehen können und der Unterkiefer weit vom Oberkiefer entfernt ist. Dessenungeachtet ist auch in diesem Stadium eine gewisse Vorsicht immer noch sehr empfehlenswerth, da selbst bei fortgeschrittenen Lähmungserscheinungen die Patienten auf äussere Reize häufig noch weit energischer reagiren, als man nach ihrer vorausgegangenen Theilnahmlosigkoit erwarten zu dürfen glaubt.
Zuweilen treten in diesem letzten Stadium Zuckungen einzelner Muskelgruppon auf, oder es erfolgt der Tod, indem die Thiere ruhig und anscheinend bewusstlos daliegen; derselbe tritt meist 4—7 Tage nach dem offenbaren Krankheitsausbruche ein; selten sterben die Patienten früher (nach 2 oder 3 Tagen), oder erst später, also nach dem siebenten Tage.
Die Empfänglichkeit für die wirksame Uebortragung dos Wuth-giftes scheint weder durch Geschlecht oder Alter, noch durch die Verwendung und Haltung der Thiere beeinflusst zu werden. Es ist zwar behauptet worden, dass Hündinen seltener wuthkrank werden,
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Die rasende und stille VVuthkrariklicit.
als Hunde. Dass dies im absoluten Sinne richtig ist, findet seine natürliche Erklärung in der beträchtlich grösseren Anzahl männlicher als weiblicher Haushunde. Relativ dürfte die Wuth aber ziemlich oben so häufig bei weiblichen, als bei männlichen Hunden angetroffen werden. Der mehr oder weniger regolmässige freie Verkehr mit an­deren Thieren spielt eine wichtigere Rolle, insofern dadurch die Ge­legenheit zu Infectionen begünstigt oder beschränkt wird. Eine früher viel verbreitete Sage, dass in Gegenden, wo die Zahl der Hunde und Hündinen eine ziemliche gleiche sei und der Geschlechtstrieb dieser Thiere regelmässig befriedigt werde, die Wuth nicht vorkomme, ent­behrt joder thatsächlichen Unterlage.
Man pflegt im Allgemeinen 2 klinische Formen der Wuth zu unterscheiden, nämlich:
1)nbsp; nbsp;die sogenannte rasende und
2)nbsp; nbsp; „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; stille Wuth,
#9632;Ein im Wesen der Krankheit begründeter Unterschied ist hier jedoch nicht vorhanden. Es handelt sich um Verschiedenheiten in der Localisation der Krankheit und des Temperamentes der Patienten. Kürzt sich das zweite Stadium, das der Irritation, resp. der Raserei bedeutend ab, so dass dasselbe nur wenig deutlich oder gar nicht hervortritt, so schliessen sich die Lähraungserscheinungen mehr oder weniger unmittelbar an das Stadium der Vorboten an, wodurch die­jenige Form der Krankheit gegeben ist, welche als „stille Wuth* be­zeichnet wird.
Bei der stillen Wuth treten die Erscheinungen der Hirnreizung in geringerem Grade, die Affectionen des Verdauungsapparates hingegen deutlicher hervor. — Man sei aber nichts desto weniger auch bei solchen Patienten immer vorsichtig, da trotz der weniger hervortreten­den Beisssucht und trotz der frühzeitigen Lähmung des Unterkiefers, Verletzungen vorkommen können, wie dies manches traurige Beispiel gelehrt hat.
Es bedarf dem vorher Gesagten gemäss wohl kaum noch her­vorgehoben zu werden, dass bei der sogenannten „rasenden Wuth* die Erscheinungen der Aufregung, der Raserei, Beisssucht etc. in sehr verschiedenem Grade vorhanden und von sehr wechselnder Dauer sein können. Wenngleich dieselben bei dieser Form im Allgemeinen deut­licher als bei der „stillen* Wuth vorhanden sind, so ist dennoch eine scharfe Grenze zwischen beiden Formen nicht zu ziehen.
Die Leichenerscheinungen sind im Allgemeinen so wenig characteristisch, dass auf Grund einer Section die Diagnose auf Wuth
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Die 'WuthkranklR'it; Sectionsersclieinungon.
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niemals mit absoluter Gewissheit, sondern nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit gestellt werden kann, wenn nicht die Erschei­nungen während des Lebens so weit bekannt sind, dass dieselben er­gänzend benützt worden können.
Ich will deshalb hier nur die vorzüglichsten Sectionseracheinungen kurz anführen, so weit dieselben der Regel nach wahrgenommen werden können:
Zunächst ist Abmagerung der Cadaver, die Gegenwart von fremden, unverdaulichen Stoffen im Magen oder in der Rachenhöhle, resp. im Schlünde ein fast constanter und wichtiger Befund bei wuth-verdächtigen, resp. wuthkranken Hunden; bei Pflanzenfressern fehlt letzterer Befund in der Regel, während er bei Carnivoren und Omni­voren stets vorhanden zu sein pflegt.
Ferner findet man gewöhnlich Hyperämie und Blutaustrotungou an verschiedenen Stellen der Schleimhaut des Verdauungsschlauches, besonders im Magen, dessen Schleimhaut an den Falten geschwollt und häufig von blutigen Erosionen besetzt ist. — Die sogenannten Marochetti'schen Bläschen oder Pusteln an den Seiten der Zunge etc. sind wahrscheinlich mehr ein Gebilde der Phantasie als der Beobachtung.
lieber fragliche sehr Zweifel hafte Gebilde äussert sich Virehow (1. c. S. 307 u. 368) irn Wesentlichen l'olgendermasseu:
„Schon seit alter Zeit hat man der Gegend unter der Zunge eine beson­dere Aufmerksamkeit geschenkt, wie denn schon die Alten hier den Tollwimn suchten, Marochetti, ein in llusslnnd practicirender, piemontesischer Arzt, ent­deckte und bestätigte (1820) das Gcheiinniss eines Kosacken, der die Wasserscheu des Menschen mit Glück behandelte: dass unter der Zunge wuthkranker Menschen eigenthümliche Bläschen hervorbrächen. Die Mittheilung eines griecliisclien Arztes (Xanthos), wonach in verschiedenen Theilen Griechenlnnds diese Wiithbläschen schon lange bekannt und mit dem Namen „Lyssesquot; belegt sein sollten, erhöhte die Glaubwürdigkeit jener Angaben. Marochetti beschreibt später (1843) diese llläschen als eine Art Pustel, welche nicht blos zu beiden Seiten des Zungen-bandchens, sondern auch an dem anderen Ende der Zungendrüsen und im hinte­ren unteren Mundwinkel, sowie an der Einmündungsstelle des Ausführungsganges beider Ohrspeicheldrüsen in die Mundhohle angetroffen werden. Sehr unklar sind die Angaben über die Beschaffenheit fraglicher Gebilde, welche Marochetti gewöhnlich am 3., 5., 7., 9. und 21. Tage, einmal aber schon 10 Stunden nach der Verwundung gesehen haben will; einige sollen mehrere Stunden lang sicht­bar bleiben, andere sehr bald nach ihrem Erscheinen wieder verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen.quot;
Virehow ist (1855) der Meinung, dass diese Angelegenheit eine niUiere Untersuchung verdiene; dieselbe scheint in verneinendem Sinne ausgefallen zu sein. Nach Bollinger (Ziemssen, spez. Pathol., Bd. 111. Leipzig 1874, S. 500) hat Marochetti diese Bläschen zuerst im Jahre 1813 (in der Ukraine) beschrieben.
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448nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Wuthkrankheit; Sectionsci'schciiiungen und Diagnose,
Bollinger Sussert sich liber diese Angelegenheit folgenderniassen: „01) ein' zu-I'iilliger Nebenbcrund, oder eine absiditliebe Tiinscluing dabei mit untergelaufen, ist schwer zu sagen.quot;
Hyperämie des Gehirns und Rückennuirks, welche (naeh Welior's Untersuchung) beim Hunde im verlängerten Mark und im oberen Abschnitte des HaUmarkes am deutlichsten ist; eben so ist eine Hyperämie der Schloimliaut im Kehlkopfe, so wie eine dunkle, theer-artige BeschalFenheit des Blutes eine ziemlich rogelmässige Sections-erscheinung. Beim Menschen beschränkt sich die Blutüborl'lillung der Ncrvencentreu auf das verlängerte Mark und das Rückenmark, so dass das Grosshirn hiervon ausgeschlossen ist. Auf die sich vielfach widersprechenden Angaben der Autoren über die feineren Befunde in den Nervencentren, oder in den verschiedenen Nervenbahnen will ich hier nicht näher eintreten, da die betreffenden Untersuchungen bis jetzt keine für die Praxis vorwerthbaren Resultate geliefert haben. —
Nach Csokor's eigenen Wabmehmungen sind auch die tnakroskoplsohen Befunde Im Gehirn und dessen Häuten, namentlich eine Blutüberfttllung dieser Thelle, nicht constant. Dagegen sollen bei mikroskopischer Untersuchung des verlängerten Markes und Rückenmarkes die Gelasse stellenweise In verschiedenem Grade erweitert und im Bereiche dieser Erweiterungen kleine Klatanstretnngen vorhanden sein. Dieser Befund, der namentlich an Querschnitten fraglicher Nervencentren, besonders in der Höhe des Vaguskerncs und In ähnlicher Weise in der grauen .Substanz des llalsniarkes anzutreffen ist, soll stärker hervortreten, wenn die betreffenden Hunde mit stiller Wuth, als wenn sie mit rasender Wuth behaftet gewesen sind. Audi sollen bei sliller Wuth höhere Grade einer be­ginnenden Entzündung in der grauen Substanz des Rückenmarkes und des ver­längerten Markes, nämlich eine Infiltration lymphoider Zellen in den Gefäss-wandnngen, oder auch im perivaseulären Bindegewebe vorhanden sein. Bei rasender Wuth soll sich diese Infiltration auf die Gelasswandiing'en der grauen Substanz des Rückenmarkes und des verlängerten Markes beschränken, während dieselbe bei stiller Wuth auf die graue Substanz (vorzüglich des Halsmarkes) und selbst auf die weisse Substanz übergreift.
Aber alle diese Erscheinungen können auch bei anderen Leiden mit Reiz-znsUinden der Nervencentren vorkommen und haben somit nichts Spezifisches für Wuth. Nach Csokor würden diese entzündlichen Erscheinungen wahrscheinlich einen höheren Grad der Entwicklung erlangen , wenn der Tod wuthkranker Thiere nicht zu schnell einträte. (Ocsterr. Vierteljahresschrift, Bd. 54, Wien 1880.)
Die Diagnose der Hundswuth ist somit manchmal leicht, manch­mal schwer und in einzelnen Fidlen selbst auf Grund genauer klini­scher und anatomischer Beobachtungen nicht mit Sicherheit zu stellen. Um so mehr sind für uns die neuesten Forschungsresultate über den pathologisch-anatomischen Befund bei Hundswuth von Interesse, inso-
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Dio Wuthkranklioil; Seetionsersclieiimugeii uml Diagnose.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;440
tern dieselben Veränderungen der Speicheldrüsen ergeben haben, welche bei keiner anderen Krankheit vorkommen, somit für die Diagnose der Hundswuth entscheidend sein sollen. Elsenberg fand nänalich in den Speicheldrüsen wuthkranker Hunde eine kleinzellige Infiltration des interstitiellen Gewebes, die am stärksten in der Unterkieferdrüse vorhanden war und hier zuweilen wie ein Eiterherd aussah; dieselbe ist in der Unterzungendrüse nicht ganz so stark und noch weniger in der Augenhöhlendrüse und in der Ohrspeicheldrüse des Hundes in die Augen fallend. Beim Menschen fand er die Unterzungendrüse in der angegebenen Weise am stärksten afficirt, was auch Nepveu bereits früher bei einem an Wasserscheu verstorbenen 17jährigen Knaben gefunden hatte. Bei Sectionen wuthverdächtiger Hunde darf nicht vergessen werden, dass ein kleiner Bandwurm des Hundes, „die Taenia Echinococcus'', der Wuth ganz ähnliche klinische Erschei­nungen verursachen und wegen ihrer geringen Grosse bei der Section sehr leicht übersehen werden kann. Auch kann die Eklampsie, welche indess nur bei Hündinen während der ersten Zeit des Säugege-schäftes zuweilen auftritt, mit Wuth verwechselt werden. Bei näherer Prüfung der nervösen Erscheinungen und dos anderweitigen Sachver­haltes während des Lebens des betreffenden Thieres wird man aber gewöhnlich bald über die Natur des vorhandenen Krankheitszustandes ins Klare kommen. — Dasselbe gilt in Bezug auf andere Krankheits-zustände, bei welchen Verdauungsstörungen und Lülimungserschei-nungen in den Vordergrund treten.
Was die Wuthkrankheit der übrigen Hausthiere anbelangt, so sei hier ausdrücklich bemerkt, dass dieselbe mit der eigentlichen Hundswuth wesentlich gleich ist, wenngleich die Erscheinungen einige Verschiedenheiten zeigen, die in gewissen Eigenthümlichkeiten der Spezies, namentlich in der Verschiedenheit des Gebrauches dieses oder jenes Körpertheiles als Waffe ihren Hauptgrund haben. So z. B. zeigt das Pferd ausser Bcisssucht auch eine gewisse Lust zu schlagen; sämmtliche Wiederkäuer, selbst das friedfertige Schaf nicht ausge­nommen , zeigen grosse Lust zu stossen u. s. w. Bei allen Thier-gattungen sind Unruhe und Schreckhaftigkeit, gestörter Blick und veränderte Stimme, schnelle Abmagerung, Verfall des äusseren Habitus und der frühere oder spätere Eintritt von Lähmungserscheinungen constant; Schmerzhaftigkeit oder Jucken der Bisswunde wird nicht selten im Stadium der Vorboten durch Benagen oder Scheuern der­selben zu erkennen gegeben. Wasserscheu fehlt stets; häufig sogar
Pütz, Lehrbuch der anstookendcu Thlorliranklioltcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;29
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4,quot;gt;0nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Uie Wutlikrunklicil dor WifiicrUäuev, Sehwt'hie und Pl'erdo.
versuchen die 'vvuthkninken Thicre zu saufon, was nui' dann möglich ist, wenn keine Lähmung der Sehlingwerkzcuge bestellt. Im Allge­meinen sind die wichtigsten Erseheimingen der Wuthkrankheit bei den verschiedenen Thiergattungen sehr ähnlich und der Ausgang der Krankheit der nänilielic; nur pflegt die Dauer und Incubation um etwas zu dift'eriren.
Bei Wiederkäuern äussert raquo;ich die Störung in den Verdauungs-orgauen nur insofern anders, als die Neigung zum Verschlingen un­verdaulicher Gegenstände in der Kegel nicht vorhanden ist, während mit dem Verschwinden der Frcsslust auch das Wiederkauen eingestellt wird. Eei Ziegen soll die Bcisssucht noch auffallender und stärker als bei Schafen hervortreten. Bei Kindvieh folgt das tödtliche Ende in der Regel l bis 7 Tage nach dem Ausbruche der Krankheit; meist schon früher bei Schafen und Ziegen und noch früher bei Schweinen.
Bei Schweinen äussert sich die Verstimmung des Appetites ähn­lich wie beim Hunde, durch Kothfresson und Aufnahme fremder un­verdaulicher Gegenstände. Obgleich die Krankheit häufig nur einen Tag dauert, so machen sich doch in der Regel auffallende Remissionen wahrnehmbar.
Der Grad, in welehem die Erscheinungen der einzelnen Stadien, namentlich des zweiten Stadiums sich bemerkbar machen, sind, wie bei Hunden, so auch bei den übrigen llausthierarten, individuell sehr verschieden.
Beim Pferde treten Unruhe und Schreckhaftigkeit in den Vorder­grund ; sodann scheint ein Drang zum öfteren Uriniren ziemlich regel-mässig vorzukommen und mag dieser umstand Veranlassung gegeben haben, das Wesentliche der pathologischen Zustände und Vorgänge in den Nieren zu suchen. Die Stimme wird heisser, Erscheinungen von Wasserscheu fehlen indoss wie bei anderen Thieren durchaus. Das tödtliche Ende pflegt 4 bis li Tage nach dem Ausbruch der Krankheit einzutreten. — Wüthende Katzen sind besonders gefäludich, da sie leichter als andere Thiere überall hinkommen können und sowohl mit den Zähnen als mit den Kralleu angreifen. Der Tod pflogt zwischen dem zweiten und dritten Tage einzutreten. — Auch das Geflügel kann an Wuth erkranken; dieselbe äussert sich bei demselben vorzugsweise durch grosse Unruhe, tolle Sprünge, heisere Stimme, eine gewisse Beisssucht mit schliesslicher Lähmung etc.
Für eine arzneiliche Behandlung wuthkranker Thiere fehlt bis jetzt jede rationelle Grundlage; dieselbe ist deshalb mit Rücksicht
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üeliandlung der Blsswunden; die Wathki'ankheil bei Raubthiei'en, 451
auf ihre Gefahren für dsis betreffende Personal gesetzlioh verboten. Unter Observation gehaltene, der WutliinieetiDii verdächtige Thiere können eventuell einer prophylaotischep Behandlung unterzogen werden. Diese hätte vorzugsweise darin zu besteben, dass alle etwa vorhan­denen Bisswunden, reap, durch Wuthgift verunreinigte Wunden, sorg­fältig aufgesucht und gründlich geätzt würden. Hierzu bedient man sich am besten der unverdünnten rohen Carbolsäure, des Aetzkalis, des Aetzkalkos, der Zinkbutter, oder des weissglühenden Eisens. Eins dieser Mittel wird in entsprechender Weise entweder ohne Weiteres, oder erst dann auf die Wunden applioirt, nachdem dieselben vorher ausgeschnitten worden sind. — Wogen der .Schwierigkeit, auf der behaarten Haut unserer Hanstbiere alle etwa vorhandenen vergifteten Wunden aufzufinden und die prophjlactischen Mittel sofort in An­wendung zu bringen, wird der Erfolg dieser noch zweifelhafter als beim Menschen sein.
Unter den Kuubthieren sind es namentlich die Glieder des Hunde-gescbleebtes, welche nicht selten, manchmal sogar in grosser Anzahl an Wuth erkranken. Im Jahre 1803 wurde in der Schweiz die Wuth-krankheit unter den Füchsen festgestellt, unter welchen sie viele Ja lire hindurch seuehenartig grassirte; von dort breitete sie sieh über die zunächst angrenzenden nördlichen und nordöstlichen Staaten bis nach Thüringen hin aus. 1824 herrsehte sie in Schweden unter den Füchsen und Wolfen; ferner von 1800 bis 1872 unter den Füchsen in Kärntben u, s. w. Die Thiere sind dann um so gefährlicher, als sie meist jede Scheu vor Mensehen und bewohnten Orten verlieren, iu letztere dreist hineinlaufen und alles, was ihnen begegnet, anfallen. Die Krankheit verläuft bei denselben, wie beim Haushunde.
Die Uebcrtragung des Wntbgiftes auf den Menschen, sowie auf die verschiedenen Thierarten, erfolgt weitaus am häufigsten, ja fast ausschliesslich durch Hundebiss u. s. w, Celsus (etwa 30 v. Chr. bis e. 50 n. Chr.), dessen 8 Bücher „de medicinaquot; das einzige me-dicinische Werk sind, welches aus der römischen Literatur uns er­halten geblieben ist, wnssto bereits, dass auch der Mensch in Folge des Bisses eines wüthenden Hundes an Wuth erkranken und dass eine frühzeitige Behandlung solcher Bisswunden gute Dienste zu leisten vermöge. Die Behandlung der Bisswunden im Allgemeinen betreffend, sagt er: „Omnis fere morsus habet quoddam virus!quot; Demnach muss man schliessen, dass er die Bedeutung gewöhnlicher derartiger Ver­letzungen überschätzt habe. Vielleicht mag aus jener Zeit der heute noch Anhänger zählende Glauben datiren, welcher vielfach in der
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452 l-*'1-' Virulenz lies Speichels wuthlu'iuiUei' und wutlilreier Tkieru,
Literatur der versobiedenen Jahrhunderte verbreitet worden ist, dasraquo; Bisse von Menschen und Thiereu, uameutlicii wenn die boissenden Individuen sehr gereizt, im Uebrigen aber ganz gesund waren, Wutbkrankheit zur Folge gehabt haben sollen.
Jaeubowitscb will sogar nach Injectionen von gewöhnlichem Speichel in die Blutget'ässe in einem Falle am 8., im anderen am 15. Tage eine Reihe von Erscheinungen beobachtet haben, welche mit denen der Wutii die grösste Aehiilichkeit hatten. Mit dem Speichel von den so erkranktun Thieren hat er keine weiteren Iinpf-versucho angestellt.
Wright ist überzeugt, dass VVuthspeichel keine anderen chemi­schen Eigenschaften besitze, als gesunder Bpeichel; dass er indess die in diesem' enthaltenen krankmachenden Stoffe in grösscrer Menge enthalte, als gusunder (normaler) Speichel.
Ohne auf diese Mittheilungen hier näher einzutreten, will ich nur bemerken, dass ich mehrere Controlversuche angestellt, indess niemals nach Einimpfung von Speichel gesunder Thierc und des Menschen bei den betreffenden Versuchshunden eine Spur von nach-theiligeu, viel weniger dem Wuthgifte ähnlicher Wirkungen habe eintreten sehen. In neuerer Zeit will man die Beobachtung gemacht haben, dass Speichel von gesunden Menschen, welche längere Zeit (über 12 Stunden) keine Nahrung zu sich genommen haben, giftig wirkt, indess keineswegs im Stande ist, die Wutbkrankheit zu erzeugen. Kowalewsky behauptet sogar, dass selbst der Speichel eines wuth-kranken Menschen nicht infectionsfähig sei; er will nämlich 3 Hunden derartigen Speichel eingespritzt haben, wonach die Impflinge voll­kommen gesund geblieben sein sollen.
So wahrscheinlich es demnach auch ist, dass dem Speichel wuth-kranker Thiere ganz bestimmte pathologische Eigenschaften inne-wohnen, so ist es doch bis jetzt noch nicht gelungen, weder durch chemische, noch durch mikroskopische Untersuchungen irgend welche Eigenschaften des Speichels wuthkranker Thiere nachweisen zu können, welche man bestimmt als die Ursache seiner Virulenz bezeichnen könnte. Und doch ist erwieseuermassen das Wuthgift vorzugsweise im Speichel der wutbkrauken Thiere und Menschen enthalten. Cham-berland und Roux, zwei bekannte und gewandte Mitarbeiter Pasteur's, haben der Academic der Wissenschaften in Paris vor Kurzem die Mittheilung gemacht, dass sie im Speichel und im Blute Wuthkranker mikroskopische Organismen gefunden haben, welche in Fleischbrühe eultivirt zu einem Röhrennetze auswuchsen. Kaninchen, welche mit
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Die Virulenz versohledfiner Cadavertheilc von wuthkranken Thleren. 453
derartiger Culturflüssigkeit geimpft wurden, erkrankten zwar, aber nicht unter Erscheinungen der Wuth.
Die Uehertragung des Wuthgiftes auf andere Individuen findet, wie bereits erwähnt wurde, in der Regel durch Biss — und zwar weit­aus am häufigsten durch tolle Hunde — statt. In Nr. 20 der Archives vetdrin. 1877, S. 800 war die Mittheiiung gemacht worden, daas ein 33 Jahre alter französischer Thierarzt, Namens Moreau, in Folge einer Infection am Cadaver eines an Wuth verendeten Hundes, an Wasser­scheu, nach ^monatlicher Incubation,, gestorben sei. In einer der folgenden Nummern derselben Zeitschrift wurde indess mitgethoilt, dass Moreau einige Zeit früher von einem wnthkranken Hunde gebissen worden sei. Im Jahre 1807 soll indess ein Schüler des Kopenhagener Veterinär-Institutes, der mit einer kleineu Wunde am Finger die Section eines in der vorhergegangenen Nacht an der Wutiikrankheit verendeten Hundes vornahm, etwa 6 Wochen später an derselben Krankheit ge­storben sein. In neuerer Zeit von Galtier angestellte Versuche haben ergeben, dass der Geifer eines wuthkranken Hundes während 24 Stunden nach seiner Entnahme oder Ejection infectiös bleibt. Demnach werden mindestens für diese Zeit alle von wuthkranken Hunden verunreinigte Gegenstände, sowie deren Cadaver mit grosser Vorsicht behandelt werden müssen.
Die Versuche Gallierlaquo;, die Hundswuth mlttelsl Impfung mit dein Secrete der verschiedenen Speicheldrüsen wuthkranker Thiere auf andere gesunde Thlere zu libertragen, Helen verschieden aus. Ftlnfmal erwies siuquot; die Einimpfung des Secretes der Zungendrllse beim Ilnnde, Schale und Kaninchen als wirksam ; frnchüos hingegen Impfte er mit dem Secrete der Ohrspclcheldrltse, der Hnterkieferdrüsa. der Bauchspeicheldrüse, mit ausgepresster Flllssigkeit aus Muskeln, Qehlrnmasse und des Mageninhaltes, Dieser Autor glaubt, dass das Wuthgift nur an den (Jnterzungondrflsen und nn der Sclileimlmut der üaeUen und des Rnehens haftet. Dies scheint Jedoch nicht richtig zu sein.
Pasteur machte nämlich in der Sitzung- der Academie de medecine zu Paris am 30. Mai 1881 die Mittheilung, dass es ihm gelungen sei. mit Theilen vom Rttokenmarke. verlängerten Marke, oder von den Stirnlappen delaquo; Grosshlrnea an Wutli verendeter Hunde, Enfectionen zu Stande gebracht zu haben. Wenn er das Gehirn der Versuchshunde durch Trepanation biosiegte und auf dasselbe Impf­material aus den eben genannten Nervencentren übertrug, so sollen die in dieser Weise infieirten Thlere bereits in der /.weiten oder dritten Woche nach Ueber-tragung des Giftes an Wuth. und zwar bald an stiller, bald an rasender Wuth, zu Grunde gegangen sein. — Da bei dieser Inreetionsnietliodc mich den Angaben Pasteur's die lange Ineubationsdauer wesentlich abgekürzt wird, so hält fraglicher Autor die l'ebertragung des Wuthgiftes auf das blosgelcgto Gehirn für geeignet, um in zweifelhaften Fällen, die Diagnose der Wuth bei einem dieser Krankheit verdächtigen Thlere, oder am Cadaver eines unter verdäelitigen Erscheinungen
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Die Kmpuuiglichkoii des Menschen für die V^uthkrankhelt,
verendeten oder getödteten Tlüeres, nach einiger Zeit sicher stellen zu Umnien. (Revue, Wien 1882, Hel'l I. 8, 11 bis 180 — Galtier halt für diesen Zweck das Kaninchen besonders geeignet, du nach seinen Versuchen bei rragliohen Thieren Inipfiiiigen mil Speichel leicht haften und da moist nach kurzer incubation die Krankheit zum Ausbruche kommt, Dies kann sich jedoch auch länger hinziehen, da die Dauer der Latenz angeblich /.wischen 4—4;i Tagen schwankt.
Die Empfänglichkeit des Mensohen für ilie Wutlikrankheit ist glücklicherweise eine relativ geringe. Es darf iiuless nicht vergessen werden, dnss wahrscheinlich häufiger durch die Kleider (hei Thieren durch die Haare), als durch eine vorhandene geringgmdige Empfäng­lichkeit, oder gar durch eine absolute Immunität ein Schutz gewährt wird. — Es sind mehrfach Fälle beobachtet und mitgothcilt worden, wo von einer grösseren Anzahl gebissener Menschen und Thiero nur einzelne oder einige wenige erkrankten. Derartige Zahlen gewähren aber für die Voraussage, ob eine Infection, resp. der Ausbruch der Krankheit zu befürchten sei, oder nicht, keinerlei Sicherheit; für diese ist die Körpergegend, so wie die Beschaffenheit der Verletzung, sodann die Reihenfolge der von domselbcn wuthkranken Thiere ajjpli-cirten Verletzungen in einer bestimmten Zeit, die Spezies des ver­letzenden Thieres und endlieh der Zeitpunkt des Eintritts, sowie die Art der stattgefundenen Behandlung, von hervorragender Bedeutung.
An unbedeckten Körperstellen wird der Biss eines wülhenden Thieres eher eine Infection zur Folge haben, als an bedeckten. Ebenso wenig wie eine Impfung mit Poekenlymphe, oder einer beliebigen anderen Impfflilssigkeit leicht haftet, wenn sie durch dichte Kleidungs­stücke, oder durch einen dichten Haarpelz ausgeführt wird , ebenso wenig wird dies der Fall sein bei Einimpfung des Wutligiftes durch die Zähne, da diese, ebenso wie die Impfnadel, durch die Kleidungs­stücke oder Haare von der Impffllissigkoit befreit zu werden pflegen. — Stark blutende Wunden sind im Allgemeinen weniger gefährlich, als oberflächliche Abschürfungen der Haut, weil durch den Blutstrom das Gift mit weggeschwemmt werden kann.
Ein Tiiior welches eine grösserc Anzahl Individuen kurz nach einander beisst, wird schliesslich weniger, oder gar keinen Speichel mehr an den Zähnen haben, wodurch der Biss in gleichem Maasse weniger gefährlich wird.
In Bezug auf die Thierspezics wird angeuommcu, dass der Biss von wiithkrankon Katzen und Wölfen gefährlicher sei, als von Hunden u. s. w.
Trolliet gibt einen Fall an, wo innerhalb 0 Stunden 2.'J Personen
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Dip WutliUmiiklieii dos Menschen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 455
von einer wüthenden Wölfin gebissen wurden, von wolchon 13 er­krankten und starben. Vergleichen wir damit die Angaben Faber's, nach welchen von 145 durch Hunde gebissenen Personen (in Württem­berg) nur 28 erkrankton, so stellt sich für die letztere Statistik ein weit günstigeres Vorhältniss heraus; etwa 28 : 88.
Uie Wutlikrankheit des Menschen wird gewöhnlich „Wasser scheu odor Hydrophobiequot; genannt. Dieselbe dauert nach dem Aus­bruche dieses Symptoms gewöhnlich etwa 8 Tage, selten 4—5 Tage.
Die ersten Erscheinungen des Stadiums der Vorboten bieten an und für sich nichts Charaoteristisches. Dieselben bestehen in Unbehagen, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen. In der Regel macht sieb schon frühzeitig eine Gemüthsverstimmung bemerkbar; die Patienten werden melancholisch oder mürrisch, unstet und leicht erreg­bar. Die Unruhe und das Angstgefühl erreichen gewöhnlich einen be­sonders hohen Grad, wenn die Patienten die Gefahr kennen, in welcher sie sich befinden, indem sie wissen, dass sie vor einiger Zeit von einem wuthkranken oder verdächtigen Hunde gebissen worden sind, Schlaf­losigkeit, oder sehr unruhiger, von beängstigenden Träumen unter­brochener Schlafstellen sich bereits in diesem Stadium ein; ebenso eine grosso Empfindlichkeit gegen Luftzug, Lichtreiz und spiegelnde Oberflächen. Bei vermehrtem Durstgefühl zeigt sich Abneigung gegen Flüssigkeiten, das Sprechen und Schlingen wird beschwerlich, es treten Zuckungen, Schwere in den Gliedern und allgemeine Müdigkeit auf, wobei das Bewusstsoin und die intellectuellen Fähigkeiten nicht er­beblich gestört sind.
Alle diese Prodrotnalerscbeinungen sind veränderlich und unbe­ständig; sie fehlen zuweilen auch mehr oder weniger vollständig, so dass das Unvermögen, Flüssigkeiten schlingen zu können, ganz plötzlich eintreten und die erste auffallende Krankheitserscheinung bilden kann.
Im 2. Stadium stellen sich Anfälle von Athemnoth und Schlund­krämpfen ein, welche durch den Anblick von Gefässen mit Flüssig­keit, oder durch die Aufforderung zum Trinken hervorgerufen und gesteigert werden. Auch bringt der Anblick glänzender Gegenstände leicht solche Krämpfe hervor. Die Patienten sind meist sehr ge­schwätzig und fürchten sich allein zu sein; ihre Geruchs-, Geschmacks­und Gefühls-Empfindungen sind gesteigert, so dass helles Licht, lautes Sprechen, jede, wenn auch leise Berührung und sogar jede leichte Bewegung der Luft heftige Krampfanfällehervorrufen können. Seufzende,
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Die Wutlikranklieit des Menschen.
stöhnende oder unarticulirto, dem Bellen eines Hundes ähnliche Töne werden während oder ausser der Anfälle manchmal ausgestossen.
Indem diese Anfälle allmählich heftiger werden, nehmen die freien Zwischenräume an Dauer ab; schliesslich treten förmliche Wuthanfälle auf, die indess meistens nicht lange anhalten. Während dieser Anfälle sind die Patienten vollständig unzurechnungsfähig, während nach denselben Sclbstbewusstsein und eine bessere Einsicht wiederkehren. Die Patienten bitten dann ihre Umgebung um Ver­zeihung, warnen sie, sich bei einem etwaigen neuen Anfalle in Acht zu nehmen, flehen aber, sie nicht allein zu lassen u. s, w.
Zuweilen macht ein Schlaganfall, oder der Erstickungstod den Leiden des Kranken ein plötzliches Ende, oder es tritt der Tod ein, nachdem alle Krankheitserscheinungen und sogar die Schlingbe­schwerden bedeutend nachgelassen hatten.
In der Regel aber geht dem Tode das Stadium der Lähmung voraus. Der Speichel, welcher früher, da er nicht hinuntergeschluckt werden konnte, ausgespuckt wurde, läuft aus dem oifenstehenden Munde heraus; das Athmen wird schnell, röchelnd, die Stimme rauh und schwach, der Puls sehr beschleunigt und unregelmässig, die Haut bedeckt sich mit klebrigem Schweisse. Das Bewusstsein ist meist bis kurz vor dem Tode nur wenig getrübt, so dass die Kranken ge­wöhnlich das Herannahen des Todes erkennen; dieser tritt ein bald unter Zuckungen oder Erstickungsanfällen, bald aber auch ganz ruhig.
Dieses 3. Stadium der Wuth dauert in der Regel l bis 18 Stunden.
Die Vorhersage ist bei der einmal zum Ausbruche gekommenen Wuth höchst ungünstig, indem der Tod regelmässig einzutreten pflegt. Dass aber nicht dennoch wirkliche Fälle von Wuthkrankheit bei Menschen und Thieren ausnahmsweise in Genesung übergehen können, darf keineswegs unbedingt verneint werden. Es finden sich eine grössere Anzahl von Mittheilungen in der menschen- und thierärzt-lichen Literatur, welche über derartige Genesungen berichten und die zum Theil auf so sorgfältige und genaue Beobachtungen, oder gar auf directe Versuche sich stützen, dass sie den Einwand eines dia­gnostischen Irrthums kaum gestatten. Unter Anderen hat Decroix einige solcher Fälle gesammelt und im Recueil de m6d. v6t. Jahr­gang 1881, Nr. 1 veröffentlicht.
Statt mehrerer Fälle aus früheren Jahren sei hier nur ein Fall aus dem Jahre 1878 mitgetlieilt, der die Möglichkeit spontaner Wuth-heilungen mehr oder weniger wahrscheinlich macht. Staudenmeycr (Heidenheim in Württemberg) behandelte einen Knaben, der (gt; Wochen
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AborUvhellungen bei Wutlu verschiedene Disposition!nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J,j7
vor seiner Erkrankung von einem wuthverdächtigen Hunde gebissen worden war. Patient zeigte einen ängstliehen Gesiclitsausdruck, Röthung des Eachens, clonische Krämpfe des Gesiehts, des Rumpfes und der Extremitäten, Widerwillen gegen Wasser. In den folgenden Tagen bildete sich eine Lungenentzündung aus, die mit Genesung endete.
Ob und in welchem Umfange Abortivheilungen spontan vor­kommen, d. h. ob und wie oft das Wuthgift im Körper inficirter Menschen und Thiero von selbst zu Grunde geht, ohne den Ausbruch der Krankheit herbeigeführt zu haben, entzieht sich unserer Beurthei-lung, da wir, selbst durch eine besser ausgebildete Statistik, als die uns hier zur Verfügung stehende, keine sichere Kenntniss darüber erlangen können, in welchen Fällen in der That eine Uebertragung des Wuthgiftes stattgefunden hat. Ohne Zweifel aber ist die Dispo­sition an der Wuth zu erkranken individuell (und auch wohl generell) verschieden; es kann diese Fähigkeit des Organismus, der Wirksam­keit des Wuthgiftes zu widerstehen, sogar den Grad einer absoluten Immunität erlangen. Beim Menschen soll das Alter und Geschlecht einen Einfluss in dieser Beziehung ausüben. Kinder sollen weniger leicht erkranken, als erwachsene Personen; nach Proust starben von 154 gebissenen Kindern im Alter von 5 bis 15 Jahren 37, etwas weniger als der vierte Theil, während nach demselben Autor etwa die Hälfte gebissener erwachsener Personen gestorben sind. Es starben nämlich von 300 gebissenen Männern 187, also etwas mehr als die Hälfte und von 138 gebissenen Frauenzimmern 66, das ist etwas weniger als die Hälfte. Indess alle diese und ähnliche Angaben haben nur einen sehr zweifelhaften Werth; sie berechtigen erst dann zu mehr zuverlässigen allgemeinen Schlüssen, wenn sie mit der nöthigen Kritik gesammelt und in grösseren Reihen uns zur Verfügung stehen, als dies bis jetzt der Fall ist.
In der Literatur sind mehrere FMle von Wasserscheu des Menschen mit tödUlchem Ausgange mitgethellt, wo die Fliindo, welche die erkrankten Mcnsclicn geliisscn hatten, am l.clicn geblieben sind. Wenn Ich solclien Mittheihingen im Allgemeinen auch keinen allzu hohen Worth beilege, so sind doch verschiedene derselben so glaub- und merkwürdig, dass sie nicht unbeachtet bleiben dürfen. (So schildern /,. li. Demetrio und '/necoli im „Glomale dcllc razze degli aninndi Hnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;utili etc. Napoll 1873 S. 81 bis 98quot; einen solchen Fall. Ein ISJähnger Knabe
wurde von einein Hunde gebissen: einige Wochen nachher erkrankte und starb derselbe unter Erscheinungen der Wasserscheu resp. Wuthkrankheit. Drei Aerzle erklärten das Leiden auf Grund des klinischen Krankheitsbildes und der Ob-ductionserscheiniingen liir Hydrophobie, resp. Rabies. Der Hund qu. war zur Zeit der Berichterstattung der beiden Herrn Referenten des üiorninle etc.. d. i.
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Spontane Heilung der Wuthkvankhelt.
1) Monate nach dein traurigen Vorfalk noch vollkommon gesund und so viel mir bekannt geworden, ist derselbe nie Offenbar an Wuth erkrankt.
Bollinger I. O. erklärt, die Wulhkranklicit (S. 538) l'iir absolut lüdtlieli; ferner stellt er S. 541 als wahrsolieinlieh hin, dass Hunde seliou während der Incubation des Watligiftes In Ihrem Körper durch Hiss die Krankheit (reap, den AnsteckungsslolV derselben) auf den Menschen übertragen können. Sodann weist er (8 542) darauf hin, dass vielleicht au! diese Welse die vielfach aufgestellte Behauptung „auch der Biss eines nicht wüthenden, aber gereizten Thieres könne, die Wiithkrankhelt erzeugenquot; ZU erklären sei. — Wenn ich diese Sätze kritiscli betrachte, so scheint mir in denselben ein Widerspruch enthalten zu sein, Inso-fern nicht ausgesprochen (oder stillschweigend angenommen) worden ist, dass die betreuenden Hunde nachträglich an Wuth offenbar erkrankt und gestorben sind. Ist letzteres nicht geschehen, wie In dem von Demetrio und /occoli mit-getheilten Falle. SO muss angenommen werden, dass der betreffende Hund ent­weder gar nicht wuthkrank. sondern nur gereizt war. oder dass derselbe aus einem oeculten Stadium der VVuthkrankheit genesen ist. Ansser dieser Alterna­tive gibt es nach meiner Meinung nur noch eine Möglichkeit, nämlich die eines diagnostischen Irrtluims auf Seiten der berichterstattenden Aerzte. Obgleich der­artige Irrlhiimer in Wirklichkeil öfter vorgekommen sein mögen, so kann doch nicht wohl angenommen werden, dass dies bei allen bezüglichen Mittheilungen der Fall gewesen sei. Es erscheint mir deshalb unzulässig nach dem vorliegenden BeobachtungS-Material die Möglichkeit einer spontanen Heilung der Hnndswnlh, besonders ans einem Anl'angsstadium der Krankheit, absolut negiren zu wollen. Ich halte es sogar für wahrscheinlicher, dass (wenn auch nur ganz ausnahms­weise) eine solche spontane Heilung eintreten kann, als dass der Biss eines voll­kommen gesunden, nicht selbst inticirten. sondern hlos gereizten Hundes die Wnthkrnnkheit zur Folge haben kann. Letztere Annahme würde ja die Möglich­keit der spontanen Entstehung der Hundswuth, resp. ihres Erregers, einschliessen. Eine Infectionskrankheit kann aber wahrscheinlich nur aus einem bereits vor­handenen Keime entstehen; eine absolut spontane Entwicklung solcher Keime widerstrebt unseren gegenwärtigen Anschauungen durchaus.
Die seither erschienenen 4 Jahresberichte der technischen Depu­tation für das Vcterinärwesen über die Verbreitung ansteckender Thierkrankhoiten in Proussen, enthalten über die Tollwuth des Menschen folgende Angaben:
Es erkrankten und starben in Preussen an der Wasserscheu: Im Berichtsjahre 1876/77 : 8 Personen 1877/78:1;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
1878/79:2 1879/80:8 In Württemberg wurden im Jahre 1878 von wuthkranken und wuthverdächtigon Hunden 29 Personen gebissen, von denen keine starb; im Jahre 1877 war von 17 gebissenen Menschen einer an Wuth gestorben.
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Curative und prophylactlsohe Massrogeln gsgen die Wuthkrankhelt, 459
Im Königreiche Sachsen wurden im Jahre 1878 von wüthenden oder wuthverdüclitigon Hunclon 64 Menschen gebissen, von denen 1 an Wuth gestorhen sind.
Von einer Beluaidlung wuthkranker Thiere kann gegenwärtig keine Rede sein.
Leider vermag eine solche auch beim Menschen bis heute so gut wie gar nichts zu leisten. Es sind zwar verschiedene Mittel als wirksam gegen dieselbe empfohlen worden, haben aber alle den auf sie gesetzten Erwartungen und Hoffmmgon nicht entsprochen. So wurde vor einigen Jahren Xanthiura spinosum von einem russischen Arzte als Spezifieura gegen die Wuthkrankheit gcrülirat und von französischen, englischen, italienischen und deutschen Tagesblättern empfohlen. Und doch leistet dies Mittel zu fraglichem Zwecke gar nichts. Am wirksamsten sind noch die anästhetischen Mittel, Morphium, Chloral und dcrgl., die wenigstens den Patienten ihre schweren Leiden nicht selten erträglicher machen.
Offenberg hat im Jahre 1879 die subeutane Injection einer (Juraro-Lösung als wirksam empfohlen. 0,5 in 10,0 destillirten Wassers gelöst, filtrirt (und strychninfrei) soll hei einem wuthkranken Menschen Heilung bewirkt haben.
Southam versuchte Curare und Morphium ohne Erfolg, während ein türkisches Bad der Patientin, einem 28jährigen gesunden Frauen­zimmer. Ruhe, Schlaf und Wohlbefinden für ca. 2 Stunden brachte, worauf ein neuer heftiger Paroxysmus plötzlich den Tod herbeiführte.
Je weniger die Kunst einer zum Ausbruch gekommenen Krank­heit gegenüber zu leisten vermag, um so wichtiger wird die Vor­bauung gegen dieselbe.
Für diese ist in erster Linie die Gefahr ins Auge zu fassen, welche in exquisiter Weise durch eine zu laxe Hundeordnung herbei­geführt wird. Demgomäss hat die vierte Plenar-Versammlung des deutschen Veteriniirrathes am 4. August 1878 in Hannover folgende Resolutionen gefasst:
rl) Eine gesetzliche Regelung der Bestimmungen über die llundehaltung im deutschen Reiche ist ein unabweisbares Bedürfniss.
2) Es ist in jeder Gemeinde des Reiches eine möglichst hohe Hundesteuer einzuführen. Jeder Hund ohne Ausnahme muss der Pesteuerung unterliegen,
8) Von der Behörde ist für jeden Hund eine Marke mit der dem Einschreibungskataster entsprechenden Nummer und dem Namen
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4t;onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vbrbeagungsmassregeln gegen die Wutbkrankheit,
der Gemeinde zu liefern, -welche der Hund zu jeder Zeit am Hals-bande als weithin aichtbares Zeichen tragen soll.
4)nbsp; Von der Polizei muss dafür Sorge getragen werden, dass die ohne Steuermarke betroffenen Hunde eingefangen und 3 Tage hin­durch in Gewahrsam genommen werden. Erfolgt innerhalb dieser Zeit eine Zurlickfordeiiiug der Hunde seitens der Besitzer nicht, so können die Thiere getödtet werden.
5)nbsp; Ein beständiges Tragen von Maulkörben bei Hunden ist in grössereu Städten angezeigt.quot;
Die Erhöhung der Mundesteuer ist eines der wirksamsten Mittel, die Zahl der Hunde zu vermindern. In den Jahren 1871), 77 und 78, d. ii. seit der Zeit, wo in Baden in den Gemeinden mit über 4000 Einwohnern für jeden Hund IG Mark, in kleineren Gemeinden 8 Mark Steuer bezahlt werden muss, hat die Zahl der Hunde um 27n/o ab­genommen. (Lydtin.)
Es ist möglichst dafür zu sorgen, dass das Publikum über die durch wuthkranke Thiere verursachten Gefahren, so wie über die zunächst zu ergreifenden Massregeln belehrt werde, wenn Menschen von einem wuthkranken oder wuthverdiiehtigen Thiere gebissen, oder in anderer Weise inficirt worden sind.
Das sofortige Aussehneiden und Ausbrennen der Wunde mittelst eines weissglühenden Eisens, oder Aetzen derselben mittelst eines in die Gewebe tiefer eindringenden und diese zerstörenden Mittels leisten die sicherste Gewähr für die wirkliche Zerstörung des Giftes. Es ist jedoch nur selten möglieh, von diesen Mitteln unverzüglich einen ge­eigneten Gebrauch machen zu können. Bis zum Eintritte dos Momentes, wo dies geschehen kann, lege man eine feste Binde (Ligatur) un­mittelbar über der Wunde nach dem Herzen zu an, um dadurch die Aufsaugung des Giftes zu verzögern. Auch ist das Ausziehen des Giftes aus der Wunde mit dem Munde, oder mittelst eines sogenannten trockenen Schröpfkopfes zu empfehlen; zu einem solchen kann man jedes kleine Gläschen verwenden, in welchem man, unmittelbar#vor dem Aufsetzen desselben mit seiner hohlen Fläche auf die Wunde, durch Verbrennen eines in Spiritus oder Petroleum getränkten Papier­streifens die Luft verdünnt hat. Galtier hat in neuester Zeit der Academie der Wissenschaften in Paris mitgetheilt, dass das Wuth-gift seinen an Kaninchen vorgenommenen Versuchen gemäss, auch vom Verdauungscanale aus zur Wirksamkeit gelangen könne. Er ist der Ansieht, dass für jede Person, so wie für jedes Thier eine grosse Gefahr bestehe, an Wuth zu erkranken, wenn Wuthgift in die Ver-
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Vorbeiignngsniassregeln gegen die Wutlilu'iuikheit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 461
dauungaorganu gelange. (Revue, Wien 1882, No. 1; S. 12.) Nach Hertwig's zahlreichen Versuchen blieb das Wuthgift auf der unver­letzten Schleimhaut der Verdauungaorgane stets unwirksam. Nach diesem Forscher scheint die Möglichkeit einer Infection mit quot;Wuthgift vom Vordauungscanale aus nur dann vorhanden zu sein, wenn dessen Schleimhaut an irgend einer Stelle verletzt ist.
Sehr gute Dienste vermag auch warmes Wasser zu leisten. 1st die vergiftete Wunde an einem Körportheile, der eingetaucht werden kann, so halte man denselben (wo möglich bis zur Ankunft dos Arztes) in Wasser, dessen Temperatur so hoch sein muss, uls man, ohne sich zu verbrennen, ertragen kann. Das Gift wird hierdurch einestheils verdünnt, anderntheils in Folge der im Gange erhaltenen Blutung und des ein und ausdringenden Wassers aus der Wunde herausgespült und möglicherweise wird durch höhere Wärmegrade, auch die Wirk­samkeit des Giftes vermindert oder zerstört.
Als clicmisehe Aetzmittel eignen sich besonders: Spiessglanzbutter, Aotzkali, Aetzkalk, concentrirto flüssige Carbolsaure, kurz, alle solche Mittel, welche tiefer in die Gewebe eindringen und diese, sowie das Gift zerstören. Es sei hier ausdrücklich bemerkt, dass Höllenstein sich für diesen Zweck nicht eignet, da er nur oberflächlich das Ge­webe zerstört.
Je früher und energischer die vergifteten W7unden behandelt werden, um so sicherer steht der gewünschte Erfolg in Aussicht. Aber auch ältere, oder gar vernarbte vergiftete Wunden, welche ohne eine entsprechende Behandlung geblieben sind, können und sollen noch nachträglich ausgeschnitten und geätzt, sodann längere Zeit hin­durch in Eiterung gehalten werden.
Wenn Gallier den am Ohr mit Wuthgift geimpften Kaninchen nach 1, 3 laquo;der 4 Stunden das betreffende Olir abschnitt, so wurde dadurch der Ausbruch der Wuth nicht verhindert. Ks scheint demnach das Gift dieser Krankheit in der Regel schnell aufgesogen ZU werden.
Dieser Forscher theill ferner mit, dass die Wuthkrankheit entstehe nach Injection des Wuthgiftes unter die Oberhaut, in die Brusthöhle, in den Iliil't-nerven etc., dass aber keine Infection erfolge, wenn man die Schleimhaut des Auges, oder der Mutterscheide mit Wuthgift bestreicht und ebenso wenig, wenn man solches direct in die Jugnlarvene injicirt. Am 4. Mai 1879 injicirlc Galtier einem Schafe Wuthgift direct in die Jugnlarvene, einem anderen Schafe in das Untcrhautbindegewebe; letzteres erkrankte am 14. Juni und starb am 16. des­selben Monats 1879 an Wuth. Das intravenös geimpfte Schaf blieb gesund und wurde am 9. October und am 23. Decbr. e. a. in anderer Weise mit Wuthgift geimpft. Da dies Tiller bis zum 11. März 1880 nicht wutbkrank geworden ist.
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Die Wutliki'tiiiUlicit; IJulclining des Publikums,
verwendete man dasselbe zu anderen Versucheni — Nachdem nocli mehrere der­artige intravenöse Injectioucn von Wuthgllt bei Schafen denselben negativen Erfolg ergeben hatten, zog Qaltler uns seinen Versuohsresultaten folgendenSohlussi „Intravenöse Injectionen von Wuthglft Indien bei Schafen den Ausbruch der Wnthkrankhell nlohl zur Folge und scheinen die Impflinge gegen jede Art der Einverleibung des Wuthgiftes für die Zukunft immun zu machen.quot; Gallier wird nunmehr auch bei Hunden älmliche Experimente anstellen, um zu erforschen, ob bei diesen der Ausbruch der Wuth durch uachträgllohe intravenöse Injection von Wuthglft auch dann noch verhindert, werden kann, wenn dieses lüfl 1 oder 2 Tage vorher den betrell'endcn Thieren siibculan einverleibt worden ist.
Sohliesslicli sei noch bemerkt, dass das Publikum dringend ge­warnt und angehalten werden rauss, die angegebenen Massregeln im vorkommenden Falle nieltt zu vernachlässigen und sich nicht auf irgend welche Geheimmittel zu verlassen, da diese ausnahmslos höchst ver­dächtig sind. Ohne, mich hier irgendwie in Glaubensangelegenheiten eirnniseheu zu wollen, muss ich doch eben so nachdrücklich davor warnen, sich blos auf den Gebrauch religiöser, resp. mystischer Mittel zu beschränken. So z. B. darf sieh ein von einem wuthverdächtigen ihmde gebissener römischer Katholik oder anderer Gläubiger nicht damit begnügen, dass der betreffende Hund mit dem Hubertusschlüssel gebrannt und dadurch vor der liundwuth geschützt gewesen sei. Eben so wenig darf ein solcher Mensch, oder irgend ein anderer von einem wuthkranken oder wuthvordächtigen Hunde Gebissener, Schutz an einem entfernten Gnadenorte suchen, bevor er die sonstigen vorhin ange­gebenen Schutzmittel angewendet itat. Hier gilt der Satz: Hilf dir selbt, so wird dir auch Gott helfen!
Und eben so wenig wie ein in der Kirche (Schutz Suchender absolut sicher vor dem zündenden Blitzstrahle ist, eben so wenig ist ein von einem wuthkranken, oder wuthverdächtigen Hunde gebissener Mensch, der in St. Hubert, oder sonstwo Schutz sucht, vor jeder Ge­fahr des Krankhoitsausbruches geschützt.
Das deutsche Reichs-Viehseuclien-Gesetz vom 2'6. Juni 1880 ent­hält in Bezug auf Tollwuth folgende Bestimmungen:
sect; 34. Hunde oder sonstige Hausthiere, welche der Seuche ver­dächtig sind, müssen von dem Besitzer oder von demjenigen, unter dessen Aufsicht sie stehen, sofort getödtet, oder bis zu polizeilichem Einschreiten in einem sicheren Behältnisse eingesperrt werden.
sect; 35. Vor polizeilichem Einsehreiten dürfen bei wuthkranken, oder der Seuche verdächtigen Thieren keinerlei Heilversuche angestellt werden.
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LMe auf die Wuthknmkiu'ii bezüglichen Qesetee ties deuteohen Reiohes, 4(38
sect; 86. Das Schlachten wutlikranker, oder dar Seuche verdächtiger Tbiere und jeder Verkaut' oder Verbrauch einzelner Theile, der Milch ' oder sonstiger Erzeugnisse derselben ist verboten.
sect; 87. Ist die Tollwuth an einem Hunde oder an einem anderen Hausthiere festgestellt, so ist die sofortige Tödtung des wullikraukun Thieres und aller derjenigen Hunde und Katzen anzuordnen, riiuksichtlieh welcher der Verdacht vorliegt, dass sie von dem wuthkraiiken Tbiere gebissen sind. Liegt rücksiehtlich anderer Hausthiere der gleiche Verdacht vor, so müssen dieselben sofort der polizeilichen Beobachtung unterworfen werden.
Zeigen sich Spuren der Tollwuth an denselben, so ist die so­fortige Tödtung auch dieser Tbiere anzuordnen.
Ausnahmsweise kann die mindestens dreimonatliche Absperrung eines der Tollwuth verdächtigen Hundes gestattet werden, sofern die­selbe nach dem Ermessen der Polizeibehörde mit genügender Sicher­heit durchzuführen ist, und der Besitzer des Hundes die daraus und aus der polizeilichen Ueberwaeiiung erwachsenden Lasten trägt.
sect; 88. Ist ein wuthkranker, oder der Seuche verdächtiger Hund frei umhergolaufen, so muss für die Dauer der Gefahr die Festlegung aller in dem gefährdeten Bezirke vorhandenen Hunde polizeilich an­geordnet werden. Der Festlegung ist das Führen der mit einem sicheren Maulkorbe versehenen Hunde an der Leine gleich zu erachten. Wenn Hunde dieser Vorschrift zuwider frei umherlaufend betroffen werden, so kann deren sofortige Tödtung polizeilich angeordnet werden.
sect; 39. Die Cadaver der gefallenen oder getödteten wuthkraiiken oder der Seuche verdächtigen Tbiere müssen sofort unsciiädlich be­seitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
Dit.' [nstmotion des Bundesrathes vom 24. Vehr. 1881 enthalt in Bezug auf Tollwuth folgende Bestimmungen:
a. Hunde.
S 10. Hunde, welche von der Tollwntli befallen, oder der Seuche ver­dächtig sind (sect; 1. Absatz 2 des Gesetzes), müssen von dem Besitzer oder dem­jenigen, unter dessen Aufsicht sie stehen, sofort getodtet, oder bis zum polizei-liclilt;\! Einschreiten abgesondert und in einem sicheren Behiiltnisse eingesperrt werdeif (sect; 34 des Gesetzes).
Ist der Transport eines erkrankten oder der Seuche verdächtigen Hundes zum Zwecke der sicheren Einsperrung unvermeidlich, so ninss derselbe in einem geschlossenen Behiiltnisse erfolgen,
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.Hil Die mil' die Wuthkraukhelt beattgliohen Gesetze des deuteohen Reiches.
Wenn ein Mensch oder ein Thler von einem nn der Tollwuth erkrankten oder der Seuelie verdächtigen Hunde gebissen ist, so ist der Hund, wenn solches ohne Gefahr geschehen kann, vor polizeilichem Einschreilen nicht ZU tödten, sondern behufs thierärztliclier Feststellung seines Gesundheitszustandes einzu­sperren.
S 17. Die Polizeibehörde hat zu veranlassen , dass der wegen Verdachts der Tollwuth von dem Besitzer eingesperrte Hund sofort einer Untersuchung durch den beamteten Thierarzt (sect; 2, Absatz 8 des Gesetzes) unterzogen wird.
Lässt die thicrarztliclie Untersuchung 'Zweilei über den Zustand dos Hundes, SO muss die Einsperrung desselben in einem sicheren BehiUtnisse auf den Zeil­raum von 8 Tagen ausgedehnt werden.
Wenn der Besitzer vor Ablauf dieser Zeil durch schriftliche Bescheinigung des beamteten Thicrarztes nachweist, dass der Verdacht beseitigt ist, so kann die Sperre wieder aufgehoben werden.
sect; .18. 1st ein der Seuche verdächtiger Hund gestorben, oder getödtet worden, so kann die Polizeibehörde die Zerlegung des Cadavers durch den beamteten Thierarzt anordnen. Diese Anordnung muss getroffen werden, wenn der Hund einen Menschen oder ein Thler gebissen hat.
sect; 19. Ist die Tollwuth eines Hundes festgestellt, 80 ist die sofortige Tödtung desselben anzuordnen.
Auch hat die Polizeibehörde die sofortige Tödtung aller derjenigen Hunde und Katzen anzuordnen, welche von dem wuthkrankeu Thiere gebissen sind, oder rücksichtlich welcher der Verdacht vorliegt, dass sie von dem wuthkrankeu Thiere gebissen sind.
Ausnahmsweise kann die mindestens dreimonatliche Absperrung eines der Tollwuth verdächtigen Hundes gestattet werden, sofern dieselbe nach dem Er­messen der Polizeibehörde mit genügender Sicherheit durchzuführen ist, und der Besitzer des Hundes die daraus und aus der polizeilichen Uebenvachuug erwach­senden Lasten trägt (sect; 37 des Gesetzes).
Den Ausbruch der Tollwuth hat die Polizeibehörde auf ortsübliche Weise und durch Bekanntmachung in dem für amtliche Publicatiouen bestimmten Blatte (Kreis-, Amtsblatt u. s. w.) zur öffentlichen Kenntniss zu bringen.
sect; 20. Ist ein wuthkranker oder ein der Seuche verdächtiger Hund frei umhergelaufen, so muss von der Polizeibehörde sofort die Festlegung (Ankettung oder Einsperrung) aller in dem gefährdeten Bezirke vorhandenen Hunde für einen Zeitraum von ;i Monaten angeordnet werden (sect; 38 des Gesetzes).
Der Festlegung gleichzuachtcn ist das Führen der mit einem sicheren Maulkörbe versehenen Hunde im der Leine; jedoch dürfen die Hunde ohne poli­zeiliche Erlaubniss aus dem gefährdeten Bezirke nicht ausgeführt werden.
Als gefährdet gelten alle Ortschaften, in welchen der wuthkranke oder der Seuche verdächtige Hund gesehen worden ist, und die bis 4 Kilometer von diesen Ortschaften entfernten Orte elnschllessUch der Gemarkungen derselben.
Die Benutzung der Hunde zum Ziehen ist unter der Bedingung gestattet, dass dieselben fest angeschirrt, mit einem sicheren Maulkörbe versehen und ausser der Zeit des Gebrauchs festgelegt werden.
Die Verwendung von Ilirtenhuuden zur Begleitung der Herde, von Fleischer­hunden zum Treiben von Vieh und von Jagdhunden bei der Jagd kann unter der Bedingung gestattet werden, dass die Hunde aussei- der Zeit des Gebrauchs
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Die auf die Wutlikninklieit bezüglichen Gesetze des rieutsclien Reiches. 405
(ausserhalh des Jagdreviers) festgelegt, oder mit einem sicheren Maulkorbe ver­sehen, an der Leine geführt werden.
Die Polizeibehörde hat anzuordnen, dass Hunde, welche der Vorschrilt dieses Paragraphen zuwider, innerhalb des gefährdeten Bezirks frei umherlaufend betroffen werden, sofort zu todten sind.
sect; 21. Die auf Grund der Vorsolirift des sect; 20 von der Polizeibehörde ge-irofl'enen Anordnungen sind sofort auf ortsübliche Weise und durch Bekannt­machung in dem für amtliche Publicationen bestimmten Blatte (Kreis-, Amts-blntte u. s. w.) zur öffentlichen Kenutuiss zu bringen. Die gefährdeten Gemeinden oder Ortschaften sind einzeln zu bezeichnen.
b. Katzen.
sect; 22. Die Vorschriften der sect;sect; 10 bis 21 finden auf Katzen, welche von der ToWwuth befallen, oder der Seuche oder der Ansteckung verdächtig sind (^ 1, Absatz 2 des Gesetzes) sinngemässe Anwendung.
c, Andere Hausthiore.
sect; 23. Andere llausthiere, von welchen feststeht, oder rücksichtlich welcher der Verdacht vorliegt, dass sie von einem wuthkranken oder einem der Seuche verdächtigen Tliiere gebissen sind, ohne dass sie bereits der Seuche verdächtig geworden sind, müssen von der Polizeibehörde sofort und für die Dauer der Gefahr unter polizeiliche Beobachtung gestellt werden (S 19 des Gesetzes). Die Absohlaohtung solcher Thlere ist gestattet (vergl. Jedoch sect; 29). In letzterem Falle müssen vor weiterer Verwerthung des Thiercs diejenigen Körpertheile. an welchen sich Bisswunden befinden, unschädlich beseitigt werden.
sect; 24. Die Dauer der Gefahr ist für Pferde auf 8 Monate, für Rindvieh auf 4 Monate, für Schafe, Ziegen und Schweine auf 2 Monate zu bemessen.
sect; 25. Während der polizeilichen Beobachtung dürfen die Tliiere ohne polizeiliche Erlaubniss ihren Standort (Gehöft) nicht wechseln. Im Falle des mit polizeilicher Erlaubniss erfolgten Wechsels ist die Beobachtung in dem neuen Standort fortzusetzen.
Wenn die Erlaubniss zur Ueberführuug der Tliiere In einen anderen Polizei­bezirk erlheilt wird, so muss die betreffende Polizeibehörde behufs Fortsetzung der Beobachtung von der Sachlage in Kenutuiss gesetzt werden.
sect; 26. Die Benutzung der unter polizeiliche Beobachtung gestellten Tliiere, sowie der Weidegang derselben, ist gestattet. Der Besitzer der Tliiere oder der Vertreter desselben ist aber anzuhalten, von dem etwaigen Auftreten solcher Krnnkheitserscheinungen, welche den Ausbruch der Tollwuth befürchten lassen, ungesäumt der Polizeibehörde Anzeige zu machen. Letztere hat hierauf die so­fortige Untersuchung der erkrankten Tliiere durch den beamteten Thierarzt zu veranlassen und, sofern sich das Vorhandensein des Seuchenverdnchtes be­stätigt, die, Stallsperre für die erkrankten Thierc anzuordnen, wenn der Besitzer nicht die Tödtung derselben vorzieht.
1st die Tollwuth bei einem Tliiere festgestellt, so hat die Polizeibehörde, die sofortige Tödtung desselben anzuordnen (sect; 37 des Gesetzes).
Pütz, Lehrbuch dor austockenden Thicrkrankheitou.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 30
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400 Die ftul Wulhkraukheit bczügl, Gesetze Deutschlands und Oesterreichs.
d. Alle Arten von Tlüeren.
sect; 28. Vor polizeilichem Einschreiten dürlen bei wuthkrnnken, oder der Seuche verdächtigen Thieren keinerlei Ileilversuehe angestellt werden (sect; 35 des Gesetzes).
sect; 29. Das Schlachten wuthkranker oder der Seuche verdächtiger Thicre, sowie jeder Verkauf oder Verbrauch einzelner Theile, der Milch oder sonstiger Erzengnisse derselben ist verboten (sect; 30 des Gesetzes).
sect; 30. Die Cadaver der gefallenen oder getödteten wuthkranken, oder der Seuche verdächtigen Thiere sind durch Anwendung hoher Hitzegrade (Kochen bis zum Zerfall der Weichtheile, trockene Destillation, Verbrennen) oder sonst auf chemischem Wege sofort unschädlich zu beseitigen. Die hierdurch gewon­nenen Produote können frei verwendet werden.
Wo ein derartiges Verfahren nicht ausführbar ist, erfolgt die Beseitigung der Cadaver durch Vergraben, nachdem die Haut durch mehrfaches Zersghneideu unbrauchbar gemacht ist. Das Abhäuten der Cadaver ist verboten (sect; 39 des Gesetzes).
Die Section eines Cadavers darf nur von approbirten Thierärzten vorge­nommen worden.
e. Uesinfection.
sect; 31. Die Ställe, in welchen sich wuthkranke Thiere befunden haben, die Geräthschaften und sonstigen Gegenstünde, die mit kranken Thieren in Berührung gekommen sind , müssen vorscliril'tsmässig desinficirt werden. Die Streu wuth­kranker, oder der Seuche verdächtiger Hunde und die von solchen benutzten Hundehütten, soweit sie von Holz oder Stroh sind, müssen verbrannt werden.
Die uesinfection muss nach Anordnung des beamteten Thierarztes und unter polizeilicher Ueberwachung erfolgen (sect; 27 des Gesetzes).
Der Besitzer der zu desinficirenden Gegenstände, oder der Vertreter des Besitzers ist anzuhalten, ohne Verzug Desiufectionsarbeiten ausführen zu lassen.
lieber die erfolgte Ausführung der Desiniectlon hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
Das österreichische Viehseuchen-Gesetz vom 29. Februar 1880 enthält in Bezug auf Tollwuth folgende Bestimmungen:
sect; 35. Jedermann ist verpflichtet, ein ihm gehöriges oder an­vertrautes Thier, an welchem Kennzeichen der ausgebrochenen Wuth, oder auch nur solche wahrzunehmen sind, die den Wuthausbruch be­sorgen lassen, sofort durch Tödtung oder Absonderung ungefährlich zu machen und zugleich einem approbirten Thierarzte oder der Orts­behörde, in Orten aber, wo sich eine landesfürstliche Polizeibehörde befindet, der letzteren die Anzeige zu erstatten.
Thiere mit Erscheinungen, welche vermuthen lassen, dass die Wuth ausbrechen könne, sind für den Fall, als sie vollkommen sicher verwahrt werden können und der Eigenthümer deren Tödtung nicht vorzieht, thierärztlich zu beobachten.
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Die iiul' Wutlikranklii'it bezüglichen (jesctze Uesterreiclis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4(37
Frei herumlaufende, oder nicht vollkommen sicher verwahrbarc Thiere dieser Art sind zu tödten.
Ohne Ausnahme zu tödten sind auch die Thiere, bei welchen die Wuth ausgebrochen ist, ebenso alle Hunde und Katzen, die mit wuthkranken Thieren in Berührung gekommen sind.
Von einem wüthenden Thiere gebissene andere Hausthiere sind, wenn der Eigenthümer nicht die sofortige Tödtung vorzieht, abzu­sondern, unter Aufsicht zu halten und, sobald sich an denselben Spuren der Wuth zeigen, sogleich zu tödten.
Gebissene Rinder und Pferde müssen vier Monate, Schafe, Ziegen und Schweine drei Monate nach dem Bisse der Absonderung und Be­aufsichtigung unterworfen bleiben.
Wenn die Ortsbehürde von dem Herumschweifon eines wüthenden oder wuthverdächtigen Thieres Kenntniss erlangt, so hat sie sogleich die Tödtung oder Einfangung desselben zu veranlassen, und die be­nachbarten Ortsbehörden sowie die politische Bezirks-, beziehungsweise Polizeibehörde hiervon zu verständigen.
In Gegenden, welche von wuthkranken oder wuthverdächtigen Hunden durchstreift werden, oder in welchen die Wuthkraukheit ver­breitet vorkommt, kann angeordnet werden, dass die Hunde an die Kette gelegt, oder mit einem sicheren Maulkorbe versehen, oder an der Leine geführt und dass herumlaufende Hunde bei Nichtbeobachtung dieser Anordnungen getödtet werden.
Zur Vertilgung gewisser Gattungen von Thieren (Hunde, Füchse, Wölfe und dergl), unter welchen die Wuthkrankheit herrscht, können von der politischen Bezirksbehörde Jagden und Streifungen angeordnet werden.
Das Schlachten wuthkranker Thiere, jeder Verbrauch oder Ver­kauf einzelner Theile derselben oder ihrer Producte ist verboten.
Die Cadaver der gefallenen, oder wegen dieser Krankheit ge-tödteten, wuthkranken oder verdächtigen Thiere dürfen nicht abge­häutet werden- und sind daher mit Haut und Ilaaren unschädlich zu beseitigen.
Die Oeffnung der Cadaver darf nur von approbirten Thierärzten, oder in Ermanglung derselben von Aerzten vorgenommen werden.
Die Bestimmungen der ministeriellen Verordnung vom 12. April 1880 be­züglich dieses Gesetzes lauten:
Sind Menschen oder Thiere von einem der Wuth verdächtigen Thiere ge­bissen worden, oder mit diesem in eine derartige Berührung gekommen, dass daraus eine Ansteckung erfolgen konnte, so soll dns verdächtige Thier, wenn
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I : II
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l-OS Dlfi iU|' Wuthkranliheit besttgliobon Gesetze Oesterreiohs. Aphthenaeuoke.
dies ohne Qefahr gesoheheu kiinn, eingei'aiigeii, siclKü1 verwahrt, dessen sofortige Tödtung aber vermieden werden, damit dureli aaohkundlge Beobaohtang festge­stellt werden könne, ob die VViitliUrankheit vorhanden sei oder nicht.
Der Transport eines solchen Tbieres in einem sichern Gewahrsuni und die Vornahme der thierärztliehen llntcrsuchniig- und weiteren Ueobachtnng desselben ist von der Sicherheitsbehörde anverztlglloh /.u veranlassen.
Sind solche Tbiere getödtet worden, oder während der Verwahrung und tliierärztlichen Beobachtung uuigestanden, so sind dieselben jedenfalls der Section zu unterziehen (sect; 35, letztes Alinea).
So lange die Tbiere bei der thierärztlichen Untersuchung gesund bel'unden werden und keine Veränderung in ihrem Verbalten zeigen, wclolie den Verdacht der Wuthkrankheil begründen, dürfen sie innerhalb der Ortsgemarkung verwende! werden.
Treten solche Veränderungen ein, so isl hievon sofort die Anzeige zu er­statten, und die Tbiere, wofern nicht der Eigentbümer die Tödtung sogleich zu veranlassen findet, abgesondert und abgesperrt zu halten. Uci festgestellter Wulh-krankheit sind dieselben zu tödlen.
Ein Wechsel des Standortes solcher Thiero während der Beobachtungs­periode ist verboten.
Die angeordneten iScbutzinassregcln haben sieb, falls der Verdacht der Wutli bei dem herutnschweifenden Hunde nicht grondhiUtlg beseitig! ist, auf alle Ortschaften, in welchen der wuthkranke oder wuthvei'däclitige. Hund hcrumge-schweift ist, sowie auf jene Ortschaften zu erstrecken, die bis 4 Kilometer von den ersteren entfernt sind. Sie hiihen während eines Zeitraumes von wenigstens 8 Monaten fortzubestehen. Ausnahmen hievon können nur bezüglich der Hirten-und Jagdhunde, jedoch nur für die Zeit, während welcher und für die Localitäl, in der sie ihrer Bestimmung entsprechend verwendet werden, von der politischen Bezirksbehörde zugestanden werden.
Die Desinfection der Looalitäten, in welchen wüthende Thiere untergebracht waren, ist auf das genaueste vorzunehmen. Die bei wütbenden Hunden und Katzen während der Dauer ihrer Krankheit in Gebrauch gewesenen hölzernen Gegenstände und das Lagerstroh sind zu verbrennen, eiserne Geräflie aber aus­zuglühen.
Die Cadaver wulbkranker Thiere sind wie die Cadaver milzbrandkranker Tbiere zu behandeln.
15. Die Maul- und Klauenseuche der Hausthlere; auch Bläschen- oder Aphthenseuche genannt.
Wie der Name sagt, treten die iiusseren Localisationon dieser lut'ections-ivrankheit vorzugsweise an den Klauen, sowie im Maule auf — und zwar an beiden Orten zugleich, oder nur im Maule, oder nur au den Klauen. Dieselbe wird nicht nur bei unseren Ilausthieren häufig seuchenartig, sondern auch zuweilen bei wild lebenden Thieren angetroffen und kann auch auf den Menschen übergehen.
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Die Maul- und Klauenseuche (Aphthenseuobe) unserer Hausthlere, 409
Beim Rinde tritt dieselbe häufig als Maul- und Klauenseuche, zuweilen aber auch nur als Maulseuche, seltener nur als Klauen­seuche auf.
Bei Schafen und .Ziegen, sowie besonders bei Schweinen, kommt sie im Allgemeinen häufiger als Klauenseuche, weniger häufig als Maulseuehe, oder als Maul- und Klauenseuche vor.
Beim Hausgeflügel ist sowohl die Maulseuehe, als auch die Klauenseuche beobachtet worden und zwar bei Wasservögeln die letztere, bei den Landvögeln dagegen die erstere.
Beim Pferde ist die Empt'änglichkeit für die Bläschenseuche irn Allgemeinen eine geringe; die Maulseuehe ist hier die gewöhn­lichere Form, zuweilen aber ist gleichzeitig mit dem Bläschenaus­schlage am Maule auch ein solcher über dem Hufe, namentlich auf den Ballen beobachtet worden.
Fleischfresser (Hunde und Katzen) scheinen für die Bläs­chenseuche im Allgemeinen nur eine ausserordentlich geringe Empfäng­lichkeit zu besitzen.
Diese bereits seit Jahrhunderten bekannte Epizootie ist zuerst in der zweiten Jlälfte dos 17. Jahrhunderts näher beschrieben worden. Vordem und nachdem hat sie in den verschiedenen Ländern Europa's häufig und zwar in mehr oder weniger grosser Ausbreitung geherrscht. Vorzugsweise sind es die frequonten Viehverkehrswege, auf welchen sie (meist durch Handelsvieh) sich weiter verbreitet.
Beginnen wir die Detailbeschreibung dieser Krankheit mit der
Bliischcnseiiehe dos lUndvichs.
Dom Ausbruche der örtlichen Erscheinungen pflegt ein massiges Fieber voraus zu gehen, welches indess häufig übersehen wird. Die Milch nimmt bei Melkvieh eine dem Colostrum ähnliche Beschaffenheit an, indem sie eine mehr gelbliche Farbe erhält, bald feine, faden­förmige Gerinnsel und beim Knochen mehr oder weniger zahlreiche, kleine faserige Klümpchen abscheidet. Die durch das Auftreten der örtlichen Krankheitserseheinungen bedingten Zufälle sind, je nachdem die Maulseuehe, oder die Klauenseuche, oder beide zusammen sich entwickeln, verschieden, weshalb wir sie nach den einzelnen Haupt­formen nachstehend kurz zusammenstellen wollen.
a. Die Maulseuehe.
Dieselbe bedingt zunächst mehr oder weniger bedeutende Htörungen in den Verdauungsvorgängen, namentlich in der Futteranfnahrne und
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Die Miuilsouclic des Rindviehs,
im Kauen. Untersucht man im Beginne der Krankheit das Maul, so findet man dessen Schleimhaut vermehrt warm, geröthet und mit einem zähen Schleime überzogen, der nicht selten in langen Fäden zwischen den Lippen herunterhängt. Das Kauen fostor Futterstoffe verursacht den Thieren Schmerzen, während es ihnen sichtlich wohl thut, wenn sie sich das Maul öfter mit Wasser ausspülen können. Das Wiederkauen ist unterbrochen und zuweilen sind auch Schling­beschwerden mehr oder weniger deutlich erkennbar vorhanden. 24 bis 48 Stunden nach Eintritt der ersten örtlichen Erscheinungen bilden sich an verschiedenen Stellen der Maulschleimhaut, besonders an der Innen­fläche der Oberlippe, am zahnlosen Rande des Oberkiefers und an den Rändern der Zunge, zuweilen bis gegen die Rachonhöhle hin, aber auch auf dem Flotzmaule und um dasselbe herum, ferner auf der Nasenschleimhaut, namentlich auf der unteren Partie dieser, weisse oder weissgelbliche Bläschen, welche anfangs birsekorngross sind, all­mählich bis zur Grosse einer Erbse, Hasclnuss und darüber heran­wachsen. Dieselben enthalten eine wasserhelle oder gelbliche, alsbald trüb und eiterähnlich werdende Flüssigkeit; nach 1 oder 2 Tagen bersten sie, indem sie entweder einfache wunde Stollen, oder unreine Ge-schwürsfliiehen der Schleimhaut hinterlassen. Zuweilen stossen 2 oder mehr Bläschen zusammen, wodurch beim Platzen derselben die wunden Schleimhautpartien entsprechend grosser werden. Das Geifern aus dem Maule und die Beschwerden beim Kauen fester Futterstoffe dauern fort oder nehmen sogar noch zu, bis allmähliclr die Heilung der wunden Stellen erfolgt. Bis dahin zeigen die Thierc vermehrten Durst. Bei oberflächlicher Schleimhautentzündung pflegt bei ent­sprechender Fütterung und Pflege die Heilung innerhalb weniger Tage ohne jede arzneiliche Behandlung zu erfolgen. Wo aber unreine Geschwürsflächen sich zeigen, da handelt es sich stets um mehr oder weniger tief greifende Entzündungsprozesse, um erheblichere Be­schädigungen, resp. Substanzverluste der Schleimhaut in verschiedenen Graden. Das Schleimhautleiden beschränkt sich häufig nicht auf die Maulhöhle, sondern verbreitet sich mehr oder weniger über den Magen und Darmkanal. Je nach dem Grade und der Ausbreitung desselben treten die Störungen in den Verdauungsvorgäugen natür­lich mehr oder weniger heftig auf und dauern bald nur kürzere, bald aber längere Zeit hindurch fort.
Auch das Leiden der Nasenschleimhaut bleibt nicht immer auf die untere Partie derselben begrenzt, sondern erstreckt sich zuweilen über deren obere Partie mehr oder weniger tief in die Luftröhre und
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Die Maul- und Klauenseuclie des Rindvielis.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 471
ihre Verzweigungen hinein, so dass selbst die Schleimhaut der kleinen Bronchien von dem Krankheitsprozesse ergriffen werden kann. Die dadurch hervorgerufenen Respirationsstörungen sind demnach selbst­verständlich sehr verschieden; in den schweren Fällen können sie eine grosse Gefahr für das Leben des Thieres abgeben.
Auch die Schleimhaut des Auges wird manchmal von dem Krankheitsprozesse mit ergriffen. In diesem Falle kommt, es nicht selten zur Bildung kleiner Geschwürchen auf der durchsichtigen Horn­haut dos Augapfels. Zuweilen wird auch die Schleimhaut der äusseren Geschlechtswerkzeuge mit afficirt, ohne dass dieser Umstand für ge­wöhnlich eine besondere Bedeutung gewinnt; zuweilen aber sollen in Folge dessen bei trächtigen Thieren Frühgeburten verursacht worden sein.
b. Die Klauenseuche.
In der Regel ist ein gespannter Gang, der von Schmerzen im Bereiche der Klauen herrührt, die erste Krankheitserscheinung, welche bei dieser Form der Bläschenseuche wahrgenommen wird; auch zeigen die Thiere in der Regel weniger Lust zum Stehen, weshalb sie mehr als sonst zu liegen pflegen. Bei genauerer Untersuchung der Klauen findet man auf der Krone, an den Ballen, oder im Klauenspalto eines oder mehrerer Filsse gesteigerte Empfindlichkeit und höhere Röthe. Einen oder zwei Tage später bilden sich an genannlen Stellen kleine Bläschen, welche bald bis zur Grössc einer Haselnuss heranwachsen und zuweilen mit benachbarten Bläschen zusammenfliessen. Ihr an­fangs seröser Inhalt trübt sich, wird eiterähnlich und trocknet zum Theil zu Krusten ein, unter welchen die Heilung bei gutartigem Verlaufe in 8 his 14 Tagen erfolgt.
Der Hautausschlag ist aber keineswegs immer auf die nächste Umgebung der Klauen beschränkt; derselbe erstreckt sich zuweilen höher an den Gliedmassen, selbst über die Fesselgelenke hinauf. Auch verbreitet er sich nicht selten auf verschiedene andere Stellen der äusseren Haut. Bei Kühen wird besonders häufig ein Ausschlag am Euter beobachtet, kommt aber auch am Euter jüngerer weiblicher Rinder, so wie bei männlichem Rindvieh in der Hodensackgegend vor. — Werden bei Milchkühen die Strichen vom Ausschlage ergriffen, so verursacht das Melken Schmerzen; sitzt der Ausschlag an der unteren Oeffnung des Strichens, so kann diese durch die Krusten­bildung geschlossen werden. Auch kommen krankhafte Zustände im Innern des Euters vor, welche sich durch schmerzhafte, derbe An-
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472 Complicationeii bei Aphthenseuche; öcluidlielikeit des iMilchgenusses.
Schwellung eines Viertels, oder einer grösseren Euterpartie zu erkennen geben. Diese Euterentzündung zeigt dem Grade nach in den einzelnen Fällen wesentliche Verschiedenheiten und kann den Verlust des einen oder anderen Viertels, oder gar des ganzen Euters für die weitere Milchabsonderung zur Folge haben. In allen Fällen, in welchen die Bläschonseuche mit einer Euteraffection verbunden ist, treten die früher angegebenen Veränderungen der Milch immer am deutlichsten hervor. Nach dem Genüsse derartiger Milch im ungekochten Zustande kommen bei Saugkälbern Verdauungsstörungen vor, an welchen die betreffenden Thiere nicht selten in auffallend kurzer Zeit zu Grunde gehen. Auch bei Menschen, besonders bei Kindern, sind in Folge einer so be­schaffenen Milch Bläschen auf der Mundschleimhaut, so wie Verdauungs­störungen beobachtet worden. Deshalb ist durch sect; 20 der Instruction zum Seuchengesetze: das Weggeben der Milch von Thieren, welche an irgend einer Form der Bläschenseuche leiden, im rohen, unge­kochten Zustande behufs unmittelbarer Verwendung zum menschlichen Genüsse verboten.
Nocard hält die Milch von bläschenseuchekranken Kühen nur dann für schädlich, wenn diese heftig erkrankt, oder die Strichen ihres Euters mit Blasen besetzt sind, so dass aus letzteren das Gift beim Melken herausgezogen und der Milch beigemischt wird. Die mit Vorsicht abgemolkene, oder durch Melkröhrchen abgelassene, mit dem Inhalte der Aphthen nicht verunreinigte Milch soll stets unschädlich sein. Nocard stützt seine Angaben auf eigene Beobachtungen, welche er im April des Jahres 1874 unter dem damals aphthenseuchenkranken Rindviehbestande der Alforter Thierarzneischule zu machen Gelegen­heit gehabt hat. Während der ganzen Zeit, wo die Seuche in Alfort herrschte, ist die rohe Milch den sofort isolirten jungen Kälbern als Nahrungsmittel verabreicht worden, ohne dass dieselben eine Spur der Krankheit gezeigt haben. Auch die Eleven der Schule, so wie Nocard selbst, haben rogelmässig die frisch von der Kuh gemolkene Milch ohne jeden Nachtheil getrunken (Archives v6t. 1878, S. 53).
Zuweilen wird auch die Hautpartie, welche die Hornfortsätze des Stirnbeins umfasst und bekanntlich die Hörner erzeugt, bei der Bläschenseuche mit ergriffen; die betroffende Hautpartie ist in diesem Falle geschwollen und gegen Druck etc. sehr empfindlich. Die Hörner sind heiss und deren Bewegung für den Patienten schmerzhaft.
Wo Maul- und Klauenseuche bei einem Individuum vereint auf­treten, was bei Rindvieh, wie bereits erwähnt wurde, ziemlich häufig der Fall ist, da entwickeln sich die örtlichen Erscheinungen nicht
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Complloationen bei A{gt;h(henseuobe; äussere Einflüsse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;473
überall gleichzeitig; es gehen vielmehr die örtlichen Erscheinungen der einen Form denen der andern nicht selten etwas voraus und zwar häufiger kommt die Maulseuche, als umgekehrt die Klauenseuche, zuerst zur Entwicklung. In allen derartigen Fällen ist das gesammte Krankheitsbild ein weniger einfaches, sondern ein entsprechend com-plicirtes. Die Genesung zieht sich gewöhnlich etwas mehr in die Länge, als wenn nur eine Form der Beuche zur Entwicklung kommt; auch ist im letzteren Falle die Neigung zu üblen Ausgängen eine geringere.
Es können verschiedene, theils innerhalb, theils ausserhulb des Thierkörpers gelegene Verhältnisse auf den Verlauf der Bläschen­seuche nachtheilig einwirken. Wir wollen hier zunächst die wesent­lichsten äusseren Schädlichkeiten ins Auge fassen. Dieselben wirken im Allgemeinen häufiger auf den Verlauf der Klauenseuche, als auf den der Maulseuche ungünstig ein.
Bei der Maulseuche wird am ehesten eine unzweckmässige Be­handlung, sowohl diätetische, wie arzneiliche nachtheilig. Durch an­haltende, öfter wiederkehrende Reize können die wunden Stellen der Maulschloimhaut in fressende Geschwüre umgewandelt werden, welche in die Tiefe dringen, das Kauen fester Nahrungsmittel oft für längere Zeit ganz unmöglich machen und so eine bedeutende Abmagerung der Thiere bedingen. In dieser Form wird dann das Leiden, wenn­gleich mit Unrecht, auch wohl „Zungenkrebsquot; genannt.
In anderen Fällen bilden sich, statt fressender Gescliwüre, Wucherungen auf den wunden Schleimhautstellen; namentlich am Zahnfleische treten schwammige Auswüchse auf, durch welche der vermehrte Ausfluss von Schleim aus dem Maule für längere Zeit unterhalten wird. Dieselben können eine beträchtliche Grosse er­reichen und die Heilung auf längere Zeit verzögern. In vielen Fällen werden auch durch allgemeine innere Körperleiden sowohl die zuletzt erwähnten, wie auch andere üble Zufälle bei der Bläschen­seuche hervorgerufen.
Bei der Klauenseuche hängt sehr viel von der Beschaffenheit der Stallungen, resp. der Weiden ab. Werden die kranken Thiere in unreinen, kothigen Stallungen, oder bei ungünstiger Witterung auf schlecht beschaffenen Weiden gehalten, oder häufig durch kothige, oder harte, unebene, steinigte Wege getrieben, oder wird das Leiden arzneilich unzweckmässig behandelt, so verbreitet sich selbst eine an­fangs nur oberflächliche Entzündung der ausseien Haut auf der Krone, auf den Ballen und in der Klauenspalte leicht über die tiefer ge-
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Complioationen bei Aphthensouohe; bussere Einflüsse.
legenen Schichten des Hautgewebes, über die sogenannten Fleisch-theile des Hufes. In solchen Fällen kommt es dann innerhalb des Hornschuhes zur P^iterbildung, was sich durch eine weissliche Ver­färbung des über dem Eiterherde gelegenen Homes zu erkennen gibt; im günstigen Falle bahnt sich der Eiter an der Krone einen Ausweg. In anderen, jedoch selteneren Fällen werden grössere Partien Horn, oder ein ganzer Hornschuh durch den Entzündungs- und Eiterungs-prozess losgestossen; ja es kommt sogar in einzelnen Fällen zur Zer­störung des Bandapparates des Klauengelenkes. Derartige ungünstige Zufälle können auch durch unvorsichtigen Gebrauch von Aetzmitteln, durch Einstellen der Patienten in kaltes Wasser, oder durch Ein­wirkung anderer ungünstiger Einflüsse auf die wunden Stellen herbei­geführt werden. In solchen Fällen liegen die Patienten meistens am Boden, wodurch sie sich nicht selten wund liegen. Die durchgelege­nen Stellen erreichen manchmal einen bedeutenden Umfang, dringen leicht in die Tiefe und machen das betreffende Thier zu einem wahren Bilde des Jammers.
In Bezug auf den Einfluss, welchen Jahreszeit, Witterung, Pflege etc. auf den Verlauf der Bläschenseuche ausüben, gilt im All­gemeinen folgendes:
Am gutartigsten verläuft die Krankheit in der Regel bei schöner Herbstwitterung, besonders wenn die Thiere bei massig warmem und trockenem Wetter auf guten, mit weichem Gras bewachsenen Weiden gehen. Dieselbe tritt unter solchen Umstünden nicht selten so leicht auf, dass sie die Patienten kaum belästigt und deshalb nur wenig auffällige Erscheinungen verursacht. Auch wird der Ansteckungsstoff beim Weidegange durch Menschen weniger leicht verschleppt, als bei Stallhaltung, besonders im Winter, wo in den geschlossenen Ställen der Ansteckungsstoff gewissermassen festgehalten und concentrirt wird, so dass er in den Kleidungsstücken der Menschen, welche sich im Stalle aufhalten, oder durch irgend welche andere Gegenstände leichter verschleppt werden kann; überdies wirkt auch die verdorbene Stall­luft auf den Verlauf der Krankheit in loco leicht ungünstig ein. Dies ist aber bei Klauenseuche, namentlich bei unreiner Haltung der Klauen mehr als bei der Maulseuche der Fall, während auf den Ver­lauf dieser eine unzweckmässige Fütterung leicht nachtheilig einwirkt. Sehr heftige und gefährliche Zufälle werden beim Weidegange nicht selten durch grosse Hitze und Dürre, sowie andererseits durch nass­kalte Witterung herbeigeführt.
Im Allgemeinen soll die Bläschenseuche bei älteren, wohlge-
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Die Aphthenseuohe des Schafes und der Ziege.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 475
niihrten Thieren stärker auftreten, als bei jüngeren Thiercn; dagegen sterben ganz junge Individuen öfter plötzlich, als ältere.
Die IHiischenseuche des Schafes und der Ziege.
Bei Schafen und Ziegen kommt häufiger die Klauenseuche vor, als die Maulseuche. Bei letzterer Krankheitsform kommen die Bläs­chen vorzugsweise am zahnlosen Rande des Oberkiefers zum Aus­bruche; sie sind in der Regel nur sehr klein. Auch bei der Klauen­seuche tritt bei Schafen und Ziegen die Bläschenbildung selten so deutlich hervor, wie beim Rinde. Gewöhnlich ist die Haut an dem Saume der Krone und in der Klauonspalte zunächst geschwollen und geröthet, später mit nur wenig zahlreichen und wenig umfangreichen Bläschen besetzt, welche platzen und zu Krusten sich umwandeln. Nicht selten findet man nur an einem Fusse ein Bläschen, oder ein oberflächliches Geschwürchen und zwar meist an den Ballen. Die da­durch verursachte Lahmheit ist in der Regel so gering und so schnell vorübergehend, dass sie, namentlich wenn die Thiere nicht ausgetrieben werden, leicht unbeachtet bleibt. Setzt sich die Entzündung indess in den Hornschuh hinein fort, so gewinnt das Leiden eine grössere Bedeutung. Auch das Klauensäckchen kann von dem Entzündungs­prozesse mit ergriffen werden und sich in Folge dessen mit einem dicklichen Inhalte füllen, der durch Druck hervorgepresst werden kann. Da dieser Inhalt hierbei in wurmähnlicher Form zum Vorschein zu kommen pflegt, so hat man den betreffenden Zustand auch wohl mit dem unpassenden Namen „Klauenwurmquot; bezeichnet.
Die Empfänglichkeit für das Bläschenseuchegift ist hei Schafen und Ziegen eine geringere, als bei Schweinen. Bricht die Seuche in einer Schafheerde aus, so verbreitet sie sich in derselben lang­samer, als in einer Rindviehheerde. Unter günstigen AussenVerhält­nissen erkranken Schafe und Ziegen meist gelind; indess kann auch bei diesen die Krankheit bösartig werden, wenn seuchenkranke Indi­viduen den bei der Bläschenseuche des Rindes angegebenen ungün­stigen Einflüssen im Stalle oder auf der Weide ausgesetzt, oder arznei­lich schlecht behandelt werden. Es kommt dann verhältnissmässig häufig vor, dass auch bei Schafen und Ziegen grössere Klauenge­schwüre entstehen, welche eine theilweise oder gänzliche Loslösung des Hornschuhes im Gefolge haben. Wie beim Rindvieh, so wird auch bei Schafen und Ziegen die Bläschenseuche ganz jungen Indi­viduen vorzugsweise leicht und häufig verderblich. Die Seuche richtet deshalb in der Regel den grössten Schaden an, wenn sie während
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47Unbsp; nbsp; nbsp; nbsp;D'e Aphthenseuche des Schafes, der Ziege und des Scliweines.
oder kurz nach der Lammzeit zum Ausbruche kommt. Ea können dann, selbst bei gelinder Erkrankung der Mutterthiere, zahlreiche Sterbet'ällo unter den Lämmern auftreten. Die Milch ist nämlich bei Schafen und Ziegen selbst dann von der bei der Bläschenseuche des Rindviehs bereits beschriebenen krankhaften Beschaffenheit angetroffen worden, wenn die Mütter so unbedeutend erkrankt waren, dass erst bei ganz genauer Untersuchung derselben die Bläschenseuche bei ihnen erkannt wurde.
Ob die sogenannte „bösartige oder spanische Klauen­seuchequot; der Schafe eine Krankheit eigener Art, oder ob dieselbe vollkommen gleich ist mit der gewöhnlichen Klauenseuche — und aus dieser in Folge ungünstiger Einflüsse entsteht, ist zur Zeit nicht absolut sicher zu entscheiden. Dieselbe soll nur edlen und veredelten Schafen eigen sein. Sie kennzeichnet sich besonders durch tiefgehende Zer­störungen über und in dem Hornschuh, in Folge deren zuweilen selbst die Klauenknochen geschwürig zerstört, sogar im Klauengelenke abgestossen werden.
Grobe oder längere Zeit hindurch einwirkende Insulte, welche die Klauen treffen, können auch ohne Einwirkung eines Ansteekungs-stoffes Klauengeschwüre erzeugen, welche je nach Umständen einen sehr verschiedenen Grad erreichen. So entstehen derartige Klauen­geschwüre in Schafheerden, welche häufig über kothige Wege ge­trieben, oder auf durchweichten Weiden gehütet werden, manchmal in grösserer Verbreitung, als eigentliche Herdekraukheit. Dieses Leiden hat man passend mit dem Namen „Moder- oder Dreck-Hinkenquot; bezeichnet. Dasselbe ist nicht ansteckend und erfordert somit keine weiteren sanitätspolizeilichen Massregeln. Man muss sich deshalb vor einer Verwechslung desselben mit der ansteckenden Klauenseuche (Bläschenseuche) hüten. Eine genaue Untersuchung der kranken Thiere, mit sorgfältiger Berücksichtigung des Verbreitungs­ganges der Krankheit in der betroffenden Herde, wird den geübten Sachverständigen in der Regel auch selbst dann vor Irrthum schützen, wenn das Leiden unter den Schafen einer Herde in grösserer Ver­breitung auftritt.
Die Blilschensenche des Schweines.
Bei dieser Thicrgattung ist die Ma.ulseuche noch seltener, die Klauenseuche dagegen häufiger, als bei Schafen und Ziegen. Auf grössere Entfernungen wird diese Seuche unstreitig durch Schweine am häufigsten verschleppt, da der Handel mit dieser Thierspezies ein
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JJie Aphthenseuclie des Schweines, der FleisclüVessei- und des Wildes. 477
sehr frequenter ist und zahlreiche Heerdon in kurzer Zeit per Eisenbahn aus dem einen Lande in das andere geschafft und nicht selten nach allen Richtungen hin auf Landwegen weiter getrieben werden.
Wenn bei Schweinen die Maulseuche auftritt, bilden sich nicht nur auf der Maulschleirahaut, sondern auch am Rüssel und in dessen Umgebung Bläschen.
Bei der Klauonseuche erstreckt sich die Hautentzündung und Blasenbildung recht häufig bis über das Fesselgelenk; die Ilornkapseln werden nicht mir an den wahren, sondern auch an den falschen Klauen leichter und verhältnissmässig häufiger, als bei Wiederkäuern gänzlich losgestossen. Dies ist namentlich bei Treibheerden — und zwar vor­zugsweise dann der Fall, wenn die Thiere sehr harte, staubige oder kothige Wege längere Zeit passiren müssen, besonders bei grosser Hitze, oder bei nasskalter Witterung.
Die Uliischensoiiclie der Tleischfresscr.
Hunde und Katzen scheinen im Ganzen für dieses Krank­heitsgift nur wenig empfänglich zu sein; die Mittheilungen über das Auftreten dieser Krankheit bei fraglichen Thieren sind verhältniss­mässig selten. Die Infection scheint bei Fleischfressern sowohl durch den Genuss angekochter Milch von aphthenseuchekrankem Melkvieh, wie auch durch Verunreinigung der Füsse mit in Rede stehendem Ansteckungsstoffo zu Stande kommen zu können. Im ersteren Falle treten fieberhafte Verdauungsstörungen auf, welche sich durch Tem­peratursteigerung etc., Appetitlosigkeit, Brechneigung oder wirkliches Erbrechen u. s. w. zu erkennen geben. Es bilden sich Bläschen auf der Schleimhaut der Mundhöhle und zuweilen auch auf verschiedenen Stollen der äusseren Haut, besonders des Angesichtes und der Füsse. Zwischen den Zehen kommen namentlich dann Bläschen und Ge­schwüre vor, wenn dieselben mit dem Ansteckungsstoffe direct in Berührung gekommen sind.
Bei wild lebenden Thieren verläuft die Bläschenseuche un­gefähr genau ebenso, wie bei unseren Hausthieren. Die Krankheit qu. ist bei Hirschen, Rehen, Gemsen, Wildschweinen etc., zuweilen seuchenartig beobachtet worden und kann dann erhebliche Verluste verursachen.
Beim Menschen kommen infectionen mit Hläschcnseuchegift nicht
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478 Die Empfänglichkeit des Menßohen für das Aphthönseüöhegift,
selten vor. Erfolgen dieselben durch äusserliche Ansteckung, so entsteht eine meist local bleibende Bläscheneruption, welche in der Regel in kurzer Zeit von selbst heilt. Weniger gutartig sind die Intectionen, bei welchen die Aufnahme des Giftes mit den Nahrungsmitteln, na­mentlich durch den Genuss ungekochter Milch stattgefunden hat. In diesen Fällen stellen sich Fiebererscheinuugen und Verdauungsstö­rungen ein, die den Tod zur Folge haben können. Infectionen von Menschen durch den Genuss von Fleisch bläschenseuchekranker Thiere scheinen bis jetzt nicht beobachtet worden zu sein; Butter (und Käse?) sollen hingegen infectiös wirken können.
In Vieux-Everle, einem etwa 1000 Einwohner zählenden Dorfe, 4 bis 5 Kilometer.weit von Löwen, erkrankten im August und September 1872 viele Kinder und Erwachsene, indem Bläschen und Geschwüre an verschiedenen Stellen der äusseren Haut, der Schleimhaut des Mundes sich bildeten, womit nicht selten eine Halsaffection verbanden war. Dr. Hulin in Löwen, in dessen Klinik im September mehrere derartige Patienten eingetreten waren, erfuhr von diesen, dass in ihrem Ileimathsorte bereits verschiedene Todesialle in Folge dieser Krank­heit vorgekommen seien. Derselbe begab sich am 27. Septbr. e. a. mit den Thierärzten Hugues und Crevecoeur nach Vlenx-Everle, woselbst im Wesentlichen Folgendes festgestellt werden konnte :
In einem Hause befanden sich ;! kranke Kinder, welche Geschwüre an den Zehen, an der Fusswurzcl und an der Lippe, reap, im Munde hatten. Die Kinder waren bereits seit 1 Monat krank; dieselben pllegten barfuss zu gehen. Die Kühe dieses Hauses hatten, wie die meisten des Ortes, kurz vorher an Aphthenseuche gelitten. Der Kidistall communicirte direct mit der Wohnstube dieser Familie.
Die Ortsbehörde erklärte, dass bereits 10 Kinder im Alter von 0 Wochen bis 14 Jahren an fraglicher Krankheit gestorben und auch erwachsene Personen in ähnlicher Weise erkrankt gewesen seien. Bei allen Patienten war der Ver­lauf der Krankheit im Wesentlichen folgender : Zuerst bildete sich an einer oder mehreren Stellen der äusseren Haut ein kleiner rother Punkt, welcher mehr und mehr juckte, sich bald in ein Bläschen verwandelte, das (wohl in Folge des Reihens) platzte und eine geringe Menge klarer Flüssigkeit entleerte. Es bildete sich demnach eine Kruste , welche später abfiel und eine kleine nackte Wunde hinterliess, die sich allmählich vergrösserte, wenn sie nicht geätzt wurde. Das Jucken Hess mit der Geschwürsbildung nach. Die von Dr. Hulin behandelten (canterisirten) Patienten sind sämmtlich genesen, während in fraglichem Dorfe im Ganzen 23 Personen, darunter nur einzelne Erwachsene gestorben sein sollen. Ein Knabe von 8 Jahren soll vor seinem Tode nach Angabe der Mutter mem-branöse Fetzen erbrochen haben. Der letlude Ausgang pflegte zwischen dem zweiten und nennten Tage einzutreten (Annales de med. vet. 1873 S. 1 bis 9 und Recneil de med. vet. Februarheft 1873).
Die Bläschensenche des Uansgetlttgels.
Bei dem IJausgeflügel ist zur Zeit des Auftretens der Maul- und Klauenseuche ein Bläschenauaschlag an verschiedenen Körperstellen
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Die Aplitheiiscuche des llausgellügels und des Pferdes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 47!)
vielfach wahrgenommen worden. Bei Hühaern tritt derselbe besonders um die Nasenlöcher herum, am Kamme, aber auch auf der Maul-und Nasenschleimhaut hervor. Bei Gänsen (und Enten ?) ist das Klauenweh häufiger, wobei zwischen den Zehen an den Schwimmhäuten die Bläschen sich entwickeln.
Burger sah 4 Hühner, welche in einem mit Blaschenseuche inficirten Stulle untergebrncht waren, unter folgenden Ersclieinungen erkranken: der Kamm und die Zunge waren schmerzhaft und angeschwollen, in der Rachenhohle zeigten sich kleine Bläschen. Die durchsichtige Hornhaut des Auges war getrübt, die Conjunctiva geröthet. Die betr. Hühner nahmen nur wenig Futter auf und legten während der Krankheitsdauer keine Eier. In etwa 8 Tagen trat ohne arzneillohe Behandlung vollständige Genesung ein bei Darreichung von frischem Wasser (Thierärztliche Mitth., 11. Jahrgang, Carlsruhe).
Die Bliischensciiehe des Pferdes.
Wenn diese Krankheit bei Pferden vorkommt, so tritt sie ge­wöhnlich nur als Maulseuche auf; es sind indess Fälle beobachtet worden, wo gleichzeitig ein Bläschenausschlag über dem Hufe, nament­lich auf den Ballen sich entwickelte. Verhältnissmässig häufig und bösartig ist dieser Ausschlag an weissen Füssen beobachtet worden. In der Regel jedoch bleibt diese Thierspezies, selbst bei allgemeiner Verbreitung der Aphthenseuche von letzterer verschont. Es sind mehr­fach Fälle beobachtet worden, wo Pferde (in grösserer oder geringerer Anzahl) mitten unter bläschenseuchekrankom Weidevieh sich befanden und sämmtlich gesund blieben, wenigstens nicht derart erkrankten, dass es auffiel und wahrgenommen wurde. Es scheint demnach, dass das Pferd vor allen pflanzenfressenden Hausthieren die geringste Em­pfänglichkeit für fragliche Seuche besitzt. Nach dem ersten Jahres­berichte der technischen Deputation für das Veterinärwesen in Preussen scheint die Bläschenseuche der Pferde im Jahre 1870 nirgends im preussischen Staate von, beamteten Thierärzten beobachtet worden zu sein. Dagegen hat im Jahre 1874 die Maulseuche unter den Pferden Dänemarks nach dem Jahresberichte (1875) des Veterinären Greaund-heitsrathes fraglichen Staates in 104 Pferdebeständen bei im Ganzen 228 Pferden geherrscht (Zeitschrift für deutsche Thiermed. Bd. III, Heft IV, 1877, S. 822).
Die Erscheinungen der Maulseuche sind beim Pferde, nament­lich bei gutartigem Verlaufe, im Allgemeinen dieselben, wie beim Rindvieh; die Krankheit erreicht in der Regel innerhalb 7bis 10 Tagen ihr Ende, indem die Schleimhaut der Maulhöhle, an den Stellen, wo die Bläschen vorhanden waren, in der angegebenen Zeit sich wieder
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480 Die AphtluMisenclie des Plenles. Verlauf uiirt Dauer der Aplitlicnseuche.
mit einem Oberhäutchen bedeckt. Nur wenn die Bläschen nicht gleichzeitig, sondern die einen früher, die andern später sich bilden, kann die Dauer des Leidens über 2, ja selbst über 3 Wochen sich iiusdehnen. Die Patienten magern mehr oder weniger bedeutend ab, je nachdem die Futtoraufnahme in grösserem oder geringerem Maasse behindert und je nachdem die Dauer des Leidens eine längere oder kürzere ist.
Aber auch beim Pferde zeigt die Bläschenseuche nicht immer einen gutartigen Character. Es kommen zuweilen schwere Erkran­kungsfälle vor, bei denen an der inneren Fläche der Lippen und der Backen, am Zahnfleische, an der oberen Fläche und an den Seiten­rändern der Zunge, sowie um das Zungenbändchen, entzündete Stellen von der Grosse einer Linse bis zum Durchmesser eines Centimeters sich bilden.
Stosscn zwei und mehrere solcher Stellen unmittelbar aneinander, so wird ihr Gosammtumfang ein entsprechend grösserer. Diese Stelleu bedecken sich alsbald mit einer weisslich-grauen, oder gelblichen, ziemlich dicken Ausschwitzung, welche von einem stark gerötheten Saume umgeben ist und mit der unterliegenden, blutenden und wunden Schleimhaut innig zusammenhängen. Zuweilen findet man diese aus­geschwitzten Massen in so beträchtlicher Menge und Ausbreitung, dass sie die Zunge und einzelne Abschnitte der Lippen zusammen­hängend überziehen. In anderen Fällen wird gleichzeitig eine heftige Entzündung der Nasenschleimhaut, Geschwürchen um Nase und Maul, Anschwellung der Lymphgefässe an den Backen zu Strängen und der Lymphdrüsen im Kehlgange zu mehr oder weniger schmerz­haften Knoten beobachtet.
Was Verlauf und Dauer der Bläschenseuche anbelangt, so müssen wir zwischen Einzelerkrankung und Seuche unterscheiden. Der Einzelfall kann sehr gutartig, aber auch sehr bösartig verlaufen; die Heilung erfolgt in der Regel innerhalb 8 bis 14 Tagen. Manchmal aber dauern die Nachkrankheiten viele Wochen oder Monate lang, oder die Patienten gehen früher oder später an denselben zu Grunde. Weitaus die grösste Mehrzahl der Fälle von Bläschenseuche nimmt den Ausgang in vollkommene Genesung. Tief gehende Zerstörungen zufolge Geschwürsbildung, sowohl bei der Maulseuche, als bei der Klauenseuche, eine grössere Verbreitung des Schleimhautleidens auf Magen und Darmcanal, oder auf die Athmungswerkzeuge, ferner hin­zutretende andere Krankheiten u. s. w. können langwierige Leiden, ja selbst den Tod zur Folge haben. Auch kann die Genesung unter
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Verlauf und nationalöoonoiuisohe Bedeutung der Aphthenseuohe, 481
Umständen nur eine unvollkommene sein, indem Deformitäten oder Verstümmelungen der Klauen etc. zurückbleiben. Immerhin aber ist die Krankheit im Allgemeinen eine wenig lebensgefährliche. Dagegen sind die Nachtheile, welche sie, namentlich bei grösserer Verbreitung, durch Störungen im Wirthschaftsbetriebe verursacht, manchmal sehr beträchtliche, so dass sie dadurch eine grosse nationalöconomische Be­deutung erlangt. Sie ist von allen Thierseuchen diejenige, welche unsere Viehbestände am häufigsten heimsucht und da sie keine lange andauernde Immunität zu hinterlassen pflegt, wiederholte Verluste in der Ausnutzung der betreffenden Thiere verursachen kann.
In Bezug auf die öconomische Bedeutung dieser Seuche äussert sich Nocard (Archives vöt^rinaires 178 S. 47) folgendermassen: Die Aphthenseuche ist vielleicht die schädlichste aller Epizootien, welche die Rindviehbestände Frankreichs deeimiren. Zwar ist die Sterblich­keit, welche sie verursacht, im Allgemeinen keine beträchtliche. Wenn man aber eine genauere Uebersicht über die beträchtliche Anzahl von Individuen sich zu verschaffen sucht, welche im Laufe eines Jahres durchschnittlich von dieser Krankheit befallen werden, und die Nachtheile summirt, welche in Folge der verminderten Futteraufnahme von Seiten der erkrankten Thiere u. s. w. durch Abmagerung, oder im günstigeren Falle durch Stillstand in der Ernährung (Mast), so wie durch Verminderung, oder gar durch gänzliche Unterdrückung der Milchsecretion herbeigeführt werden, so gelangt man zu Summen, welche diejenigen erschrecken, die zunächst nur die scheinbare Gut­artigkeit dieser Affection berücksichtigt haben.
Die Dauer und der Verlauf der Bläschenkrankheit als Seuche ist ebenfalls verschieden. Eine strenge Handhabung der gesetzlich vorgeschriebenen sanitarischen Massregeln vermag viel zu leisten. Die sect; 16—25 der Instruction zum Seuchengesetze regeln das be­treffende Verfahren, welches im Aligemeinen jede Communication seuchenkranker, oder in Seuchenställen aufgestellter Wiederkäuer und Schweine verbietet und auch sonst der Verschleppung des Ansteckungs­stoffes vorzubeugen sucht.
Als Ursachen der Bläschenseuche kennen wir nur die An-steckuugsfähigkeit derselben; worin aber der Ansteckungstoff eigent­lich besteht, wissen wir zur Zeit nicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass derselbe, wie andere Contagien, belebter Natur ist, obgleich die betreffenden Mikroorganismen bis jetzt nicht sicher nachgewiesen worden sind. Zwar hat man in dem Inhalte der Aphthen und in dem Ge-schwürssecrete Mikrokokken in grosser Menge angetroffen, ohne in-
Pütz, Lohrlmch der uuteohendon Thioikraukhelten,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;81
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482nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ui6 Ursaohen und das Incubutionsstadiuni der Aplithenseuehe.
dess ihre pathogene Natur nachgewiesen zu haben. Da in der Milch bläschenseuchokranker Thierc diese Organismen nicht gefunden wurden, jene aber gleichwohl im ungekochton Zustande infectiös wirkt, so er­scheint es mindestens fraglich, ob die in den Aphthen und Geschwürs-secreten angetroffenen Mikroorganismen zur Krankheit in causaler Be­ziehung stehen. Merkwürdig ist, dass die Bläschenseuche in gewissen Jahrgängen häufiger, als in anderen, in dieser oder jener Form auf­tritt, also ungewöhnlich häufig bald als Klauenseuche, bald als Maul­seuche erscheint und bald für diese bald für jene Thiergattung in her­vorragender Weise ansteckend ist. Demgemäss sehen wir die Bläschen­seuche zuweilen vorzugsweise unter dem Kindvieh, bald vorzugsweise unter den Schafen oder Schweinen, bald unter den verschiedenen Thiergattungen gleichzeitig herrschen. Die Ursachen für diese Ver­schiedenheiten sind gänzlich unbekannt.
Nocard ist geneigt, den S. 472 erwähnten Seuchenfall in Alfort auf spontane Entstehung zurückzuführen. Er gibt hierfür folgende Gründe an:
1.nbsp; nbsp;Der Stall der Alforter Schule war während des Jahres 1872 und der ersten Hälfte von 1878, wo die Aphthenseuche rings um sie herum geherrscht hatte, der Infection entgangen.
2.nbsp; nbsp; Seit länger als 2 Jahren war kein neues Thier in den Stall eingeführt worden.
3.nbsp; nbsp;Seit 1 Jahre war kein Fall von Aphthenseuche in der Klinik der Schule gesehen worden. Auch hatte sich während der nämlichen Zeit im Umkreise von 10 Meilen kein Fall gezeigt, wie Nocard durch Einziehen von Erkundigungen bei den Mitgliedern des thierärztlichen Vereines von Seine-et-Marne und Seine-et-Oise sich vergewissert hat.
Das Bläschenseuchegift scheint durch die atmosphärische Luft nicht weit verbreitet zu werden, so dass weitaus die meisten Ver­schleppungen desselben durch fixe Träger, wie z. B. durch kranke Thiere, durch Menschen und verschiedene andere Dinge (Dünger, Häute, Futter u. s. w.) stattfinden. Die Zeit, innerhalb welcher der Ansteckungsstoff nach seiner Uebertragungauf ein für dasselbe empfäng­liche Thier den offenbaren Ausbruch der Bläschenseuche zur Folge hat, beträgt in der Regel 3 bis ü Tage, selten mehr oder weniger. Die äussersten Grenzen des Incubationsstadiums liegen jedoch zwischen 24 Stunden und 10 bis 12 Tagen.
In prophvlactischer Hinsicht wirkt ausser der Möglichkeit, dass die einzelnen Individuen häufiger an Bläschenseuche erkranken können, auch die grosse Lebenszähigkeit ihres Contagiums ungünstig ein, inso-
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Lebenszähigkeit des Aphthensenohegiftes; Prognose und Behandlung. 483
fern diese Dingo die Verbreitung der Krankheit sehr begünstigen. In nicht gründlich desinficirten, mit blüschenseuchekrankem Vieh be­setzt gewesenen Ställen kann dieses Krankheitsgift sich Monate lang wirksam erhalten, was namentlich dann der Fall zu sein pflegt, wenn die betreffenden Räume nicht gereinigt und nicht gründlich gelüftet worden sind. Bei mangelliafter Desinfection kann auch durch Eisen­bahntransporte von Vieh die Bläschenseucho nicht nur auf kurze, sondern auch auf weite Strecken verschleppt werden. So z. B. habe ich in Bern verschiedene Mal die Klauenseuche unter Schweinetrans­porten gesehen, welche direct von Lyon kamen und dort nach den beifolgenden Papieren 1 oder 2 Tage vorher gesund verladen worden sein sollten. In manchen Gegenden mit zahlreichen Eisenbahnvieh­transporten und regem Viehverkehr auf Märkten u. s. w. droht die Seuche stationär zu werden. In der Schweiz wird es trotz aller Sorg­falt in Handhabung der betreffenden Veterinärpolizei kaum gelingen, das Land längere Zeit hindurch von fraglicher Seuche frei zu halten. Nach einer amtlichen Schätzung sollen hier jährlich etwa der vierte Theil des ganzen Bestandes an Rindvieh und an Kleinvieh an der Bläschenseuche erkranken; ungefähr ebenso verbreitet soll die Seuche in Frankreich herrschen. Nach Bouley wurden im Jahre 1871 etwa 700000 Tliiere von der Bläschenseuche befallen, wovon etwa 7000 durch Schlachtung oder Tod eingingen. Der Gesaramtverlust Frank­reichs in diesem Jahre durch fragliche Krankheit wird auf 30 bis 35 Millionep Francs veranschlagt.
Wenn nun auch die Verluste in den meisten anderen Staaten geringere sein mögen, so sind sie doch auch bei uns keineswegs un­bedeutende, wie sich aus den vorliegenden thierärztlichen Jahres­berichten leicht ersehen lässt.
Die Prognose ist im Allgemeinen günstig, indess nach Be­schaffenheit des concreten Falles sich richtend.
Die Behandlung der Bläschenseuche ist je nach der Beschaffen­heit der Localerkrankung und je nach dem etwaigen Vorhandensein von Complicationen manchmal sehr verschieden, in ihren gewöhnlichen gutartigen Formen im Allgemeinen sehr einfach. Alle unzeitigen arzneilichen Eingriffe schaden leicht und dienen nur dazu, den günstigen Verlauf der Krankheit zu stören und die Heilung in die Länge zu ziehen. Bei oberflächlicher Entzündung der äusseren Haut, oder der betreffenden Schleimhäute genügt es, jede Reizung der kranken Stellen zu verhüten. Bedecken sich diese nicht bald mit einem Schorfe, so kann man eine schützende Decke durch täglich 2- oder 3 maliges
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Behandluna Her U!aal: und Klaaenseuohe,
Bepinseln mit einer 5- bis 10 prozentigen Lösung von Kupfervitriol in Wasser, oder von Carbolsäure in Branntwein, zu schaffen suchen.
Um nun bei der Maulseuche die Deckung der wunden Schleim­haut nicht zu stören, müssen die Futterstoffe, entsprechend beschaffen, verabreicht werden. Es müssen namentlich alle reizenden Futterstoffe, wie z. B. Häckerling, granigte Achren oder Spreu, grobstengeliges Heu harte Gräser u. dergl. vermieden werden. Da den Patienten das Kauen derartiger Futterstoffe Schmerzen verursacht, so fressen sie von denselben nur wenig, magern in Folge dessen stärker ab und verlieren mehr an der Milch, als dies bei zweckmässiger Fütterung der Fall ist. Diese Nachtheilo fallen um so schwerer ins Grewicht, weil in Folge der wiederholten Reizung der wunden Stellen die Heilung dieser sich mehr in die Länge zieht, als bei angemessener Beschaffen­heit des Futters. Weiches Griinfutter, Kleien, Mehltränke, gekochte und zerkleinerte Kartoffel, manche Fabrikabfälle wie z. B. Schnitzel, Schlampe u. dergl. müssen die hauptsächlichste Nahrung der Thiere bilden, bis die Heilung der Maulschlcimhaut eingetreten ist. Bei einer so beschaffenen Diät ist jede arzneiliche Behandlung bei gewöhnlicher Maulseuche in der Kegel überflüssig. Die Heilung kann aber dadurch befördert werden, dass man den Patienten Gelegenheit gibt, sich das Maul täglich einige Mal mit etwas angesäuertem Brunnenwasser aus­spülen zu können. Einem Stalleimer voll frischen Wassers setzt man zu fraglichem Zwecke etwa 1 Liter siedendes Wasser und ein Wein­glas voll Essig' zu.
Bei Behandlung der Klauenseuche kommt es vorzugsweise auf die trockene und weiche Beschaffenheit des Standortes, resp. der Weide an. Die wunden Hautstellen müssen immer möglichst scho­nend behandelt, namentlich rein gehalten, eventuell mit lauwarmem Wasser vorsichtig abgewaschen werden, wobei alles unnöthige Reiben der wunden Stellen zu vermeiden ist. Sehen diese frisch und roth aus, so genügt es, dieselben gegen den Zutritt von atmosphärischer Luft und gegen Verunreinigung irgend einer Art zu schützen. Hierzu eignen sich viele Mittel. Am einfachsten ist die Anwendung einer Vitriol- oder Carbolsäurelösung, welche um so concentrirter sein kann, je mehr die wunden Stellen Flüssigkeit absondern; immer aber muss man sich vor einer tiefer gehenden Zerstörung des Hautgewebes hüten, weshalb zu concentrirte Flüssigkeiten, so wie namentlich der Gebrauch ungelöster, resp. unverdünnter Aetzmittel, stets zu meiden sind. Ebenso ist ein Verband bei der nötbigen Reinlichkeit in der Regel nicht nur überflüssig, sondern häufig sogar geradezu schädlich.
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Behandlung der Maul- und Kluueniseuehe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 485
Wo es zu Entzündungen der im Hornschuh eingeschlossenen Weichtheile, oder gar zu Eitersenkungen in den Hornschuh kommt, da ist es stets am besten, operative Hülfe rechtzeitig in Anwendung zu bringen, hier müssen in der Regel grössere, oder kleinere Re-sectionen am Hornschuh vorgenommen werden. Das losgetrennte Ilom muss in allen Fällen, wo durch dasselbe Eitersenkungen be­günstigt werden, so weit mit dem Messer abgetragen werden, bis der Eiter frei abfliessen und so Heilung eintreten kann. Kleine Wiederkäuer und Schweine verlieren nicht selten ganze Hornkapseln in Folge der Klauenseuche. Wenn dabei die Fleischlederhaut der betroffenen Klaue nicht theilweise oder ganz zerstört ist, so werden die verloren gegangenen Hornkapseln wieder neu gebildet, so dass dieselben nachher wieder vollkommen, oder doch nahezu normal er­scheinen. Bei Beschädigungen der Fleischlederhaut richtet sich der (Irad der daraus resultirenden Deformitäten des Hufes nach dem Um­fange und nach der Beschaffenheit des krankhaften Zustandes. Bei den grossen Hausthieren werden verloren gegangene ganze Hufkapseln erst im Laufe mehrerer Monate und zwar niemals in ganz normaler Form wieder ersetzt. Bei Pferden ist es nie rathsam, in solchen Fällen einen Heilversuch zu machen, es sei denn, dass das betreffende Thier später weniger als Arbeitsthier, als zu anderen Zwecken (Zucht u. s. w.) verwendet werden soll. Auch beim Rindvieh ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob eine Behandlung, oder das sofortige Abschlachten des Patienten das Rathsamste ist.
Die mit der Bläschenseuche auftretenden Euterentzündungen verlangen eine sehr aufmerksame Behandlung, weshalb die Hülfe eine dem jeweiligen Zustande genau angepasst sein inuss, sobald die Ent­zündung sich hartnäckig erweist.
Der zeitweilige Gebrauch von Melkrührchen kann hier sehr vortheilhaft werden, wenn die Strichen durch Aphthen lädirt sind; in diesem Falle muss man die Melkröhren nach und vor jedesmaligem Gebrauche in eine r)0,oige Carbolsäurelösung legen, um dieselben ge­hörig zu desinficiren. Wird diese Vorsichtsmassregel vernachlässigt, so kann leicht eine parenchyinatöse Euterentzündung entstehen.
Bei der Klauenseuche der Schafe wird man die Behandlung grösserer Herden dadurch wesentlich vereinfachen, dass man die Patienten zunächst ein warmes Fussbad nehmen lässt, indem man sie durch eine beiderseits mit Hürden oder Raufen begrenzten und mit warmem Wasser etwa 4 Ctm. hoch gefüllten Krippe gehen lässt. Nachdem so die Füsse gereinigt worden sind, werden die Thiere so-
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486 Behandlung der Maul- und Klauenseuche. Recidive dieser Krnukheil.
fort durch eine andere in der Nähe aufgestellte Krippe getrieben, in welcher die betreffende arzneiliebe Flüssigkeit enthalten ist. Wo Huf Operationen nothig sind, können die geeigneten Arzneimittel und allenfalls erforderlichen Verbände unmittelbar nach dem Beschneiden der Horngebilde applicirt werden.
Der gesammte betroffene Viehstand muss in entsprechenden Zwischenräumen wiederholt revidirt werden; besonders ist dies bei schweren Patienten täglich einmal zu besorgen, während bei leichteren Fällen eine alle 2 oder 3 Tage wiederholte Revision ausreicht, inso­fern die öftere Anwendung von Heilmitteln nicht nothwendig ist.
Zur Abkürzung der Krankheit als Seuche kann beim Rindvieh auch die Impfung vorgenommen werden. Dieselbe erfolgt am besten alsbald beim Ausbruche der Krankheit, indem man alle zur Zeit noch gesunden Individuen der betreffenden Thierspczies in dem inficirten Stalle oder Gehöfte der sofortigen Ansteckung dadurch aussetzt, dass man die Maulschleimhaut an einer leicht zugänglichen Stelle ober­flächlich ritzt und dann mit der Hand etwas Speichel von einem maul-seuchekranken Thiere der nämlichen Spezies in die Wunde einreibt.
Leider wird durch das einmalige Ueberstehcn der Bläschenseuche nur für eine kurze Zeit eine Immunität gegen das Contagiura dieser Krankheit begründet, weshalb letztere ein und denselben Viehbestand in kurzer Zeit mehrere Male, in Jahresfrist sogar 4- bis 5mal, be­fallen kann, wie ich dies in der Nähe von Bern (Schweiz) zu beob­achten, früher einige Mal Gelegenheit gehabt habe.
Das deutsche Relchsvlehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 enlhnll gegen die Aphtbensenclie unserev Hausthlere keine besonderen Vorschriften.
Die Instruction des Uniulesratlies vom 24. Februar 1881 bestimmt über fragliche Seuche des Rindviehs, der Schafe, Ziegen und Schweine Folgendes:
a. Ausbruch der Seuche.
sect; 57. Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche durch das Gutachten des beamteten Tluernrztes (laquo;5 2, Abs. ;! des Gesetzes) l'estgestelll (sect; 12 des Ge­setzes), so kann die Polizeibehörde auf die Anzeige neuer Seucbenausbrüclic in dem Seuchenorte selbst oder in dessen Umgegend sofort die erforderlichen polizei­lichen Sehut/.massregelu anordnen, ohne dass es in Jedem Falle einer vorgimglgen sachverständigen Ermittelung- durch den beamteten Tbierarzt bedarf (sect; 15 des Gesetzes).
S; 58. Der erstmalige Ausbruch der Man!- und Klauenseuche in einer bis dahin seucheni'rcien Ortschaft ist nach erfolgter Feststellung von der Polizeibehörde auf ortsübliche Weise und durch Bekanntmachung in dem flir amtliche i'ubli-entionen bestimmten Blatte (Kreis-. Amtsblatl u. s. w.) zur öfTentllchen Eenntniss zu bringen.
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Die auf Aplithenseuchc bezüglichen Gesetze des dcutaclien Reiches. 487
Das Seuchengehoft ist am Haupteingangstliore oder au einer sonstigen geeigneten Stelle mit der Inschrift: „Maul- und Klauenseuchequot; zu versehen.
sect; 59. Die kranken und die verdächtigen Wiederkäuer und Schweine unter­liegen der Gehöftsperre mit den nachstellend aufgeführten Erleichterungen. Als verdächtig (sect; 11 Abs, 2 des Gesetzes) gelten alle Wiederkäuer und Schweine, welche mit kranken Thleren In einem und demselben Stalle aufgestellt sind.
Die Benutzung kranker Thiere zur Feldarbeit und der Weidegang derselben darf unter der Bedingung gestattet werden. dass die Thiere dabei keine Wege und keine Weiden betreten, welche von gesunden Wiederkäuern und Schweinen aus anderen Gehöften benutzt werden, und dass sie auf der Weide mit solchen Wiederkäuern und Schweinen nicht in Berührung kommen. Im Falle uuverlmh-iiissmiissiger wirthschaftlieher Nachtheile können von der höheren Behörde weitere Erleichterungen unter entsprechenden Vorsicbtsmassregeln zugestanden werden.
Die verdächtigen Thiere können zur Feldarbeit benutzt werden. Der Weide­gang derselben ist aber nur dann zu gestatten, wenn auf der Weide eine Be­rührung mit seuchefreiem Vieh aus anderen Gehöften verhindert worden kann.
Erforderlichenfalls hat die Polizeibehörde dafür Sorge zu tragen, dass auf gemeinschaftlichen Weiden die Hütnngsgrenzen für das gesunde und für das kranke oder verdächtige Vieh regulirt werden. Die von den kranken oder ver­dächtigen Thleren benutzten Weidofliichen sind durch Tafeln mit der Inschrift: „Maul- und Klauenseuchequot; kenntlich zu machen.
Die Ueberführung der unter Geböftsperre stellenden Thiere in ein anderes Gehöft derselben Ortschaft darf ausnahmsweise genehmigt werden, wenn damit eine Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche nicht verbunden ist. Dabei müssen die kranken Thiere zu Wagen, oder in solcher Weise transportirt werden, dass sie die von gesunden Wiederkäuern oder Schweinen aus anderen Gehöften be-nutzten Wege nicht betreten.
Die Ausführung der verdächtigen Thiere aus dem Seuchenorte zum Zwecke der sofortigen Abschlachtung ist zu gestatten. Wird die Erlaubniss zur Ueber­führung der Thiere in einen anderen Polizeibezirk ertheilt, so ist die betreffende Polizeibehörde von der Sachlage in Kenntniss zu setzen.
sect; 00. Die Absonderung oder die Stallsperre der erkrankten und der ver­dächtigen Thiere des Seuchengehöftes kann von der Polizeibehörde angeordnet werden, wenn der Besitzer die polizeilich angeordneten Verkehrs- und Nutzungs­beschränkungen übertritt.
sect; 61. Das Weggeben der Milch von kranken Thleren im rohen ungekochten Zustande behufs unmittelbare]' Verwendung zum Genüsse für Menschen oder Thiere ist verboten.
S 62. Häute von gefallenen oder getödteten kranken Thleren dürfen nur im vollkommen trockenen Zustande aus dem Seuchengehöfte ausgeführt werden, sofern nicht die directe Ablieferung derselben an die Gerberei erfolgt.
Rauhfutter und Stroh, welches nach dem Orte seiner Lagerung als Träger des AnsteckungsstolTes anzusehen ist, darf aus dem Senchengehöfte nicht entfernt werden.
Dünger, welcher während des Auftretens der Seuche im Seuchenstalle ge­legen hat, darf auf solchen Wegen und nach solchen Grundstücken, welche von seuchefreien Mriedcrkäuern oder Schweinen aus anderen Gehöften betreten werden, nicht abgefahren werden. Kann auf diese Weise die Abfuhr des Düngers nicht
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488 ü'e B111 AphthensiBUOhe bezüglioben Gesetze des deutschen Reiches.
bewirkt werden, so darf dieselbe nur unter Einhaltung der für einen solchen Fall anzuordnenden polizeilichen Vorkehrungen erfolgen.
sect; 63. Der Besitzer oder dessen Vertreter ist anzuhalten, das Betreten des Seuchengehöl'tes (lurch fremde Wiederkäuer und Schweine nicht zu gestntten.
sect; 64. Gewinnt die Seuche in einer Ortschaft eine grössere und allge­meinere Verbreitung, so ist die Abhaltung von VielnnärUten, mit Ausnahme der Pferdemärkte, in dem Seuchenorte und nöthigenfalls auch in den benachbarten Ortschaften von der zuständigen höheren Polizeibehörde zu verbieten.
Die Polizeibehörde kann in diesem Falle den Seuchenort und dessen Feld­mark gegen das Durchtreiben von Wiederkäuern und Schweinen absperren und bestimmen, dass die Ausführung von Thieren dieser Arten aus dem Seuchenorte und dessen Feldmark nur mit polizeilicher Erlaubniss erfolgen darf. Diese Er-laubniss soll der Regel nach nicht versagt werden, wenn gesunde Thiere ausge­führt werden sollen, und wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Ausführung zum Zwecke sofortiger Abschlachtung erfolgt. Wird die Erlaubniss zur Ueber-fülnung der Thiere in einen anderen Polizeibezirk ertheilt, so ist die betreffende Polizeibehörde von der Sachlage In Kenntniss zu setzen.
Ist der Seiichenort und dessen Feldmark gegen das Durchtreiben von Wiederkäuern und Schweinen gesperrt, so ist die Abfuhr von Viehdünger aus den Seuclicnsliillen (sect; 62, Absatz 3), der Weidegang kranker oder verdächtiger Thiere, so wie die Benutzung kranker oder verdächtiger Thiere zur Feldarbeit mit solchen Beschränkungen zu gestalten, welche erforderlich sind, nm eine Heber-tragung der Seuche In die seuchefreien Viehbestände der benachbarten Ortschaften zu verhindern.
An der tirenze der verseuchten Ortschaften sind geeigneten Orts Tafeln anzubringen, welche die Inschrift: „Maul- und Klanenseuchequot; führen.
Die Anwendung der Vorschriften dieses Paragraphen ist in grösscren ge­schlossenen Ortschaften in der Regel auf einzelne Stressen oder Theile des Orts oder der Feldmark zu beschränken (sect; 22 des Gesetzes).
sect; 65. Bricht die Seuche auf der Weide selbst unter solchem Vieh aus, welches ständig auf der Weide gebalten wird, so hat die Polizeibehörde die Weidefläche gegen den Abtrieb des Weideviehes und gegen den Zutrieb von Wiederkäuern und Schweinen abzusperren.
Die abgesperrte, VVeidelläche ist mit Tafeln zu verseilen, welche die In­schrift: „Maul- und Klauenseuchequot; führen. — Der Abtrieb verdächtiger Thiere zum Zwecke sofortiger Abschlachtung ist zu gestatten.
Ausserdem darf der Abtrieb der Thiere nur gestattet werden, wenn deren Verpflegung oder die Witterung einen Wechsel der Weidefläche oder eine Auf­stauung nothwendig macht. Dabei müssen die kranken Thiere zu Wagen trans-portlrt und auf solchen Wegen abgetrieben werden, die von seuchefreien Thieren anderer Bestände von Wiederkäuern oder Schweinen nicht benutzt werden.
sect; 66. Wird die Seuche in Treibherden oder bei Thieren, die sich auf dem Transporte befinden, festgestellt, so hat die Polizeibehörde die Weiterbeförderung zu verbieten und die Absperrung der Thiere anzuordnen.
Im Falle die Thiere binnen 24 Stunden einen Standort erreichen können, wo dieselben durchsenchen oder abgeschlachtet werden sollen, kann die Polizei­behörde die Weiterbelorderung unter der Bedingung gestatten, dass die Thiere
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Die auf Aplitheiiseuche Lgt;eziigl. Gesetze Deutschlands und Üestevreiclis. 489
unterwugs fremde Gehöfte nieht betreten und dass die kranken Tliicre zu Wagen transportirt werden.
Wird die Erlaubniss zur Ueberl'iilirung der Tliiere in einen anderen Polizei­bezirk ertheilt. so ist die betreffende Polizeibehörde von der Sachlage in Kennt-niss zu setzen.
b. Desinteotion.
S 07. Die von kranken Thieren benutzten Räumlichkeiten sind nach dem Erlöschen der Seuche oder nach der Entfernung der kranken Tbicre gründlich zu reinigen.
Die von fremden kranken Thieren benutzten Räumlicbkeiten auf Viehhöfen oder in Gasthöfen sind der Anordnung des beamteten Tbierarztes entsprechend sofort unter polizeilicher LTeber\vachung zu desinficiren. Ausnahmsweise kann eine solche Desinfection auch in anderen Fallen angeordnet werden.
Der Besitzer der betreffenden Unumlichkeit oder der Vertreter des Besitzers ist anzuhalten, die erforderlichen Desinfectionsarbeiten ohne Verzug ausfuhren zu lassen. — Heber die erfolgte Ausführung der Desinfection hat der beamtete Thierarzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen.
sect; 08. Die Vorschriften der sect;sect; 58 bis 07 dieser Instruction erstrecken sich nicht auf diejenigen Thiere, welche sich mit krankhaften Folgezuständen der Maul- und Klauenseuche behaftet zeigen.
e. Aufhebung der Schutzmassregeln.
sect; 00. Die Seuche gilt als erloschen und die angeordneten Schulzmass­regeln sind aufzuheben, wenn in dem Gehöfte der Ortschaft oder dem weiteren Umkreise, aufweiche die Schutzmassregeln sich beziehen, innerhalb 14 Tagen kein neuer Erkrauknngsfall vorgekommen ist.
Die Polizeibehörde bat dem Führer einer nach Vorschrift des sect; 06 abge­sperrten Treibherde auf seinen Antrag eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass die angeordneten Schutzmassregeln wieder aufgehoben sind.
Nach Aufhebung der Sclratzmnssregeln ist das Erlöschen der Seuche durch amtliche Publication in gleicher Weise, wie der Ausbruch der Seuche (sect; 58), zur öfTentlicben Kenntniss zu bringen.
Das österreichische Viehseuchengesetz vom 10. Juli 1870 ent­hält über die Aphthenseuche folgende Vorschriften:
a) Maul- und Klauenseuche der Rinder, Schafe, Ziegen und
Schweine. sect; 26. Bei Verbreitung der Maul- und Klauenseuche über einen grösseren Landstrich kann die politische Landesbehörde den Verkehr mit Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen von dem verseuchten Landstrich heraus und in denselben hinein, unter Gestattung des Ver­kehrs innerhalb des Landstrichs, untersagen.
Die Nutzverwendung und der Verkauf der Milch kranker Thiere im ungekochten Zustande ist verboten.
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Die auf Aphthensenobe bezttglioben Gesetze Oesterreichs.
Die Zulässigkeit der Schlachtung der kranken Thiere zum2weckc des Floischgenussos hängt von dem Gutachton des Thierarztes ab.
Die ministerielle Verordnung- vom 12. April 1880 enthält in Bezug auf die Maul- und Kliiuenseuclie folgende Durehfülirniigsbestinmiungeu :
1)nbsp; nbsp;Ist die Muul- und KUuienseuclie in einem Orte amtlich constatirt worden, so hat die Oemeindcbehörde auf die Anzeige neuer iSeuchonaiisbrikhc in bis da­hin verschonten Stallungen die vorgeschriebenen iSpcrrmassregeln anzuordnen, ohne dass es hierzu einer besonderen Erhebung durch den Amtsthierarzt bedarf.
2)nbsp; nbsp;Seuchenkranke und verdächtige Thiere unterliegen der Absonderung und Stallsperre.
Die Entfernung von Thiereu aus verseuchten Stallungen darf ausnahms­weise nur gestattet werden, wenn sie zur sofortigen Schlachtung bestimmt sind und der Abtrieb unter entsprechenden Vorschriften gegen die Verschleppung des AnstcckungssJolVes geschehen kann.
3)nbsp; nbsp;Der Weidegang der unter Sperre stehenden Thiere ist zu verbieten, wenn der Weideplatz seiner Lage nach nicht ohne tiefnhr einer Verschleppung des Austeckiingsstoffes benützt werden kann.
4)nbsp; nbsp;Bricht die Krankheit bei Vieh aus, welches ständig auf der Weide ge­hallen wird, so ist die Weidelläche gegen den Abtrieb des Weideviehes und den Zutrieb von Wiederkäuern und Schweinen, sowie gegen den Zutritt unberufener Personen abzusperren. Die abgesperrten Weideplätze sind mit Warnungszeichen zu versehen.
5)nbsp; nbsp; nbsp;Die Abfuhr von Dünger aus dem Seuchenhofe auf Wegen, welche von Wiederkäuern und Schweinen anderer Höfe begangen werden, ist wahrend der Seuchendauer zu verbieten, sofern die Gefahr der Verschleppung der Seuche nicht durch andere Vorkehrungen beseitigt werden kann.
(i) Rauhfutter, welches im Seuchenstalle gelagert ist, darf aus dem Seuchen­hofe nicht entfernt werden.
7)nbsp; Fremden Personen, insbesondere Viehhändlern und Fleischern darf der Zutritt zu den Seuchenstallungen nicht gestattet werden. Personen, welche in dem Seuchenstalle oder bei kranken Thieren beschäftigt waren, dürfen den Seuchenhof nur nach erfolgter Reinigung der blosseu Kürpertheile, des Schuh­werks und der Kleider verlassen.
8)nbsp; nbsp;Die Scucheucommission hat auf die gesundheitsschädliche Beschaffenheit der rohen nngekochten Milch seuchenkranker Thiere aufmerksam zu machen und vor dem Genüsse derselben zu warnen. Die Kutzvenvendnng und der Verkauf solcher Milch im nngekochten Zustande ist verboten (sect; 2t! des Gesetzes).
9)nbsp; nbsp;Von den zum Zwecke des Fleischgenuswes zur Schlachtung zugelassenen kranken Thieren sind in jedem Falle die krankhaft veränderten Theile zu ent­fernen und zu vertilgen.
10)nbsp; nbsp;Erlangt die Seuche in einer Ortschaft eine allgemeinere Verbreitung, so ist die Abhaltung von Viehmärkten mit Ausnahme von Pferdemärkten in dem Seuchenorte und nach Krforderniss auch in benachbarten Ortschaften zu ver­bieten. In diesem Falle sind an den Grenzen und Ilauptstrassen der verseuchten Ortschaften Warnungstafeln mit der Aufschrift: „Maul- und Klnucnscuohequot; auf­zustellen und kann der Seuchenort und seine Gemarkung gegen den Durchtrieb von Wiederkäuern und Schweinen abgesperrt und auch der Austrieb gesunder
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Die auf Aplitlu-nsuuclie Uezüglielien Gesetze Oesterreichs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 491
Thlere aus seuclieufreien Stallungen in andei-e Orte verboten werden. Der letztere ist jedoch nicht zu verwehren, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Thieve zur sofortigen Schlachtung bestimmt sind.
In grosseren Ortschaften kann die Sperre auf einzelne Theile oder Strassen des Ortes beschränkt werden (S 20 f. des Gesetzes).
11)nbsp; Bei Anwendung des sect; 2(j, Alinea 1 ist der betrell'ende Landstrich genau zu bezeichnen und allgemein kundzumachen.
Von Seite der politischen Laudesbehörde sind Vorkehrungen zu treffen, dass durch die Gestattung des Verkehrs innerhalb des verseuchten Landstriches nicht Seucbcnverscbleppungen in bis dahin freie Ortschaften oder Höfe veran-lasst werden.
12)nbsp; nbsp; nbsp;Wird die Seuche bei Thieren, welche sich auf dem Triebe befinden, constatirt, so hat die Gemeindebehörde den Weitertrieb einzustellen und die Ab-sperrung der Thiere zu veranlassen,
13)nbsp; Die von kranken Thieren herstammenden Häute sind zu desinliciren. Die von solchen Thieren benützten Ställe und andern Räumlichkeiten, so wie die bei ihnen verwendeten Geräthc sind einer gründlichen Reinigung zu unterziehen.
14)nbsp; nbsp; nbsp;lu den einzelnen Seuchcnorten ist die Seuche als erloschen zu er­klären, wenn keine kranken Thiere mehr vorhanden sind und während vierzehn Tagen nach dem letzten Genesungs- oder Todesfalle keine Erkrankung mehr vor­gekommen und die vorschriftsmässige Reinigung der verseuchten Stallungen, Standorte und Geräthe vollzogen ist.
15)nbsp; nbsp;Im Falle des S 26, Alinea 1 ist der als verseucht erklärte Landstrich nach Zulass des Krlöschens der Seuche einzuschränken, Innerhalb desselben ge­legene, als senchenfrei erklärte Orte, können von der politischen Landesbehörde auf die Dauer der Notwendigkeit entsprechenden Vorsichten unterworfen werden.
Mit dem Wegfallen der Voraussetzungen zu der im sect; 2(5. Alinea 1 bezeich­neten Massregel ist die letztere aufzuheben.
Eggeling und Ellenborger haben im Jahre 1878 (s. Archiv für Thierheilkuude, Bd. IV, S. 334—358) eine ansteckende Krankheit des Pferdes genauer beschrieben, die früher wohl schon öfter beobachtet worden sein mag, bis jetzt aber nicht genauer beschrieben worden war, indem sie gewöhnlich ohne Weiteres als Maulseuche angesehen wurde. Von dieser unterscheidet sich fragliche Krankheit jedoch wesentlich dadurch, dass bei der eigentlichen Maul- und Klauenseuche auf den betroffenen Partien der äusseren Haut und Sehleimhaut Blasen sich bilden, während bei der von genannten Autoren beobachteten Krankheit derbe Knötchen entstehen, die nur selten ein kleines Bläs­chen an ihrer Spitze zeigen, der Regel nach eitrig zerfallen und so ein Geschwür bilden, das mehr in die Tiefe dringt, als die Aphthen zu thun pflegen.
Da das Leiden ansteckend ist und nicht nur auf Pferde, sondern auch auf andere Thiere und auf Menschen übertragen werden kann,
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492 Stomatitis pustulosa contagiosa nacli Kggeling mid Elltuberger.
so soll dasselbe im Wesentlichen mit den Worten genannter Autoren als Stomatitis pustulosa contagiosa hier beschrieben werden.
Am 22. Mai 187(3 wurde in die Klinik der (Berliner) Thierarznei-schule ein Pferd des Fuhrherrn M. eingeliefert mit dem Vorbericht, dass dasselbe vor ca. 10 Tagen von einem Händler gekauft und bald darauf unter Fiebererscheinungen, denen sich Knoten- und Geschwürs­bildung an der Schleimhaut und der äusseren Haut zugesellte, er­krankt sei.
Die vorgenommene Untersuchung ergab folgenden Status praesens: Das Allgemeinbefinden des Pferdes ist nicht gestört^ der Appetit ist normal, das Haarkleid glatt und glänzend, die Respiration und Herz-action ohne Abweichungen; äussere Temperatur gleiehmässig vertheilt, die innere steht im Rectum auf 87,7deg; C. u. s. w. Beim Fressen läuft dem Pferd viel zäher, fadenziehender Speichel aus dem Maule, bei der Wasseraufnahme fliessen geringe Quantitäten Flüssigkeit aus der Nase zurück. Die Lymphdrüsen im Kehlgange sind nicht unbedeutend angeschwollen und schmerzhaft, die Schleimhaut der Nasenhöhlen ist leicht geröthet und feucht. In der Schleimhaut der Ober- und Unter­lippe sitzen zahlreiche, hirsekorn- bis erbsengrosse Knötchen, welche über die geröthete Oberfläche hervorragen, sich ziemlich derb und fest anfühlen, von glatter Oberfläche, rund und scharf begrenzt sind. Diese Knötchen setzen sich beiderseits bis zum Maulwinkel fort und gehen auch auf die Schleimhautfläche der Backen über. Am Zahn­fleisch sind nur wenige Knötchen nachweisbar; dagegen das Zungen-bändchen und das Lippenbändchen mit Knötchen dicht besetzt, so dass sich dieselben an einzelnen Stellen zu förmlichen Häufchen ver­einigen, welche kleinen Träubchen vergleichbar sind. [In dieser An­häufung wurden sie bei keinem anderen Pferde angetroffen.]
Viele Knötchen sind auf ihrem höchsten Punkte von dem Epithel entblösst, so dass eine kleine Geschwürsfläche daselbst ge­bildet wird und das Knötchen in ein kleines Geschwür umgewandelt ist; das Geschwür hat ein gelblich weisses Aussehen, bedingt durch einen eiterähnlichen Belag, der sehr selten mit ein wenig Blut unter­mischt ist. Die mikroskopische Untersuchung dieses Belages ergibt, dass derselbe aus Eiterkörperchen und Epithelzellen besteht, denen in manchen Fällen rothe Blutkörperchen beigemischt sind. Ausserdem finden sich Pilzfäden und Mikrokokken in denselben vor. Nach Ent­fernung des Belags tritt ein rother, bei Berührung leicht blutender, granulirter Grund zu Tage.
Auch in der äusseren Haut der Lippen, besonders in der Nähe
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Stomatitis puatulosti oontagiosa nacli Bggeling und Qllenbergeri 493
des Lippenrandes befinden sich melirere Geschwüre, welche grosser als die der Schleimhaut und bereits im Abheilen begriffen sind; sie tragen einen dünnen, bernsteint'arbigeu, weichen Schorf. Zwei ähn­liche Geschwüre von der Grosse eines Fünfpfennigstückes und ver­einzelte erbsengrosse und kleinere Knötchen finden sich an der Brust und an den Vorderschenkeln und zwar an Stellen, welche durch das reichlich aus dem Maule abtliessonde Secret beschmutzt werden konnten. An keiner anderen Stelle des Körpers sind Knoten oder Geschwüre nachweisbar.
Im Sommer 1876 kamen in der Berliner Klinik mehrere und später noch zwei derartige Krankheitsfälle vor. Eggeling sah dann auch auswärts eine Anzahl ähnlicher Erkrankungen, welche zur Con-tumazirung der betreffenden Pferde wegen Rotzyerdachtos Veranlassung gegeben hatten. So leicht ein solcher diagnostischer Irrthum auch vor­kommen kann, so sicher wird derselbe durch den weiteren Krankheits­verlauf offenbar werden. Es wird sich dies aus der nachstehend folgenden weiteren Darstellung der beiden Referenten ohne Weiteres ergeben.
Verlauf.
Das Leiden verlief sehr schnell. Die kleinen Knötchen ver-grösserten sich, die grösseren wandelten sich in den nächsten Tagen in Geschwüre von oben erwähnter Beschaffenheit um und gelangten nach einigen Tagen schon zur Heilung. Am 25. Juli waren alle an der Aussenfläche der Lippen befindlichen Geschwüre mit einem trockenen, festen, bräunlichen Schorf bedeckt.
Am 26. Juli war auch ein grosser Theil der in der Schleim­haut sitzenden Geschwüre in vorgeschrittener Heilung begriffen und es hatte die reichliche Speichelabsonderung abgenommen.
Am 27. Juli wurden noch einige neu entstandene linsengrosse, runde Geschwüre auf der vordem Fläche der Zungenspitze gefunden und waren auch in der Haut der Oberlippe noch einige neue Knöt­chen entstanden.
Am 20. Juli waren fast alle Geschwüre im Maule und auf der äusseren Haut abgeheilt. Vereinzelte kleinere Knötchen an Zunge, Lippe, Brust und Hals bestanden noch fort. An diesem Tage wurde das Pferd aus der Anstalt abgeholt.
Schon am 23. Mai hatte Fuhrherr M. sein zweites Pferd, welches dem erkrankten zunächst gestanden und am 24. desselben Monats sein 3. Pferd der Klinik überbracht, weil dieselben ebenso erkrankt waren, wie das neu angekaufte. Die Krankheit verlief bei beiden
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494 ölouiiiiitis pnslulosa contagiosu nach Bggellng und Ellenberger.
Pferden in derselben Weise und -wollen wir im Nachstellenden ein kurzes Bild des Krankheitsverlaufes geben.
Beide Pferde hatten mehrere Tage, besonders am Morgen voi­der Einlieferung in das Spital gefiebert. Bei der ersten Untersuchung derselben konnten keine Fiebererscheinungen oder sonstige Störungen im Allgemeinbefinden nachgewiesen werden. Die Conjunctiva und Nasenschleimhaut waren gleichmässig rosaroth geflirbt, die Maul­schleimhaut intensiv geröthet, sehr heiss und von einem zähen Secret bekleidet. Die Speichelabsonderung war vermehrt.
Auf der Schleimhaut der Lippen und Wangen, am reichlichsten aber am Zungenbändchen und in dessen Nähe, konnten dieselben Knötchcn wie beim ersten Pferde nachgewiesen werden, nur waren sie weniger zahlreich. Groschwürsbildung war noch an keiner Stelle vorhanden. In der äusseren Haut waren an keiner Stelle des Körpers Knötchen oder Geschwüre aufzufinden. Die Lymphdrüsen im Kehl­gange waren erheblich angeschwollen.
Am 25. Mai waren viele neue Knoten entstanden und die grössten und ältesten bereits in Geschwüre umgewandelt; letzteres besonders an der Zahnfläche der Lippen. Bis zum 27. Mai hatten Knötchen und Geschwüre erheblich an Zahl zugenommen; die Speichel-secretion war sehr vermehrt, die Futteraufnahme erschwert und fand unter starkem Speichelflusse statt. Es zeigte sich an diesem Tage auf der Hautfläche der Oberlippe ein bohnengrosser Knoten, auf dessen Spitze schon am folgenden Tage ein röthlichgelbes Pünktchen sicht­bar wurde. An diesem Tage, dem 28. Mai, waren die Geschwüre am reichlichsten vorhanden, die ältesten schon im Abheilen begriffen, indem sie sich mit Schorfen bedeckten.
Vom 29. Mai ab sah man nur noch sehr vereinzelte Knötchen. Die Geschwüre heilten in wenigen Tagen ab. Der Knoten auf der Oberlippe hatte seine Epidermis verloren und zeigte eine blutrünstige Oberfläche. Bis zum 31. Mai, an welchem Tage die Thiere aus dem Spital entlassen wurden, waren fast alle Geschwüre mit Hinterlassung kleiner leicht gerötheter linsengrosser Narben geheilt, nur noch wenige Geschwüre und Knötchen bestanden fort. Die Krankheit war also nach einer Dauer von 8 Tagen beinahe verschwunden.
Der Umstand, dass die drei in demselben Stalle untergebrachten Pferde rasch nach einander von derselben Krankheit befallen wurden, Hess vermuthen, dass dies Leiden ansteckend sei, oder dass die drei Pferde derselben Krankheitsursache gleichmässig ausgesetzt gewesen wären. Für den ersteren Umstand, für die C'ontagiosität des Leidens
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Stomatitis pustulosa contayiosa naeh Eggeling mid Ellonbergx'r. 495
Beinen aber noch die weitere Thatsache zu sprechen, (lass zuerst das neu angekaufte Pferd erkrankte, dann das diesem zunächst stehende und dann das dritte. Wir nahmen demnach an, dass die beiden letzten Pferde durch das neu angekaufte inficirt worden waren. Um die Contagiosität des Leidens zu beweisen, wurden Uebertragungsver-suche angestellt. Der Besprechung dieser Versuche schicken die Be­richterstatter die Bemerkung voraus, dass aussei- diesen 3 Patienten noch 2 weitere mit demselben Leiden behaftete Pferde in die dortige Klinik eingeliefert wurden; das eine derselben im August 187G, und das andere im April 1877. Ueber die Ursache der Erkrankung, eine etwaige Ansteckung, konnte nichts ermittelt werden. Erschei­nungen und Verlauf waren ähnlich, wie sie oben geschildert sind, nur konnten bei dem im April eingestellten Pferde auf einzelnen Papeln deutliche Bläschen nachgewiesen werden, wie dies bei keinem der anderen Kranken vorgekommen ist.
Aus den Uebertragungsversuchen der Herrn Referenten hat sich ergeben, dass in Rede stehendes Leiden einem fixen Contagium seine weitere Verbreitung verdankt. Am leichtesten haftet dasselbe auf Schleimhäuten, besonders auf der Maulschleimhaut, schwerer auf der äusseren Haut. Die Infection erfolgt in der Regel nur dann, wenn das Contagium eine verletzte Stelle der Schleimhaut oder der äusseren Haut trifft; jedoch genügt bei Pferden auch die Berührung mit den unverletzten Häuten. Der hauptsächlichste Träger des Contagiums ist der Speichel.
Am empfänglichsten für die Wirkung dieses Ansteckungsstoftes sind Pferde, dann folgt das Rind, dann der Mensch, dann Schaf und Schwein.
Friedberger hatte Gelegenheit, in Rede stehende Krankheit im Jahre 1879 in der Münchener Thierarzneischul-Klinik zu beobachten (s. Zeitschrift für Thiermodicin Bd. V, S. 2(35-283). Derselbe hat im Wesentlichen alle Mittheilungen Eggeling's und Ellenberger's be­stätigt. Es ist ihm ausserdem die Uebertragung der Krankheit auf eine Henne gelungen.
Gips berichtet (Archiv für Thierheilkunde Bd. V, S. 218 u. f.) über eine ähnliche ansteckende Krankheit, bei welcher sieh ein Ekzem vorzugsweise auf der äusseren Haut der Lippen und Nase, so wie auf der Nasenschleimhaut localisirt. Er hält dieselbe im Wesentlichen für gleich mit der vorhin beschriebenen Krankheit und mit dem von Gerlach als Eczema nasalis bezeichneten Leiden. In den von Gips beobachteten Fällen war die Maulschleimhaut frei. Friedberger
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496 Stomatitis pustulosa eontagiosa. Die Kesclialkrankheil der Pferde.
(I. c. S. 281) machte die Beobachtung, dass in einem Falle nach natürlicher Infection nur die Schleimhaut der Augenlider affieirt wurde.
Eine arzneiliehe Behandlung dieses Leidens ist in der Regel überflüssig. Eine entsprechende Diät reicht aus, um die Heilung in kurzer Zeit zu bewirken.
Ein in seinen örtlichen Erscheinungen der Maulseuche ähnliches Leiden wird bei Pferden in nicht seuchenartiger Verbreitung häufiger angetroffen. Dieses Maulweh, so wie manche Klauenleiden, unter­scheiden sich von der Bläschenseuche wesentlich dadurch, dass sie nicht ansteckend sind.
16. Die Beschälkrankheit der Pferde.
Obgleich diese Krankheit den Betrieb der Landespferdezucht laquo;chon lange und stellenweise empfindlich geschädigt hat, so ist die­selbe gleichwohl in ihrem Wesen noch wenig genau gekannt; sie kommt fast nur bei zur Zucht vorwendeten Pferden vor und ver­breitet sich bei diesen durch den Beschälact weiter. Zu ihrem Studium bietet sich deshalb gerade in den Gestüten am häufigsten Gelegen­heit. Nach Hertwig's Angaben verdanken wir die erste Beschreibung dieser Krankheit wahrscheinlich den preussischen Gestütsthierärzten Ammon und Dickhäuser, welche 1803 in v. Tenneker's Zeitung für Pferdezucht etc. mitgetheilt worden ist. Ammon der Aeltere, Ober-pferdearzt des Trakehner Gestüts, hat die Krankheit in den Jahren 1796 bis 1799 in der Umgegend jenes Gestüts unter den Landpferden bei Hengsten und Stuten (niemals bei Wallachen) in ziemlich grosser Verbreitung beobachtet; Reckleben will dieselbe im Jahre 1801 auch bei mehreren Wallachen in Litthauen gesehen haben. Die seitdem aus vielen Ländern des europäischen Continents über diese Krankheit erstatteten Berichte beziehen sich im Allgemeinen nur auf Zuchtpferde und da sie fast immer nur nach der Begattung beobachtet wurde, hielt man dieselbe für ein der Syphilis des Menschen ähnliches oder sileiches Leiden. Veith nennt sie in seinem Handbuche der Veterinär-künde (3. Aufl., 2. Bd., S. 568) „Venerische Krankheit des Pferdes (Lues venerea equi)quot; oder „Schankersouchequot;. Mit der Syphilis aber hat diese Krankheit nur eine oberflächliche äusserliche Aehnlichkeit, aber nichts wesentlich Gemeinsames, v. Erdelyi (Med. Jahrb. d. österr. Staates, Bd. 15, S. 272) nannte sie die bösartige Pustel- und Geschwürskrankheit (Framboesia, morbns pustulosus), Wirth (Lehr­buch der Seuchen etc. der Hausthiere, Zürich 1838, S. 346) gab ihr
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Die BcscliiilUnmklieii dor Pferde; Erseiunimiigeii derselben bei Stuten. 497
den Namen „die Aplithenkrankheit der Gesclileehtsui'^anequot;, während Gr. G. Ammon sie (in seinem Handbuelie der ges. Gestütskunde etc., Königsberg 1838, S. 294) als (schleichende) Nervenkrankheit der Pferde bezeichnet. Von diesen veräehiedenen und noch anderen Be­nennungen scheint mir der Name „Beschiilkrankheitquot; bis jetzt der passendste zu sein.
Die Erscheinungen dieser Krankheit sind etwa folgende:
a) Bei Stuten:
Zunächst stellen sich die gewöhnlichen Symptome eines Öcheiden-catarrhes, nämlich Schwellung und Vermehrung der Absonderung der Vaginalschleimhaut ein, deren Secret zuerst mehr wässerig und klar, später trüb, conäistentcr und röthlich-gelb wird. Der Wurf schwillt ödematüs an, wird teigig, oder er wird derb infiltrirt. Im ersteren Falle verliert sich die Geschwulst nicht selten nach einiger Zeit, die Schamlippen werden schlaff und gefaltet und zuweilen durch Verlust des Pigment's getigert, oder gleichmässig röthlich gelb. Die Schleim­haut der Schamlippen erscheint entweder runzelich, oder mit ödema-tösen, sulzigen Wülsten, oder später mit willst- und zapfenfönnigen Excrescenzcn besetzt. Um den Kitzler herum und an dem Scheiden-eingange treten manchmal verschieden grosse, mit einer gelben Flüssigkeit gefüllte Bläschen auf, nach deren Platzen seichte, mit einem gelblichen, zu Krusten vertrocknenden Exsudate bedeckte Sub­stanzverluste sich zeigen; da hierdurch eine oberflächliche Achnlich-keit mit schankrösen Geschwüren gegeben ist, so ist die Krankheit wohl deshalb auch „Schankerseuchequot; genannt worden. Diese Bläs­cheneruption ist indess kein constantes Symptom der Bcschälkrankheit: wiederholt wurden hirsekorngrosse, weisse Flecke an ihrer Stelle an­getroffen, oder es zeigten sich auf der bleichen, missfarbigen Schleim­haut der Schamlippen und weiter hinein in die Scheide tiefer greifende, mit stark geschwollenen und gerötheten Rändern versehene diphtheri-tische Geschwüre, welche zuweilen auch auf der Schleimhaut der Gebärmutter angetroffen worden sein sollen. Die Abstossung des Exsudates erfolgt hier viel langsamer; auch bleiben nach der Heilung wulstige Narben zurück. Die Aehnlichkeit mit schankrösen Ge­schwüren ist hier grosser als bei der vorhin beschriebenen Bläschen­eruption und nachfolgenden Excoriation. Der Ausfluss aus der Scheide ist bei der diphtheritischon Form gewöhnlich sehr reichlich, inissfarbig, selbst jaucheähnlich und veranlasst an den Theilen, mit welchen er in Berührung kommt, gern Exeoriationen. Stehen die Stuten im Stalle, so wird nicht selten ein Hin- und Hertrippeln, ferner ein Wedeln mit Pütz, Lehrtraoh dor niistookoiulnu Thlerkronkhelteiiinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;32
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498 Dl8 BesohUkrankheit der Pferde; Ersoheintingen derselben bei Stuten.
dum Schwänze, häutigeres Oefluen der Scham und Anstellen zum Uriniren beobachtet.
Bei längerer Dauer der Krankheit treten an verschiedenen Stellen des Körpers, besonders am Halse, an der Schulter, an den Brust- und Bauchfliichen, dann an der Kruppe, seltener an den Ex­tremitäten, runde, genau* begrenzte, fluche, quaddeltormige Anschwel­lungen der Haut von dem Durchmesser einiger bis mehrerer Centimeter, die sogenannten Thalerfleeke ein, die durch eine oder mehrere Wochen bestehen, sich allmählich wieder verlieren, wobei der Rand am längsten sich erhält, — während gewöhnlich an anderen Stellen der Haut gleiche Geschwülste wieder zum Vorschein kommen.
Erreicht die Krankheit einen hohen Grad, so stellen sich end­lich Lähmungserscheinungon ein, welche in der Regel mit einer Schwäche in der Nachhand beginnen, indem die Tbiere im Stande der Ruhe öfters mit den Hintergliedmassen wechseln, beim Gehen die eine oder andere dieser nachziehen, so dass sie dieselbe mit sichtbarer Anstrengung nach vorn bringen und langsam auf den Boden nieder­setzen. In anderen Fällen knicken die Tiiiere in den Sprunggelenken und Fesseln ein, schleudern mit den Hintergliedmassen, oder stürzen auch wohl zusammen und sind dann erst nach einiger Ruhe im Stande, sich wieder zu erheben.
Mit dem Auftreten der Lähmungserscheinungen bessert sich zu­weilen der locale Krankheitsprozoss vorübergehend oder dauernd. Solche Fälle mögen Veranlassung gegeben haben, eine selbstständige Lähmungskrankheit aufzustellen.
Wo die Affection der Goschlcchtstheile wiederkehrt, kann die-selhe fortbestehen, während vielleicht die Lähmungserscheinungen sich wieder verlieren. Häufiger jedoch steigern sich letztere bis zum gänz­lichen Unvermögen der Thiere, sich auf dem Uintertheilo stehend er­halten zu können. Es stellt sich nun bald zunehmende Abmagerung ein, indem die Schultern und Hinterbacken fettlos werden; die Rippen treten deutlich hervor, der Bauch wird stark aufgeschürzt. Zuweilen treten auch Lähmungen des einen oder anderen Ohres, der Ober­oder Unterlippe auf und die Kranken gehen an Erschüpfimg, oder in Folge eine rhypostatischen, oder metastatischen Lungenentzündung zu Grunde. Häufig nämlich kommt es im Verlaufe der Krankheit zur Entzündung der einen oder anderen Euterhälfte, gewöhnlich mit dem Ausgange in Eiterung, oder es kommt zur umschriebenen Entzündung und Abscedirung in der Haut und im Bindegewebe des Afters; bei schlaffen Thieren entwickeln sich Oedeme am Unterbanche, am Mittel-
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Die lii'SchülUrniiUheit der FTerde; ErsoheJDUnget) derselben bei Hengsten. 499
Heische und an den (iliedmassen; auch stellt sich bei längerer Krank­heitsdauer gewöhnlich ein reichlicher, kliimperiger Nasenausfluss mit oder ohne Schwellung der Kehlgangslymphdrüson ein.
Das Allgemeinbefinden bleibt meist bis in die spiiteren Stadien der Krankheit ungetrübt.
b) Bei Hengsten beschränkt sich die Localaft'ection meist auf eine höhere Röthung, Schwellung und Wulstung der Schleimhaut der irarnröhre, wobei eine massige Schleimabsonderung besteht. Bläschen und Geschwüre auf der Eichel, Ruthe und am liodensacke kommen seltener vor, auch pflegen diese Erscheinungen bald wieder zu verschwinden,
üie Diagnose der Sehankorkrankheit ist deshalb bei Hengsten, so lange noch keine nervösen Erscheinungen eingetreten sind, meist bedeutend schwieriger als bei Stuten. Es gilt dies selbst für diejenigen Fälle, in welchen Erscheinungen an den eben genannten Stellen der äusseren Genitalien sich zeigen; gewöhnlich nämlich heilen auch die Bläschen und Geschwüre an Eichel, Ruthe und Hodensack bald wieder ab, und hinterlassen höchstens für einige Zeit nicht pigmentirte Haut-steilen.
Die Krankheit wird dadurch bei Hengsten meist latent und oft erst dann erkannt, wenn sie dieselbe durch den Begattungsaet auf Stuten übertragen haben. Zuweilen sind ödematöse Schwellungen des Randes der Vorhaut, oder leichte Verhärtungen derselben (der sog. Fettschlauch) vorhanden. Der Reizungazustand in der Harnröhre wird öfter durch Drang zum häufigeren Uriniren und gesteigerten Geschlechtstrieb offenbar. In diesem Stadium kann sich die Krank­heit lange erhalten. Nach Ablauf der Beschälperiode kann ein längerer Stillstand in der Krankheitsentwicklung eintreten, bis mit der nächst­folgenden Deckzeit wieder Verschlimmerung eintritt. — Bei jungen, kräftigen, gut gehaltenen Individuen scheint die Krankheit sich lange local erhalten zu können; unter entgegengesetzten Verhältnissen kommen die seeundäron Erscheinungen früher zum Vorschein.
Treten bei schankerkrankon Hengsten im späteren Verlaufe Störungen in den Bewegungen ein, ohne dass sie vorher der Schanker­krankheit verdächtig geworden sind, so kann auch dann das Leiden noch verkannt und für eine selbstständige Lähmung gehalten werden. Wie bei der Stute, so stellen sich auch beim Hengste zunächst Läh­mungen der hintern Extremitäten, später der Lippen, des einen oder anderen Ohres u. s. w. ein; auch bleiben die thalerförmigen Quaddeln an verschiedenen Stellen der äusseren Haut nicht aus. Nach Eintritt
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500 Die Besehölkranlchelt der Pferdo; Verlauf und Ursache derselben,
lünor allmählich zunehmendcu Al)magüriiiig, besonders des Hiutortheils und unter Bildung von Oedemen am Schlauch und liodensack gehen die Thiere in Folge Erschöpfung zu (irundc, manchmal nachdem eine Lungenentzündung hinzugetreten ist.
Bemerkenswerth ist noch, dass ähnlich wie bei der Traber-krankheit der Schafe, namentlicli bei veredelten und verzärtelten Hengsten, ein .Juckreiz in der Haut hcobachtet wird. Derselbe be­lästigt die Patienten in der Regel in hohem Grade, so dass in Folge des anhaltenden Scheuerns etc. Geschwüre, mit zuweilen brandigem Ansehen, entstehen, durch welche der Eintritt des Todes beschleunigt wird.
Der Verlauf der Krankheit ist bei Hengsten viel ungünstiger als bei Stuten; hauptsächlich wohl deshalb, weil die Krankheit in der Kegel erst viel später, und meist erst dann, wenn entweder von solchen Beschälern schon viele Stuten angesteckt worden sind, oder sieb bei ihnen die seeundären Zustände entwickelt haben, constatirt wird.
Als ursächliche Momente kennen wir nur bestimmt die Ansteckung. Die Krankheit wird namentlich beim Beschälacte durch kranke Hengste verbreitet; diese sind meist nachweislich durch kranke Stuten bei der Begattung derselben angesteckt worden.
Vehikel des Ansteckungsstoffes sind beim Hengste vorzugsweise die Secrete der Harnröhre, bei Stuten jene der Scheide. Die Mög­lichkeit einer Ansteckung ist durch directe Uebertragung dieser Secrete auf die Genitalschleimbant eines gesunden Thieres selbstverständlich auch ohne Begattungsact möglich; so ist die Ansteckung gesunder Stuten durch benachbarte schankerkranke Stuten in Folge einer un­mittelbaren Berührung der Geschlechtsorgane nachgewiesen. Ebenso ist es vorgekommen, dass Füllen von ihren Müttern angesteckt worden und so von der Beschälkrankheit befallen worden sind. Derartige Fälle kommen indess selten vor. Der Ansteckungsstoff ist nicht flüchtig, kann aber durch Zwischenträger, so mimentlicb durch Ver­band- und Reinigungs-Material (Schwämme etc.) verschleppt werden; nur Pferde und Esel scheinen für denselben empfänglich zu sein.
Die Dauer der Incubation ist eine verschiedene und schwankt nach den seitherigen Beobachtungen zwischen 8 Tagen und einigen Monaten; nur selten jedoch scheint sie länger als 2 Monate zu dauern. Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass wegen dos verborgenen Sitzes der Localaffection und wegen des Fehlens allgemeiner Erscheinungen in den erston'.Stadien fraglicher Krankheit diese möglicherweise manch­mal schon längere Zeit vorhanden sein kann, bevor sie wahrgenommen wird, was namentlich für Hengste gilt.
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Dio Beschälkrankheit der Pfevdej Ursaohe derselben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 501
Dia Beschaffenheit des Krankheitserregers ist zur Zeit noch nicht erkannt; es ist walirschoinlieh, dass dieser in einem Mikrophyten bestellt, der meist oder aussciiliesslieh im Tlüerkörper (entogen) sich entwickelt. Durch Ucbertragung des Secretes der Schleimhaut des Grenitalcanales (der Scheide resp. Harnröliro) von einem an Beschäl­seuche leidenden Thiere auf die betrettende Schleimhaut eines ge­sunden Pferdes kann die Krankheit hervorgerufen werden, nicht aber durch Kiuiinpfung oder Aufstreichen von Blut eines kranken Thieres. Von den durch den Helegact einer Ansteckung ausgesetzten Stuten sollen (nach Jiöll) etwa zwei Drittel, manchmal auch mehr erkranken.
Die Möglichkeit der ektogenen Entwicklung in Rede stehenden Krankheitskeimes kann nicht gerade unbedingt verneint werden; auch mag vielleicht in einer allzu angestrengten Benutzung der Hengste, oder in chronischen Vaginalcatarrhen der Stuten ein prädisponirendes Moment für die leichtere Haftung des Krankheitskeimes gegeben sein. Bis jetzt ist jedoch etwas Genaueres oder Zuverlässiges hierüber nicht bekannt.
St. Cyr hat im Journal de M6d. \ri. das Brgebniss seiner Studien über die Aetiologie der Besohttiseuche etwa rolgendermassen präcisirt: „Die BeschUseuche ist eine virulente und oontaglöse Krankheit, die sieb einzig und allein durch Ansteckung verbreitet,quot; Für diese Ansicht werden von genanntem Autor fnl-gende QrUnde angerührt:
Die von den Nichtcontagionisten beschuldigten ursächlichen Verhältnisse, welche die Beschälseuche liervorzubringen Im Stande sein sollen, sind nielits weiter als sogenannte massige ätiologische Qemeinplätze, So sollen schlecht be­schaffene Aufenthaltsorte, verdorbenes, schlecht eingebrachtes Futtev, nasse Jahres­zeiten, tlberhaupl ungünstige hygienische Verhältnisse aller Art, welche störend auf die Hautfunction einwirken (Roloff), dann eine ungenügende, zu wasserreiche Ernährung, das nnmässige Füttern mit gewissen Pflanzen, z. B. mit Incarnatklee (Commission von Tarbes), dann wieder das zu schnelle üeberspringen von einer wenig gehaltreichen Fütterung zu einem im Oeberflnsse reichen Regime, im Vereine mil raschem Temperaturwechsel (Signol) und endlich eine zu sorg­fältige Behandlung der Thiere, eine Art Triebhauszucht, wodurch eine zu starke Empfindlichkeit für äussere Einflüsse und eine Katartung der Racen bedingt werde (Strauss), die Beschälkrankheil hervorrufen können. Da jedoch diese Mo­mente zu allgemeiner Natur sind, um .eine derartige Krankheit zu erzeugen, so wird andererseits nach director wirkenden BinflUssen gesucht. So wird z. B. vom zu Jugendlieben Aller der Zuchtthiere, vom zu frühzeitigen Bedecken der .Stillen nach dem Geburtsacte gesprochen (Signol). Danri sollen eine erheb­liche AnInge, so wie auch andauernde catarrhallsclie Zustünde und habituelle Hautausschläge als Zeichen einer lymphatischen Dyscrasie es wieder sein, welche In Gemeinschaft mit dem Begattungsacte durch Herbeiführung einer allgemein gesteigerten Sensibilität, dureb die locale Reizung, durch die Reibung der Oe-schlecbtsorgane eine primäre Entwicklung bedingen können (Roloff); ferner soll
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Die Besohälkrankheit der Pferde; Drsaohe derselben.
der lt;liirL'li mehi'ere Zaohtthlere mil einer einzigen Stute zn unuitlssig ausgeführte Begattungsaot (Vital); dann wieder eine Alteration der durch die GeschWUts-organe abgesonderten Flüssigkeiten (Lafo^se) die BesohUseuche hervorznrufen vermögen. Wfthrend ein Theil dieser sicli oft widersprechenden Ansichten rein auf Hypothesen beruht, Ist der andere Theil nichts nls ein Zusammenlesen Im-naler Einflüsse ohne jeglichen Werth zur Erklamp;rung des Auftretens dieser Krank­heit in einer bestimmten Qegend.
Um übrigens diese ganze sjionlaneistiselie Aeüologic auf ihren wahren Werth zurückzuführen., geniigen folgende Bemerkungen i
1quot;) Die Krankheit ist zu den verschiedensten Zeiten aufgetreten bei Pferden der verschiedensten Race und Constitution, miter den verschiedensten klimatischen Verhältnissen in Deutschland, Polen, Russland, liolnucii, Frankreich. Algier und Syrien. Hieraus folgt, dass weder Klima noch Race irgend einen bestimmten Einiluse auf deren Entwicklung haben.
2)nbsp; nbsp;Alle gegen die hygienischen Gesetze aufgezählten Verstösse kommen iilienill und Jederzeit vor. Wenn dieselben die ihnen zugeschriebene Macht he-süssen, so miisste die Krankheit überall und in Jedem Jahre auftreten, wie dies Z. B. mit den sporadischen Krankheiten (Lungenentzündung etc.) der Fall ist.
3)nbsp; Die iiescliälkrankheit tritt manchmal plötzlich in einer Gegend auf, wo sie bis dahin unbekannt war und richtel dort so lange ihre Verwüstungen an, bis die gegen sie erforderlichen Massregeln durchgeführt werden. Geschieht dies, so verschwindet sie, bis sie etwa neuerdings wieder eingeschleppt wird.
4)nbsp; Der Sehleier, welcher die Spontaneität der Beschälseuche verhüllt, ist ebenso dicht wie derjenige, welcher den Vorgang der Generation (?) seihst ver­deckt (Viardot).
5)nbsp; Die wirkliche Ursache wird, wenn man dieselbe aufzufinden fähig ist, in der Einführung eines kranken Zuchtthieres gefunden werden.
0) Die Krankheit ist in weniger als 10 Jahren 2inal in die Hautcs-l'yrenes eingeführt worden und zwar 18äl durch den von Syrien kommenden Hengst M6hddy (Commission von Tarbes), 18(J0 durch den ebenfalls In Syrien ange­kauften Hengst Chibin,
7. In den Bezirken, in welchen die Seuche herrscht, liissl sich die An­steckung der Stuten von wenigen Hengsten ausgehend, regelmässig auf das Gc-naneste nachweisen (Roll); andererseits ist durch Untersagung der Bedeckung von Seiten aller kranken und verdächtigen Zuchtthiere (Hengste wie Stuten), die Krankheit nicht zu tilgen.
In Berücksichtigung des t'mstandes, dass man über die Zeitdauer des Be­stehens der Virulenz nach änsserlicber Heilung keine Gewissheit hat. so wie In Würdigung der unbestreitbaren Tlialsache. dass selbst gesund scheinende Hengste im Stande sind, Stuten anzustecken (Oommission von Toulouse), schlagt St. Cyr vor: alle mit der Beschälsenche behafteten Hengste etc. zu castriren, sowde alle Im gleichen Falle sich befindenden Stuten zu brandmarken und während wenig­stens 2 Jahren nach constatirter Heilung von der Znchl auszuschliessen. (Revue II. Bd., Wien 1879, S. 6-9.)
Die Section gefallener Tliiere bietet uusser den Symptomen der allgemeinen Anämie und Abmagerung rogelmässig Infiltration tics peri- und intriunuskuliiren Bindegewebes au den geliilnnten Ex-
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Die Besohamp;lkrankhell der Pferde; Seotlonsersoh, Prognose n. Behandlung, 5()i3
tremitäten und Schwellung dos Keurileras der Hauptnervenstäuuue, in manchen Füllen starke Durchfeuchtung- des Rückenmarkes und Ge­hirnes, oder Ansammlung von Serum in der Spinnwebenhaut des Rückenmarkes. — Bei Hengsten findet man nicht selten Infiltration und Verhärtung des Schlauches und Hodensackes, bei Stuten in der Scheide, manehraul auch in der Gebärmutter catarrhalische oder diph-theritische Geschwüre, oder condylomatöse Excrescenzeu neben den Erscheinungen eines chronischen Catarrhs. Die Schleimhaut der Nasenhöhle und ihrer Nebenhöhlen ist mit zähem, klümperigem Scldeimo überzogen, die Kehlgangslymphdrüson geschwellt, manchmal von Eiterpunkten durchsetzt; auch in den Samensträngen, Hoden und Lungen werden zuweilen Abscosse angetroffen.
Die Prognose ist ganz unsicher. Bei manchen Thieren, bei welchen die Krankheit schon bedeutende Fortschritte gemacht hat und bereits Lälimungserscheiuungen sieh eingestellt haben, tritt unter unbekannten günstigen Umständen Besserung und zuweilen, wenngleich selten Genesung ein, während bei anderen, scheinbar leichteren Fällen allmählich Zunahme der Erscheinungen und schliesslich der Tod ein­tritt. Genesung ist überhaupt nicht häufig, wird aber aus nahe liegen­den Gründen hei Stuten häufiger als bei Hengsten erzielt. Am ehesten steht dieselbe natürlich in Aussicht, wenn eine zweckentsprechende Behandlung eintritt, während die Krankheit noch auf die Schleimhaut der Geschlechtsorgane beschränkt ist.
Die Therapie besteht vorzugsweise in der Anwendung geeig­neter äusserlicher Mittel. Bei Stuten sind im Anfange der Krankheit schleimige Einspritzungen in die Mutterscheide indicirt: später werden dieselben durch Salbeiaufguss (1 : 8—12), Abkochungen von Eichen­rinde mit Zusatz von Alaun (1 : 50—85), Essig (1/4—V2); Bleiessig (1: 250—25) oder Bleizucker (1 : 250—75) Flüssigkeit, in hartnäckigen Fällen durch Auflösungen von Zink- oder Kupfervitriol (1 : 30 —100), von Höllenstein (1 : 50—100) etc. ersetzt (täglich 1—2inal). Von aussen zugängliche Geschwüre werden am besten mittelst Höllenstein touchirt.
Das gleiche Verfahren kann unter Umständen bei Hengsten an­gewendet werden. Wo bei diesen ein häufiger Drang zum Uriniren vorhanden ist, können Einspritzungen genannter Lösungen in die Harnröhre versucht werden.
Bei Entziindungsgeschwulst am Enter soll, nöthigenfalls durch Application einer Seharfsalbe, der Eintritt von Eiterung begünstigt und der sich bildende Abscess möglichst bald geöffnet werden; das-
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504 i*er BläsobenauBSohlftg der Pferde and Rinder an (Ion Cieschlechtstlieilen.
selbe gilt in Bezug auf die in der Nähe des Afters sich entwickeln­den Abscesse.
Gegen Lähmungserscheinungen sind flüchtige oder scharfe Ein­reibungen längs der Wirbelsäule, sowie an den betreffenden Extremi-tä,ten indicirt. Innerliche Mittel sind ohne Erfolg; nur soll der Subli­mat innerlieh und äusserlich angewandt gute Dienste geleistet haben. Man verwendet denselben äusserlich 1 • 100—2110 Wasser, innerlich 0,3—1,0 täglich linal, am besten in Pillenform oder in Lösung; 1 : 500 Flüssigkeit, wobei der Sublimat zuerst in .quot;)() Theilen Weingeist gelöst werden kann.
Bei Hengsten wird auch die Castration bei eintretender Läh­mung als ein wirksames Mittel empfohlen.
17. Der Bläscheuausschlag der Pferde und des Rindviehs an den
Geschlechtsthellen.
Diese Krankheit ist von der Beschälseuche wesentlich vorschieden, indem sie nicht nur bei Zuchtthieren, sondern häufig auch bei jungen kräftigen Stuten, welche noch nie bedeckt worden sind, so wie bei Kindvieh und manchmal auch bei Schafen und Schweinen vorkommt.
Sodann entwickeln sich in oder nach dein Verlaufe derselben nie jene tiefgreifenden Folgezustände, wie sie bei der Besebälkrankheit Kegel sind. Es ist deshalb nicht zweekraässig, fragliehe Krankheit (nach dem Vorgange Hertwig's, Magazin f. d. ges. Thierheilk., 1842, S. 295) als „gutartige Besebälkrankheit oder Beschälseuchequot; zu be­zeichnen, wie dies noch öfter zu geschehen pflegt. So z. B. be­schreibt Kreisthierarzt Kolb in Uillenburg (im Magazin etc., 1871, S. 501 u. f.) diese Krankheit unter dem Namen „Gutartige Beschäl-souche oder Phlvctänen-Ausschlag an den Genitalien des Kindviehsquot;. Um ausdrücklich auf die wesentliche Verschiedenheit des Bläschen-ausschlages und der Beschälkrankhoit hinzuweisen, wäre es vielleicht angezeigt gewesen, auch in der Seuchengesetzgebung beide Infections-krankheiten auseinander zu halten.
Das Bild dieser Krankheit gestaltet sich im Wesentlichen etwa folgendermassen:
a. Bei weiblichen Thieren kommen neben den Erschciiumgen eines acuten Scheidencatarrhs an der inneren Fläche des Wurfs linscn-bis erbsengrosse, mit einer hellen Flüssigkeit gefüllte Bläschen vor, welche bald platzen, wodurch etwas höher gerötbete Sehleimhautstellen
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Der BUisclii'imiissclilug etc. KriiuklifUsersciiciniingeii mid Krankheltsen'Ogei'. T)!}'}
blosgelegt werden, die sich bald wieder mit Epithel bedecken, indem der Scheideneatarrh massiger wird und endlich völlig verschwindet. Der röthlich-gelbe Schleim besudelt den Schweif und die Schenkel, trocknet zum Theil an den Bändern der Scharaspalte zu gelbliehen oder bräunlielien Krusten ein und wird von Zeit zu Zeit in grosseren Portionen ausgeworfen. Die Scham selbst ist geschwollen und zu­weilen verbreitet sich der Ausschlag auch auf die äussere Haut ihrer Umgebung und des Euters.
b. Bei männlichen Thieren stellen sich an verschiedenen Stellen der geschwollenen und gerötheten Haut der liuthe, bei Pferden be­sonders an der Eichel ähnliche Bläschen ein, wie bei weiblichen Thieren an der Innenfläche des Wurfes; dieselben bilden hantkorn-grosse bis bohnengrosse Bläschen, welche im reifen Zustande eine gelblich-weisse, klebrige Flüssigkeit enthalten; diese Bläschen platzen bald, worauf die exeoriirten Hautstellen noch durch einige Tage nässen, sich dann mit dünnen bräunlichen Krusten bedecken, unter welchen die Neubildung der Epidermis vor sich geht. Die betreffen­den Stellen bleiben eine Zeit lang ohne Pigment, das heisst: die Heilung erfolgt mit Hinterlassung einer weisslichen Narbe in der Regel in 8—14 Tagen. Der Ausschlag verbreitet sieh zuweilen auch auf die äussere Haut des Schlauches und dos Hodensaekes.
Das Allgemeinbefinden ist bei beiden Gesehleehtern während des ganzen Krankheitsverlanfes meist ungetrübt; jedoch sind die Fälle nicht gerade selten, wo leichte; Fiebererscheinungen, Sträuben der Haare, Abnahme der Fresslust und der Munterkeit und bei bedeuten­der Anschwellung der Genitalien, die sich zuweilen auf die Innenfläche der Schenkel ausbreitet, gespannter Gang, Drang zum Uriniren und Wedeln mit dem Schweife dem vorhin geschilderten Befunde sieh zugesellen.
Die- Natur des Krankheitserregers ist noch wenig studirt; gleich­wohl darf als sehr wahrscheinlich angenommen werden, dass auch dieses Gift ein organisches ist. Dasselbe haftet vorzugsweise an dem Inhalte der Bläschen und an den Geschwürssecreten; die wirksame Uebertragung desselben durch den Begattungsact zwischen einem an fraglichem Uebel erkrankten und einem gesunden Thiere der betreffen­den Spezies erfolgt ziemlich regelmässig.
Beim Mensehen entstehen zufolge Verunreinigung der Hände oder anderer Körpertbeile mit fraglichem Gifte zuweilen Bläsehen und oberflächliche Geschwüre, welche aber alsbald von selbst zu heilen pflegen.
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506nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;l-*1-'1' Blftsohenanssohlag etc. Verlauf und Behandlung.
Dor Vorlaut' dur Krankheit ist stets ein acuter und günstiger. Die Genesung erfolgt schnell, selbst ohne Anwendung einer boson-derun Kunstluilt'e. Reinigung der Gesehleeiitstheilo mit Wasser, Aus­spritzen der Scheide mit schleimigen Abkochungen reicht in der Regel vollkommen aus.
Diese Krankheit wurde bei Pferden bäufiger als beim Rindvieh beobachtet. Da sie aber durch den Begattungsact leicbt übertragen wird, so kommt sie in einmal inficirten Stallungen, oder in grösseron Bezirken, auch unter den Kühen zuweilen in grösserer Ausbreitung vor. Die Incubationszeit beträgt 8 bis 10 Tage. Bei Schweinen und Schafen ist zuweilen ein ähnlicher Ausschlag ebenfalls beobachtet worden.
Manchmal bilden sich zahlreiche grössore Geschwüre, mit harten (callösen) Rändern, welche tiefer in das Gewebe eindringen und eine bräunliche Flüssigkeit absondern, wodurch die Heilung sich verzögert, so dasa dieselbe erst nach 4 bis 8 Wochen erfolgt. Zu diesen schwereren Erkrankungen gesellt sich dann auch zuweilen ein leichtes Fieber, öfteres Uriniren, Abnahme der Fresslust und der Munterkeit hinzu.
In solchen Fällen kann die Heilung des Uebols durch eine ent­sprechende äusserliohe Behandlung, namentlich durch Reinlichkeit, Desinfection und Touchircn der Wunden, oftmals begünstigt resp. be­schleunigt werden.
Die von Kolb 1. c. gegebene Schilderung des Blasclu'iinussulilaijos unter dem Rindvieh lnulef:
Die gutartige Beschälseuche oder der PldycUuieu-Aussehlag an den üeni-talien des Rindviehs zeigte sich im Sommer 1870 in der Gemeinde Breitscheidt unter folgenden Erscheinungen:
Bei Kühen entstand plötzlich ein blasenartiges Exanthera an den Genitalien, mit mehr oder weniger leichtem Fieber und 8—14tUgigem Verlaufe. Kurz nach dem Beapringen der Kühe zeigte sich eine leichte üdenialösc Anschwellung am Wurfe und seihst zwischen den Hinterschenlceln. Die Schleimhaut der Mutter-scheidc rtithet sich stellenweise und sondert einen anfangs ei welssartigen, klebrigen Schleim ab, der später dicktlüssig und Withlich gell) wurde und an den Rändern des Wurfes gelbliche und bräunliche Krusten bildete, Manchmal lloss dieser Schleim anhaltend und .besudelte dann den Schweif, die Schenkel etc., oder er sammelt sich in der Scheide an und wird dann von Zeit zu Zeit in grosser Menge ausgeworfen. Nach kurzer Zeit wurde die Vaginalschlcimhaut schlalT und gelb­lich, am Wurfe zeigten sich linsen- und hanfkonigrosse Bläschen, die bald auf-brachen und meist Hache alsbald mit dünnen Schorfen sich bedeckende Ge-schwüi'chen bildeten, die bald ein rothes, bald ein blasses, speckiges Ansehen zeigten, Diese Geschwüre heilten binnen ö bis 8 Tagen und hinterlicssen glatte
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Der BläsohenauBsohlag eto, In einem oonoreten Falle beim Rinde, quot;raquo;(J?
weisgliohe Flecken. Wenn die Qlamp;sohen auf die behaarte Haut der Schenkel etc. sich uusbreitcten, so entstanden daselbst weisse, haarlose Stellen. Dus zu diesem LocaUeiden manohmal hinzutretende Allgemeinleiden äasserte sich (lurch etwas gesteigerte Pulsfrequenz, Strftuben der Haare, Mattigkeit und Abnahme der Fress­lust; wo bedeutende Qenitalansolvwellungen sicli zeigten, war der Gang dor Thiere meist gespannt. Drang zum üriniren und ein häufiges Wedeln mit dem Schwänze vorhanden. Das Allgemeinleiden verlor sich meist schon in den ersten Tagen der Krankheit. —
Unter derartigen mehr oder minder heftigen Erscheinungen waren in Breit-scheid etwa ;!0 Kühe, erkrankt und von den beiden vorhandenen Bnllon beim Bespringen angesteckt worden.
Bei diesen Bullen fanden sich folgende Symptome: Starke Anschwellung des Schlauches und der Rnlhe mit vielen kleinen Bläschen an der OberflUohe (meist am mittleren Theile) der Ruthe, aber auch an den' Eiche] und der Harn-röhrenmümlnng. Es waren runde, haul'koru- bis bohuengrosse derbe, warme und erapflndliche Knblcheu, resp. Uläschen, im IJewcbc der Vorhaut vorhanden: wo die Haut von Katur weiss ist, erschien dieselbe geröthel. ]5ei einem der beiden Bullen, bei welchem fragliche Knötchen sehr zahlreich vorhanden waren, schwoll das Geschlechtsglied, der Schlauch und der Ilodeusack an; hierzu gesellte sich leichtes Fieber, verminderte Munterkeit und öfteres Üriniren. Die Bläschen ent­hielten eine gelblich-weisse, klebrige geruchlose Flüssigkeit und trockneten in einigen Tagen ZU bräunlichen Schorfen ein. Unter diesen erfolgte in 8 bis 14 Tagen die Abheilung mit Hinterlassung einer glänzend weissen Narbe, welche längere Zeit sichtbar blieb. Bei dem am stärksten erkrankten Bullen hatten sich in Folge von Vernachlässigung tiefere Geschwüre mit harten . callösen Rändern gebildet, welche eine hriinnliche Flüssigkeit absonderten und die Heilung um mehrere Wochen verzögerten.
Die Krankheil soll auch in die Nachbargemeinde Eisemroth verschleppt und dadurch eine Bulle und etwa 2ö Kühe daselbsl im nämlichen Sommer an fraglichen Leiden erkrankt sein.
Das doutsche Reichs-Viehseuchen-Gesetz vom 23. Juni 1880 enthält in Bezug auf Boschiilseuehe der Pferde und Bläsuhcnausschlag der Pferde und des Rindviehs folgende Bestimmungen:
sect; 50. Pferde, welche an der Beschälseuche, und Pferde oder Rindviehstücke, welche an dem Blase!lenausschlage der Geschlechts-theile leiden, dürfen von dem Besitzer so lange nicht zur Begattung zugelassen werden, als nicht durch den beamteten Thierarzt die voll­ständige Heilung und Uuverdäehtigkeit der Thiere festgestellt ist.
sect; 51. Tritt die Beschälseuche in einem Bezirke in grösserer Ausdehnung auf, so kann die Zulassung der Pferde zur Begattung für die Dauer der Gefahr allgemein von einer vorgängigen Unter­suchung derselben du ich den beamteten Thierarzt abhängig gemacht werden.
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508 -L'J'-1 quot;quot;' Besohamp;lBeuohfl der Pferde bezügl. Gesetze ilts deutsohen Reiches^
Die Instruotion des Uumk'sratlics vom 24. Februar 1881 zur Ausführung dieses Gesetzes lautet;
I. BeBchB.lseuohe der Pferde; a. Ausbruch der Seuche.
sect; 110. 1st der Ausbruch der BeschUseuche oder ein Verdacht der Seuche (sect; 1, Abs. 2 des Gesetzes) festgestellt (S 12 des Gesetzes), so ist von der Polizei­behörde und dem beamteten Thierarzt (sect; 2, Alis, des Gesetzes) möglichst zu ermitteln,, welche Pferde mil den erkrankten^ oder der .Seuche verdächtigen Pferden innerhalb der letzten 6 Monate in geschlechtliche Berührung gekommen sind.
Von dem Ergebniss dieser Ermittelungen ist, sowcil erforderlich, den be-the'iligten anderen Polizeibehörden Mittheilung zu machen.
Sä 111. Die Polizeibehörde hal den Ausbruch der Beschälkrankheit auf
Ortsübliche Weise und dareli BeUamitmaelmiiy In dem für amtliche Piildicalionen bestimmten Blatte (Kreis-. Amtsblatt n. s, w.) zur öffentlichen Keiintiiiss zu bringen.
#9632;i 112. Die an der Beschälseuche erkrankten, oder der .Seuche verdächtigen Hengste und Stuten, desgleichen diejenigen Pferde, welche innerhalb der letzten •I Monate nachweislich mit erkrankten, oder der Seuche verdächtigen Hengsten oder Stuten begattet worden sind, müssen von der l'crnenMi Hegattung (s. sect; 114) ausgesohlossen wen Ich.
Ein Wechsel des Standorts (Gehöfts) dieser Pferde darf ohne vorgängige Anzeige bei der Polizeibehörde nicht stattfinden.
Anderweite Beschränkungen in der Benutzung der Pferde sind den lie-sii/.rm nicht aufzuerlegen,
Wenn der leitende Polizeibeamte bei der Untersuchiing uicbi zugegen ist. so hat der beamtete Thierarzt die sofortige Einsperrung und Absonderung der erkrankten und verdächtigenThiere bis zuni polizeilichen Einschreiten anzuordnen. Die getroffenen Anordnungen sind dem Besitzer der Thiere, oder dessen Vertreter entweder zu Protokoll, oder durch schrll'tliclie Verfügung zu eröffnen, auch hat der beamtete Thierarzt davon der Polizeibehörde sofort Anzeige zu machen.
S 113. Tritt die Beschälseuche in einem Bezirke in grösaerer Ausdehnung auf. so kann die Zulassung der Pferde zur Begattung in dem gefährdeten lie-zirke für die Dauer der Gefahr allgemein von einer vorgängigen Untersuchung der Pferde durch den beamteten Thierarzt abhängig gemacht werden (^ 51 des Gesetzes).
In diesem Falle müssen die Hengste auf den Bescllälstationen und alle übrigen Deckhengste in dem gefährdeten Bezirke von 14 zu 14 Tagen einer thier-ärztllchen Untersuchung unterzogen werden.
li. Aufhebung dor Schatzmassregeln.
sect; 114. Die nach Vorschrift des *; 112 angeor'dneten Schutzmassregeln sind wieder aufzuheben :
Ij rlicksichtlich derjenigen Pferde, welche mit erkrankten oder der Seuche verdächtigen Hengsten oder .Stuten begattet worden sind, wenn sie innerhalb 6 Monaten nach der Begattung keine verdacht igen Erscheinungen zeigen und ihre Unverdiichligkeii durch den beamteten Thierarzt festgestellt ist;
2) rttcksichtlich der der Seuche verdächtigen Pferde, wenn sich nach dem Gutachten des beamteten Tliierarztes der Verdacht als nicht, begründet heraus-
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Die auf BeschUaenohe n. Bläsohenaussohlag etc, bezilgl, Ges. Deutsoblands. .quot;)()lt;)
gestellt hai. und örtliohe Ki'ankheltsei'solieinungeii, Zeichen von Schwäobe and Abmagerung nicht vorliegen:
3)nbsp; rUcksiohtlioh derjenigen Pferde, bei welchen der Ausbrach der Beschäl-seuche festgestellt ist, 8 Jahre nach erfolgter und vom beamteten Thlerarzt feat-gestellter vollständiger Heilung;
4)nbsp; bei allen erkrankten und verdttchtigen Hengsten soforl nnch erfolgter Castration,
S 115. Uie nach Vorschrift des sect; 113 angeordneten Soliutamassregeln sind aufzuheben, sobald die Krankheit erloschen, oder auf einzelne Fülle beschränkt let.
S lltJ. Die Polizeibehörde hat das Brlöschen der Krankheil durch amt­liche Publication zur öffentlichen Kenntniss zu bringen und dabei bekannt zu machen IS 111)- welche Hengste und Stuten auf :! Jahre von der Zulassung' zur Begattung ausgeschlossen sind,
II. Blase hen au sschlag der Pferde und des Rindviehs.
sect; 117. Ist der Bläschenausschlag bei Pferden, oder hei dem Bindvieh durch die amtliche Untersuchung (S 12 des Gesetzes) festgestellt, so inuss der Besitzer der kranken Thlere oder dessen Vertreter angehalten werden, die Thiere bis zu ihrer vollständigen Heilung von der Begattung iinsziischliessen. Ein Wechsel des Standorts oder Gehöfts ist während der Dauer der Krankheit verboten.
S 118. Nach Feststellung lies Bläschenansschlages ist von der Polizeibehörde und dem beamteten Thierarzte (S 2, Alis, 3 des Gesetzes) möglichst zu ermitleln, wie lange die Krankheltserschelnungen schon bestanden haben, und oh neuerdings Pferde, beziehungsweise Rindviehstücke mil den kranken Thieren in geschlecht­liche Berührung gekommen sind.
\oi\ dem iM'gehnis.s dieser Ermittelungen ist, soweit erforderlich, den be-theiligten anderen Polizeibehörden Mittheilung zu machen.
S 119. Die Seuche gilt als erloschen, und die nach ^ 117 angeordnete Schutzmassregel ist aufzuheben, wenn nach der Erklärung des beamteten Tiller-arztes der Ausschlag bei den kranken Thieren vollständig abgeheilt ist.
Das österreichische Gesetz vom 29. Februar 1880 enthält in Bezug auf die in Rede stehende Krankheit folgende Bestimmungen:
sect; 31. Pferde, welche an der Beschälseuche leiden, dürfen zum Belegen nicht zugelassen werden,
Stuten, welche mit dieser Seuche behaftet waren, sind selbst dann, wenn sie wieder hergestellt scheinen, bleibend von der Nach­zucht ausgeschlossen und deshalb zur Kenntlichmachung an der linken Halsseite mit den Buchstaben B K zu brennen.
Beschälhongste, von welchen erwiesenennassen Stuten angesteckt worden sind, oder bei welchen sich das Vorhandensein der Schanker­seuche bestimmt nachweisen lässt, oder weiche Stuten, die zur Zeit des Belegena schon schankerkrank waren, bedeckt haben, sind zu castriren.
Tritt die Beschälseuche in grösserer Verbreitung auf, so ist von
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510 ^'c auf Besohftlseuohe dor Pferde bezltgl. Gesetze Oesterreiohs, Ferlsnoht,
der politischen Landeabebörde nach Massgabe der Verbältnisse ent­weder das Belegen durch Landes- oder Privatheschiüer einzustellen oder die Zulassung der Pferde zum Belegen von einer vorausgegangenen Untersuclmng derselben durch den Amtsthierarzt abhängig zu machen.
In Bezirken, in welchen die Beschälseuche herrschend war, ist vor Beginn der Belegzeit des folgenden Jahres eine thierärztlicho Revision des Gesundheitszustandes der sännntlichen Zuchtpferde zu veranlassen und dürfen nur jene Pferde zur Deckung zugelassen werden, welche hierbei vollkommen gesund befunden worden sind.
sect; ;}2. Mit dein ßläschcnausschlago an den Grcschlechtstheilen behaftete Pferde und Binder sind für die Dauer der Krankheit von dem Belegen auszuschliessen.
Die ministerielle Verordnung vom 12. April 1880 lautet in Bezug auf
dieses Ucsctz :
In den verseuchten Bezirken ist eine Untersuchung des Gesundheitszustandes säiniiiiliclier Zuchtpferde durch den Amtsthierarzt vorzunehmen.
Die mil der- Krankheit behafteten .Stuten sind abzusondern und dilrfen ohne Zustimmung der politischen Bezirksbehörde Ihren Standort nicht wechseln,
Stallungen, In welchen besohälkranke Pferde eingestellt waren, und die bei der Wartung benutzten Gegenstände sind einer Reinigung zu unterziehen; die Hiiiite der an dieser Krankheit gefallenen, oder wegen derselben getödteten Tliiere dürfen mieli vollzogener Dcsinl'ection und Trocknung verwendet werden.
Die Nachsicht durch den Amtsthierarzt lint in der Kegel von 14 zu 14 Tagen zu erfolgen.
Die Seuche ist bei geringer Verbreitung als erloschen zu erklären, wenn keine kranken Stuten mehr vorhanden, die kranken oder verdächtigen Zuchthengste castrirt sind und die Reinigung der .Standorte und Geriithe vollzogen isl : bei grösserer Verbreitung aber erst dann, wenn die von der BelegMit des folgenden Jahres vorgenommene thicrärztliche Revision den vollkommen gesunden Znstand siuumtlicher Zuchtpferde nachgewiesen hat.
Tritt der liläscheuiiusschlag an den (Jeschlechlslheilen der Zuchtpferde in grösserer Verbreitung auf, so kann eine thicrärztliche Untersuchung der stimmt-.liehen Zuchtpferde des verseuchten Gebietes von der politischen Behörde ange­ordnet werden.
18. Die Perlsucbt, resp. Schwindsucht des Rindviehs und anderer
Hausthiere.
Mit Perlsucht (oder Franzosenkrankheit) des Rindviehs bezeich­net man eigentlich eine Krankheit, deren anatomischer Befund haupt­sächlich in verschieden geformten Neubildungen auf den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle, sowie der in beiden gelagerten Eingeweide und in Schwellung, resp.?hitartiuig der Lymphdrüsen besteht.
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Die Perlsuclit rcsyi. Scliwindsiiclit des Rindviehs und anderer Hnusdiiere. 511
Neben diesen Neubildungen auf den serösen Häuten, welche wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens in knotigen Formen sehlcchtweg „Perlknotenquot; genannt werden, findet man in den fortgeschrittenen Graden des Leidens häufig auch ein mehr oder weniger hervortretendes Lungenleiden, das unter Umständen sogar mehr, als die Perlknoten der serösen Häute, in den Vordergrund tritt. Ja nicht ganz selten findet man die Perlknoten nur vereinzelt, oder sie fehlen ganz, wäh­rend im Uebrigen alle Erscheinungen einer Lungensehwindsucht vor­handen sind. In letzterem Falle ist man streng genommen nicht mehr berechtigt, die Krankheit als „Perlsuchtquot; zu bezeichnen. Will man für in Rede stehende Zustände auch fernerhin einen gemeinsamen klinischen Namen beibehalten, so wird man sie am hosten „Schwind-suchtquot; nennen. Obgleich die Frage nach der Natur der Ferlsucht und der Tuberculose, resp. des Tuberkels, so wie die Ansicht ge­wichtiger Autoren, dass der Tuberkel stets von käsigen Herden aus­gehe, noch strittig ist, so werden wir doch für die Diagnose während des Lebens käsige Pneumonia und Perlsucht kaum von einander trennen können. Erst nach dem Tode sind wir in der Regel im Stande, die vorhandenen Zustände nach den Grundsätzen der pathologischen Ana­tomie strenger zu scheiden und auseinander zu halten. Will man alle Krankheitszustände, welche dem Begriffe der Perlsueht des Rindviehs bisher angereiht worden sind, in einen riehtigeren klinischen Aus­druck zusaramonfassoii, so ist selbst der Coilectivname „Lungenschwind­suchtquot; noch zu wenig umfassend, da die Perlknoten und anderweitigen Krankheitszustände vorzugsweise oder aussehliesslich in der Bauchhöhle ihren Sitz haben können, während die betreffenden Kranklieitspro-zesse in der Brusthöhle, namentlich in den Lungen, nur wenig oder gar nicht hervortreten. Aussei- einer pectoralen Form kommt somit auch eine abdominale Form der Perlsueht, resp. Schwindsucht vor.
Die unter den Sammelbegriff „Schwindsucht des Kindviehsquot; fallenden Krankheitszustände findet man besonders häufig bei Kühen, weniger häufig bei Bullen und Ochsen, noch seltener bei Färsen und nur ausnahmsweise bei Kälbern unter 1 Jahre. Nach Semmer (Re­vue Bd. I, No. 2, Wien 1878) ist die Perlsueht (resp. Schwindsucht) des Rindes schon den alten Aegyptern und Juden bekannt gewesen und das Fleisch derartig erkrankter Thiere für den Consnm als schäd­lich betrachtet worden. Nach den mosaischen Gesetzen ist der Genuas des Fleisches solcher Rinder, in deren Lungen Knoten gefunden weiden, verboten.
Es empfiehlt sich nun, diese pathologisch-anatomisch verschiedenen
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512 I'ii1 Sohwindsuolvt dos Rindriebs; die peotorale Form derselben,
ZustiinJe auch fernerhin im Zusammenhange zu besprochen, weil die­selben während des Lehens meist nicht auseinandergehalten, d. h. nicht unterschieden werden können. Die klinische Diagnose, besonders die Ditt'erentialdiagnosc dieser Zustände ist anfangs ganz unmöglich und auch in den fortgeschrittenen Stadien der Krankheit meist sehr schwierig. Auffallende Krankheitscrscheinungen stellen sich nämlich erst dann ein, wenn das Leiden bereits einen höheren Grad erroieht hat. Die wahrnehmbaren Krankheitserscheinungen sind nun imWesent-licben folgende:
A.nbsp; nbsp; Hei stärkerer oder alleiniger Jirustaflection macht sich zunächst ein anfangs noch kräftiger, trockener, rauher Husten bemerkbar, der im Laufe der Zeit dumpf und schwach wird. Die Häufigkeit des Hustens hängt ebenso wie seine Klangfarbe von dem Grade und dem Sitze der pathologischen Zustände ab. Bei der eigeut-liclien Porlsucht mit nur geringer Lungenaffection pflegt der Husten nicht gerade häufig zu sein und besonders früh Morgens, aber auch im Laufe der Tageszeit einigemal sich einzustellen; die Patienten husten in der Regel nur 2 bis 3mal nach einander. Je ausgebreiteter und intensiver die Lungen erkrankt sind, um so häufiger und matter wird der Husten, um so beschleunigter und beschwerlicher schliesslich das Atlunen.
Die physiealisclie Untersuchung der Brust ergibt je nach Um­ständen folgende Daten: es finden sich:
a)nbsp; nbsp;Reibungsgeräusche bei Rauhheit der Oberfläche des Rippen­felles und des serösen Ueberzuges der Lungen.
b)nbsp; nbsp;Bronchiales Athmen, Giemen, Pfeifen, Schnurren, Rasseln u. dergl. bei Erkrankungen dor Lungen, besonders derjenigen Partien, welche der Auscultation zugänglich sind.
c)nbsp; nbsp;Dämpfung des Percussionstones bei starkor Auflagerung von Perlknoten auf die serösen Oberflächen und bei umfangreicher Unwegsamkeit der Luftwege in den Lungen, sofern die be­troffenen Partien der Percussion zugänglich sind.
B.nbsp; nbsp; Bei vorzngsweiscr oder alleiniger Affection der Hinterleibsorgane sind nur dann auffällige Krankheitserscheinungen vorhanden, wenn die in der Bauchhöhle gelegenen Geschlechtsorgane weiblicher Thiere Sitz der krankhaften Veränderungen sind; in diesem Falle rindern die Patienten alle 8—4 Wochen, nehmen aber bei der Begattung in der Regel nicht auf; falls dies aber geschehen sollte, verwerfen sie nicht selten, in solchen Fällen wird die Perlsucht öfter mit der Stiersueht verwechselt. (Diese ist aber von der Perlsucht
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Die Sclnviiidsucht des Rindviehs; Verlauf, Prognose und Ursache. 513
nicht unbedingt abhängig, da sie auch als selbstständige Krankheit unter dem Namen „Brüller- oder Brummel-Krankheitquot; auftritt und dann in einem wassersüchtigen Zustande des einen oder anderen, oder beider Ovarien, ihren Grund zu haben pflegt.)
Der Ernährungszustand perlsüchtiger oder tuberculöser Indivi­duen leidet in der ersten Zeit der Krankheit (besonders bei jüngerem Vieh) nicht. Es kommt manchmal vor, dass die Perlsncht erst nach dem Schlachten an ganz ausgemästeten Thieron vollständig uner­wartet zum Vorschein kommt.
Nicht selten treten im späteren Krankheits-Verlaufe Anschwel­lungen der nahe an der Körperoberfläche gelegenen Lymphdrüsen ein, wodurch die Diagnose an Sicherheit gewinnt. Auch nimmt all­mählich die Fresslust ab, das Haar wird glanzlos und struppig, die Schleimhäute werden blass, der Blick matt, es stellt sich Durchfall und ein Zehrfieber ein, bis endlich die Thiere unter stets zunehmen­der Abmagerung zu Grunde gehen.
Der Verlauf der Krankheit ist ein sehr chronischer; es ver­gehen Monate, selbst Jahre, bevor das tödtliche Ende eintritt.
Die Prognose ist absolut ungünstig, indom in der einmal iiusserlich erkennbaren Krankheit ein Stillstand selten oder nie, viel weniger eine Ausheilung eintritt. Die Patienten gehen früher oder später an den Folgen dieses Leidens zu Grunde, wenn sie nicht vor­her geschlachtet werden.
Die Ursachen der Schwindsucht des Rindviehs sind noch wenig gekannt. Wohl nicht ohne Grund wird ziemlich allgemein die Vererbbarkeit der Anlage, resp. des Krankheitskeimes, von den Eltern auf die Nachkommen angenommen; dieselbe dürfte bei der Perlsncht wohl in erster Reihe unter den ursächlichen Momenten an­zuführen sein. Ausser der bekannten Thatsache, dass die Nachkommen perlsüchtiger Rinder, namentlich wenn sie gute Milchkühe sind, häufig an Perlsucht erkranken, sprechen auch die mehrfach beobachteten Fälle von Perlsucht (und Lungentuberculose) bei nur einigen Wochen alten, von perlsüchtigen Müttern geborenen Kälbern für die Vererb­barkeit fraglicher Krankheit. Allerdings scheint der Prozentsatz perl­süchtiger Kälber ein sehr niedriger zu sein; unter 22 320 gotödfeten Kälbern fand Adam keins tuberculös, während von 10088 Stück Grossvieh 321 (=2,920/o) tuberculös befunden wurden. In München fand man l,180/o Ochsen, B,800/o Kühe, 0,Ü80/o Stiere, 0,73% Färsen und 0,000(gt;n/o Kälber der Schiachtthierc genannter Kategorien tu­berculös. — Seit neuerer Zeit wird nun auch von einigen Sachver-
Pütz, LehrTrach dor anslpckonden ThlorkrankliPlten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3'i
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514
Die Frage der Contngiositüt der Tubercnlosc des Menschen.
ständigen die Ansteckungsfälligkeit dieser Krankheit als sehr wahr­scheinlich hingestellt; diese Annahme wird durch erfolgreiche Versuche, bei welchen Thiere durch fortgesetztes Einathmen tuberculöser Sub­stanzen inficirt worden sind, nicht unwesentlich unterstützt. Nament­lich ist die Möglichkeit nicht so ganz ohne Weiteres von der Hand zu weisen, dass in Ställen, in welchen mehrere lungenschwindsUchtige Thiere verhältnissmässig dicht beisammen stehen, gesunde Individuen von den kranken inficirt worden können, indem jene das von diesen ausgeathmete tuberculöse Gift beim Einathmen aufnehmen.
Die Frage nach der Contagiosität der Tuberculöse des llcnschcn ist nicht neu; bereits Galen (geb. 131 n. Chr.) hat dieselbe in be­jahendem Sinne beantwortet (Seramer 1. c. S. 18). Die Lehre von der Schwindsucht des Menschen machte über 14 Jahrhunderte nach Galen keine wesentlichen Fortschritte; die alten Anschauungen (be­sonders von Hippocrates und Galen) wurden wie ein Dogma weiter überliefert. Erst nachdem Soctionen menschlicher Leichname in grös-serer Anzahl vorgenommen werden konnten, begann ein weiterer Fort­schritt in diesem Gebiete der Krankheitslehre. Merkwürdigorweise hat die Erweiterung der Kenntnisse in der pathologischen Anatomie von Thierleiehen damals in keiner'Weise fördernd gewirkt. Es wurden vielmehr die aus der Galenischen Medicin geschöpften Grundsätze auf die Veterinär-Pathologie übertragen (Waidenburg, Tuberculöse etc. Berlin 1809, S. 23, 24 und 25). Morton (dessen berühmtes Werk „die Phthisiologie* im Jahre 1689 in London erschien und im Jahre 1780 noch ins Deutsche übersetzt wurde), ferner Morgagni, der Be­gründer der pathologischen Anatomie, geboren 1082, sowie Laennee, der Reformator der Lehre von der Tuberculöse, also 4 berühmte Männer, welche die Bhthisiologie wesentlich gefördert haben, sind (nach Semmer) Anhänger der Contagiosität fraglicher Krankheit gewesen.
Unter den zahlreichen Versuchen, welche namentlich in den letzten Jahrzehnten angestellt worden sind, um die Virulenz und die Contagiosität der Perlsucht zu erforschen, sind folgende von beson­derem Interesse: Im Veterinär-Institute in Dorpat wurden (von den Studenten Thal und Nesterow) Schweinen und Schafen der gemeinen Landrace, unter welchen dort die Tuberculöse nicht herrscht, Blut und Milch von einer tuberculösen Kuh, theils subeutan, theils in die Venen injicirt und zwar in einer Menge von ljia bis V*0 des Ge-sammtblutes der sorgfältig gewogenen 30 Versuchsthiere. Bei 16 der letzteren fand sich 5 bis 13 Monate nach der Infection am geschlach­teten Thiere ausgesprochene Tuberculöse; 18 Versuchsthiere waren
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Beziehungen zwischen der Schwiudsuclit des Menschen und der Tliiere. 515
bald nach der Impfung au verschiedenen anderen Leiden verendet und nur l Schafbock, welchem tuberculoses Blut im ungefähren Ver­hältnisse von 1 : GO seiner Gosammtblutmasse injicirt worden war, wurde bei der Section vollkommen gesund befunden. Bei keinem der Versuehsthiere war an der Impfstelle irgend eine wahrnehmbare Reaction aufgetreten.
Mit Rücksicht auf die Frage nach der Identität der Perlsucht mit der Tuberculose anderer Thiere und des Menschen sei noch be­merkt, dass die Tuberkel des Schafes bei mikroskopischer Unter­suchung mit denen des Menschen übereinstimmend erschienen, wäh­rend die Tuberkel des Schweines sich histologisch mehr den Perl­knoten des Rindes näherten. Diese Verschiedenheiten in der Structur der Tuberkel bei den verschiedenen Thieren soll auf Gattungs- und individuellen Verhältnissen beruhen. Die I'erlsucht des Rindes würde demnach als eine mit der Tuberculose anderer Thiere und des Men­schen identische, oder wenigstens nahe verwandte Krankheit zu be­trachten sein, wie dies von Villemiu und Anderen behauptet worden ist. Dieser Annahme bieten sowohl die makroskopischen als auch die mikroskopischen (histologischen) Verhältnisse meines Erachtens nur scheinbare Schwierigkeiten, da bei einer Sichtung des Wesentlichen und Unwesentlichen von einander bei der Tuberculose ähnliche oder identische Prozesse bestehen, wie bei der Perlsucht des Rindviehs. Wir wollen versuchen, dies hier kurz festzustellen.
Die Tuberculose des Menschen erscheint ebenfalls in einer pec-toralen und abdominalen Form; letztere tritt allerdings seltener primär, sondern meist seeundär auf. Wir begegnen ferner auch hier einer Tuberculose der serösen Häute, der Lungen u. s. w., mehr oder weniger umfangreichen Bronehialcatarrhen, Verkäsungen u. dergl. mehr. Die bei der Tuberculose des Mensehen auftretenden zahlreichen miliaren Knotchen sind zunächst grau und durchscheinend , später werden sie blassgelb und opak. Durch Aneinanderlagerung und Zusammenfliessen vieler solcher Knotchen entstehen an und in den serösen Häuten grös-sere Knoten oder Platten, welche theils in dem serösen und subserösen Gewebe, oder in bindegewebigon Neubildungen (der Serosa) ihren Sitz haben; diese Neubildungen erscheinen entweder in Form von schwartenartigen Verdickungen, oder von bandartigen Strängen. Ver­wachsungen benachbarter Abschnitte der Serosa kommen hier, wie bei Perlsucht, häufig vor, während die bei letzterer zahlreich vor­kommenden Stielbildungen bei Tuberculose der serösen Häute des Menschen fehlen. Bindegewebsneubildung kommt also hier wie dort
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51(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Beziehungen zwischen Ferlknoten und UUlartuberlceL
vor und zwar bei Porlsucht constant und massenhaft, bei Tuberculose der serösen Haute dos Menschen nicht constant und weniger massen­haft. Auch der mikroskopische Befund ist in allen wesentlichen Dingen bei Perlsnoht und Tuborculose ein ähnlicher oder gar iden­tischer. In den frischen Perlknötchen, wie in den Tuberkeln finden wir eine Anhäufung von zelligen Elementen mit einzelnen oder meh­reren verschieden geformten und verschieden umfangreichen Riesen­zellen mit oder ohne Ausläufer. Perlknötchen wie Tuberkel besitzen eine grosso Neigimg zu verkäsen (Kirillow, Baumgarten); eine grosso (wie mir scheint indess nicht wesentliche) Differenz besteht allerdings darin, dass jene in der Regel, diese nur ausnahmsweise verkalken.
Wenn wir mm ferner berücksichtigen, dass in der Form der tuberculösen Neubildungen bei den verschiedenen ITausthicren gewisse Verschiedenheiten sich zeigen, wodurch der Tuberkel der serösen Häute beim Schweine als Mittelglied zwischen den Tuherkeln des Schafes und den Perlknoten des Rindviehs angesehen werden kann, und wenn wir endlich die Genesis der Tuberkel und der Perlknoten mit einander vergleichen, so kann der von Leisering und Anderen vertretene Standpunkt, dass Perlknoten und Tuberkel wesentlich iden­tische Neubildungen, rosp. dass Pei'Uuoht und Tuberculose auch von diesem Standpunkte aus wesentlich gleiche Krankheiten sind, kaum mehr zweifelhaft erscheinen.
Erwägen wir dies Alles und berücksichtigen wir, dass die Uebor-tragbarkeit der Perlsucht und Tuberculose durch die Ergebnisse zahl­reicher Impf- und Filtterungsversuche fast ausser Zweifel gestellt ist, so wie endlich noch, dass Toussaint in neuester Zeit (Revue für Thier-heilkunde Wien 1882 No. 2) die grosso Lebengzähigkeit des Tuberkel­giftes auf Grund seiner bezüglichen Versuehsresultate betont hat, so er­geben sich aus alledom für die Gesundheitspflege des Menschen sehr #9632;wichtige Consoquenzen, auf welclio wir später zurückkommen werden.
Ob nun die Perlsucht oder Tuberculose, rosp. Schwindsucht, eine eigentliche Infectionskrankhoit ist, deren Keim entogen und ektogen sich erhalten und vermehren kann und ob etwa hierin der Gruud liegt, dass nicht allemal von käsigen Herden tuberculose Infectionen ausgehen, lässt sich vorläufig nicht sicher entscheiden. Wir können deshalb auch die Streitfrage, ob es ein spezifisches Porlsucht- oder Tuberkelgift gibt oder nicht, vorläufig hier aussei4 Betracht lassen. Die Zukunft wird erst lehren müssen, oh Virchow, der die möglichen Nachtheile dos perlsüchtigen Fleisches nicht in Abrede stellt, sondern nur die domseihen etwa folgenden Gesundheitsstörungen einer allge-
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Beziehungen zwischen Hioncliialentnrrli uml Sehwindsucht.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 517
meinen Schädlichkeit zuzuschreibeu geneigt ist, Recht hat, oder ob die Meinung zahlreicher anderer Forscher, es komme hierbei ein spezifisches Gift zur Wirksamkeit, schliesslich seine Bestätigung finden wird.
Bei Entstehung der Schwindsucht des Rindviehs scheint die Milchsecrctlon eine wichtige Rolle spielen zu können.
Die Beobachtung lehrt, dass unter gewissen Umständen aus catarrhalischen Lnngenaft'ectionen (Bronchitis), besonders wenn dieselben bis in die feineren Verzweigungen der Luftröhre vordringen, eine sogenannte käsige Lnngenentzündimg und aus dieser Schwindsucht sich entwickeln kann. So sind z. B. die mit dem Namen „Hütten-raucliskrankheitenquot; belegten Krankheitszuständo, #9632;welche seit einigen Jahrzehnten die Viehstände des Freiberger Hüttenhezirkes im König-reicho Sachsen deeimiren, als käsige Pneumonien erkannt. Diese Krankheit wird (nach Haubner und Siedamgrotzky, Archiv für Thier-heilkunde 1878, Heft 2 bis (i) bedingt durch den fortgesetzten Reiz, welchen der Hüttenrauch auf der Schleimhaut der Luftröhronzweige verursacht. Es kommt zunächst zur Entwicklung einer Bronchitis, die bei dem Fortbestande der Krankheitsursache chronisch wird, resp. zum chronischen Bronchialcatarrh führt, — aus welchem dann eine käsige Lungenentzündung sich hervorbildet. In den späteren Stadien der Krankheit qu. kommt es dann soeundär auch manchmal zur Bildung echter Tuberkel in den Lungen, sowie zur Bildung zottiger Neubildungen und kleiner Perlknötchen auf den serösen Häuten.
Es werden somit zunächst alle Momente, welche einen (chronischen) Bronchialcatarrh zu erzeugen und zu unterhalten im Stande sind, als entferntere Ursachen der Schwindsucht angesehen werden können. Es wären demnach als solche prädisponirende Ursachen hier zu nennen: schlechte Ventilation, besonders stark mit Vieh besetzter Ställe, reich­licher Schlämpedunst, viel Staub (staubiges Futter) n. dergl, mehr. Dann werden ferner durch das beständige Stehen im Stalle der Milchthiere diese Einflüsse um so leichter nachtheilig werden, als die Athmung in Folge des Mangels naturgeinässer Muskelübungcn eine weniger energische ist, weshalb das Auswerfen der in den Bronchien angesammelten Secrete oder sonstiger, von aussen eingedrungener Stoffe nur unvollkommen erfolgt. Dazu kommt noch die häufige Ueberfülkmg des Magens mit Futtermassen, wodurch die Athmung, namentlich die Inspiration ebenfalls beeinträchtigt wird. Kommt nun hierzu noch eine reichliche Milchsceretion, so mag diese sowohl durch Entziehung von Nährstoffen, als auch durch Austrocknung des Körpers, d. h. durch Entziehung grosser Wassermengen schädlich wirken können.
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5]8 Statistisches über die verschiedenen Formen der Schwindsucht des Kindviohs.
In Folge der massenhaften Wasserentziehung durch reichliche Milch-ausscheidung mag auch den Secreten in den Luftröhrenzweigen Flüssigkeit entzogen werden, wodurch dieselben sich eindicken, zäh und zur käsigen Degeneration mehr disponirt werden. Bekanntlich erkranken ja gerade die besten Milchkühe am häufigsten an Tuber-culose. Die Deutung dieser Thatsache im angegebenen Sinne wird durch die Beobacbtung unterstützt, dass bei allen säugenden Kaninchen durch Erregung eines beliebigen Entzündungsprozesses Tuberculose her­vorgerufen werden kann. Alle die vorhin erwähnten bezüglichen Ver­hältnisse verlangen eine entsprechende Berücksichtigung, wenn man die Schwindsucht des Rindviehs aus einem Stalle möglichst fern halten will (Siedamgrotzky).
Um einen einigennassen genaueren Einblick in die Häufigkeit der verschiedenen, unter dem Namen „Schwindsucht des Rindviehsquot; zusammengefassten Krankheitszustände zu geben, mögen folgende statistische Angaben Adam's (Wochenschrift für Thiorheilkunde etc. 1872 bis 1878 „Ueber die Häufigkeit des Vorkommens der Tubercu­lose beim Schlachtvieh*) dienen:
Unter dem in der Stadt Augsburg in den Jahren 1871 bis 1877 incl. geschlachteten Rindvieh fand Adam
In 1127 Fällen von Schwindsucht des Rindviehs kamen vor: 120mal Tuberculose der serösen Häute, 318 „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ Lungen,
G80 „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;und der serösen Häute.
Demnach überwiegt die Zahl der ausschliesslichen Lungener­krankung die der ausschliesslichen Erkrankung seröser Häute unge-ftihr um das 2'/a fache. Die Zahl der gemischten Fälle ist am grössten; sie übertrifft die Zahl der ausschliesslichen Erkrankung
a)nbsp; nbsp;der serösen Häute um das S'/ifache,
b)nbsp; nbsp;der Lungen um mehr als das doppelte und die Zahl der Erkrankungen von a und b zusammengenommen um circa das 1 '/stäche.
Göring (Verbreitung der Tuberculose des Rindes in Bayern im Jahre 1878) theilt folgende auf Veranlassung des bayerischen Mini­steriums durch die Thierärzte zusammengebrachte Perlsuchtstatistik mit:
Im ganzen Königreiche Bayern wurden im Berichtsjahre qu. tuberculös befunden 5042 Stück Rindvieh und zwar 997 männlichen und 3763 weiblichen Geschlechts. Davon waren 05 Stück unter 1 Jahre, 551 zwischen 1 und 3 Jahren, 1730 zwischen 3 und 0 Jahren und 23G0 über 6 Jahre.
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Zur DilTercnzining der versch. Formen der Schwindsucht des Rindviehs. 510
Es waren erkrankt an Lungen- und Perlsucht 1910 Stück, „ „ raquo; raquo; Lungensucht .... 1374 „ „ „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo; Perlsucht.....018 „
und bei 142 fanden sich in verschiedenen anderen Organen tubercu-
löse Prozesse.
Diese Zahlen beweisen einestheils, dass die Bezeichnung „Perl-suoht8 den bei der Schwindsucht des Rindviehs vorkommenden patho­logischen Verhältnissen zu wenig Rechnung trägt; — anderseits lehren sie, dass eine genaue Statistik der verschiedenen Formen der Schwind­sucht des Rindviehs auch der Aetiologie dieser wesentliche Dienste zu leisten vermag. Eine solche Statistik hilft Schlüsse begründen, welche zu einer näheren Einsicht in die ursächlichen Krankheitsmo­mente führen können, wie weit die congcnitale Vererbung — und wie weit die Influenz äusserer Schädlichkeiten bei Entstehung der Tuber-culose eine Rolle spielen. Sind wir hierüber erst genau informirt, so werden wir auch bald im Stande sein, wirksamere Vorbeugungsmass­regeln gegen fragliche Krankheits zustände vorschreiben zu können. Auf jeden Fall dürfte es zwockmässig sein, für Zuchtvieh mög­lichst normale Lebensverhältnisse zu schaffen und die Nachzucht aus forcirten Milchwirthschaften im Allgemeinen für Mastzweckc zu ver­wenden. Es würde damit eine weitere Arbeitstheilung im Wirthschafts-betriebc sich ergeben, wodurch die Viehhaltung vorzugsweise die Zwecke entweder einer möglichst ausgiebigen Milchwirthschaft, oder einer möglichst rationellen Viehzucht zu verfolgen hätte. Die reinen Milchwirthschaften würden dann ihren Abgang an Melkthieren nicht aus ihrer eigenen Nachzucht, sondern durch zweckentsprechenden Ankauf zu decken haben.
Siedamgrotzky hat in seiner Publication „Zur Kenntniss der Lungenschwindsucht des Rindesquot; (1. c. S. 401 bis 431) den aner-kennönswerthen Versuch gemacht, in diesem Gebiete mehr Licht zu verbreiten. Derselbe unterscheidet zunächst: Die Tuberculose der serösen Häute (Perlsucht) und die gewöhnlich sogenannte Lungen-tuberculose. Letztere kann bestehen: a) in eigentlicher, miliarer, disseminirter Tuberculose und b) in käsiger Lungenentzündung, welche im späteren Verlaufe mit seeundärer Tuberculose sich zu verbinden pflegt. Diese verschiedenen Zustände bei der Section zu unterscheiden, liegt nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im praktischen Interesse, indem die Aetiologie, so wie auch die Prophylaxis (Vor­beuge) hierdurch gefördert werden kann. Deshalb sollen die wesent-
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520nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Scctionsbcfund bei Perlsucht und bei Lungentubemilosc,
lichsten Sectioasdata dieser verschiedeneu Zustände hier kurz ange­geben werden.
Bei ursprünglicher Perlsueht des Rindviehs Hndet man an den serösen Häuten der Brust- und Bauchhöhle kleinere oder grössere, theils gestielte, tlieils mit breiter Basis aufsitzende Knoten, welche in der Brusthöhle vorzugsweise am Rippenfelle, in der Bauchhöhle am serösen Ueberzuge der Bauchwandungen und am Netze, sodann am Herz­beutel, an der Serosa des Zwerchfelles, der Lungen, des Herzmus­kels und verschiedener Baucheingewoide, und nur ausnahmsweise auch an der weichen Hirnhaut angetroffen worden. Diese Knoten können in sehr verschiedener Anzahl und Grosse auftreten; zuweilen sind die Wandungen der Brust- oder Bauchhöhle, so wie die Oberfläche der in denselben gelagerten Eingeweide mehr oder weniger vollkommen von Perlknoten bedeckt, deren Grosso zwischen einem Hirsenkorne und einer Mannsfaust wechseln kann. Letztere sind stets aus einer verschieden grossen Anzahl miliarer Knötchen zusammengesetzt, welche zunächst kleinere Conglomerate bilden, die später mit einander ver­schmelzen. In Folge dessen zeigen alle grössoren Perlknoten eine höckerige Oberfläche und eine durchfurchte Schnittfläche. Diese Neu­bildungen besitzen eine grosso Neigung zu verkalken, so dass sie in fortgeschrittenen Stadien ihrer Entwicklung fast steinharte Massen bilden. Ausserdem finden sich bei Perlsucht häufig Verwachsungen zwischen den Brust- und Baucheingeweiden mit der Nachbarschaft; sodann fadenförmige oder bandförmige Bindegewebswucherungen, oder Verdickungen verschiedener Abschnitte der Serosa der Brust- oder Bauchhöhle, in welche mehr oder weniger reichlich Knötchen einge­lagert sind. Die ursprüngliche Perlsucht ist vielleicht diejenige Form der Schwindsucht des Rindviehs, welche am häufigsten durch Ver­erbung von den Eltern auf die Nachkommenschaft übergeht, aber wahrscheinlich (in ihrer reinen Form) weniger leicht auf dem Wege der Ansteckung sich weiter verbreitet.
Die eigentliche Lungentubcrculose ist zunächst mit der Ent­wicklung zahlreicher kleiner Knötchen Von Stecknadelkopfgrösse ver­bunden, welche überall im gesunden Lungengewebo zerstreut ange-troflen werden. Die von ihnen durchsetzten Lungenläppchen bleiben lange lufthaltig und funetionsfähig. In der Nähe der Lungenober­fläche gelegene Miliartuberkel können ohne weiteres von aussen ge­sehen und gefühlt werden; die tiefer gelegenen gewahrt man, wenn man die Lungen an verschiedenen Stellen tief einschneidet; sie treten dann auf den Schnittflächen deutlich hervor. Die vereinzelt sitzenden
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Seotlonsbefund bei Lungentuberoalose mid bei käsiger l'neumouie. 521
Knötchen sind in der Regel jüngeren Datums, nicht so grauweisslich und durchscheinend wie die Miliartuberkel anderer Thiere und des Menschen, sondern gelblichweiss, fester und weniger durchscheinend. In der Regel liegen die Knötchen nicht im Mittelpunkte, sondern an der Peripherie der betreffenden Lungenläppchen und sind dadurch leicht von den durchschnittenen mehr central gelegenen kleinen Bronchio-len zu unterscheiden. An verschiedenen Stellen sind zahlreiche Miliar­tuberkel zu unregelmassigen Knoten zusammengelagert, deren Ober­fläche meist noch deutlich ihren Ursprung erkennen lässt. Im Centrum dieser Knoten bildet sich eine undurchsichtige gelbe Masse, in welche sich Kalksalze einlagern. Wenn nun in einem Lungenläppchen eine grössere Anzahl von Tuberkelknoten sich gebildet haben, erst dann treten Erscheinungen vonOodem, Brouchialcatarrh und käsiger Lungen­entzündung hinzu. Alsdann findet man das umgebende Lungenge­webe nicht mehr rosaroth und lufthaltig, sondern stark durchfeuchtet, bläulichroth oder grauroth und fester. — Nur selten wird die Bronchial-schleimhaut von tuberculöser Affection frei angetroffen. Meist findet man in den Bronchien mittlerer Grosse, in geringerer Anzahl auch in den grösseren Luftröhrenästen in der etwas geschwellten Schleim­haut stecknadelkopfgrosse Knötchen, welche selten vereinzelt vor­kommen, sondern reihenfürmig geordnet den Schleimhautfalten entlang zu sitzen pflegen. Durch die stets sehr auffallende Injectionsröthe ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sind sie leicht wahrnehmbar. Auf dem serösen Ueberzuge oberflächlich gelegener stark verkäster Lungen­läppchen zeigen sich gewöhnlich gefässreiche Bindegowebszotten, in welchen sich tuberculöse Neubildungen etabliren, die später zu mehr oder weniger umfangreichen Porlknoten heramvachsen können. Ferner findet man nicht selten tuberculöse Geschwüre auf der Schleimhaut der Bronchien (besonders an den Theilungsstellen dieser) und der Luftröhre (bis in den Kehlkopf hinauf zerstreut), deren Rand zackig und blutreich, ihr Grund vertieft und mit kleinen Käsepfröpfchen be­setzt ist. Die Bronchialschleimhaut ist geschwellt und zellig infiltrirt und in Folge des chronischen Catarrhs derselben mit mehr oder weniger zähem Schleime bedeckt. — Bei dieser Form der Schwindsucht dürfte neben der Vererbung auch die Ansteckung eine Rolle spielen und bei der folgenden Form ausserdom auch noch die spontane Entwicklung in Betracht kommen.
Der käsigen Rneumonie liegt nach Bruckmüller (und Siedam-grotzky) ursprünglich ein Brouchialcatarrh zu Grunde, welcher sich bis auf die Lungcnbläsehen ausgedehnt hat, die weiteren Veränderungen
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522nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Seotionsbefund bei kCLsigei' Pneninonle.
bestehen in der käsigen Entartung der in den Bronchien und Lungen­bläschen angehäuften Entzlindungsproducte, sowie in der übermässigen Wucherung des interstitiellen Bindegewebes, wolchc selbst auf das Lungengowebe übergreift. Indem die kleinen , Bronchiolen durch Schleimpfröpfe geschlossen werden, fallen die von ihnen abhängigen Lungenläppehen zusammen ; dieselben erscheinen in diesem Stadium selbst am Cadaver stärker geröthet und eingesunken, sind weich und knistern beim Durchschnitte nicht; ihre Schnittfläche erscheint glatt und feucht. Das Gewebe der betreffenden Lungenläppehen ist mit Serum, die kleinen Bronchiolen sind mit zähem Schleim erfüllt. Da die mit käsiger Pneumonie behafteten Thiere meist erst zur Section kommen, nachdem die erkrankten Lungonläppclien grösstenthoils be­reits in eine käsige Masse umgewandelt worden sind, so ist der vorhin geschilderte Zustand nur an Läppchen zu finden, welche erst frisch erkrankt sind. Gewöhnlich pflegen die vorderen Lungenläppehen sich am längsten gesund zu erhalten. Der Prozess ist stets ein lobulärer, kriecht aber allinählich von dein einen Läppchen auf die benachbarten über. Wenn so ein grosses zusammenhängendes Lungenstlick erkrankt ist, bieten die einzelnen Läppchen stets verschiedene Stadien der Er­krankung. Ateloctase und Üedein sind stets die ersten Veränderungen, welche in den afficirten Lungenläppchen auftreten. Später kommt es zur Verkäsung des in den Bronchien und in den Luftzellen (Alveolen) vorhandenen Schleimes, so wie des Lungengewebes, oder die Lungen­läppehen werden in Folge einer Peribronchitis, welche sich auf das interalveoläre Lungengewebo fortsetzt, in eine feste, fleischige Masse umgewandelt (hepatisirt); zuweilen kommt es zu auffallenderen Er­weiterungen der Bronchien (Bronchioctasicn). Das hepatisirte Lungen­gewebe ist häufig mit Kalksalzen mehr oder weniger reichlich durch­setzt; in Folge dessen sind manchmal grössere Lungenahschnitte in eine steinharte Masse verwandelt (steinige Hepatisation Virchow's). Vor der Einlagerung von Kalksalzen erscheint das hepatisirte Lungen­gewebe polsterartig weich; auf der Schnittfläche desselben ist von einer eigentlichen Struetur wenig oder gar nichts mehr zu erkennen. In der Regel bemerkt man kleinere gelbliche, grade oder gewundene Streifchen mit gelbem Centrum und weiss gelblichem Rande. Es sind dies käsige Herde, die sich später vergrössern und verkalken. Mit fortschreitender Verkalkung nimmt die Consistenz der betroffenen Partien in entsprechendem Maasse zu, so dass diese dem Messer immer mehr Widerstand entgegensetzen und beim Durchschneiden knirschen. — Wie die geschilderten Zustände in den Lungen zu Stande kommen,
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Sectionsbefuiid bei ubdomiimler Scliwindsiiclit. Incubiitionsdiiuer; Tliorapie. 523
kann liier nicht ausführlicher besprochen worden. Ich vorweise dieser-halb auf die schönen Arbeiten von Schütz (Archiv für Thierheilkundo, Berlin 187(3, S. 85 u. folg.) und von Hiedaragrotzky (I. c. S. 409 u. f.).
Bei der abdominalen Form der Schwindsucht des Rindviehs findet man aussei- mehr oder weniger zahlreichen Perlknoten an verschie­denen Abschnitten der Bauchhaut auch tuberculöse Prozesse neueren und älteren Datums in dem einen oder anderen, oder in mehreren Baucheingewciden, z. B. in Leber, Milz, Nieren, Eierstöcken, Ei­leitern u. s. w.; auch finden sich zuweilen tuberculöse Danngeschwüre. Tuberculöse des Euters ist bei Milchkühen nicht selten. Selbst in den Knochen und in den verschiedensten anderen Körpergeweben können tuberculöse Prozesse angetroiTen werden; constant sind solche in den Lymphdrüsen vorhanden, welche mit den erkrankten Körper-theilen in Correspondenz stehen. Die Affection der Lymphdrüsen ist in den ersten Krankheitsstadien nicht selten auffallender, als die Affection irgend eines anderen Körperthoiles.
Ueber die Dauer der Incubation des Tuberculosegiftes ist bis jetzt noch wenig Zuverlässiges bekannt. Tappeinor gibt an, dass die­selbe bei Hunden nach Inhalation des Tuberkelgiftes 19 bis 23 Tage betrage (Virchow's Archiv, Bd. 81, Heft 1 u. 2) und Klebs fand be­reits 3 Wochen nach Injection tuberculöscr Massen vom Menschen in die Bauchhöhle eines Kalbes bei diesem, über das grosse Netz und einen Theil des Magens zerstreut, in grosser Anzahl gestielte, innen verkalkte Gebilde, welche histologisch alle Merkmale der Perlknoten besassen. Ausserdem fanden sich miliare Knötchen in den Lymph­drüsen und Mesenterien, vereinzelt auch in der Leber und Milz. (Virchow's Archiv, Bd. 49, S. 292.)
Die Männer der Praxis, Thierärzte und Thierbesitzor können durch sorgfältiges Sammeln brauchbaren statistischen Materials der wissenschaftlichen Forschung grosse Dienste leisten. Geschieht dies in ausgiebigerer Weise als seither, so wird dadurch in verhältniss-mässig kurzer Zeit manches dunkle Gebiet der Aetiologie der Krank­heiten unserer Hausthiere (und selbst des Menschen) aufgehellt werden können. Sie werden dadurch weit mehr Nutzen stiften, als durch Suchen nach spezifischen Heilmitteln für diese oder jene Krankheit.
Die Behandlung der Schwindsucht des Rindviehs hat keine günstigen Erfolge aufzuweisen, weshalb von einer solchen gänzlich abzusehen ist. Nach wie vor bleibt es am rathsamsten, die Patienten möglichst frühzeitig zu schlachten.
Die Frage, ob und wann der Fleischgenuss von schwindsüchtigem
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524 Uas Reisoh schwindsüchtiger Thiere als Nnlinmgsniittol des Menschen.
Rindvieh statthaft oder unzulässig erscheint, hat bis jetzt noch keinen definitiven Abschluss gefunden. So weit die seitherigen Versuchs­resultate und sonstigen Erfahrungen zu Schlüssen berechtigen, scheint der Genuss des Fleisches von tuberculösen Thieren, welche noch in gutem Ernährungszustände sich befinden, unbedenklich zu sein, sofern alle erkrankten Thcilo sorgfältig entfernt werden. Dagegen wird der Genuss des Fleisches von bereits abgezehrten (schwindsüchtigen) Thieren für nachtheilig gehalten. (Gcrlach.)
Den jüdischen Gelehrten waren seit alter 'Zeit Verhärtungen und Knoten in den Lungen des Schlachtviehs, besonders der Rinder, sein- wohl bekannt und es war durch religiösen Brauch eine genaue, selbst sompulöse Untersuchung der­selben vorgeschrieben, um zu entscheiden, ob das Fleisch der Thiere geuicssbar sei, oder nicht. Der etwa um das Jahr 500 n. Chr. redigirtc „Talmud (Tract. Chulin)quot;, so wie die späteren Conmienture desselben, endlich das zum practischen Gebrauche im Jahre ISöti verfasste „Schulchan Aruchquot; enthalten die näheren Vorschriften, welche nach Dr. Steinschneider im Wesentlichen l'olgcndcrmassen lauten :
Die Mischna (Text des Talmud). Tractat C'hulin, redigirt gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts n. Chr., enthält nichts, als die kurze Regel : wenn ein Organ (die Lunge, die Luftröhre, der Magen, das Herz u. s. w.) durchlöchert ist, oder einen Defect hat, so ist der Genuss tics Thierea unerlaubt.
Die Gcmara, redigirt um das Jahr 500 n. Chr., welche die Mischna erläu­tert, erwähnt in Betreff dessen, was uns hier interessh't (Fol. 47 u, 48) die Ver­stopfung und die Gewächse der Lungen, auch die Verwachsungen der Lungen mit der ßrustwand. Die Verstopfung kann Kitcr enthalten : wenn trotzdem keine Perforation oder kein Defect vorhanden , ist der Genuss erlaubt. Audi die Ge­wächse können mit Eiter erfüllt sein, dann unerlaubt; oder mit Wasser, erlaubt. (Die mit Wasser erfüllten Tumoren sind mit grösster Wahrscheinlichkeit auf die Blasenwurmeystcn, hauptsächlich die Echinokokken, zu beziehen.) Endlich werden unter den Gewächsen erwähnt: „Kandi und Tinarlquot;; die Bedeutung dieser Worte ist nicht vollkommen sicher gestellt. Wahrscheinlich bedeuten sie Geschwülste (Perlknoten und andere Tumoren), während „Verstopfungquot; gleichbedeutend ist mit unserem Ausdrucke „llepatisation1'.
Maimonides (1135—1204), Leibarzt des Sultans von Aegypten und Ober­haupt der jüdischen Gemeinde, lehrt (Regeln des Schlachtens Cap. 7) folgendes: Wenn in der Lunge sich Beulen oder Blasen finden, die gefüllt sind mit Luft oder mit reinem Wasser, oder mit einer Flüssigkeit, die sich wie Honig zieht, oder'mit einer Materie, die trocken ist oder selbst steinhart, so ist der Genuss des Thieres erlaubt. 1st aber darin eine stinkende Materie oder eine trübe, stinkende Flüssigkeit, dann nicht erlaubt. Defecte und perforirende Löcher machen den Genuss unter allen Umständen unerlaubt.
Das im Jahre lööli von Joseph Caro verfasste „Schulchan Aruchquot;, welches die jetzt noch geltenden practischen Schlachtregeln zusainmenfasst, enthält fast wörtlich die Angaben des Maimonides (Waidenburg 1. c, 8. 25 u. 2ö).
Im 17. Jahrhundert wurde die Perlsucht des Rindes mit der Syphilis lies
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Das Fleisch tubei'culöscr Thierc als Nahrungsmittel des Menschen. 525
Menschen identificirt und nicht mu' (lei'Gennss des Fleisches vielfach durch Ver­ordnungen verboten, sondern auch die Haute perlsüehtiger Thiere, nebst den zum Schluchten 'dieser benutzten Instrumenten, dem Abdecher zur Vernichtung über­geben. Gegen das Ende des 18. Jahrhunderts wurde der üenuss des Fleisches perlsüchtigen Rindviehs fast allgemein wieder gestattet und erst während laquo;ler letzt verflossenen Deeennien dieses Jahrhunderts haben sich neuerdings zahlreiche Vertreter für die Meinung gefunden, dass der Genuss fraglichen Fleisches ver­boten, mindestens aber beschränkt werden müsse.
Seit ViUemm'a bekannten Vorsuchen (1805), die Tuboreulose des Menschen durch Impfung auf Kaninchen und Meerschweinchen zu übertragen, sind eine grosso Reihe von ähnlichen Experimenten beim Rinde und bei anderen Thiercn angestellt worden, die zu sehr verschie­denen, vielfach widersprechenden Resultaten geführt haben. Ebenso sind auch die aus den Versuchsorgebnissen gezogeneu Folgerungen, auf deren Urtheil der praotisohe Fleischbeschaner sich eventuell stützen kann, verschieden ausgefallen. So entschied die Mehrheit des deutschen Veterinärrathos in seiner Sitzung vom 24. April 1875, „dass die bis­herigen Versuchsresultate nicht ausreichend seien, den Genuss von Fleisch und Milch perlsüehtiger Rinder als schädlich für den Menschen zu erklären und den Verkauf desselben zu verbieten.quot; Dementgegen erklärte die deutsche Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege in ihrer Sitzung vom 14. Juni 1875, „dass die Resultate der Impf- und Fiittemngsversuehe init Fleisch und Milch von tuborculösen Thieren die Annahme einer Infeetionsgefahr für den Menschen rechtfertigen und die höchste Beachtung verdienen.quot; Dieser Ansicht schliesse auch ich mich an, obgleich ich auf Grund der Resultate fremder und ei­gener Untersuchungen die Frage nach der Schädlichkeit des Fleisches und der Milch tuberculöscr Rinder noch keineswegs als definitiv ge­löst betrachte. Ich bin indoss der Meinung, dass das Fleisch kranker Thiere, wenn dessen Unschädlichkeit nicht unbedingt erwiesen ist, vomConsum für den Menschen ausgeschlossen werden müsse. Fleisch von perlsüchtigen Thieren, namentlich mit starker Lymphdriisen-affeotion und im Stadium der Abzehrung, darf deshalb zum Genüsse für den Menschen nicht zugelassen werden, so lange die vorliegenden Bedenken nicht thatsächlich bündig widerlegt sind. Zahlreiche Fütte­rungsversuche haben ergeben, dass die rohe Milch schwindsüchtiger Kühe wahrscheinlich infectiös zu wirken vermag; hierfür, so wie für dielnfectiositätdes rohen Fleischsaftes schwindsüchtiger Kühe sprechen auch die Versuche von Pcuch und Toussaint (Archives veterinaires 1880, S. 010 bis (314), da die Verfiitterung der rohen Milch einer
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526 D'e Mild' schwindsiichtigor Tliiere nls Niiliningsmittol d. 11. Diphtherie.
schwindsüchtigen Kuh, so wie die Einimpfung des nach dem Tode ausgepressten Fleischsaftes bei den Versuchsthieren Tuberculoso zui' Folge hatte.
Gefährlicher als das Fleisch soll die Milch solcher Thiere sein, besonders wenn dieselbe im angekochten Zustande genossen wird. Durch weitere Versuche wird hoffentlich bald sicher festgestellt werden können, ob und in wiefern diese Ansicht richtig ist. Da solches mög­licherweise der Fall sein kann, so gebietet die Vorsicht, entweder gar keine Milch tuborculöser Kühe, oder doch nicht im rohen Zu­stande, sondern stets nur gekocht zu geniessen. Vordünnt durch die Milcli einer grösseren Anzahl gesunder Thiere, wird sie natürlich weniger leicht schädlich wirken, als im unverdünnten Zustande.
Bei unseren übrigen Hausthieren spielt die Schwindsucht eine weniger bedeutende Kolle. In manchen Gegenden trifft man dieselbe beim Schweine ziemlich häufig, so z. B. in der Umgegend von Halle, wo sie (meist als Lnngentuberculose) bei englischen Bastarden nicht selten vorkommt, • wie dies Roloff (Scrophulose und Tuherculose bei Schweinen) bereits 1875 mitgetheilt hat. Sämmtliche Hausthierc, mit Einschluss des Geflügels, können an Tuherculose erkranken; mir die Pferdegattung scheint eine sehr geringe oder gar keine Empfänglich­keit für dieselbe zu besitzen.
19. Die Diphtherie oder Diphtheritis
ist ein Krankheitsprozess, dessen Wesen wir bis heute noch nicht genau kennen. Derselbe kommt am häufigsten auf Schleimhäuten vor, besonders auf der Sehleimhaut der Rachenhöhle und ist in dieser Form unter dem Namen der bösartigen Rachenbräune eine allgemein gefürchteto Krankheit. Die Diphtheritis der Rachenhöhlen- und Kehl­kopf-Sehleimhaut des Menschen hat nicht selten in seuchenartiger Verbreitung ganze Länder durchwandert, wobei sie im Allgemeinen die Bewohner der Städte verhältnissmässig mehr heimsuchte, als die Landbevölkerung. Es gibt gewisse Orte und Localitäten, an welchen sie Jahr aus, Jalir ein vorkommt, gewissermassen stationär ist, wäh­rend sie an anderen Orten selten oder nie in grösserer Ausbreitung auftritt. Zuweilen befällt in Dörfern und auf einzelnen Besitzungen die Diphtheritis verhältnissmässig viele Individuen, um dann auf Jahre wieder zu verschwinden. Die Frage nach der Aetiologie der Diph­theritis und ihrer Beziehungen zum Group ist noch nicht entschieden.
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Uebor die Natur dos sogonnimtei) Dipbtberlepilzes.
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Dio Lehro von der Spczifieitüt eines besonderen Diphtheriepilzes (Microeocciis diphtheriticus) schien zunächst durch Impfungen auf die durchsichtige Hornhaut des Auges eine festere Stütze zu erhalten. Da man aber später fand, dass diese Impfangen mit Diphtheritispilzen nicht immer eine Aligeraeinlnfection nach sich zogen und dass die nämlichen spiess- und sternförmigen Pilzfiguren (Fig. 67), auch dann
Fiar. 67,
Tiriclionanslclit dor durohalohUgea Hornbaut alnea Kaulnohena nach Ueborlmpfung von Diphtherie-baoterien. u Hornhautapalten, b tob einem Keinen Impbtloh ims erfolgte Erweiterung der Bornhaat-
siialten ilnrota liuctcrlon. Niicli Eherth.
entstanden, wenn man die verschiedensten Pilzmassen (ausgenommen den Inhalt der Milzbrandpusteln) zur Impfung verwendete, so ist die Entscheidung unserer Frage wieder vertagt worden. Die jThatsache, dass in grossen Städten, in welchen für die Erhaltung von Pilzkei­men etc. günstige Bedingungen unaufhörlich fortbestehen, die Diph-
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528nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lieber Loealisation und Wesen diplithentiacher Prozesse.
theritis in der Mortalitätastatistik stets iigurirt, scheint für die Pilz­natur des Krankheitserregers zu sprechen. Aus dem höheren und constanteren Feuchtigkeitsgrade der Luft iiesse es sich dann auch erklären, dass die Bevölkerung gewisser Tiefebenen, z. B. Nord-Deutschlands, weit mehr durch Diphtheritis leidet, als dies in trockenen und höher gelegenen Gegenden, wie z. B. in Mittel- und Süd-Deutsch­land der Fall ist, deren Bevölkerung nur gelegentlieh epi- oder en-zootisch an Diphtheritis erkrankt.
Ausser den iSchleimhiiuten des Rachens und des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Verzweigungen, können auch die Schleim­häute des Magens und Danncanales von diphtheritischen Prozessen befallen werden, was am häufigsten im Verlaufe der endemischen Ruhr des Menschen beobachtet wird. (Ob auch die Ruhr unserer Hausthiere zuweilen oder häufig mit Diphtheritis der Darmschleimhant combinirt ist, muss noch genauer ermittelt werden.)
Aber nicht nur Schleimhäute, sondern auch granulirende Wund­flächen können von Diphtheritis befallen werden. Diese Wunddiph-theritis, welche früher als sogenannter „Hospitalbrandquot;, besonders in schlecht ventilirten chirurgischen Spitälern, oft furchtbare Verheerungen anrichtete, ist in Folge der modernen Wundbehandlung und der besseren Einrichtung der Krankenhäuser eine seltene Krankheit ge­worden.
In der thierärztlichen Praxis hat die Diphtheritis bis jetzt keine bedeutende Rolle gespielt, weshalb wir derselben an dieser Stelle auch nur kurz zu gedenken haben.
Die Diphtheritis ist wahrscheinlich eine Infectionskrankheit, welche vielleicht durch das Eindringen gewisser niedriger Organismen in die Gewebe und in das Blut entsteht.
Die Anschauungen über das eigentliche Wesen dieser Aflfection gehen noch vielfach auseinander. Zieglcr (Pathol. Anatomie, Jena 1881, S. 594 u. folg.) bezeichnet jedes zu einer Gerinnungsmembran erstar­rende Exsudat von eiweisshaltiger Flüssigkeit (welchem farblose, mit­unter auch rothe Blutkörperchen beigemengt sind) an die Oberfläche einer vom Epithel entblössten Schleimhaut als „Groupquot;. Als „Diph­theritisquot; (und Gangrän) der Schleimhäute bezeichnet er einen Ent-zündungsprozess, bei welchem das Gewebe selbst zu einer todten Ge­rinnungsmasse erstarrt und als „Diphtheritis superficialis*, wenn die Nekrose und die Goagulation nur das Epithel betrifft. Diese kommt beim Menschen hauptsächlich im Gebiete der Rachenorgane vor, sel­tener in der Conjunctiva und in der Schleimhaut des Uro-Genital-
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Verschiedene Formen der Diplithcritis. Spezifltät des Dipktheriepllzes. 529
canales. Die Schleimhaut des Respiratiousapparates, so wie des Ma­gens und Darmcanales bietet ihrer Entstehung keine günstigen ana­tomischen Verhältnisse. Stirbt an diesen Schleimhäuten das Epithel ab, so geht es sehr bald durch Desquamation oder Auflösung ver­loren. Statt der Diphtheritis bildet sich dann eine croupöse Exsu­dation. Da nach Ziegler eine Croupmembran aus geronnenem Exsudat besteht, so hält derselbe es nicht für passend, die „superficielle Diph­theritisquot; als „Croupquot; zu bezeichnen.
Einen grösseren Verbreitungsbezirk als die superficielle Diph­theritis hat die „Diphtheritis profunda sive parenehymatosaquot;, d. h. eine Schleimhautentzündung, bei welcher auch das entzündlich infiltrirte Schleimhautbindegewebe zu einer todten Masse erstarrt. Solche ne-krotisirende Entzündungen kommen an den verschiedensten Schleim­häuten vor. Es sind überhaupt infoctiöse Entzündungen, bei denen dieser Ausgang beobachtet wird. Dementsprechend lassen sich in den erkrankten Theilen nicht selten Spaltpilze nachweisen. — Mit der Bildung des nekrotischen Schorfes ist selbstverständlich das Ende der Entzündung nicht erreicht. Es wirkt der nekrotische Herd selbst wieder entzündungserregend. Nicht selten behält der Prozess längere Zeit seinen destruirenden Character und greift in Folge dessen er­heblich in die Tiefe. — (So weit nach Ziegler.)
Die Anhänger der Lehre von der Spezificität des Diphtheritis-pilzes und seiner krankheitserregenden Wirkung schildern letztere folgendermassen:
Dieser Pilz dringt von der Oberfläche der Schleimhaut oder Wunde tiefer in die Gewebe ein, welche er zerstört (mortificirt). Zunächst tritt an der betreffenden Stelle ein weisser Fleck auf, der sich etwas (1—2 Mm.) über das Niveau der Schleimhaut (oder Wund-fläche) erhebt. Ein solcher oberflächlich sitzender Pilzrasen liisst sich noch leicht ablösen, während mit dem tieferen Eindringen der Mikrokokkcn und der ihnen folgenden Zerstörung die Pseudomem-branen fester haften. Später jedoch werden dieselben losgestossen und so entstehen dann die sogenannten „diphtheritischen Geschwürequot;.
Die Krankheit beginnt sehr häufig als ein scheinbar unschuldiger Rachencatarrh. In manchen Fallen ist zwar einige Tage vor dem Ausbruche des Schleimhautleidens das Allgemeinbefinden gestört, wo­bei neben Abgeschlagenheit eine Abnahme der Fresslust sich be­merkbar macht.
Bei Schleimhautdiphtheritis bildet sich stets eine Membran, welche zunächst als oberflächliche Auflagerung erscheint, bald aber tiefer in
Pütz, Lelllbuoh ilor anstockenden Thlcvkvankheltcii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;34
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530 Prognose unit Behandlung der Raclioiuliphtherie des Menschen.
das Gewebe der betreffenden Sclileiinhaut eindringt und dieses zerstört. Am Gaumensegel treten in der Regel zunächst inselartig weisse Flecke auf, welche sich weiter ausbreiten und so hautartig werden. Eine solche Membran besteht zum grossen Theilo aus Mikrokokken, welche im Vereine mit weissen Blutkörperchen und Fibrinfaden ein Filzwerk bilden. Pflanzt man eine Diphtheritis-Merabran in eine frische Muskel­wunde dos Kaninchens ein, so entsteht eine heftige hämorrhagische Muskelentzündung, welche fast ansnahmslos in 20 bis 40 Stunden tödtlich endet.
Die Prognose ist immer zweifelhaft. Beim Menschen folgen selbst auf scheinbare Genesung manchmal Lähmungen, die allerdings nach kürzerer oder längerer Dauer wieder verschwinden.
Die Behandlung vermag nur dann etwas zu leisten, wenn kräftig wirkende Desinficientien direct auf die kranke Stelle applioirt werden können. Touchiren mit Höllenstein, Bepinseln mit Carbol-säure u. s. w. sind die am meisten gebräuchlichen, aber keineswegs sicher wirkenden Mittel.
Es fragt sich nun, ob eine der Diphtheritis des Menschen wesentlich gleiche Krankheit auch bei Thieren vorkommt? Die Frage muss in sofern bejaht werden, als wenigstens eine erfolgreiche Ucber-impfung sehr häulig stattgefunden hat. Auch sind die pathologisch­anatomischen Befunde bei gewissen Krankheitszuständeu unserer Hans-thiero den Befunden bei Croup und Diphtheritis des Menschen sehr ähnlich vielleicht sogar vollkommen gleich. Bevor wir diese Krank-heitszustünde hier besprechen, wollen wir den anatomischen Character von Croup und Diphtherie noch etwas näher skizziren.
Im Allgemeinen bezeichnet man eine Schleimhautentzündung als Diphtheritis, wenn dieselbe zur Bildung einer mehr oder weniger dicken, zähen und ziemlich derben elastischen Auflagerung führt. Diese bildet entweder eine zusammenhängende Membran, welche eine grössere Strecke der betreffenden Schleimhaut ohne Unterbrechung deckt, oder sie tritt in Gestalt zerstreuter, kleinerer oder grösserer inselartiger Plaques auf, die aber im späteren Verlaufe der Krank­heit confluiren und dann ebenfalls grössere zusammenhängende Mem­brane bilden können. Lassen sich in Rede stehende Aut'lagernngen von der Schleimhaut leicht ablösen, so nennt man den Zustand „Croupquot;; kann die Trennung nur mehr gewaltsam und mit Zerreissung von resistenteren Gewebselementen, die bis in die Schleimlederhaut hinein­reichen, geschehen, so bezeichnet man den Zustand als „Diphtheritisquot;. Trotz der angegebenen Uebereinstimmung zwischen gewissen Menschen-
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Der Diphtherie dos Menselicn ähnliche Krankheitszustiinde der Tlüere, 531
und Thierkrankheiten ist bis jetzt noch keine auf natürlichem Wege entstandene Krankheit bei unseren Hausthieren beobachtet worden welche ohne Bedenken mit der Diphtheritis des Menschen vollkommen identificiit weiden kann.
Verschiedene Autoren haben die brandige Kopfkrankheit des Pferdes und Rindes für einen diphtheritischen Krankheitsprozoss erklärt. Zuweilen sind auch Auflagerungen und Zerstörungen bei jener ange­troffen worden, welche den betreffenden diphtheritischen Zustünden sehr ähnlich, aber schwerlich wesentlich gleich sind. Die regelmässigen Befunde der Kopfkrankheit berechtigen uns nicht, dieses Leiden schlecht­weg mit Diphtheritis zu identificiren. Es wäre aber möglich, dass unter dein allgemeinen Namen der Kopfkrankheit verschiedene patho­logische Prozesse und Zustände zusammengefasst sind, deren nähere Erkennung und Trennung der Zukunft vorbehalten ist. Das Krank­heitsbild, welches uns Zürn (Schmarotzer Bd. II. S. 337 u. folg.) und Andere von der Kopfkrankheit, resp. dem brandigen Kopfcatarrh des Pferdes und Kindes (Anacker Pathol. und Therapie S. 41 u. folg.) entworfen haben, hat nach meiner Meinung nur zuweilen Aehnlich-keit mit dem eigentlichen Bilde der wahren Rachendiphtheritis des Menschen. Anacker scheint geneigt zu sein, jene Krankheit der Einwanderung von Fäulnissstoffen in den Organismus zuzuschreiben.
Im dritten Jahrgange der Zeitschrift für Thiermedicin (1877, S, 1—27) hat nun Dammann unter dem Titel „Die Diphtherie der Kälber, eine neuA, auf den Menschen übertragbare Zoonosequot; eine Krankheit beschrieben, welche er auf einem Gute an der Ostsee (in Poiumern) beobachtete und für veritable Diphtheritis hält. Aber auch in diesem Falle stimmen nicht alle Verhältnisse derart überein, dass jeder Zweifel an der Identität fragflchcr Krankheit mit wirklicher Diphtheritis des Menschen ausgeschlossen wäre. Immerhin ist dieser Fall interessant genug, um die wesentlichsten Merkmale fraglicher Kälbererkrankung hier kurz anzuführen, um so mehr, als auch Völlers (in Adam's Wochenschrift 1879, S. 432) die Diphtherie bei Kälbern beschrieben hat. Ich folge hier Dammanns Darstellung.
Die Diphtherie der Kälber ist eine gefährliche Krankheit, welche zunächst local und zwar in der Maulhöhle beginnt, von hier aus in die Nasenhöhle, in den Kohlkopf und weiter bis in das Lungen-parenehym vordringt, auch auf die Darmschleimhaut und auf die äussere Haut des Klauenspaites übergehen kann.
In der Maulhöhle ist es vorzugsweise die Schleimhaut der Backen, des harten Gaumens und der Zunge, welche in erster Linie befallen
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532nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Damnuum's Diphtlieritis der Kälber.
wird. Zunächst macht sich eine reichlichere Secretion der Maul­schleimhaut und erst später eine Anschwellung der einen oder anderen Backe bemerkbar. Die Geschwulst erreicht einen so bedeutenden Umfang, dass sie aussen rundlich hervorspringt; sie ist hart und schmerzhaft. In der Maulhöhle sieht man mehr oder weniger aus­gebreitete, gelbe oder gelbgraue Einlagerungen in die Schleimhaut der genannten Theile, welche das Niveau dieser in verschiedenem Grade überragen. Bei umfangreichen Einlagerungen in die Zunge erscheint auch dieses Organ geschwollen. Die Nahrungsaufnahme ist selbstverständlich erschwert, so dass, wenn die Kälber schon ange­fangen hatten, Heu oder sonstige feste Nahrungsmittel zu sieh zu nehmen, dies wieder ganz eingestellt wird.
Aber auch die Sauflust der Saugkälber ist vermindert, was ich, zum Theil ebenfalls auf Rechnung der erschwerten Aufnahme setzen möchte. Dammann glaubt das Nachlassen in der Aufnahme von Milch zum Theil sicherlich- i\ Conto des Fiebers setzen zu dürfen. Nach seinen eigenen Messungen hat aber selbst die Abendteraperatur 40,2 0 C, also eine Höhe, die beim Kalbe nicht weit über die normalen Schwankungen hinausroieht, nie überschritten. Für das Vorhanden­gewesensein eines irgendwie bnträchtlichen Fiebers fehlen somit die klinischen Befunde. Dammann fährt dann später folgendermassen fort:
Im weiteren Verlaufe bessert sich wohl zeitweise die Neigung, aber nicht die Fähigkeit zur Aufnahme flüssiger Nahrung. Das Saufen ist erschwert, geschieht sehr langsam und wenig ergiebig wegen der Schmerzen im Maule und der tiefen Erkrankung der bei diesem Acte vorzugsweise betbeiligten Muskulatur. In Folge der verringerten Nahrungsaufnahme und des Fiebers magern die Thiere ab.
Aus der Nase fliesst ein gelbes, oder gelb-grünliches Seeret, das die Ränder der Nasenöffnungen verschmiert. Zuweilen ist der Ein­gang in die Nasenhöhle durch diphtheritische Massen, die vom Gau­men her durchgebrochen sind und der Schleimhaut des Nasenloches fest anhaften.
Hat die Krankheit auch den Kehlkopf und die Lungen mit er­griffen, so ist Husten vorhanden, dessen Intensität sich nach der Beschaffenheit der eben erwähnten Localaff'ection richtet.
Bei Diphthcritis der Darmschloimhaut stellt sich anhaltender Durchfall ein. — Ueber die Häufigkeit des Vorkommens der diph-theritischen Affection der Haut und der unter ihr gelegenen Gewebe im Klauenspalte, sowie über die klinischen Befunde fehlen bis jetzt nähere An^'aben.
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Dammann's Diphtlieritis der Kälber.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 533
Die Dauer der Krankheit soll nur wenige Tage betragen können, indem die Patienten bereits nach 4—5 Tagen eingehen, oder sie soll auf ungefähr 3 quot;Wochen sich erstrecken, wo dann der Tod in Folge einer Lungen- und Brustfell-Entzündung einzutreten pflegt. Dieser Ausgang kann aber auch in Folge von ausgebreiteter Darmdiphthcritis und der hierdurch herbeigeführten Entkräftung bedingt werden.
In den verhältnissmässig wenigen Fällen, in welchen Genesung eintritt, vergehen bei schweren Affectionen bis zur vollen Genesung mehr als 5 Wochen.
Eei einem von Dammann secirten Kalbe fanden sieh im Wesent­lichen folgende Erscheinungen: Aus den durchschnittenen Gefässen der Haut und des subeutanen Bindegewebes floss während des Ab-häutens viel flüssiges hellrothes Blut. Der Magen enthielt in seinen 4 Abtheilungen eine weissgelbe Flüssigkeit in reichlicher Menge, ausserdem eine geringere Anzahl Heu- und Strohhalme und im vierten Magen fand sich ein Haarballen. Die Sehleimhaut war vollkommen gesund.
Der Darmcanal ist auf seiner Oberfläche stellenweise stärker injicirt, d. h. die Blutgefüsse sind stärker mit Blut gefüllt. Die Schleimhaut des Zwölffingerdarmes ist mit gelbem Schleim belegt, etwas geschwellt und in der ganzen Ausdehnung bald stärker, bald schwächer streifig und punktförmig geröthet.
Im Leerdarra wird die Röthung weniger stark und der Schleim lehmfarbig; im Hüftdarme findet sich die nämliche Röthung, bald stärker, bald schwächer; seine Schleimhaut ist stollenweise mit gelb­lichem, an anderen Stellen mit grauweissem Schleime belegt, der in den hinteren Abschnitten zäher wird. — Der ganze Dickdarm enthält geringe Mengen gelben, dickbreiigen Kothes.
Auf der Sehleimhaut des Hüftdarmes und des Dickdarmes finden sich in ungleichmässigor Vertheilung zum Theil erbsengrosse, zum Theil etwas kleinere gelbliche Stellen, welche nach Entfernung der eingelagerten Masse einen entsprechenden Substanzverlust in der Schleimhaut aufweisen. Die Flecken treten zum Theil mehr, zum Theil weniger über die Schleimhautoberfläche hervor und sind von einem Blutgefäaskranze umgeben. Besonders zahlreich finden sich dieselben im Blinddarme und im Anfange des Grimmdarmes, sowie gegen das Ende des Mastdarmes. Der übrige Theil des Grimm- und Mastdarmes ist nur schwach flockig und streifig geröthet. Die Ge-krösdrüsen sind etwas geschwellt, auf der Schnittfläche saftig, grau­gelb gefärbt.
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534nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Daramann's Diphtheritis der Kälber.
Die übrigen Baucheingeweide, einschliesslieh der Harnorgane, zeigen keine erheblichen Abnormitäten, nur dass der Ueberzug der nicht geschwellten und consistonten Milz, besonders am Rande zahl­reiche schwarze, punktförmige Blutungen aufweist.
In der Brusthölile finden sich Erscheinungen einer vorausge­gangenen Luugenbrustfellentzündung. Im rechton Brustfellsacke ist etwa ein Liter Eiter, welcher grau und flüssig ist, vorhanden und das Rippenfell so wie der seröse Ueberzug der Lungen mit einer gelb­grauen eitrig-fibrinöson Masse belegt. Lunge und Brustwand sind dadurch stellenweise verklebt, hier fester, dort lockerer. An der linken Lunge ist dies nur an einer etwa haselnussgrossen Stelle mit dem Ueberzuge der 7. Rippe der Fall. An dieser Stelle findet sich im Mittellappen der linken Lunge ein grauweisser, fester Knoten, von der Grosse einer Hasseluuss, der bis an die Oberfläche reicht. Ausserdem finden sich noch zwei ähnliche Knoten in dem nämlichen Lungenlappeu. An der rechten Lunge hat nur der grosse Hinterlappen seine Elasticität nicht oingebüsst. Die übrigen (vorderen) Lappen sind von erbseu- bis stark haselnussgrossen, grauweissen Knoten oder Herden durchsetzt, die zum Theil noch fest, zum Theil eitrig zerfallen sind. Manche derselben liegen nahe an der Lungenoberflächc, einzelne überragen diese sogar. Das dieselben umgebende Lungengewebe ist schmutzig braunroth oder schwarzroth, und durch verbreiterte Streifen grauweissen Bindegewebes in Felder getheilt. Der Herzbeutel ist verdickt und mit gelben Fibrin­massen belegt, der seröse Ueberzug des Herzmuskels mit vielen Blut-unterlaufungen von Erbsengrösse besetzt. Blutgerinnungen in beiden Herzhälften.
Auf der Schleimhaut der Luftröhre und der Nasenhöhlen finden sich eitrig fibrinöse Massen, im Kehlkopfe, auf der Zunge und am harten Gaumen verschieden grosse, gelbe Einlagerungen, welche namentlich an der Zunge einen bedeutenden Umfang erreichen. Die ganze Schleimhaut des Zungenrückens linkerseits und der angrenzenden Seitenfläche ist vom Zungenbändchen bis zum Zungengrunde zerstört.
Die mikroskopische Untersuchung dieser Einlagerungen in die Schleimhaut ergab überall zahllose glänzende Körnchen, die rundlich, aussorordentlich klein, meist nur punktförmig sind, die alle Merkmale selbstständiger organischer Gebilde, der sog. Mikrokokken an sich tragen. Aussor denselben finden sich, aber in weit geringerer Zahl, kleinste Stäbchcnbacterien in den Schlcimhauteinlagerungen vor. — An manchen Stellen liegen grössere Reihen Mikrokokken zwischen lang gestreckten, dicken Fibrinbalken u. s. w.
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Dammunn's Diplitliene der Kälber und das Nouia des Menschen. 535
Geätützt auf seine makroskopisclien und mikroskopischen Befunde hält Damraann sich berechtigt, die Krankheit als Diphtherie der Kälber zu bezeichnen. Empfänglichkeit für das Contagium derselben zeigten aussei- Kälbern und Menschen auch Lämmer. Bei Ueber-tragung desselben auf Kaninchen zeigte es die nämliche Wirksamkeit, wie das Diphthoritisgift des Menschen. Dammann selbst, sowie drei andere Personen, welche mit der Behandlung der kranken Kälber be­schäftigt gewesen waren, litten einige Tage, zum .Theil länger, an stechenden Schmerzen im Halse und an Schmerzen beim Schlingen. Diese Erscheinungen verloren sich nach fortgesetztem Gurgeln mit 50/:,iger (! ?) Carholsäure.
Dieser von Damrnann geschilderte Krankheitszustand bei Käl­bern erinnert fast mehr an das Noma (Wasserkrobs) des Menschen, als an Diphtheritis. So ist es namentlich auffallend, dass bei frag, liehen Kälbern die Schleimhaut der Backen und des harten Gaumens, ja selbst das knöcherne Gaumengewölbe zerstört wurden, während der weiche Gaumen, dor Lieblingssitz der Diphtheritis des Menschen, stets verachont geblieben zu sein scheint. Niemals greift hier der diphtheritische Prozess auf den Knochen über.
Heini Noma dos Menschen zeigt sich, wie bei der üammann'schen Kiilber-krankhoit, zuerst die Schleimhaut der Wange al'ficirt; diese erscheint dunkel ge-röthet und wird alsbald missfarbig. Der Prozess dringt in die Tiefe, indem ein harter Knoten in der Wange sieh bildet. Die betreffende Gesichtshälfte schwillt an, es tritt oft Necrose und Perforation der äusseren Haut ein. Die Necrose breitet sich aus, zerstört das Zahnlleisch, die Lippen, die Basis und den Rand der Zunge nn der leidenden Seite; die Kiefer werden entblösst und exfoliirt, die Zähne locker. Genesung ist selten und stets mit furchtbaren Entstellungen ver­bunden. Nicht selten treten metastatische Entzündungen innerer Organe auf, besonders der Lungen, meist als lobnlärc, häufig eitrige oder jauchige Infiltra­tionen, catarrhalische oder croupöse Entzündungen des Darmcanales, Lungen-gangrän oder Brand an verschiedenen Stellen der Haut, insbesondere an den Genitalien. (Niemeyer, Pathol. Berlin 1871 Bd. I. S. 482 u. folg. Bamberger, Virchow's Pathol. und Therapie Bd. VI. S. 51 U. folg.). Das Noma ist vorzugs­weise eine Krankheit des jugendlichen Alters, besonders der ersten Lebensjahre; es kommt bei Erwachsenen nur in seltenen Ansuahmelallen vor und fast aus-schlicsslich bei Typhus und Puerperalfieber, namentlich wenn Quecksilbermittel in misshriiuchlicber Weise angewendet wurden. Auch bei Kindern tritt die Krank­heit äusserst selten spontan auf, sondern meist seeundär nach verschiedenen schweren mit auffallenden Ernälirnugsstörungeu verbundenen Krankheiten. Weit­aus häufiger ist das Noma unter der ärmeren, als wohlhabenderen Bevölkerung. Niemals tritt dasselbe epidemisch auf, ist jedoch in manchen Jahrgängen und an manchen Orten, besonders nach vorausgegangenen Scharlachcpidemien häufiger, als sonst; im Ganzen ist es eine seltene Krankheit. An den nördlichen Meeres-
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536nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Geflügelseuche, eine croupös-diphtheritische Erkrankung.
kiisten, besonders in Holland kommt es verhältnissmässig häufig vor. Das Koma befällt fast immer nur eine Gesichtsluilfte; contagiös scheint dasselbe nicht zu sein.
Auch beim Geflügel kommt (unter der Collectivbezeichnung „Ge-fltigelseuchequot; mit eingeschlossen) eine croupös-diphtheritische Erkran­kung vor, die in neuerer Zeit vielfach beobachtet und beschrieben worden ist. Bei nachstehender Schilderung derselben folge ich im Wesentlichen Friedberger, der im Band V der Zeitschrift für Thicr-medicin auf Seite 161—183: „Ueber Croup und Diphtheritis beim Hausgeflügelquot; einen lehrreichen Artikel publicirt hat.
Die Localisation des Krankheitsprozesses betrifft in der Haupt­sache die Schleimhaut der Nase und ihrer Nebenhöhlen, des Augen­lidsackes oder des Augapfels, oder die Schleimhaut der Maul- und Kachenhöhle, des Kehlkopfes, der Luftröhre und ihrer Verzweigungen bis in die Luftzellen, oder die Schleimhaut des Verdauungscanales. Gewöhnlich sind bei einem erkrankten Thiore mehrere dieser Schleim­hautpartien ergriffen. Der Prozess kann auch auf die äussere Haut übergreifen, und zwar geschieht dies vorzugsweise um den Maulwinkel herum, wo es zu starken krustigen Auflagerungen kommen kann.
Gewöhnlich sind bei einem erkrankten Individuum mehrere Ab­schnitte der genannten Schleimhäute ergriffen. Die aflicirten Stellen zeigen anfangs vermehrte Köthe und geringe Schwellung; bald lagert sich ein reifartiger Ueberzug auf dieselben, der erst dünn ist, aber innerhalb der ersten 24 Stunden an Dicke merklich zunimmt und eine weisse, noch ziemlich ebene, glänzende käse- oder soorähnliche Masse von mehr zäher Consistenz bildet, die der Unterlage sehr fest anhaftet. Dieser Ueberzug erreicht eine Mächtigkeit von 1 lJ2 Mm. und mehr; derselbe verändert gern seine Farbe, wird bald schmutzig-gelb oder braun, trocken, spröde und rissig, letzteres namentlich bei freiem Zu­tritt der atmosphärischen Luft.
Die kranken Schlcimhautabschnitto sind inselartig von dieser Auf­lagerung besetzt, deren Lieblingssitz der weiche und harte Gaumen mit der Gaumenspalte, die untere Zungenfläche mit dem Zungen-band eben, die Backenwandungen, die Maulwinkel, so wie namentlich die Umgebung des oberen Kehlkopfes bildet.
Löst man diese Auflagerungen gewaltsam von ihrer Unterlage ab, so kommt ein verschieden vertiefter, unebener, wie angenagt aus­sehender, stark gerötheter oder blutender Geschwürsgrund zum Vor­schein, an dem sich verschiedene feinzottige Granulationen erkennen lassen, von welchen einzelne in die dickeren Exsudatplatten förmlich
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Die GeÜiigelscuche nach Friedberger.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;537
hineinragten und bei Abnahme dieser abgerissen wurden und so die Blutung veranlassten. Bei längerer Dauer des Leidens kommt es auch wohl zur spontanen Ablösung der Exsudatmassen, wo dann eine vollkommen intact aussehende Schleimhautfläche zu Tage treten kann.
Je nachdem der Prozess sich mehr oder weniger über die Respirationsschleimhaut ausbreitet, sind die Erscheinungen etwas ver­schieden. Sind nur die Luftwege des Kopfes ergriffen, so erseheinen die Nasenöffnungen zunächst serös befeuchtet. Durch Druck auf die knorpelige Nasenschuppe lässt sich eine seröse, schleimige, wolkig getrübte, später eine der geronnenen Milch sehr ähnliche Flüssigkeit auspressen.
Die Umgebung der Nasenöffnungen ist mit eingetrockneten Ent-zündungsproducton belegt und die Nasengänge mit solchen zum Theil verstopft. Das Athmen ist angestrengt, schnaufend und öfter stellt sich Niesen ein. In der Gaumenspalte sind häufig dergleichen Ent-zündungsproducte angesammelt und sehr oft auch in der Höhle unter­halb des Auges; hier öfter einseitig als beiderseitig. Die hierdurch bedingte Auftreibung der betreffenden Stelle ist anfangs weniger be­merkbar, tritt aber allmählich immer deutlicher hervor; sie breitet sich namentlich Unter dem Augapfel nach hinten zu aus und kann schliess-lich den Umfang einer halben Baumnuss erreichen. Gleichzeitig er­krankt der betreffende Schenkel das harten Gaumens, der oft ums Doppelte und mehr sich verbreitert, und gegen die Schnabelhöhlo stark hervorgedrängt wird.
Die Exsudatmassen sind in der Regel fest an einander gebacken und der auskleidenden Membran innig anhaftend; nach ihrer gewalt­samen Entfernung zeigt die Schleimhaut auch hier die früher ange­gebene Beschaffenheit. Der in Rede stehende Hohlraum wird durch die nicht selten enormen Anhäufungen der Exsudatmassen entsprechend ausgeweitet und erreicht zuweilen einen Durchmesser von 2 —3 Cm. und sogar noch mehr. In Folge des abnormen Druckes kommen De­formitäten des Kopfes in verschiedenem Grade zu Stande, die unter Umständen die Futteraufnahme bedeutend erschweren.
Worden der Kehlkopf und die tiefer gelegenen Partien der Eespirationsschleimhaut mit ergriffen, so wird das Athmen angestrengter. Die Thiere öffnen den Schnabel, es werden pfeifende und schwirrende Geräusche oder feuchte Rasselgeräusche hörbar; es wird ein zäher, schaumiger Schleim ausgehustet, der die Patienten zum Theil be­sudelt und einen süaslich faden Geruch verbreitet.
Gewöhnlich werden die Schleimhäute des Auges in Mitleiden-
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Die GeflttgoUeuohe nach Friedlierger.
schart gezogen. Da die Lidspalte alsdann theils durch die Schwellung der Augenlider verengt, theils wegen der gesteigerten Lichtempfind­lichkeit mehr geschlossen gehalten wird, so sammelt sich, namentlich über Nacht, während welcher die Lidränder mit einander zu verklehen pflegen, eine grössere Menge des käsigen Eiters im Lidsacke an, welche zum Tlieil, namentlich in der unteren Lidtasche zurückgehalten werden. In Folge stärkerer Anhäufung und Austrocknung dieser Massen wird der Lidsack beträchtlich hervorgewölbt und der Augapfel zunächst durch Druck in seiner weiteren Integrität gefährdet. Es greift der Prozess nun gern und häufig auch auf die inneren Theile des Augapfels über und führt zu den bedeutendsten Zerstörungen derselben. Zunächst erscheint die durchsichtige Hornhaut getrübt, es bilden sich verschieden mächtige Exsudate auf derselben, die meist schnell zunehmen und die Lider aus einander drängen. Im weiteren Verlaufe treten dann nicht selten centrale Verschorfung und Durch­brechung der durchsichtigen Hornhaut ein, so dass der Krankheits-prozess nunmehr bis ins Augeninnere vordringt.
Vielfältig ist sowohl der Lidsack mit dem Thränencanal, wie auch die Nase mit ihren Nebenhöhlen erkrankt und mit den Krank-heitsprodueten erfüllt.
Die Ausbreitung des Krankheitsprozesses auf die äussere Haut ist in der Regel auf die Augenlider und den Maulwinkel beschränkt.
Zuweilen tritt schon frühzeitig ein Darmcatarrh auf; meist je­doch erst nach längerer Dauer der Krankheit, so dass derselbe mehr ein Endglied der Symptomenkotte bildet.
Bei den Tauben wird diese Krankheit in verschiedenen Gegenden „Schnorchelquot; genannt; der Catarrh des Lidsackes ist hier seltener als bei Hühnern. Die Schleimhautauflagerungen sitzen in der Maulhöhle stollenweise nur locker auf, so dass sie ohne Blutung entfernt werden können. Auf der Backenschleimhaut in der Umgebung der Maulwinkel kommt es aber zuweilen zu mächtigen Ausammlungen eines zähen, gelbbraunen, borkigen Exsudates, das seiner Unterlage fest anhaftet und nicht ohne Blutung entfernt werden kann. Die Zerstörungen dringen dann häufig bis durch die äussere Haut, so dass die Maul­spalte um 5—8 Mm. dadurch verlängert wird. In solchen Fällen ver­mögen die Patienten kaum mehr den Schnabel zu schliessen, wodurch die Futterauthahme selbstverständlich erschwert wird.
Auch die Kloake und der Kropf können in Mitleidenschaft ge­zogen werden. Bozirksthierarzt König sah, wie auch hier die äussere Haut durch den diphtheritischen Prozess durchbrochen wurde.
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Die Gefliigelseuclie nach Friedberger.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 539
Bei älteren, widerstandsfähigeren Thieren ist dass Allgemein­befinden anfangs regelmässig nur wenig gestört, so dass die localen Veränderungen in der Maulhöhle schon ziemlich weit gediehen sein können, bevor man auf das Leiden aufmerksam wird. Die Thiere hören aber allmählich auf zu legen, werden traurig und matt, lassen die Flügel hängen, leisten beim Ergreifen wenig Widerstand, die Schwollkörper am Kopfe fallen zusammen, fühlen sich meist trocken und heiss oder auch kalt an, ebenso die Extremitäten. Die innere Körperwärme scheint nicht auffallend alterirt zu werden, jedoch fehlt es bis jetzt an ausreichenden genauen Temperaturmessungen. Das Gefieder sträubt sich. Gegen das Lebensende machen sich auch wohl geringgradige Gehirnreizungs- und diesen rasch folgend Gcliirndcpres-sions-Erscheinungen wahrnehmbar.
Die Section ergibt aussei- den bereits geschilderten Prozessen an den betroffenen Schleimhäuten und im Bereiche des Auges wechselnde Be­funde. Die Knochen, namentlich des Kopfskeletes, sind mannigfach zerstört und deformirt. Nicht selten findet man die Erscheinungen einer Herzbeutelentzündung, Blutaustretungen (Ekchymosen) unter dem serösen Ueberzuge des Herzens, staubige Trübung verschiedener parenehymatöser Organe, namentlich der Leber u. s. w.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Exsudates aus den Lidsäcken etc. findet man, dass dasselbe der Hauptsache nach aus Rundzellen (weissen Blutkörperchen) besteht, die verschieden gross sind und eine grosse Neigung zu zerfallen zeigen. Dementsprechend findet man selbst in ganz frischem Exsudat massenhaft Detritus. Ausserdem sind vereinzelte Plattenepithelien und meist sehr viele sich lebhaft bewegende Spaltpilze zugegen. Letztere bestehen entweder nur aus Mikrokokken, meist aber sind auch andere Formen, nämlich Bacillen, rundgliederige oder rechteckig gegliederte Kettchen und Achterformen vorhanden.
Der Verlauf dieser Geflügelkrankheit ist ein chronischer, meist mehrere Wochen und selbst Monate lang dauernder. Nicht selten treten an derselben Oortlichkeit in so ferne wesentliche Verschieden­heiten auf, als bei einem Thiere der Krankheitsprozess lange Zeit auf die nämliche Stelle beschränkt und auf der gleichen Stufe stehen bleibt, während er bei anderen Thieren derselben Localität rasch an Intensität und Ausbreitung zunimmt.
Die Krankheit wird oft durch solches Geflügel verschleppt, welches längere Zeit hindurch nur geringgradige, einfach catarrhalische Erscheinungen bietet, und in diesem Zustande von betrügerischen
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540nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Prognose, Behandlung und Vorbeuge bei Gellügelseuche.
Händlern verkauft wird. Kommen solche Thiere mit gesundem Ge­flügel zusammen, so tritt bei letzterem das Leiden meist viel früher in auffälliger quot;Weise hervor, als bei jenen, Auch in der Reconvalescenz begriffene Thiere, die scheinbar bereits genesen sind, sind noch im Stande, andere anzustecken; dieselben erkranken selbst plötzlich wieder auffallend und können dann früher oder später der Krankheit erliegen.
Die Vorhersage ist im Allgemeinen ungünstig; bei Hühnern be­trägt der Verlust etwa 80 ft/o der erkrankten Individuen.
Die Behandlung vermag bei den einmal ergriffenen Thieren nicht viel zu leisten, insofern bis jetzt wenigstens spezifisch wirkende Arznei­mittel nicht bekannt sind. Entfernung der Exsudate und Aetzung der kranken Schleimhautpartion mit den verschiedensten geeignet erschei­nenden Mitteln hat im Ganzen sich nicht als empfehlenswerth erwiesen; eher noch einfache Auspinselungen mit 1—20/oigen Lösungen von Zink­vitriol oder Carbolsäure, oder Räucherungen mit Theerdämpfen u. s. w.
Durch frühzeitige Tödtung der zuerst erkrankenden Thiere ist man manchmal im Stande, die weitere Verbreitung des Uebels zu verhindern. Eine strenge Trennung der Gesunden von den Kranken ist stets nothwendig.
Um den Anstockungsstoff sicher zu vernichten, verbrenne man weniger werthvolle poröse Gegenstände, welche mit kranken Thieren in Berührung gekommen sind. Im Uebrigen verwende man heisse Laugen, Carbolsäurelösungen etc. zur Desinfection, lüfte die Aufenthalts-räume recht lange und sorgfältig, übertünche die Stallwandungen mit Chlorkalkmilch und schlemme auch den Fussboden mit solcher.
Die Cadaver an der Seuche gestorbener Thiere müssen unschäd­lich beseitigt werden.
Beim Ankauf von Federvieh, so wie mit Beschickung von Ge-flügulausstellungen sei man stets sehr vorsichtig, um sich vor Ein­schleppung der Krankheit möglichst zu schützen.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Identität dieser Hühner­krankheit mit der eigentlichen Diphtherie des Menschen ebenfalls nicht sicher festgestellt ist. Bei jener betrifft die Localisation des Leidens mit Vorliebe die Schleimhaut der Nasenhöhlen, was bei der Diphtherie des Menschen nur selten der Fall ist. Aus einer gewissen Aehnlichkeit der Prozesse an den erkrankten Schleimhäuten der an fraglicher Seuche leidenden Hühner mit denen bei Diphtherie des Menschen an der Rachenschleimhaut u. s. w. geht nicht mit Sicher­heit die wirkliche Identität beider Zustände hervor. Es ist ja be­kannt, dass die organischen Keime verschiedener Krankheiten nicht
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Differenz zwischen Geflügelseuche u. Racliendiphthcrie. Zellgcwebswnssersiicht. 541
nur in ihrer Form, sondern auch darin übereinstimmen können, dass sie am Orte ihrer Localisation necrotisch entzündliche Prozesse aus­lösen. Hierauf bezüglich sagt Cohnheim (Allg. Pathologie Berlin 1877 Bd. I. S. 484) „Bei der Variola ist nicht blos die spezifische Haut-pocke lediglich der Effect einer centralen Necrose auf infectiöser Basis mit secundärer Entzündung im Grund und in der Peripherie der Pustel, sondern es finden sich auch in vielen inneren Organen ganz gewöhnlich zahlreiche, vom blosen Auge nicht immer mit Sicherheit diagnosticirbare Herde, deren Mitte abgestorbenes Gewebe und deren Peripherie eine Zone secundärer Entzündung bildet. Diese Herde, in denen auch der characteristische Microkokkenhaufen nicht leicht vermisst wird, unterscheiden sich in ihrem optischen und chemischen Verhalten in keiner Weise von den mehr erwähnten Bacterienherden, denen man so oft bei echter Rachendiphtherie, aber auch bei feuchter Gangrän und nicht weniger bei manchen Verletzungen und Geschwüren begegnet. Wer aber wollte deshalb an eine Identität des Pocken­virus mit dem der Diphtherie und vollends dein der Gangraena hu-raida etc. denken?quot; (Vergl. hiermit Ziegler's Darstellung S. 529). — Der Zukunft muss es überlassen bleiben in diesem Gebiete der Pathologie mehr Klarheit und Ordnung zu schaffen.
20. Die allgemeine Zellgewebs- oder Bindegewebs-Wassersuckt des
Rindviehs.
Diese Krankheit kommt fast ausschliesslich unter den Ochsen der Zuckerfabrikwirthschaften vor und ist in den betreffenden Districten fast jedem Thierarzte aus eigener Anschauung bekannt. Bei Kühen kommt dieselbe selten und zwar nur dann vor, wenn sie die nämliche Diät und Pflege haben, wie der Ochsenbestand der betreffenden Wirth-schaft. Am seltensten werden Milchkühe befallen, wahrscheinlich des­halb, weil dieselben mit der Milch einen Ueberschuss an Wasser nach aussen abgeben; auch mag die anders geartete Pflege und Fütterung mit dazu beitragen, dass die Thiere qu. von fraglicher Krankheit verschont bleiben. Diese ist, wie es scheint, von der Fütterung ge­wisser Abfülle der Zuckerfabriken, nämlich der Rübenrückstände abhängig und ist häufiger geworden, seitdem das Diffusionsverfahren bei der Zuckerfabrikation eingeführt worden ist. Wo keine Rüben-rückstände gefüttert werden, oder wo überhaupt keine Zuckerfabriken existiren, da kommt Bindegewebswassersucht unter dem Rindvieh nie­mals in enzootischer Verbreitung, sondern höchstens ganz sporadisch vor.
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Die allgemeine Zellgewebswnssersuclit des Rindviehs,
Ob diese Krankheit eine eigentliche Infectionskrankheit ist, kann vorläufig nicht mit Sicherheit behauptet werden. Da sie aber die Thierärzte und Viehbesitzer der EJrovinz Sachsen und anderer land-wirthschaftlich-industrieller Bezirke vielfach beschäftigt, so soll die­selbe an dieser Stelle nach einem Referate des Krcisthierarztes Koenig (Neuhaldensleben) und nach den Resultaten einer (in der 4. General­versammlung des thierärztlichen Centralvercins der Provinz Sachsen, der thüringischen und anhaltischen Staaten am 3. April 1870) ange­schlossenen Debatte geschildert werden. Es geschieht dies vorzugs­weise in der Absicht, um einestheils weitere Kreise mit dieser Krank­heit bekannt zu machen, andorntheils um zu weiteren Forschungen über deren Ursachen und Wesen anzuregen.
In den Zuckerfabriksdistricten ist die Krankheit häufig aber nicht immer gleichmässig stark verbreitet, sondern sie herrscht in manchen Jahrgängen unter dem Gesammtviehbestande der betr. Zuckerfabriken in mehr oder weniger enzootischer Form. Sie unterscheidet sich von der Fäule (Leberegolsouche) des Rindviehs, bei welcher es auch zu wassersüchtigen Zuständen kommt, ganz besonders dadurch, dass diese nur bei Weidevieh, das anhaltend nasse Wiesen etc. beweidet hat, herdeweise auftritt und ebensowohl Kühe wie Ochsen befällt.
Der Verlauf der BindegewebsWassersucht ist stets ein chronischer; nach 3- bis Gmonatlicher oder noch längerer Kninkhcitsdauer tritt in der Regel der Tod ein, nachdem colliquative Durchfälle die gänzliche Erschöpfung der kranken Thiere bewirkt haben. Fälle von Genesung kommen zuweilen, jedoch nur dann vor, wenn die Krankheit früh­zeitig erkannt und der Patient sofort den schädlichen Einflüssen ent­zogen wird.
In der Regel wird die Krankheit erst erkannt, nachdem das betreffende Thicr bereits wochenlang afficirt ist. Das erste Stadium der Krankheit bietet so wenig auffällige Symptome, dass dasselbe leicht übersehen wird. Erst nach und nach sträuben sich die Haare, die Thiere werden matter und zeigen dadurch, dass sie nicht ganz gesund sind. Wo die Krankheit nicht schon bekannt ist, werden auch diese Erscheinungen noch nicht richtig gedeutet, sondern bald auf ungün­stige Witterungseinflüsse, bald auf ungenügendes Futter oder zu harte Arbeit zurückgeführt.
Mit der Zeit treten dann noch anderweitige Krankheitserschei­nungen auf. Allmählich gehen die Patienten in ihrem Ernährungs-zustaiule zurück, obgleich die Fresslust fortgesetzt rege ist, sich sogar bis zum Wolfshunger steigert, was durch häufiges Brüllen der Thiere
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Die iillgcm. Zellgcwebswnssersucht des Rindviehs; Sectionsbel'imd. 543
nach Futter aich kund gibt. Die Patienten uriniren häufig und setzen einen wasserreichen, hellen Urin ab. Auch im Unterhautbindegewebe und an anderen Orten ist nunmehr eine vermehrte Ausscheidung von Serum eingetreten. Die sichtbaren Schleimhäute werden immer blasser und zeigen nicht selten einen gelben Ton.
Werden die Patienten jetzt noch den schädlichen Einflüssen entzogen und zweckentsprechend ernährt, so kann noch Grenesung eintreten. Bleiben aber die Verhältnisse dieselben. so nimmt die Abmagerung stetig zu, die Patienten zeigen Schwäche im Kreuze und gastrische Störungen treten allmählich deutlicher hervor: Verstopfung wechselt mit Durchtall ab, die Exeremente stinken, der Bauch wird immer umfangreicher, endlich unförmlich dick. Aus dem Maule fliesst zäher Schleim ab, der in langen Fäden herunterhängt. Die äussere Haut wird starrer, weniger auf ihrer Unterlage verschiebbar; Oedema treten auf, namentlich zunächst an den Gliedmassen. Mit Zunahme derselben wird die Locomotion in gradem Verhältnisse unbeholfener. Mit der Zeit finden aich auch im Triel und unter dem Bauche Wasser­geschwülste ein, womit das Bild der allgemeinen Zellgewebswasser-sucht immer deutlicher wird.
Nunmehr wird der Durchfall beständig, die Exeremente nehmen an üblem Gerüche zu, die Kräfte verfallen um so schneller, da die Patienten nunmehr auch die Fresslust verlieren; sie liegen jetzt meist den Kopf bis zur Mitte des Bauclies zurückgeschlagen, bis endlich der Tod ruhig die Scene schliesst.
Die Section liefert die Erscheinungen allgemeiner Cachexie und Wassersucht. Die normale Todtenstarre fehlt, so dass mit Leichtig­keit die Gelenke sich biegen lassen. Beim Abhäuten findet man das Unterhautbindegewebe serös infiltrirt, ebenso das Bindegewebe zwi­schen den Muskeln u. s. w. Am stärksten haben sich die serösen Ergüsse an den tiefsten Körperstellen (an den unteren Partien der Gliedmassen und des Rumpfes) und in den grossen Körperhöhlen an­gesammelt. Bauch- und Brusthöhle enthalten oft enorme VVasser-massen , die in denselben gelagerten Eingeweide erscheinen wie aus­gewaschen, geschrumpft, frei von Fetteinhiilhingen u. s. w. Das Blut ist dünnflüssig und nicht gerinnungsfähig; auch die Gallo int dünn­flüssig, wässerig.
Die Schleimhaut des Verdauungscanales ist gequollen und mit zähem, übelriechendem Sehleime bedeckt. Das Herz ist schlaff und gewöhnlich blutleer; die Lungen sind bleich, die Luftröhre und ihre Verzweigungen enthalten oft Schaum, der stellenweise röthlich er-
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544nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die nllgcm. Zellg-ewebswassersudit des llindviehs ; Actiologie.
scheint. — Das Gehirn ist stark durchfeuchtet und von bleicher Farbe; in den Kammern desselben ist mehr oder weniger Serum angesammolt. Alle willkürlichen Muskel sind bleich, schlaff und stark durchfeuchtet; das Mark der Röhrenknochen ist dünnflüssig.
In Bezug auf die Aotiologie der Krankheit sei noch bemerkt, dass die Zugochsen der Zuckerfabriken vorzugsweise auf die Aufnahme von Kübonrückständen, Wiesen-, Klee-, oder Luzern-Heu nebst Mais oder Getreidoschrot, Raps-, Lein- oder Mohn-Kuchen angewiesen sind. Wird hierbei das Verhiiltniss der einzelnen Nährstoffe zu einander, der Trockensubstanz zum Wasser etc. richtig gestellt, so kann diese Fütterung den Anforderungen einer normalen Ernährung in befriedi­gender Weise entsprechen. In vielen Zuckerwirthschaften wird aber der Nährwerth der Rübenrückstände, besonders der mittelst Diffusion gewonnenen, vielfach zu hoch angeschlagen; man verabreicht dasselbe gern reichlich, weil es meist in überflüssiger Menge vorhanden ist. Da­durch kommt es, dass dann dem Organismus zu grosse Mengen Wasser und zu wenig nahrhafte Trockensubstanz zugeführt wird. Hierzu gesellen sich noch die bedeutenden Ansprüche, welche namentlich während der sogenannten Campagnc an die Zugochsen gestellt werden, die nachthoiligen Einflüsse der im Winter und Spätherbste ungünsti­gen Witterung u. dergl.
Die Rübenrückstände enthalten bei dem jetzt allgemein ge­bräuchlichen Diffusions verfahren nur 5 bis 0 0/o Trockensubstanz, 0,4 bis 0,8 Proteinstoffe; 0,03 bis 0,1 Fettsubstanz; 3,2 bis 5,4 stickstoff­freie Extractivstoffe und 1,2 bis 2,5 Holzfaser, sehr wenig erdige Be-standtheile, und 91 bis 95 0/o Wasser. Ehe das Diffusionsverfahren bei der Zuckerfabrikation Anwendung fand, . waren die Rübenrück­stände weit nahrhafter, so dass dieselben fast ausschliesslich zur Ochsen­mast verwendet wurden und hierzu auch ausgereicht haben. Dieser Umstand mag viel dazu beitragen, dass der Nährwerth der Rüben­rückstände heute überschätzt wird ; dass derselbe gegenwärtig ein sehr geringer ist und tür sich allein nicht ausreicht, um einen normalen Stoffwechsel bei Thieren, an welche grössere Anforderungen gestellt werden, zu unterhalten, ergibt sich aus vorstehender Analyse.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein zu grosses Quantum der Diffusionsrückstände im Laufe der Zeit alle jene Erscheinungen zu verursachen im Stande ist, welche wir vorhin geschildert haben. Die übergrosse Wassermenge wirkt bald erschlaffend auf die Verdauungs-organe ein, die Assimilation der ungenügend zugeführten eigentlichen Nährstoffe wird gestört. Die hieraus resultirende mangelhafte Er-
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Die allg. Zellgewebs-Wassersuclit des Rindviehs; Prognose und Behandlung. 545
nährung aller Körpergewebe erstreckt sich auch auf das Blut, auf die Gefässwände und auf die Herzmuskulatur; erster es wird wässerig, letztere werden schlaff. So entstehen alle erforderlichen Bedingungen für das Zustandekommen hydropischer Zustände. Ob nun auch der Kaligehalt der Diffusionsrückstände eine Rolle spielt, insofern derselbe etwa lähmend auf die Herzactionen einwirkt, ist nicht bestimmt ent­schieden.
Bereits im Jahre 1859 und 1860 haben Kreisthierarzt Jost und Departe-meutsthierarzt Hildebrandt in den „Mittheilungen aus der thierärztlichen Praxis im Preussiachen Staatequot; über eine „Neue (dyscratische) Krankheit der Ochsenquot; in den Zuckerlabrikwirthschat'ten des Regierungsbezirkes Magdeburg berichtet. Die Krankheit zeigte sich damals nach reichlicher Fütterung mit den Pressrück­ständen aus den dortigen Zuckersiedereien, ohne vorher jemals beobachtet worden zu sein. In mehreren Viehbeständen der betreffenden Wirthschaften griff die Krank­heit derart um sich, dass sie in kurzer Zeit 50 bis 00 Ochsen [befiel und selbst in die Kuhställe eindrang. In Folge dessen sahen sich verschiedene Viehbesitzer veranlasst, ihren ganzen Viehbestand mit 30 bis 50 Procent Verlust möglichst schnell als Schlachtwaare zu verwerthen. Nach den mir von Jost gemachten brieflichen Mittheilungen erkrankten damals namentlich und zahlreich solche Ochsen, welche während der sogenannten Campagne angestrengt gebraucht und dann zur Mast (mfgestellt worden waren. Seit der Zeit, wo man selbst während einer gewissen Futternoth die llübenriickständc mit mehr Vorsicht verfüttert hat, ist die Krankheit im Allgemeinen im Jost'schen Wirkungskreise weit seltener geworden. Wo die Znckerl'abrikrückstände ausnahmsweise wieder einmal eine Zeit lang überreichlich gefüttert werden, ohne dass Heu, ja nicht einmal ein aus­reichendes Quantum Stroh verabreicht wird, tritt die Krankheit auch in neuerer Zeit wieder auf. Wo alsdann aber rechtzeitig die Fütterung geändert und Heu in entsprechender Menge verfüttert wird, da pllegt Genesung einzutreten.
Die Prognose ist von dem Grade der Krankheit und der Zeit einer zweckentsprechenden Aenderung der Nahrungsmittel vorzugs­weise abhängig. Wo bereits Wassersucht in vorgeschrittenem Maasse vorhanden ist, ist der Eintritt des Todes schwer oder gar nicht mehr abzuwenden.
Die Behandlung ergibt sich aus dem früher Gesagten von selbst. In erster Linie steht eine rechtzeitige Aenderung der Fütterung; nöthigenfalls kann die Verdauungsthätigkeit durch entsprechende Mittel, Abkochungen von Wermuthkraut oder Rainfarnkraut u. dergl. ange­regt werden. Selbstverständlich dürfen die kranken Thiere nicht zu anstrengender Arbeit verwendet und nicht den Einfliissen schädlicher Witterung ausgesetzt werden. Wo diese Massregeln nicht durchgeführt werden können, gehen die erkrankten Thiere zu Grunde. Man säume
Pütz, Lehrbuch der anateckenden Thterkraukhclton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35
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Die Ti'aberkrnnkht'it dor Schafe und Ziegen; Symptome.
deshalb nicht, dieselben so frühzeitig der Schlachtbank zuzuführen, dass sie noch als Fleischwaare verwerthet werden können.
21. Die Traberkraukheit der Sckafe und Ziegen, auch Gnubber- oder Wetzkrankheit genannt.
Obgleich auch die Traberkrankheit streng genommen nicht hierhin geholt, insofern ihre Ursachen unbekannt sind, folglicdi nicht einem Infectionsstoffe zugeschrieben worden darf, so soll dieselbe dennoch hier besprochen werden, um die grosse Lücke zu zeigen, welche in un­serem Wissen in Bezug auf das Wesen und die Ursachen dieser Krankheit vorhanden ist. Dieselbe ist eine bei Schafen, seltener bei Ziegen vorkommende Krankheit, welche sieh durch Schreckhaftig­keit, Aengstlichkeit und gesteigerte Reizempfänglichkeit der Rücken­marksnerven zu erkennen gibt und nach langwierigem, chronischem Verlaufe allmählich zunehmenden Schwächezustand, Lähmung des Hintertheils und schlicsslich den Tod zur Folge hat.
üio Krankheit bildet sich langsam aus und bietet anfangs nur geringe, erst bei genauerer Beobachtung auffallende Symptome. Der Blick der kranken Thicre ist dumm, stier, die Obren hängen schlapp herunter und machen zitternde Bewegungen; die Patienten sind scheu und schreckhaft, so dass die Krankheit deshalb auch als „Schruckig-sein* bezeichnet wird. Diese Erscheinung fällt namentlich dann auf, wenn die Thiere aufgefangen werden sollen; beim Ergreifen und Festhalten zittern die Ohren und Gcsichtsinuskel; der Kopf wird zurückgebogen. liebt man ein krankes Thier in die Höhe und lässt es niederfallen, so knickt es in den Gliedmassen ein. Nach ein bis zwei Monaten ist die Schwäche des Ilinterthciles auffallender, der Gang schwankend, steif geworden; sie bewegen sieh mit weit aus einander gesetzten Hinter-füssen, mit schnellen, kurzen, trippelnden Schritten, „trabartigquot;, wes­halb sie „Traberquot; genannt werden. Das Galoppiren und Springen ist ihnen nunmehr unmöglich. Allmählig nimmt die Steifigkeit in den Hintergliedmassen zu und verbreitet sich auf die Vordergliedmassen; die Kranken bleiben hinter der Ileerde zurück, stürzen ab und zu nieder und können nur mit Mühe sich wieder erheben.
In den meisten Füllen stellt sich Hautjucken ein, welches an der Schweifwurzel beginnt, dann über das Kreuz, die Lenden und den Rücken sich verbreitet. Man erkennt dasselbe leicht an dem fast un­ausgesetzten Reiben und Benagen der betreffenden Stellen; wegen
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Die Trnbcrhronkheit etc. Krnukheits- und Seetionsei'seheinungin. 547
dieses Symptoms wird die Krankheit auch wohl „Gnubber- odor Wetz-kranklieitquot; genannt. Die Wolle wird spröde, thells abgerieben oder mit den Zähnen ausgerissen. In Folge dessen wird die Haut blut­rünstig und verdickt sieh; sie ist häufig mit Krusten vertrockneten Blutes oder Exsudates bedeckt. Unter Zunahme der Schreckhaftigkeit und Lähmungsorscheinungen wird das Blöcken heiser, die Fresslust geringer, die Ernährung mangelhaft, so dass die Thiere ein cachec-tisches Ansehen bekommen; die sichtbaren Schleimhäute sind blass und aus Maul und Nase fliesst ein übelriechender Schleim. Die Kranken vermögen endlich sich kaum mehr fortzubewgen und gehen schliosslich nach einer mehrmonatlichen Krankheitsdauer an Abzehrung und Erschöpfung zu Grunde.
Der tödtliche Ausgang kann als Kegel gelten, da verhältniss-mässig nur selten Genesung eintritt; er pflegt im Sommer schneller als im Winter einzutreten.
lieber das Wesen und die Ursache der Traberkrankheit be­sitzen wir bis jetzt nur sehr mangelhafte Kenntnisse, und leider sind die zur Zeit constatirbaren Sectionserscheinungon nicht geeignet, unser Wissen in fraglichen Dingen wesentlich zu erweitern.
Bei Untersuchung der an Traberkrankheit verendeten oder ge-tödteten Thiere findet man in fortgeschrittenen Stadien des Uebels stets die Erscheinungen der Caehcxie: das Muskelfleisch ist bleich, das Blut dünnflüssig und blassroth; in den grossen Leibeshöhlen sind zuweilen wässerige Ergiessungen vorhanden. In der äusseren Haut findet man zu keiner Zeit Veränderungen, welche als Ursache des während des Lebens vorhanden gewesenen Juckreizes angesehen werden können; dagegen finden sich in solchen Fällen, wo die Thiere sich lange tmd stark gerieben haben, nicht selten an den entsprechenden Stellen im Unterhautbindegewebc bohnen- bis hülmercigrosse bindegewebige Neubildungen.
An den vegetativen Organen zeigen sich keine zur Krankheit in Beziehung stehende Veränderungen, während an den Nervencentren, namentlich am Rückenmarke und seinen Hüllen, in der Regel mehr oder weniger auffallende Veränderungen angetroffen werden. Zuweilen ist die weiche Rückenmarkshaut ungewöhnlich stark injieirt und die Rückenmarksflüssigkeit vermehrt; das Rückenmark stark durchfeuchtet, weich, blutarm, ödematüs, selten härter als normal. — Nach Fürsten-herg soll eine Neubildung von grauer Substanz im Rüekenraarke wäh­rend der Trabelkrankheit stattfinden, was für eine Anzahl Fälle richtig sein mag, keineswegs aber für alle. In vielen Fällen sollen sich im
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548 D'c Trabei'krankheit etc. Sectionserscheinungen und Aetiologie.
liiickenmarke keine bestimmten Veränderungen constatiren lassen. Noch weniger constant sind die ziiweilen im Gehirn traberkranker Thiere angetroffenen Sectionserscheinungen, so dass von einer Constanz der­selben in irgend einem Organe bis jetzt ebenso wenig, wie bei Wuth oder einer anderen Neurose gesprochen werden kann. Bruckmüller fand in verschiedenen Fällen der Traberkrankheit eine gallertige Infiltration des die Nervenursprünge begleitenden Bindegewebes in der Lenden­partie des Kückenmarks.
Nach den regelmässigsten und wesentlichsten Sectionserschei­nungen zu urtheilen, scheint der Sitz der Traberkrankheit vorzugs­weise, wenn nicht ausschliesslich, im Rückenmarko zu liegen, während die Krankhcitserscheinungon, namentlich in den ersten Anfängen der Krankheit, auf eine Gehirnreizung schliessen lassen (der verstörte Blick, die Schreckhaftigkeit und Aengstlichkeit, das Zittern der Ohren und der Gesichtsmuskel).
Noch weniger als die Sectionserscheinungen gestattet unsere Un-kenntniss der Ursachen der Traherkrankheit einen Schluss auf das Wesen derselben. Wie überall, wo es um unser positives Wissen schlecht bestellt ist, die Ansichten und Behauptungen am zahlreichsten und verschiedensten zu sein pflegen, so auch hier. Ich werde des­halb nur diejenigen Momente näher besprechen, welche für zukünftige Forschungen als Richtpunkte dienen können.
Die Traberkrankheit war bereits um die Mitte des 18. Jahr­hunderts in Deutschland genauer beobachtet, wie aus einer guten Be­schreibung derselben durch .1. G. Leopold aus dem Jahre 1759 her­vorgeht. Die Merinos wurden erst im Jahre 1765 durch Churfürst August von Sachsen in Deutschland eingeführt. Wenngleich demnach die Behauptung, dass dieselbe erst durch spanische Schafe bei uns eingeschleppt worden sei, vollständig in der Luft schwebt, so steht doch fest, dass sie nach Einführung der Merinos in unseren Zuchten häutiger geworden ist, und bei jenen seither unverhältnissmässig häu­figer beobachtet wurde als bei den unveredelten Schafen. Nach zahl­reichen Beobachtungen sind unter den Merino's die zarten Electoral-schafe für die Krankheit mehr empfänglich als die Negrettischafe; ja es ist die Krankheit in Electoralherdon zuweilen durch Kreuzung mit Negrettischafen getilgt worden. Dessen ungeachtet aber besitzen die Nachkommen von Nogrettiböckon keineswegs eine Immunität für frag­liche Krankheit; ebenso wenig aber die Nachkommen der Southdown-bücke. Denn auch bei englischen Schafen und ihren Nachkömm-
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Die Traberkrankhcit etc. Actiologic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 549
lingen ist in neuerer Zeit die Traberkrankheit wiederholt beobachtet worden. (Roloff.)
Die Traberkrankheit ist nicht ansteckend, da dieselbe weder durch längeres Beisammensein von gesunden und kranken Schafen von diesen auf jene, noch durch Einimpfen von Nasenschleim oder Blutserum übertragen werden konnte. — Eine Erblichkeit der Anlage kann hin­gegen nach allen seitherigen Erfahrungen über fragliche Krankheit kaum bezweifelt werden, wenngleich keineswegs alle Nachkommen traberkranker Eltern von der Traberkrankheit befallen werden, selbst wenn sie unter Verhältnissen leben, welche bei anderen Individuen das Leiden hervorrufen. Ebenso liegen Beobachtungen (von Thaer) vor, nach welchen Böcke in einer Localität (Frankenfelde) Traber zeugten, während sie nach ihrer Dislocirung gesunde Nachkommen lieferten. Diese und viele andere Thatsachen sprechen deutlich genug dafür, dass nicht von einer absoluten Erblichkeit der Traberkrankheit, son­dern nur von der Vererbung einer grösseren oder geringeren Anlage für dieselbe gesprochen werden darf.
Nach Allem, was über die Ernährung der Herden, in welchen die Traberkrankheit herrschte, bis jetzt bekannt geworden ist, lässt sich nicht sicher entscheiden, ob dieselbe unter Umständen einen nennenswerthen Einfluss auf die Entwicklung der Krankheit ausübt oder nicht; ebensowenig hat in der Bodenbeschaffenheit bis jetzt eine be­stimmte Eigenschaft festgestellt werden können, welche der Entstehung fraglicher Krankheit besonders günstig ist. Von der einen Seite hat man reichliche, von der anderen dürftige Ernährung, bald nasse Weiden etc. etc. beschuldigt, nie aber einen bestimmten Einfluss der beschul­digten Dinge auf die Entwicklung der Traberkrankheit nachweisen können.
Nach verschiedenen Beobachtungen scheint die Vererbung und Entstehung der Traberkrankheit durch zu frühe oder zu häufige Zucht­verwendung begünstigt zu werden. Die Krankheit kommt aber auch in Schäfereien vor und herrscht manchmal sogar anhaltend in solchen, in denen die Zuchtthiere verhältnissmässig spät und keineswegs im üebermasse für das Fortpflanzungsgeschäft verwendet werden.
Die Traberkrankheit verschwindet manchmal vollständig, wenn die von ihr heimgesuchte Herde in andere Stallungen etc. versetzt wird.
Nach meiner Meinung wäre zunächst zu untersuchen, ob alle Krankheitszustände, welche seither als „Traberkrankhcitquot; bezeichnet zu werden pflegten, einer einzelnen spezifischen Krankheit angehören, oder ob jene Zustände nur in ihren äusseren Erscheinungen mehr oder
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550 Die Traberki'ankheit etc. Aetiologie, Prognose und Behandlung.
weniger übereinstimmen, während sie in verschiedenen Organen ihren Sitz haben und durch eine grössere oder geringere Anzahl verschie­dener Ursachen bedingt werden können. Namentlich wäre festzustellen, ob die Traberkiankheit als solche vom Gehirn oder vom Kuckoiimarke ausgeht, und ob die im Beginne der Krankheit auftretenden Gehirn-erscheinungen auf einer Gehirnhyperämie beruhen, oder vom Rücken­marke, oder einem anderen Organe ausgehende Retlexorschoinungen sind.
Koloff glaubt die
Ursache der Traberki'ankheit häufig auf
Eromsunlarven zurückführen zu können. Wenn auch nicht bestritten werden soll, dass Bremsenlarven zuweilen der Traberkrankheit mehr oder weniger ähnliche Erscheinungen zu verursachen im Stande sein mögen, so bedarf es dessen ungeachtet doch kaum einer weiteren Aus­einandersetzung darüber, dass die Traberkrankheit und die Schleuder-krankhoit wesentlich verschiedene Dinge sind. Der Bemerkung HolofFs (s. Mittbeilungen aus der thierärztlicheu Praxis im preuss. Staate, 1872, S. 144): „Er habe niemals behauptet, dass die Traberkrankheit nur aus der Einen Ursache entstehe1', möchte ich entgegenhalten, class die durch Bremsenlarven verursachton, der Traberkrankheit ähnlichen Erscheinungen ebensowenig mit der wahren Traberkrankheit identificirt werden dürfen, wie die Echinokokken Baudwurmkrankheit der Hunde, wenn dieselbe wutliähnliche Erscbcinungen verursacht, für eigentliche Tollwuth erklärt werden darf, namentlich dann nicht, wenn der Sec-tionsbefund uns den Grund der Erscheinungen kennen gelehrt hat.
Bei unserer Unkenntniss des Wesens und der Ursachen der Traber-kraukheit ist es erklärlich, dass die Prognose bei dieser Krankheit sehr ungünstig und jede medicinisohe Behandlung derselben völlig fruchtlos ist. Alle bisher empfohlenen Heilmethoden leisten nichts. Das beste Mittel ist, wenn eine geeignete Dislocation der heimgesuchten Herde und je nach Umständen ein Wechsel in den Zuchtthieron vor­genommen wird. Man vermeide möglichst den Ankauf von Schafen aus solchen Herden, in welchen die Krankheit herrscht. Alle traber-oder gnubberkranke Thiere müssen von der Zucht ausgeschlossen und kein Zuchtschaf sollte vor dem vollendeten 2. Jahre zur Paarung zu­gelassen werden. Den Sprungthieren darf keine zu grosse Anzahl weiblicher Thiere zugewiesen und alte, erschöpfte Böcke sollten, wie alle Schwächlinge und Kränklor, ausgemerzt werden.
Die Ausrottung der Krankheit aus einer Heerdo, in welcher sie sich einmal eingenistet hat, ist schwierig und unsicher, namentlich wenn unbekannte und nicht zu vermeidende örtliche Schädlichkeiten derselben zu Grunde liegen.
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Die Traberkmnklieit bei Löwen etc. Die Lupinose der Schare; Hislorisclies. 551
Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch bei reissenden, in Me­nagerien gehaltenen Tiüeren: Hyänen, Löwen und Tigern ein ähnliches Leiden mehrmals beobachtet worden ist, welches vorzugsweise durch ein fortwährendes Scheuern, Lecken und Kauen, besonders an den Glied­massen, sich äusserte. Roll beobachtete oino Hyäne, welche sich nach und nach einen Theil ihrer vorderen rechton Gliedmasse abnagte; sie wurde schliesslich gotödtet, ohne dass durch die Section irgend welche Aufschlüsse über die Natur des Leidens gewonnen wurden. Weder an der Haut noch im Riickenmarke zeigte sich irgend eine Abnormität.
22. Die Lupinenkranklieit oder Lupinose der Schafe.
Seit dem Anfange der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts ist man auf die Lupinenkranklieit der Schafe aufmerksam geworder, die etwa 10 Jahre später, seit dem Anfange der siebenziger Jahre, in solchen Gegenden, wo die Lupinen in grüsserem Umfange angebaut und an Scliafe verfüttert werden, unter diesen zeitweilig grosse Ver­luste verursachen. In Preussen sind es namentlich die Provinzen Westpreussen, Pommern, Schlesien, Brandenburg und Sachsen, welche durch die Lupinenkrankheit vielfach geschädigt worden sind. Bei­spielsweise sei hier angeführt, dass in der Provinz Pommern ein Kreis von seinen 240000 Schafen 14138 Stück an der Lupinenkrankheit im Verlaufe eines Jahres verloren hat, womit ein weiterer Verlust von 13000 Lämmern, welche woniger als sonst zur Aufzucht kamen, ver­bunden war.
Die erste genauere Beschreibung dieser Krankheit verdanken wir Dammann, der im Jahre 1877 im 8. Bande der Zeitschrift für Thier-medicin, S. 353 u. folg., „Ueber Schafheerden-Erkrankungen durch Lupinenquot; interessante Mittheilungen gemacht hat. Obgleich seit dieser Zeit das Wesen und die Ursache der Lupinenkrankheit vielfach Gegen­stand wissenschaftlicher Forschungen gewesen sind, so ist es bis jetzt dennoch nicht gelungen, hierüber befriedigende Aufschlüsse zu erlangen. Unsere Kenntnisse beschränken sich bis jetzt so ziemlich auf die Krankheits- und Sectionserscheinungen.
Erstere stellen sich in der Regel plötzlich ein und zwar nach­dem eine kürzere oder längere Zeit hindurch entweder nicht ganz reife, ungedroschene, getrocknete Lupinen (Lupinenheu), oder ge­trocknete Lupinenkörner und -Schalen gefüttert worden sind. Nach­dem dies Futter fürs Erste nicht selten gern, später aber ungern.
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552 Diß Lupinose der Schafe ; Krankheita- und Sectionserscheinungen.
eine Zeit lang, oft nur wenige Tage hindurch, verzehrt worden ist, versagen die betreffenden Schafe plötzlich das Futter, indem Verdau­ungsstörungen verschiedener Art, Athembeschwerden, Gehirnerschei­nungen und Fieber sich wahrnehmbar machen. Zuweilen sind die Patienten aufgeregt, meist aber deprimirt; sie stehen in der Regel stumpfsinnig in einer Ecke des Stalles, stützen den Kopf nicht selten gegen die Wand, oder sie bewegen sich im Kreise, oder liegen theil-nahmlos am Boden. Der Kothabsatz ist bald verzögert, bald nicht; im ersteren Falle werden feste Kothmassen unter Schmerzen abgesetzt, während im anderen Falle die Excremente weicher, zuweilen blutig sind und einen widerlichen Geruch verbreiten; auch der Urin ist zu­weilen blutig gefärbt. Die Bindehaut des Auges, so wie die üussere Haut zeigen eine bald mehr, bald weniger intensive Gelbfärbung; der Puls ist beschleunigt, die Temperatur massig erhöht (bis 410 C). Nach einer Krankheitsdauer von gewöhnlich etwa 3 Tagen pflegt der Tod einzutreten, der nur dann etwa abgewendet werden kann, wenn die Lupinenfütterung sofort ausgesetzt wird, nachdem erst ein geringer Grad der Vergiftung eingetreten ist. Aber auch dann können noch nach längerer Zeit Todesfalle eintreten, indem die Krankheit einen schlei­chenden Verlauf annimmt. So z. B. secirte ich am 18. Januar 1881 ein in der vorhergegangenen Nacht verendetes Versuchsschaf des hiesigen landwirthschaftlichen Institutes, das bis zum 27. December 1880 mit giftigen Lupinen, seitdem aber mit gesundem Futter ernährt worden • war. Bei demselben fand ich bereits am 27. December die Augenlid­bindehaut gelblich gefärbt und am Cadaver neben allgemeiner Gelb­sucht dfe gewöhnlichen Erscheinungen der Lupinose.
Bei der Section an Lupinose verendeter Thiere findet man im Allgemeinen folgende Daten:
Die Cadaver sind in der Regel mehr oder weniger bedeutend abgemagert. Beim Abziehen der äusseren Haut fliesst aus den durch­schnittenen Blutgefässen des Unterhautbindegewebes dunkel gefärbtes Blut ab. Die Erscheinungen der Gelbsucht beschränken sich nicht auf die Augenlidbindehaut und die äussere Haut, sondern sind weit verbreitet und treten namentlich am abgehäuteten Cadaver an den Seitenflächen des Kopfes, des Brustgewölbes und der Gliedmassen deutlich hervor; aber auch die Bauchdecken zeigen eine mehr oder weniger ausgeprägte Gelbfärbung. — Die Leber ist meist mehr oder weniger auffallend gelb gefärbt und prall, an ihrer Oberfläche glatt, die Gallenblase massig ausgedehnt und mit einer dunklen, braungelben, wenig klebrigen Flüssigkeit erfüllt. Auf der Schnittfläche erscheint
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Die Lupinose der Schale; Sectionserscheinuiigen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 553
das Leberparenchym entweder gleichmäsaig gelb gefärbt oder stellen­weise ziegelroth oder bläulieh; die Gallengänge sind offen und zeigen keine wahrnehmbaren Veränderungen; ebenso ist der nach dem Darm führende Gallenblasengang stets oifen. Von einem behinderten Ab­flüsse der Galle kann somit keine Rede sein. Bei mikroskopischer Untersuchung ergibt sich, dass die Leberzellen destruirt, fettig und körnig entartet sind; das Bindegewebsgerüst enthält weisse Blutkör­perchen in grosser Anzahl; Mikrokokken, kurze Mycelien finden sich im Leberparenchym in grösaerer oder geringerer Menge und in den Lebergallengängen conidienartige Bildungen. Die Milz erscheint meist etwas geschwellt. Der Darmcanal zeigt weniger constanto Verände­rungen; derselbe ist manchmal in grösserer oder geringerer Ausbrei­tung fleckig geröthet oder bräunlich verfärbt, und seine Blutgefässe, namentlich die des Diinndai'ines, sind häufig stark gefüllt. Die Nieren sind bald braunroth, bald mehr bläulich; ihre Oberfläche ist glatt. Die fibröse Kapsel lässt sich stets leicht und ohne besondere Beschä­digung der Eindensubstanz ablösen; letztere erscheint mehr oder weniger fleckig oder streifig und zeigt häufig einen verschiedengradigen gelben Ton. Das Nierenparenchym ist stark durchfeuchtet, zuweilen von kleineren Blutaustretungen durchsetzt. Auf der Schnittfläche ist die Grenze zwischen Rinden- und Marksubstanz weniger deutlich; die Rindensubstanz ist gewöhnlich gelbbraun, die Marksubstanz rosaroth mit schmutziggelbem Ton; die Glomeruli sind nicht zu erkennen. — Die Lungen sind stets sehr blutreich, öderaatös; die Bronchien mit blutigem Schaume erfüllt. — Der Herzbeutel zeigt häufig einen gelb­lichen Schimmer. Die Gefässe und die Hohlräume des Herzens sind meist mit Blut erfüllt und zwar enthält auch die linke Herzkammer manchmal einen mehr oder weniger umfangreichen, dunklen, meist lockeren Blutpfropf. Ekchymosen finden sich bald hier, bald dort, namentlich zerstreut an verschiedenen Abschnitten der serösen Häute der Brust- und Baucheingeweide, zuweilen auch im Unterhautbinde­gewebe. — Im Blute werden bei mikroskopischer Untersuchung eben­falls zuweilen Mikrokokken angetroffen. — Das Gehirn fand ich stets von normaler Consistenz, seine Blutgefässe stark injicirt, die Ober­fläche sowie die Schnittflächen zeigten einen gelblichen Ton.
Das schädliche Agens in den Lupinen ist zur Zeit noch nicht sicher ermittelt. Die Versuchung lag nahe, auch hier zunächst Pilze als Krankheitserreger zu beschuldigen. Diese Annahme verlor indess an Wahrscheinlichkeit, als man die Thatsache kennen lernte, dass nicht selten die Krankheit qu. nach der Aufnahme solcher Lupinen
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Die LujMuose der Schafe j Acliologie.
entstand, welche scheinbar von ganz tadelloser Boschaffenheit, nament­lich trocken eingebracht worden waren und keine Spur von Pilz-bofallung u. dergl. zeigten; noch unhaltbarer wurde die Pilzhypotliese dadurch, dass Lupinen, welche mit Pilüen befallen waren, die man als Krankheitserreger beschuldigt hat, sich meist insofern als unschädlich erwiesen, als die Schafe, welche selbige verzehrten, entweder ganz gesund, oder wenigstens frei von der Lupinenkrankheit blieben.
Von anderen Autoren sind die in den Lupinen enthaltenen Alcaloide und neuerdings (von Liebacher und Kobort) ein ferment­artiger Körper als Ursache der Lupinenkrankheit beschuldigt worden.
Nach den Untersuchungen Krockor's sind die Schoten und Blatt-theile der Lupinen am reichsten an Alcaloiden; und gerade diese Theile sind es auch, welche am giftigsten zu sein pflegen. Da intless die schädlichen Lupinen nach den Untersuchungen von Liebschor und Kobert nicht mehr, sondern eher weniger Alcaloide enthielten, als die unschädlichen, so ist auch die Alcaloid-Hypothese verdächtiger geworden. Der Ansicht Kobert's (s, Zeitschrift für Thiermedicin, 1881, Heft III, S. 234), dass die ursprüngliche Vermuthung, die Lupinose sei eine Alcaloidvergifturig, vollständig unhaltbar geworden sei, kann ich mich jedoch vorläufig noch nicht anschliessen. Es ist ja nicht unmöglich, dass die Alcaloide der schädlichen Lupinen, wenn sie mit allen Bestandtheilen dieser verzehrt werden, leichter zur Re­sorption gelangen, oder in ihrer schädlichen Wirkung sonstwie ge­steigert werden. Dass die mit den Alculoiden vergifteten Versuchs-Thiere durchgängig keine Gelbsucht zeigten, scheint kein ausreichender Grund zu sein, die Alcaloide von jeder Schuld an der Entstclumg der Lupinose unbedingt freizusprechen, dies um so weniger, als die Krank-heits- und Sectionserschcinungen im Uebrigen auf die nämlichen physio­logischen Störungen hinweisen. Nach dem Genüsse schädlicher Lu­pinen, so wie nach Verabreichung entsprechender Mengen der aus denselben gewonnenen Alcaloide, treten centrale Lähmungserscbei-nungen als die ersten Zeichen der Erkrankung auf; dieselben machen sich zunächst an den locomotorischen Muskeln, dann am llespirations-und Gcfässapparate bemerkbar. Der Tod ist die Folge einer stetig zunehmenden Verminderung der Herz- und Kespirationsthätigkeit, einer Abnahme der nervösen und muskulösen Erregbarkeit. Mit Kobert bin ich darin einverstanden, dass die Ansicht Dammann's unhaltbar sei, wonach der Tod in Folge einer Lähmung der Harn- und Gallon­blase eintreten soll. Ich habe bei Thieren, welohe au Lupinose ge-
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Die Lupinose der Schal'o; Aetiologle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 555
stürben waren, weder die Gallenblase, noch die Harnblase jemals Ubcr-mässig gefüllt, letztere zuweilen sogar ganz leer angetroffen.
An fler Thleramielschule zu Hannover wurden von Arnold und Lemke eine grösscre Anzahl (31) Versuche angestellt, um die Ursache der Lupinose zu erforschen. In der deutschen Zcitscliril't für Thiermedicin (Bd. VII, Ilel'l 4, Leip­zig 1881, S. 202 bis 205 haben die Berichterstatter die ludgerungen publicirt, welche sie aus ihren vorher mitgetheillcn Versuchen gezogen haben. Diese Fol­gerungen lauton:
1)nbsp; Pilze können nicht als „directequot; Ursache der Lupinose angesprochen werden, höchstens können sie indirect als ätiologische Factoren in Betracht koinnien.
2)nbsp; Das die Lupinose erzeugende Gil'l isC ein chemischer, in Wasser lös­licher und in Alkohol unlöslicher Körper.
Diese beiden Sätze werden etwa folgendermassen begründet:
Lnpinen, welche 14Tage lang unter 98 procentigem Alkohol gestanden hatten., erzeugten nach ihrer VerlÜUerimg imincr noch Lupinose; ebenso Lupinen, welche der Einwirkung eines gleich starken Alkohols 22 Tage, resp. sogar 4 Wochen lang ausgesetzt gewesen waren. Die Berichterstatter glauben, dass es nicht un­richtig ist, wenn man annimmt, dass Pilze unter der Einwirkung von 98 proo. Alkohol während eines Zeitraumes von 4 Wochen ihre Wirksamkeit verlieren. Wäre dies nicht der Fall, so müssten die Pilze, welche Lupinose erzeugen sollen, ganz besonders widerstandsfähig gegen Alkohol sein und somit eine Ausnahme von der allgemeinen Kegel machen.................
Wasser, welches mit Lupinen in (innigere) Berührung gekommen ist, stellt eine au Pilzen und Sporen reiche Flüssigkeit dar. Man kann deshalb nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Filze und Sporen, oder ein chemischer Stoff, der mit ausgelangt worden ist, die Lupinose erzeugt, habe, falls dies nicht in anderer Weise, als durch einfaches Auslaugen mittelst Wasser, klar gestellt worden sei. Da die Berichterstatter indess durch das vorhin angegebene Verfahren die Mikro­organismen getödtet zu haben glauben, so scbliessen sie, dass das Lupinosegift ein chemischer Körper sei, für welche Ansicht auch der Krankheitsverlauf und der Soetlonsbefund spreche.
Gelangen (pathogene) Filze in den Respirationsapparat, so zeigen sich auf­fallende pneumouisehe Zufälle. Erfolgt die Infection mit solchen Mikroorganis­men vom Verdauungsapparate aus, so treten gastrische Erscheinungen in den Vordergrund. Wenn aber das Blut der Träger dieser Organismen wäre, so würde dasselbe ganz andere Veränderungen aufweisen, wie dies in Wirklichkeit bei Lupinose der Fall ist. Auch würde man sicherlich mit den Jetzigen optischen Instrumenten den Lupinosepilz bereits gefunden haben. (?)
Die Berichterstatter citiren nunmehr folgende Angabe Ztirns (Vorträge für Thierärzte II, Serie, 7. lieft 1879 S. 21): „In den Lebern der an der gelben Leberentzündung gestorbenen Schafe findet man ganz entschieden .Mikrokokken, Oonldien, kurze Mycelien. Sie stammen direct oder indirect von den mit den Lnpinen verzehrten Uefallungspilzen und sie sind auch meiner (Zürn's) festen Ueberzeugung nach allein die Ursache der Leberentzündung.'quot;
Dagegen wird eingewendet, dnss mau diese oder gleich aussehende Mikro-
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556nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Lupinose der Schale; Aetiologie und Prognose.
kokken etc. auch in der Leber von Sohftfen findet, welche mit Lupinen gefüttert wurden, ohne an Lupinose gestorben zu sein..............
Die Beantwortung der Frage nach der speziellen Natur des Lupinoscgiftes überlassen die Berichterstatter den Chemikern.............
Die Thatsache, dass Lupinen einer Ackerfläche oft nur an gewissen Stellen dieser schädliche Eigenschaften besitzen, lasst die Berichterstatter vermuthen, dass hier etwas spezifisch Fremdartiges eingewirkt habe. Die Ansicht, dass ein Pilz ganz bestimmter Art die Lupinen befallen und das Gift erzeugt habe, könne nicht ganz unwahrscheinlich sein. Jedenfalls wirke der Pilz zersetzend auf die Eiweisskorper der Lupine, wodurch das neue, die Lupinose erzeugende Gift entstehe.quot;
Wenn aber auch die Alcaloido an der schädlichen Wirkung giftiger Lupinen mit betheiligt- sein sollten, so ist doch durch Kobert's und Liebscher's Versuche zuerst nachgewiesen worden, dass ein mittelst Glycerin aus giftigen Lupinen extrahirbarer fermentartiger Körper der eigentlichen Lupiuenkrankheit ähnliche oder gleiche Erscheinungen zu erzeugen verrnag. Professor J. Kühn hat fraglichen Körper Icterogen genannt und gefunden, dass derselbe auch durch Wasser ausgezogen werden kann. Es hat dies in so fern eine wichtige practische Be­deutung, als sich dadurch die von Schafbesitzern und Thlerärzten öfter gemachte Wahrnehmung erklärt, dass Lupinen, welche längere Zeit hindurch in kleinen Haufen im Felde gelegen hatten und öfter beregnet waren, keine Lupinoso verursachten, während auf demselben Felde gewachsene und gleichzeitig gemähte Lupinen, die gut ge­trocknet und ohne Eegon eingebracht worden waren, oft in hohem Grade giftig wirkten, indem ihr Genuss die Lupinenkrankheit bald zur Folge hatte.
Während domgemäss der giftige Körper durch Regen etc. aus­gelaugt wird, wird derselbe nach Kühn's Versuchen durch trockne Wärme nicht zerstört. Nachdem Liebscher gefunden hatte, dass auch durch Dämpfen der Krankheitserreger der Lupinose zerstört werden kann, hat Kühn gezeigt, dass geringere Grade der Dampf­spannung, wobei die Temperatur nur 100 bis 105 0 C. erreicht, zwar die Gefahr vermindern, dass diese aber erst sicher beseitigt wird, wenn das Dämpfen mehrere Stunden lang bei einer Atmosphäre Ueberdruck ausgeführt wird.
Die Vorhersage bei der einmal zum Ausbruche gekommenen Lupinenkrankheit der Schafe ist im Allgemeinen ungünstig, insofern die meisten offenbar erkrankten Thiere sterben, wenn das Uebel nicht sofort erkannt und die Fütterung der schädlichen Lupinen unverzüg­lich ausgesetzt wird. Mit arzneilichen Mitteln ist bis jetzt hieran
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Die Lupinose der Schafe und Pferde; Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 557
nichta zu ändern gewesen, so dass von einer modicinischen Behand­lung dieser Krankheit zur Zeit nichts zu erwarten ist.
Wichtiger ist die Vorbeuge, welche die sofortige Einstellung der Fütterung mit Lupinen erfordert, sobald diese bei dem einen oder anderen Schafe .sich als schädlich erwiesen haben. In wie fern die Extraction des Griftes durch Auslaugen oder Dämpfen in den verschiedenen Fällen ausführbar erscheint, ist von den vorhandenen Wirthschaftsverhältnissen abhängig.
In Bezug auf die giftige Wirkung schädlicher Lupinen bei anderen Hausthieren sei hier zunächst bemerkt, dass Kreisthierarzt Wegener 2 Pferde in Folge des Genusses von Lupinen in ähnlicher Weise wie Schafe erkranken sah. (Mittheilungen aus der thierärzt-lichen Praxis im preuss. Staate, 1870, S. 21.) Dieselben taumelten im Stalle herum, stützten zeitweise den Kopf auf die Krippe, knirschten mit den Zähnen und benahmen sich wie ganz dumme Pferde. Der Puls war hart und 60 — 64 mal in der Minute zu fühlen. Das Athmen geschah ruhig, die Kothentleerung war verzögert. Die Augenlidbinde­haut und die Maulschleimhaut zeigten eine auffallende Gelbfärbung; der Urin, welcher häufig in kleinen Portionen abgesetzt wurde, hatte eine dunkle Farbe. Die Pferde bekundeten eine auffallende Neigung, Streu, die von Urin durchtränkt war, zu verzehren.
Kalte Umschläge auf den Kopf, innerlieh Calomel und Glauber­salz, so wie Klystiere von kaltem Wasser führten Genesung herbei, nachdem reichliche Darraentloerungon eingetreten waren.
Es scheint demnach die Gefahr für Pferde weniger gross, als für Schafe zu sein, da bei diesen Genesung von der Lupinenkrankheit nur selten erfolgt, sobald Eingenommenheit des Kopfes sich deutlich bemerkbar macht. Wenn aber die Fütterung von Lupinen sofort ausgesetzt und ein anderes gesundes und geeignetes Futter verab­reicht wird, sobald die ersten Erscheinungen der Krankheit sich zeigen, dann tritt auch bei Schafen häufig Genesung ein, ohne dass eine modicinische Behandlung eingeleitet wird.
Unter dem Pferdebestande einer Domäne sah Wegener (1. c. 1880, S. 27) 9 Pferde in Folge der Fütterung von Lupinen, welche wegen Heumangels gegeben wurden, erkranken. Bei sämmtlichen Patienten machte sich grosso Schwäche und auffallende Eingenommen­heit des Kopfes bemerkbar, so dass die Thiere sich wie dummkollerig benahmen. Zwei Pferde, bei denen die Schwäche einen so hohen Grad erreichte, dass sie nicht mehr zu stehen vermochten, erlagen der Krankheit. Ausser diesen Erscheinungen war meistens noch Ver-
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Die Lupinoso der Pferde und des Rindviehs.
stopfung vorhanden. Dabei bestand in der Regel Frosslust fort, welche indess nur auf Heu, Stroh oder Dünger gerichtet war. Die sichtbaren Schleimhäute waren intensiv schmutzig-gelb gefärbt, dor Puls voll und frequent, 80 bis 100 Schläge in der Minute. Das Maul war heiss, die Zunge zuweilen weisslich belegt, laquo;die Körpertemperatur wechselnd. Dieser Zustand dauerte G, 8 bis 12 Tage, wonach all­mählich Gonesung eintrat. Bei dem einen verendeten Pferde ergab die Section dieselben Erscheinungen, welche bei den an Gelbsucht verendeten Schafen vorgefunden werden, denn das ganze Cadaver er­schien gelb gefärbt.
Bei einem 3/4 Jahre alten Yak-Bastarde des landwirthschaft-lichen Institutes der Universität in Halle a./S., welcher neben ge­wöhnlichem Kälberfutter abgenommene Milch von Kühen erhalten hatte, die durchschnittlich täglich 3 Pfd. gedämpfte Lupinenkörner empfingen, wurde am 5. Januar 1881 bemerkt, dass derselbe Abends keine Fresslust zeigte; am folgenden Morgen stand das Thier mit ge­senktem, gegen die Wand gestemmtem Kopfe im Stalle. Als man den Patienten von seinem Standorte wegschob, drängte derselbe tau­melnd nach vorwärts und rannte mit dem Kopfe gegen die Stallwand; bereits um 7 Uhr des nächstfolgenden Morgens trat der Tod ein.
Bei der 4 Stunden nachher vorgenommenen Section fand ich im Wesentlichen Folgendes:
Die Leber war an ihrer Oberfläche und auf der Schnittfläche ziegelroth, nahm aber an der atmosphärischen Luft alsbald eine gelbe Farbe an. Alle übrigen Befunde waren ähnlich wie bei Schafen, welche an den Folgen der Lupinose zu Grunde gegangen sind. Auch hier habe ich einige Mal bei Sectionen, welche bald nach Eintritt des Todes vorgenommen wurden, ähnliche Farbenveränderungen an der Leber eintreten sehen.
Der mikroskopische Befund ergab die nämlichen Veränderungen des Lcberparenchyms wie bei der Lupinenkrankheit der Schafe.
Unter ähnlichen Erscheinungen starb in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1881 in demselben Stalle ein 10 Tage altes Kalb, das nur die Milch seiner Mutter verzehrt hatte. Letztere hatte täg­lich ein massiges Quantum gedämpfte Lupinen erhalten.
Bei der am 29. Januar, Vormittags 10 Uhr vorgenommenen Section fand ich an der Oberfläche des Cadavers eine allgemein vei--breitete leichte Gelbfärbung. Die Leber war an ihrer ganzen Ober­fläche , so wie auf den Schnittflächen deutlich gelb gefärbt. Das Leberparenchym war mürb, jlic Leberzellen z. Th. hochgradig fettig
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Die Lupinose etc. Vorbeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;559
clcgenerirf, zum Tlieil in einen körnigen Detritus zerfallen. Von einer acinösen Anoi-dnung der Loborzellen war keine Spur mehr zu finden.
Diesen mikroskopischen Befund fand ich bei dem am (3. Januar seeirten Yak-Bastard in sehr ausgeprägter Weise.
Um die Gefalyen der Lupinenfütterung zu beseitigen, hat Prof. Kühn zunächst empfohlen, aus denselben Braunheu zu bereiten. Das Verfahren glaubt er nicht weiter empfehlen, sondern Folgendes einer näheren Erwägung und Prüfung anheimgeben zu sollen:
„Man lege den Schwerpunkt des Lupinenbaues in die Körner-gewinnung, weil die Houbereitung aus grünen Lupinen die grösste und am schwersten zu beseitigende Gefahr einschliesst. Dabei ist zu beachten, dass die früher empfohlene weisse römische Lupine bei der klimatischen Beschaffenheit von Mittel- und Nord-Deutschland keiner­lei Vorzüge vor der gelben oder blauen Lupine bietet, sondern später und in minder günstigen Jahren nur sehr unvollkommen reift. Die Lupinenkörner sollen zur Sicherung vor jeder Gefahr niemals unprä-parirt verabreicht werden. Wo nur ein gewöhnlicher Futterdämpf-apparat vorhanden ist, in welchem die Erwärmung nicht über 105 u C. gesteigert werden kann, da wende man die von Dr. Oscar Kellner empfohlene Präparationsmethode an: 24stündiges Einquellen, Istündi-ges Dämpfen und 2tägiges Auslaugen unter öfterem Umrühren und Erneuern des mit den aufgelösten Substanzen geschwängerten Wassers. Die Körner ergeben bei dieser Methode allerdings 15—200/o Verlust an Trockensubstanz, welcher jedoch bei reifen Körnern die minder werthvollen stickstofffreien Extract Stoffe betrifft. Diese Verluste an Nährstoffen werden aber reichlich aufgewogen durch eine gesteigerte Verdaulichkeit und eine vortheilhafte Einwirkung auf die Verdauung der in dem beigegebenen Kauhfutter enthaltenen Rohfaser.
Bei den bezüglichen Versuchen Külm's -wurden die nach der Kellner'schen Methode behandelten Lupinenkörner von Schafen, Ziegen und Rindern sehr gern gefressen und selbst von Pferden und Eseln willig aufgenommen. — Bei Milchkühen ward die Tagesgabe pro 1000 Pfund Lebendgewicht auf 8,5 Pfund gesteigert, ohne dass sich auch bei einer längere Zeit anhaltenden Fütterung irgend welche Störungen der Gesundheit ergaben. Die Milchsecretion war quanti­tativ recht befriedigend und die Qualität von Milch und Butter aus­gezeichnet gut.
Wo ein Dämpfapparat fehlt, kann einstündiges Kochen anstatt des einstündigen Dämpfens in Anwendung kommen.
Das Lupinenstroh dürfte am zweckmässigsten zur Einstreu im
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Die Luplnose eto, Vorbeuge; Roloffs Mitthellungen.
Kuhstalle verwendet und das dadurch ersparte Getreidestroh ver­futtert werden. Lässt sich aber die Verabreichung des Lupinenstrohes nicht umgehen, so prüfe man zunächst bei einigen Thieren, ob es schädlich wirkt. Zeigt sich Lupinose, so dämpfe man dasselbe mit 1 Atmosphäre Uebei'druck, oder setze es vor der Fütterung längere Zeit der Einwirkung des Regens aus, indem man es in kleinen Häuf­chen , oder in dünner Lage im Freien ausbreitet. Ebenso verfahre man mit unreifen Lupinen, wenn solche verfüttert werden müssen.
Der mit langer Ackerlage und Auslaugen halbreifer Lupinen verbundene Stoffverlust ist stets erheblich; die im reifen Zustande geernteten Lupinen werden bei rationeller Behandlung immer eine höhere Bodenrente gewähren, selbst wenn das Stroh nur zum Streu-werthe veranschlagt wird.
Kühn ist der Ansiebt, dass bei entsprechender Behandlung die Lupine von ihrem Anbauwerthe nichts verloren habe, sondern dass nur eine etwas grpssere Vorsicht bei ihrer Kultur und Verwendung erforderlich sei. So bleibe sie nach wie vor eine der einträglichsten Nutzpflanzen des Sandbodens.
Zufolge Verfügung des landwirtlisoliaftlichen Ministeriums in Berlin hat nachstehende vorliiiifige Mittheilung RololT's aus No. 91 der deutschen landwirth-schaftlicheu Presse durch andere landwirthschaftliche Blatter eine weitere Ver­breitung gefunden:
Die in der Tlnerarzneischule zu Berlin angestellten Untersuchungen und Versuche haben gezeigt, dass die in der Regel durch Lupinenfütterung verur­sachte acute Gelbsucht (sogenannte Lupinose) der Schafe theils mit der acuten gelben heberatrophie, theils mit der acuten Phosphorvergiftung beim Menschen übereinstimmt. Der Ausgang der Krankheit ist der Tod binnen 8 bis 14 Tagen, oder eine unvollständige Genesung mit stellenweisem Schwund der Leber; sel­tener erfolgt vollständige Genesung. Manche Lupinen sind so giftig, dass reich­lich '/^ Pfund Schalen oder 1 Pfund Körner, oder 4 Pfund (Lupinen) Heu bei einem Schafe eine tödlliche Erkrankung hervorrufen und dass nach dem Genuss von 1 Pfund Stroh, oder von 7laquo; Pfund Körner schon eine auffallende Erkrankung, wenn auch nicht mit tödtlichem Ausgange entsteht. Bei fortgesetzter Fütterung mit Lupinen, die in geringerem Grnde sclüidlich sind, entsteht hauptsächlich eine interstitiellc Leberentzündung, mitunter auch eine entzündliche Anschwellung der Lippen, der Ohren u. s. w. Der Harn enthält regelmässig GallenfarbstolT, meist auch Eiweiss. Bei der Section finden sich ausser der Gelbfärbung zahlreicher Korpertheile, insbesondere der Leber und des Zellgewebes unter der Haut, blutige Flecke an verschiedenen Thcilen und trübe Schwellungen der Leber, der Nieren, des Herzens, der Muskeln und der Milz.
Die Schädlichkeit der Lupinen wirkt auf Pferde, Ziegen und Hunde ebenso wie auf Schafe. Das Beifutter und andere äussere Verhältnisse — Beschaffenheit des Stalles u. s. w. — haben auf die Entstehung der Krankheit keinen erheb-
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Die Luplnose nach Roloff'a Mittheilungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^(Jl
lallen Einiluss. Die giftige Siiljstanz der Lupinen ist In Aether, In Alkohol und in Ulyocrin uiclit luslicli; sic ist mir wenig loslich In reinem oder angesäuertem Wasser, dagegen leielit löslich in nlknlisclier Flüssigkeit, z. B. in einer Iprozen-tlgen Lösung von kohlensaurem Natron. Durch östttndlge Elrbitzupg der Lupinen auf 120quot; C, so wie durch istttndiges Dämpfen hei 1 — l'/j Atmosphäre Ueher-drnck wird die gil'tige Substanz abgeschwächt, aber nicht aufgehoben; in dem' beim Dämpfen äberdestiilirenden Wasser ist ein Tlieil der giftigen Substanz ent­halten. Längeres Lagern der Lupinen an einem trockenen Orte scheint die Schäd­lichkeit eher zu vermehren, als zn vermindern, Danach ist die giftige Substanz vermuthiioh eine organische Säure, oder ein Qlycosid. Die erste auffallende Krankheitserscheinung ist: Verminderung des Appetits, besonders auf Lupinen. Gleichzeitig ist eine Erhöhung der Körpertemperatur zu constatiren. Sind die Lupinen sehr giftig, so zeigen sieh die genannten Symptome schon binnen 24 Stun­den und der Appetit verschwindet dann bald vollständig. Danach wird die Gelb­färbung der Augen und der Maulschleimhaut sichtbar. Ansserdem treten dann noch nervöse Erscheinungen n. s, w. hinzu. Der Roth Ist gewöhnlich hart und mit Schleim, der öfter blutig erscheint, umblüll. In anderen Fällen, wenn die Lupinen weniger giftig sind, behalten die Thiere etwas Appetit auf andere Futter­stoffe; die Gelbfärbung findet sich später ein, oder dieselbe bleibt ganz aus und es zeigt sich nur eine höhere Köthimg der Augen, In wieder anderen Fallen verzehren die Schafe auch die Lupinen eine längere Zeil mit Appetit, magern dabei aber allmählich ab. Schafe, die von der Lupinose anscheinend genesen sind, erkranken'Um so leichter, wenn sie von Neuem gil'tige Lupinen erhallen.
Ob Lupinen schädlich sind oder nicht, ist denselben nicht anzuseilen. Höchst'giftige Lupinen können ein untadelhaftes Aussehen haben, während an­dererseits sehr schlecht aussehende, verschimmelte oder halb verfaulte Lupinen unschädlich sein können. Da nun die giftige Beschaffenheit der Lupinen überall vorkommen kann, wo von jeher Lupinen In grosser Quantität ohne Nachtheil verfüttert sind, so empfiehlt es sich, um grosse Verluste zu verhüten, in Jedem Jahre zunächst eine Probefütternng bei einigen Schafen vorzunehmen, und da nicht selten Lupinen von einem Schlage unschädlich. Lupinen von einem anderen Schlage derselben Wirthschaft bingegen höchst giftig sind, so müssen die Lu­pinen der verschiedenen Schläge zunächst versuchsweise verfüttert werden. Zu den Probefütterungen eignen sich am meisten die Schalen, da diese gewöhnlich die giftigsten Theile der Pflanzen sind.
Ein Mitlei, die giftigen Lupinen sofort unschädlich zu machen, oder die Krankheit bei den Schafen zu heilen, ist noch nicbl bekannt, Das Dämpfen kann geniigen, wenn die Lupinen in geringerem Grade giftig sind, reicht jedoch nach fraglichen Versuchen der Berliner Schule nicht in allen Fällen aus. Die Erfahrung lehrt jedoch , dass selbst sehr giftige Lupinen zuweilen unschädlich werden, wenn sie eine Zeit lang der Einwirkung der atmosphärischen Luft aus­gesetzt bleiben, namentlich in kleinen Haufen im.Freien liegen. Dieses Ver­fahren würde sich mithin empfehlen. Da dasselbe aber nicht absolut sicher wirkt, so muss der Verfütterung der Lupine an die Herde zunächst wieder eine Probe-fültening vorangehen,
Schliesslich wird noch bemerkt, dass .nach gemachten Mittheilnngen von anderer Seite Erbsen und Bohnen in einzelnen Fällen eine der Lupinose ganz ähnliche, wenn auch weniger acute Erkrankung bei Schufen verursacht haben. Pütz, Iiehrbtidi dor aniteoksoden Thterbraukbettbu,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 36
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j(j2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I^^' weissi' Rulir der Kälber; Kranhheltsersoheinungen.
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23. Die weisse Ruhr der Kälber.
Die weisse Ruhr der Kälber ist eine in der Regel enzootisch auftre­tende rnf'ectionskrankheit, welche in den einmal inficirten Stallungen meist längere Zeit hindurch alle neugeborenen Kälber tödtet. In der Mehrzahl der Fälle werden die Thiere innerhalb der ersten 72 Stunden nach ihrer Geburt von dieser Krankheit befallen. Dieselbe erscheint plötzlich in diesem oder jenem Rindviehbestande, ohne dass irgend eine bekannte Aenderung in den öconomischen Verhältnissen, sei es in Bezug auf Diät oder auf andere sanitarische Einrichtungen voraus­gegangen ist. Sie vernichtet manchmal einige Jahre nach einander sämmtliche in der betreifenden Localität zur Welt kommenden Kälber und verschwindet dann mit einem Male in eben so räthselhafter Weise, wie sie gekommen ist.
Es ist ein Verdienst Franck's, die bis dahin in der thierärzt-lichen Literatur zerstreuten Mittheilungen über diese räthselhafte Krankheit gesammelt und (in seiner Geburtshilfe Berlin 1876 S. 587 bis 593) von neuen Gesichtspunkten aus übersichtlicher geordnet zu haben. Ich folge hier im Wesentlichen fraglicher Darstellung.
Die wichtigsten Krankheitserscheinungen sind folgende :
Die Kälber trinken in der Regel l- bis 3mal nach ihrer Geburt ganz gut, hören dann meist plötzlich auf, Nahrung zu sich zu nehmen, indem ein heftiger Durchfall sich einstellt. Es ist jedoch keineswegs selten, dass die Kälber zum Theil bereits unmittelbar nach der Ge­burt und zwar noch bevor sie getrunken haben, an Durchfall leiden; die Darmausleerungen sind anfangs gelb, nehmen aber bald eine weiss-liche Farbe und einen süsslich faidigen Geruch an. Die Patienten liegen fast beständig und zeigen wenig Aufmerksamkeit für das was in ihrer Umgebung passirt. Die Augen treten tiefer in die Augen­höhlen zurück und indem das Schlingen erschwert oder ganz unmög­lich wird, stellt sich Speichelfluss ein, wodurch die untere Fläche des Kopfes mehr oder weniger feucht erhalten wird. Da der Durchfall durch kein bis jetzt versuchtes Mittel gestillt und dem Fortschreiten der Krankheit nicht Stillstand geboten werden kann, so sterben die Patienten meist innerhalb 24 bis 48 Stunden, selten erst im Verlaufe des 3. Tages nach Eintritt der Krankheit; der Kothabsatz erfolgt gegen das Ende des Leidens unwillkürlich und das Leben erlischt ohne wahr­nehmbaren Todeskampf. In denjenigen Fällen, wo die Kälber bereits mit oder unmittelbar nach der Geburt an Durchfall litten, pflegt
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Die weisse Rulir ilcr Kälber; Sectlonsbefund, Ursnchon unil Prognose, 503
der Tod schon früher, d. h. innerhalb der ersten 24 Stunden einzu­treten. Nur selten kommt ein Patient mit dem Leben davon, und wenn es einmal geschieht, so wird derselbe am besten getödtet, da die Reconvalescenz sich ungemein in die Länge zieht und die Ent­wicklung des Thieres ganz bedeutend stört.
Bei der Section findet man hochgradige Blutarmuth der Ver­dauungsorgane; die Schleimhaut des Labmagens ist schmutzig gelbroth, ödematös und in den Falten mit stecknadelkopfgrossen Bliituuterlaufungen besetzt; die Damischleimhaut ist von einer dünnen Lage einer eiter-ähnlichen Schmiere überzogen. Die Leber ist klein, blass-lehmfarbig, blutarm, die Gallenblase fast leer, geschrumpft, die Milz normal. Die Lungen sind Heckig geröthet, überall aber lufthaltig, beide Herz­hälften mit dunklem, geronnenem Blute erfüllt, unter dem serösen Ueberzuge des Herzens (Epicardium) sind kleine Blutunterlaufungen (lükchymosen) vorhanden. Das Gehirn ist auffallend blutarm, während das venöse Gefassnetz (Wundeme(z) an der Schädelbasis von geron­nenem Blute strotzt; die Seiten Ventrikel des grossen Gehirns sind aus­gedehnt und mit klarem Serum erfüllt.
Bei mikroskopischer Untersuchung des Inhaltes von Labmagen und Dünndarm findet man, dass derselbe eine ungeheure Menge Mi-krokokken und Bacterien enthält, während im Blnte und in der Leber solche fehlen und auch sonst nichts besonders Abnormes gefunden wird, wenn man von der theilweisen Erfüllung der Leberzellen mit Fetttrüpfchen absieht. Ein molecnlärer Zerfall der Leberzellen, wie er bei anderen Infectionskrankheiten nicht selten angetroffen wird, ist bei der weissen Ruhr dor Kälber nicht vorhanden.
Die ursächlichen Verhältnisse dieser Krankheit sind zur Zeit noch wenig erkannt; ob die im Magen und Darminhalte so massen­haft vorhandenen Mikroorganismen die eigentlichen Krankheitserreger sind, muss noch näher ermittelt werden. Sollte dies der Fall sein, so müssten dieselben den jungen Thieren bereits im Mutterleibe (etwa durch das Schafwassor) zugeführt werden, da ja manche Kälber die Krankheit mit zur Welt bringen, somit den Krankheitskeim schon in sich tragen, bevor sie Milch getrunken, oder atmosphärische Luft ein-geathraet haben.
Die Vorhersage ist dem bereits geschilderten Kranhheitsverlaufe gemäss absolut ungünstig; die Seuche vorschwindet zuweilen nach einigen Monaten, meist jedoch erst nach l bis 3 Jahren.
Jede medicinische Behandlung dieser Krankheit hat sich bis jetzt als nutzlos erwiesen; von dem Gebrauche flüssiger Eingüsse musa
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Die
llnlir dor Kälber: Ucliamilung und Vorbeuge,
man döshalb uin so mehr abätelieiij als das Schlingen orschwort und dadurch jedes gewaltsame Eingeben von Arzneimitteln gefährlich ist. Am ehesten noch Hesse sieh von dem tleissigen Qebrauohe antipara­sitärer Clystiere etwas erwarten. Wer also gern ein Mittel versuchen will, der möge grössere Mengen einer 2- bis Sprooentigen Carbol-sänrelösung, oder einer Iprocentigen Salicylsäurelösung durcli den Mastdarm mittelst eines Trichters (und Guinmisehlauches mit Ansatz-rohr) In den Vordauungaapparat einführen, Es sei hier daran erin­nert, dass auf diesem Wege, namentlich bei vorhandenem Durchfalle. Flüssigkeiten bis in den Magen vordringen können, während dies hei vorhandener Verstopfung schwor oder gar nicht möglich ist.
Bei unserer Ohnmacht der einmal vorhandenen Krankheit ge­genüber gewinnt die Verhütung derselben eine um so grössere Be-deutnug. Eins der wirksamsten Mittel ist das frühzeitige Entfernen trächtigen Kindviehs aus dem iuficirteu Stalle ; erfolgt die Dislocation etwa ti bis 9-Wochen vor Ablauf der Tragezeit, so ist der Erfolg ein ziemlieh sicherer; die neugeborenen Thiere bleiben dann in der Kegel gesund, vorausgesetzt, dass der neue Aufenthaltsort nicht eben­falls infieirt wurde. Will mau den Krankenstall desinficiron, so empfiehlt es sich, den Boden etwa 80 Gtm. tief auszugraben und weit weg zu führen. Alsdann desinfieire man in der bei der nächstfolgenden Krank­heit angegebenen Weise. Am besten wird dies geschoben können zu einer Zeit, wo man die sämintlichen Stallinsassen auf die Weide treiben kann.
KolmV muclit ii. den „MiUlieilungen uns der Ihierärztlichen Praxisquot;, Berlin 1875, S. 11!) bis 121, folgende Angaben:
„An Dnrclifall der Kälber gingen in manchen Wirthschalten sehr viele Thiere zu Grunde. Unzweil'elhaft kann (\n: Krankheil durch verschiedenartige Si'hüdliclikciten, namentlich auch durch unpassende Fütterung dor Muttertliiere kurz vor und nach dem Gebären hervorgerufen werden. Ausserdeni kann der Durchfall, der dann ruhrartig ist, aber auch durch ein Stallmiasmn verursacht sein. Die Krankheit iriit dann zuweilen plötzlich In einem Stalle auf, versohvlndpi auch wohl naoh einiger Zeil wieder, ohne dnss in der Krnährung der Kühe eine Veränderung stattgefunden hat.
In einem Falle wurde Referent consultlrt, nachdem In einem grossen Stalle ungefähr 8 Wochen Inns alle in der Zeit geborenen Kälber zu Grunde gegangen waren, Die Kälber wurden am zweiten Tage nach der Gebnrl meist, plötzlich sehr unruhig, blockten, zeigten grosso Schmerzen im Leibe, Indien keinen Appetit, entleerten ganz, belle wässerige Exereinenle und starben Im Laufe von 24 Stunden. Arzneimittel, auch starke Dosen Opium, waren wirkungslos. Es wurde (1 hihi den neugeborenen Kälbern verdünnte Milch, wieder anderen gar keine Milch' sondern Haferschleim mit Eiern gegeben, aber auch diese erkrankten und starben s8.....ii
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Uic weisse Ruhr der Kälber; Behandlung und Vorbeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 565
Hell. Du iiuch dus Futter der Kiilic ein ganz pnsseiulos war (diese erhielten pi'O Stück und Tng !J0 .Uelzeu Hüben. 1 Pfund (lelkuclieii. 2 Pfund Miil/.keivne. nach dem Früh- und Mittagsfuttei' satt Heu, nach dem Abendfntter Stroh und 1 his !''._gt; Loth Salz), so vermuthete Referent, duss ein .Stallnüasma die Ursaclie der Krankheit sei und empfahl, flie Kühe vor dem Altliallieu in einen anderen trockenen und luftigen Stall zu bringen. Dieses Verfahren hatte nach einer dem Referenten zugegangenen brieflichen Nachricht den gewünschten Erfolg; die indem anderen Stalle geborenen Kälber blieben gesund.
In einem zweiten Falle trat die Krankheit im Stalle bald mich Neujahr 1874 ganz plötzlich auf. Die Kälber kamen anscheinend gesund zur Welt, er-krankten aber ebenfalls um zweiten Tage und gingen regelnüist-ig zu Grunde.
Versuchsweise erhielten einzelne neugeborene Kälber gar keine Milch von ihren Müttern, sondern Milch, die von nenmilchemlon Kühen in anderen btällen, wo die Krankheit nicht herrschte, entnommen war, aber umsonst; am zweiten Tage trat die Krankheit ein. Ks wurde die Fütterung der Kühe, geändert, na­mentlich weniger .Schlampe gegeben, aber auch ohne Erfolg.
In einem dritten Falle waren in einem grossen Stalle schon seit längerer Zeit sämmtliche Kälber an heftigem Durchfalle gestorben. Die Fütterung der tragenden Kühe war wiederholt und in verschiedener Art abgeändert worden, aber ohne Erfolg, Ja, es halte sich mehrere Mal sogar bei solchen Kälbern, die noch gar keine Muttermilch bekommen, überhaupt noch keine Nahrung erhalten halten, tödtlicher Durchfall eingestellt: ein sicherer Beweis, dnss der Gennss der Muttermilch nicht die Ursache der Krankheil war. Es wurde hier auch die Trans-locirung der hochtragenden Kühe in einen anderen passenden Stall empfohlen und der Erfolg war ebenfalls ein sehr günstiger.quot;
Es kommen indess FB.lle vor. WO auch die Dislocation der tragenden Kühe ohne den gewünschten Erfolg bleibt, wie sich ans folgender briellichen Mitthei-lung vom 8. Februar 1882 des Bezirksthlerarztes llosaeus in Sondershausen ergibt: ..Auf einem Gute im Bereiche meiner Praxis sterilen seit Herbst vergangenen Jahres alle neugeborenen Kälber und zwar unter den Erscheinungen der „weissen Ruhrquot;, Die Kälber wurden ineist den zweiten, selten den dritten Tng nach ihrer Geburt krank, hatten keinen Appetit, bekamen Durchfall und starben. In 3 Fällen starben die Kälber ohne, gesäugt zu haben. Die Section ergab die bekannten Erscheinungen ; im Magen (der erst nach Aufnahme von Milch erkrankten Thiere) geronnene Milch mit Käseklumpen, die Schleimhaut bisweilen ödematbs, gelb-roth und mit einzelnen Ekchymosen besetzt. Der Darmtractns war leer, zeigte Injectlonsröthe u. a. w,
Die Behandlung der Kälber war erfolglos, obwohl die ganze Reihe von Medicamenten, welche empfohlen sind, an die Reihe gekommen ist.
Vor 2 Jahren herrschte auf dem nämlichen Gute dieselbe Calamität; letz­lere hörte indess auf, nachdem jede hochtragende Kuh wöchentlich zweimal eine milde Laxans und jedes Kalb einen Löffel voll Ricinusöl erhalten hatte. Ob das zufriedenstellende Resultat (lieser Rehandlungsweise zu danken, oder sonstigen Veränderungen zuziischreibeii Ist, weiss ich nicht: aber das Sterben der Kälber hörte von da ab auf, obgleich vordem Verschiedenes (ohne Erfolg) probirt worden war.
Gegenwärtig hilft Alles nichts. Die hochtragenden Kühe sind vom siebenten Monal Ihrer Tüchtigkeil ab in einem anderen Stalle untergebracht und separirt
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566 quot;'e wdsse Ruhr rttT Kälber; pernlclöser Durohfall bei Lämmern.
worden ; vorgestern hat die erste dort nntergeliriielite Kuli gekalbt und heute ist das betreffende Kalb unter denselben Ersclicinungen (wie die rrühemi, an weisser Ruhrquot;) gestorben.quot;
Schliesslich sei nocli bemerkt; dass auch bei neugeborenen Läm­mern zuweilen ruhrartige Durchfälle onzootisch beobachtet worden sind; dieselben zeigten sich eben so vorderblich, indem die kranken Lämmer meist am ersten, seltener am zweiten Tage nach ihrer Ge­burt starben. Eine Aenderung der Fütterung, bittere Mittel und Eisenpräparate sollen dem Uebel Schranken setzen.
Die weisse Ruhr ist dem Vorstehenden gemäss eine sehr ver­derbliche Krankheit. Dieselbe spielt in nationalöconomischer Hinsicht eine nicht unbedeutende Rolle, indem sie in manchen Wirthschaften die ganze Nachzucht, oder doch einen grössoren Theil 'derselben längere Zeit hindurch, zuweilen mehrere Jahre lang, vernichtet. Bei dem Dunkel, -welchos bis jetzt noch über die Ursachen und das Wesen derselben herrscht, ist sehr zu wünschen, dass in vorkommenden Fällen Thierbesitzer und Thierärzto möglichst darauf Bedacht nehmen, der Erforschung joner näher zu treten.
Seit neuerer Zeit kommt in den hiesigen Zuckerwirthschaftcn stollenweise unter orwaelisenen Schafen eine ähnliche Krankheit vor. Diese tritt plötzlich unter den Erscheinungen eines heftigen Durch­falles ein, dorn bereits nach einigen Stunden dor Tod zu folgen pflegt. So weit meine bisherigen Erfahrungen reichen, glaube ich als Ursache die Fütterung verdorbener Rübonschnitzel betrachten zu müssen. Der aus den betreffenden Schnitzeln gepresste Saft enthält Bactcrien und Mikrokokken (Oedeinbacterion Kochs ?) in grosser Menge und wirkt innerhalb 24 Stunden nach subeutaner Injection bei Schafen tödtlicli. Milzschwellungen fohlten bei allen mir zugänglich gewesenen Sectioncn. Später hierüber an einein anderen Orte Näheres.
24. Das euzootische Verkalben der Kühe.
Wenn schon das vereinzelt auftretende (sporadische) Verkalben unangenehme Verluste zu verursachen vermag, so ist dies selbstver­ständlich in weit höherem Maassc dann der Fall, wenn in Rede stehendes Ereigniss in einem grüsseren Viehbestände so häufig vorkommt, dass dadurch nicht nur die Nachzucht, sondern auch die Milchnutzung mehr oder weniger vollständig ausfällt, oder doch erheblich vermin­dert wird. Und dies scheint in neuerer Zeit weit und breit viel
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Dns enzOOtiSoUe Verkalbeu der Kühe; Vorboten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;567
häufiger der Fall zu sein, als in früheren Zeiten. Die Ursache dieses seuehenartigen Verkalbens scheint ein Infectionsstoff zu sein, dessen Natur gegenwärtig noch sehr dunkel ist. Es ist bekannt, dass Abortus durch verschiedene Dinge, so z. B. durch mechanische Insulte, durch den Genuss verdorbener Futtermittel u. dergl. m. verursacht werden und dass im letzteren Falle das Uebel auch eine grössere Ausbreitung in zahlreichen Viehbeständen erreichen kann, wenn alle Thiere gleich-massig mit dem schädlichen Futter ernährt werden. (S. Franck, Ge­burtshilfe, S. 268 bis 278.)
Aber auch dieses häufigere Vorkommen des Abortus ist nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen enzootischen Verkalben, das weniger durch Vermittlung der Verdauungs- (und Respirations-) Or­gane, als durch Vermittlung des Geschlechtscanalos zu Stande zu kommen scheint. Bevor wir indoss diesen Punkt weiter verfolgen, wollen wir uns mit den Erscheinungen bekannt zu machen suchen, welche dem Verkalben in den verschiedenen Fällen vorauszugehen, resp, dasselbe zu begleiten pflegen.
Das enzootische Vorkalben wird im Allgemeinen, oder besser gesagt in jedem Einzelfalle, durch folgende Vorboten eingeleitet:
Die Schleimhaut des Geschlechtscanales erscheint höher geröthet, von stärker gefüllten Blutgefässen durchzogen und mit kleinen, hirse-korngrossen Kuötchen besetzt. Alsbald stellt sich ein spärlicher Schleimfluss ein, wodurch der Schweif und die äussere Umgebung der Scham beschmutzt wird. Einige Tage später pflegt dann der Abgang einer in der Regel todten Frucht zu erfolgen, ohne dass zu deren Ausstossung besondere Anstrengungen von Seiten des Mutterthieres erforderlich sind ; die Bauchpresse tritt hierbei nur wenig, oder gar nicht auffallend in Tliätigkeit. Der Abgang der Frucht erfolgt natürlich um so leichter, je jünger, resp. unentwickelter dieselbe ist. Das Allgemein­befinden des Mutterthieres ist gewöhnlich nicht gestört, der Appetit regelmässig u. s. w. Dessenungeachtet pflegen etwa 8 Tage vor dem Eintritt des Abortus bei milchgebenden Kühen qualitative und quan­titative Veränderungen in der Milchsecretion sich zu zeigen; das Secret nimmt eine dem Colostrum ähnliche Beschaffenheit an, gerinnt beim Sieden und vermindert sich der Menge nach.
Die ausgeslosseiieii Kriiclite zeigen meist die Erscheinungen der Aspliyxie in verschieden hohem Grade. Dieselben sind nach Franck im Wesentlichen fol­gende: In den leichteren üraden ist das Athmen unregelmässig und mit einem rasselnden Geräusche verbunden; letzteresquot; ist die Folge von eingedrungener Flüssigkeit in die Luftröhre, resp. in deren Verzweigungen. Die Thiere haben
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.j(i8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Uquot;s enzootische Verkalben der Kühe; Asphyxie der Frucht.
Schleim im Maulo, mul meist einen kurzen, rasselnden, öfter wiederkehrenden Husten. Die sichtbaren öchleimhünte sind in der Regel sehr mit venösem Blute nlieii'iillt, nur in seltenen Füllen blasser, als gewöhnlich, die Zunge meist etwas angeschwollen und aus dem Jlanle hervorragend. Der Al'ter ist häufig mit ab­gegangenem Darmpeche beschmutzt. Asphyctisehe Thiere machen nur schwache raquo;der gar keine Bewegungen. Letzteres ist der Full, wenn die betreffenden Thiere seheintodt, oder wirklich todt sind. Heim Scheintude liegt das Junge wie todt da und wird deshalb In der Regel für wirklich lodt gehalten. Das einzige Merk­mal, wodurch in solchen Fallen das noch nicht erloschene Loben erkannt werden kann, ist die fortbestehende, wenn auch sehwache Thiitigkeit des Herzens. Man kann entweder den Herzschlag noch fühlen, oder die Herztöne (durch Anlegen des Obres an die Brustwand) hören. Das sicherste und gleichzeitig ein voll-koinmen gefahrloses Mittel, um festzustellen, ob das Herz sieb noch bewegt, oder nicht, bestellt darin, dass man eine feine, an einem Pole zugespitzte (gut des-inlioirte) Stricknadel dem betreffenden neugeborenen Thiere zwischen den Rippen bindurch von aussen in das Herz einsenkt. An deren nach anssen stehendem Theile erkennt man jede noch vorhandene selbst, schwache Bewegung des Her­zens deutlich. Da mit dem Erlöschen des Herzschlages der wirkliebe Tod ein­getreten ist, kann man auf die angegebene Weise die Diagnose auf Tod oder Scheintod sicher stellen.
Die Sectionserscheinungen von im Matterlelbe asphyetisch zu Grunde ge­gangenen Jungen sind ziemlich constant und leicht zu erkennen. Bei älteren Frttohten findet man fast ausnahmslos entleertes Darmpech in der das Junge unmittelbar umspülenden Flüssigkeit (in dem sogenannten Scliafwasscr resp. im Amniossacke). In der Nasenhöhle, Racbenhüble., öfters auch in der Luftröhre und deren Verzweigungen findet sich Amniosllnssiglieit, zuweilen mit Darmpech verunreinigt. Ausserdem sind, namentlich In der Lunge, unter dem Brustfelle, Herzbeutel und anderen serösen Hauten meist kleine Bbitunferlanfungen (Ekehymo-sen) vorhanden; dieselben können aber auch fehlen. Die Lungen sind meist mit Blut überfüllt, nur selten blutarm; letzteres ist nur dann der Fall, wenn die Er­stickung langsam und ohne Albmungsversuclie des Jungen erfolgt ist. (Wurde das Mutterthier geschlachtet oder fand eine starke Blutung aus den Gelassen der Frucht statt, so fehlt die Blutüberfüllung der Lungen des Neugeborenen eben­falls). Bei noch kleinen Rindesembryonen aus dem zweiten und dritten Monate, deren Mütter geschlachtet worden waren, fand Franck häufig sehr starke Hyperiimie oder Berstung der Leber und Blutungen in die Bauchhöhle oder in das Netz, neben grösscren oder kleineren Blntunterlaufungen in den Eibauten. Letztere kommen namentlich bei Fohlen oft iiiisserst zahlreich vor.
Dem sporadischen Abortus fehlen entweder alle Vorboten, indem plötzlich Wehen sich einstellen, denen alsbald der Abgang der Frucht folgt, oder es können in öolchen Fällen, wo verdorbenes Futter ver­abreicht worden ist, durch dieses Verdauungsstörungen in verschiedenem Grade verursacht worden sein.
Untersuchen wir nun, in welcher Weise das enzootische Ver-kalben in einem Rindviehbestande von einem Thiere auf das andere übertragen wird, so ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:
L
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lins enzootisoUs Verkalben dev Külu-; Aetiölogta.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;569
Es ist wahrscheinlich, dass der Schleim des Genitalcanales in-fectiöse Eigenschaften btssitzt. Derselbe ist zwar vollkommen geruchlos, enthält aber Mikrokokken in grosser Menge; selbige finden sich reich­lich in den zelligen Elementen, spärlich hingegen in der Flüssigkeit des Schleimes. Diese zelligen Gebilde, die vorzugsweise aus soge­nannten Schleimkörporchen, und aus ein- oder mehrkoinigen lymphoiden Zellen von sehr verschiedener Grosse, sowie auch wenig zahlreichen Pflasterepithelien bestehen, sind mit Mikrokokken stark durchsetzt. Man ist geneigt, diese Gebilde als die eigentlichen Erreger des enzoo-tischen Verkalbens anzusehen; nähere Untersuchungen werden hier­über hoffentlich bald näheren Aufschluss geben. Ebenso ist es der Zukunft vorbehalten zu ermitteln, ob der Ansteckungsstoff nur dem Schleime des Geschlechtscanales, resp. den mit demselben verun­reinigten Gegenständen anhaftet, oder ob derselbe auch in der Luft verbreitet ist. Letzteres ist schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil Mikroorganismen nicht ohne Weiteros durch Verdunsten ihres Vehikels, sondern erst dann in die Luft übergehen können, wenn ihr Vehikel eingetrocknet und staubf'örmig zerfallen ist, wozu in den Viehställen kaum Gelegenheit vorhanden ist. Wenn hingegen die Thatsache, dass das Verwerfen keineswegs in einer bestimmten Reihenfolge von dem einen Thierc auf ein benachbartes weiterwandert, sondern meist sprungsweise bald hier, bald dort in reichbesotzten grossen Stallungen auftritt, zunächst für die Flüchtigkeit des Krankheitserregers zu sprechen scheint, so lässt es sich doch auch leicht verstehen, dass ein fixes Krankheitsgift in jedem Viehbestande nach allen Richtungen hin leicht verschleppt werden kann, da ja hierzu vielfach Gelegenheit vorhanden ist. .Es ist wahrscheinlich, dass das enzootischo Verkalben dadurch bedingt wird, dass ein schädliches Etwas auf irgend eine Weise auf die Schleimhaut der Schamlippen gelangt, von hier aus weiter nach innen und zwar durch den Schleimpfropf des Mutter­mundes hindurch in die Gebärmutter vordringt und die Bedingungen einer weiteren normalen Entwicklung der Frucht vernichtet. Ob dieses Etwas rein contagiöser oder miasmatisch-contagiöser Natur ist, muss noch erforscht werden.
Erwähnt zu werden verdient, dass der Schleimpfropf während der ersten, so wie während der letzten Monate der Trächtigkeit am leichtesten von Mikroorganismen durchsetzt werden kann, weil der­selbe zunächst weich und wenig massig ist, dann aber an Umfang und Dichtigkeit zunimmt, um gegen das Ende der Trächtigkeit all­mählich wieder eingeschmolzen zu werden. Hierin liegt vielleicht der
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570 Das enzootisohe Verkftlben der Külie; Aetiolngie und Vorbeuge.
Grund, class die meisten Abortusfälle beim enzootisclien Vorkalben im zweiten oder dritten, oder aber im siebenten Monate stattfinden.
Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob das enzootische Verwerfen etwa durch Faulstoffe, so namentlich durch das Stecken-hleiben und Ausfaulen der Nachgeburt verursacht werden könne. Wenn auch zugegeben wird, dass durch Fäulnissfermente in einzelnen Fällen Abortus verursacht werden mag, so darf doch wohl als sehr wahrscheinlich angenommen werden, dass dieser Factor beim enzoo-tischen Verwerfen gar keine, oder doch nur eine sehr untergeordnete Rollo spielt. Man sieht ja unondlicb häufig die Nachgeburt bei einer oder mehreren Kühen in Stallungen ausfnulen, ohne dass in denselben enzootisches Verwerfen auftritt. Andererseits wird dies in grosser Ausbreitung in Viehbeständen angetroffen, die in jeder Hinsicht rein gehalten und gut verpflegt werden. Es sei hier noch erwähnt, dass beim Abortus die Frucht stets mit den Eihüllen ausgestossen wird, wenn jener in den ersten Monaten der Trächtigkeit einhütt, in welchen die Verbindung zwischen den Eihüllen der Frucht und der Gebär­mutter der Kuh noch keine so feste ist, als in späterer Zeit. Tritt der Abortus erst dann ein, nachdem jene Verbindung (zwischen Ca-runkeln und Cotyledonen) eine innigere geworden ist, so bleibt die Nachgeburt fast immer zurück.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Keim zum Abortus bereits beim Sprunge durch den Stier übertragen, so wie durch Thiere aus einem inficirten Stalle in bis dahin nicht inficirte Stallungen verschleppt werden kann. So theilt Franck (Zeitschrift für Thiermedicin, Doppelt­heft vom 20 April 1881, S. 21) mit, dass Reindl einen Stier beob­achtet habe, der, nachdem er Kühe belegt hatte, die einige Zeit vor­her abortirt hatten, vier bis dahin unverdächtige, d. h. aus nicht in­ficirten Stallungen stammende Kühe belegte, die alle 4 später abor-tirten. Am Penis des betreffenden Stieres waren kleine röthliche Knötchen vorhanden, wie sie in der Scheide der Kühe kurz vor P^in-tritt des Abortus angetroffen werden.
Kühe, welche abortirt haben, dürfen aus verschiedenen Gründen nicht früher wieder zum Stiere gelassen werden, bis sie vollkommen her­gestellt sind. Zunächst ist die Gefahr vorhanden, dass der betreffende Stier inficirt und durch diesen das Uebel weiter verbreitet werde; dann aber ist es auch ziemlich sicher, dass eine Kuh, welche nach enzootischem Abortus wieder befruchtet wird, bevor der Scheiden-ausfluss vollkommen beseitigt ist, nach 1 bis 8 Monaton abermals abortirt.
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Das cnzüotisclic Vorknlbcn der Kühe; Vorbeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;57 1
Um das Uobol in Stallungen, in welchen das enzootische Ver-kalben herrscht, möglichst in Schranken zu halten, hat sich bis jetzt eine frühzeitige Dislocation der trächtigen Thiere , und zwar bevor eine Erkrankung der Scheidenschleimhaut bei ihnen vorhanden ist, am besten bewährt. Wird diese Massregel sachgemäss ausgeführt, so dass nur Thiere dislocirt werden, welche noch nicht inficirt sind, und werden diese Thiere in einem nicht inficirten geeigneten Räume untergebracht, so ist der Erfolg recht häufig ein günstiger; leider aber ist die correcte Ausführung oft mit grossen Schwierigkeiten ver­bunden, oder gar unmöglich, insofern es an den erforderlichen Räu­men mangelt.
Da rechtzeitig und in geeigneter Weise dislocirtc trächtige Thiere von Abortus auch dann verschont bleiben, wenn sie genau dasselbe Futter erhalten, was den im inficirten Stalle verbleibenden und in Folge dessen verkalbenden Kühen verabreicht wird, so kann die Ur­sache des enzootischon Abortus in der Qualität und Quantität des Futters nicht gesucht werden.
Ein anderes Mittel gegen das enzootische Verkalben besteht in einer gründlichen Desinfection. Diese kann jedoch nur dann sofort als wirksam sich erweisen, wenn etwa noch vorhandene inficirte Thiere dislocirt, oder sonstwie unschädlich gemacht werden können. Bei der nothigen Ausdauer und Gründlichkeit dürfte aber selbst dann das Uebol noch häufig beseitigt werden können, wenn dasselbe schon Jahre lang in der betreffenden Localität geherrscht hat.
Als Desinfectionsmittel sind vielfach die schwefeligc und Schwefel-Säure , die Salpetersäure, die rohe Carbolsäure, so wie Aetzkalk-brei besonders empfohlen worden. Sehr bequem und billig ist die schwcfelige Säure. Man entwickelt dieselbe durch Verbrennen von Schwefel auf einem glühend gemachten Ziegelsteine oder Eisen. Die hierbei entstehenden Gase (SO2) besitzen einen stechenden Geruch und verursachen einen heftigen Reiz im Kehlkopfe, Stimmritzenver-schluss und bald darauf den Tod. Dieselben können deshalb nur zur Desinfection leerer Stallungen verwendet werden.
Bevor man die schwefeligc Säure entwickelt, müssen alle Thiere aus dem Stalle entfernt, der Dünger herausgeschafft, der Fussboden gründlich gekehrt und hernach mit Wasser abgeschwemmt werden; auch die Wände und Pfeiler, Raufen und Krippen, kurz, alle zu des-inficirende Gegenstände müssen mit Wasser bestrichen oder bespritzt werden, weil dieses die schwcfelige Säure sehr lebhaft absorbirt. Auf jeden Cubikmeter Stallraum verwendet man 20 Gramm Schwefel.
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,quot;,72 Dns enzootlsohe Verkalben der Kühe; Vorbeuge, Uio G-latüileohte.
Die entwickelten Gase liisst man etwa 0 Stunden lang bei fest ver­schlossenen Thliren, Fenstern und sonstigen Oeffnungen einwirken, worauf diese sämmtlich geöftnot und der betreffende Raum gut durch­lüftet werden muss, -bevor derselbe wieder mit Vieh besetzt worden darf.
Können die Thiero nicht aus dem Stalle entfernt werden, so mache man nach gründlicher Reinigung desselben folgende Riiuche-rungen: 100 Theile Salpeter ilbergiesse man in einem entsprechend grossen irdenen Gefässe mit 25 Theilen eines Gemisches aus Schwefel­säure und Wasser zu gleichen Theilen. Die sich bildenden Gase bestehen aus Salpeter- und ITntersalpetersäure, und können selbst von kranken Thieren ohne besonderen Nachtheil eingeathmet werden; sie sollen an desinficirender Kraft der sohwefeligen Säure bedeutend nach­stehen und müssen einige Tage lang wiederholt angewendet weiden.
Ueber den Gebrauch des Chlorkalks, des Aetzkalkes, der Carbol-säure etc. ist an anderen Orten die nöthige Anleitung gegeben worden, weshalb ich' in Bezug hierauf, um unnöthige Wiederholungen zu ver­meiden, auf das Sachregister verweise.
Die Desinfection muss sich auf alle Gegenstände erstrecken, welche Träger des Ansteckungsstoffes geworden sein können, aussei' den Stallräumen also auch sämmtliche Stall-Utensilien, Abzugscanäle und diejenigen Kühe mit umfassen, die bereits abortirt haben, oder inficirt sind. Die verunreinigten Schwänze und andere Körpertheilo werden mit einer 3prozcntigen Carbolsänrelösung abgewaschen, der Geschlechtscnnal mit Iprozontiger oder 2prozentigcr Carbolsäurelösung täglich einigemal ausgespritzt u. s. w. Dabei darf eine strenge Trennung der gesunden und inficirten Thiere von einander nie ver­säumt und ein Verkehr der Wärter beider Abtheilungen nicht ge­stattet werden.
Die Verabreichung innerlicher Arzneimittel ist ganz nutzlos. Auf die Vermeidung der Einschleppnng des betreffenden Infections-stoffes verwende man alle mögliche Sorgfalt.
25. Die Glatzflechte unserer Hausthiere und des Menschen.
Die Glatzflechte (Herpes tonsurans oder tondens) wird durch einen auf und in der äusseren Haut des Menschen und der Thiere schmarotzenden Pilz verursacht, welcher theils zwischen den Epidermis-zellen wuchert und diese in einen feinen Staub verwandelt, theils in die Haare und Haarbälge eindringt und in letzteren eine mehr oder
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Die Uhilzlleehtc unserer lliiustluorc mid ries Monsclccii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;573
weniger heftige Entzündung verursacht. Diese Haut-Pilzkrankheit (Uermato-Mycose) geht nicht selten von Thiercn auf den Menschen über. Nach Niemeycr lässt sich in den meisten Fällen durch sorg­fältige Nachforschungen positiv erweisen, dass diese Hautkrankheit dos Mensclien seltener von einem Mensclien auf einen anderen, als von TbiereQ auf Menschen übertragen wird. Die äussero Form dieser Hautaffection ist namentlich beim Mensclien sehr verschieden, so dass dadurch einzelne Formvarietäten als besondere Krankheiten imponirten und demgemäss mit besonderen Namen belegt wurden. In Folge dessen sind eine Menge Namen für diese Dermatomycose entstanden. Nicht nur Herpes tonsurana, sondern auch die ineisten Fälle von Herpes circinatiiSj so wie viele Fälle von Liehen circumscriptus, Impetigo figurata, Fityriasis rubra eircumscripta, Porrigo asbestina des Men­schen, beruhen (nach Niemoyer, Hebra u. A) auf der Entwicklung ein und desselben Pilzes.
Hebra gibt an (Virchow'a Pathologie Bd. III., Abth. 2, S. (54(3 Stuttgart iHTdj dass Fälle von Herpes tonsurans zu jeder Jahreszeit vorkommen, sich jedoch gewöhnlich in manchen Woeben auffallend häufen. Es trifft dies meist mit anhaltend feuchter Witterung zu­sammen. Dass überdies Massenerkrankungen auch unter anderen Umständen auftreten können, ist selbstverständlich, wenn nämlich für die Ausbreitung der Affection durch Ansteckung (in Erziehungs-In-stituten, Kasernen, Bcbulen etc.) besonders günstige Verhältnisse ob­walten.
Diese Krankheit kommt unter unsern Hausthicren am häufigsten beim Kinde, weniger häufig bei Hunden, noch seltener bei Pferden, Katzen und Ziegen, am seltensten aber bei Schweinen und Schafen vor. Sie ist gekennzeichnet durch scharf begrenzte, rundliche Flecken auf der äussoren Haut, welche im Durchmesser von wenigen .Milli­metern bis zu mehreren Centimetern variiren und oft in ziemlich regol-mässigen Zwischenräumen auseinander stehen, zuweilen aber auch zu-sammenflieHsen; letzteres ist besonders bei Pferden und Hunden we­niger selten, als bei den anderen Hausthieren. Im Anfange der Haut­erkrankung kann man zahlreiche Bläschen an den betreffenden Stellen der allgemeinen Körperdecke wahrnehinen, die eine übelriechende Flüssigkeit absondern: diese trocknet zu Borken ein, welche eine ver­schieden graue oder braune Farbe zeigen und asbest- oder lederartige Schuppen von manchmal 2 bis 8 mm Dicke bilden.
Die von Schuppen entblössten Hautstellen sind entweder frei von Schwellung und Verschwiirungsprozessen, oder aber es findet sich
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quot;,74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die (jrlatzllcclite unserer Ilmistliiere: Kranklieitsci'i-cheiMimgeii.
unter denselben eine eiternde Hautstelle; ja es worden die Borken sogar nicht selten durch Eiter abgestossen. Der Ausschlag zeigt sieh in der Regel zuerst am Kopfe und Halse, von wo aus er sieh über den Körper weiter zu verbreiten pflegt, wenn er sich selbst überlassen bleibt. Am leichtesten scheint derselbe bei Thieren mit dunklen Haaren sieh auszubreiten; weisse Haare werden weniger leicht zer­stört als dunkle. Die Beschaffenheit der Flechtenausschläge ist je nach der Beschaffenheit der betroffenen Haut sehr verschieden. Auf dicht behaarter Haut bilden sich immer mehr oder weniger dicke Borken, während an Hautstellen, welche kein eigentliches Deckhaar, sondern nur weiches Flaumhaar besitzen, sich gar keine oder nur sehr dünne Borken bilden. Ist die nicht mit Deckhaaren versehene Haut fein und zart, so entstehen Bläsehen oder Pusteln, welche besonders in der Peripherie der Flecken hervorbrechen. Ist die Haut dicker und weniger reizbar, aber auch nur sparsam mit verkümmertem Flaumhaar' besetzt, so schilfert auf den nur wenig aufgelockerten und schwach gerötheten Hautstellen die Epidermis reichlicher ab. Nach diesen und anderen formellen Verschiedenheiten hat man verschiedene Fleehtenarten unterschieden (Herpes tonsurans vesiculosus. Herpes tonsurans maculosus etc.), die aber alle wesentlich gleich sind, insofern ihnen der nämliche pflanzliche Parasit zu Grunde liegt.
So wird z. B. „Ringflechte (Herpes circinatus)quot; diejenige Form von Herpes tonsurans genannt, bei welcher die Hautaffection im Centrum zur Abheilung gelangt, während dieselbe an der Peripherie weiter um sich greift. So entsteht ein mehr oder weniger kreisrunder Ring, dessen Rand mit Knötchen, Bläschen oder Pusteln besetzt ist, während das Centrum wie mit Mehlstaub bestreut erscheint. Der Pilz setzt sich zunächst in den oberflächlichen Epidermisschichten fest. Da er nie­mals in das Gewebe der Lederhaut (ausser in die Haarbälge) hinein­wuchert, so wird er an unbehaarten oder schwach behaarten Hautstellen durch den Exsudationsprozess, den er selbst erregt hat, nach kurzer Zeit abgestossen. Dadurch kommt eine spontane Heilung zu Stande.
Bei noch saugenden Kälbern, Lämmern und Ferkeln kommt die Glatzflechte besonders um das Maul herum und am Kopfe, seltener an anderen Körperstellen vor; da man dies Leiden früher für eine besondere Ausschlagsform hielt, so hat man es „Kälber- oder Lämmer-Grind, Maulgrind, Teigmaul oder Teigmalquot; genannt.
Die Glatzflechte ist ansteckend und kann von dem einen auf das andere für sie empfängliche Hausthier, so wie auch auf den Menschen übertragen werden.
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Die Glntzllcelitc unserer Hausllüere; Aetiologio.
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Dementsprechend pflegen bei grosser Ausbreitung des Aus­schlages qu. unter den Thieren Uebertragungen auf den Menschen häufiger vorzukommen. So wurden z. B. im Jahre 1840 in dem schweizerischen Dorfe Andelfingen die meisten Einwohner des Ortes von kranken Rindern mit angesteckt. In demselben Jahre war in Savoyen die Glatzflechte unter den Ft'erden häufig und auch dort wurden zahlreiche Uebertragungen der Krankheit auf den Menschen beobachtet. Auch ich habe solche hier in Halle gesehen.
Der Ausschlag wird, wie bereits erwähnt wurde, durch einen Pilz verursacht, welcher den Namen „Trichophyton tonsuians d. i. kahl-raachender Haarpilzquot; führt. Dieser Pilz verdient seinen Namen im vollen Sinne des Wortes, da er nur an behaarten Hautstellen — und zwar an und in den Haaren — vorkommt. Er dringt von der Haar­wurzel aus in die Haare selbst ein, wobei er diese zerfasert und brüchig macht. Der Haarschaft wird von Pilzen rings umschlossen,
Haar ohne Wurzclacheldo von Herpes tousnrans dos bohaartolaquo; Kopfes des Mensohen.
Vergraquo;. ca. 700. llarlnack Oc. :) ObJ, 9 A Immersion, a Haar, bl) Cuticula des Haares.
Die das Haar durchdriiifjpiiden Mycollen sind viel feiner und gleichartiger als In dem
von Flj;. Cfl. (Nach Kaposl.)
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Die Qlatzflcobte unsei'ei' Haust liiere; Aotlologio,
so dass er unter dein Mikroskope wie mit einem grauweisäen Mantel umgeben erscheint.
Pig. 69.
liliiilWi
Hrm* und Kaai'wurzelBcboidG mit Vogotattonsu vom Heirpefl tonsuvaus. Vergr. Tot).
;iii die Wurzolsohetdo, b Haarschaft. Heicto sind relohlloh vcjh Hycelleiij polymorpheu
Sporen und Sporenketten dnrohsetzt. (Nach Kaposl.)
Auf der behaarten Haut unserer Ilaustitieru findet man die Parasiten zunächst mehr am Haarschaft und in der Haarsciieide, erst später in der Haarwurzel und im Haare selbst. Durch Atrophie ihrer Wurzel werden die Haare zum Ausfallen gebracht; Fragmente der­selben, welche man auf und in den Krusten oder Schuppen reichlich antrifft, tragen zur Steigerung des Juckreizes wesentlich mit bei.
Ueber die verschiedenen Vegetationsformen und Lebensbedin­gungen der mikroskopischen Pilze wissen wir vorläufig noch zu wenig, um bestimmt entscheiden zu können, in wiefern verschiedene myco-tische Krankheiten ein und demselben Pilze, oder verschiedenen Pilz-arton zuzusehreiben sind. So viel steht fest, dass die verschiedenen Formen der ansteckenden Flechtenausschliige unserer llausthiere durch Art und Race der betroffenen Thiere, so wie auch durch das Alter
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Die Glatzflechte unserer Hausthiere und des Menschen; Pilzvegetation. 577
des Ausschlages selbst wesentlich boeinflusst werden. So hat Gerlach bei verschiedenen Spitzhunden durch Trichophyton tonsurans ganz ver­schiedene Formen des Flechtenausschlages entstehen gesehen.
Die Formen, unter welchen das Trichophyton tonsurans in den Haarwurzel­scheiden und in dem Haarschafte sich entwickelt, sind sehr mannigfaltig. Die Figur 68 zeigt zunächst in dem
einen Haare ausserordentlich dünne glattrandige, unver-zweigte, oder nur selten ab­zweigende, gestreckt oder mas­sig geschlängelt verlaufende Fiiden, in deren Innerem in grossen Zwischenräumen je ein kleines kernähnliches Kör­perchen eingelagert ist. Sie scheinen aus einzelnen, sehr langen, durch die eingelager­ten Körperchen markirten Zel­len zusammengesetzt zu sein. Andere Fäden sind gegliedert und von ungleich grosserem Kaliber, als die ersteren. Die Glieder schliessen entweder fest an einander, oder erschei­nen ganz lose, oder selbst mit grossen Intervallen an einan­der gereiht. Dabei sind die gegliederten Fäden einfach oder verzweigt, die Glieder, selbst ein und desselben Mycel-tadens, von ungleicher Grosse, länglich rund, oder mehr cy-lindrisch, durchsichtig oder dunkel u. stark lichtbrechend. Der grösste Theil der Fäden läuft der Längsachse des Haares parallel, nur wenige ziehen quer oder schief; einzelne senden zurücklaufende Zweige. Auch finden sich isolirte und
gehäufte, grösscre und kleinste
rundliche Gebilde.
In dem in Figur 69 ab­gebildeten Haare desselben
Kpldermtsschuppen von Herpes tonsurans veslcnloaiis von
der Kieferhalsfurche eines Knaben. Vergr. (ca. 700) Hart-
nack Oc. 3. ObJ. U. a tiefere Lagen der platten Epidermlg-
zellen; b oberste Schicht der kernhaltigen Retezollon.
(Nach Eaposi.)
Knaben, von welchem das
Haar der Figur 68 entnommen ist, fällt zunächst der Reichtlmm der es nach allen Richtungen durchsetzenden Pilzfäden und ihre ziemliche Gleichartigkeit auf. Pütz. Lehrbuch der ansleokendeu Thlerkrankhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37
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578nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Di0 Glatzflechte etc.; Pilzvegetiition und Prognose.
Man sieht fast durchweg nur allerl'einste Fäden. Zugleich bekömmt man hier eine Aufklärung über die Bedeutung der den feinen, glattrandigen Fäden von Stelle zu Stelle eingestreuten Kernen. Man siebt hier ganz deutlich, dass diese Fäden aus langen, bisquitlormigen Zellen zusammengesetzt sind und dass zwischen je zwei derselben ein kleiner rundlicher Körper eingeschoben ist, der bei ein­zelnen Fäden mit den laugen Zellen organisch sich verbindet, bei anderen den­selben lose anliegt, oder in Abwechslung mit Jenen überhaupt nur eine durch­brochene Kette von Elementen darstellen hilft.
Die geschilderten Mycelfüden und zellförmigen Pilzelemente durchsetzen vorwiegend den von der liannvurzelscheide eingeschlossenen Theil des Haares, reichen aber in manchen Haaren noch ziemlich weit in den freien Theil des Haarsehaftes hinauf, nach abwärts in die Haarwurzel, welche sehr oft pinselartig zerfasert, oft aber auch glattkolbig erscheint.
Zwischen den Epidermisschichten der Hnutoberfläche linden sich die näm­lichen Pilzelemente, Filamente u. s. w., wie innerhalb der Wurzelscheiden und des Haares. Am sichersten und schnellsten findet man die gut ausgebildeten Myeelicn auf den schon älteren Scheiben und Kreisen und zwar an den nahe der Peripherie liegenden Partien. Ihre eigentliche Lagerstätte ist die Grenzregion der untersten Platten der hornigen Epidermis und der obersten Schichten der saftigen Iletezellen. In den tieferen Schichten des Malpigliischen Schleimnetzes der Haut findet sich der Pilz nicht mehr. An eben entstehenden Herpesllecken ist der Pilz eben so schwer nachzuweisen, wie au den Stellen überhaupt, an welchen der Prozess sehr rasch abläuft, oder von denen er rasch weiterschreitet. Gegen Ende der ersten und im Verlaufe der zweiten Woche, wo schon kreuzer-grosse und grössere, in der Mitte reichlich schilfernde Flecke sich vorfinden, ge­lingt es schon leicht, reichliche Mycollager nachzuweisen. (Kaposi.)
Man sieht in vorstehender Figur 70 glattrnndige und gegliederte, oder regel-mässig septirte, im Ganzen langgestreckte, einfache und verästigte, stellenweise quirlförmig ramilicirte Mycelien von ziemlich gleichartigem Kaliber. Einzelne nicht septirte Fäden von ausserordentlicher Feinheit. Nebst dem Kömchenhaufen, isolirte, auffallend grosse, ovoide, stark lichtbrechende Gonidienzellen und andere kleinere, rundliche und polyedrische zu Ketten angereiht.
Die Frage nach den verschiedenen Lebensformen der einzelnen Pilzarten hat für uns zunächst kein weiteres practisches Interesse, inso­fern alle Mycosen der äusseren Haut so ziemlich in der gleichen Weise und mit den nämlichen Heilmitteln behandelt werden.
Die Prognose ist bei der Glatzflechte im Allgemeinen günstig, da das Leiden bei entsprechender Behandlung meist leicht und schnell geheilt werden kann. Wird dasselbe vernachlässigt, so nimmt es in der Form des Teigmauls bei Säuglingen zuweilen einen ungün­stigen Verlauf, indem die Patienten, besonders in Folge der behin­derten Nahrungsaufnahme, abmagern. Nach eingetretener Heilung der kranken Hautstellen dauert es manchmal lange, bis die verloren ge­gangenen Haare wieder nachwachsen. Bei älteren Bindern tritt ge­wöhnlich spontane Heilung ein, während bei jüngeren Thieren meist
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Die Glatzlleclite etc. Beluiiidlmifr. Krb- oder Walicngrind.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 579
eine Behandlung nothwendig wird, obgleicli auch hier einzelne Stellen von selbst heilen können; -während dies aber geschieht, tritt das Uebel an anderen Stellen in der Regel wieder hervor.
Die Behandlung der Glatzflechte ist im Ganzen einfach und sicher; sie verlangt zunächst ein sorgfältiges Aufweichen der vorhan­denen Borken und nachheriges sorgfältiges Abkratzen derselben. Als Heilmittel stehen verschiedene Queckailberpräparate, so wie die Carbolsäure in besonderem Rufe. Seit neuerer Zeit bediene ich mich gewöhnlich einer Verbindung der Carbolsäure mit Glycerin (1 : 10) täglich 2mal aufzustreichen. Mit ebenso gutem Erfolge habe ich früher eine Lösung von Sublimat (1 : 300 bis 500 Theile Wasser) verwendet. Aber auch der rothe und weisse Präcipitat wirken in Salbenform ganz vortrefflich. Man bereitet die Salben, indem man 1 Theil weissen Präcipitat mit 4 Theilen Fett, oder 1 Theil rothen Präcipitat mit 8 Theilen Fett sorgfältig zusammenreibt.
Wegen der Ansteckungsfähigkeit ist eine Trennung der kranken von den gesunden Thieren nothwendig.
Da Trichophyton tonsurans sich lange Zeit (über '/s bis 1 Jahr) keimfähig zu erhalten vermag, so verlangt die Vorsicht eine gründ­liche Reinigung der Lagerstätten und Stallwände, wenn Recidive sicher vermieden werden sollen. Da die Krankheit auf den Menschen über­gehen kann, so ist eine Belehrung des Dienstpersonals zu dessen Schutz erforderlich.
25 a. Der Erbgrind und der Wabengrind unserer HanstMere und des
Menschen.
Unter Erbgrind oder Wabengrind (Favus, Tinea vera s. favosa etc.) versteht man (nach Kaposi) eine ansteckende Hautkrankheit, welche durch einen mikroskopischen Pilz, das sogenannte B Achorion Schoen-leiniiquot; bedingt wird und durch die Bildung von schwefelgelben, linsen-bis pfenniggrossen, scheibenförmigen oder schüsseiförmigen (d. h. in der Mitte vertieften) von einem Haare durchbohrten Borken, gekenn­zeichnet ist. Zwischen die Epidermisschichten lagern sich Pilzele­mente ein und bilden zusammengesetzte Krusten, die sogenannten Favuskörper, welche in ihrem Bereiche Schwund der Haare und der Haut bedingen.
Beim Menschen kennt man den Erbgrind bereits seit langer Zeit. Schon bei Celsus (etwa 30 v. Chr. bis 50 n. Chr.) und dessen
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580nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; L)er Krt*- oder VVabeogriuil des Meusclion und del- Tliiere.
Nachfolgern findet sich der Ausdruck „Favusquot;, jedoch nicht im heutigen Sinne. Dagegen scheinen die Araber unseren Erbgrind gekannt und „Sahafati siccaquot; oder „Alvathimquot; genannt zu haben. Die ärztlichen Schriften des Mittelalters bekunden deutlich, dass man zu jenen Zeiten den Erbgrind des Menschen gekannt, aber unter dem gemeinschaft­lichen Namen „Tineaquot; mit anderen Krankheiten des behaarten Kopfes zusammen geworfen habe. — Lorry war der Erste, der nur eine einzige „Tineaquot; annahm, welche offenbar unserem „Favusquot; entspricht (Tractat. de morb. cutaneis, Parisiis 1877, pag. 4(32). — Bei Mahon (Recherches sur le siöge et la nature des teignes, Paris 1829) findet sich zuerst die richtige Angabe, dass der Favus nicht mit Pusteln erscheine (1. c. pag. G) und dass die Krankheit contagiös sei. —
Die Entdeckung Schoenlein's (Zur Pathogenie der Impetigines, Müller's Archiv 1839, pag. 82, Taf. III, Fig. 5) verbreitete erst volles Licht über die (Pilz-) Natur der Favusmasson. Remak, der bereits früher (1837)' erkannt hatte, dass die Favusborken nicht aus gewöhn­lichen Eintrocknungsproducten bestehen, nannte später bei genauerem Studium des entdeckten Pilzes diesen letzteren zu Ehren seines Ent­deckers „Achorion Schoenleinii.quot;
Bei Thieren wurde zuerst von Gerlach eine Dermatomycose der Hühner unter dem Namen „Grind der Hühner, Tinea (Favus Porrigo) Galli, Hahnenkammgrind, Tinea cristae Galli, weisser Kammquot; nebst dem gefundenen Pilze (Magazin, Berlin 1858 S. 231raquo; u. folg.) be­schrieben. — Gleichzeitig und unabhängig von Gerlach hat Müller in Wien diesen Ausschlag, ebenfalls mit dem betreffenden Pilze (Wiener Vierteljahrsschrift 1858, Heft 1, S. 37 u. folg.) beschrieben. Ebenso Leisering (Vet. Bericht des Königreichs Sachsen 1858, S, 32 und folg.). Gorlach sagt 1. c. S. 237: Der Ausschlag beginnt am Kamme und den Ohrläppchen und äussert sich zunächst dadurch, dass kleine weisse Flecke (Schimmelflecke) entstehen, die der Zahl und Grosse nach zunehmen, zusammenfliessen und so den ganzen Kamm etc. mit einem woissen Beschläge überziehen, der immer dicker wird und schliesslich eine Borke bildet. Weiterhin springt dieser Ausschlag auf die Kopfhaut über, geht dann langsam kriechend am Halse hinab, auf dem Rücken entlang und verbreitet sich so nach und nach über den ganzen Körper, wenn die Thiere nicht schon früher zu Grunde gehen. Die Haut verdickt und bedeckt sich mit Schuppenkruste, welche zunächst in die Federsäcke hinabsteigen, die Federn lockert, so dass sie mehr oder weniger aufgerichtet stehen, schliesslich ausfallen und, namentlich die feinen Dunen , an der Wurzel mit einer Kruste
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Der Erb- oder Wabengrind etc. Behandlung und Vorbeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ygl
umgeben sind, wie die Haarwurzeln bei Herpes tonsurans. Wenn der Ausschlag von dem Kamme auf die befiederte Kopfhaut übergeht, dann beginnt auch die Abzehrung, so dass die Thiere bei kahl ge­wordenem Halse schon mager und matt sind und bei Weiterbreitung dann gewöhnlich an Erschöpfung sterben. Die Verbreitung des Aus­schlages erfolgt erst sehr langsam; mehrere Wochen vergehen, ehe der Karara ganz beschlagen ist. Der Uebergang vom Kamme auf die Haut des Kopfes und Halses erfolgt (nach Gerlachs Beobachtungen) immer erst, wenn der Kamm bereits ganz incrustirt ist. Ist der Uebergang auf die Haut einmal erfolgt, so schreitet die Weiterver­breitung des Ausschlages rasch voran ; immer aber vergehen indess einige Monate, bevor eine allgemeine, Gefahr drohende Verbreitung eintritt.
Nach Zürn (die Krankheiten des Hausgeflügels, Weimar 1882, S. 137) scheinen ganz besonders die Hühner der schweren, asiatischen Racen, vorzugsweise die Cochinchinas, in geringerem Grade aber auch alle anderen Hühnersorten für den Erbgrind empfänglich zu sein.
In Bezug auf Vorbeuge und Behandlung sagt Zürn 1. c. fol­gendes: Eine Behandlung ist bei Hühnern nur von Erfolg, wenn sie rechtzeitig vorgenommen wird, d. h. dann, wenn die Krankheit nur Kamm und Kehllappen befallen hat.
Benzin oder Karbolsäure mit Schmierseife zur Salbe (1 : 20) gemacht und täglich einmal eingerieben, oder die weisse Präcipitat-salbe (1 : 0 bis 8) tüchtig eingerieben, kann (neben Seifenwaschungen) Hilfe bringen. Ist der Ausschlag erst auf gefiederte Körpertheile übergekrochen, dann ist es besser, die Thiere sofort zu tödten und zu verbrennen.
Die Vorbeuge verlangt Isoliren der Kranken;' Desinfection der Ställe, welche sie bewohnt haben.
Beim Hunde hat wahrscheinlich St. Cyr den Erbgrind zuerst festgestellt. Später wurde auch von Siedamgrotzby, Zürn und An deren diese Krankheit bei Hunden beobachtet. Das Vorkommen der selben bei Katzen constatirte Draper (in New-York) im Jahre 1854 Derselbe beobachtete, dass Katzen durch den Genuas favuskranker Mäuse an den Lippen und Backen sich inficirten und dass die Krank heit von Katzen auf Kinder überging. Auch beim Pferde und Ka ninchen kommt Favus vor. Gerlach gelang es nicht, Pferde, Rinder und Hunde mit Favuspilzen des Huhnes zu inficiren, während ihm die Infection eines Menschen gelang (1. c. S. 240 und 241).
Der Favuspilz tritt von der Epidermis ans in zahlreichen Ausläufern zwi­schen die Zellenschichten der Haarwurzelscheiden und in die Schichten der Haar-
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582 De'' Erb- oder Wabengrlnd etc. Favus-Sohildohen ; Pllsvegetstlon.
rinde, in welchen er nach aufwiltts wuchert, das Haar verliert in Folge dessen seinen Glanz und erscheint äusserlich wie bestäubt; es wird in seinem Zusam­menhange mit dem Ilaarbalge gelockert und kann leicht ausgezogen werden. Später lallt das Haar von selbst ans und wird nie wieder ersetzt, wenn der be­troffene Follikel mit seiner Haarpapllle durch Atrophie zu Grunde gegangen ist. (Siehe Fig. 71.)
Fig. 71.
HiiurSL-haft und Haarzwiebel vou Favus. Vurgr. Itartuauk De. 3. Obj. 9 it immoisiun (c. 7üU). a Hiiurbulbus, bb Haarwui'zelscli'.,'dcn, beide reiuldicb VOM Pilzen durohsetZt. (Naeh Kaposl.)
Bei weitere Vcrbrcitimg des Walion^riiides lindet man an einzelnen Stellen die Soutula oder Favusschcibelien typisch ausgeprägt; an anderen Stellen sind
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Der Erb- oder AVabengrind etc. Pilzvegetation.
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bereits mehrere zu einem Hauten zusammengedrängt, dessen Peripherie noch in regelmässigen Bogenlinien verläuft. An noch anderen Stellen haben sich die Mas­sen der einzelnen Favi, da wo sie früher zusammen­gedrängt waren, verringert und sind ausgefallen; so ist ein atrophisches, narbi­ges, kahles Centrum ent­standen, an dessen Peri­pherie die Favi sich weiter entwickeln und neue Haar-follikcl befallen. Abernioht immer kommen die Massen im Ccntru m zum Schwunde, sondern wuchern manch­mal luehrere Millimeter hoch in unregelmässigen, gelblicb weissen, trocknen, gyps- oder mörtelartigen, harten Auflagerungen, oder selbst noch mit deutlicher Ausprägung der einzelnen diese zusammensetzenden, münzen- oder scbildförmi-genFavu8körper.(S.Fig.73.) Durch verschiedene Combinationen der vor­stehend geschilderten und anderer Verschiedenheiten, durch Veränderungen der Form, Farbe, Consistenz und dergl. mehr, entstehen mannigfache Bilder dieser Hautkrankheit, welche in früheren Zeiten zur Unter­scheidung verschiedener Unterabtheilung des Erb­grindes beim Menschen ge­führt haben. (Kaposi.)
Trotz der zahlreichen und verdienstlicben Arbei­ten Gerlach's, Leisering's, Müller's (Wien), Zürn u.A. auf dem Gebiete der Ilaut-
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Der Erb- oder Wabengriud; Pilzvegetnlion.
mycosen unserer llaiisthiere ist doch noeli manches zu erforschen geblieben. Una den Practiker einigeriunssen näher zu orientiren und ihm die Theilnahme an wei­teren Forschungen über mycotische llauterkrankungen zu erleichtern, habe ich vorstellende Details und Abbildungen hier reproducirt. Indem ich wegen der weiteren Ausl'iihrungen auf die Hautkrankheiten des Menschen von Hebra und
Fig. 73.
rnzelemeute aus dem unteren Theile eines Favus-Scutulums. Vergr. Hiirtuacli Oc. 8. Obj. Jgt;
(ea. 7Ü0). Nach KapoSl.)
Kaposi im III. Bande von Vircliow's Spezieller Pathologie und Therapie verweise, bemerke ich nur noch, dass der positive Befund von Mycelien für die mycotische Natur einer Hautkrankheit spricht, wahrend diese durch einen negativen Befund nicht ohne Weiteres ausgeschlossen wird Hierzu ist erforderlich, dass die Unter-suchung an vielen Stellen und wiederholt mit der nöthigen Sachkcnntniss vorge­nommen wird.
Das ziemlich complicirte und sehr variable klinische Bild eines vorgeschrittenen, oder zur Höhe entwickelten Eibgrindes der behaarten Haut setzt sich aus den Erscheinungen zusammen, welche die ein­zelnen Favi (favua die Wachssclieibe, Wabe) oder Scutula (scutulum das Schildchen) und ihre örtlichen Folgen, so wie deren Combinationen bilden. Wenn man die Entwicklung des Wabengrindes verfolgt, so bemerkt man in der dritten Woche nach der Infection hier und da ein hirsekorngrosses, schwefelgelbes raquo;Scheibchen oder Schildchen, das in der Entwicklung begriffene Favus-Scutulum. Dieses liegt unter der Epidermis eines austretenden Haares, durch welche es durch­scheint. Im Verlaufe der nächstfolgenden Tage dehnt sich die gelbe Masse zu einem grösseren flachen Scheibchen aus bis zum Umfange einer Linse. Indem die Peripherie dieses Scheibchens sich über den
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Der Erbgrind etc.; Prognose und Behandlung. Kuss der Ferkel. 585
das Haar unmittelbar umgebenden centralen Theil etwas erhebt, be­kommt das Scutulum das Ansehen eines Schüsselchens.
Mittelst eines stumfen Instrumentes, z. B. einer Hohlsonde, kann man am Rande des Scutulums ziemlich leicht eindringen und letzteres umkippen, wodurch die untere convexe, glatte und feuchte Fläche nach oben gekehrt wird. Die ganze Masse des Scutulums besteht aus Pilz­elementen, welche an seiner oberen Fläche von Epidermisschuppen bedeckt sind. (Fig. 72.)
Die Differentialdiagnose zwischen Herpes tonsurans und Favus stützt sich gegenwärtig mehr auf die makroskopischen klinischen Befunde, als auf die mikroskopische Untersuchung. Zur Zeit kann nämlich kaum entschieden werden, ob der Fund von Pilzelementen auf diese oder jene der beiden Mycosen zu beziehen ist, da die Elemente von Achorion Schoenleinii und von Trichophyton tonsurans einander sehr ähnlich sind. Es verdient deshalb in der Praxis zum Zwecke der Unter­scheidung beider Mycosen der Umstand besondere Beachtung, dass bei Herpes tonsurans die Abschuppung fortdauert, während neue Kreise und Scheiben entstehen; dass es aber zur Bildung der Favus-Schiid-chen oder -Schüsselchen nicht kommt.
Die Prognose und Behandlung ist bei Favus im Wesentlichen wie bei Herpes tonsurans. Bei nicht allzu grosser Ausbreitung des Uebels über die behaarte Haut ist hier wie dort durch Aufweichen und Entfernen des Exanthems und der kranken Haarwurzeln, so wie durch den nachfolgenden Gebrauch antiparasitärer Mittel eine Heilung in der Regel nach kürzerer oder längerer Behandlung ziemlich sicher zu erzielen. Jedoch sind Recidive nicht selten, weil die Pilze aus allen Haarbälgen nur bei grosser Sorgfalt entfernt weiden. Geschieht dies nicht, so geben dieselben zu neuen Eruptionen häufig Veran­lassung. Ein öfteres und nachdrückliches Bürsten der kranken Stellen dürfte die gründliche Entfernung der kranken Haarwurzeln wesentlich fördern.
25b. Russ der Ferkel.
Bei Ferkeln bilden sich zuweilen an verschiedenen Stellen der äusseren Haut Pusteln, welche schnell zu schwarzen, dicken Borken eintrocknen, unter denen die Eiterung fortdauert; die benachbarten Hautstellen fühlen sich fettig an und verdicken. Dieser Zustand wird „Russ der Ferkelquot; genannt.
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586nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Sclilümpeniauke dos Rindviehs; Symptome.
In Folge des Juckreizes tritt bei längerer Dauer des Leidens Abmagerung ein, da die Patienten fortgesetzt beunruhigt und an der Aufnahme und Assimilation der Nahrung beeinträchtigt werden.
Die Ursache dieses Uebels ist noch gänzlich unbekannt. Die Behandlung desselben ist die nämliche, wie beim Teigmal.
26. Die Schlämpemauke des Rindviehs.
Diese Krankheit ist erst seit wenigen Jahrzehnten bekannt und hat namentlich seit Einführung einer reichlichen Fütterung mit Kar-toffelscblämpe eine grössere Verbreitung und Beachtung gefunden. Dieselbe besteht in einer bald mehr oberflächlichen, bald tiefer geben­den Entzündung der äusseren Haut vorzugsweise an den Fussenden, weniger häufig und allgemein an anderen Körperstellen: ihr Ausbruch ist nicht selten mit einem deutlich wahrnehmbaren Fieber verbunden. In der Regel zeigen sich die localen Erscheinungen zuerst an den hinteren Gliedmassen; nur selten werden später auch die Vorderbeine mit ergriffen. Zuweilen aber erkranken diese zuerst, oder sogar für sich allein. Das Leiden tritt nur in seltenen Fällen an allen Füssen gleich­zeitig auf; auch fehlt es nur ausnahmsweise an allen Füssen, während in einer etwas modificirten Form die localen Prozesse an irgend einer anderen Körperstelle sich entwickeln, aber die übrigen Stallgenossen zum Theil in der gewöhnlichen Weise an der Schlämpeniauke er­kranken.
Die betroffenen Stellen der Haut sind zunächst blutreich, ge­schwellt, bald nachher erscheinen sie, so wie auch das ihnen benach­barte TJnterhautbindegewebe serös infiltrirt, worauf die Epidermis sichln Form von Bläschen abhebt. Nach dem Platzen dieser Bläschen besteht eine spezifisch muldrig riechende Ausschwitzung fort, welche nach einigen Tagen, manchmal erst nach wenigen Wochen, zu Borken von verschiedener Dicke eintrocknet. Der Ausschlag, welcher an be­schränkten Stellen über dem Hufe bis über das Fussgelenk hinaus zu beginnen pflegt, breitet sich von da aus langsam aus, ohne für gewöhnlich über die Fusswurzelgelenke hinaus zu gehen. Derselbe erregt namentlich zur Zeit der Bläscheneruption ein starkes Haut­jucken, Die Thiere legen sich nicht gern, jucken oder reiben sich viel, treten unruhig hin und her. Wo Fieber vorhanden war, verliert sich dasselbe mit der Bliischeneruption. In hochgradigen Fällen kommt es zu brandigem Absterben einzelner entzündeter Hautpartien, zur
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Die Wdilämpemaukc dos Rindviehs; Disposition, Verlaul' und Ursache. 587
Ucthoiligung der Lym'phgefässe, zur Eiterbildung uud zu Ablagerungen au verschiedenen Körperstellen. Eine derartige Verschlimmerung des Leidens kann die Folge von anhaltendem oder starkem Reiben, Scheuern oder Benagen der kranken Hautstellen, oder von ander­weitigen nachtheiligen Einflüssen sein. — Bei intensiver Schlämpe-fiitterung pflegt früher oder später Durchfall einzutreten, der aber auch fehlen kann; in der Regel jedoch sind die Excrements weicher als bei ganz gesunden Thieren.
Eine gewisse individuelle Disposition ist hier, wie bei anderen Krankheiten nicht zu verkennen; es geht dies daraus hervor, dass in ein und demselben Stalle bei ganz gleicher Fütterung und Pflege ge­wisse Thiere schwer, andere leicht und wieder andere gar nicht erkranken. Verhältnissmässig häufig und schwer werden Bullen und Ochsen von der Schlämpemauke ergriffen. Ferner tritt in Viehbe­ständen mit starkem Viehwechsel die Krankheit im Allgemeinen häu­figer und heftiger auf, weil die neu angekauften Thiere einestheils noch nicht an das neue Getränk gewöhnt sind, auderntheils weil ihnen dasselbe gewöhnlich sehr zusagt und sie in Folge dessen grosse Mengen desselben gierig aufnehmen.
Der Verlauf der Schlämpemauke ist meist ein gutartiger; in günstigen Fällen lässt die Ausschwitzung von Lymphe unter den dünnen bräunlichen Borken alsbald nach, so dass diese bereits in 8—14 Tagen abfallen mit Hinterlassung einer bereits neu benarbten Haut. Nicht selten aber kommen auch hartnäckige und selbst tödtlich endende Fälle vor. Letztere stehen namentlich dann in Aussicht, wenn die Schlämpe-fütterung selbst in höheren Graden des Leidens nicht aufgegeben, oder nicht auf ein Minimum beschränkt werden kann. Wo es zur Bildung von tieferen Hautgeschwüren, von Rissen und Schrunden kommt, wo namentlich grössere Quantitäten eines schlechten, übel riechenden ätzenden Eiters sich bilden, da pflegt die Krankheit sich Wochen, selbst Monlt;tte lang hinzuziehen, wobei die Patienten ab­magern und in Folge von Blutvergiftung sogar zu Grunde gehen können.
Die Ursachen der Schlämpemauke sind noch wenig erforscht; wir wissen nur, dass dieselben zur Fütterung von Kartoffeln, deren Kraut und besonders deren Branntweinschlämpe in einer gewissen Be­ziehung stehen. Man hat namentlich die Verunreinigung der Fuss-enden mit Urin, Koth u. s. w. beschuldigt; diese Dinge mögen allen­falls die Disposition erhöhen, können aber an und für sich die Krank­heit nicht erzeugen. Dass eine Beschmutzung der Beine etc. an und
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Die SoMftmpeinauke des Bindviehs; Aetiologle.
für sich die Schlämpemauke nicht zu erzeugen vermag, lehrt die Thatsache, dass bei reichlichen Darmausleerungen nach einer Fütte­rung von Klee, Rübenblättern u. s. w. die Schlümpemauke nicht entsteht. Und selbst in solchen Ställen kann dieselbe fehlen, wo neben starken Durchfällen in Folge von Kartoffel- oder Schlämpe-fütterung die grösste Unreinlichkeit, somit neben der inneren Schlärape-wirkung auch die Möglichkeit zur umfangreichsten Beschmutzung der Hinterbeine und anderer Körpertheile geboten ist. Andererseits kann dieselbe bei der grössten Reinlichkeit und bei reichlicher Streu in heftiger Weise auftreten. Auch verschont die Schlümpemauke zuweilen jahrelang solche Stallungen, in welchen sie bis dahin herrschte, ohne dass in der Fütterung oder in anderweitigen diäteti­schen Dingen eine bemerkenswerthe bekannte Aenderung einge­treten wäre.
Aus diesen Thatsachen geht zur Genüge hervor, dass die näheren Ursachen der Schlärapemauke nicht so offenbar zu Tage liegen. Die Ansichten der Sachverständigen gehen deshalb auch wesentlich aus einander. In neuerer Zeit wurde dieselbe für eine parasitäre Krankheit erklärt, und einerseits Milben, andererseits Pilze als eigentliche Krankheitserreger beschuldigt. Die zur Prüfung dieser beiden Ansichten angestellten Experimente sind nicht zu Gunsten der parasitären Natur fraglicher Krankheit ausgefallen, insofern längere Zeit hindurch fortgesetzte, anhaltende Befeuchtung der Extremitäten mit Schlampe, welche die inficirenden Pilze enthalten sollte, so wie Uebertragungen der betreffenden Milben die Krankheit nicht zu er­zeugen vermochten.
Zürn (die Schmarotzer II. Theil S. 1G9) bemerkt, dass bereits Spinola in den Annalen der Landwirthachaft 1870, Pilze als die Ursache der Schliimpemanke beschuldigt habe. Er selbst hat in den auf der gerötheten Haut der an öchlämjie-inanke leidenden Thiere vorhandenen Bläschen Mikrokokken, so wie Stäbclien-Bncterien und manchmal Gebilde, die von Stabhefezellen nicht zu unterscheiden sind, gefunden. In den später sieh vorfindenden braunen Borken der afficirtenlaquo; Hautstellen, so wie in der Epidermis derselben könne man oft einzelne Pilzfäden, oder grössere Gellechte derselben wahrnehmen. Bei näherer Unlersiichung von Schlampe, wie sie aus der Branntweinblase kommt, fand Zürn die meisten Brand-weinhefezellen in ihrer Form nach vollkommen unversehrt; trotzdem sie gewiss eine Temperatur von 80 bis -f 100 Grad Reaum. ausgehalten hatten, waren sie dennoch vollkommen lebensfähig, Zürn ist dadurch in seiner bereits früher ge­wonnenen Ansicht, „dass die Schlämpemauke eine Mykose seiquot; damals noch mehr bestärkt worden.
.lohne (Sachsischer Jahresbericht 1877, S. 148 bis 210) hat eine sehr ein­gehende Studie über die Ursachen der Schlämpcinanke veröffentlicht. Nach einem
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Die Schlümpfmauke dos Rindviehs; Aeliologie.
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lustoriacheu Rückblicke in die Veterinär-Literatur bemerkt Johne, dass die erste Schilderung der Schliimpemauke wohl Otto (1834) geliefert habe, der diese Krank­heit nach Einführung der Schlämpefüttcrung in grösserem Massstnbe, im üraun-schweig'sclien beobachtet habe. Spinola berichtet über dieselbe (18HÖ) in der ersten Auflage seiner thierärztlichen Gutachten und bemerkt, dass er Kartolfel-fütterung im Allgemeinen, „seien es rohe oder gekoebte Kartoffel, oder Kartoffel-schlampequot; als die Ursache der neuen Krankheit ansehe. Es folgen dann bald nach einander eine grösscre Anzahl Mittheilungen, welche über die iitiologischen Momente meist im Wesentlichen übereinstimmen. Bevor Johne selbst auf diesen Punkt eingeht, bemerkt er zunächst, dass er zwischen einer aus inneren Ursachen (KartolVel- resp, Schlämpefüttcrung etc.) entstandenen Rindcrniauke und zwischen einer durch üussere Ursache entstandenen sogenannten „Schmutzmauke des Rindesquot; nntersebeidet. Er schildert diese nach seinen eigenen Beobachtungen folgender-masseu :
Die Krankheit trat zu jeder Jahreszeit in schmutzigen, morastigen Stallen auf, besonders bei Tbieren mit zarter Haut (Jungvieh und Kühen), befiel haupt­sächlich nur die Hinterfnsse und nahm ihren Ursprung am Klauenspalt und Saum­band. Von da verbreitete sich die Entzündung weiter, nie aber über das Schien­bein hinaus, fast immer blieb sie auf die Fessel beschränkt; Eruptionsiieber fehlte; Schwellung und Hyperämie waren weniger intensiv, die Exsudation auf die Ober­fläche der Haut weniger reichlich, ohne spezifischen Geruch, fehlte auch wohl ganz (Erythem). Es kam daher nur zu einer lebhafteren Abschuppung der Epi­dermis, seltener schon zur Bildung kleienartiger, zusammenhängender Schuppen, die mit den compacten, zusammenhängenden Borken der wahren Mauke kaum zu verwechseln waren. Dass diese Form, ähnlich der ausfallenden Mauke beim Pferde, ebenfalls zu Ausschreitungen, Schrundenbildung und Gangrän führen kann, will ich nicht bestreiten, habe es aber nie beobachtet.quot; Sodann wird be­merkt, dass der von Rychner beschriebene „Träberausschlagquot; wohl hierhin in rechnen sei.
Johne wendet sich demnach gegen die von Zürn vertretene Ansicht, dass pflanzliche Parasiten die Ursache der Krankheit seien; er sagt, dass dann jede Schlampe die Mauke erzeugen müsse, da sie stets die betreffenden Mikroorganis­men enthalte. Dieselben linden sich auch In der Korn- und Maisschlämpe und doch scheinen diese die Rindermauke nie hervorzurufen. Nach Märcker (Hand­buch der Spiritusfabrication 1877 S. 774) u. A. soll sogar KartolVelschlliinpe, wenn diese die Mauke erzeugt hat, unschädlich werden durch Vermischung derselben mit Maisschlämpe. Und wohl ebenso wenig wie letztere dürften auch die Bier-trüber Scblämpemauke verursachen. Gegen die mycotische Natur dieser Krankheit sprechen die vorgenommenen Impfversuobe, die stets missglttckt seien, so wie das Fehlen einer natürlichen Ansteckung; ferner die spontane Abheilung des Ausschlags nach Wegfall der Schlampefutterung, so wie das Entstehen derselben nach Fütterung von rohen Kartoffeln und von grünem Kartoffelkraut, da bei diesen beiden Futtermitteln die betreffenden Parasiten fehlen.
Schliesslich bekämpft Johne die von Rabe ausgesprochene Ansicht, dass die Scblämpemauke eine Milbenräude sei. Obgleich auch Johne in 34,4% seiner von ihm untersuchten zahlreichen Proben in den Borken der Schlämpcmaukc Dermatophagus bovis gefunden hat, so bestreitet er doch, dass diese Milben die Ursache der Schlämpemauke seien, weil fragliche Parasiten an den Fassen der
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590nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Schlämpemauke ties Rindviehs; Aetiologie.
Rinder luiulig gefunden werden, ohne eine Spur von Schlampemauke oder von einem ühniiclien Ausschlage zu zeigen. Die Milben erscheinen demnach, ebenso wie die Mikrophyten, als zulallige. Läelundc. Dieselben werden auch nach Abheilung der Schlampemauke hüufig noch lebend und t'ortpllanzungsl'iihig an den l'riiher kranken Stellen der Gliedmassen angetroll'en,
Als bestimmt kann nun aber angesehen werden, dass die Krank­heit qu. zur Kartoffel- resp. Schlämpefütterung in ursächlicher Be­ziehung steht. Ausser anderen Gründen spricht hierfür namentlich auch der Umstand, dass an diesem Leiden erkrankte Thiere genesen, wenn die Fütterung fraglicher Stoffe aufgegeben, oder auch nur wesentlich beschränkt wird. Die Beobachtung, dass die Krankheit am häufigsten und heftigsten gegen die Frühjahrszeit aufzutreten pflegt, lässt vermuthen, dass der Keimungsprozess, resp. der grössere Gehalt der Kartoffel an Solanin, oder an einem anderen Stoffe zur Entstehung der Schlampemauke wesentlich mit beiträgt. Der Zukunft ist es vorbehalten, hierüber nähere Aufschlüsse zu bringen. So lange dies nicht geschehen ist, sind wir ausser Stande, der Krankheit er­folgreich vorzubeugen. Dies wird uns erst möglich sein, wenn wil­den Krankheitserreger näher kenneu, und wenn wir Mittel besitzen, denselben, trotz Kartoffel- und Schlämpefütterung, unschädlich zu machen.
Den erwähnten Versuchen, sowie auch den klinischen Erfahrungen gemäss scheint die Schlampemauke nicht ansteckend zu sein, da trotz unmittelbarer Berührung gesunder und kranker Thiere mit einander, sowie durch absichtliche Uebertragung von Dermatophagus-Milben, die man zufällig bei Schlampemauke gefunden hat, und ebenso wenig durch Uebertragung der Krusten und Borken von kranken Thieren auf gesunde, die qu. Krankheit sich nicht weiter verbreitet. Schon allein der Umstand, dass in einem Falle, in welchem die Schlampe­mauke herrscht, alle Rinder, welche keine Schlampe erhalten, von der Krankheit verschont bleiben, spricht gegen die Contagiosität der­selben. Wenn aber die Schlampemauke nicht ansteckend ist, so ge­hört ihre Besprechung streng genommen nicht hierhin. Dessenunge­achtet habe ich sie hier mit aufgenommen, weil sie da, wo sie heimisch ist, meist in grösserer Verbreitung unter dem betreffenden Rindvieh­bestande auftritt und dadurch für manche industrielle Etablissements zu einer sehr unangenehmen Plage wird. Sie verdient aber auch aus sanitarischen Rücksichten unsere besondere Beachtung. Von hoher practlscher Bedeutung ist nämlich die Beobachtung, dass die Milch von Kühen, welche mit rohen Kartoffeln oder mit Kartoffelschlämpe reich-
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Die Schlümpcmaukc des Rindviehs; Aetiologie und Therapie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;591
lieh gefüttert werden, für Saugkälber schädlich wirkt; ruhrähnlicho Durchfälle sollen oft schnell den Tod fraglicher Thiere herbeiführen. Bei Ernährung menschlicher Säuglinge mit Schlämpemilch will man ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Prof. Honnig in Leipzig gibt an (Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. VII, 1873), dass bei Kindern, welche mit Milch ernährt wurden, die von mit Kartoffelschlämpe ge­fütterten Kühen stammte, unreine Haut, leichteres Wundwerden der­selben bei reichlicher Urinausscheidung beobachtet worden sei.
Demnach scheint das schädliche Agens, was in den fraglichen Futtermitteln enthalten ist, durch die Milchresection zum Theil wieder aus dem Organismus des Melkviehs entfernt zu werden. Es dürfte hierin eine Erklärung für die bereits erwähnte Thatsache zu finden sein, dass Ochsen verhältnissmässig häufiger und schwerer erkranken als Kühe, und dass unter diesen die Milchkühe relativ wieder am seltensten und leichtesten von Schlämpemauke befallen werden. Hoch­trächtige Thiere, sowie melke Kühe, sollten deshalb nur mit geringen Quantitäten oder am besten gar nicht mit genannten Mitteln gefüttert werden.
Die Frage, wie viel Rauhfutter zur Schlampe etc. verabreicht werden muss, um die nachtheiligen Wirkungen dieser fern zu halten, ist schwer zu beantworten. Nach Prof. Kühu (Die zweckmässigste Ernährung des Rindes, 8. Auflage, 1881, S. 317) soll sie im Allgemeinen bis zur Hälfte der Trockensubstanzmenge des Futters als Maximum für Mastvieh, für Milchvieh (s. 1. c. S. 270) aber nur in geringerem Ver­hältnisse, bis ca. 50 Pfund pro Stück und Tag, verfuttert werden. Aber selbst bei dem letzteren Verhältnisse kann die Schlämpemauke sogar in bösartiger Form auftreten, während in anderen Fällen selbst bei reichlichster Schlämpefütterung die Krankheit nicht auftritt. Es scheint also auf eine gewisse, zur Zeit noch gänzlich unbekannte Qualität der verabreichten Schlampe anzukommen, ob sie Mauke zur Folge hat oder nicht.
Die Behandlung der Schlämpemauke hat vor allen Dingen darauf Bedacht zu nehmen, die Fütterung zu ändern; wo es thunlich ist, wird die Schlampe etc. ganz weggelassen oder auf ein Minimum reducirt. Die rohen Kartoffeln müssen vor ihrer Fütterung oder Ein-maischung sorgfaltig von allen Keimen befreit werden.
Verabreichung einer entsprechenden Menge Rauhfutters, die Neutralisation saurer Schlampe, Reinlichkeit im Stalle, namentlich reine trockene Streu, sind der Heilung förderlich, da sie die einmal vorhandene Krankheit zu steigern im Stande sind.
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592 Die Schlämpemauke des Rindviehs; Therapie u. Vorbeuge. Actinomycoae.
Die arzneiliclie Behandlung wird nicht ohne Nutzen durch An­wendung feuchtwarmer Bähungen von Wasser, Schlampe, Heusamen-brühe u. s. w. eingeleitet, namentlich wenn es sich um Milderung starker Schwellung und schmerzhafter Spannung der betreffenden Hautstellen handelt. Diese Mittel sind indess zu entbehren und werden wegen der Unbequemlichkeiten und möglichen Nachtheile, welche durch ihren Gebrauch bedingt sind, wenig mehr verordnet. Statt dieser Bähungen kann man die entzündeten Hautstellen mit einem milden Oele oder mit Gljcerin bestreichen. Sobald Ausschwitzung eingetreten ist, empfehlen sich austrocknende Mittel, z. B. Waschun­gen mit Bleiwasser, Eichenrindenabkochung, Carbolöl (1 Theil Car-bolsäure in 15 bis 20 Theilen warmen Oels gelöst), oder spirituöse Carbolsäurelösungen (1 Theil roher Carbolsäure in 10—20 Theilen Branntwein). Gerühmt wird eine Auflösung von Bleizucker in Lein-samensohleim (1 : 10?).
Die angegebenen concentrirtereu Lösungen finden bei stärkerer Ausschwitzung Anwendung, während sie gegen geringere Grade in entsprechenden Verdünnungen angewandt worden können. Ein billiges und wirksames Mittel ist eine 2- bis 5prozentige Kupfervitriollösung. Alle diese Mittel können täglich 2 bis 3mal angewendet werden.
Die vorhandenen Borken lässt man ruhig sitzen, falls nicht etwa tiefer liegende Geschwüre, oder die Behinderung der Beweglichkeit in den Gelenken, ihre Lösung resp. Entfernung erheischen. Schliess-lich sei noch bemerkt, dass die Schlämpemauke milder zu verlaufen pflegt, wenn die Thiere eine angemessene Bewegung haben, als wenn sie ruhig im Stalle stehen bleiben; deshalb werden Mastochsen im Allgemeinen stärker von fraglichen Leiden heimgesucht, als Arbeits­ochsen.
Demgemäss dürfte es sich empfehlen, die an Schlämpemauke erkrankten, oder besser noch alle mit derselben gefütterten Thiere täglich einige Stunden ins Freie zu bringen, damit sie sich einige Bewegung verschaffen können. In manchen Fällen soll der Zusatz von phos­phorsaurem Kalk, in noch anderen Fällen der Zusatz von fetthaltigen Substanzen zur Schlämpemauke die schädliche Wirkung derselben auf­gehoben haben.
27. Die Actinomykose des Rindes, des Schweines und des Menschen.
In den Handbüchern der Veterinär-Chirurgie findet man bis in die neueste Zeit hinein eine vorzugsweise beim Rinde vorkommende
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Die Actinoinycose des Kindes, des Schweines u. d, Menschen; Historisches. 593
Erkrankung dos Ober- und Unterkiefers beschrieben, welche bis vor Kurzem als die Folge äusserer Einwirkungen (Druck, Stoss, Quetschung) der betreffenden Knochen betrachtet wurde. Es handelt sich hier nämlich um geschwulstartige Neubildungen im Knochengewebe, welche letzteres, so wie die benachbarten Muskeln, die Schleimhaut und die äussere Haut vordrängen, die Backenzähne lockern, und später nach aussen, oder in die Maulhölile durchbrochen.
Die erkrankten Kieferknochen zeigen macerirt ein poröses, bim-steinähnliches Gefüge, indem dieselben durch partielle Zerstörung des Knochengewebes im Inneren und durch Wucherung desselben nach aussen aufgebläht und durchlöchert erscheinen.
Vor der Maceration findet man an frischen derartigen Präpa­raten die Lücken im Knochengewebe mit elastischen Wucherungen ausgefüllt, welche nach längerem Bestände theilweise zerfallen und dadurch zur Bildung von Geschwüren, Abscossen und Fisteln führen. Diese Neubildungen erreichen im Laufe der Zeit meist einen bedeu­tenden Umfang, so dass sie bis zur Grosse eines Kindskopfes und darüber hinaus anwachsen können. Bis vor Kurzem bezeichnete man dieselben als Osteosarcome, Spina ventosa (Winddorn), Knochenkrebs, Knochentuberculose u. s. w.
Nachdem zuerst von Hahn im Jahre 1870 ausgesprochen worden war, dass er in gewissen geachwulstartigen Neubildungen beim Rinde Pilze angetroffen habe, untersuchte Bollinger derartige Geschwülste genauer und machte im Jahre 1877 im 3. Bande der Zeitschrift für Thiermedicin, S. 334 bis 340, die interessante Mittheilung, dass es sich hier um eine ächte Pilzkrankheit handelt. Ich werde in Nach­stehendem das Wesentlichste dieser und anderer Publicationen repro-duciren, um dadurch das eigentliche Sachverhältniss darzulegen.
Untersucht man solche Geschwulstmassen frisch, so ergibt sich, dass dieselben aus einem durch straffes Bindegewebe verbundenen Conglomerate verschieden grosser, oft wallnuss- bis hühnereigrosson Knoten von weicher Consistenz und blassgelblicher Farbe bestehen. Auf der glänzenden und saftigen Schnittfläche sieht man trübe, meist gelblich-weisae, abscessartige Herde eingestreut. Manchmal zeigen die Knoten eine schwammige Structur, indem in dem faserigen Stroma zahlreiche, bis hanfkorngrosse Lücken vorhanden sind, die einen trüb­gelben, dicken, häufig käsigen Brei enthalten.
Streift man mit dem Messer über die Schnittfläche, so erhält man in beiden Fällen — sowohl bei jüngeren weichen, als bei älteren
Pütz, Lehrbuch dor ansteckenden Thlerkraukheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 88
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504 Die Actinoiiiycosc des Hiiulcs, des Schweines 11. d. Jlenschen; Historisches.
derboren Knoten — einen puritormeu oder käsigen Brei, der vielfach nestartig in der Geschwulstmasse eingelagert ist. Bei der mikro­skopischen Untersuchung findet man die Geschwülste in der Haupt­sache aus jüngerem oder älterem Granulationsgewebe bestehend, eine sarcomartige Structur zeigend, während der ausgestreifto Brei im Wesentlichen aus Eiterkörperchen, Granulations- und Körnchenzellen, aus fettig körnigem Detritus besteht. Ferner enthält letzterer ganz regohnässig überaus zahlreiche, verschieden grosse, undurchsichtige, schwach gelblich gefärbte und drusig geformte Körper von grob gra-nulirtem, oft maulbeerförmigom Aussehen, die hie und da kalkig in-crustirt sind und sich bei genauer Untersuchung als ächte Pilze er­weisen. Diese bilden blassgelbe, kugelige, drusenförmige Rasen, welche sich bei schwacher Vergrössernng als eine vom Centrum nach der Peripherie hin strahlig ausbreitende Substanz dem Auge präsentiren. Diesem Pilze hat Harz wegen seines concentrisch-strahligen Baues den Namen „Actinoraycesquot; (Strahlenpilz) beigelegt.
Dass diese Pilze keine zufälligen Befunde, sondern von patho-genetischer Bedeutung sind, schloss Bollinger daraus, dass sie constant in allen Theilen der betreffenden Geschwülste vorkommen, wie er dies auch an älteren Spirituspräparaten durchweg und zweifellos nach­weisen konnte.
Siedamgrotzky Avar der Erste, welcher die Angaben Bollinger's prüfte und zum Theil bestätigte. In multiplen Sarcomen der Schlund­schleimhaut eines in gutem Nährzustande gewesenen Ochsen, so wie in einer spindelförmigen Auftreibung des rechten Unterkieferastes eines Rindes, welche Siedamgrotzky frisch untersuchte, fand er die von Bollinger beschriebenen Pilze. Die in Folge dessen durch den Assistenten Wilhelm vorgenommene Untersuchung der pathologisch­anatomischen Sammlung der Dresdener Thierarzneischule ergab, dass in vielen, aber nicht in allen, ähnlichen Geschwülsten fragliche Pilze vorhanden seien. Diese wurden gefunden: 2 mal im Osteosarcom eines Hinterkiefers, in einem Schleimpolypen aus dem Schlundkopfe und in einem indurirten Zungenstücke vom Rinde; sie fehlten dagegen: in 3 ähnlichen Unterkiefergeschwülsten des Pferdes, ferner bei einer Zungeninduration, in vier Schleimpolypen des Kohlkopfes, einem Lymphosarcom am Schlundkopfe und in 2 polypösen Wucherungen der Haube des Rindes (Sachs. Jahresbericht 1877, S. 28—32).
Peroncito erklärt, (Bd. V, 1879 der deutschen Zeitschrift für Thiermedicin S. 33 n. f.), dass er den Pilz schon seit dem Jahre 1863 wiederholt in Sarcomen bei Rindern gesehen und in der „Encyclo-
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Die AotinOmyOOSe etd Historisches und Inrcdioi-ilüt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 595
pedia agrariaquot; beschrieben habe; in einem von ihm untorsueliteri Osteosarcom am Oberkiefer einer Kuli habe er indess den Pilz nicht angetroffen. Er vermuthet desshalb, dass dieser nur ein zufälliger, wenn auch häufiger Befund sei, zur Entwicklung fraglicher Geschwülste aber nicht in ursächlicher Beziehung stehe.
Rabe fand den Actinomycespilz in allen von ihm untersuchten bindegewebigeu Geschwülsten des liinderkopfes und in den sogen. Winddorngesehwülsten des Unterkiefers. In einem Falle sah er 11 haselnuss- bis pflaumeugrosse Actinomycesgesehwülste unter der Haut an der linken Gesichtshälfte einer Kuh, weiche wahrscheinlich von einem hühnereigrossen Tumor am Rande des Nasenloches auf meta­statischem Wege ausgegangen sein dürften. (Wochenschrift für Thier-heilkunde etc. 188raquo;) JNo. 4.)
Die von Siedamgrotzky und l'eroncito, Bollinger, Harz undPonfiek vorgenommenen Uebertragungsversuche blieben ohne Erfolg. Die erste erfolgreiche Uebertragung des Actinomyeespilzes gelang Johne bei 2 Kälbern und einer Kuh. Johne nahm aus einer Actinomycesge-schwulst einer lebenden Kuh ein Stückchen heraus und stellte in fol­gender Weise 2 verschiedene Impfflüssigkeiten her. a) Er verrieb die mittelst einer Nadel aus den Actinomycesstückchen hervorgeholten Pilzrasen mit destillirtem Wasser; — b) er Hess über einige Ge-schwulatausschnitte das in reichlicher Menge aus der Wunde strömende Blut auffliessen und suchte diesem durch nachfolgendes Ueberstreichen und Ausdrücken der Goschwulststückchen die in letzteren enthaltenen Pilzrasen beizumengen. Die mikroskopische Untersuchung beider Impf­flüssigkeiten ergab die Anwesenheit von Strahlenpilzen in denselben. Mit diesen Flüssigkeiten wurden 2 Kälber, 1 Fohlen, und die mit dem Actinomycosknoten behaftete Kuh, von welcher das Impfmaterial entnommen war, geimpft, indem dasselbe den Versuchsthieren theils mittelst der Pravaz'schen Spritze in die Subcutis oder Submucosa, theils in andere Körpertheile eingespritzt wurde. Bei beiden Kälbern und der Kuh haftete die Impfung, beim Fohlen nicht. (Deutsche Zeitsohr, f. Thiermed. S, 170 bis 180.) Johne hält damit (und wohl mit Recht) für erwiesen, dass die Actinomycose eine ächte Infections-krankheit ist. Er sagt nämlich (1. c. S. 1(50 und S. 176):
Zwei wohl fundirte Thatsachen sind es, durch welche diese An­nahme bewiesen wird.
a) Die durch den Strahlenpilz; hervorgerufenen geschwulstartigen Neubildungen besitzen einen bestimmten, vollständig characteristischen Typus; alle Geschwülste, welche denselben zeigen, enthalten Actinomyces.
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Die Aotlnorayoose etc. Infeotiositamp;l und Looalisation.
b) Die Aetinomycose iist durch Impfung übertragbar; die cliarac-teristischen Geschwülste lassen sich bei gewissen Thieren durch Ueber-tragung von l'ilzmasson künstlich hervorrufen. Die Actinoinyces-geschwülste können (nach Johne) ein ganz ausserordentlich verschie­denes äusserus Ansehen haben. Meist handelt es sich um rundliche, oft gelappte, meist mehr oder weniger pilzartig aufsitzende Neubil­dungen mit glatter Oberfläche, deren (Jonsistcnz je nach der Ent­wicklung ihres bindegewebigen Gerüstes von der eines weichen, po­lypenartigen Sarcoma, bis zu der eines festen, derben Fibrosarcorns oder Fibroms vat'iirt. Auch die Farbe ist hiernach verschieden. Die derben Actinomykoiue (wie Johne sie der Kürze halber vorläufig nennen möchte) sind grauweiss oder wcissgelb; die weicheren sind etwas stärker, aber immerhin wenig vaseularisirl, stellenweise mit kleinen Blutungen besetzt. Dicht unter der Oberfläche, oder durch dieselbe hundurchschimmernd sind kleine, nadelkopfgrosse Knötchen von intensiv gelber, eiterartigor Färbung zu erkennen, welche bei den weicheren Actinoinycomen deutlicher hervortreten, als bei den derben. Dieselben sind so bezeichnend, dass mau eventuell schon während des Lebens darauf hin die Diagnose stellen kann. Durch den Nachweis der oft sehr kleinen und sparsam vorhandenen Granu-lationsknötchen können die Actinomycome von anderen ähnlichen Ge­schwülsten (Fibrosarcomen etc.) sicher unterschieden werden.
Das Centrum eines jeden derartigen Knötchons wird von einem grösseren oder kleineren Pilzhaufen gebildet. Dieser ist (nach Johne) nahezu constant von einer Gruppe verschieden grosser und verschie­den gestalteter Kiesenzellen umgeben, welche sehr häufig eine unregel-mässige, namentlich Keulenform besitzen.
Bereits hat Bollinger a. a. O. mitgetheilt, class er den Strahlen­pilz aussei- in den Kieferknochen in geschwulstartigen Neubildungen der Zunge (bei sogenannter „Holzzungequot;), der Kachenhöhle (sogen. Lymphorae) und des Kehlkopfes (Polypen), der Olirdrüsen (Cysto-Sarcome), so wie der Magenschleimhaut gefunden habe. Jolme u. A. constatirten Actinomycome ferner am Bauchfelle, im Euter, in der Lunge, in der äusseren Haut, im Bindegewebe unter Schleimhäuten und zwischen den Körpermuskeln.
Die meisten Infectionon mit Actinomyces scheinen vom Ver-dauungseanale auszugehen, da ganz vorzugsweise im Bereiche dieses Actinomycome angetroffen werden. Ponfiek hat zuerst die Vermuthung ausgesprochen, dass die Pflanzennahrung bei Entstehung der bis jetzt bei Carnivoren nicht zur Beobachtung gekommenen Aetinomycose
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Die AcUiiüiuycose des, Kiiuk'S und Schweines; Aetiologic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;507
eine Rolle spielen; (Berl. klin. Wochenschrift 1880 No. 42) und Israel ist der Ansicht, dass gewisse in den Tonsillcn des Menschen vorkom­mende Mycelformen zur Entstehung fraglicher Zustände in ursäch­licher Beziehung stehen. Dies veraulasste Johne, darauf hezügliche Untersuchungen bei Thieren anzustellen.
Derselbe fand in den Tonsillentaschen eines (anderer Ursachen halber) zur Untersucluing übersandten Schweinekopfes kleine, faden­förmige, aber starre i'flanzonpartikelchen, die sich grösstentheils als Gerstengrannen erwiesen. Diese waren mit Pilzelementen besetzt, welche sich von den Conidicn der daneben liegenden kleineren und grösseren Actinomyceshaufcn in keiner Weise unterschieden. Den­selben Befund lieferten (mit mir 2 Ausnahmen) die Gaumentonsillen von 24 als volls(ä,ndig gesund geschlachteten Schweinen, während in den Tonsillon von 4 Rindern nichts derartiges zu erkennen war. Die in den Tonsillentaschen des Schweines liegenden Actinomyceshaufcn scheinen so lange unschädlich zu bleiben, als das jene Taschen aus­kleidende dicke Plattencpithcl unverletzt ist. Die Pilzrasen werden dann allmählich durch Kalkniederschläge incrustirt und so unschädlich gemacht; höchstens können dieselben noch als Concremente reizend auf ihre Umgebung einwirken.
Johne glaubt auch für Thiere ohne Bedenken annehmen zu können, dass die Actinomycose durch das Eindringen mit Strahlen­pilzen besetzter Futtermittel in die Growebe des Thierkörpers verur­sacht werde. Er hält es für selbstverständlich, dass auch von der äusseren Körperoberfläche aus durch ganz unbedeutende Wunden sich ähnliche Gebilde eindrängen und im Bindegewebe weiter vorgeschoben werden können. So sei es nicht auffallend, dass isolirte, primäre Actinomycome zuweilen weit entfernt von der Schleimhaut oder von der äusseren Hautoberfläche angetroffen werden.
Den negativen mikroskopischen Befund bei Untersuchung der Tonsillentaschen des Rindes erklärt Johne dadurch, dass diese Taschen nicht frei an die Oberfläche der Schleimhaiit (wie beim Schweine), sondern in eine ziemlich tiefe Grube münden, deren Oeffnung, so wie das ganze Lumen der Tonsillen, mit dickem, zähem, glasigem Schleime ausgefüllt sind, wodurch das Eindringen von Grannen etc. verhindert wird.
Bis jetzt ist die Actinomycose nur beim Rinde, beim Schweine und beim Menschen beobachtet worden. Bollinger berichtet zwar (Zeitschr. f. Thiermed. Bd. III. 1877, S. 389 Anm.), dass Zippelius ähnliche Goschwülste auch bei Ziegen gesehen habe. Nach Bollinger
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Die Actinouiycosc des Eindes and Sohweines; Aetlologfie,
sollen einzelne Fülle von Kief'crgescliwülsten bei Ziegen, welche sich in der Literatur erwähnt finden, mit der Kiefermycose dos Kindes übereinstimmen und sich etwas Aehnliches möglicherweise auch bei Schafen und verwandten Wiederkäuern finden. Aber weder bei Ziegen noch bei Schafen etc. sind, so viel mir bekannt ist, bis jetzt eigent­liche Actinomycoine festgestellt worden.
Beim Menschen sind die Wirkungen des Strahlenpilzes im Ganzen weit gefälu'liehere, als bei unseren Hausthieren. Während es beim Menschen fast ausschliesslich und oft bereits im Verlaufe weniger Monate zu langwierigen erschöpfenden Eiterungen mit grosser Neigung zur Ausbreitung und Goneralisirung dos Krankheitsprozesses kommt, bekundet die Actinomycose beim Rinde und Schweine vorzugsweise eine geschwulstbildende Tendenz mit nur geringerer Neigung zur Eiterbildung, Ausbreitung und Metastasenbildung. Rinder mit Actinoiny-comen, welche die Futteraufnahme und Athmung nicht belästigen, bleiben in der Regel über Jahr und Tag von allgemeinen Krankheits­erscheinungen frei und werden meist erst dann geschlachtet, wenn eine mechanische Behinderung der genannten vegetativen Functionon eingetreten ist.
Johne glaubt, dass die dem Rinde und im Allgemeinen auch dem Schweine zukommende Neigung zur raschen Bildung mehr oder weniger fibröser, nicht sehr gefässreicher Tumoren, welche den in-fectiösen Pilz einschliessen, die Ursache sein möge, dass eine rneta-statische Verschleppung und eine Ausbreitung der Actinomycose im Allgemeinen zu den Seltenheiten, hingegen Localisation und centralcs Wachsthum der Actinomycome bei den in Rede stehenden Thier-gattungen zur Regel gehören.
Die bei Schweinen in der Umgebung des Schlundkopfes vor­kommenden kalten Abscesse scheinen mehr oder weniger häufig aus einem eiterigen Zerfall von Actinomycomen hervorzugehen. In einem derartigen von Johne untersuchten Falle fanden sich in dem dick­lichen, grüngelblichen Eiter in massiger Anzahl hirsekorngrosse gelb­liche Körnchen, welche, so weit die nähere Untersuchung vorgenom­men wurde, Actinomyceshaufcn enthielten. In manchen Gegenden scheint die Actinomycose des Rindes besonders häufig vorzukommen, insofern die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine grosso Anzahl der früher als Rachen- und Ohrdrüscn-Lymphome, als Kiefergeschwulst u, s. w. bezeichneten Tumoren eigentliche Actinomycome sind. So fand (nach Bollinger'a Angabe 1, c. S. 339) Bezirksthierarzt Zippelius in Obernburg (Unterfranken) innerhalb ca, 10 Jahren beim Rinde
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Die Actinomycose des Rindes und Schweines; Diagnose und Verlauf. 599
254 Lymphome in der Umgebung des Kehlkopfes und in der Rachen-hohle, so wie 167 Kiefergesehwülste. Meyor, Thierarzt in Nouhaus an der Oste, hat im Verlaufe von 12 Jahren 300 Rachengesehwülste operativ hoseitigt. (Jahreäbericht der Thierarzneischule in Hannover 1871 S. 29 bis 42.) In anderen Gegenden kommen derartige Ge­schwülste weit seltener vor.
Die Diagnose der Actinomycome wird dem Gesagten gemäss keine besonderen Schwierigkeiten bieten, wenn dieselben dem Auge zugänglich sind, wie dies z. B. bei Localisation des Prozesses in der iiuaseron Haut, in den Kieferbeinen, oberen Halslymphdrüaen u. s. w. der Fall ist.
In der Zunge bilden dieselben Einlagerungen, welche häufig die sie bedeckende Schleimhaut hervordrängen. Diese Neubildungen sind oft nur hirsekorngross, erlangen aber nicht selten den Umfang einer Kirsche, einer Wallnuss und darüber hinaus. Sitzen dieselben der Zungonoberfläche nahe, so wird die sie zunächst bedeckende Schleim­haut leicht zerstört, wodurch es zur Bildung von Erosionen, Geschwüren und Narben kommt, Im Zangengewebe selbst entwickelt sich se-eundär eine interstitielle Entzündung, die häufig zu einer massigen Vergrösserung und holzartigen Verhärtung der Zunge führt, weshalb man diesen Zustand als „Holzzungequot; bezeichnet hat. Auch ist der­selbe als Tuberculose, Sarcomatose etc. der Zunge öfter beschrieben worden. Durch die sich allmählich steigernde Ungelenkigkeit der Zunge wird die Futtcraufnahme immer mehr beeinträchtigt und schliess-lich unmöglich, so dass die Thiere in solchen Fällen abmagern und, wenn sie nicht vorher geschlachtet werden, den Hungertod sterben.
Im Februar 1882 übergab Thierarzt Enkc der luesigeu Veterhiai-ldinik die Zunge einer frisch geschlachteten Kuh, welche bereits seit längerer Zeit (inindo-stens 6 Monaten) schleclit gel'rossen hatte, Die Untersuchung dieser Zunge ergab im Wesentlichen Folgendes; Der hintere Theil der Zunge ist bedeutend geschwollen und In Folge dessen der Zungenrüoken stark nach oben gewölbt; der vordere Thell (die Spitze) der Zunge verhält sich ziemlich normal. Etwa 3 Finger breit hinter der Spitze treten zahlreiche, höckerige, scharf umschriebene, warzenartige Krhnbenheiten auf. welche sich von da ab über die ganze Zungenoberllache nach hinten in zerstreuter Anordnung ausbreiten. Dieselben sind etwa linsen- bis bühnereigross; die grösseren haben die Schleimhaut der Zunge durchbrochen, während die kleineren sich als kleine Höcker durchfühlen hissen. Jene haben Aehnlichkeit mit grösseren, ovalen, stark abgeplatteten Warzen, welche des Epi- ' thels beraubt sind. Ihre Farbe ist blassgelb, ihre C'onsistenz elastisch-weich. Der griisste dieser, an der rechten Scitenlliiche der Zunge gelegene, (abgeplattete) Knol­len ist 41/lt; Ctm. lang, 8Ctm. breit und 2'/- Ctm. boeb. Atisserdem sind auf der­selben Seite nach dem Zungen'grunde hin zahlreiche llnsengrosse Knötehen unter
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(300 Die Actinomycose des Rindes und Schweines; Diagnose und Verlauf.
der Schleimhaut vorhanden. Grössere und kleinere derartige Geschwülste linden sich auch auf der linken SeitenlUiche der Zunge. Auf der Höhe des Zungen­rückens sind drei umfangreiche Dcfectein derZungenschleimlmnt vorhanden, welche sich gegen die Nachharschaft scharf abgrenzen. Dieselben sind von ileischrother Farbe und lassen an ihrer Oberlläche kleine Höckerchen wahrnehmen, welche sich tlach aus dem Gewebe erheben. Der mittlere dieser Defecte liegt in der Medianlinie der Zunge zwischen den umwallten Papillen; die beiden anderen ziehen sich, je einer zur Seite des grossen Sclileimhautdel'cctes, über den oberen Seitenrand auf die Seitenflächen der Zunge, der links gelegene Delect ist der grösstc; derselbe ist 12,90 Ctm. lang und 5,90 Ctm. breit. Ein Längsdurchschnitt durch die Zunge zeigt, dass das Messer einen ziemlich bedeutenden Widerstand findet. Auf der Schnittllache zeigen sich zahlreiche Felder von grauweissgelh-licheni opakem Aussehen, deren Gewebe über das Niveau der zum Theil ver­drängten, blassrothen Zungenmuskulatur hervorquillti ihre Grosso wechselt zwi­schen der einer Linse und eines Zweimarkstückes. Die grosseren dieser Felder haben eine mehr ovale Form und breiten sich tief in das Zungengewebe aus, indem sie sich stellequot;nweise in unregelmässige (breite Fortsätze ausziehen. Dieses Wachsthum in die Tiefe scheint vorzugsweise im Verlaufe der Muskelfasern zu erfolgen. Die Oberlläche dieser Durchschnitte ist massig feucht und mit zahl­reichen hirsekorngrossen gelben Knbtchen übersäet. Das Gewebe der Zungen­spitze ist bis zum Zangenkörper auf der Sohnittfläohe von diesen Neubildungen frei. Das Gewicht der frischen Zunge betrug 2430 Gramm. — Alle übrigen Or­gane der betreffenden Kuli sollen nach Enke's Aussage gesund gewesen sein. — Die mikroskopische Untersuchung der in die Neubildungen so massenhaft ein­gestreuten gelben Knötchen ergab, dass diese vorzugsweise aus Actinomycesrnsen bestehen, zwischen welche Kalksalze reichlich eingelagert sind. Das Geschwulst­gewebe zeigte eine sarcomähnliche Beschaffenheit, so dass über die Natur dieser Neubildungen kein Zweifel obwalten kann.
Der Tod kann auch eintreten, wenn die Actinomyeome in der Rachenhöhle sitzen. Es stellen sich dann allmählich immer mehr auf­fallende Schlingbeschwerden und Hustenanfälle ein. In Folge jener verirren sich nicht selten Futterstoffe in die Luftröhre und in die Lungen, wodurch eine Fremdkörper-Pneumonie mit tödtlichem Ausgange herbei­geführt zu werden pflegt. Actinomyeome im Bereiche des Kehlkopfes verursachen häufig mehr oder weniger bedeiitende Atheinboschwerdcn, namentlich wenn sie unmittelbar am Kehlkopfoingange oder im Kehl­kopfe sitzen, oder wenn dieselben bei weniger unmittelbarer Nähe am Kehlkopfe einen grosseren Umfang erlangt haben. Derartige Acti­nomyeome können entweder durch das Auge, oder mittelst Palpation wahrgenommen werden. Wo dies von aussen nicht möglich ist, wird eine Untersuchung der Maul- und Rachenhöhle mit der Hand zum Ziele führen. Da indess nicht in allen bindegewebigen Tumoren am Kopfe des Rindes Strahlenpilze vorhanden sind, so kann die sichere Unterscheidung, ob die äusserlich einander ähnlichen Geschwülste
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Die Actinoniyeosc des llimlcs und Scliwcines; Prognose mid Bolinndliuig. (JOl
Actinomycomo, Sarcome, Fibrome, oder Fibro-Sarcome etc. sind, oft erst durch genauere Untersuchung, reap, durch den mikroskopischen Nachweis des Strahlenpilzes, festgestellt werden.
Die Prognose ist wesentlich von der Localisation der Ge-schwulstbildung abhängig, was sich aus dem vorhin Gesagton gewisser-massen von selbst ergibt. Während dieselbe bei isolirteu Actinomy-comen, welche keine wichtige Function des Organismus beeinträchtigen, oder ohne Gefahr radical exstirpirt werden können, im Allgemeinen günstig lautet, ist die Actinomycose der Zunge oder anderer unent­behrlicher, operativ nicht zugänglicher Organe absolut unheilbar und schliesslich tödtlich, wenn nicht etwa, was im Ganzen selten der Fall sein dürfte, spontane Heilung eintritt.
Die Behandlung der Actinomycose bei Thieren ist eine rein chirurgische; sie beschränkt sich im Allgemeinen auf die Entfernung der im Bereiche der Körperporipherie an geeigneten Stollen, so wie in der Rachenhöhle vorkommenden Actinomyces-Goschwülste. Dagegen sind die Kieferactinomycome in der thierärztlichen Praxis schwer oder gar nicht operirbar, weil eine umfangreiche Abtragimg der Kieferbeine (wie sie in der Mensehenheilkunde mit gutem Erfolge ausgeführt werden kann) bei Thieren nicht ratlisam erscheint. Alle derartige und ähnliche Kiefergeschwülste (Osteosarcome u. dergl.) lässt man am besten unberührt.
Die in der Rachenhöhle vorkommenden sogenannten Lymphome können sowohl von der Maulhöhle aus, wie auch von der äusseren Haut aiis; exstirpirt worden. Im ersteren Falle wird dem niederge­legten Thiere das Maul mittelst des Maulgatters offen gehalten. Meyer operirt nur mit der Hand; nachdem er diese in die Rachenhöhle vor­geschoben hat, erfasst er den Tumor und entfernt ihn, je nach seiner Beschaffenheit, durch Bohren, Drehen, Ziehen und Kratzen mit den Nägeln. Nach einer früheren brieflichen Mitthoilung hat Meyer diese Operation stets mit gutem Erfolge ausgeführt, während andererseits mir berichtet worden ist, dass dieses Verfahren keineswegs ungefähr­lich sei, sondern den Erstickungstod herbeiführen könne. Um diesem vorzubeugen, würde man vorher eventuell die Tracheotomie machen können. — Harms durchschneidet bei dem zur Operation niederge­legten Thiere in der Mitte unter dem Kehlkopfe die äussere Haut in einer Länge von etwa 15 Ctm., so dass man durch die Wunde mit der Hand eindringen kann. Mit dieser bahnt man sich dicht neben dem Kehlkopfe einen Weg bis zur Geschwulst, erfasst dieselbe und entfernt sie durch Drehen, Ziehen und Kratzen mit den Fingernägeln.
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J)ie AotlnotnyooBlaquo; eu;. Behandlur
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Nach Entt'enuing dor Gosclnvulst nehmen die Athembeschwerden in Folge der eintretenden Schwellung mitunter für die ersten folgenden Tage hedeutond zu. Harms hat niemals üble Folgen nach diesem Verfahren eintreten sehen; dieselben sollen durch ein geeignetes anti­septisches Verfahren während und nach der Operation fern gehalten worden können.
Die in der Ohrdrüsengegend unter der äusseron Haut beim Kinde sich entwickelnden Gesch-wülste, welche man vulgär Cysto- oder Lympho-Sarcomo, Igel- oder Ililenkröpfe zu nennen pflegt, können ebenfalls mit einiger Sicherheit exstirpirt werden, so lange dieselben noch einigerraassen scharf begrenzt und zu umgreifen sind. Wegen der Nähe der hier vorhandenen zahlreichen grossen Gefässe und Nervonstämme u. s. w. muss jeder blutige Eingriff an dieser Stelle mit grösstcr Vorsicht unternommen werden. Da fragliche Geschwülste im Allgemeinen langsam wachsen, in der Regel auch durch periodisches Aufbrechen sich für einige Zeit wieder verkleinern, so dauert es meist Jahre lang, bevor dieselben erhebliche Störungen verursachen; zu­weilen tritt sogar spontan ein dauernder Stillstand in ihrer weiteren Entwicklung, resp. Heilung, ein, Wo eine radicalo Operation ohne Gefahr nicht möglich ist, suche man die betreffenden Thiere früh­zeitig als Sciilachtwaare zu verwerthen.
Es fragt sich nun, welche Stellung die Sanitäts-Polizei der Acti-nomycose gegenüber einzunehnion hat. Von dem Grade der Gon-tagiosität dieser wird jene selbstverständlich abhängen. So weit die seitherigen Erfahrungen reichen, scheint eine Ansteckung von Indi­viduum zu Individuum selten oder gar nicht vorzukommen. Diese Angelegenheit vordient indess eine möglichst genaue Prüfung, da Politick (die Actinomycoso des Menschen, eine neue Infectionskrank-heit etc. Berlin 1882) in neuester Zeit nachgewiesen hat, dass auch beim Menschen die Actinomycoso vorkommt und diesem sogar be­deutend grössere Gefahren bereitet, als unseren Hausthieren.
Bereits im Jahre 1845 hatte v. Langenbeck beim Mensehen eigenthüraliche Gebilde constatirt, welche nunmehr als Microphyten erkannt sind. Israel (Virchow's Archiv Bd. 74) hat die nämlichen Gebilde bei verschiedenen Menschen gefunden, welche unter pyiimi-schen Erscheinungen gestorben waren; er hat dieselben genauer be­schrieben und für vegetabilische Organismen erklärt, welche wahr­scheinlich pilzartiger Natur seien, Das Verdienst, diese Gebilde zu­erst als spezifische Krankheitserreger beim Menschen festgestellt und der durch sie hervorgebrachten Krankheit als „Actinomycose des Men-
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Die Aetiuomycosc des Menschen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Q03
sclienquot; eine bestimmte Stelle in der vergleichenden Pathologie ange­wiesen zu haben, gebührt Ponfiek. Derselbe constatirte am 17. April 1879 in der Leiche eines Manneraquo;, welcher an einer langwierigen Bindegewebscutzüiulung im Beroielio des Brustfelles gestorben war, Strahlenpilze und bozeiclmete die Krankheit als „Aetinomycosis homi-nisquot;. Seit seiner Mittheilung hierüber auf dem Chirurgencongresse in Berlin (am 19. April 1879) hat Ponfiek 4 weitere Fälle sowohl während des Lebens, als an der Leiche des Menschen genau beob­achtet und beschrieben. Aussei1 diesen 5 Ponfick'schon Fällen liegen gegenwärtig noch 12 weitere, im Ganzen also 17 Berichte über Acti-nomycosis des Menschen vor, von denen 9 tödtlich endeten.
Diese Krankheit des Menschen zeigt in ihren klinischen Er­scheinungen, so wie auch an der Leiche wesentliche Verschiedenheiten von der Actinomycose des Rindes. Beim Menschen ist eine viel grös-sere Neigung zur weiteren Ausbreitung des durch Actinomyces ver­ursachten Krankheitsprozesses vorhanden als beim Rinde und beim Schweine. Bei jenem kriecht der Prozess im lockeren Bindegewebe weiter und führt zur Eiterung, ferner zur Bildung weit verzweigter Fistelgoschwüre mit schnell zerfallendem Granulationsgewebe. Die entstellenden Abscesse können je nach ihrer Lage und bei frühzeitiger Behandlung zur Heilung gebracht werden. Es können aber auch Senkungaabsccsse entstehen, so wie Metastasen nach den verschiedensten äusseren und inneren Organen, wo dann häufig eine Generalisation des Krankheitsprozesses folgt. Zur Bildung compacter Gesehwülste (wie beim Rinde) pflegt es beim Menschen nicht zu kommen. In der Mehrzahl der Fälle setzt (nach Ponfiek) der Prozess in Form einer entzündlichen Infiltration am Ober- oder Unterkiefer ein, namentlich in der Nähe eines Backzahnes. Senkungen im Verlaufe der Wirbel­säule mit späterer Betheiligung dieser und der Rippen am Krank­heitsprozesse wurden öfter beobachtet. Schliosslich erkrankt auch das Brust- oder Bauchfell, wozu eine eiterige Exsudation in die betreffende seröse Höhle in der Regel hinzutritt, nachdem meist in der Rücken-oder Lendengegend Abscedirungen vorausgegangen sind. In der Leber, Milz, in den Nieren, im Danncanale, in den Lungen, im Herzen, in den Muskeln und in der äusseren Haut kommen nicht selten meta-statischc Abscesse in grosser Anzahl zu Stande. Endlich tritt der Tod ein unter den Erscheinungen der Schwindsucht, resp. durch Er­schöpfung in Folge der andauernden Eiterungsprozesse.
Was nun den betreffenden Krankheitserreger anbelangt, so dürfte es kaum einem Zweifel unterliegen, da.ss derselbe beim Menschen und
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004 Die Actinomycosc des Mensclieii. IMe septloämisohen Krkrnnkiuigeii.
bei Thicren sehr ähnlich oder vollkommen identisch ist. Zweifelhafter ist indesraquo; die eigentliche Natur desselben. Nach dem Urtheile bo­tanischer Sachverständiger (Harz, Colin, de Barry, Pringsheim) han­delt es sich jedenfalls um einen Pilz und zwar wuhrscheinlich nm eine nocii unbekannto Form eines Schimmelpilzes.
Ponfick ist (wie Johne) der Ansicht, dass dieser Pilz von jeder verletzten Stelle der änsseren Haut, oder einer Sclileimhaut aus in die Gewebe des Körpers einzudringen vermag. Ob derselbe auch vom Thiere auf den Menschen, oder vom Menschen auf Thiere über­tragen werden kann, ist vorläufig noch unentschieden. Hierauf be­züglich erwähnt Ponfick nur beiläufig, dass ein mit Actinomycose be­hafteter Mensch viel mit einer an fraglicher Krankheit leidenden Kuh in Berühniug gekommen sei. — Erst nach genauerer Erforschung dieser Verhältnisse, resp. der Contagiosität der Actinomycose, wird die Sanitätspolizei eine bestimmte Stellung dieser Krankheit gegenüber einnehmen • können.
28. Die septicämisclien Erkrankungen. Septicämie oder Septhämie.
Der Begriff der Septicämie uiuschliesst alle Erkrankungsformen, welche durch den Eintritt verschiedener Fäulnissproducte in die Kör­persäfte verursacht werden. Unsere Kenntnisse der Natur dieser in-fectiösen Substanzen sind noch sehr mangelhaft und in Folge dessen auch die näheren Beziehungen der einzelnen Erscheinungsformen frag­licher Krankheitsgruppe zu einander vielfach unbekannt. Man ist ge­neigt, das Characteristische dieser in der Specificität des Krankheits­erregers zu suchen.
Sehen wir von der Natur der betreffenden Stoffe vorläufig ab und untersuchen wir zunächst, wie dieselben in den Thierkörper ge­langen. Man ist darüber ziemlich einig, dass diese Stoffe die intacten Oberflächen der äusseren Haut und der Schleimhäute in der Regel eben so wenig zu durchdringen vermögen, wie unbeschädigte gesunde Granulationen einer Wunde. Zu einer septicämisclien Infection kommt es somit nur dann, wenn eine resorptionsfähige Wunde und ein fauliger Infectionsstoff zusainmentreffen. Wo es sich um äusserliche, oder um puerperale Wunden handelt, wird der Infectionsheid meist leicht und sicher ermittelt werden können ; in anderen Fällen aber ist es nicht selten, dass derselbe sogar bei der Section nicht aufgefunden werden kann.
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Die Beptioamp;iaisoben Erkrankungen der Thiere und des Alensoheni (305
Bei hochgradiger Virulenz des fauligen Stoffes scheint es vor-zukonuneii, dass ein Individuum an Septiciimic erkrankt und zu Grunde geht, nachdem die vergiftete Wunde, wenn sie nur klein und ober­flächlich war, bereits vernarbt ist.
Bei unseren grösseren Hausthieren scheint die Resistenz gegen Fäulnissgift im Allgemeinen eine grössere zu sein, als bei kleinen Thiercn und beim Menschen. Wenn man jenen Fäulnissstoffe ins Unterhautbindegewebe injicirt, so erkranken sie, sterben oder genesen je nach der Beschaffenheit und Menge des einverleibton Giftes. Ein und dieselbe Faulflüssigkeit hat indess bei den verschiedenen Thier-spezles keineswegs die nämlichen Krankheitserscheinungen im Gefolge. Für das Zustandekommen mehr oder woniger verschiedener Krank-heitsfonnen ist ferner von wesentlicher Bedeutung: das Stadium der Fäulniss, so wie die Beschaffenheit der faulenden Substanzen, von welchen die inficirenden Fäulnissproducte herrühren. Bei geringerer Virulenz des infoctiösen Stoffes pflegt die Erkrankung eine weniger heftige und weniger gefährliche zu werden, wenn nicht fortgesetzt eine neue Aufnahme von Fäulnissgift in die Gefässbahnen stattfindet, resp. kein zu bedeutendes Quantum jenes mit einem Male aufgenom­men worden ist.
Also nicht nur die Menge und der Giftigkeitsgrad des einge­drungenen Giftes, sondern auch die generelle (und individuelle) Re­sistenz der verschiedenen Thiere spielen hier eine bedeutende Rolle, insofern durch sie die verschiedensten Gradationen der Krankheit, von den leichtesten Intoxieationserscheinungen an, bis zu den pernieiösesten, in kürzester Zeit tödtlich endenden Formen der Septicämie, bedingt werden.
Nicht selten ist Septicämie die Folge von Erkrankungen des Darmeanales; namentlich wird durch dysenterische Zustände die Ex­coriation der Schleimhaut und damit die Aufnahme des putriden Giftes in die Körpersäfte begünstigt. So kommt in den Zuckerwirthschaften der Provinz Sachsen gegenwärtig unter den Schafen häufig nach Fütterung mit den l'rcssrückständen der Zuckerrüben (Schnitzel) eine pernieiöse, höchst acut verlaufende Septicämie vor, wobei die Schafe, bis zum plötzlichen Eintritt eines sehr heftigen Durchfalles, munter sind und gut fressen, dann aber innerhalb einiger Stunden verenden. Bei der Section finden sich ausser grossen Massen von Fäulnissorga­nismen im Darme und im Blute, so wie in den verschiedenen Körper­geweben, die später zu beschreibenden wesentlichsten Soctionsbefunde der Septicämie.
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Die scpticämisclicn Erkninkungen ; Kranklieitserscliclnuiig-eii.
In dem ausgepressten Safte der mir zur Untersuchung über­sandten Sehnitzol fand ich zahlreiche Mikrokokken, Diplokokken und kurze Fadenbacterien in lebhafter Bewegung.
Aber auch ulcorative und gangränöse Prozesse auf und unter der äusseron Haut, im Bereiche der Schleimhäute und anderer Körper­gewebe können zur septischen Infection führen.
Die allgemeinen Krankheitsersoheinungen stimmen in ausge­sprochenen Fällen von Septicämie mit denen anderer schweren In-fectionskrankheiten überein ; es sind dies folgende: Fiobererscheinungen, Verlust des Appetits, vermehrter Durst, Hinfälligkeit, Eingenommen­heit des Kopfes, Schlafsucht oder Delirien. Der Puls ist beschleunigt, voll, weich und gewöhnlich doppeltschlägig (dicrotisch). Nicht immer ist ein deutlich ausgesprochenes Fieber vorhanden; dasselbe kann sogar ganz fehlen. Es kommen Fälle vor, wo eine Erhöhung der Temperatur kaum zu constatiren ist, oder die ganz ohne eine solche und selbst mit abnorm niedriger Blutwänne verlaufen. Der Gosichts-ausdruck der Thiere verräth in höheren Graden der Krankheit ein grosses Unbehagen, eine gewisse Aengstlichkeit. Manchmal tritt der Tod sehr bald, manchmal erst nach einer Krankheitsdaucr von 1 bis 2 Wochen ein. Bei der Septicämie sind viele, oder alle Körper-organe von dem Krankheitsprozesse ergriffen. Das Krankheitsbild kann je nach der Betheiligung dieser oder jener Organe mannigfach verschieden sich gestalten. Bald treten Localisationon im Bereiche der äusseren Haut auf, ödematöse Anschwellungen an Kopf und Glie­der etc., ferner an den Schleimhäuten Petechien auf der Nasenschleim­haut, missfarbiger, oft blutiger Nasenausfluss u. s. w. Auch die Mit-betheiligung der Venen und Lyraphgefässe an dem Krankheitsprozesse kann eine sehr verschiedene sein.
So entstehen die mannigfachsten Krankheitsbilder, deren richtige Beurtheilung zuweilen mehr oder weniger erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Von besonderem Interesse sind die profusen Durchfälle, welche zuweilen bei puerperaler Septicämie, so wie bei intensiver putrider Infection vom Darmcanale aus auftreten und den Verfall der Kräfte beträchtlich beschleunigen. Auch der Sectionsbefund ist dem­entsprechend ein sehr variabler und bietet in vielen Fällen nichts Characteristisches. Derselbe besteht nach Litten (Zeitschrift für kli­nische Medicin Bd. II. 1881, S. 391 u. folg.):
a)nbsp; aus einer Reihe allgemeiner, sämmtlichen Infectionskrankheiten zukommender Erscheinungen und
b)nbsp; aus einer Anzahl localer Veränderungen, welche sich an ver-
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Die scpticümischen Erknnilaingcii; Seotionsersoheinungen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(.i(_)7
achiodenen oder siiinmtlichen Kör\)ei-organen finden uiul im Wesent­lichen als „Nekrobiosenquot;, mit oder ohne domarkirende Eiterung, auf­zufassen sind.
Zur ersteu Erscheinungsreihe gehören : Frühe und starke, aber schnell vorübergehende Todtenstarre, schneller Eintritt der Fäulniss, ausgebreitete Senkungen des Blutes in den Geweben des Cadavers, Trockenheit und dunkle Farbe der Muskulatur, Petechien, seltener grössere Ekehymosen in der Haut, im Bindegowebe, in den Muskeln so wie auf den Schleimhäuten und auf den serösen Häuten, besonders am Endocardium und an den Synovialhäuten ; im Gehirn und an dessen Häuten, im Untorhautbindegewebe, in den grossen Drüsen der Hinter-leibshöhlc, so wie im Knochenmarke sind Blutunterlaufungon häufig vor­handen; ferner findet man trübe Schwellung der Leber, der Nieren, des Herzens, conatante Schwellung der Milz u. s. w. Die Temperatur im Rectum steigt bald nach dem Tode nicht selten bis auf 43deg; C.
Die Befunde der zweiton Reihe sind im Wesentlichen folgende:
Bei vorhanden gewesener Endocarditis ist auf den Herzklappen häufig eine foinkörnige Auflagerung von sammetartigem Aussehen wahrzunehmen, welche aus Pilzrasen besteht, die auf der inneren Herzauskleidung fest aufsitzen und nach deren Entfernung oberfläch­liche Substanzverluste sich zeigen. An den Klappen sind manchmal polypöse Wucherungen vorhanden, nach deren Entfernung tiefe, un-regolmässige, diphtheritisch aussehende Geschwüre zurückbleiben welche zuweilen zur Perforation der Klappen, zu umfangreichen Sub­stanzverlusten, tiefen Ulcerationen und Blutungen geführt haben. So­wohl an den Segelklappen, wie an den Taschenventilen können der­artige Veränderungen sich finden. Auch sind die Sehnenfäden der Zipfelklappen manchmal durch Mikrokokken zerstört worden. Diese Veränderungen sind die Folge einer durch Mikroorganismen in loco verursachten Nekrobiose und secundären Entzündung, welche letztere oft von einer Blutung begleitet wird (Weigert).
Neben diesen Befunden trifft man häufig eine allgemeine oder umschriebene Herzmuskelentzündung (Myocarditis). Im ersteren Falle handelt es sich um eine diffuse, fettige oder wachaartige, oder körnige Degeneration des Myocardiums, wie sie auch bei anderen Infections-krankheiten angetroffen wird. — Im zweiten Falle findet man mul­tiple Abscesse im Herzmuskel, welche embolischen Ursprunges und auf eine Anhäufung von Mikroorganismen in den Capillaren des Myo­cardiums zurückzuführen sind. Dieselben können ganz fehlen, oder in verschwindend kleiner Anzahl vorhanden sein, oder den Herzmuskel
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(j(J8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die septiciunischtTi ErUfiiukiuigen; Scotiouserselieinung'oii.
sehr ssahlmch durclisetzen. Exsndative Herzbeutelentzüadung kommt selten vor; häufiger werden kleinere Blutungen in den Herzbentel-blättem angetroffen; solche pflegen in der Substanz des Herzmuskels selten ganz zu fehlen. — Im Gehirn und in seinen Häuten ist der Befund kein constanter. Nur dann, wenn Lähmungserseheinungen während dos Lebens vorhanden waren, findet man regelmässig nach­weisbare Veränderungen, die meist (oder immer) embolischer Natur sind. Im Uebrigen sind die Gehirn- resp. Nerven-Erscheinungen überwiegend als toxische aufzufassen, welche durch die Einwirkung des inficirten (vergifteten) Blutes auf die Nervencentren, so wie event, durch die höhere Bluttemperatur bedingt werden. — Die im Gehirn und an seinen Umhüllungen etwa vorhandenen Blutungen bilden meist linsengrosse Flecken, deren Uentrum heller erscheint und aus Mikro­organismen besteht. Neben solehon über die ganze weiche Hirnhaut (pia mater) oder über grosso Strecken der Hirnoberfläclie zerstreuten Blutungen findet man bei acuter Erweichung von Hirnsubstanz, wie sie bei septischen Erkrankungen zuweilen vorkommt, kleine, punkt-förmige Ekchymosen, welche um den Erweichungsherd gruppirt und auf diese Stelle beschränkt sind. Kleinere metastatiseho Abscease in Form weissliclier Flecken kommen zuweilen in grösserer oder ge­ringerer Verbreitung in der Gehirnsubstanz vor. Sie sind die Folge eines acuten Zerfalles im Boreiche der Emboli. In diesen Herden findet man bei mikroskopischer Untersuchung kurze stäbchonförmige Organismen, welche nur doppelt so lang, als breit sind.
Zuweilen finden sich auch an und in den Augen Veränderungen, welche auf septischer Infection beruhen.
Kleine Blutungen in der Haut, so wie an den Schleimhäuten, sind häufige Befunde und bilden schon während des Lebens, wenn sie äusserlicli sichtbar sind, ein wichtiges Symptom der septischen In­fection.
Die Prozesse, welche auf der Schleimhaut des Verdauungscanales angetroffen werden, sind im Ganzen weder constant, noch von beson­derer Bedeutung. Abgesehen von den kleinen multiplen Blutungen, wie sie auf jeder Schleimhaut häufig beobachtet werden, findet man in der Regel keine auffallenden Veränderungen der Darmschleimhaut; nur in seltenen Fällen ist diese der Sitz bedeutenderer Blutungen. Zu­weilen jedoch sind grössere blutige Infiltrationen der Schleimhaut, welche gelegentlich über die beiden anderen Häute des Darmes sieh verbreiten.
Die Milz ist mehr oder weniger geschwellt und zuweilen in
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Die septioämisclieu Erkrankungen; Seotionsereoheinungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(jQO
ihrer Consistenz und Farbe auffallond verändert; in besonders schweren Fällen von Septicämie findet man ihr Gewebe breiig, zcrfliessend.
Die Leber ist meist schwach vergrössert, entfärbt, mürb und sieht wie gekocht aus; zuweilen erreicht die Schwellung dieses Or­gans höhere Grade. Anderweitige auffällige Veränderungen derselben sind äussorst selten, so z. B. metastatische Abscesse in ihrem Bereiche, wenn man von den kleinen miliaren Herden absieht, welche durch das Eindringen der Mikroorganismen in die Capillarcn bedingt werden.
Das Bauchfell ist an septischen Prozessen selten betbeiligt; nur bei puerperaler Septicämie pflegt dies der Fall zu sein.
Die Bauchspoieheldrüso befindet sich zuweilen im Zustande der trüben Schwellung und der fettigen Degeneration mit Zerfall der Drüsenzellen. Für das blosse Auge erscheint dies Organ mehr oder weniger stark geschwollen und geröthet; der acinöse Bau der Drüse ist unter Umständen ganz verschwunden.
In den Geschlechtsorganen, besonders bei Mutterthieren bald nach der Geburt, findet man ausserdem häufig einen jauchigen Brei u. s. w. (Puerperale Septicämie.)
Die Nieren sind an septischen Prozessen vielfach in ausgeprägter Weise betheiligt. Nicht nur dass sie weit häufiger, als jedes andere Organ, der Sitz vieler miliarer Abscesse sind und fast constant ver­grössert und getrübt erscheinen, sondern man triflft nicht selten die Erscheinungen einer diffusen Entzündung ihres Parenchyma. In diesem Falle erscheinen sie vergrössert, namentlich im Dickendurchmesser; ihre fibröse Kapsel ist prall gespannt und lässt sich leicht vollständig abziehen. Nach Entfernung derselben erscheint die Oberfläche trübe, anämisch mit stark ausgeprägten Venensternen. Häufig ist sie mit Blutpunkten sehr reichlich besetzt, so dass sie wie mit Blut bespritzt aussieht.
Die Consistenz des Nierenparenchyms ist teigig; beim Einschneiden in die Rinde klaffen die Schnittränder weit auseinander. Auf der Schnittfläche erkennt man, dass Rinden- und Marksubstanz in gleicher Weise au der Vergrösserung des Organes betheiligt sind; beide Sub­stanzen unterscheiden sich indess durch ihr Colorit sehr wesentlich von einander. Die Rinde zeigt die nämliche anämische, weissgelbe Farbe, wie die Nierenoberfläche, während die Markkegel hyperämisch erseheinen mit einem Stich ins Blaurothe. Die erstere erscheint auf der Schnittfläche trüb, wie gekocht, in stärkeren Graden lehmfarben, ohne Glanz und Succulenz. Die Glomoruli sind mit blossem Auge nicht leicht zu erkennen, während gelbe Punkte und Züge sichtbar sind,
Pütz, Lehrbuch der ansteckenden Thlorkrimlthelteu.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39
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Die scpticämischcn Erkrankungen; Scctionsersclieinungeii.
welche stärker verfetteten Partien entsprechen. In seltenen Fällen finden sich uuifangreiehere emholische Abseesse, die gelegentlich ins Nierenbecken durchgebrochen sind. Wenn das emholische Material von einer chronischen Endocarditis herrührt, so findet man unter Um­ständen neben fraglichen Absccssen auch embolische Keile. Im Nieren­becken sind fast constant Blutungen in der Sclileiiuhaut vorhanden, häufig mit sehr deutlich erkennbarem ombolischem Centrum; gele­gentlich werden auch entzündliche Zustände des Nierenbeckens an­getroffen.
Im Bereiche des Respirationsapparatos ergeben sich meist sehr wesentliche Befunde. Eine sehr häufige fast characteristische Begleit­erscheinung der Septieämie ist der Bronchialcatarrh. Zuweilen zeigt sich diese AiFection schon in der Luftrölu'e, in deren Schleimhaut sieh in seltenen Fällen hämorrhagischo Infiltrationen finden. Die Schleim­haut der Bronchien ist geröthet und mit zähem, oder mehr eiterigem Secret bedeckt. Zuweilen findet sich ausgebreitete Hepatisation des Lungengewebes, welche sich von dem Bilde der eroupösen Lungen­entzündung nicht unterscheidet; häufiger sind embolische Prozesse. Eiterherde kommen entweder in miliarer Form vor (während des Lebens machen diese keine erkennbaren Symptome), oder als grössere, jauchige Abseesse. Im letzteren Fall liegt nach völliger Ausbildung des Prozesses ein putrider Sequester in einer mit übelriechender Flüssig­keit ausgefüllten Höhle. In der Nähe dieser hat sich fast ausnahms­los eine umschriebene Pleuritis ausgebildet, welche nur dann eine grössere Ausbreitung erreicht, wenn der betreffende nekrotische Herd die Lungonpleura unmittelbar berührt. In diesem Falle findet man die Erscheinungen einer exsudativen Pleuritis mit jauchigem Character.
Im .Mark der grossen Röhrenknochen scheinen kleinere graue; graugelbliche oder grünlichgelbe Herde mit hämorrhagischem Hofe nicht selten zu sein.
Im Blute finden sich aussei- gelegentlicher Vermehrung der weissen Blutkörperchen keine constanten Veränderungen. Besonders erwähnt zu werden verdient, dass Billroth und Winiwarter weder im frischen Aderlassblute septieämischer Individuen (es gilt dies für Menschen und Thiere) noch in dem unmittelbar, oder innerhalb einiger Stunden nach dem Tode aus den Gefässen des Cadavers entnommenen Blute „Bacterion oder Mikrokokkenquot; nachweisen konnnten. Gaffky, der unter Koch's Leitung mit der Davaine'schen Kaninchensepticämie und der Septieämie Pasteur's experimentirte, zählt den Nachweis mikroskopischer Organismen im Blute mit 7Ai den wesentlichen Cri-
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Die Beptloftmlsohen Brkrankungen; Diagnose und Aetiologie, (ill
terien der iSepticämio, ebenso Pasteur, Joubcrt, (Jhambcrland, Colin, Semmer und Andere.
Eine besonders hervorragende Kolle im Krankheitsbilde der Septicämie spielen manchmal die Gelenke welche sich nicht seiton an dem Prozesse betheiligon. Es handelt sich dabei um •wirkliche Gelenkentzündung mit Eiterbildung im Gelenke, oder um Entzündung in der Peripherie des Gelenkes, wobei der Eiter nicht in die Gelenk­höhle selbst eindringt, sondern in seiner Umgebung sitzt.
In den quergestreiften Muskeln des Bewegungsapparates, so wie auch im Zwerchfelle findet mau eben solche miliare Abscesse, wie im Herzmuskel.
Aus der grosson Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche das klinische Bild, so wie den Sectionsbefund der Septicämie variireli, ergeben sich als constant; Fieber mit seinen Folgen, nekrotisirende, entzllndliche und hämorrhagische Prozesse, Diese constanten Erschei­nungen werden, wie bereits erwähnt, durch den Eintritt giftiger Sub­stanzen in den Thierkörper verursacht, welche ihrem Wesen und ihrer chemischen Natur nach zur Zeit noch ungenügend erkannt sind. Ob­gleich eine grosso Anzahl bedeutender Forscher sich dem Studium dieser Dinge mit vielem Pleisse und Scharfsinne, sowie mit grosser Ausdauer gewidmet haben, so steht bis jetzt doch nur sicher fest, dass die Entwicklung putrider Infectionsstotfe von den Fäulnisspro­zessen organischer Substanzen abhängig ist. In faulenden organischen Körpern findet man ausnahmslos ein Heer von kleinsten Organismen, die sogen. „Fäulnissbacterienquot;. Ob diese Spaltpilze die Erreger, oder mir soeundäro Befunde der Fäulniss sind, war lange Zeit strittig; gegenwärtig aber scheint erstere Ansicht die meisten Anhänger ge­funden zu haben.
In Bezug hierauf sagt Cohnheim (Allg. Pathologie S. 160): „Hinsichtlich der Fäulniss organischer und besonders stickstoffhaltiger Substanzen dürften wir wohl gegenwärtig keinem Widerspruche mehr begegnen, wenn wir für dieselbe ein directes Abhängigkeitsverhältniss von Schizomyeeten aufstellen; Bacterien — und zwar vor allen Bac­terium termo — sind die Erreger der Fäulniss.quot;
Die sogenannten Fäulnissorganistnon werden indess nicht allseitig als die Erzeuger, sondern vielfach nur als die Träger des (chemi­schen) septischen Giftes angesehen.
Die meisten Forscher auf diesem Gebiete (unter diesen auch Panum und Weigert) nehmen an, dass die Bacterien ein chemisches Gift produciren, welches auf seine Umgehung zerstörend wirkt und
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612nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;L)'1-' seplicümischun Erkraukiingcu; Kraiikheitscrregei'.
welches man von den Baeterien abscheiden kann. Es würde sich demnach um eine ähnliche Wirkung handeln, wio hei den Aetzmitteln, welche ebenfalls die mit ihuou in Berührung kommenden Gewebe direct tödten. Es erscheint mir indess sehr zweifelhaft, dass das ge-sauarate Krankheitsbild der septischen Int'ection ohne weitere Mit­wirkung der Fäulnissbacterien, oder anderer niederer Organismen, d. h. lediglich durch die Vergiftung der Korpersiifto mittelst eines beim Fäulnissprozesse entstehenden löslichen chemischen Stoffes zu Stande kommen kann.
Im Verlaufe des Fäulnissprozesses werden verschiedene chemische Körper gebildet, deren giftige Wirkung auf den Thierkörper zum Theil nachgewiesen worden ist. So hat Bergmann aus faulender Bier­hefe einen krystallisirbaren chemischen Körper dargestellt, den er „Sepsin* genannt hat und dem er vorzugsweise die Wirkung der putriden Infection zuschreibt. Dieses Gift konnte aber aus faulendem Serum, so wie. aus faulendem Eiter (Fischer) nicht dargestellt werden und dennoch wirken auch diese Stoffe mehr oder weniger septisch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass im Verlaufe der Fäulniss, je nach Beschaffenheit der faulenden Stoffe, verschiedene giftige Verbindungen entstehen, welche sich bis zum Abschlüsse der Fäulniss vielleicht mannigfach ändern. So hat man gefunden, dass nicht nur Sopsin, sondern auch der bei der Fäulniss organischer Substanzen entstehende Schwefelwasserstoff, das Schwefelammonium, die Buttersäure, Leucin und manche andere sich bildende chemische Körper mehr oder weniger septisch wirken.
Die Producte der beginnenden Fäulniss wirken (nach Hiller u. A.) viel heftiger auf den Thierkörper ein, als die Endproducto dieser Pro­zesse. Die im Anfange derselben gebildeten chemischen Verbindungen hat man als „septische Fermente0 und die Endproducto als „putride Giftequot; bezeichnet.
Das (von Iliiler) durch Ausziehen mit Glycerin von den Fäul-nissbacterien getrennte (isolirte) septische Ferment reproducirt sich im Thierkörper wie ein Contagium, während die von Panum isolirten putriden Gifte sich nicht zu reproduciren vermögen.
Litten ist geneigt, die Erscheinungen der Septicämie auf ein organisirtes und auf ein chemisches Gift zurückzuführen. Die febrilen Erscheinungen nebst ihren Folgezuständen glaubt er auf die Durch­setzung des Thicrkörpers mit dem gelösten chemischen Gifte, dagegen die localen cntzündlich-nekrotisehcn Prozesse auf die Anwesenheit der sogenannten Fäulnissorganismen beziehen zu sollen. Es unterliegt
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Die septkiimisclicn Erkrankungen; Krankheitserreger.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Q\8
keinem Zweifel (Litten 1. c. S. 562), dass die localen Prozesse bei Septicämie in der Regel embolischen Ursprunges sind und dass, wie durch Versuche festgestellt ist, das emboliscbe Material infectiös wirkt. Die Gruppe der localen Eiterungsprozesse, welche bei der Septicämie beobachtet werden, sind (1. c. H. 504) der Bactcrien-Einwirkung zu­zuschreiben. Diese Prozesse kommen namentlich dann in grösserem Umfange zur Beobachtung, wenn ein Thrombus jauchig zerfällt. Da die so entstehende doletäre Masse die Capillaren unzweifelhaft passiren kann, so wirkt dieselbe deshalb violloieht um so intensiver und aus­gebreiteter auf die Gewebe ein, weil ein Material, welches auschliess-lich aus Mikrokokkon besteht, die Gewebe leichter und in grösscrer Ausbreitung durchdringt. Man findet aber auch grössore Infections-herde in den paronehymatösen Organen, welche ausschliesslich aus Microkokken bestehen. Ob letztere nur Nokrose verursachen, wäh­rend jene moleculiireu deletäron Massen es ausschliesslich sind, welche die umfangreichen Eiterungen veranlassen, bleibt vorläufig unent­schieden. Es ist indess schon lange bekannt, dass die von Venen­thromben herrührenden (putriden) Zerfallsmassen weiter getragen wer­den und in verschiedenen Organen Abscesse jauchiger oder gangränöser Art bedingen können. Domgemäss findet man bei septischem Puer-peralfieber, bei welchem Thromben der Venen oder Lymphgefiisse des Uterus und seiner Anhänge jauchig zerfallen sind, so häufig Abscesse in den Lungen und in verschiedenen anderen Organen.
So ungleich die klinischen Bilder der nekrotischen Herde bei Septicämie erscheinon, so gleichartig ist der mikroskopische Befund.
Die hämorrhagischen Prozesse, welche bei den septischen Er­krankungen eine so bedeutende Rolle spielen, werden von Vielen (Virchow u. A.) auf die bei Septicämie vorhandene Blutzersetzung zurückgeführt; andererseits werden dieselben wenigstens theilweise der Einwirkung von Bacterien zugeschrieben. Wenn man aber le­diglich die Zersetzung des Blutes als die Ursache der Blutungen an­nimmt, so bleibt es unverständlich, warum diese manchmal fehlen, oder nur ganz vereinzelt vorkommen, während sie in anderen Fällen so massenhaft auftreten. Am ehesten wird diese Erscheinung ver­ständlich, wenn man die Thatsache näher berücksichtigt, dass die Spaltpilze die Capillarwandungen direct durchsetzen. So hat Block (Beiträge zur Kenntniss der Pilzbildung in den Geweben der thieri-sehen Organe, Dissert, inaug. 1870, Fig. 17) ein aus dem Gehirn eines Lammes stammendes Gefäss abgebildet, welches durch die darin zu Stande gekommene Entwicklung dos Myceliums von Aspergillus
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(514nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die sepUciimisdiim Erkrankungen; Prognose. Pyiimie.
glauous 24 Stunden nach Einführung der Sporen gesprengt wurde. Obgleich demnach erwiesen ist, dass durch pflanzliche Parasiten Blu­tungen im Thiorkörper verursacht werden können, so steht doch an­dererseits fest, dass solche Blutungen sowohl bei fohlenden, als auch bei vorhandenen Bacterien-Embolien vorkommen, so dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, das Zustandekommen, resp. die jedesmalige Ursache derselben in befriedigender Weise zu ergründen.
Was die Prognose bei Septicämie anbelangt, so gilt im Allge­meinen folgendos:
Die Prognose ist bei septischen Infectionskrankheiten sehr ver­schieden; während die leichteren Fälle meist von selbst heilen, wenn ein weiterer Nachschub von Fäulnissgift durch eine entsprechende örtliche Behandlung verhindert wird, führen die schweren Formen meist den Tod herbei.
Trockene Zunge, so wie frühzeitige und bedeutendere Unregcl-mässigkeiten des Pulses bei grosser Frequenz desselben sind in pro­gnostischer Hinsicht stets bedenklich; weniger ungünstig sind Unregcl-mässigkeiten geringeren Grades, namentlich im Ilhythmus des Pulses, besonders wenn dieselben auf der Höhe der Krankheit eintreten. Eine geringe Pulsfrequenz bei hohen Temperaturen, oder bei verschiedenen Complicationen, namentlich wenn solche das Herz oder den Herz­beutel betreffen, bei Pleuritis, Blutungen, Collapszuständen U. s, w. deutet auf das Herannahen der Agonie, oder des Todes.
Je höher und anhaltender die Pulsfrequenz, je schnellender und dicroter die Beschaffenheit dos Pulses ist und je leichter sich die Arterie zusammendrücken liisst, um so ungünstiger ist die Prognose; dieselbe wird noch verschlimmert durch sehr hohe, oder sehr niedrige Temperaturen.
Plötzliche Collapszuständo mit Zeichen dor Herzschwäche (als: Leere der Arterien, Füllung der Venen, Verlangsamung der Circu­lation) und mit schnellem Erkalten der peripheren Körpertheile be­ruhen meist auf Entartung des Herzmuskels, oder sind bedingt durch plötzlich eintretende Complicationen (Pericarditis, Peritonitis etc.). Sie kommen vorzugsweise bei den puerpcralcn Formen der Septicämie vor, wo sie sich entweder mehrfach wiederholen, oder gleich beim ersten Anfullo plötzlich den Tod im Gefolge haben.
Ueber das Wesen der Septicämie herrscht dem früher Gesagten gemäss noch ein tiefes Dunkel. Bekanntlich bezeichnet man ein fieber­haftes Allgemeinleiden, welches durch eine auffallende Neigung zur Bildung zahlreicher Absoesse (sogen, pyämischer Herde) und eiteriger
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Die septicümiscliun Ei'kraukiuigen; Pyümie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (jlä
Exsudate characterisirt ist, als „Pyämie oder Pyohämiequot;. Im Ver­laufe des zuletzt verflossenen Jahrzehnts (1870 bis 1880) war die Unterscheidung zwischen Sopticiimie und Pyämie auch in ätiologischer Hinsicht vielfach als berechtigt und zweckmässig hingestellt worden. Neuerdings aber scheint die Ansicht, dass der inficironde Stoff bei beiden Krankheitsformen der nämliche sei, wieder mehr Anhänger zu gewinnen. Nach Klebs, Pasteur, Litten u. Anderen steht die Eiter­bildung zu Mikroorganismen in Beziehung; der Eiter selbst wird neuerdings vielfach als eine septische Substanz betrachtet. Demnach wäre die Pyämie nur eine besondere Erscheinungsform der Septicämie. Die Entscheidung dieser Frage muss vorläufig der Zukunft überlassen bleiben, Sollte es sich aber auch im Laufe der Zeit herausstellen, class beide in Rede stehende Krankheitszustände ein und demselben Gifte ihre Entstehung verdanken und dass die Verschiedenheit der Erscheinungen wesentlich in individuellen Eigenthümlichkeiten be­gründet sei, etwa in einer besonderen Beschaffenheit oder Disposition der betreffenden Gewebe verschiedener Thiere, auf denselben Reiz in verschiedener Weise zu reagiren, so würde doch der Unterschied im klinischen Bilde genannter Zustände in practischer Hinsicht eine no­minelle Scheidung immer noch rechtfertigen können. So viel wissen wir schon längst, dass weder die verschiedenen Thierspezies, noch die verschiedenen Individuen ein und derselben Gattung in gleicher Weise gegen das nämliche Gift reagiren; dass derselbe Infectionsstoff in dem einen Falle zur Eiterbildung führen kann, im anderen Falle hingegen zur Nekrose u. s. w.
Für den thierärztlichen Kliniker liegt die Besonderheit der Pyämie allerdings ziemlich ausschliesslich in den metastatischen Eiterungen, welche unter Umständen, wenn sich dieselben auf innere Organe be­schränken, während des Lebens unerkannt bleiben können. Andere spezifische Symptome, wie sie beim Menschen auftreten, pflegen bei Thieren nicht vorzukommen. Während z. B. beim Menschen die öftere Wiederkehr eines Schüttelfrostes, so wie ein eigenthümlicher, intermittirender Fiebertypus die Pyämie characterisirt, fehlen diese Symptome bei Thieren. Nur durch wiederholte Injectionen von Eiter oder von anderen septischen Stoffen kann man bei Thieren Schüttel­fröste, oder intermittircndo Fieberanfälle hervorrufen.
Nach Gaffky unterscheidet sich die Pyämie von der Septicämie dadurch, dass letzterer Metastasen und Eiterungen fehlen. Als Septi­cämie bezeichnet derselbe eine tödtlich verlaufende acute Infections-krankhcit, bei welcher das Blut der Träger des Giftes ist; Vergrös-
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(31(3 Die septicämischen Erkrankmiguii; Classilicirung und Behandlung.
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seruug der Milz und der Lymphdrüsen sind constant. Die im Blute vorhandenen Mikroorganismen stehen den Bacterion nahe und können auch ausserhalb des Thiorkörpers sich vermehren. Die Uebertragurg der Krankheit durch Impfung erfolgt durch minimale Quantitäten von Blut. Hier jedoch, wie bei anderen Infectionskrankheiten wird nach der ersten oder zweiten Generation die volle Giftigkeit erreicht. Eine progressive Steigerung der Virulenz, wie sie Davaine angenommen hat, ist bis jetzt weder für Septiciimie, noch für eine andere In-fectionskrankheit nachgewiesen.
Ich begnüge mich vorläufig damit, an dieser Stelle die allge­meinsten Gesichtspunkte für eine Characteristik dor Septicämie zu­sammengestellt zu haben. Eine genauere Begrenzung und Differen-zirung der einzelnen Formen dieser Krankheitsgruppe bleibt der Zu­kunft vorbehalten. Bei der gegenwärtigen Unvollkommenheit unserer Kenntniss der Fäulnissgifte, so wie der eigentlich spezifischen Cri-terien septischer Erkrankungen, würde eine spezielle Classificirung dieser unzuverlässig und verfrüht erscheinen. Wie wenig sicher fragliche Criterion gegenwärtig noch sind, lehrt unter anderen auch die That-sache, dass Bellinger den Rauschbrand des Rindviehs für eine spezi­fische Infectionskrankheit hält, welche nicht zur Gruppe der septischen Krankheiten gehört (Virchow und Hirsch Jahresbericht 1877), wäh­rend Feser und andere Forscher den Rauschbrand fraglicher Krank­heitsgruppe einreihen. Ferner nennt Gaffky die Davaine'sche Ka-ninchenseptieämie eine echte Septicämie, während er die Septicämie Pasteur's mit dem malignen Oedem Koch's identificirt. Dazu kommt noch, dass Koch in seinen neueren Publicationen zwischen Fäulniss-bacterien und Septicämiebacterien unterscheidet. Aus diesen wenigen Andeutungen ergibt sich wohl zur Genüge, dass in dieser so ausser-ordentlich complich'ten Frage noch Manches einer besseren Klärung bedarf. So lange unter den Spezialisten auf diesem Gebiete so wenig Uebereiastimmung herrscht, erscheint mir eine ausführlichere Detail-lirung der septischen Erkrankungsformen mehr oder weniger willkür­lich und weder den Zwecken der wissenschaftlichen Forschung, noch der thierärztlichen Praxis förderlich.
Die Behandlung schwerer septieämischer Krankheiten ist im Ganzen wenig erfolgreich; mehr vermag die Kunst bei Verhütung dieser Krankheiten zu leisten. Curative und prophylactische Behandlung fallen eigentlich in das Gebiet der antiseptischen Wundbehandlung.
Regierungsrath Dr. Koch hat in den Mittheilungen des Kaiser­lichen Reichs-Gesundheitsamtes, Bd. I, Berlin 1881, eine Reihe von
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Die septiciimischen Erkrankungen; Behandlung und Desinfeotion. G17
Versuchen veröffentlicht, welche für die Behandlung infectiöser Krank­heiten, so wie für die Vorbeuge und Desinfection von eminenter Wichtigkeit sind. Zunächst bemerkt Koch, dass man sich bei Prüfung des Worthes eines Desinfectionsmittels auf Versuche beschränken könne, welche sich auf diejenigen Mikroorganismen beziehen, welche als die Infectionserreger betrachtet werden. Denn wenn auch die organisirte Natur des Krankheitserregers in vielen Fällen noch zweifel­haft sei, so dürfe man doch mit Recht annehmen, dass mit der Ver­nichtung alles Lebenden und dessen Keimen auch die Wirkung et­waiger nicht organisirter Krankheitsgifte zerstört sei.
Bei Prüfling eines Desinfectionsmittels muss vor Allem berück­sichtigt werden, dass keins derselben für alle Verhältnisse passt, oder auf alle Mikroorganismen gleich sicher einwirkt. Hierbei spielt namentlich auch der Entwicklungszustand der Mikroorganismen eine grosso Rolle, insofern die von einer festen Hülle umschlossenen so­genannten „Dauersporenquot; in kaum glaublicher Weise gegen äussere Einflüsse sich resistent erweisen. Diese Gebilde zählen zu den wider­standsfähigsten, welche in der gesammten organischen Welt existiren.
Nur aus dem Verluste der Entwicklungsfähigkeit dieser Mikro­organismen kann auf die genügende Desinfection mit Sicherheit ge­schlossen werden. Nach den neuesten Forschungsresultaten ist zwar anzunehmen, dass die Virulenz und Entwicklungsfähigkeit sich keines­wegs allseitig decken. Denn wenn auch kein Zweifel darüber besteht, dass mit Vernichtung der Entwicklungsfähigkeit organisirter Krank­heitsgifte die spezifische Wirkungsfähigkeit (Contagiosität) dieser zer­stört wird, so ist doch andererseits mindestens höchst wahrscheinlich, dass die Virulenz fraglicher Mikroorganismen früher erlischt, als die Fortpflanzungsfähigkeit derselben. Gleichwohl können nur dann, wenn die Desinfectionsmittel im Stande sind, die pflanzlichen Mikroorganismen in ihrer resistenten Form zu tödten, dieselben als vollkoinmen zuver­lässig anerkannt werden. Bios in solchen Fällen, in welchen es un­möglich ist, eine absolut sichere Desinfection zu bewirken, darf man sich auf den Gebrauch solcher Mittel beschränken, welche entwicklungs­hemmend und die Virulenz vermindernd wirken.
Da nach den seither gemachten Erfahrungen anzunehmen ist, dass ein Mittel, welches die Milzbranddauersporen in kurzer Zeit tödtet, auch in ziemlich der nämlichen Zeit und Concentration anderen Sporen gegenüber dasselbe zu leisten vermag, so hat Koch vorzugsweise mit jenen seine Versuche angestellt; Mittel, welche dieser Anforderung nicht entsprechen, gehören zu den weniger zuverlässigen, obgleich sie oft im
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(318 Die septieiuuisclicn Erkrankungen; Behandlung und Desinlection.
Stande sein können, Infectionsstoffe von geringerer Resistenz zu zer­stören.
Desinfectionsmittel müssen, um sicher zu wirken, auch möglichst schnell wirken, damit sie nicht durch Verflüchtigung oder Verdünnung unwirksam werden, bevor sie ihren Zweck erfüllt haben. Die Dauer einer (chemischen) Desint'cction soll nie viel länger als 24 Stunden Zeit beanspruchen, Aber nicht nur die erforderliche Dauer der Ein­wirkung des betreffenden Desinfectionsmittels, sondern auch die Form und Concentration seiner Lösungen, die Art seiner Anwendung mit Eück-sicht auf etwa erforderliche Vorbereitungen, die Verbindung mehrerer Desinfectionsmittel mit einander etc. kommen wesentlich in Betracht.
Mit Rücksicht auf diese Anforderungen an eine rationelle Des-infectiou hat nun Koch seine Prüfung der verschiedenen in beson­derem Rufe stehenden Mittel vorgenommen, indem er dieselben in geeigneter Weise auf Seidenfäden einwirken Hess, welche mit sporen-oder bacterienhaltigem Milzbrandraaterial getränkt und nachher ge­trocknet worden waren. Die zu prüfenden Desinfectionsmittel wurden in flüssiger (gelöster) Form und in verschiedener Concentration in Rea­genzgläser gefüllt; in dieselben wurden die in angegebener Weise präparirten Seidenfäden verschieden lange Zeit hindurch eingelegt und die Gläser mit einem passenden Korke fest verschlossen. Die ab und zu aus der Desinfectionsflüssigkeit herausgenommenen Fäden wurden auf einen geeigneten Nährboden gebracht, um zu prüfen, oh die Keimfähigkeit der in ihnen enthaltenen Milzbrandorganismen zer­stört sei oder nicht. So wurden zunächst geprüft: Carbolsäure, schwefelige Säure und Chlorzink. Da diese Prüfung Resultate ergab, durch welche der Werth fraglicher Mittel zum Zwecke der Desin-fection weit hinter ihrem Rufe zurückblieb, so prüfte Koch noch eine Menge anderer Mittel und gelangte zu folgenden Schlüssen:
Der Sublimat ist das einzige von allen bis jetzt bekannten chemischen Desinfcctionsmitteln, welches bei einmaliger Anwendung einer sehr verdünnten Lösung (] : 1000—5000) selbst die resistentesten Mikroorganismen in kurzer Zeit zu tödten vermag. Fragliches Queck-silberpriiparat ist im Stande, in Folge einer innigen Berührung wäh­rend '/i bis l|2 Stunde mit den betreffenden Krankheitsgiften diese zu zerstören. Demnach kann man die deainficirten Gegenstände mit Wasser reichlich abspülen, um eine etwa denkbare nachträgliche schädliche Wirkung des Sublimats möglichst vollkommen und sicher zu beseitigen.
Um Flüssigkeiten zu entgiften, welche Eiweisskörper oderSchwe-
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Die sepücäniisclioii Erkrankungen; Behandlung und Desinfeotioni 619
felwasserstoff enthalten, muss der Sublimfit in grosserer Concentration angewendet werden, da derselbe mit diesen Körpern unlösliche Ver­bindungen eingeht. Um zu prüfen, ob eine solche Flüssigkeit die zur Vernichtung aller in ihr enthaltenen Mikroorganismen erforder­liche Menge Sublimat im ungebundenen Zustande enthält, genügt es, einen Streifen blank geputztes Kupferblech in dieselbe zu legen. Wenn dieser innerhalb '/laquo; Stunde mit einer Amalgamschicht sich be­deckt, so ist die Lösung wirksam.
Auch andere Queeksilberpräparate (salpetersaures und salzsaures Quecksilberoxyd) haben sich als wirksame Desinfectionsmittel erwiesen. Wie weit dieselben in der Praxis verwendbar sind, muss durch weitere Versuche noch genauer festgestellt werden.
Aussei- den Quecksilberpräparaten sind Chlor und Brom als mehr oder weniger brauchbar und wirksam befunden worden. Ersteres ist zur Desinfoction geschlossener Räume der als sehr zuverlässig ange­priesenen, dagegen in Wirklichkeit fast wirkungslosen schwefeligen Säure in Gasform weit vorzuziehen.
Um sporenhaltiges Milzbrandmatorial sicher und schnell zu zer­stören, erscheint die Anwendung einer lOprozentigen wässerigen Lö­sung von Carbolsäure nothwendig, während für sporenfreies, nur ba-cillenhaltiges Material eine Iprozentige Lösung in wenigen Minuten die Desinfection bewirkt. In öligen oder Spirituosen Lösungen äussert die Carbolsäure die erforderliche desinficirende Wirkung nicht *) ; über­dies stehen alle Carbolvorbindungon der reinen Carbolsäure an Wirk­samkeit bedeutend nach.
Der Desinfectionswerth des Chlorzinks scheint nach den Ver­suchen Koch's ganz erheblich geringer zu sein, als seither angenom­men wurde. Es gibt überhaupt nur wenig Mittel, welche Milzbrand­sporen innerhalb 24 Stunden zu tödten im Stande sind. Salzsäure, Schwefelsäure, concentrirte Lösungen von Chlorcalcium und Chlor­natrium, die Lösungen fast sämmtlicher Metallverbindungen, beson­ders des Eisenchlorids, äussern auf Milzbrandsporen keine besondere Einwirkung; ebenso wenig Borsäure, Borax, chlorsaures Kali, Benzoe-säure, bonzoösaures Natron, Zimmtsäuro und Chinin.
Von den vielen bis dahin in hohem Rufe stehenden Desinfections-
-j An WiimlobtTiliieliiMi dürften indess die Spirituosen Lösungen das Ein­dringen der Mikroorganismen noch dadurch erschweren, dass sie die Gerinnung der Wundsecrete, resp. der Eiwcisskürper, (ordern, wodurch eine schützende Decke, gebildet wird,
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620nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Urs Vlehseuohengesetz Fi'ankrelohe.
mitteln haben sich also nur die Queeksilberpriiparate, namontlicli der Sublimat, bewährt; demnächst folgen Chlor und Brom.
Obgleich diese Versuche noch der weiteren Controlo bedürfen, so haben dieselben doch schon jetzt eine grosse Bedeutung und ver­dienen in der Praxis möglichst berücksichtigt zu werden.
Das Viehseuchengesetz Frankreichs.
Gesetz, betreffend die Sanitätspolizei der Thiere.
(Veröffentlicht am 21. Juli 1881.)
Titel I.
Ansteckende Thierkrankheiten und die gegen dieselben anwendbaren
Massregeln.
Art. 1. Die für ansteckend gehaltenen Thierkrankheiten, auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden, sind folgende:
die Rinderpest bei allen Wiedorkäuergattungen;
die Lungenseuche des Rindviehs;
die Scliafpockcn und die Räude dos Rindes, Schafes, der Ziege und des Schweines;
Rotz und Wurm, die Beschälseuche des Pferdes und Esels;
die Wuth und der Milzbrand aller Thiere.
Art. 2. Ein Decret des Präsidenten der Republik, welches auf den Bericht des Ministers des Ackerbaues und Handels nach dem Gutachten des Consultativ-Comity's für Thicrsouchen erlassen werden soll, wird dem Verzeichnisse der für ansteckend gehaltenen, vorstehend bezeichneten Krankheiten jeder Thierart, alle anderen benannten oder nicht benannten Krankheiten, welche einen gefährlichen Character anzunehmen drohen, hinzufügen.
Die Dispositionen des gegenwärtigen Gesetzes können durch ein Decret, das in der nämlichen Form erlassen wird, auf andere hier nicht bezeichnete Thiergattungen ausgedehnt werden.
Art. 3. Jeder Eigenthliiner, jede Person, welcher die Pflege oder Beaufsichtigung eines seuchekranken oder -verdächtigen Thieres unter irgend einem Titel in den durch die Art. 1 und 2 vorgesehenen Fällen übertragen ist, ist vorpflichtet, davon dem Maire der Gemeinde, in welcher sich das Thier befindet, sofort Anzeige zu machen.
Gleichfalls sind alle Veterinäre, welche zur Behandlung eines solchen Thieres zugezogen worden, zu dieser Anzeige verpflichtet.
Das mit einer der im Art. 1 spezificirten Krankheiten behaftete, oder der Ansteckung verdächtige Thier soll unverzüglich und sogar
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Dfts Vlebseuohengeeetz Frankreichs^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;021
bevor die Verwaltungsbehörde auf die Eenaciirichtigung geantwortet hat, sequestrirt, abgesondert und so lange als möglich von anderen für diese Krankheit empfänglichen Thiereu isolirt gehalten werden.
Es ist untersagt, dasselbe zu transportiren, bevor der durch die Verwaltungsbehörde abgeordnete Veterinär selbiges untersucht hat. Dasselbe Verbot ist anwendbar auf das Vergraben, wofern nicht der Maire in dringenden Fällen die Spezial-Ermächtigung erthoilt hat.
Art. 4. Der Maire soll, sobald er benachrichtigt worden ist, die Ausführung der in vorstehendem Artikel enthaltenen Vorschriften sichern und dafür sorgen, dass sie statthat.
Sobald die durch den sect; 1 des vorhergehenden Artikels vorge-geschriebene Declaration gemacht worden ist, oder beim Fehlen der Declaration, sobald er Kenntniss von der Krankheit hat, veranlasst der Maire ohne Verzug die Untersuchung des kranEen oder verdäch­tigen Thieres durch den mit diesem Dienste beauftragten Veterinär. — Dieser bestimmt (und im Bedürfnissfalle schreibt er die complete Aus­führung der Dispositionen des 3. Alinea des Art. 3 vor) die unver­züglich nothwendigen Desinfectionsmassregeln. Innerhalb der kürze­sten Frist übermittelt er dem Präfecten seinen Bericht.
Art 5. Nach Feststellung der Krankheit setzt der Präfect die Ausführungsmassregeln für den Spezialfall fest. — Er erlässt nöthigen-falls eine Bekanntmachung, welche den Seuchenausbruch verkündet. Diese kann für gewisse Localitäten die Ausführung folgender Mass­regeln festsetzen :
1.nbsp; nbsp;Die Isolirung, die Sequestration, die Untersuchung, die Zäh­lung undZeielmung der Thiere und Herden in den inficirten Localitäten.
2.nbsp; nbsp; Die Sperrung (interdiction) dieser Localitäten.
3.nbsp; nbsp; Die augenblickliche Untersagung oder Regelung der Märkte (foires et marchds), des Transportes nnd des Verkehrs mit Thieren.
4.nbsp; nbsp; Die Desinfection der Ställe (des deurios, dtables), Wagen und anderer Transportmittel, die Desinfection oder selbst die Zer­störung der von den kranken Thieren gebrauchten oder verunreinigten Gegenstände, besonders solcher Gegenstände, welche dem Contagium als Vehikel (resp. als Träger) dienen können.
Eine Ausführungs-Verordnung wird diejenigen dieser Massregeln bestimmen, welche nach der Natur der Krankheiten in jedem Ein­zelfalle anwendbar sind.
Art. 6. Wenn eine Bekanntmachung (arrdtä) des Präfecten das Vorhandensein der Rinderpest in einer Gemeinde festgestellt hat, so werden diejenigen Thiere, welche von derselben befallen sind und die-
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(J22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;üas Viehseuobengesetz Frankreidis.
jenigen der Riudviehgattung, welche der Ansteckung verdächtig sind, auch wenn diese keinerlei Merkmale der Krankheit zeigen, nacli dem Vorschlage des abgeordneten Veterinärs und nach vorausgegangener Werthung, auf Befehl des Maire's getödtet.
Es ist verboten, diese Massregoln aufzuschieben, um die kranken Thiere zu behandeln, ausgenommen in denjenigen Fällen und unter den Bedingungen, welche durch den Minister des Ackerbaues und des Handels, nach dorn Vorschlage des Gonsultativ-Comitcj's für Seuchen genau bestimmt werden.
Art. 7. In den durch den vorhergehenden Artikel vorgesehenen Fällen werden die kranken Thiere am Orte (wo sie sich befinden), getödtet, ausgenommen den Fall, wo der Transport des Cadavers nach dem Begräbnissplatze von dem Veterinär für gefährlicher er­klärt wird, als döT-jeuig'e des lebenden Thieres; der Transport zum Zwecke der Abschlaclitung kann durch den Maire nach Anweisung (avis) des- abgeordneten Veterinärs für diejenigen Thiere gestattet werden, welche nur der Ansteckung verdächtig sind.
Die Thiere der Schaf- und Ziegen-Gattung, welche dem Con-tagium ausgesetzt gewesen sind, werden isolirt und den durch das zur Ausführung des Gesetzes für die öffentliche Verwaltung erlassene Reglement festgesetzten Sanitütsmassregeln unterworfen,
Art. 8. Bei festgestelltem Rotz, Wurm oder Milzbrand sollen die Thiere auf Befehl des Maire's getödtet werden, wenn die Krank­heit von dem abgeordneten Veterinär für unheilbar erklärt worden ist.
Wenn über die Natur, oder die Unheilbarkeit der Krankheit zwischen dem abgeordneten und dem vom Eigenthümer zugezogenen Veterinär eine Meinungsverschiedenheit besteht, so bezeichnet der Präfeet auf Grund des ihm erstatteten Berichtes einen dritten Veterinär.
Art. 9. Bei Lungonseuche wird der Präfeet anordnen, dass die nach dem Urthoilo des abgeordneten Veterinärs erkrankten Thiere innerhalb 2 Tagen getödtet und dass die in den für inficirt erklärten Localitäten vorhandenen Thiere der Rindviohgattung geimpft werden.
Der Minister des Ackerbaues hat das Recht, die Abschlachtung derjenigen Thiere der Rindviehgattung anzuordnen, welche in dem nämlichen Stalle, oder in der nämlichen Herde, oder in Berührung mit lungenseuchekranken Thieren gewesen sind.
Art. 10. Die Wuth bedingt, sobald sie bei irgend einem Thiere jeder beliebigen Gattung festgestellt ist, die Tödtung, die unter keinem Vorwande aufgeschoben werden darf.
Wuthvordächtige Hunde und Katzen sollen unverzüglich ge-
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Das Viehscuühengcsetz Frnnkrcichs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (J28
tödtet werden. Der Eigenthümer des verdächtigen Thieros ist ver­pflichtet, selbst bei Nichtvorhandensein eines Befehles von Seiten der Verwaltimgsbeamten, für die Erfüllung dieser Vorschrift zu sorgen.
Art. 11. Beim Herrschen der Pocken kann der Präfect durch eine auf Antrag des Consultativ-Comitd's für Epizootien erlassene Vei'-fügung die Pockenimpfung der inficirten Herden befehlen.
Die Pockenimpfung darf, ohne Autorisation von Seiten des Prä-fecten, nicht vorgenommen werden.
Art. 12. Die Ausübung der thierärztlichen Praxis hei Tliier-seuchen ist Jedermann untersagt, der nicht mit einem Veterinär-Diplom versehen ist.
Das Gouvernement kann auf Ersuchen der Geueralrätho (des Provincial-Landtages) durch ein Decret die Ausführung dieser Mass­regeln in den betreffenden Provinzen auf eine Zeit von (3 Jahren ver­tagen, die mit der Promulgation des gegenwärtigen Gesetzes beginnen.
Art. 13. Der Verkauf oder die Foilstellung von seuchekranken oder -verdächtigen Thieren ist verboten. — Der Besitzer kann die­selben nur aus den Händen geben unter den durch die (im Artikel B) vorgesehene Ausführungs-Verordnung festzusetzenden Bedingungen.
Diese Verordnung bestimmt für jede Art von Thieren und Krankheiten die Zeit, während welcbor das Verbot des Verkaufs auf diejenigen Thiere sich bezieht, welche dem Contagium ausgesetzt gewesen sind,
Art. 14. Das Fleisch von Thieren, welche an irgend einer an­steckenden Krankheit gestorben sind, oder welche wegen Rinderpest, Rotz, Wurm, Milzbrand und Wuth getödtet worden sind, darf nicht zum Genüsse zugelassen werden.
Die Cadaver oder Reste von Thieren, welche an Rinderpest und Milzbrand gestorben, oder mit diesen Krankheiten behaftet geschlachtet worden sind, müssen mit zerschnittener Haut begraben werden, falls sie nicht einer reglementsraässig autorisirten Abdeckerei zuge­schickt werden.
Die Bedingungen, unter welchen der Transport des Vergrabens, oder die Zerstörung der Cadaver vorgenommen werden sollen, werden durch die im (Art. 5) vorgesehene Verordnung (resp. Instruction) festgesetzt.
Art. 15. Das Fleisch der geschlachteten Thiere, welche mit rinderpestkranken Thieren in Berührung gekommen waren, kann dem Genüsse überlassen werden, aber ihre Häute, die geniessbaren und
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G24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Das Vieliscuchengesetz Frunkreiclis.
nicht geniessbarcn Abfälle (abats et issues) dürfen nur nach voraus­gegangener Dcsiafection vom Orte der Schlachtung ausgeführt werden. Art. IG. Jeder Unternehmer von Viehtrausporten zu Land oder zu Wasser soll jederzeit die Vehikel, welche zu diesem Zwecke ge­dient haben, unter den durch die Ausführungs-Vcrordnung (resp. In­struction) vorgeschriebenen Bedingungen desinficiren.
Titel II. Entschädigungen.
Art. 17. Es wird den Eigenthümern von Thieren, welche wegen Rinderpest nach Art. (i getödtet worden sind, eine Entschädigung von 3/i des Werthes fraglicher Thiere vor deren Krankheit bewilligt.
Den pigenthümern von Thieren, welche wogen Lungenseucho getödtet, odor in Folge der Impfung nach Art. 9 gestorben sind, wird eine folgendermassen regulirte Entschädigung bewilligt:
Die Hälfte des Werthes vor der Krankheit, wenn die Thiere wirklich lungenseuchekrank befunden werden; s/4 ihres Werthes, wenn sie nur der Ansteckung verdächtig sind; — der volle Worth, wenn sie an den Folgen der Lungenseuche-Impfung gestorben sind.
Die zu bewilligende Entschädigung darf die Summe von 400 Frs. für die Hälfte des Werthes eines Thiores, diejenige von 600 Frs. für 8/4 des Werthes und diejenige von 800 Frs. für den vollen Werth nicht überschreiten.
Art. 1 8. Es wird keine Entschädigung bewilligt an Eigenthümer solcher Thiere, welche aus fremden Ländern eingeführt und wogen Lungenseucho innerhalb dreier Monate nach ihrer Einfuhr nach Frank­reich getödtet worden sind.
Art. 19. Wenn der Gebrauch der Ueborreste eines wegen Rinder­pest oder Lungenseuche geschlachteten Thieres zum Genüsse, oder zu einem industriellen Zwecke zugelassen worden ist, so ist der Eigen­thümer verpflichtet, den Erlös aus dem Verkaufe dieser Ueberreste anzugeben.
Dieser Erlös gehört dem Eigenthümer; wenn er aber den letz­terem zu Last gelegten Werthantheil überschreitet, so muss die durch den Staat geleistete Entschädigung um den Ueberschuss reducirt werden.
Art. 20. Vor der Ausführung des Schlachtbefehles wird zur Werthung der Thiere durch den abgeordneten Veterinär und einen durch die Partei bezeichneten Experten geschritten.
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Das Vicliseuclieiigesetz Hollande; Entsclmcligimgen und Vichverkelir. 025
Falls die Partei unterlassen hat, einen Experten zu bezeichnen, operirt der abgeordnete Veterinär allein. — Von der Expertise wird ein Protocoll aufgenommen; der Maire und der Friedensrichter unter­zeichnen dasselbe und erstatten ihren Bericht (avis).
Art. 21. Die Entschädigungsforderung muss bei Strafe des Ver­lustes aller Rechts-Ansprüche innerhalb dreier Monate vom Tage der Tödtung an gerechnet, an den Minister des Ackerbaues und Handels eingereicht werden.
Der Minister kann die Revision der nach Art. 20 vorgenommenen Werthung durch eine Commission anordnen, deren Mitglieder er bezeichnet.
Die Entschädigung wird durch den Minister festgesetzt, unbe­schadet des Recurses an den Staatsrath.
Art. 22. Jede Verletzung der Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes, oder der zu seiner Ausführung erlassenen Reglemente kann den Verlust der durch Art. 17 vorgesehenen Entschädigung herbei­führen. — Die Entscheidung hierüber liegt in der Hand des Ministers, unbeschadet dos Recurses an den Staatsrath.
Art. 23, Es wird keine Entschädigung an Eigenthüraer be­willigt, deren Thiere in Folge ansteckender Krankheiten getödtet worden sind, bei Rinderpest und Lungenseuche unter den in Art. 0 angegebenen Bedingungen.
Titel III. Ein- und Ausfuhr von Thieren.
Art. 24. Die Thiere der Gattungen Pferd, Esel, Rind, Schaf, Ziege und Schwein sind jederzeit auf Kosten der Importeure einer sanitarischen Untersuchung zu unterwerfen und zwar im Momente ihres Eintrittes in Frankreich, sei es zu Land oder zur See. — Die näm­liche Massregel kann auf Thiere anderer Gattungen angewendet werden, wenn in Folge ihrer Einführung die Einschleppung einer ansteckenden Krankheit zu befürchten ist.
Art. 25. Die Grenzzollstätten und Seehafen, welche für die Einführung von Handelavieh geöffnet sind, werden durch Decret be­stimmt.
Art. 2G. Das Gouvernement kann die Einfuhr nach Frankreich, oder die Quarantänestellung von Thieren, welche eine ansteckende Krankheit einzuschleppen im Stande sind, verhindern; dasselbe gilt für alle Gegeilstände, welche die nämliche Gefahr bieten.
Pütz, Lelirtmcli der iiustockendou Thiorkraiikhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40
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(32(3 Das Viehseuchengesetz Frnnkreiclis; Vichverkeln' und Stral'beslimmnngen.
Es kann ferner an der Grenze die Tödtung vorschreiben, ohne für kranke, oder für der Ansteckung ausgesetzt gewesene Thiere eine Entschädigung zu leisten und endlich kann es alle Massregeln ergreifen, welche die Abwehr einer Seuchen-Invasion erfordert.
Art. 27. Die an der Grenze zu nehmenden sanitären Mass-, regeln werden angeordnet: in den Landgemeinden durch die Maires, an den Grenzbahnhöfen und den Seehäfen durch die Polizei-Commis-sare, und zwar nach dem Antrage des durch die Verwaltungsbehörde mit der Untersuchung des Viehs beauftragten Veterinärs.
Im Falle der Abwesenheit dieser Behörden können die Zoll­beamten zur Hilfeleistung requirirt werden.
Art. 28. Die Gemeindebehörden der für die Einfuhr von Vieh geöffneten Seehäfen müssen besondere Ausladeplätze stellen, welche mit den nöthigen Takclwerken ausgestattet sind, ferner ein Gebäude zur Aufnahme .der gemäss der sanitarischen Massregeln unter Quarantäne gestellten Thiere, welches den vorhandenen Bedürfnissen entspricht. Dio Orte werden vorher durch den Minister der Landwirthschaft und des Handels genehmigt.
Zur Rückerstattung dieser Kosten können die Gemeindebehörden Spezialtaxen für die eingeführten Thiere erheben.
Art. 29. Das Gouvernement ist ermächtigt, die nöthigen Mass­regeln vorzuschreiben, um die Ausfuhr der mit anstockenden Krank­heiten behafteten Thiere zu verhindern.
Titel IV. Strafbestimmungen.
Art. 30. Jede Uebertretung der Bestimmungen der Artikel 3, 5, 0, 9, 10, 11, der sect;sect; 2 und 12 des gegenwärtigen Gesetzes wird mit G Tagen bis 2 Monaten Gefängniss und mit einer Geldbusse von 16 bis 400 Frs. bestraft.
Art 31. Es werden bestraft mit Gefängniss von 2 bis ß Mo­naten und mit einer Geldbusse von 100 bis 1000 Frs.:
1)nbsp; Diejenigen, welche ohne Rücksicht auf die Verbote der Admini­stration ihre inficirten Thiere mit anderen Thieren verkehren lassen;
2)nbsp; Diejenigen, welche Thiere verkauft oder feilgeboten haben, von denen sie wussten, dass sie seuchenkrank, oder seuchenverdächtig waren;
8) Diejenigen, welche ohne obrigkeitliche Bewilligung Cadaver oder Ueberreste von solchen Thieren ausgegraben, oder wissentlich
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Das Viehsenchengcsetz Frankreichs; Stral'bestimmiingcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(327
gekauft haben, die an ansteckenden Krankheiten irgend einer Art ge­storben, oder mit Rinderpest, Milzbrand, Kotz, Wurm und Wuth be­haftet, getödtet worden sind.
4) Diejenigen, welche selbst vor Erlass des Verbotes Thiere nach Frankreich eingeführt haben, von denen sie wussten, dass die­selben seuchekrank, oder der Ansteckung ausgesetzt gewesen waren.
Art. 32. Mit Gefängniss von (3 Monaten bis zu 3 Jahren und mit einer Geldstrafe von 1U0 bis 2000 Frs. werden bestraft:
1)nbsp; nbsp;Diejenigen, welche Fleisch verkauft oder feil geboten haben von Thieren, von denen sie wussten, dass dieselben an einer an­steckenden Krankheit, gleichviel an welcher, gestorben, oder mit Rinder­pest, Milzbrand, Rotz, Wurm und Wuth behaftet, getödtet worden waren;
2)nbsp; nbsp;Diejenigen, welche der durch die vorhergehenden Artikel vorgesehenen Vergehen sich schuldig gemacht haben, wenn in Folge dieser Gesetzesübertretung eine ansteckende Krankheit unter anderen Thieren entstanden ist.
Art. 33. Jeder Transport-Unternehmer, welcher der Verpflich­tung „sein Material zu desinficiron4 entgegenhandelt, verfällt in eine Geldstrafe von 100 bis 1000 Frs.
Er wird mit (3 Tagen bis 2 Monaten Gefängniss bestraft, wenn in Folge dieser Uebertretung eine ansteckende Krankheit unter den anderen Thieren entstanden ist.
Art. 34. Jede Uebertretung der Bestimmungen dieses Gesetzes, welche in vorstehenden Artikeln nicht spezificirt ist, wird mit IG bis 400 Frs. Geldbusse bestraft. Die Contraventionen gegen die Bestim­mungen dos Keglementes für die öffentliche Administration, das zur Aus­führung dieses Gesetzes erlassen wird, werden, je nach Umständen, mit einer Geldstrafe von 1 bis 200 Frs. bestraft, welche durch den Friedensrichter des Cantons festgestellt wird.
Art. 35. Wenn die Verurthoilung wegen Uebertretung einer der Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes unter einem Jahre be­trägt, oder wenn diese Uebertretung durch abgeordnete Veterinäre, Feldhüter, Förster, Polizeibeamte unter irgend einem Titel begangen worden ist, können die Strafen auf das Doppolte des durch die vor­hergehenden Artikel festgesetzton Maximums erhöht werden.
Art. 36. Der Artikel 463 des Strafgesetzbuches ist in allen durch die Artikel des gegenwärtigen Titels vorgesehenen Fällen an­wendbar.
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028 tgt;as Viehscuohengesetz Frankreichs; iillgemeine Bestimmungen.
Titel V. Allgomeinu Bestimmungen.
Art. 37. Die Kosten der Tödtung, Beerdigung, dos Trans­portes, der Quarantäne, der Dosinfection, ebenso wie alle andere Kosten, welche die Ausführung der nach dem vorliegenden Gesetze vorge­schriebenen Massrogeln verursachen können, fallen den Eigenthümern, oder den Führern der Thiere zur Last.
Falls diese sich weigern, den Weisungen der Administrativ-behörden Folge zu leisten, wird dieselbe amtlich auf ihre Rechnung ausgeführt.
Die Koston dieser Operationen werden eingezogen nach einer vom Maire aufgestellten Kechuung, die vom Unterpräfeoten oxceutoriseh erklärt wird. Einsprüche werden vor den Friedensrichter gebracht. Die Desinfeetion der Eisenbahnwagen, vorgeschrieben dureh Art. 16, wird durch die Eisenbahngesellschaften ausgeführt; die Kosten dieser Desinfeetion werden durch den Ministor der öffentlichen Arbeiten nach Anhörung der betreffenden Gesellschaften festgesetzt.
Art. 38. Ein Seuchoudienst zum Zwecke der sicheren Ausfüh­rung des vorliegenden Gesetzes wird in jedem Departement ein­gerichtet.
Die Kosten dieses Dienstes werden unter die obligatorischen Ausgaben zu Lasten der Departements-Budgets eingeschlossen und den unter den sect;sect;. 1 bis 4 des Artikels (JO des Gesetzes vom 10. Au­gust 1871 aufgeführten Kosten gleichgestellt.
Art. 3i). Die Gemeinden, in welchen Pferde- oder Viehmärkto bestehen, sind verpfliclitot auf ihre Kosten für die sanitäre Inspection der zu diesen Märkten geführten Thiere einen Veterinär zu bestellen: sie sind aber berechtigt, durch Aufstellung einer Taxe für die zuge-fülirten Thiere sich schadlos zu machen.
Diese Ausgabe ist für die Gemeinde obligatorisch.
Das Gouvernement kann, auf den Antrag der Generalrätlie, durch Decret in den Departements die Ausführung dieser Massregel ver­tagen und zwar für die Dauer von 0 Jahren vom Tage der Promul­gation dieses Gesetzes ab gerechnet.
Art. 40. Das zur Ausführung dieses Gesetzes zu erlassende Reglement (resp. Instruction), bestimmt die Organisation des Consul-ttitiv-Comitös für Epizooticn, welches neben dem Minister der Land-wirthschaft und des Handels errichtet (eingesetzt) ist.
Die durch den Minister in Betreff' der Epizooticn eingezogenen
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Das Vieliseucliengeseiz Frankreichs; Motivelt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(J29
Erkundigungen werden dem Comitö mitgotheilt, das seine Vorschläge über diejenigen Massregcln macht, -welche diese Krankheiten erfordern können.
Art. 11. Es sind und bleiben aufgehoben die Artikel 45t), 4(JÜ und 4G1 des Strafgesetzbuches, alle Gesetze und Befehle, alle Urthoile des Consoils, Beschlüsse, Verordnungen und Regleniente, welche zu irgend einer Zeit in Bezug auf die Sanitätsjmlizei der Thiere erlassen worden sind. —
Aus den Motiven zu vorstehendem Gesetze entnehme ich nach der Berichterstattung der beiden Commissionen der Doputirtenkammer und des Senates nur die folgenden wesentlichsten Punkte:
Die Doputirtenkammer Frankreichs hat in ihren Sitzungen vom 8. März und 30. Mai 1P81 das Gesetz über die Sanitäts-Polizoi der Thiere, wie es im Mai 1879 vom Senate beschlossen worden war, mit einigen Modificationen angenommen. Auf den Antrag seines Bericht­erstatters hat dann im Juni 1881 der Senat die bezüglichen durch die Deputirtenkannner vorgenommenen Aenderungen und damit das ganze Gesetz angenommen.
Die Modificationen der Deputirtcnkammer betreffen grösstentheils die Executionsmittel, oder Erhöhungen und Verminderungen der Stra­fen; nur zwei derselben sind fundamentale.
Die erste dieser beiden Modificationen betrifft; den Artikel 12 des Gesetzes. Obgleich nämlich die Behandlung seuchekranker Thiere früher denjenigen Personen, welche als Veterinäre nicht diplomirt sind, gesetzlich nicht förmlich verboten war, so forderte das Gouvernement dennoch in der Praxis die Feststellung des betreffenden Falles von einem diplomirton Veterinär, bevor es die (durch das Gesetz vom 30. Juni 18(30 und das Decret vom 80. Septbr. 1871) festgesetzte Entschädigung auszahlte. Nachdem das Gesetz über die Sanitäts-Polizei vom Senate votirt war, hatte die thierärztliche Presse die Frage der Praxisberechtigung bei Thierseuchen aufgeworfen, •worauf der Ackerbau-Minister die Generalräthe consultirte.
Von 74 Antworten, welche auf die bezügliche Anfrage eingingen, haben 70 die Aufnahme des Verbotes der Veterinär-Praxis durch Per­sonen, welche nicht als Thierärzte staatlich approbirt sind, in das Gesetz beantragt; 4 waren für den status quo. Von jenen 70 Stimmen verlangten 45 die unverzügliche Einführung quäst. Massregel; 25 Stim­men , welche die ungenügende Zahl von diplomirten Veterinären con-
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(J30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Das Vieli8L'Ui;lieiigeseU Frankreichs; Motive.
statirten, sprachen sich für eine Vertagung aus und vorlangten gleich­zeitig die Stiftung neuer Stipendien für den Etat der Voterinärschulen, um in Zukunft die Zahl der diplorairten Veterinäre zu vermehren.
Indem dieser Forderung von den gesetzgebenden Körperschaften gebührendermassen Rechnung getragen wurde *), hat der Artikel 12 seine jetzige Fassung erhalten.
Die zweite fundamentale Modification betrifft die Lungenseuche. Nach den Bestimmungen der Artikel 9 und 17 sind ohne Widerrede in Bezug auf die pecuniüren Opfer, welche durch das Viohseuchon-gesetz herbeigeführt werden, folgende Punkte die wichtigsten:
1)nbsp; die obligatorische Tödtung mit Entschädigung der kranken und der mit diesen in Berührung gekommenen Thiere, sei diese durch Zusaminenwohnen in den nämlichen Ställen, oder durch Beisammen­sein in der nämlichen Herde vermittelt worden ;
2)nbsp; nbsp;die Impfung mit voller Worth- Entschädigung derjenigen Thiero, die in Folge der Zwangs-Impfung zu Grunde gehen.
Die Autoron, welche über Lungenseuche geschrieben haben, belehren uns, dass dieselbe im Jahre 1705 In Piemont und Ober-Italien, in der Schweiz, im Jura, in den Vogcsen, in der Auvergne und Dauphind aufgetreten ist. Im Jahre 1788 eonstatirte man einige Fülle in Böurbonnais. Seit dem Jahre 1790 und in den folgenden Jahren breitete sie sich, in Folge der zahlreichen Viehtransportc für die Bedürfnisse der Armeen, über ganz Europa aus. Seit 1827 wurde sie jedes Jahr im Departement du Nord constatirt. Seit 1842 ist dasselbe der Fall in anderen Departements, besonders in den west­lichen; ähnlich ist es auch in Deutschland, England, Oesterreich-Un-garn, Belgien, Holland, Italien und in der Schweiz.
In Folge ihrer Permanenz in diesen und anderen Ländern und der Continuität ihres Verlaufes, resp. Auftretens in denselben, ist die Lungenseuche eine der verheerendsten Krankheiten unserer Hausthiere. Sie pflanzt sich langsam fort, in einer so zu sagen hinterlistigen und tückischen Weise. Ihre Anfänge werden meist nicht wahrgenommen; ihre Incubation, welche manchmal länger als 3 Monate dauert, macht es unmöglich, dieselbe so schnell zu erkennen, wie die Rinderpest . . .
Die Rinderpest kommt immer vom Auslande zu uns und ver­breitet sich sehr schnell; sie lässt sich durch die Keule ausrotten.
*) Die Thicrarzncischulcn und Thieriirzte Frankreichs^ Belgiens iinrt Hol­lands werden überhaupt weniger als Stierkinder der Wissenschaft behandelt, wie dies bei uns der Fall ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;P.
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Das Viehseuchengesetz Frankreichs; Motive.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(331
Die Quarantänen an den Grenzen behindern den Eintritt dieser Krank­heit in unser Land. Die Entschädigung, welche die Declaration be­schleunigt, führt die unverzügliche Ausrottung des Infectionsherdos herbei.
Gegen die Lungenseuche, die ich (der Berichterstatter der franz. Deputirten-Karamer) für sehr gefährlich und sehr verhängnissvoll halte, sind diese Mittel unwirksam; ehenso sind alle Heilmittel unnütz, obgleich spontane Heilungen nicht selten sind. Gesund erscheinende Thiere sind oft krank und verschleppen die Krankheit auf grosse Ent­fernungen.
Im Departement du Nord hat man seit 19 Jahren 52 Millionen, somit durchschnittlich in jedem Jahre 2,700000 Frs. Entschädigung bezahlt.
Was die Impfung anbelangt, ao ist dieselbe in vielen Fällen wirksam: aber sie bringt den Thieren grosse Gefahren, welche oft zur Amputation des Schwanzes (resp. eines Theiles desselben nöthigen).
In Deutschland, in Oesterreich-Ungarn, in Belgien, in Holland und in der Schweiz tödtet man die inficirten Thiere und dennoch be­steht die Lungenseucho fort..............
Holland hat ausser der obligatorischen Tödtung im Jahre 1878 durch ein Spezialgesetz die obligatorische Zeichnung und Impfung der­jenigen Thiere angeordnet, welche der Lungenseuche-Infection aus­gesetzt gewesen sind.
Die Tilgung fraglicher Krankheit, welche bekanntlich lange Zeit im Königreiche der Niederlande wütheto, soll, Dank der streng über­wachten Ausführung der Desinfectionsraassregeln, der Impfung und Tödtung erzielt worden sein. Das Resultat der Lungenseuchctilgung ist dort somit ein vollkommenes gewesen*). Es möge uns gestattet sein, einen ähnlichen Erfolg in Frankreich zu hoffen.
Unserem Gouvernement erscheint dieser Erfolg für Frankreich zweifelhaft. Und in dor That muss man Rechnung tragen den sehr verschiedenen Verhältnissen Hollands, eines Landes der Viehzucht, in welchem die Einfuhr von Rindvieh gleich null ist **), und Frankreichs,
*) Wenn auch der Ausdruck „vollkommenquot; hier nicht absolut richtig ist, so muss docli das Resultat als ein eminent günstiges, resp. relativ vollkommenes bezeichnet werden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;P.
it,,) Der Berichterstatter scheint die Verhältnisse der Viehhaltung und des Viehwccbsels im südholländischen Spoelingsdistricte nicht zu kennen, oder nicht richtig zu würdigen. In diesem, so wie in anderen Theilen Hollands besteht ein sehr bedeutender Viebwechsel. Ob die eingeführten 'Thiere vom Auslande oder vom lulande kommen, ist weniger wichtig, (üs ob dieselben lungenseuchekrank
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032nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Das Viehsuuchcngcsetz Frnnlu'eiclis und Hollands.
das jäla-lich nahezu 200,000 Stück einführt, welche nicht nur für die Schlachtbank, sondern auch für die Mast, die Milchproduction und Zucht bestimmt sind und zum grossen Theile aus Ländern kommen, in welchen die Lungonseucho fortdauernd herrscht.
Bei der vorhandenen Unsicherheit dos Kesultates und der zu­verlässig beträchtlichen Kosten, welche die ausgedehnte obligatorische Tödtung in allen Fällen von Lungenseuche unserem Budget auferlegen würde, hat das Grouvernement und die Majorität ihrer Commission (resp. der beiden gesetzgebenden Körper selbst) nicht für gut befunden, dieselbe in das Gesetz aufzunehmen. Wir (die Commission) zögern indess nicht, Ihnen (den Kammermitgliedern) vorzuschlagen, dem Gouvernement das Recht zu ertheilen, die Zwangs-Impfung aller der Infection ausgesetzt gewesener Thiero dort ausführen zu lassen, wo die Lungenseuche in Theilen unseres Landes, welche bis dahin von dieser Krankheit frei waren, ausbrechen sollte.
Die Ausführung dieser Massregel wird, auf umgrenzte Herde beschränkt, bald von Erfolg gekrönt werden, ohne uns erhebliche Lasten aufzubürden.
Sehliesslich, meine Herrn, bleibt uns noch übrig, unserm Gou­vernement ffoü'enübor eine Pflicht zu erfüllen. Es ist wahrlich nicht genug, Repressivmassregeln in unserem Seuchen-Gesetze erlassen zu haben, sondern man muss diesem auch die Unterstützung eines auf­geklärten Willens im Lande sichern, indem man Allen die Nützlichkeit und Nothwendigkeit jeder dieser Gesetzesvorschriften begreiflich macht und indem man alte Vorurtheile zerstört, welche durch eine Classe von Menschen, die fragliche Vorurtheile ausbeuten, unterhalten werden.
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Holländisches Gesetz vom 20. Juli 1870 (S 131, C. V. 139) zur Regelung der veterinär­ärztlichen Staateaufsicht und der Veterinär-Polizei.
sect;. 1. Von der veterinärärztlichen Staatsaufsicht. Art. 1. Die veterinärärztliche Staatsaufsicht umfasst:
a. Die Untersuchung (onderzoek) nach dem allgemeinen Ge­sundheitszustände des Viehbestandes und wo erforderlich,
oder gesund sind. Der Handel mit Vieh, welches durch Lungenscuehegil't in-ficirt war, dürfte in früheren Jahren kaum irgendwo ein so bedeutender gewesen sein, als in Holland.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;P.
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Die vetei'iiuii'iiolizeiUche Stftfttsaufsloht In Holland.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(J33
die Anweisung und Beförderung von Hassregeln zur Ver­besserung desselben; b. Die Handhabung der Gesetze und Verordnungen, die in Bezug auf den aligemeinen Gesundheitszustand des Vieh­bestandes erlassen sind.
Art. 2. Sie ist unter Unserm Minister des Inneren an Districts-thieräizte übertragen, die durch Uns aus Personen ernannt werden, welche die Approbation als Thierarzt von Reichswegen besitzen. Sie können durch Uns suspendirt und entlassen werden. — Ihr Wohnsitz, wie auch ihr Bezirk, wird ihnen durch Unscrn Minister des Inneren angewiesen.
Für jeden Districtsthierarzt werden durch Uns ein oder mehrere Stellvertreter ernannt, die bei vorhandener Behinderung dieses Beamten seine Geschäfte wahrnehmen.
Art. 3. Bei Antritt ihres Amtes legen die Districtsthierärzte und ihre Stellvertreter vor Unserem Commissar in der Provinz fol­genden Eid ab:
„Ich schwöre, dass ich die Pflichten, welche mit dem Amte eines Districtthierarztes (stellvertretenden Districtsthierarztes) verbunden sind, getreu erfüllen will. So wahr mir Gott der Allmächtige helfe.quot;
Art. 4. Bei Suspendirung eines Districtsthierarztes bestimmt der Beschluss, ob dies mit Vorbehalt geschieht; dann, ob mit ganzer oder theilweiser Belassung der Besoldung für die Dauer der Su­spension. Unser Minister des Inneren bestimmt, auf welche Weise während der Zeit der Suspension der Dienst versehen werden soll.
Art. 5. Die Districtsthierärzte sind befugt, innerhalb ihres Amts­kreises unter Vorzeigung ihres Anstellungspatentes, bei vorhandenen Viehseuchen, oder bei Seucheverdacht, die durch dieses Gesetz ihrer Aufsicht unterstellten Besitzungen, Weiden, Ställe und andere Auf­enthaltsorte für Vieh, Schlachthäuser, Laden oder andere Aufbewah­rungsorte von Fleisch und Speck, sowie Thiergärten und Vieh-Aus­stellungen (tentoonstellingen), Abdeckereien (vilderijen), Kaidaunen (Eingeweide), Reinigungsorte (penserijon) und dergleichen Werkstätten selbst gegen den Willen der Bewohner oder Benutzer, zwischen Sonnen-Aufgang und -Untergang zu betreten. Sie müssen dabei mit einem schriftlichen Auftrage des Bürgermeisters, oder des Kanton­richters versehen sein und jenen auf Verlangen vorzeigen.
Art. 0. Die Districtsthierärzte sind befugt, bei Uebertretungcn der Gesetze und Verordnungen betreffend den Viehbestand ein Protokoll
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Die veteriiiäi'iiolineilicho Staatsftul'sichl in Holland.
auf ihren abgelegten Diensteid aufzunehmen. Sie senden dasselbe an das öffentliche Ministerium.
Art. 7. Die Districtsthieriirzte beziehen eine feste Besoldung aus der Landeskasse und nebenbei Bureaukosten, Reise-Entschädigung und Diäten.
Sie üben die thierärztliche Privatpraxis nicht aus und bekleiden ohne Unsere besondere Zustimmung kein anderes Amt. — Die stell­vertretenden Districtsthierärzte sind befugt, Privatpraxis auszuüben; sie beziehen keine Besoldung, nur Reisekosten und Diäten.
Art. 8. Jährlich erstatten die Districtsthierärzte Unserm Mi­nister des Inneren vor dem 1. April Bericht über die Wirksamkeit der veterinärärztlichen Staatsaufsicht in ihrem Bezirke im abgelau­fenen Jahre. Sie schicken eine Abschrift dieses Berichtes an die Ab­geordneten-Stände (aan Godep. Staaten) der Provinz oder der Provinzen, #9632;worin sie stationirt sind.
Art. 9. Die Districtsthierärzte halten in ihrem Amtsbezirke eine sorgfältige Aufsicht über den Gesundheitszustand des Viehbe­standes, so wie über die Handhabung der Gesetze und Verordnungen, betreffend die contumacirten Viehbestände (veestapel vastgesteld) und visiren kostenfrei die Diplome und Ausweise über die Berechtigung der Thierärzte.
Sie besuchen so viel als möglich die Viehmärkte etc. und ver­anlassen die Beschlagnahme und Absonderung von daselbst anwesen­dem seuchokrankem Vieh *).
Art. 10. Beim Entstehen einer den Gesundheitszustand des Vieh­bestandes bedrohende, oder eine ungewöhnliche Sterblichkeit verur­sachende, oder für den Menschen gefährliche Viehseuche, oder wenn Gefahr vorhanden ist, dass eine solche Seuche vom Auslande einge­schleppt wird, erstatten sie hiervon directen Berieht an Unsern Mi­nister des Inneren, an den Commissar oder die Commissare des Königs der Provinz oder Provinzen, worin sie stationirt sind und an die Districtsthierärzte der benachbarten Kreise.
Wenn eine Seuche in ihrem Kreise auftritt, so machen sie sich mit der Art derselben persönlich bekannt und schlagen dem Bürger­meister der botreffenden Gemeinde die Massregeln vor, die zur Unter­drückung der Seuche sofort zu nehmen sind.
Ueber das Vorkommen von für Menschen gefährlichen Vieh-
#9632;^ Der Districtstliierarzt ist indess nicht verpflichtet, jederzeit alle Märkte zu besuchen,
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Dns Vicliseuclieiigesctz Hollands.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;035
seuchon geben sie auch Bericht an den medicinischen Inspector des Kreises, worin sic ihren Wohnsitz haben und überlegen mit ihm die vorzuschlagenden Massregeln.
Art. 11. Beim Ausbruch von Viehseuchen können von Uns zeitig aussergewöbnliche Districtsthierärzte angestellt werden. Diese geniessen Besoldung und Vergütung für Bureau, Reise und Verpflegung aus der Landeskasse, und haben, so lange sie in Dienst sind, die nämlichen Befugnisse und Verpflichtungen wie die gewöhnlichen Di-strictsärzte. Sie mögen gleichwohl die thierärztliche Praxis auszu­üben fortfahren.
Art. 12. Unser Ministor des Inneren gibt Uns jährlich einen Bericht über den Zustand und die Thätigkeit der thierärztlichen Staatsaufsicht. Dieser Bericht wird beiden Kammern der General­staaten mitgetheilt und durch die Presse veröffentlicht.
sect; 2. Bestimmungen über die Veterinär-Polizei.
Art. 13. Wenn sich bei einem Stück Vieh die Erscheinungen einer Seuche zeigen, so ist der Viehhaltcr oder der Hirt verpflichtet, hiervon dem Bürgermeister der Gemeinde, in welcher das Thier sich befindet, unverzüglich Kcnntniss zu geben.
Art. 14. Ein Stück Vieh, das Erscheinungen einer Seuche zeigt, muss sofort durch den Eigenthümer , Viehhalter oder Hirt von dem übrigen Vieh entfernt und so lange abgesondert gehalten werden, bis darüber durch den Bürgermeister, nach Berathung mit dem Districts­thierärzte, oder bei dessen oder seines Stellvertreters Abwesenheit, in dringenden Fällen mit einem geprüften Thierarzte, verfügt worden ist, wie nach den Bestimmungen dieses Gesetzes soll verfahren werden.
Art. 15. Wenn beim Herrschen einer Viehseuche im Auslande die Sorge für die Erhaltung des Viehbestandes und für die Gesund­heit der Eingesessenen es erheischt, so können durch Uns die Ein- und Durchfuhr vom Auslande und Transport im Binnonlande von leben­dem und todtem Vieh, von Fleisch, Häuten , Haaren, Wolle, Dünger und von sonstigem Abfall, Viehfutter, Geräthschaften und Gegenständen, die bei der Behandlung von Vieh gebraucht worden sind, ferner das Ab­halten von Märkten, Verkäufen, Ausstellungen und andere Ansamm­lungen von Vieh verboten und Verbote, so wie andere Bestimmungen festgestellt werden, über Anmeldung, Verkauf, Behandlung und Unter­suchung von allen in diesem Artikel genannten Gegenständen, so wie über die Mittel, womit sie transportirt worden sind; das Eine und Andere unbeschädigt der durch Provincialo und Gemeinde-Verwaltungen fest-
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uns Vlebsexiohengesetz Hollnnds.
zustellenden Reglomeute und Verordnungen, insofern sie mit unseren Vorschriften nicht in quot;Widerspruch stehen.
Art. IG. Bei Anzeige einer Viehseuche durch den Eigenthümer, Viehhalter oder Hirt, oder wenn Verdacht einer Viehseuche vorhanden ist, muss der Bürgermeister das kranke oder verdächtige Vieh un­verzüglich durch den Districtsthierarzt (oder etc.) untersuchen lassen. Dieser erstattet an den Bürgermeister einen schriftlichen Bericht und wenn der Fall ihm eine ansteckende Krankheit zu sein scheint, macht er gleichzeitig Vorschläge für die zur Einschränkung der Krankheit zu nehmenden Massregeln; diesen Vorschlägen hat der Bürgermeister nach den Bestimmungen dieses Gesetzes sofort Folge zu geben, vorbe­haltlich der Berufung an Unsorn Minister des Inneren. — In zweifel­haften Füllen wird Unserem Minister des Inneren sofort Kenntniss gegeben. Dieser befiehlt eine Untersuchung und schreibt alle gesetz­lichen Massregeln vor, welche ihm nothwondig erscheinen.
Art. 17. Auf Verfugung dos Bürgermeisters wird, wenn mög­lich nach Rücksprache mit dem Districtsthierarzte (oder etc.) das Ge­höfte, der Stall, oder die Weide, worin sich ein seuchekrankes oder verdächtiges Thier befindet oder befunden hat, durch einen Polizei­diener, oder in dessen Gegenwart, deutlich kennbar gemacht; die dazu verwendeten Kennzeichen bleiben während der durch den Bürger­meister, nach Rücksprache mit dem Districtsthierarzte, bestimmten Zeit angeheftet, jedoch nicht länger als 100 Tage nach dem Ende des letzten Falles.
Art. 18. Der Stoff, die Form und Grosse dieser Kennzeichen werden durch Unsern Minister des Inneren bestimmt und durch die Staatszeitung veröffentlicht.
Art. 10. Der Bürgermeister ist verpflichtet, auf Benachrichtigung des Districtsthicrarztcs (oder etc.), seuchekrankes oder -verdächtiges, oder von einer Seuche genesenes Vieh, mit einem Merkzeichen zu versehen,
Art. 20. Das Werkzeug zum Zeichnen des Viehs (bezeichnet in Art. 17) soll auf Reichsreclmung in jeder Gemeinde vorhanden sein.
Art. 21. Der Transport von seuehekrankom oder verdächtigem Vieh ist verboten. Wenn aber dieser Transport nothwendig ist, kann der Bürgermeister, nach Anhörung des Districtsthicrarztcs (oder etc.), den Transport unter Angabe entsprechender Vorsichtsmassregeln ge­statten.
Art. 22. Ein Thier wird für verdächtig gehalten, wenn der Districtsthierarzt Merkmale einer Seuche an demselben wahrzunehmen
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Das Viehseuohengesetz Hollands.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (537
glaubt, wenn os dui'ch Austeckungsstoff besudelt sein kaun, sich mit seuchekraakem Vieh im nämlichen Aufenthaltsorte befindet, oder seit einer Zeit, welche für jede Krankheit in den allgemeinen Maasregeln der inneren Verwaltung nach Art. 34 bestimmt ist, sich befunden hat, oder damit in unmittelbarer Berührung gewesen ist.
Die beiden letzten Bestimmungen gelten nur für Vieh, das für die betreffende Seuche empfänglich ist, woran das Vieh leidet, mit welchem es an denselben Aufenthaltsorten gewesen, oder mit dem es in unmittelbare Berührung gekommen ist.
Art. 23. Unbeschadet der Bestimmungen des Gesetzes vom 28. August 1851 (Staatsblad No. 125) wird für alle anderen Fälle von Enteignung in Bezug auf Ansteckung bei Viehseuchen, wenn die Tödtung von Vieh nothweudig ist, der Boschluss dazu durch den Bürger­meister gefasst. Dieser Beschluss gibt den Namen des Vieh-Eigen-thüiiiers an, oder er enthält die Erklärung, dass der Eigenthümer dem Bürgermeister unbekannt ist und beschreibt das Vieh; er befiehlt die sofortige Beschlagnahme des letzteren und rauss auf dem Berichte des Districtsthierarztes beruhen.
Art, 24. Die Tödtung erfolgt nicht bis nach vorhergegangener Enteignung. — Zur Enteignung für den Zweck der Tödtung ernennt der Bürgermeister einen Sachverständigen, um das Vieh zu schätzen; hierbei muss beachtet werden, dass für verdächtiges Vieh der volle, für seuchenkrankes Vieh die Hälfte des Werthes im gesunden Zu­stande berechnet wird.
Der Krankheits- oder Verdachtszustand wird, was die Vergütung anbelangt, nach dem Augenblicke beurthoilt, in welchem das Vieh von dem Bürgermeister überliefert wird. — Wenn der Bürgermeister oder der Eigenthümer, oder beide, mit der Worthung nicht zufrieden sind (von welchem Umstände der Bürgermeister in seinem sogleich aufzunehiaendon Protocolle Notiz nimmt), so ernennt der Kantons-richter durch einfache Verfügung auf Ersuchen des Bürgermeisters sofort zwei Sachverständige, die mit dem ersten Sachverständigen nach Majorität beschliessen.
Der, sei es nach dem zweiten oder nach dem vierten Gliede dieses Artikels, taxirte Werth wird dem Eigenthümer angeboten und bei Verweigerung oder Verabsäumung des Eigenthümcrs, zu Händen des Gemeinde-Empfängers deponirt. Für die Erledigung der in diesem Artikel erwähnten Anbietung sind die im bürgerliehen Gesetzbuche und im Gesetzbuche von bürgerliehen Reclitsfordcrnngcn vorgeschriebenen Formen nicht anwendbar; die Anbietimg, so wie die anderen in diesem
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1)38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dfts Vicliseucliongcsetz Hollands.
Artikel genannten Verrichtungen des Bürgermeisters, werden dureh diesen auf seiner Amtsstube zu Protocoil genommen.
Sowohl der Bürgermeister, wie der Eigenthümer kann verlangen, dass der Saeh verstand ige, oder jeder der Sachverständigen, vor der Werthung den Eid oder das Gelübde ablegt, nach seinem besten Wissen die Schätzung vornehmen zu wollen.
Bei Abwesenheit des Eigentbümers wird dieser durch seinen Bevollmächtigten der am Orte war, wo das Vieh sich befindet, oder wo dieser t'ehlt, durch den Viehhalter oder -Hirt vertreten, um die Aus-' tuhrung der Bestimmungen dieses Artikels zu controlireu. Der Kauf­preis wird gleichwohl zur Verfügung des abwesenden Eigentbümers jederzeit beim Gemeinde-Empfänger deponirt.
Art 25. Wenn zur Tödtung geschritten werden inuss, oder wenn Krankheitsfälle vorgekommen sind, die dazu Veranlassung hätten geben können, so ist der Bürgermeister verpflichtet, die Gegenstände zu enteignen und zu vernichten, welche durch den Districtsthierarzt (oder etc.) angewiesen worden sind. Diese Enteignung geschieht nach der in Art. 24 angegebenen Weise. Der Beschluss dazu wird in der­selben Weise gofasst, wie in Art. 2;l angegeben ist; gleichzeitig kann auch die Boschlagnahmo verunreinigter Gegenstände befohlen werden.
Art. 2G. Der Eigenthümer des zufolge dieses Gesetzes getödteten Viehs, oder der enteigneten Gegenstände, die in Art. 25 genannt wurden, welcher den angebotenen Preis nicht angenommen hat, kann denselben noch während 6 Monaten beim Gemeinde-Empfänger er­heben. — Nach Ablauf dieses Termines wird die Summe in die Kasse der gerichtlichen und freiwilligen Abgaben abgeliefert. Die Quittung über die Ausbezahlung an den Berechtigten, oder an die Steuerkasse wird durch den Gemeinde-Empfänger an die allgemeine Eechenkammor gesendet.
Für die Uebergabe der Gelder an die Steuerkasse sind die durch Art. 1442 des bürgerlichen Gesetzbuchs vorgeschriebenen Formen nicht anwendbar.
Der Entschiidigungsberechtigte kann sich innerhalb 5 Jahren nach Ablieferung der Summe bei der Steuerkasse anmelden, um die Summe noch nachträglich zu erheben. In diesem Falle werden ihm die Kosten der Ablieferung an die Steuerkasse, welche das Reich vor­geschossen hat, abgezogen. — Nach Ablauf dieser 5 Jahre ist die Forderung des Eigenthümers verjährt und verfällt die Summe an das Reich. Die Kosten bleiben in diesem Falle zu Lasten des Reiches.
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uns Vieliscnclieiigesetz Hollnnds.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 630
Art. 27. Der Anspruch auf Vergütung wegen Enteignung nach den Art. 24 u. 25 verfällt, wenn die durch Art. 13 vorgeschriebene Anzeige, oder die durch Art. 14 vorgeschriebene Absonderung ver­säumt worden ist, oder wenn der Eigenthümor während der Dauer des Verbotes in die Stallungen, Gehöfte, .oder Weiden, in welchen eine Seuche geherrscht hat, Vieh gebracht hat, oder hat bringen lassen, oder wenn er auf eine andere Weise sein Vieh vorsätzlich in verdächtigen Zustand gebracht hat, oder hat bringen lassen.
Im Falle der Annahme eines dieser Ucbergriffe, wird die Ver­gütung zwar nach Art. 24 und 25 bestimmt, aber durch den Gre-moinde-Einpfänger bis nach Ablauf der Strafsache in Beschlag ge­nommen.
Wenn Freisprechung oder Aufhebung der Rechtsverfolgung statt­findet, so beginnt der in Alinea 1 des Art. 2G erwähnte Termin mit dem Ausspruche des Endurtheils,
In diesem Falle schickt der Gremeinde-Empfänger mit der Quit­tung des Entschädigungsberechtigten eine unversiegelte Abschrift des Endurtheils, wodurch die Strafsache zu des Ersteren Vortheil nach­gewiesen wird, an die allgenieino Rechenkammer.
Art. 28. Die Entschädigung wird aus der Gemeindekasse vor­geschossen, wozu an den mit der Enteignung beauftragten Bürgermeister auf dessen Anweisung der erforderliche Betrag durch den Gemeinde-Empfänger gegen Quittung zur Verfügung gestellt wird. Die Vor­schrift des zweiten Abschnittes (Zinsnede) des Art. 114 des Gesetzes vom 29. Juni 1851 (Staatsblad No. 85) gilt dabei nicht.
Wenn der Bürgermeister Unserem Commissar in der Provinz den Beweis erbringt, dass die Gemeindekasse unvermögend ist zur Bezahlung der Anbietung, welche in Art. 24 und 25 bezeichnet ist, so werden ihm die dazu erforderlichen Gelder zur Gutschrift aus der Keichskasse vorgestreckt. Diese Vorschüsse sind nicht der vorläufigen Vergleichung (verevening) der allgemeinen Rechenkammer unterworfen. Ebensowenig ist die Bestimmung des Art. 51 des Gesetzes vom 5, October 1841 (St. No. 40) darauf anwendbar.
Der Bürgermeister ist nicht gehalten deshalb Bürgschaft zu stellen, jedoch verpflichtet von den zur Gutschrift empfangenen Gel­dern binnen 2 Monaten nach dem Datum der Schrift, worauf sie ihm ausbezahlt worden sind, der allgemeinen Rechenkammer (gomäss den Bestimmungen des im vorigen Abschnitte angeführten Gesetzes) Rech­nung abzulegen. Von jeder Vorschusszahlung wird durch Unsern Minister des Inneren an erwähntes Collegium berichtet. Dieser Artikel
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(J40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; üas ViohseucheiigL'setz Hollands.
ist auch anwendbar für alle Unkosten, wozu die Enteignung Veran­lassung gibt, somit auf die Kosten für Beschaffung von Kalk, Brenn­stoffen oder anderen Dingen, welche beim Vergraben, Verbrennen oder Unbranchbarmachen von getödtetera oder gestorbonom Vieh ange­wendet wird, so wie auf die Kosten zur Reinigung und Desinfection von Ställen und anderen Gebäuden,
Art. 29. Wenn es vom Districtsthierarzte für nöthig gehalten wird, werden verseuchte Gehöfte oder Weiden, erforderlichenfalls ein-schliesslich der zunächst gelegenen Ländereien oder Besitzungen, auf Verfügung des Bürgermeisters, der dazu die Hilfe der Militärmacht in Anspruch nehmen kann, abgeschlossen. — Die Kleider der Per­sonen, welche das betreffende Torrain verlassen, werden zunächst desinficirt.
Art. ;3ü. Beim Herrschen von Viehseuchen kann in Fällen, welche durch die allgemeinen Massregeln der inneren Verwaltung (inwendig bestuur) durch Art. 34 vorgeschrieben sind, das Festlogen oder Festhalten von Hunden in den Gemeinden, oder in einem Theile derienigen Gemeinde geboten werden, worin die Seuche herrscht, und wenn nöthig in benachbarten Gemeinden,
Der Bürgermeistor bringt auf Antrag des Districtsthierarztcs den Anfang des betreffenden Termines zur öffentlichen Kenntnisraquo; und verkündigt ebenso die Aufhebung dieser Massregel 30 Tage nach dem letzton Krankheitsfalle, der sich wahrnehmbar gemacht hat.
Frei umherlaufende Hunde in den Gemeinden, oder in Theilen der Gemeinden, können von den Polizeibeamteu getödtet werden.
Von der Verpflichtung des Festhaltens der Hunde kann Unser Commissar in der Proving, nach Anhörung des Bürgermeistors und des Districtsthiorarztes, in Gemeinden oder Theilen von Gemeinden dispensiren,
Art. 31. Bezüglich des Ortes und der Art des Begrabens, des Verbronnens oder anderer Veimichtungsarten von Thieren, welche in Folge dieses Gesetzes getödtet werden, oder an einer Seuche gestor­ben sind, so wie bezüglich der Vernichtung anderer Gegenstände und der Desinfection der Ställe und anderer Gebäude, so wie die Unschäd­lichmachung von Dünger betreffend, werden die durch Uns gegebe­nen, oder noch zu gebenden Vorschriften befolgt.
Die Desinfection findet nach Anweisung und unter Controle des Districtsthiorarztes auf Kosten des Reichs statt. Dieselbe soll innerhalb 14 Tagen nach Feststellung des letzten Seuchcnfalles aus-
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Das Viehseuchengesetz Hollands.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 64]
geführt werden. Dieser Termin kann nöthigenfalls durch Unsern Minister des Inneren verlängert werden.
Wenn die Beerdigung oder Verbrennung durch gewisse Um­stände auf dem Grundstücke oder Boden, wo das Vieh gestorben oder getödtet worden ist, nicht stattfinden kann, und kein Grundstück in der Gemeinde dem Bürgermeister zur Verfügung steht, so soll ihm ein Begräbnissplatz in nächster Lage abgetreten werden, wofür er den dadurch eventuell verursachten Schaden an den betreffenden Grund­besitzer vergütet.
Wenn das Vieh in einem Stalle oder in einer Scheune gestorben oder getödtet ist und kein Gemeindeboden zur Verfügung steht, so weist der Bürgermeister eine Stelle zur Beerdigung oder Verbrennung an, welche mindestens 50 Mtr. von Ställen, Wohnungen und Trink­wasserbrunnen entfernt liegt und vergütet dem Grund-Eigenthümer den dadurch eventuell verursachten Schaden.
Bei Differenzen über den Betrag des Schadens, von dem in den beiden vorhergehenden Abschnitten die Eede ist, wird dieser auf das Gesuch der am meisten bereiten Partei, durch den Kantons­richter ohne weitere Berufung taxirt.
Art, 32. In Gebäuden oder auf Weiden, Erbstücken oder Ge­höften, wo Vieh steht oder stand, das an einer Seuche leidet oder ge­litten hat, darf während eines Termines, der für jede Seuche in einer allgemeinen Massregel der inneren Verwaltung (van inwendig bestuur) in Art. 34 angegeben ist, kein Vieh gebracht werden.
Art. 33. Der Bürgermeister, mag er von dem ihm nöthig be­fundenen Personal begleitet sein oder nicht, ist berechtigt, Ställe und Wohnungen der Eigenthümer, Viehhalter oder -Hirte, selbst ohne deren Zustimmung, zwischen Sonnen-Aufgang und -Untergang, ferner die Weiden während der Dauer der Ausführung der Bestimmungen dieses Gesetzes, oder kraft der auf Grund dieses Gesetzes ausgefertigten Beschlüsse, zu betreten.
Art. 34. Durch Uns wird nach Vorschrift der inneren Ver­waltung eine Commission von Sachverständigen gehört, um anzugeben, welche Thierkrankheiten für ansteckend gehalten werden; gleichzeitig wird festgestellt, welche von den in diesem Gesetze genannten Maass-regeln beim Herrschen oder Drohen einer der betreffenden Seuchen angewendet werden sollen.
Pütz, Lehrbuch der ansteckenclen Thlovkraukhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 41
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042nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; üas Vh'liseuchengesetz Hollands; Stralbestiiuinuiigen.
sect; 3. Strafbestimmungen.
Art. 35. Unbeschadet der Anwendung der durch das Straf­gesetz angedrohten Strafen, soweit dieselben anwendbar sind, wird mit Gefangniss von 1 Monat bis zu 1 Jahr und mit Geldbusse von 25 bis 500 Gulden zusammen oder besonders bestraft: jede Weige­rung oder feindliche Behinderung Beamten gegenüber, welche mit Ermittelung von Uebertretuugen, oder Abhalten von Visitationen in Höfen, Grundstücken, Weiden, Ställen etc. beauftragt, oder dazu er­mächtigt sind; jede Erschwerung oder Verhinderung der Ausführung dieses Gesetzes oder der von Uns kraft Art. 25, 31 u. 34 zu ge­benden Vorschriften, ferner das ganze oder theilweise Ausgraben von be­grabenem Vieh, Fleisch, Gebeinen oder Ueberbleibseln davon, das Weg­nehmen, Versetzen oder Unkennbarmachen der in Art. 19 bezeich­neten Mejrkmale, der Transport von einem oder mehreren der in Art. 29 bezeichneten Gegenstände, nach oder aus dem in einem ge­sperrten Kreise gelegenen Terrain, in Widerspruch mit diesem Artikel oder mit den allgemeinen in Art. 34 bezeichneten Vorschriften der inneren Verwaltung; das vorsätzlich in verdächtigen Zustand-bringen oder -bringenlassen von Vieh; das Verlassen des Terrains ohne vorher­gehende Desinfeetion der Kleider, jede Uebertretung der Art. 14, 21 u. 32 dieses Gesetzes und der von Uns kraft der Art. 15, 31 u. 31 festzustellenden Bestimmungen.
Bewegliche Gegenstände, worin oder womit die Uebertretung stattgefunden hat, werden unverzüglich, oder so bald wie möglich in Beschlag genommen und durch den Richter laut Urtheil confiscirt und so weit dies aus sanitären Rücksichten, oder zur Fernhaltung von In­fection nothwendigist, wird deren Vernichtung oder Uuschädlicii machung geboten. Vernichtung oder Unschädlichmachung werden bei Freispre­chung oder Aufhebung von einer Rechtsverfolgung ebenfalls befohlen, und zwar gegen eine Entschädigung, welche durch richterliches Urtheil bestimmt wird, wenn das allgemeine Interesse dies rathsam macht.
Art. 3(3. Wenn die wegen Ansteckungsgefahr in Beschlag ge­nommenen Gegenstände nicht zur Aufbewahrung geeignet sind, werden dieselben nach vorausgegangener Schätzung gemäss Art. 24 dieseraquo; Gesetzes, auf Befohl des Beamten, der die Sachen in Beschlag ge­nommen hat, unverzüglich vernichtet oder unschädlich gemacht. — Die Geldsumme, welche den Werth der vernichteten Gegenstände repräsentirt, wird an den Gemeinde-Empfänger in Verwahrung ge­geben. Sie wird im Falle der Freisprechung oder Aufhebung der
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Das Viehseuchengesctz Hollands; Strafbestimraungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 043
Rechtsverfolgung an den Eigenthümeiquot; dei' vernichteten Gegenstände abgeliefert.
Art. 37. Lebendes Vieh wird, wenn keine Gefahr von Infeetion vorhanden ist, nachdem dasselbe gemäss Art. 24 dieses Gesetzes ge-werthet worden ist, freigegeben, falls dafür binnen 8 Tagen nach der Beschlagnahme der Betrag des Werthes, nebst dem für den Unter­halt des Viehes bedungenen Betrage, an den Gemeinde-Empfänger bezahlt wird. — Nach dieser Zeit wird es auf Ermächtigung durch den Kantonsrichter etc. sobald als möglieh öffentlich vorkauft.
Dem Verderben unterworfene in Beschlag genommene Waare wird, wenn keine Infectionsgefahr besteht, ebenfalls auf Ermächtigung des Kantonsrichters etc., so bald als möglich verkauft etc.
In den in Absatz 2 und 3 dieses Artikels bezeichneten Fällen, wird der Erlös des Verkaufs dem Gemeinde-Empfänger in Verwahrung gegeben. Aus dieser Einnahme werden die Kosten für den Unterhalt des Viehs seit dem Tage der Beschlagnahme bis zum Verkaufe be­stritten. — Der reine Ueberschuss des Erlöses wird im Falle der Verurtheilung an die Reichs-Schatzkasse gezahlt, im Falle der Frei­sprechung oder Aufhebung der Rechtsverfolgung an den Eigenthümer des Viehs oder der betreffenden Waare, die in Beschlag genommen worden ist.
Art. 38. Ist in beiden vorhin bezeichneten Fällen der Eigen­thümer nicht im Reiche zu finden, und wird das zu seiner Verfügung Liegende nicht binnen 6 Monaten nach erlassenem Endurtheil durch ihn reclamirt, dann kommen die 4 letzten Alineas von Art. 20 und das letzte von Art. 27 in Anwendung.
Art. 39. Uebertretung von Art. 13 wird mit Geldbusse von 25 bis 75 fl. bestraft.
Das Laufenlassen von Hunden in Gemeinden, oder Gemeinde­bezirken und während der durch Art. 30 bestimmten Zeit, wird mit einer Geldbusse von 10 bis 25 fl. bestraft. — Die Art. 142 u. 143 des Strafgesetzbuches (das letzte in Verbindung mit Art. 5 des Ge­setzes vom 29. Juni 1854 St. No. 102) sind anwendbar auf das Nach­machen oder den betrügerischen Gebrauch von den in diesem Ge­setze bezeichneten Kennzeichen oder Merkmalen.
Art. 40. Wenn im Falle der Uebertretung einer Vorschrift, welche kraft dieses Gesetzes zeitweilig erlassen ist, fragliche Bestimmung in dem Augenblicke zu gelten aufgehört hat, wo die Sache vor den Richter in erster oder in höherer Instanz, oder in Cassation verhandelt wird, so ist der Art. 52 des Gesetzes auf den Uebergang von der
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Das Vieliscuchengesetz Hollands; Schlussbestimmungen.
früheren zur neuen Gesetzgebung nicht anwendbar. — Die Straf-bestimmung, welche im Augenblicke der Gesetzeaiibertretung Giltig-keit hatte, bleibt auf dieselbe anwendbar.
Art. 41. Art. 463 des Strafgesetzbuches und Art. 20 des Ge­setzes vom 20. Juni 1854 (St. 102) sind auf Uebertretungen, welche im Art. 35 und 39 bezeichnet sind, anwendbar.
sect; 4. Schlussbestimmungen.
Art. 42. In diesem Gesetze wird verstanden:
1)nbsp; unter Vieh: die Einhufer und die Wiederkäuer, so wie die Schweine;
2)nbsp; unter Fleisch: alle Weichtheile, welche von oben erwähn­ten Thiereu herrühren, gleichviel ob und wie sie bereits verarbeitet oder vermischt, ob sie also gesotten oder geräuchert, oder zu Sülze verarbeitet worden sind, ob Speck, Schinken, Wurst u. s. w.
Die Bestimmungen dieses Gesetzes kiinnen von Uns durch die allgemeinen Vorschriften der inneren Verwaltung auch auf andere in diesem Gesetze nicht genannte Thiere anwendbar erklärt werden, wenn die Fürsorge für den Viehbestand dies erheischt.
Die Suspension von Viehmärkten, die Schliessung von Thier-gärten und dergleichen Einrichtungen kann von Uns in diesem Falle befohlen werden. Der bezügliche Beschluss bestimmt die Zeit, wäh­rend welcher das betreffende Institut geschlossen bleibt. Wenn nothig, kann der Termin von Uns verlängert werden.
Art. 43. Die Schriftstücke, welche kraft dieses Gesetzes aus­gefertigt werden, und weshalb keine besondere Bestimmung in diesem Gesetze vorkommt, sind frei von Siegel- und Registratur-Rechten und haben auch vor ihrer Einregistrirung Giltigkeit.
Diese Freistellung (Befreiung) von Siegel- und Registratur-Recht gilt aber nicht, in Bezug auf die Anstellungsacte, welche in Art. 5 dieses Gesetzes bezeichnet sind.
Art. 44. Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind verfallen das Gesetz vom 19. April 1867 (Staatsblad No. 30), das Gesetz vom 19. Dec. 1807 (St. No. 126), die Artikel 459, 460 u. 461 des Straf­gesetzbuches, der Art. 19 des ersten Titel, vierter Abschnitt und die Artikel 18 u. 23 des zweiten Titels des Gesetzes vom 8. October 1791; die Artikel 39 und 40 des Kaiserlichen Decretes vom 18. Juni 1811, soweit dasselbe den Gegenstand betrifft, durch dieses Gesetz und in den Art. 5 und 6 des Gesetzes vom 9. Juli 1842 (St. No. 21) geregelt worden ist.
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Das Viehseiichengcsetz Hollands; Königl. Verordnung von 1878. 045
Art. 45. Insofern die Anwendung dieses Gesetzes es verlangt, werden von Uns nach den allgemeinen Vorschriften der inneren Ver­waltung besondere Bestimmungen festgestellt bezüglich der Accise des geschlacbteten Viehs.
Art. 40. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1871 in Kraft. — Wir beauftragen und befehlen, dass dies im Staatsblatt aufgenommen und dass alle ministerielle Abtheilungen, Autoritäten, Collegien und Beamte, welche es betrifft, zur genauen Ausführung die Hand bieten sollen.
Gegeben zu Gravonhage den 20. Juli 1870.
Willem, gez. Der Minister des Inneren: Fock.
Ausgegeben den 5. August 1870.
Königliche Verordnung vom 8. August 1878
(Staatsblad von 1878 No. 115) betreffend Feststellung von besonderen Bostiinnningcn zur Bekämpfung der Lnngenseucho unter dem Rindvieh in bestimmten Theilon des
Landes (Holland).
Wir, Wilhelm der III. von Gottes Gnaden König der Nieder­lande etc. etc. thun kund und zu wissen : Nach Anhörung des Staats-rathes und mit Genehmigung der Generalstaaten
Art. 1. Durch Uns kann befohlen werden, dass das Rindvieh in bestimmten Theilen des Reiches, die durch Unsern mit der Aus­führung dieses Gesetzes beauftragton Minister, näher bezeichnet wei­den, geimpft und mit einer Marke versehen werden, oder dass eins von beiden geschehen muss. Verweigert der Eigenthümer dieses Viehes die Impfung, oder das Vcrsehenlassen mit einer Marke, so wird fragliches Vieh vom Bürgermeister in Beschlag genommen und dieser sorgt dafür, dass die Impfung oder das Zeichnen auf Kosten des Eigenthümers, vorschriftsmässig ausgeführt wird. Ist ein Stück Rindvieh nach der Erklärung des Districtsthierarztes (oder dessen Stellvertreters) zufolge einer auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Impfung eingegangen, so wird dem Eigenthümer der volle Werth dieses Rindes im gesunden Zustande entschädigt.
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640 Das Viehscuchengeselz Hollands; Kimigl. Verordnung von 1878.
Art. 2. Eigenthümer oder Inhaber von Vieh in Landesgebieten, wie sie im vorigen Artikel angegeben wurden, sind verpflichtet, den Distrietsthierarzt oder seinen Stellvertreter und den (durch Unsern mit Ausführung dieses Gesetzes beauftragten Minister) dazu angestellten Aufseher, in die Ställe, auf die Weiden, oder an sonstige Orte, wo Vieh sich befindet, den Eintritt zwischen Sonnen-Auf- und Untergang zu gestatten.
Art. 3. Weigerung, oder thatsächliche Behinderung, dem in Art. 2 bezeichneten Beamten gegenüber, den Zutritt in die Ställe, auf die Weiden etc. zu gestatten, wird mit 1 Monat bis 1 Jahr Haft und mit einer Geldbusse von 100 bis 500 Gulden bestraft. Bei Wiederholung dieses Vergehens werden die Strafen verdoppelt.
Art. 4. Art. 463 des Strafgesetzbuches und Art. 20 des Ge­setzes vom 29. Juni 1854 (Staatsblatt No. 102), werden auf die im vorigen Artikel angegebenen Vergehen a'ngepasst.
Art. 5. Die Bestimmungen des Gesetzes vom 20. Juli 1870 (Staatsblatt No. 131) und der, kraft dieses Gesetzes durcli Uns ge-fassten Beschlüsse, bleiben auch, nachdem dieses Gesetz in Wirksam­keit getreten ist, unvermindert in Kraft.
Art. 6. Dieses Gesetz wird verbindlich mit dem Tage seiner Publication.
Wir verordnen und befehlen, dass dies im Staatsblattc aufge­nommen werde und dass alle ministeriellen Departements, Autoritäten, Collegien und die betreffenden Beamte die genaue Ausführung för­dern sollen.
Gegeben auf dem Loo, den 8. August 1878.
Willem.
Der Minister des Inneren: Kappeyne.
Ausgegeben den 11. August 1878 der Justizminister: H. J. Sinidt.
Staatsblad von 1878 No. 128. Beschluss vom 17. Aug. 1878,
betreffend Feststellung näherer Bestimmungen zur Bekämpfung der
Lungenseuche unter dem Rindvieh.
Wir Wilhelm etc. haben folgendes verordnet: In Erwägung, dass es nothwendig ist, nähere Bestimmungen bezüglich der Lungen-seuche unter dem Rindvieh festzustellen und auf Grund des Art. 15 des Gesetzes vom 20. Juli 1870 (Stbl. 131) und Art. 1 des Gesetzes vom 8. August 1878 (St. 115). Nach Anhörung Unseres Ministers des Inneren, des Staatsrathes etc. etc.
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Das Vieliseucliengeselz Hollands ; Königl. Verordnung von 1878. 047
Art. t. Es ist verboten aus den durch Unseren Minister be­zeichneten Kreisen Rindvieh zu transportiren ohne Genehmigung des Bürgermeisters derjenigen Gemeinde, in welcher sich das Vieh be­findet. Diese Anweisung wird mittelst Annoncirung in der Staats­zeitung (Staatscourant) zur allgemeinen Kenntniss gebracht.
Art. 2. Die in Art. 1 erwähnte Genehmigung wird dann erst ertheilt, wenn der Districtsthierarzt erklärt hat, dass nach seiner Unter­suchung der Viehtransport ein notwendiger ist und dass er keine Bedenken dagegen habe. — Der Bürgermeister ertheilt die Geneh­migung durch Abgabe eines Transportscheines. Dieser Schein muss mit dem Wappen der Gemeinde versehen sein; er enthält den Namen und Wohnort des Antragstellers, die Erklärung des Districtsthierarztes und ausserdem den Namen und Wohnort desjenigen, an den das Rindvieh verschickt wird, er beschreibt das Vieh genau durch Angabe des Geschlechtes, des Alters, der Farbe und der bleibenden beson­deren Kennzeichen; er wird abgegeben an den Begleiter des Viehes, welcher dafür sorgt, dass der Schein innerhalb 12 Stunden nach An­kunft am Bestimmungsorte an den Bürgermeister abgeliefert wird.
Falls das transportirte Vieh nicht für die Schlachtbank bestimmt ist, schickt der Bürgermeister die Abschrift des Transportscheines an den Districtsthierarzt seines Kreises.
Art. 3. Das auf diese Weise transportirte Vieh darf nicht mit anderem Vieh in Berührung gebracht werden und ohne schriftliche Genehmigung des Bürgermeisters, welcher den Districtsthierarzt dar­über gehört hat, im lebenden Zustande vom Gehöfte, auf dem es sich befindet, innerhalb dreier Monate nach der Ankunft auf demselben, nicht entfernt werden. Beim Tode des Viehs, oder nach Verlauf von drei Monaten nach dem im vorigen Artikel erwähnten Transporte, wird der Transportschein vom Bürgermeister vernichtet.
Art. 4. Es ist den Unternehmern von öffentlichen Transporten verboten, aus einem nach Art. 1 abgeschlossenen Kreise Rindvieh anders zu transportiren, als in einem verschlossenen Wagen, oder in einem abgeschlossenen Räume des Transportmittels, so dass der­selbe mit anderem Vieh, oder mit anderen Gütern nicht in Berührung kommt. Der Wagen, oder der abgeschlossene Theil, worin sich der­gleichen Vieh befindet, muss mit der Aufschrift „Vieh aus einem ge­sperrten Kreisequot; versehen sein. Das Vieh darf daraus nicht entfernt werden, bevor es an seinem Bestimmungsorte angekommen ist. Die Ausladung desselben ist nur gestattet unter Aufsicht der Reichs- oder Gemeinde-Polizei. Es ist verboten, das Transportmittel von der An-
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(348 Dlaquo;8 Viehseuohcngesclz Hollands; Königl. Verordnung von 1878.
kunftsstelle zu entfernen, bevor dessen Desinfection unter Aufsicht der Reichs- oder Gemeinde-Polizei auf Kosten des Unternehmers statt­gefunden hat. Betreifend die Desinfection gilt der Beschluss vom 4. Decbr. 1870 (Staatsblatt No. 191).
Art. 5. Vieb-Export gemäss Art. 1 aus gesperrten Kreisen nach dem Auslande kann nach der Bestimmung in Unserm Beschluss vom 28. Mai 1870, Staatsblatt No. 42, ohne Genehmigung stattfinden. In diesem Falle gilt die Bestimmung von Art. 3 nur bis zum Zeit­momente der Aufladung in die Transportmittel, womit die Ausfuhr stattfindet. Aus diesen Transportmitteln darf kein Vieh auf Nieder­ländischem Gebiete ausgeladen werden. Falls der Export mit der Eisenbahn erfolgt, müssen die Wagen, worin sich das Vieh befindet, geschlossen sein.
Art. 6. Alles Rindvieh, das sieh in nach Art. 1 gesperrten Kreisen befindet, wird durch geprüfte Thiorärzte, welche von Unserm Minister des Inneren zur Zeit dazu angestellt sind, geimpft und durch den Bürgermeister mit dem Buchstaben V auf dem rechten Ober­schenkel unter dem Hüftgelenke als Brandzeichen versehen *). Ebenso wird alles Rindvieh, das in genannte Kreise eingeführt wird, inner­halb dreier Tage nach der Ankunft am Bestimmungsorte durch einen damit beauftragten Thierarzt geimpft und zwischen dem 7. u. 10. Tage nach der Impfung durch den Bürgermeister mit der vorher erwähnten Brandmarke versehen. Bevor dies nicht geschehen ist, darf das Vieh mit gezeichnetem Vieh nicht in Berührung gebracht werden.
Art. 7. Die mit der Impfung beauftragten Thierärzte empfangen aus der Reichsscliatzkasse eine monatliche Besoldung, deren Höhe durch Uns bestimmt wird.
Art. 8. Wenn gemäss Art. 2 die Genehmigung zum Trans­porte von Vieh, das nicht für die Schlachtbank bestimmt ist, ertheilt worden ist, so wird das Vieh vor dem Transporte zum zweitenmale mit dem Buchstaben V neben der ersten Brandmarke gezeichnet.
Art. 9. Das auf die eine oder andere Weise Unkenntbar- oder Minderdeutlichmachen der im Art. C bezeichneten Brandmarke ist verboten. Der Eigenthümer, Inhaber oder Hirt von Rindvieh in einem der nach Art. 1 gesperrten Kreise, der im Besitz von Rindvieh an getroffen wird, wobei die in Art. 6 vorgeschriebene Marke nicht deut-
ft) Das Brandzelohen wird seit neuerer Zeit auf dem rechten (event, aul' dem linken) Hörne, und wenn beide Hörner fehlen auf dem linken Hufe, an­gebracht.
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Das Viehseuchengcsclz Hollands; Köuigl. Verordnung von 1878. 049
lieh sichtbar ist, wird nur dann von der Gesetzesübertretung frei ge­sprochen, wenn er beweist, dass das Vieh innerhalb der 3 letzten Tage in den gesperrten Kreis eingeführt worden ist, und dass er von diesem Import dem Bürgermeister innerhalb 12 Stunden Kenntniss gegeben hat.
Art. 10. Es ist verboten, ausserhalb der nach Art. 1 gesperrten Kreise nicht für die Schlachtbank bestimmtes Vieh zu besitzen, duraquo; mit der Marke V, oder falls nicht der in Art. 2 angegebene Trans­portschein beim Bürgermeister abgeliefert worden ist, mit V V, ge­zeichnet tst.
Falls der Transportschein laut Art. 3 nach Ablauf des Termineraquo; von 3 Monaten nach dem Transport vernichtet wird, gibt der Bürger­meister dem Eigenthümer, Inhaber oder Hirt hiervon Kenntniss.
Art. 11. Bei Aufhebung der in Art. 1 erwähnten Kreise wird alles in demselben sich vorfindende Vieh durch den Bürgermeister vorher mit einer zweiten Brandmarke neben der ersten versehen, bestehend aus einem umgekehrten V (A). Das so gezeichnete Vieh darf dann frei transportirt werden.
Art. 12. Kälber werden nicht geimpft, bevor sie das Alter von 3 Monaten erreicht haben,
Art. 13. Unser gegenwärtiger Beschluss tritt am fünften Tage nach seiner Verkündigung im Staatsblatte und in der Staatszeitung in Wirksamkeit. Unser Minister ist mit der Ausführung dieses Be­schlusses etc. etc. beauftragt.
Loo, den 17. August 1878,
Willem. Der Minister des Inneren, Kappoyne.
Ausgegeben den 23. August 1878. Der Justizminister: H. J. Smidt.
Bundesgesetz über polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen. (Vom 8. Hornnng 1872.)
Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Betrachtung, dass zur Verhütung der Einschleppung und zur Tilgung gemeingefährlicher Viehseuchen die Gesetzgebung der Kan­tone bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr ausreicht, und in Ausführung von Art. 59 der Bundesverfassung;
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050 Das Viehseuchengesetz der Schweiz; Vorscliriften über den Viehverkeln-.
nach Einsicht einer Botschaft dea Bundesrathes vom 0. Christ­monat 1870, beschliesst:
Art. 1. Zur Sicherung gegen Einschleppung und Verbreitung von Thierkrankheiten, namentlich der nachbenannten gemeingefähr­lichen Seuchen:
Rinderpest, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche, Rotz und Wuth, — sind in sämmtlichen Kantonen die in diesem Gesetze ent­haltenen Bestimmungen in Anwendung zu bringen.
Dem Bundesrath ist vorbehalten, beim Auftreten anderer, hier nicht genannter Thierseuchen, sofern dieselben einen gemeingeflihr-Hchen Charakter annehmen, die zu ihrer Bekämpfung und Tilgung nothwendigen Massregeln vorzuschreiben.
Art. 2. Die Ausführung der Bestimmungen des Gesetzes ist Sache der Kantone. Der Bundesrath überwacht deren richtige und gleichmässige Vollziehung und trifft in den Fällen, wo sich die Sicher­heitsmassregeln über das Gebiet mehrerer Kantone zu erstrecken haben, die zur Sicherung des nothwendigen Zusammenwirkens erfor­derlichen Anordnungen.
Der Bundesrath ist behufs Durchführung seiner Aufgabe er­mächtigt, Kommissäre aufzustellen und dieselben mit amtlichen Be­fugnissen auszurüsten.
I. Vorschriften über den Viehverkehr.
Art. 3. Der Verkehr mit Hausthieren, die an einer ansteckenden Krankheit leiden, oder durch geschehene Berührung mit solchen, Träger eines Ansteckungsstoffes sein können, ist verboten.
Art. 4. Behufs Handhabung dieses Verbotes werden für den Verkehr mit Rindvieh und Thieren aus dem Pferdegeschlecht amt­liche Gesundheitsscheine in der Art eingeführt, dass bei jeder Ver-äusserung eines über 6 Monate alten Thieres, sofern dasselbe ausser den Inspektionskreis (Art. G) geführt wird, dem Uebernehmer ein Gesundheitsschein übergeben werden muss.
Art. 5. Wenn Seuchen herrschen, deren Contagium durch Kälber, Schafe, Ziegen oder Schweine übertragen werden kann, so wird der Bundesrath auf einem von ihm zu bestimmenden Gebiete und für die Zeit der Gefahr auch für den Verkehr mit solchen Thieren amtliche Gesundheitsscheine vorschreiben.
Art. 6. Die cantonalen Behörden bezeichnen amtliche Personen, welche für die ihnen zugewiesenen Kreise (Inspectionskreise) die Ge-
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Das Viehseuchengesetz der Schweiz; Vorschril'ten über den Viehverkehr. (J51
sundheitascheine ausstellen und für eingeführte Thiere einnehmen. In beiden Richtungen haben dieselben genaue Controlen zu führen.
Die Gesundheitsscheine werden nach einheitlichen, vom Bundes-rathe festzustellenden Formularien ausgestellt. Sie müssen den Namen des Eigenthümors der Thiere, das Datum der Ausstellung, die An­gabe über die Dauer der Giltigkeit, sowie die Unterschrift des Aus­stellers enthalten, und bezeugen, dass die betreffenden Thiere aus Ortschaften kommen, in welchen keine polizeiliche Beschränkung des Verkehrs derselben besteht, noch Grund dazu vorhanden ist.
Gesundheitsscheine für Grossvieh tragen das Signalement der betreifenden Thiere in Bezug auf Gattung, Geschlecht, Alter, Farbe und Abzeichen.
In Gesundheitsscheinen für Kleinvieh muss die Zahl der Stücke angegeben werden.
Die Gesundheitsscheine sind 14 Tage giltig. Der Bundesrath kann diese Giltigkeit für Zeiten und Gegenden, in welchen Vieh­seuchen herrschen, bis auf zwei Tage abkürzen.
Art. 7. Gleiche Gesundheitsscheine, oder entsprechende amt­liche Zeugnisse werden für Rindvieh und Thiere des Pferdegeachlechtes ohne Rücksicht auf das Alter, sowie für Schafe, Ziegen und Schweine gefordert, welche aus dem Auslande eingeführt werden wollen. Die­selben werden unter Beisetzung des Datums der Einfuhr an der Zoll­station mit dem Stempel des Zollbeamten versehen.
Wenn bestimmte Gründe die Zuverlässigkeit solcher Zeugnisse aus einzelnen ausländischen Gebieten zweifelhaft machen, so sind die von daher eintretenden Thiere an der Eingangsstation auf Kosten des Einführers der Untersuchung durch einen schweizerischen Thierarzt zu unterwerfen, welcher dieselben zurückweist, wenn sie nicht voll­kommen unverdächtig sind, dagegen für dieselben einen Passierschein ausstellt, wenn sie als gesund befunden werden.
Art. 8. Eisenbahnen dürfen nur Rindvieh zum Transport an­nehmen, das mit Gesundheitsscheinen begleitet ist (Art. 4).
Art. 9. Zu Viehmärkten und Viehausstellungen dürfen Rind­vieh und Thiere aus dem Pferdegeschlecht nicht zugelassen werden ohne Gesundheitsscheine. Ueberdies sind die Viehmärkte einer sorg­fältigen sanitätspolizeilichen Aufsicht zu unterstellen.
Art. 10. In den Metzgereien ist eine sanitarische Controle des Schlachtviehes einzuführen.
Art. 11. In Gegenden, wo durch die Alpenwirthschaft beson­dere Verhältnisse bedingt sind, haben die Cantone die zur Erreichung
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052nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uas Yiehseuchengesetz der Schweiz; allgemeine Bestimnmngeii.
des Zweckes dieses Gesetzes besonders uothwendigen Vorschriften zu erlassen.
II. Allgemeine Bestimmuiigon gegen Viohsouchon.
Art. 12. Damit die zur Bekämpfung der Seuche erforderlichen Massregeln schnell getroffen werden können, sind die Eigenthüuier von Hausthieren verpflichtet, von dem Vorkommen einer der genannten Krankheiten bei der Gemeindebehörde sogleich Anzeige zu machen. Die nämliche Verpflichtung haben auch die Thierärzto, Fluisehbeschauer und Viohinspectoren, sowie alle Polizeibediensteten, wenn sie von dem Vorhandensein einer solchen Krankheit Kenntniss erhalten.
Die Gemeindsbehörde soll, nach eingeholtem thierärztlichon Be­finden, vorläufig die zur Verhinderung der weitern Verbreitung noth-wendigen Anstalten treffen und bei der Kantonsregierung Anzeige machen.
Art, 13. Beim Ausbruch einer der in diesem Gesetze bezeich­neten Seuchen in dem benachbarten Gebiete eines ausländischen Staates hat diejenige Kantonsregierung, welche davon auf irgend eine Weise Kenntniss erhält, dem Bundesrath davon Mittheilung zu machen, welcher nach Ausmittlung des Sachverhalts die betreffenden Grenz­eantone hievon in Kenntniss setzt und gleichzeitig, je nach der Natur der Seuche, deren Verbreitung und der zur Tilgung derselben ge­troffenen Massregeln die Vorkehren bestimmt, welche gemäss den Vorschriften dieses Gesetzes getroffen werden sollen.
Die Cantone sind nicht befugt, dieselben von sich aus zu ver­schärfen, zu mildern oder aufzuheben.
Wenn eine der genannten Seuchen im Innern eines Cantons ausbricht, so sind von der betreffenden Regierung die in diesem Ge­setze vorgesehenen Vorkehrungen sogleich zu treffen und ist der Bundesrath von dem Ausbruche der Seuche und von den dagegen angeordneten Massrcgeln in Kenntniss zu setzen.
Art. 15. Ohne Bewilligung des Bundcsrathes darf keine Er­schwerung des Verkehrs zwischen den Cantonen stattfinden.
Ausnahmsweise ist eine Cantonsregierung befugt, in Fällen, in welchen die Anordnung sofortiger Schutzmassrcgeln durchaus geboten ist, den Verkehr mit Vieh gegen einen angrenzenden Canton zu be­schränken.
In einem solchen Falle hat jedoch die betreffende Cantons­regierung dem Bundesrath von der getroffenen Massregel sofort Kennt­niss zu geben und dieser entscheidet, nach vorgängiger Untersuchung, ob die Verfügung zu bestätigen oder aufzuheben sei.
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Das Viehseucliengesetz der Schweiz: allgemeine Besümmungen. 5513
Wenn Viehseuchen herrsehen, so ist der Viehverkehr auf den Eisenbahnen, sowie die Reinigung und Desinfection des zum Trans­port von Vieh und rohen Häuten verwendeten Materials, sorgfiiltig zu überwachen.
Art. 16. Wenn beim Vorkommen einer Seuche die Bösartig­keit oder Contagiosität strenge Poiizeimassregeln nothwendig macht, um die Einschleppimg oder Verbreitung zu verhüten, oder die Seuche zu vertilgen, so werden die betreffenden Behörden das Volk über die Gefahr und die nothwendige Vorsicht zu belehren suchen, und dem­selben von dem jeweiligen Stand der Seuche Kenntniss geben.
Art. 17. Wird zur Bekämpfung einer Seuche das Tödten von Thieren, die Zerstörung oder das Vergraben von Futter, Stroh, Dünger, Geräthschaften, von Gebäudetheilen oder anderem Eigenthum polizeilich angeordnet, so haben die Besitzier Anspruch auf einen an­gemessenen Beitrag an den Schaden, welcher ihnen dadurch nach­weisbar zugefügt wird. Für beseitigte Hunde und Katzen (Art. 32 und 34) besteht jedoch keine Entschädigungspflicht,
Art. 18. Diese Entschädigungen sind von den betreffenden Öan-tonen zu leisten.
Art. 19. Die Bundeskasse ersetzt den Cantonen ihre diesfälligen Opfer zur Hälfte, wenn dieselben aus Massregeln gegen die Rinder­pest herrühren und die Entschädigungen nach folgenden Grundsätzen geleistet wurden :
a.nbsp; nbsp;Gesunde Thiere, deren Beseitigung polizeilich angeordnet wird, sind nach ihrem vollen Werth zu vergüten;
b.nbsp; nbsp;an den Schaden für die durch Anordnung der Behörden be­seitigten kranken Thiere, Futterstoffe, Stroh, Dünger, Geräth­schaften, und an die Kosten der nothwendigen Desinfection der Stallungen werden 3/4 vergütet.
Den Cantonen bleibt es jedoch überlassen, den vollen Betrag zu vergüten.
Für kranke Thiere, welche fielen oder getödtet wurden, bevor der zuständigen Behörde von der Erkrankung Anzeige gemacht wurde, ist keine Vergütung zu leisten.
Ausgenommen sind diejenigen Fälle, in welchen der betreffende Vieheigenthümer den Nachweis leistet, dass es ihm in Folge der Ver-umständungen unmöglich war, vor dem Umstehen des kranken Thieres den Behörden die vorgeschriebene Anzeige zu machen.
Art. 20. An den Schaden, welchen Massregeln gegen die Lungenseuche bedingen, leistet der Bund einen Beitrag an die. Can-
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(354 üas Viehseuchengesetz dei' Schweiz ; besuiulere Bestimmungen.
tone, wenn von denselben durch grössere Ausbreitung der Seuclie, oder durch besondere ausserordentliche Vorhältnisse unverhältnissmässig grosse Opfer gefordert werden.
Art. 21. Wenn ein Canton die in diesem Gesetze vorgeschrie­benen , oder vom Bunde überdies augeordneten Maasaregeln nicht durchführt, so kann ihm der Bundesbeitrag ganz oder theilweise ent­zogen werden.
III. Besondere Bestimmungen. 1. Die Rinderpest.
Art. 22. Sobald die Rinderpest im Auslande unter Verhält­nissen auftritt, die eine Einschleppung befürchten lassen, so sind zur Verhütung derselben Vorsichtsmassregeln zu treffen. Deren Umfang und Strenge richtet sich nach der Grosse der Gefahr, insbesondere darnach, ob in dem betreffenden Staate selbst die zur Tilgung und Hemmung der Weiterverbreitung geeigneten Massregeln getroffen werden oder nicht.
Die Einfuhr von wiederkäuenden Thieren aus dem verseuchten Lande wird besonders überwacht.
Bei geringerer Gefahr der Einschleppung werden die aus jenem Staate oder durch denselben kommenden Wiederkäuer an der Ein­gangsstation angehalten. Diejenigen Thiere werden sofort zurück­gewiesen, für welche nicht der vollständige Ausweis geleistet wird, dass sie aus einer durchaus seuchenfreien Gegend kommen und durch keine verseuchten Ortschaften transportirt worden sind. Kann dieser Ausweis geleistet werden, so wird das Vieh durch einen hiefür ver­ordneten schweizerischen Thierarzt untersucht. Zeigt es sich nicht vollständig gesund, so wird es zurückgewiesen; nur gesunde Thiere können Einlass erhalten. Es ist Vorsorge zu treffen, dass die Ein­gangsstationen nicht umgangen werden.
Bei grösserer Gefahr der Einschleppung kann die Einfuhr von Wiederkäuern überdies an das Bestehen einer zwölf'tägigen Quaran-taine bedungen werden. Jede Quarantaine-Anstalt ist einer thier-ärztlichen Aufsicht zu unterstellen. Die Thiere sind beim Eintritt sorgfältig zu untersuchen, während des Aufenthaltes genau zu beob­achten, und nach Verfluss des zwölf'tägigen Aufenthaltes darf das be­treffende Vieh nur mit einem Gesundheitspass des die Quarantaine-Anstalt überwachenden Thierarztes eingeführt werden.
Strenge Massregeln sind anzuordnen, sobald die Rinderpest in einem unserer Grenze nahe gelegenen Landestheile vorkommt, oder
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Das Viehseuchengesetz der Schweiz; Rinderpest.
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in einer Gegend, aus welcher Viehtriebe nach der Schweiz zu gehen pflegen, dessgleichen bei mangelhaften Verkehrsbeschränkungen im Seuchengebiet.
In diesen Fällen ist die Einfuhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und allen andern wiederkäuenden Thieren aus dem inficirten Lande gänzlich zu verbieten und die strenge Vollziehung des Verbotes durch sofortige Anordnung aller dafür nothwendigen Vorkehrungen zu be­werkstelligen. Ebenso sind gegen das Einschleppen der Seuche durch Viehhändler, Metzger und dergleichen mit Vieh verkehrende Berufs­leute, durch Hausthiere aller Art, sowie durch Gegenstände, die als Träger des Anstcckungsstoffcs dienen können, Vorkehrungen zu treffen. Man wird namentlich die Einfuhr von ungetrockneten Häuten, roher Wolle, frischem Fleisch und ungeschmolzenem Talg, sowie von Futterstoffen, Stroh, Dünger und dergleichen coutroliren und nöthigen-falls verbieten. Bei sehr grosser Gefahr der Einschleppung der Seuche kann der Bundesrath selbst gänzliche Sperrung jeglichen Verkehrs anordnen.
Die Kosten, welche aus der in diesem Artikel vorgeschriebenen Beaufsichtigung des Grenzverkehrs den Kantonen erwachsen, sind denselben zur Hälfte aus der Bundeskasse zu vergüten.
Art. 23. Beim Ausbruche der Rinderpest auf Schweizergebiet sind folgende Massregeln zu treffen:
1)nbsp; nbsp;Die Ställe, in welchen kranke oder verdächtige Thiere vor­kommen, oder die Weiden, auf welchen sich dieselben befinden, sind strengstens zu sperren und zu bewachen, in der Weise, dass ohne Bewilligung der Sanitätspolizei weder Menschen noch Thiere dieselben besuchen oder verlassen dürfen. Insbesondere wird jede Berührung der Wärter der verdächtigen Thiere und dieser selbst mit andern Menschen und Thieren verhindert. Auch die Ausfuhr von Futter­stoffen, Stroh, Dünger und allen andern Gegenständen, welche mit Kranken oder deren Auswurfstoffen in Berührung gekommen sein können, ist zu verhindern.
2)nbsp; Der Ausbruch der Rinderpest ist sofort in der betreffenden Gemeinde bekannt zu machen, jeder Verkehr mit Wiederkäuern zu untersagen und strenger Stallbann zu verhängen. Die Hunde sind angebunden, die Katzen und das Geflügel eingesperrt zu halten. Der Durchtrieb von Wiederkäuern durch den Seuchenort ist zu verhindern. Sofort müssen auch die Nachbargemeinden in Kenntniss gesetzt und dieselben zur Bewachung ihrer Grenzen angehalten werden. Sie haben dafür zu sorgen, dass aus dem Seuchenort kein Rindvieh, keine
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0513nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Das Viehseuchengesctz der Schweiz; Rinderpest.
Schafe, Ziegen oder andere Wiederkäuer ausgeführt werden, dass weder frische Häute, rohe Wolle,. Fleisch oder ungeschmolzener Talg noch Hörner, Klauen, Milch oder Heu, Stroh, Dünger u. dgl. aus­geführt werden.
3)nbsp; nbsp;Die kranken und verdächtigen Thiere und alle Wiederkäuer, welche mit solchen in Berührung gekommen sind, müssen unverzüg­lich geschlachtet werden. Die Cadaver von Thieren, welche an der Rinderpest litten, müssen mit Haut und Haaren auf entlegenen und abzugrenzenden Wasenplätzen verscharrt werden. Von gesunden, aber möglicherweise schon angesteckten Thieren ist die Benutzung von Haut, Fleisch, Talg, Wolle und Hörnern zu gestatten, wobei aber Sicherheitsmasaregeln zu treffen sind, dass hieraus keine Weiterver­breitung der Krankheit erfolgen kann.
4)nbsp; Die Ställe, Geräthschaften, Kleider der mit kranken Thieren oder Cadavern in Berührung gestandenen Menschen, Hofräume und Wege sind sorgfältig zu reinigen und zu desinficiren. Bevor dieses in genügender Weise stattgefunden hat, dürfen sie nicht benutzt werden.
5)nbsp; Heu, Streumittel, Dünger, welche mit Auswurfstoffen oder Ausdünstungen kranker Thiere verunreinigt werden konnten, sind sorgfältig zu zerstören oder einzugraben.
6)nbsp; Gleich Anfangs ist in der verseuchten Gemeinde von Stall zu Stall ein Verzeichniss des vorhandenen Viehstandes aufzunehmen. Dabei sind die Eigenthümer auf die Natur der Krankheit, die Wege ihrer Ausbreitung und auf die durch dieselbe drohende Gefahr auf­merksam zu machen, und ist ihnen die Verantwortlichkeit einer Ueber-tretung der angeordneten Massregeln einzuschärfen. Der Viehetat ist von Zeit zu Zeit zu revidiren.
7)nbsp; In den umliegenden Gemeinden ist der Viehverkehr zu ver­bieten, und das Abhalten von Viehmärkten, Viehausstellungen, sowie der Transport von Vieh auf Eisenbahnen ist in den angrenzenden Bezirken zu untersagen.
8)nbsp; Die Wege der Einschleppung der Krankheit und der mög­lichen Weiterverbreitung sind sorgfältig zu erforschen und die Be­hörden der betreffenden Gegenden, wohin die Spuren führen, davon immer sofort in Konntniss zu setzen.
9)nbsp; Erst sechs Wochen nach dem Verschwinden der Seuche kann der Viehverkehr im Seuchenorte und 3 Wochen früher in den an­grenzenden Gemeinden wieder frei gegeben werden.
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Das Vichseuchengesetz der Schweiz; Lungengeuche.
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2. Die Lungenseuche.
Art. 24. In der Schweiz darf Eindvieh, welches einmal an der anateckenden Lungenseuche gelitten hat, nicht mehr in den Verkehr kommen.
Bei dem Vorkommen dieser Krankheit im eigenen Lande müssen die erkrankten, oder die im gleichen Stalle oder auf derselben Weide gestandenen Thiero getödtet werden. Nur mit Bewilligung der Me-dicinalbehörde des betreffenden Cantons dürfen Heilungsversuche ge­macht werden, jedoch unter Anwendung genügender polizeilicher Massregeln gegen Weiter Verbreitung der Krankheit.
Die Thiere, welche geheilt wurden, dürfen ebenfalls nicht mehr in den Verkehr kommen, wohl aber zum Schlachten verwendet werden.
Die Ställe, in welchen die Seuche geherrscht hat, müssen 4 bis 12 Wochen gesperrt werden. Das Rindvieh in zunächst an­grenzenden Ställen, namentlich Thiere, welche mit denjenigen aus den Seucheställen am gleichen Brunnen getränkt, oder auf andere Weise mit denselben in Berührung gebracht wurden, sind während 12 Wochen unter sanitätspolizeiliche Aufsicht zu stellen. Ueber-dies ist der Verkehr mit Rindvieh in der betroffenden Ortschaft, mit Ausnahme solcher Stücke, die zum Schlachten verkauft werden, für eine Dauer von 4 bis 12 Wochen nach dem Verschwinden der Krank­heit zu verbieten. Wenn die Krankheit in einer Ortschaft oder Ge­gend eine grössere Verbreitung erhalten hat, so dürfen die mit den kranken in einem Stalle oder auf derselben Weide gestandenen und von der Krankheit noch nicht angegriffenen Thiere abgesperrt und unter polizeilichen Vorsichtsmassregeln für die Schlachtbank bestimmt werden.
Die Ställe, in denen kranke Thiere gestanden, sowie die Stall-geräthschaften müssen hinlänglich gereinigt und desinficirt sein, bevor sie wieder benutzt werden dürfen.
Gegen das Ausland richtet sich die Strenge der Massregeln ins­besondere danach, ob daselbst in ähnlicher Weise verfahren werde. Die strengsten Massregeln sind gegen solche Nachbarstaaten zu richten, in welchen an der Lungenseuche leidendes Rindvieh ärztlich behan­delt und das durchseuchte wieder in den Verkehr gebracht wird.
Art. 25. Zeigt sich in einem benachbarten Staate die Lungen­seuche in einer angrenzenden Gegend oder sonst unter Verhältnissen, die eine Einschleppung möglich machen, so ist die Einfuhr des von daher kommenden Rindviehes nur zu gestatten, wenn für dasselbe
Pütz. Lehrbuch der iinstockemleii Thlcvkranlvliolton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;42
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(558nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Oas Viehseiicliengosetz der Schweiz; Maul- und Klauenseuche.
gehörige Gesundheitsscheino oder entsprechende amtliche Zeugnisse vorgewiesen werden, welche höchstens (3 Tage früher ausgestellt seiu dürfen,
Bleibt das Vieh im Lande, so darf dasselbe, mit Ausnahme des Verkaufs zum Schlachten, während Ü Wochen nicht veräussert werden, und ist nach dieser Zeit durch einen Thierarzt zu untersuchen. Diese Vorschriften sind nöthigenfalls zu verschärfen, wenn in dem angren­zenden Staate, in welchem die Seuche herrscht, keine genügenden Vorsichtsmassregeln gegen ihre Verbreitung getroffen werden, oder die Zuverlässigkeit amtlicher Gesundheitsseheine begründetem Zweifel unterliegt. Bei grösserer Verbreitung der Krankheit nahe anlaquo; der Grenze ist die Einfuhr von Rindvieh aus einem solchen Staate ganz zu verbieten.
3. Die Maul- und Klauenseuche.
Art. 2G. Wer im Besitze von Thieren betroffen wird, welche an Maul- und Klauenseuche leiden, ohne dass hievon den Behörden Kenntniss gegeben wurde, ist mit einer Busse von 10 bis 500 Franken zu bestrafen.
Art. 27. Beim Vorkommen der Krankheit ist über die inticirten Ställe oder Weiden Bann zu verhängen, der erst 2 bis 3 Wochen nach Erhärtung des Verschwindens der Krankheit und nach sorgfälti­ger Entseuchung der betreffenden Thiere, Stallungen und Geräth-schaften aufgehoben werden darf.
Für ausnahmsweise Verhältnisse kann der Bundesrath Modifi-cationen in der Ausführung dieser Bestimmung gestatten.
Art. 28. Mit Rücksicht auf die verschiedene Bedeutung dieser Seuche bei Stall- oder Weidefiitterung bleibt es den Cantonen vor­behalten, die Vorkohrsbeschränkungen auch auf Ställe und Weiden auszudehnen, welche sich in unmittelbarer Nähe der inficirten Loca-litäten befinden, oder Thiere enthalten, die mit den erkrankten in Berührung gekommen sind.
Art. 29. Beim Erscheinen dieser Krankheit in den angrenzenden Staaten dürfen Rindvieh, Schafe, Ziegen und Schweine aus denselben auf den dafür bestimmten Strassen nur dann eingeführt werden, -wenn für sie Gesundbeitsscheino vorgewiesen werden, die vom gleichen oder demjenigen Tage datirt sind, der dem Tage der Einführung zunächst vorangegangen ist. Ueberdies muss der Gesundheitszustand durch eine thierärztliche Untersuchung an der Eingangsstation nachgewiesen sein.
Solche Thiere, für welche keine gehörigen Gesundheitsscheine
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Das Viehseuchengesetz der Schweiz; Rotzkrankheit und Wuth. (J59
vorhanden sind, ebenso alles Vieh, das bei der Ankunft auf der Ein­gangsstation Spuren der Krankheit zeigt, ist zurückzuweisen. Ist bei einer Herde auch nur ein Thier krank, so ist dieselbe ganz zu­rückzuweisen.
Herrseht die Maul- und Klauenseuche in dem angrenzenden Lande in grösserer Verbreitung, oder nahe an der Grenze, so kann die Einfuhr von Vieh, insbesondere von Schafen, Ziegen und Schweinen, an die Bedingung einer achttägigen Quarantaine an der Grenze ge­knüpft werden. Die Eigenthümer haben auf ihre Kosten für die hiefür geeigneten Localitiiten zu sorgen.
4. Der Rotz und der Hautwurm des Pferdes.
Art. 30. Bei dem Vorkommen dieser Krankheit müssen die kranken Thiere abgesperrt und getödtet werden. Solche Thiere, die mit kranken in Berührung gestanden haben und keine Spur der Krank­heit zeigen, sind einer zeitweisen thierärztlichen Untersuchung zu un­terwerfen. Die Ställe, in denen kranke Thiere gestanden haben, die Stallgeräthschaften und die Geschirre von jenen dürfen nur nach hin­länglicher Reinigung und Desinfection wieder für gesunde Thiere be­nutzt werden.
5. Die Wuth.
Art. 31. Um das Auftreten und die Ausbreitung der Wuth bei Menschen und Thieren möglichst zu beschränken, sind die Cantons-regierungen eingeladen, eine ilbermässige Vermehrung der Hunde durch deren Besteurung zu verhindern und mittelst Cataster und Marken eine Controle über dieselben auszuüben.
Art. 32. Wuthkranke Thiere sind beförderlich zu tödten und zu vertilgen. Ebenso müssen Hunde und Katzen, welche von einem wuthkranken Thiere gebissen sind, getödtet werden. Sind solche mit einem wuthkranken Thiere in Berührung gekommen, ohne dass eine Verletzung durch dasselbe nachgewiesen werden kann, so sind sie entweder zu tödten, oder während mindestens drei Monaten unter Auf­sicht abgesperrt und in sicherer Verwahrung zu halten. Dasselbe gilt von grössern Hausthieren, wie Pferden, Rindvieh und dergleichen, welche von einem wuthkranken Thiere gebissen wurden.
Art. 33. In Gegenden, welche von wuthkranken Thieren durch­laufen wurden, ist der Hundebann in der Weise zu verhängen, dass die sämmtlichen Hunde entweder eingesperrt gehalten, oder mit sichernden metallenen Maulkörben versehen sein müssen. Die Mass-
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660nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; L)ns Viehseuchengesetz der Schweiz; Stralbestimmungen.
regel hat mindestens G Wochen nach dem Auftreten des letzten Falles von Wuth fortzudauern.
Art. 34. Bei grösserer Verbreitung der Wuth unter Katzen soll die Tödtung aller Thiere dieser Art in einer Ortschaft oder Ge­meinde angeordnet werden.
Art. 35. Tritt die Wuth bei Füchsen oder andern wilden Thiei-en seuchenartig auf, so sind besondere Jagden zur Tödtung der­selben anzuordnen.
[V. Strafb estimmungen und Vollziehung.
Art. 36. Umgehung der Vorschriften über den Viehverkehr (Art. 4 bis 9) zieht eine Busse von Fr. 5 bis 100 nach sich.
Wichtbeachtung der in diesem Gesetze oder durch spezielle An­ordnungen des Bundesrathes und seiner Organe vorgeschriebenen Massregoln zur Verhütung oder Tilgung von Viehseuchen, sowie ins­besondere Uebertretungen von Art. 3 dieses Gesetzes werden mit einer Busse von Fr. 10 bis 500 bestraft.
Art. 37. Uebcrdies haben Uebertretungen dieses Gesetzes den Ausschluss von den in den Art. 17—20 bezeichneten Vergütungen zur Folge. In schworen Füllen, insbesondere wenn durch absicht­liche Umgehung sanitätspolizeilicher Anordnungen die Einschleppung oder Ausbreitung einer Seuche veranlasst wurde, soll der Fehlbare dem Strafrichter überwiesen und kann er für den veranlassten Schaden ganz oder theilweiso belangt werden.
Art. 38. Das Gesetz tritt mit dem Tage der amtlichen Be­kanntmachung in Kraft. Alle mit demselben im Widerspruch stehen­den Gesetze und Verordnungen im Gebiete der schweizerischen Eid­genossenschaft sind aufgehoben.
Art. 39. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Ge­setzes beauftragt.
Also beschlossen vom Ständerathe,
Hern, den 17. Wintermonat 1871.
Der Präsident: A. Keller.
Der Protokollführer: J. L. Lutscher.
Also beschlossen vom Nationalrathe, Bern, den 8. Hornung 1872.
Der Präsident: K. Brunn er.
Der Protokollführer: Schi ess.
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Vollziehungsverordiuuig zum schweizerisclicn Viehseiicliengesctze. 661
VollziehungsVerordnung zum Bundesgesetz über polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen vom 8. Hornung 1873.
(Vom 20. Wintermonat 1872.)
Der schweizerische Bundesrath, in Vollziehung des Bundesgesetzes vom 8. Hornung 1872 über poli-; eiliehe Massregeln gegen Viehseuchen, verordnet:
I. Organisation der Veteriniirpolizei.
sect; 1. Die Oberaufsicht über die Gesundheitspolizei der Haus-thiere, nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 8. Hornung 1872; bildet einen Geschäftszweig des eidg. Departements des Innern.
Dasselbe verkehrt in laufenden Geschäften direct mit den obersten Sanitätsbehörden der Cantone.
sect; 2. Das Departement bedient sich, soweit solches zur Durch­führung seiner Aufgabe nöthig wird, amtlicher Commissäre, welche es mit den nöthigen Vollmachten versieht.
sect; 3. Zur Controlirung des Viehverkehrs werden die Cantone in Inspectionskreise eingetheilt. Die cantonalen Behörden bezeichnen für jeden Kreis eine amtliche Person, die als Viehinspector funetionirt, die Gesundheitsscheine ausgibt und einnimmt, und darüber Controle führt. Für jeden Viehinspector wird ein Stellvertreter bezeichnet, welcher dessen Amtsobliegenheiten in Verhinderungsfällea erfüllt.
Zu Viehinspectoren sind so viel als möglich sachkundige Per­sonen zu erwählen. Solche, die mit Hausthieron Handel treiben, oder den Beruf eines Metzgers ausüben, sind weder als Inspectoren, noch als Stellvertreter wählbar.
sect; 4. Die Viehinspectoren sowohl, als die mit Handhabung der Gesundheitspolizei bezüglich der Bergfahrt, Viehmärkte, Schlächtereien und Abdeckereien betrauten Beamten und Angestellten sollen die zu­treffenden gesetzlichen Vorschriften genau kennen, und ebenso die hauptsächlichen Erscheinungen der in Betracht kommenden Krank­heiten.
Die Cantone haben für geeignete Instruction dieser Personen zu sorgen, theils durch Zustellung der gedruckten Vorschriften und Instructionen, theils durch mündlichen Unterricht, der denselben durch Fachmänner erthoilt wird. Bei Erlass neuer, ihren Wirkungskreis botreffender Vorschriften von Bedeutung sind diese Personen bezirks­weise zu versammeln und ihnen dieselben mündlich zu erläutern.
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602 VoUzieliungsverordnung zum scliweizei'ischeu Viehseiicliengesetze.
II. Gesundhoitsscheine.
sect; 5. Die Gesundheitsscheine werden nach deu beigedruckten Formuliirien auf weissem Papier ausgegeben. Die Cantone haben herzustellen:
A.nbsp; nbsp;Formulare zu Gesundheitsscheinen für je ein Tbier aus dem Geschlecht der Pferde oder Rinder.
B.nbsp; nbsp;Formulare für je einen Transport Schafe, Ziegen oder Schweine. Don Cantonen steht frei, für jede Thiergattung besondere Aus­gaben dos Formulars zu veranstalten.
sect; 0. Den Cantonen bleibt unbenommen, aussei- den angeführten Scheinen besondere Scheine auszugeben zum Zweck einer Contro-lirung blosser Ortsveränderung der Hausthiere, ohne Handänderung derselben, z. B. bei deren Sommerung und Winterung.
Auf den Formularen für solche cantonale Scheine ist deren Zweck ausdrücklich zu bezeichnen. Von den eidgenössischen (sect; 5) sollen sie sich auch in ihrer Farbe unterscheiden und keine längere Gültigkeitsdauer haben als diese. Sie gelten auch für den Bahn­transport.
sect; 7, Die Formulare für Gesundheitsscheine sind nicht in ein­zelnen Blättern, sondern in Heften von 10 bis 100 Stücken auszu­geben.
Jedes Blatt besteht aus einer schmälern, linken Hälfte (Talon), mit welcher es geheftet ist, und aus einer breitern, rechten Hälfte (Schein).
Die zu beschreibenden Stellen sind auf beiden Hälften schraffirt zu drucken.
Beidseitig sind die Eintragungen die nämlichen.
Nach der Ausfüllung wird der Schein abgetrennt und dem Vieh­inhaber übergeben. Das Heft mit dem Talon bleibt dem Aussteller als Controle und ist nach dem Verbrauch sämmtlicher Blätter der­jenigen Amtsstelle zurückzugeben, bei welcher es bezogen wurde.
Diese Hefte sind wenigstens 2 Jahre lang aufzubewahren.
sect; 8. Soweit es der Raum der Formularien gestattet, kann der­selbe bedruckt werden mit gesetzlichen Vorschriften über den Vieh­verkehr, Trächtigkeitszeugnissen u. dgl.
sect; 9. In jedem Canton werden die einzelnen Blätter jeder Art von Formularien durch eine centrale Stelle einheitlich numorirt, und zwar serienweise fortlaufend bis auf 10,000 oder 100,000.
Die Seriennummer wird in römischer Zahl gedruckt.
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Vollzieluingsverordnung zum schweizerischen Viehseuchengesetze. (3(33
Auf dem Umschlag jedes Heftes sind Serie und Nummern seineraquo; Inhaltes anzugeben.
sect; 10. Für Rindvieh und Thiere des Pferdegeschlechtes ist für jedes zu veräussernde Stück ein besonderer Gesundheitsschein auszu­stellen.
sect; 11. Die Kosten eines Gesundheitsscheines nach Formular A dürfen den Betrag von 50 Cent, nicht übersteigen. Bei denjenigen nach Formular B darf für die Untersuchung von Schafen oder Ziegen nicht mehr als 10 Cent, per Stück berechnet werden. Indessen dürfen die Kosten eines Scheines für eine ganze Herde Fr. 5 nicht über­steigen.
Dürfen in Souchezeiten Gesundheitsscheine nur nach Unter­suchung am Standort der Thiere ausgestellt werden (sect; 18), so sind die Kosten dieser Untersuchung in obiger Taxe nicht inbegriffen.
sect; 12. Die Formularhefte dürfen von den cantonalen Central-oder Bozirksbehörden nur an die amtlichen Viehinspectoren verabfolgt werden. Es ist darüber genaue Controle zu führen, und die ge­nannten Behörden müssen jederzeit ungesäumt Rechenschaft erhalten und geben können, wann und von wem, sowie an -wen irgend eine Scheinnummer verabfolgt worden ist.
sect; 13. Die Gesundheitsscheine dürfen von Niemanden ausge­stellt werden als von dem Viehinspector des Kreises, in welchem das Thior steht, und bei dessen Abwesenheit, Krankheit oder bei Ver-äusserung seines eigenen Viehes, von seinem amtlich bezeichneten Stollvertreter.
Der Scheinausgeber hat eigenhändig alle Rubriken des Formulars vollständig und wahrheitsgemäss, auf beiden Hälften gleichzeitig und gleichlautend mit Dinte auszufüllen und dem Erheber den abgelösten Schein einzuhändigen.
In den Cantonen, wo die Bezeichnung des Rindviehs mit dem Kornbrand üblich ist, ist das Hornzeichen in dem Schein anzumerken.
sect; 14. Der Viehinspector darf nicht für Vieh, das sich ausaer-halb seines Inspectionskreises befindet, z. B. auf Märkten, Gesund­heitsscheine ausstellen.
sect; 15. Mit der Handänderung eines Thieres erlischt die Gültig­keit des betreffenden Scheines für fernere Veräusserung, auch wenn sonst der Gültigkeitstermin noch nicht abgelaufen wäre, und es muss bei einer neuen Handänderung ein neuer Schein auf den Namen des Verkäufers gelöst werden. Nur wenn die Wiederveräusserung auf einem Markte vor dem Abführen des Thieres stattfindet, ist derselbe
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(364 Vollziehuiigsverordnung zum schweizerischen Viehseuchengesetze.
Schein verwendbar, wofern auf demselben die erfolgte Handänderung unter Angabe des Zwischenkäufers von dem amtlichen Marktaufseher vorgemerkt wird.
Wenn ein Käufer ein Thier anderswo wieder verkaufen will, ehe er damit an seinen Wohnort fährt, kann er am Orte der Ver-äusserung gegen Abgabe des eingenommenen Scheines einen neuen, auf seinen Namen lautenden beziehen.
In diesem Falle hat sich der Viehinspector bei eigener Ver­antwortlichkeit zu überzeugen, dass das Thier nicht merklich an einer seuchenartigen Krankheit leide.
sect; 1(3. Jeder Gesundheitsschein für erworbene Thiere ist binnen 2 mal 24 Stunden dem Viehinspector des Kreises abzugeben, in wel­chen die Thiere eingeführt wurden.
Ungültig gewordene Scheine sind dem Inspector zurückzustellen.
Widerhandlungen gegen diese Vorschriften fallen unter die Be­stimmungen der im Art, 3G des Gesetzes aufgestellten Busse.
sect; 17. Der Viehinspector ist für die Richtigkeit der ausgestellten Scheine verantwortlich.
Der Missbrauch eines Gesundheitsscheines ist, insofern nicht ab­sichtliche Täuschung vorliegt, mit der im Art. 36 des Gesetzes au­gedrohten Busse zu belegen, im letztern Falle aber als Betrug zu bestrafen,
sect; 18. In Seuchezeiten kann für grössere oder kleinere Gebiete die Ausstellung von Gesundheitsscheinen an die Bedingung einer vor­ausgehenden sachkundigen Untersuchung der betreffenden Thiere, oder selbst des ganzen Viehstandes, dem sie angehören, geknüpft werden.
sect; 19. In Zeiten des Herrschens von Viehseuchen können Thiere, welche verhandelt oder auf Märkte geführt werden, ohne mit einem Gesundheitsschein versehen zu sein, oder wenn dieser ungültig, fehler­haft oder gefälscht erscheint, polizeilich in Beschlag genommen und einer thierärztlichen Untersuchung, selbst einer Quarantaine auf Rech­nung des Eigenthümers unterworfen werden.
sect; 20. An Orten, wo Viehmärkte und Viehausstellungen abge­halten werden, oder ein erheblicher Viehverkehr auf Eisenbahnen statt­findet, haben die Ortsbehörden für geeignete und genügende Ab­sperrun gslocale zu sorgen.
III. Controle auf der Grenze.
sect; 21. Die eidgenössischen Zollbeamten werden angewiesen, dar­über zu wachen, dass für Rindvieh, Pferde, Esel und Maulthiere jeden
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Vollziehungsverordnung zum schweizerischen Viehseuchengesetze. (5(J5
Alters, sowie flir Schafe, Ziegen und Schweine, welche vom Auslande in die Schweiz geführt werden sollen, auf den Zollstationen amtliche Zeugnisse vorgewiesen werden, welche bescheinigen, dasa die Thiere aus Gegenden kommen, in welchen keine ansteckenden Krankheiten bei den betreffenden Thiergattungen herrschen.
Die Zollbeamten haben diese Zeugnisse unter Beisetzung des Datums der Einfuhr zu stempeln.
sect; 22. Thiere, für welche solche Zeugnisse nicht beigebracht werden können, sind auf Kosten des Einführers durch einen paten-tirten schweizerischen Thierarzt zu untersuchen. Wenn diese Unter­suchung bei dem Uebergang auf schweizerische Bahnen nicht möglich sein sollte, so muss dieselbe bei der Ausladung stattfinden. Zeigen sich dabei die Thiere nicht vollständig unverdächtig, so sind sie zu­rückzuweisen. Nur bei vollständiger Gesundheit der Thiere wird der Thierarzt für dieselben einen Passirschein (Art. 7 des Gesetzes) aus­stellen. Dieser Schein ist bei Strafe sofort dem quot;Viehinspector des Ortes abzugeben, an welchen die Thiere gebracht worden. Letzterer darf für mit solchen Scheinen eingeführtes Rindvieh während der nächsten (3 Wochen einen Gesundheitsschein nur zum Zwecke des Verkaufs an die Schlachtbank ausstellen.
IV. Viehverkehr auf den Eisenbahnen.
sect; 23. Thiere, welche an ansteckenden Krankheiten leiden, wie Rinderpest, Lungonseuche, Maul- und Klauenseuche, Rotz und Haut-wurm des Pferdes, Wuth und Milzbrand (anthrax) und Schafpocken, sind vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen. Dieselben dürfen mit Ausnahme der im sect; 27 näher bezeichneten Fälle nicht vermittelst Eisenbahnen transportirt werden.
sect; 24. Jedes über G Monate altes Stück Rindvieh, welches auf eine Eisenbahn verladen werden soll, muss mit einem gesetzlichen Gesundheitsschein (sect; 5) oder Passirschein (sect; 22) begleitet sein. Ebenso Ziegen-, Schaf- und Schweineherden (Truppen von mehr als 10 Stücken). In Souchezeitcn können auch für einzelne Stücke Schmalvieh, sowie für Eindvioh unter G Monaten (Kälber), Gesundheitsscheine für den Bahntransport vorgeschrieben werden.
sect; 25. Die Waggons, welche zur Aufnahme von Schweinen und Schafen dienen, dürfen nicht gleichzeitig zum Transport für Rind­vieh verwendet werden,
sect; 2G. Die zum Transport und zum Verladen von Vieh dienen­den Waggons und Rampen müssen nach jedem Gebrauche gereinigt
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(J(i6 Vollzieliungsvcrordnung zum scliwei/.erischen Viehseuchengesetze.
und ausgewaschen werden. Bevor dies geschehen, dürfen in den­selben keine neuen Viehtnmsporte eingeladen werden. Für die Rei­nigung darf keine besondere Gebühr verlangt werden.
Der aus den Waggons ausgeräumte, oder auf den Bahnhöfen und Stationen angesammelte Dünger rauss sofort mit ungelöschtem Kalk bis zur Hälfte seines Gewichtes vermengt worden.
sect; 27. Die Sanitätsbehörden können sich der Eisenbahnen be­dienen zum Transporte verseuchten Viehes, insbesondere zur Schlacht­bank. Es soll dieses jedoch unter schützenden Anordnungen geschehen, die sich nach den Verhältnissen des einzelnen Falles richten.
sect; 28. Wenn Eisenbahnmaterial durch Thiere verunreinigt wurde, die an einer ansteckenden Krankheit leiden, so muss eine sorgfältige Desinfection desselben, wo möglich unter Aufsicht eines Thierarztes, stattfinden, ehe es wieder zu seinem Zwecke verwendet werden darf.
Die Wagen, Rampen und andere inficirte Gegenstände müssen mit heissem Wasser gut abgewaschen, hernach mit einem geeigneten Desinfectionsmittel, wie heisse Lauge, Chlorkalkwasser, verdünnte Car-bolsäure, Lösungen carbolsaurer Salze u. dgl., behandelt werden. Sie dürfen erst nach vollständiger Austrocknung zum Viehtransport ver­wendet werden.
Für die Kosten dieser Desinfection haftet der Eigenthümer der Thiere, durch welche die Infection stattgefunden hat.
sect; 29. Sowohl jede Waschung (sect; 26), als jede Desinfection (sect; 28) ist durch eine aussei! am Wagen angebrachte Autschrift an­zumerken.
sect; 30. In ausserordentlichen Fällen, namentlich bei grösserer Annäherung der Rinderpest, bei Ein- und Durchfuhr von Vieh aus den von dieser Krankheit heimgesuchten Staaten, wird der Bundes-rath besondere Schutzmassregcln vorschreiben.
sect; 31. Für die Vollziehung dieser Vorschriften, welche in allen öüterstationen angeschlagen sein sollen, sind die Eisenbahnverwal­tungen verantwortlich. Die Uebertretung derselben wird mit Busse bis auf 100 Franken bestraft.
Die Ueberwachung der Handhabung dieser Vorschriften und die Bestrafung kommt in erster Linie den Cantonen zu. Der Bund wird überdies eine einheitliche Controle organisiren.
sect; 32. Die zutreffenden Bestimmungen obiger Paragraphen finden auch Anwendung auf den Viehtransport auf Schiffen, welche dem öffentlichen Verkehr dienen, mit Ausnahme der Fähren,
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Vollziehuiigsverordiiiiiig' zum schweizerischen Violiseucliengesetzo. (j(j7
V. Viehmärkte.
sect; 33. Die Cantone haben darüber zu wachen, dass die Vieh-mäi'kte jederzeit unter sanitätspolizeilicher Autsicht gehalten werden.
sect; 34. In gewöhnlichen Zeiten kann sich diese Aufsicht darauf beschränken, dass 1) kein Thier ohne einen vorschriftgemässen Ge­sundheitsschein zum Kauf angeboten werden kann, und 2) diese Thiero von sachkundiger Seite überwacht werden, um solche, die einer an­steckenden Krankheit verdächtig erscheinen, sofort abzusperren.
sect; 35. In Seuchezeiten muss ausserdem alles zu Markt geführte seucheempfängliche Vieh an den Eingängen des Marktes thierärztlich untersucht werden.
Einzeln zugeführte seuchekranke oder verdächtige Stücke, sowie jeder Transport, bei welchem sich ein oder mehrere solche Stücke befinden, sind nicht zurückzuweisen, sondern sofort abzusperren.
yi. Metzgereien.
sect; 36. Die im Art. 10 des Gesetzes vorgeschriebene sanitarische Controle der Metzgereien soll so eingerichtet sein, dass sie einerseits den Verkauf von gesundheitsschädlichem Fleisch verhindert, anderer­seits ansteckende Krankheiten bei dem Schlachtvieh entdeckt und verborgene Seuchenherde zur Kenntniss bringt.
Diese Controle ist, wo möglich, nicht bloss für die öffentlichen Schlachthäuser, sondern für alles zum Verkauf geschlachtete Vieh einzuführen und Thierärzten zu übertragen.
sect; 37.
VII. Alpenwirthschaft. Eine besondere Ucberwachung des zur Sommerung und
Winterung den Aufenthalt wechselnden Viehes ist insbesondere noth-wendig, wo Thiere aus verschiedenen Landesgegenden oder dem Aus-lande in die gleichen Alpenbezirke gebracht werden. Die Massregeln dieser Ueberwachung bleiben mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Verhältnisse den Cantonen überlassen. Von denselben ist aber dem eidgenössischen Departement des Innern Kenntniss zu geben.
VIII. Viehseuchen.
sect; 38. Die Cantone sind verpflichtet, die Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren gegen Viehseuchen (Rinderpest, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche, Rotz und Wuth) strenge zu handhaben und dem Departement des Innern sowohl vom Ausbruch
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068 Vullzielmngsverordnuiig zum sdiweizerischen Viehseucliengesetzo.
einer Seuche, als von ihrem Verlauf und Erlöschen jeweilen rechtzeitig Kenntniss zu geben.
sect; 39. Ausser den im Art. 1 genannten Seuchen werden fol­gende Krankheiten den Cantonen als solche bezeichnet, welche einen gemeingefährlichen Character annehmen können, nämlich: Milzbrand (anthrax), ausgebreitete Räude, Beschälkrankheit der Zuchtpferde, Schafpocken, bösartiges Klauenweh der Schafe, Fleckfieber (Rothlauf) der Schweine und Trichinenkrankheit. Tritt eine dieser Krankheiten seuchenartig auf, so hat der betreffende Canton dem eidgenössischen Departement des Innern davon Kenntniss zu geben und über Ent­stehung der Seuche und die zu deren Tilgung angeordneten Mass­regeln die nöthigen Mittheilungen zu machen.
sect; 40. Die Cantone werden darauf Bedacht nehmen, die Mittel in Bereitschaft zu setzen, welche es ihnen ermöglichen, die im Art. 17 vorgeschriebenen Entschädigungen zu leisten.
sect; 41. Diese Vollziehungsverordnung tritt gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Bundesgesetzes über polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen vom 8. Hornung 1872 auf 1. Jänner 1873 in Kraft.
Das eidgenössische Departement des Innern ist mit Vollziehung derselben beauftragt,
Bern, den 20. Wintermonat 1872.
Im Namen des Schweiz. Bundesrathes,
Der Bundespräsident:
Welti.
Der Kanzler der Eidgenossenschaft:
S c h i e s s.
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Nachtrag.
Zu Seite 46. Den Landespolizeibehörden des preussischen Staates sind durch Circularverfügung des Ministeriums des Inneren und der Medicinal-Angelegenheiten vom 16. Februar 1876 folgende Vorschläge der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen bezüglich der Behandlung von Schweinefleisch, welches mit Pinnen durchsetzt ist, zur Beachtung mitgetheilt worden :
1.nbsp; nbsp;Durch Ausschmelzen oder Auskochen gewonnenes Fett von finnigen Schweinen darf unbedingt, das magere Fleisch aber nur dann zum Verkaufe, so wie zum häuslichen Verbrauche zugelassen werden, wenn dasselbe wenig Finnen enthält und unter polizeilicher Aufsicht nach vorheriger Zerkleinerung vollständig gar gekocht ist.
2.nbsp; nbsp;Gegen die Verwendung geeigneter Theile zur Bereitung von Seife und Leim, so wie gegen die freie Verworthung der Haut und der Borsten, ebenso gegen die chemische Verarbeitung des ganzen Körpers finniger Schweine besteht in sanitätspolizeilicher Hinsicht kein Bedenken; diese Benutzungsweisen sind somit unbedingt zu gestatten.
3.nbsp; nbsp;In allen denjenigen Fällen, in welchen die Schweine in be­deutenderem Grade finnig befunden worden sind, muss von polizei­licher Seite dafür Sorge getragen werden, dass die Cadaver, nachdem dieselben in zulässiger Weise ausgenutzt worden sind, sicher und un­schädlich beseitigt werden.
Zu S. 51. In Bezug. auf Taenia saginata, so wie auf die zu­gehörige Finne sei (nach Leuckart 1, c. Bd. I, S. 596 bis 616) hier noch Folgendes bemerkt:
Eine vereinzelte Rindsfinne fand Siedamgrotzky in Zürich bei einem lebenden Rinde in den Lippenmuskeln. Closs (in Frankfurt a. M.) war im Besitze einer Rindszunge, welche mehrere Finnen enthielt. Guillebeau (Bern) hat vor Kurzem ebenfalls eine Rindszunge mit Finnen der Taenia saginata angetroffen. — Knoch berichtet, dass die Petersburger Wurstfabrikanten schon seit längerer Zeit diesen Blasen­wurm kennen und denselben, der Schweinefinne gegenüber, mit Recht
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070nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nachtrag; Taenia saginata und die Rindsfinne.
als „trocken, hart und nicht so wässerigquot; bezeichnen. Er selbst fand Rindslinnen in einer gebratenen Cotelette und stellte fest, dass diese von einer Kuh aus der Nähe von Petersburg herrührte, deren Fleisch von zahlreichen „schmutzig-weissen, ins Gelbliche spielendenquot; Finnen­bälgen allenthalben durchsetzt war. Letztere zeigten einen sehr ver­schiedenen Grad der Entwicklung, so dass eine mehrfach wiederholte und längere Zeit hindurch andauernde Infection stattgefunden haben musste.
In Algerien, wo die Taenia saginata unter Juden, Mohameda-nern und Christen ^eit verbreitet ist, wurde die Rindsfinne mehrfach im Fleische (im Zwerchfelle, in der Lende u. s. w.) bei Rindvieh beobachtet; ähnlich ist es in Beyrut. In Abyssinien und Ostindien, besonders im Punjab, sollen die Rindsfinnen nicht nur in weitester Verbreitung, sondern oft auch in ausserordentlicher Menge angetroffen werden. Die Abyssinier sehen die Taonia saginata indess keineswegs als ein besonderes Uebel an; sie behaupten vielmehr, dass sie ohne diesen Parasiten kränkelten, namentlich an Verstopfung und deren Folgen litten.
Ausser beim Rinde kommt die Finne der Taenia saginata auch bei der Giraffe vor; ferner ist ein Fall (von Zenker) mitgetheilt, in welchem es gelungen ist, fragliche Finne in der Ziege zu züchten. Zwölf Wochen nach der Fütterung der Proglottiden von Taenia sa­ginata fanden sich zwei völlig entwickelte lobende Finnen, welche über ihre Abstammung keinen Zweifel Hessen; ausser diesen waren Niereukapsel, Leber, Lunge, Hirn, Herz und in den willkürlichen Muskeln zahlreiche käsig verkreidete Finnen vorhanden. Dieses Er-gebniss bestätigt, dass Ziegen für die Zucht der Rindsfinne sich im Allgemeinen sehr wenig eignen.
In der österreichischen Viorteljahrsschrift etc. Bd. 50, Heft 1, Wien 1881, S. 22) mUcht Csokor zu einer vorausgeschickten bezüg­lichen Notiz folgende Bemerkungen:
In Wien walten mit dem Auffinden der Finne der Taenia ine-diocanellata dieselben Schwierigkeiten ob (wie in Frankreich) und obwohl zur Genüge constatirt ist, dass gerade der unbewaffnete Band­wurm fast ausschliesslich als Schmarotzer bei den Bewohnern Wiens vorkommt, so wird dessen Finne dennoch aus den Schlachthäusern nur sehr selten der Thierarzneischule eingesendet. Die Gründe hierfür dürften (nach Csokor) in folgenden Umständen zu suchen sein:
1. Ist die Finne des unbewaffneten Bandwurmes in der That sehr schwer zu finden. Nach den angestellten Fütterungsversuchen
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Nachtrag; tuenia saginata und die liindsfinne.
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mit Proglottiden bei Kälbern fanden sich die Rindsfinnen keineswegs zwischen den Muskelbündcln im Bindegewebe, sondern im Fettgewebe, woselbst sie schwer zu sehen sind.
2.nbsp; Kann das Fleisch des geschlachteten Rindes nicht so genau untersucht werden, da es für den Consum nicht gleichgültig ist, ob dasselbe durch zahlreiche Einschnitte zerstückelt und dadurch un­appetitlich wird.
3.nbsp; Kommen die Finnen des Rindes nie in der Menge vor, wie im Sehweinefleische der Cysticercus cellulosae, so dass auch dadurch das Auffinden jener schwieriger ist.
4.nbsp; nbsp;Was die Grosse der Rindsfinno anbelangt, so tritt Csokor der Behauptung Raillet's, Knoch's u. Anderer entschieden entgegen, indem er sagt, dass dieser Blasenwurm in seinem entwickelten Zu­stande bedeutend, ja fast zweimal so gross sei, als die Schweinefiune.
Am 10. Januar 1882 verfütterte ich an ein O'/a Monate altes Stierkalb 3 reife Proglottiden von Taenia saginata, welche mit Eiern strotzend angefüllt waren. Den betreffenden Bandwurm hatte mein Zweitältester Sohn Tags vorher einem Manne mittelst eines Granat-wurzel-Infusums abgetrieben. Am 17. April 1882, also 97 Tage nach der Fütterung, wurde das Versuchsthier geschlachtet. Dasselbe hatte während der Zeit vom 10. Januar bis zu seinem Todestage stets gut gefressen und keinerlei wahrnehmbare Krankhoitserscheinungen ge­zeigt. Die Temperatur, welche bis zum 2. Februar täglich 3mal, von da ab bis zum (j. Februar nur 1 mal noch gemessen wurde, schwankte zwischen 39,9 und 3(3,9deg; C. Diese beiden extremen Zahlen wurden je nur einmal erreicht; die erstere am 30., die zweite am 2G. Januar 1882.
Bei der Section fanden sich Finnen in verschiedenen Körper-theilen. Dieselben sassen vorzugsweise in den Muskeln, theils ziem­lich oberflächlich, so dass sie durch die Muskelscheide mehr oder weniger deutlich durchschimmerten, theils waren sie tiefer in die Mus­keln eingebettet. Sie fanden sich nirgends in grösserer Anzahl bei­sammen, sondern allerorts vereinzelt und nur selten lagen zwei ein­ander mehr genähert. Am reichlichsten, somit am dichtesten bei­sammen fanden sich dieselben in den Muskeln dos Kehlkopfes und der Zunge. Weder die Hauptzüge des intermnsculären Bindegewebes, noch das Fettgewebe beherbergten Rindsfinnen; nur in einem kleinen Ab­schnitte des Griramdarmgekröses waren nahe an der Darm wand 11 Rindsfinnen in Fett eingebettet. Die Grosse, Form und Gonsistenz
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(372nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nachtrag; Eine Echinococcusblasc im Herzen.
der einzelnen Exemplare war verschieden. Die meisten waren spindel­förmig, einem Gurkenkerne ähnlich; einige waren beträchtlich grosser und mehr eiförmig oder kugelig. Der Finnensack war bei vielen, und zwar meist bei Exemplaren von geringerem Umfange, stark und fest, so dass sie dadurch trocken und hart erschienen. Bei einer kleinen Anzahl war der Finnensack gross und dünnwandig; die Schwanz-; blase der Finne nebst Scolex schimmerte bei peripherer Lagerung dann deutlich durch. Bei den mikroskopisch untersuchten Exemplaren fand sich der Scolex bei allen vollkommen und schön entwickelt; nur einer Blase fehlte derselbe. Im ganzen Cadaver fanden sich bei sorg­fältiger Durchmusterung und Zerkleinerung dor gesammten Muskulatur 82 Stück gut ausgebildeter, indess verschieden grosser und verschieden fester Rindsfinnen. Nach diesem Versuchsresultate erscheint es wahr­scheinlich, dass eine grosse Anzahl Proglottiden-Eier zu Grunde ge­gangen sind*).
Zu S. 71. Am 18. Februar 1882 sandte mir Kreisthierarzt Schirlitz das Herz einer Kuh, welche ganz plötzlich gestorben war, ohne vorher auch nur ein Symptom einer Krankheit gezeigt zu haben. Beim Aufschneiden der rechten Herzkammer fand Schirlitz eine Cyste, welche etwa '/s bis 1 Liter trübes Wasser enthielt. Die meinerseits vorgenommene Untersuchung ergab Folgendes: Der Herzbeutel war entfernt und der Herzmuskel durch einen Längsschnitt von seiner Spitze aus durchschnitten, so dass beide Horzkammorwandungen, ein-schliesslich ihrer gemeinsamen Scheidewand, bis in die Gegend der Kranzarterien gespalten und dadurch beide Ventrikel geöffnet waren. Es fand sich eine durch diesen Schnitt gleichzeitig mit gespaltene und so eröffnete Cyste in der Scheidewand der Herzkammern. Diese war ca. 13 Ctm. lang und ca. 12 Ctm. breit und mit einer festen, etwa lja Mm. dicken Membran ausgekleidet, welche an ihrer inneren glatten Oberfläche stellenweise mit einer gelben gallertigen Masse dünn überzogen war. Die Muskulatur der Scheidewand war zum Theil geschwunden und stand in der Peripherie der Cyste mit dieser in inniger Verbindung. Das Endocardium des Septums stand im linken Ventrikel mit der Cystenwand in unmittelbarer Verbindung, während zwischen beiden nach dem rechten Ventrikel eine etwa lja Ctm. starke Muskolschicht vorhanden war. Die Herzmuskulatur, die Herzklappen,
*) Im Herzmuskel fand sicli ein derbes, etwa erbsengrosses, etwas läng­liches, dickwandiges, in der Verkalkung begriffenes Knötclien, das wahrscheinlicli eine initergegaiigeue Rindslinne repräsentirt.
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Nachtrag; Tuenia Echinococcus. Bandwurmseuche bei Katzen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ()78
so wie das Endo- und Epicardium zeigten im Uebrigen keinerlei pathologische Veränderungen. Das Herz qu. wog 2600 Gramm. Dieser Befund erinnerte sofort an die Bindegewebskapsel einer EchinocoecuBblaBe, wofür auch die mikroskopische Untersuchung wei­tere Anhaltspunkte ergab.
Vom 28. Januar bis 15. Februar 1882 verfütterte ich an einen jungen Hund die Leber eines Schweines, welche derart mit Ecliino-coccusblasen durchsetzt war, dass diese das Leberparenchym zum grossen Theile verdrängt hatten. Vorher war das Versuchsthier einer Bandwurmkur unterworfen worden. Am 5. April, also 67 Tage nach Beginn und 49 Tage nach Abschluss der Fütterung wurde der Hund qu. getödtet. Derselbe hatte während der ganzen Dauer des Ver­suches keine .Krankheitserscheinungen gezeigt. Bei der Section fanden sich im hinteren Abschnitte des Dünndarmes eine grosse Anzahl ver­schieden reifer Exemplare der Taenia Echinococcus, welche an der weissen Farbe ihres hintersten Gliedes, trotz ihrer Kleinheit, leicht zu erkennen waren. Bei der mikroskopischen Untersuchung einer grösseren Anzahl dieser Proglottiden habe ich nur einzelne gefunden, deren drittes Glied vollkommen ausgebildet und mit Eiern derart aus­gefüllt war, wie dies bei ganz reifen Gliedern der Fall ist. Dieser Versuch bestätigt somit die Angabe derjenigen Autoren nicht, welche die Entwicklung der Taenia Echinococcus mit 7 Wochen für vollendet halten. In diesem Falle scheint hierzu eine Zeit von etwa 0 bis 10 Wochen erforderlich gewesen zu sein. Die Zahl der Eier, welche eine vollkommen reife Proglottide von Taenia Echinococcus erfüllen, schätze ich mit Johne u. Anderen auf etwa 500 Stück.
Zu S. 75. Eine crwähnenswerthe Bandwurmseuche kam 1874 unter den Katzen auf dem Schwarzwalde vor. Die meisten der in-ficirten Thiere magerten sichtlich ab und gingen schliesslich zu Grunde. Zu gleicher Zeit verschwanden die zahlreich vorhandenen Feldmäuse. Die bezüglichen Untersuchungen ergaben, dass die Katzen qu. eine grosse Menge der Taenia crassicollis im Darmcanale, die Mäuse die entsprechende Finne (Cysticercus fasciolaris) in der Leber beherbergten, dass somit Katzen und Feldmäuse sich gegenseitig massenhaft inficirt hatten. Die nämliche Seuche wurde s. Z. durch Thicrarzt Buhl zu Wolfstein in der Pfalz beobachtet. (Lydtin, Mittheilungen über das badische Veterinärwesen von 1874 bis 1. April 1881, Carlsruhe 1882.)
Zu S. 77. Braun in Dorpat fand beim gemeinen Hecht (Esox lucius) sowohl in der freien Bauchhöhle, wie in den Körpermuskeln,
Pütz, I.ehrlmcli der ansteckenden Thlerkrankhelten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 43
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(;74 Naolitrag; Botrlooephalen beim Hooht, Egel beim Geflügel. Leberegelbvat.
viele unentwickelte und eingekapselte Boti-ioeophalen. Mit diesen wurden bei Hunden und Katzen Fiitterungsversucho angestellt, welche sämnitlicli positive Resultate lieferten. Die Zahl der vorgefundenen Bandwürmer bei Section der betreffenden Versuchsthiore entsprach jedesmal genau der verabreichten Anzahl Botrioeophalen-Finnen. Die so gezüchteten Grubenköpf'e sassen an der Grenze zwischen dem vor­deren und mittleren Dritttheile des Dünndarmes mittelst des stark entwickelten Kopfes an der Schleimhaut sehr fest. Ob auch der Mensch durch diese Botriocephalen-Finnen des Hechtes inficirt wird, muss die Zukunft lehren; vorläufig darf dies wohl als mehr oder weniger wahrscheinlich angenommen werden. (Oesterr. Vierteljahrs-schrift 1881, IV, 8. 114.)
Zu S. 83. Auch beim Geflügel kommen verschiedene Egel (Einloch .und Doppelloch) vor, ohne indess erhebliche Gesundheits­störungen zu verursachen.
Leuckart hat beobachtet, dass die aus den Eiern ausgesehlüpfte Loberegelbrut in Gräben und Tümpeln sich aufhält und in solchen oft zu Tausenden herumschwimmt. Hier wandert sie vorzugsweise gern in gewisse Wasserschnecken ein, z. B. Lymnaeus minutns und pereger; in einem einzigen Lymnaeus fand Leuckart häufig 20 bis 30, Leberegel-Larven. In Rede stehende Schnecken sind sehr klein ; sie setzen sieh gern an das fette Gras, welches am Rande von Wasser­gräben etc. wächst. Wenn nun Schafe, oder andere geeignete Wohn-thiere, solches mit Lymnäen besetztes Gras fressen, so gelangen die in diese eingewanderten Leberegel-Larven in den Magen und Darm des neuen Wirthes, dessen Leber sie alsbald aufsuchen,
Da die beim Menschen durch Lcberegei verursachte Krankheit sehr lästig und schmerzhaft ist, manchmal auch tödtlich endet, so er­scheint ein gewisser Selbstschutz angezeigt. Grüner Salat, besonders von Brunnonkresse, birgt öfter Lymnäen, weshalb derselbe vor der Zubereitung sorgfältig gereinigt werden muss. Auch ertrage man im Nothfalle lieber einigen Durst, als dass man denselben aus Gräben oder anderen Wasserlachen stille.
Zu S. 85 und 86. Eine arznoiliche Behandlung der Leberegel­krankheit (bei Schafen etc.) ist ziemlich nutzlos; dieselbe kann nur dadurch etwas leisten, dass sie die Kräfte der Patienten möglichst zu heben und zu erhalten sucht. Die Wirkung der Arzneimittel ist so­mit eine indirecte; den Leberegeln selbst ist nicht beizukommen.
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Nachtrag; Behandlung ilev Leberegelkrankhelt bei Schafen, Die Krebspest, Q75
Ilnubner empfielilt als Lecke: Eisenvitriol 4 Loth, Kalmnswurzol 1 Pfund, llaf'ersciirot und geröstetes Cierstenmalz von Jedem lk Schetfol; für 100 Schafe. Oder: Eisenvitriol 2 Loth, Waeliholderbeeren und Eaaianwurzelpulver von jedem 1 Pfund, lji Soheffel Haferschrot! Lecke für 50 Schafe-.
Andererseits wird einpfoblon: pnlvorisirter Gyps 1 Metzo, Koch­salz 2 Metzon; für i50() kSchafe. Anfangs jeden zweiton Tag, später wöchentlich zweimal und sohliesslioh alle 14 Tage Irnal zu verab­reichen.
Als ditttetlsohe Nahrungsmittel werden Lupinonlieu und Lupinen­körner, täglich 8 Motzen für 100 Schafe empfohlen; ferner: braun-goröstetes Gerstenmalz, gekochte und geröstete Hülsenfrüchte, Hafer, gutes Heu u, dergl.
Die Vorbeuge verlangt folgende Rücksichten :
1,nbsp; nbsp; Man meide alle verdächtigen Weiden, besonders die auf den­selben vorhandenen Wasserlachen; selbstverständlich darf verdächtiges Futter oder Wasser auch im Stalle nicht verabreicht werden.
2.nbsp; nbsp;Nasse Weiden, oder zum Futterbau verwendete nasse Grund­stücke müssen drainirt, so wie Vertiefungen, in welchen nach Regen oder Ueberschwemnumgen das Wasser stehen bleibt, ausgefüllt werden.
Wo beide Forderungen unausführbar sind, da kann es oft zweck-mässigor sein, die Schafzucht ganz aufzugeben, als sich den häufig wiederkehrenden grossen Verlusten durch die Leberegelseuche auszu­setzen.
Wie der prophylactische (lebrauch von Salz und Gyps, so können auch Spinola's Wnrmkuchen verabreicht werden.
Eine Distomatosis des Flusskrebses schildert Harz (Zeitschrift für Thiermedicin Bd. VII, Heft I, S. 1—15).
Bekanntlich hat seit einigen Jahren unter den Krebsen der Ge­wässer Central-Europa's eine grosse Sterblichkeit geherrscht. Da man die Ursachen dieser Erscheinung zunächst nicht kannte, sprach man schlechtweg von einer „Krebspestquot;. Im Jahre 1874 wurde diese Krankheit unter den Krebsen der Spree, im Jahre 1848 im Elsass beobachtet. Dieselbe hat sich seitdem derart verbreitet, dass heute die Krebse in den Flussgebieten zwischen Maas, Saöne, Donau und Oder fast ganz verschwunden sind. Ein Fischzüchter in München bat in weniger als 4 Monaten 25000 Krebse, ein österreichischer Be­sitzer in einem einzelnen seiner Fischteiche an einem Tage mehr als 3000 Krebse verloren.
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(370nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Naobtl'Ogi eine üislomatosis des FlnssUrebses nach Harz.
Bereits im Jahve 1827 hat v. Baer (und bald dai-auf v. Siebold) im Flusskrebsc das Distoma cirrigerum (wegen des auffallend grossen Cirrus so genannt) angetroffen. Dasselbe fand sich in der Gegend von Königsberg fast in allen Theilen der Krebse und meist in Ge­sellschaft des Distoma isostomum Rudolphi. Seit jener Zeit, also seit ca. 50 Jahren, schien das Distoma cirrigerum nicht mehr beobachtet worden zu sein.
Die Krankheitserscheinungen, welche durch diesen Parasiten beim Krebse verursacht werden, sind nach Harz im Wesentlichen folgende: Zunächst bemerkt man, dass die in dem Behälter vorhandenen Krebse auffallend hoch gehen; sie stützen sich beinahe nur auf die Fuss-spitzen. Die Bewegungen sind steif und unbehülflich. Die kranken Krebse suchen nicht, wie sonst, die Schlupfwinkel und Vertiefungen-auf, sondern halten sich mehr in der Mitte des Bassins, jede unnütze Bewegung, vermeidend. Sogar die Berührung anderer Crustaceen scheinen sie zu meiden. Wenn sie auf den Rücken gefallen sind, vermögen sie nicht, sich wieder umzuwenden; sie lassen sich ruhig vom Strome treiben, ohne den geringsten Widerstand zu leisten. Häufig gerathen sie mit einander in Streit; sie erfassen sich dann krampfhaft mit ihren Schoeren, ohne sich nachher loslassen zu können; ihre Trennung kommt dann nur zu Stande, indem Einer von Beiden eine Scheere oder einen Fuss verliert. — Der hintere Leibesabschnitt (den man unrichtig „Schwanzquot; nennt), besonders die Aftermündung fängt an zu schwellen, wird eigenthüralich roth und durchscheinend. Die kranken Thiere verlieren schliesslich die Empfindung und die Reiz­barkeit der Muskeln (Irritabilität). Man kann dann ihre Augen mit deraquo; Fingern berühren, ohne dass sich die Krebse dem zu entziehen glichen. Fragliche Organe stehen weit vor, ihre Muskeln scheinen er­schlafft zu sein. Der Hinterleib wird kaum mehr bewegt. Die Scheeren und Füsse zucken manchmal krampfhaft, bewegen sich unregelmässig u. s. w. Die kranken Thiere empfinden bei Berührungen offenbar hef­tige Schmerzen. Nimmt man dieselben in die Hand, so entstehen krampfhafte Bewegungen, aber nicht das bekannte kräftige Schlagen mit dem sogenannten Schwänze, welches gesunden, mit ihrer ganzen Muskelkraft ausgestatteten Krebsen eigen ist. — Die Krankheit nimmt allmählich immer mehr zu. Die kranken Thiere werden unfähig, sich auf den Füssen zu erhalten und legen sich, wohl um ihre Schmerzen zu lindern, auf den Rücken. Zuletzt gewahrt man kaum mehr eine Bewegung der Beine; nur einzelne derselben zucken zuweilen einmal. Die Afterfüsse aber werden etwa 02 bis 65 mal in der Minute zögernd
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Nachtrag; eine Dislomatosis dos Flusslirebses nach Harz und Hallier. G77
und abwechselnd bewegt; das erste und letzte Paar derselben verhält sich sehr häufig ganz ruhig; alle stehen vom Leibe in einem Winkel von 50 bis 00 Grad ab. Eine halbe bis ganze Stunde vor dem Tode öffne^ sich die Afterspalte weit, um sich alsbald wieder rasch zu schlies-sen, was sich alle 25 bis 80 Secunden wiederholt. Hierbei werden Laichmassen (Septbr. bis Novbr.) reichlich entleert. Die Bewegungen des Afters und der Afterfüsse lassen endlich ziemlich plötzlich nach und es tritt der Tod ein. Genesung wurde nach offenbarer Erkrankung unter den angegebenen Erscheinungen nie beobachtet.
Bei der Section einer grössoren Anzahl an fraglicher Krankheit leidender Krebse fand Harz ausnahmslos in deren Muskeln einge­kapselt eine grösaere oder geringere Menge Distoma cirrigerum, nur sehr selten waren diese Parasiten frei, auf der Wanderung begriffen. Die eingekapselten Egel finden sich vorzugsweise in den Muskeln des Hinterleibes, aber auch aller übrigen Körpertheile, selbst in den Magen-, Darm- und Herz Wandungen, auch in den Eierstöcken und Hoden. Nur in den Kiemen und in der Leber scheinen sie immer zu fehlen. Die Cysten sind selten genau kugelförmig, meist schwach verlängert (kurzoval), 0,498 bis 0,510 Mm. breit und 0,500 bis 0,747 Mm. lang. Bei anderen aus pestfreien Gegenden stammenden Krebsen fand Harz diese Parasiten nie. Er schiiesst hieraus, dass fragliche Egel die Ursache der Krankheit seien.
Das Entwicklungsstadium des Distoma cirrigerum im Krebse zeigt den Larvenzustand an; die Geschlechtsorgane sind noch unent­wickelt. Dieser Plattwurm ist im freien, nicht eingekapselten Zustande 1,41 bis 1,820 Mm. lang, bis 0,705 und 89(3 Mm. breit, farblos, meist platt, doch zuweilen fast rundlich. Seine ganze Körper form ist sehr veränderlich und in den Breiteverhältnissen wechselnd. Harz glaubt, dass das vollständig entwickelte Distoma cirrigerum im Karpfen, oder in der Schleihe vorkomme, während Zündel der Meinung ist, dasselbe sei eher im Aal zu finden.
Hallier untersuchte Krebse aus Erfurt, welche der „Seuchequot; erlegen waren; er fand zahllose Glockenlhierchen oder Vorticellen, welche fast den ganzen Körper, namentlich an seiner Unterseite ein­nahmen und besonders die Extremitäten bedeckten. Dieselben waren so gross, dass Stiel und Körper mittelst der Lupe erkannt werden konnten; sie waren sämmtlich todt. Hallier hält nicht diese Thier-chen für die Ursache der Krebskrankheit, sondern die in der Mus­kulatur sich vorfindenden äusserst zahlreichen kleinen, bacterienälm-lichen Organismen von verschiedener Gestalt.
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078 Nachtrag: Distoma eohlnatum beim Hunde. Verwerthung U'iohlnäserSchweine.
Etwaige Vorsclirit'teu ssur Verhütung dieser Krebsseuche können erst dann mit einiger Zuverlässigkeit gegeben werden, wenn die Ur­sache der Krankheit genauer erforscht sein wird.
Generali fand im Jahre 1880 an der Voterinärschule zu Modona bei der Hection eines Hundes dessen Zwölffingerdarm stark entzündet und mit zahlreichen graugelblichen Knötchen übersäet. Bei genauerer Untersuchung ergab sich, dass diese Knötchen durch Distoma echi-natum bedingt waren. G encrali theilte dies Krcolani mit, worauf beide Forscher gomeinschaftlich Füttcrungsversuehe mit Ocrcaria echinata beim Hunde anstellten. Fragliche Cerearic findet sich bei Sumpf­vögeln im Ueberflusso. Das Experiment führte zur Entwicklung von Distoma eehiiiatum im Darme des Hundes, welches den von Generali zufällig im Handedarme gefundenen Egeln gleich war.
Zu Seite 99. Durch Circular-Verfügung dos Ministeriums für Medieinal-Angelegonheiten vom 18. Januar 1876 sind sämmtliche preussisehe Regierungen und Lauddrostcien, so wie das Polizei-Prä­sidium in Berlin, angewiesen worden, auf Grund eines von der wissen­schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen am 22. Decbr. 1875 erstatteten Gutachtens, folgende Verwendung trichinöser Schweine zu gestatten :
1.nbsp; nbsp;Das Abhäuten und Entfernen der Borsten, so wie die freie Verwcrthung der Haut und Borsten;
2.nbsp; nbsp;Das einfache Ausseluaelzen des Fettes und die beliebige Ver­wendung dieses;
0.nbsp; nbsp; Die Verwendung geeigneter Theile zur Bereitung von Seife und Leim;
4. Die chemische Verarbeitung des ganzen Körpers.
Ferner sind die betreffenden Behörden durch Circular-Verfügung dor Ministerien der Medicinal-Angelegenheiten und des Inneren vom 21. Juni 1878, auf Grund eines von der nämlichen wissenschaftlichen Deputation am 24. April 1878 erstatteten Gutachtens, angewiesen worden :
1.nbsp; nbsp;Amerikanische Speckseiten, welche bei der Besichtigung sich als ganz muskelfrei ergeben 7 einer mikroskopischen Untersuchung nicht ferner unterwerfen zu lassen;
2.nbsp; nbsp;Auf die Einführung der mikroskopischen Fleischbeschau, wo solche noch nicht, oder in ungenügender Weise besteht, thunlichst Bedacht zu nehmen;
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Naolltrag! Oestl'US-Larven bei verschiedenen Haiistliieren.
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3, Die Nachrevision des als trichinös befundeneu Schweine­fleisches, wo solche noch nicht eingeführt ist, anzuordnen.
Zu S. 111, Am wirksamsten ist es, um die Schafe vor der Schleiulerkrankheit zu schützen, dieselben während der Schwarmzeit der Schafbremsen, namentlich aber die Lämmer, im Stalle zu be-lialten ; wenigstens sollte dies an trocknen und warmen Tagen von 0 Uhr Vormittags an bis 6 Uhr Nachmittags geschehen. Es wird dies allerdings häufig schwer, oder gar nicht ausführbar sein.
Zu S. 112. In der Rachen- und Nasenhöhle der Hirsche kommt vor Oestrus pictus und Oestrus anribarbis, bei Kennthieren am gleichen Orte Oestrus trompe vor.
Zu S. 114. Die Eier der Viehbremse, oder die bereits ausge­krochenen Larven derselben werden durch Belecken der betreffenden Hautstollon in die Maulhöhle und von da weiter in den Verdauungs-canal des Pferdes (selten des Rindes) befördert. Das Weibchen der Nasenbremse legt seine Eier um die Nasenlöcher des Pferdes und in dieselben. Die Larven entwickeln sich vorzugsweise im vorderen Ab­schnitte des Dünndarmes, aber auch im Magen, im Schlünde und so­gar in der Nasenhöhle. Bruckmüller fand dieselben bei einem dreh­kranken Fohlen im Gehirn. Ausser bei Thieren des Pf'erdegeschlechtes kommt diese Larve auch bei Ziegen vor.
Zu S. 110. Am reichlichsten sind in der Regel diejenigen In­dividuen einer Rinderherde mit Dasselbeulen besetzt, welche eine feine, weiche Haut haben, wie dies meist bei guten Milcherinnen der Fall ist. Nicht selten werden die Larven der Hautdasselfliege des Rindes durch Staare oder andere Vögel herausgezogen.
Zu S. 181. In der Zeitschrift für Thiermedicin Bd. VII, Heft 4, S. 281 bis 289 hat Friedberger „Einige Bemerkungen zur Räude der Hühnerquot; veröffentlicht, aus welchen ich Folgendes extrahire:
Die Vögel beherbergen im Allgemeinen (und speziell auch unser Hausgeflügel) eine beträchtlich grosse Anzahl Schmarotzer, nament­lich Entoparasiten, Unter diesen spielen besonders zahlreiche Gat­tungen und Arten (oft seltsamst geformter) Milben eine bedeutende Rolle. Diese Schmarotzer belästigen ihre Träger mehr oder weniger und können sogar namhafte Erkrankungen derselben verursachen.
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t)80 Nachtrng; die Dernianosen der Vögel nach Megnin und Friedbei'ger.
Megnin unterscJieidet in seinem neuesten Werke über die Para­siten und parasitären Krankheiten des Menschen und der Thiere, Paris 1880, folgende 4 Hauptformen von Dermanosen bei Vögeln:
I. Eine wahre Räude, veranlasst durch Sarcoptes mutans, wel­cher mit Knemidocoptes viviparus identisch zu sein scheint und zuerst von Reynal und Lanquetin (1859) genauer beschrieben worden ist. Diese Milbe wurde von beiden Autoren als ovovivipar (d. h, als theils lebendige Junge gebärend, theils als reife Jungen enthaltende Eier legend) geschildert. Robin und Fürstenberg beschrieben dieselbe später als vivipar. Siedamgrotzky und Friedberger bestätigen die Angaben der beiden Ersteren. Sie sahen in den Krusten der Fuss-räiule bei Hühnern mit Eihüllen versehene Larven.
Diese Milben kriechen ausnahmsweise auch auf den Kopf über. Siedamgrotzky behandelte einen Papagei, welcher nicht nur an den Füssen, sondern auch um die Augen herum, an der Stirn bis zum Scheitel, an der Kehlgegend und in der Umgebung des Afters mit einer durch Knemidocoptes verursachten Räude behaftet war.
Es können aber auch andere Milbenarten beim Geflügel Krätze erzeugen. Fürstenberg fand bei Räude einer Ente eine dem Dermato-phagus und Dermatocoptes ähnliche Milbe und Caparini berichtet (im Bulletino veterinario 1880, Heft 3) über eine Symbiotes-Räude der Hühner, welche von einigen umschriebenen Stellen (Hals und Brust) ausgehend, sich binnen wenigen Tagen fast über den ganzen Körper ausbreitete.
Dieselbe Hautkrankheit hat Friedberger im Mai 1881 bei einem jungen deutschen Landhuhn gesehen. Dasselbe beherbergte eine un­geheure Menge Läuse und Federlinge; ausserdem war es an den Füssen, am Halse und Kopfe mit einem Hautausschlage behaftet. In den Borken der Füsse fand sich Knemidocoptes viviparus, in den Borken am Kopfe und Halse die von Caparini beschriebene Milbe.
Friedberger bemerkt, dass weder die natürliche Ansteckung häufig sei, noch die künstliche Uebertragung leicht gelinge. Wäh­rend Friedberger in verschiedenen Hühnerhöfen regelmässig nur ein­zelne Individuen und diese zuweilen hochgradig räudekrank, alles übrige Geflügel vollkommen hautrein fand, wurden mir vor Kurzem 2 Füsse eines Huhnes (von einem hier in Halle studierenden Oester-reicher) mit folgendem Berichte zur Untersuchung übergeben:
Ein aus etwa 300 Stück asiatischen und französischen Hühnern bestehender Geflügelbestand werde seit etwa 2 Jahren durch Kalk­beine in bedeutendem Umfange deeimirt. Die meisten Thiere seien
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Nachtrag; die Dermanosen der Vogel nach Mcgnin.
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mit diesem Leiden behaftet und bei mehreren seien einzelne Zehen abgefallen. 15 Houdans-Hühner, welche im vorigen Jahre aus Frank­reich bezogen wurden, seien jetzt sämmtlich krank. — Die Unter­suchung der den beiden Hühnerfüssen aufsitzenden Schorfe ergab, dass Sarcoptes mutans in verschiedenen Stadien der Entwicklung und in den diesen entsprechenden verschiedenen Formen zahlreich vor-lianden waren. Die mikroskopischen Präparate machen bei flüchtiger Beobachtung den Eindruck, als ob in den Krusten verschiedene Milben­arten vorhanden seien, —
Mdgnin hat ferner unterschieden:
2.nbsp; nbsp; Zwei juckende Hautausschläge, welche durch Dermanyssus, oder durch einen in den Federn lebenden Sarcoptiden hervorgerufen werden. Letzterer verursacht ein starkes Jucken, so dass die mit demselben behafteten Thiere sich zuweilen die Federn ausreissen. Dermanyssus avium gehört zu den Käfermilben, hat eine gelbe Farbe und scheerenförmige Kieferfühler. Derselbe geht leicht auf den Men­schen über und erzeugt bei diesem Hautröthe mit starkem Juckgefiihl.
3.nbsp; nbsp; Eine Affection, welche durch zeitweisen oder steten Aufent­halt von Acarinen im Zellgewebe gewisser Vögel verursacht wird.
4.nbsp; nbsp; nbsp;Eine Ansiedlung von Acarinen (Cytoleichus sarcoptoides, Miignin) in den Luftzellen, in den Bronchien und pneumatischen Knochen. Diese Milbe wird nur dann schädlich, wenn sie durch massenhaftes Vorkommen zur Verstopfung von Bronchien führt, wodurch der Tod durch Erstickung eintreten kann.
5.nbsp; nbsp; Hautgeschwülste, welche durch Sarcoptes nidulans (Nitzsch), resp. durch Harpirhynchus nidulans (Mögnin) verursacht wird. Zürn hat diesen Parasiten beim Kreuzschnabel angetroffen.
(3. Stichverletzungen durch einen Argas (Acarus reflexus), wel­cher vorzugsweise in Italien vorzukommen scheint.
Zu S. 1(34. Auf dem internationalen ärztlichen Congresse (Au­gust 1881) in London hat Pasteur über seine Culturen von Hühner­choleragift im Wesentlichen Folgendes mitgetheilt:
Klare Hühnerbouillon, welche kurz vor ihrer Verwendung als Culturflüssigkeit bis zu ca. 115n C. erhitzt worden ist (um dadurch die etwa in derselben eingeschlossenen organischen Keime zu zer­stören), wird in ein kleines, für den Zweck der künstlichen Zucht ent­sprechend eingerichtetes Gefäss gebracht und mit einem Glasstäbchen berührt, das unmittelbar vorher mit Blut eines frisch geschlachteten hühnercholerakranken Thieres benetzt worden ist. Diese Infection der
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()82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nachtrag; l'iuslour's Ciilturen clcs lliihuercholmigirics.
Cultiu'fliiäsigkeit muss ia oiuer Weise bewirkt werden, durch welche weder die äusäore Luft, noch der Glasstab irgend weiche andere or­ganische Keime zuführt. Setzt man nun das Culturgefiiss einer Tem­peratur von 20 bis 30quot; C, aus, so wird die Flüssigkeit bald trüb und mit Mikrokokkon erfüllt. Diese sind meist so klein, dass sie sogar bei starker Vergrösserung als winzige Pünktchen erscheinen, die bei genauer Betrachtung die Figur einer 8 zeigen. Bei derart fortge­setzter fraetionirter Cultur wiederholen sieh stets innerhalb weniger Stunden die niimliehen Vorgänge in jeder neuerdings inficirton Cultur-flüssigkoit. Bleibt diese 2 oder 8 Tage hindurch einer Temperatur von 309 C. ausgesetzt, so verliert sich die mit der Mikrokokkenvor-mehruug eintretende dickflüssige Beschaffenheit und Trübung der Culturflüssigkeit, wobei die Mikrokokken am Boden des Gefässes sich ansammeln. Weder dieser Bodensatz, noch die darüber stehende klare Flüssigkeit erleidet einige Zeit lang irgend eine sichtbare Veränderung, wenn dafür gesorgt wird, dass von aussen keine fremden Mikroor­ganismen eindringen. Es lässt sich dies in einfachster Weise durch einen kleinen Baumwollenstöpsol verhindern, welcher die von aussen eindringende Luft von allen anhaftenden organischen Keimen reinigt. Schüttelt man diese Culturflüssigkeiton um, und impft dieselben dem­nach in geringer Menge auf Kaninchen oder Hühner, so ergibt sich, dass dieselben, mögen sie einer beliebigen Serie entnommen werden, ebenso giftig wirken, als das infeotitfse Blut selbst. Anders verhält sieh dies, wenn man das Cultur verfahren in folgender Weise abändert:
Lässt man zwischen den einzelnen aufeinander folgenden Cul-turen einen Zeitraum von 2, 4, 8 Wochen, oder gar bis zu 10 Mo­naten verstreichen, so nimmt man einen bedeutenden Unterschied in der Virulenz der einzelnen Serien wahr. Auf diese Weise lassen sich Culturen von vorschiedengradiger Giftigkeit herstellen und jede dieser kann zum Ausgangspunkte neuer Culturen gewählt werden. Liegt zwischen den Einzelculturen kein erheblicher Zeitraum, so zeigt auch die Virulenz derselben sich ziemlich gleich, wie diejenige der Cultur­flüssigkeit, von welchen sie abstammen. War die Virulenz der Stamm-CalturfltUsigkeit bereits bis auf Null reducirt worden, so erzeugen auch die von ihr ausgehenden folgenden Culturen die nämliche Eigenschaft.
Wie kommt nun aber diese Minderung der Virulenz, resp. die Mitigirung des Ansteckungsstoffes der liUhnercholera, zu Stande? Pasteur äussert sich hierüber folgendermasson :
„Die mit mitigirtomllühnercholeragifte geimpften Hühner werden von einem örtlichen Leiden befallen, von einer mehr oder weniger
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Nachtrag; Pasteur's Calturen des Httbneroboleragirtes,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;083
heftigen Entzündung lt;an der Impi'stcllo. Wird die Lymphe in einen peripheren Muskel eingespritzt, so vermehren sieh in diesem die Mi-krokokken; dieselben gehen aber bald wieder zu Grunde, ohne ein auftalleudos Allgomeinleiden verursacht zu haben. Die locale Affection verliert sich ebenfalls und der Muskel kehrt zur Norm zurück. War die Lymphe bis auf Null (in Bezug auf Virulenz) mitigirt, so tritt auch local keine Reaction ein und dennoch erlangen die Impflinge eine relative, oder gar absolute Immunität gegen spätere nachtheiiige Wirkungen des Hi'ihnercholoragiftes.
Die Milderung des Giftes wird nun aber verursacht durch die Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffes auf die Culturflüssigkeit während der zwischen die einzelnen Culturen eingeschalteten Zeit­räume. Pasteur hat dies dadurch nachgewiesen, dass er Culturen in einer Glasröhre ansetzte, welche nur wenig gereinigte Luft enthielt und zngcschmolzen wurde. In diesem Falle verzehren die in der Röhre sich entwickelnden Mikrokokken alsbald den sie umgebenden Sauerstoff und bleiben demnach vom Einflüsse dieses chemischen Kör­pers später vollkommen frei. Unter diesen Umständen bleibt die be­treffende Culturflüssigkeit lange Zeit hindurch in gleichem Grade giftig, wie die Mutterfliissigkeit. Werden aber solche Culturen dem Zutritt der atmosphärischen (filtrirten) Luft ausgesetzt, so nimmt die Viru­lenz derselben um so mehr ab, je länger sie dem Einfliisse der Luft ausgesetzt bleiben. Der Sauerstoff der Luft scheint demnach we­sentlich mildernd auf die Virulenz'des Mikrococcus der sogen. Hühner-cholera einzuwirken, indem er die Fähigkeit desselben verändert, sich mehr cider weniger leicht im Körper des Huhnes (und Kaninchens etc.) zu entwickeln. Und fast scheint es, als wenn wir hier ein für alle thierischen Krankheitsgifte allgemein gültiges Gesetz vor uns hätten.
Obgleich diese Mittheilungen Pasteur's für die weitere wissen­schaftliche Forschung von der grössten Wichtigkeit sind, so wird die Schutzimpfung gegen Hühnercholera in der Praxis doch kaum zur allgemeineren Ausführung gelangen. Für die Verhütung dieser Seuche dürfte doshalb eine grössere Reinlichkeit in den Hühnerställen vor­zugsweise empfohlen zu werden verdienen. Toussaint hat nämlich die Ansicht ausgesprochen, dass die Hühnercholera eine septieämische Krankheit sei. Er gründet diese Ansieht auf die Resultate von Hühner-impfungen mit dein Blute eines an Septicämie eingegangenen Hasen; die Impflinge genasen und zeigten sich in der Folge immun gegen das Hühnercholeragift. Mit Culturen aus dem Blute des septieämischen Hasen wurde diisselbe Resultat gewonnen. — Es liegt demnach die
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()84 Nachtrag; Vorbeuge gegen Hühnercholcra. llilzbrand-lmpriingcii.
Vermuthung nahe, dass möglicherweise in unrein gehaltenen Stallungen das Hühnereholeragift spontan entstehen, oder der Aushruch fraglicher Krankheit sonstwie begünstigt werden kann, Reinhaltung, Lüftung und periodische Desinfection der Hühnerställe werden somit als Vor-bauungsmittel eine besondere Beachtung verdienen.
Nach Molinie wirkt die Carbolsäure auf die Mikroorganismen der Hühnercholera giftig; zwar soll sie als Heilmittel bei erkrankten Thieren weniger zuverlässig sein, als wenn sie vorbauend verabreicht wird. Culturflüssigkeiten mit Hühnercholerapilzen sollen durch Zusatz einiger Tropfen Carbolsäure unwirksam werden und ebenso wenig sollen Hühner erkranken, welche der Einwirkung des Contagiums ausgesetzt sind, wenn sie vorher Futter oder Getränk aufgenommen haben, dem etwas Carbolsäure beigemengt war. — Auch Ory fand die Carbolsäure gegen Hühnercholeragift wirksam. Truthühner, denen er während einer Hühnercholera-Enzootio 0,70 — 0,80 Gramm einer Iprozentigen wässerigen Carbolsäurelösung in die Jugularis und gleich­zeitig in die Leistengegend eingespritzt hatte, zeigten sich gegen die Wirksamkeit des Giftes qu. geschützt. Obschon er die Desinfection des Stalles unterliess, kamen, nachdem die kranken Thiere genesen waren, keine weiteren Erkrankungen mehr vor. (Bayer, Oesterr. Vierteljahrsschrift Wien 1881, Band 56, Heft 1, S. 44 bis 59). Letz­tere Mittheilungen sind nach den neuesten Versuchsresultaten Koch's (s. S. 018) mit grosser Vorsicht aufzunehmen.
Zu S. 208. Das Königl. ungarische Ministerium für Ackerbau, Gewerbe und Handel richtete im Spätsommer 1881 an Pasteur das Gesuch, sein Impfverfahren gegen Milzbrand auch in Ungarn zu de-monstriren. Da Pasteur selbst verhindert war, dieser Einladung zu folgen, so sandte er seinen Assistenten Thuillier nach Budapest, wo­selbst das ungarische Ministerium eine Commission zur Controle frag­licher Impfungen bestellt hatte. Diese Commission bestand aus den Universitätsprofessoren Fodor, Konlnyi und Plosz, aus den Thier-arzneischul-Professoren (Director) Tormay, Azary, Czakö, Liebermann und Thanhoffer, so wie aus dem Universitäts-Privatdocenten Dr. Ala-där v. Rözsahegyi. Letzterer hat in No. 2 der deutschen medicini-schen Wochenschrift, Berlin, den 7. Januar 1882, eine Mittheilung über fragliche Versuche veröffentlicht, aus welcher ich nachstehenden Auszug entnehme.
Die Pasteur'schen Milzbrand-Impfflüssigkeiten werden nach Thuil-lier's mündlichen Angaben folgendermassen bereitet:
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1]
Nachtrag; Milzbrandiiiipfmigen in Ungarn.
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Milzbrandbacillen entwickeln und vermehren sich am besten in Fleischbrühe bei einer Temperatur von 25 bis 40deg; C ; bei höheren oder geringeren Wärmegraden nimmt die Zunahme dieser Organismen ab und hört bei 15deg; C, so wie auch bei 45deg; C. gänzlich auf. Ge­stützt auf die Wahrnehmung, dass Vögel (besonders llanbvögel) gegen JVlilzbrandgift wenig empfindlich oder ganz immun sind, versuchte Pasteur Milzbrandbacillen enthaltendes Blut bei 42—43deg; C. in Fleisch­brühe zu züchten. Er fand, dass bei dieser Temperatur die Bacillen zu langen Fäden auswachsen, aber keine Dauersporen bilden *). Je länger er die Pilze unter diesen Verhältnissen bei Zutritt filtrirter Luft fort züchtete, um so mehr nahm ihre Virulenz ab, so dass nach 24 Tagen die Mitigirung so weit gediehen war, dass mit diesen Cul-turen nunmehr Schafe ohne Gefahr geimpft werden konnten. Bei Impfversuchen, welche mit 12 Tage alten derartigen Culturflüssig-keiten vorgenommen wurden, starb die Hälfte der Versuchs-Schafe an Impfmilzbrand. In den bei 42 bis 43 0 C. gehaltenen Culturen blieben die Bacillen 4 bis (5 Wochen lang am Leben und weiter verimpf bar; nach Ablauf dieser Zeit waren sie abgestorben.
Schafe, welche mit 24 Tage alter, lebendige Milzbrandkeime enthaltender Culturflüssigkeit geimpft worden waren, starben ebenfalls an Impfmilzbrand, wenn sie demnach mit vollkommen virulentem Milz­brandgifte geimpft wurden, während sie Impfungen mit 12 Tage alter Culturflüssigkeit ohne besonderen Nachtheil ertrugen; sie erkrankten in Folge dessen nur leicht und erwiesen sich nach Ablauf der leicht fieberhaften Impfkrankheit nunmehr gegen vollkommen virulentes Milz­brandgift immun.
Nachdem so die Möglichkeit sich ergeben hatte, Schafe durch Impfung gegen Milzbrandgift immun machen zu können, handelte es sich ferner darum, eine Impfflüssigkeit herzustellen, welche ihre Wirk­samkeit länger als Ö Wochen bewahrte. Nach Pasteur ist dies in folgender Weise erzielbar:
Entnimmt man einer unter den vorhin angegebenen Verhältnissen gezüchteten Culturflüssigkeit während der ersten 6 Wochen zu irgend einer Zeit einen Tropfen und überträgt diesen in sterilisirte Fleisch­brühe, welche in einem geeigneten Culturapparate constant auf 35 0 C. erhalten wird, so vermehren sich die Milzbrandbacillen lebhaft; die so zunächst entstehenden neuen Generationen dieses Krankheitskeimes
quot;) Es wird diese Angabe von Koch bestritten.
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(18(3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Naohtrog; Milzbrancl-Iinpfttiigen in Ungai'n.
besilzon siimmtlicli denjenigen Grad von Virulenz, welchen die in dem Tropfen Culturflüssigkeit enthaltenen Milzbrandorganisrnen in dem Momente ihrer Ucbertragung in die zweite Culturflüssigkeit besassen. Derartige, bei 35deg; 0. gezüchtete secundäro Culturen beginnen mit 48 Stunden Dauersporen zu bilden und gehen im Verlaufe von einigen Tagen ganz in diesen Zustand über. Die so entstandenen Milzbrand-Sporen besitzen nun ebenfalls denselben Grad von Virulenz, welchen die Milzbrandkeime des zur zweiten Cultur verwendeten Tropfens der ersten Culturflüssigkeit im Momente ihrer Ucbertragung besassen. Auf diese Weise lassen sich sporenhaltige Milzbrandculturea von be­liebiger Virulenz herstellen, welche in zugesehmolzenen Köhrchen auf­gehoben, Jahre lang ihre Wirksamkeit bewahren. Eine derartige Culturflüssigkeit (resp. Milzbrandlymphe) kann bequem versandt und llberamp;U als Impfmaterial, so wie auch als Mutterflüssigkeit zu neuen Culturen in vorher sterilisirter Fleischbrühe verwendet werden.
Pasteur nennt die 24 Tage alte Culturflüssigkeit, so wie deren seeundäre Zuchten den ersten Impfstoff (premier vaccin), weil er sich derselben für seine erste Schutzimpfung bedient; die 12 Tage alte Culturflüssigkeit und deren seeundäre Zuchten nennt er den zweiton Impfstoff (second vaccin), weil er sich dieser nach Ablauf von 12 Ta­gen nach der ersten Schutzimpfung, zur z-weiten [rnpfung bedient. Zwölf Tage nach dieser letzteren soll dann in der Regel eine absolute Immunität gegen Milzbrandgift bei den Impflingen vorhanden sein. Dieser Angelegenheit hat man in neuerer Zeit in den verschiedensten, namentlich in modicinischen und landwirthschaftlichen Kreisen viel Aufmerksamkeit zugewendet. In Ungarn sind vor Kurzem interes­sante Controlversuche angestellt worden, welche im Wesentlichen Fol­gendes ergeben haben :
1. An der Thicrarzneischule in Budapest wurden von Thuillier 10 Stück Rindvieh (6 erwachsene und 4 Kälber), so wie (50 Schafe (30 Merinos und 15(1 nialachischer Race) zu fragl. Versuchen verwendet. Die aus dem Laboratorium Pasteur's aus Paris in Röhrchen mitge­brachte Lymphe bestand aus sporeuhaltiger Culturflüssigkeit. Vier Schafe wurden mit dieser direct geimpft, während 2(5 Schafe und #9632;quot;) Stück Rindvieh mit frisch bereiteter Culturflüssigkeit geimpft wurden, welche Thuillier in sterilisirter, ebenfalls aus Paris (in einem fest ver­schlossenen Ballon) mitgebrachter Fleischbrühe in Budapest selbst ge­züchtet hatte. Die Hälfte der Versuchsthiere blieb ungeimpft.
Die erste Schutzimpfung mit premier vaccin wurde am 2:5. Sep­tember 1881 vorgenommen; 15 Merinos und 15 walaobisohenSchafen
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Nachtrug: Milzbraiul-Im|il'iiiigcii In [Jngarn.
Ö87
wurde .an der seliwach boliaarten inneren Schenkelfläehe je '/u Cctm. O'ei 4 Stück wurde sporenhaltige Lymphe verwendet), ferner 1 Oclisen, 1 Kuli, 1 Färse und 2 Kälbern je '/a Cctm. Culturlympho mittelst, der Prävaz'sohen Spritze unter die Haut der Schultergogciid injicirt. Am 8. Tage (1. October) starb plötzlich l Schaf, das mit Bronchialeatarrh, Lungenentzündung, Darmcatarrh und Taenia expansa behaftet war. Milzbraiidersoheinungen wurden bei diesem Thiere nicht gefunden. Alle übrigen Impflinge zeigten keine wahrnehmbaren Krankheits-ei'scheiuungcn.
Nach 12 Tagen (am ö. October) wurden dieselben Impflinge (d. h. 29 Schafe und •quot;gt; Stück Rindvieh) mit second vaccin auf der entgegengesetzten Körperseite am angegebenen Orte geimpft und zwar die nämlichen i Schafe wieder mit sporenhaltiger, von Paris mitgebrachter Culturflüssigkeit, die übrigen Impflinge mit in Buda­pest gezüchteten bacillenhaltigen Culturen. Am 8. October starb eins dieser Versuchsschafe; die Section desselben ergab: Schwellung und Erweichung der Milz, so wie Bacterien im Blute, welche denen in der Impfflüssigkeit vorhandenen ähnlich waren. Alle übrigen Impf­linge zeigten auch diesmal keine wahrnehmbaren Krankheitser-scheinungen.
Am 17. October wurde schliesslich die Controlimpfung vorge­nommen. Die hierzu verwendete Impfflüssigkeit bereitete Thuillier in Budapest aus nahezu 5 Jahre alten, von Pasteur in seinem Labo­ratorium zu Paris aufbewahrten Anthraxsporen. Mit der in der an­gegebenen Weise aus diesem Material in sterilisirter Fleischbrühe gewonnenen Culturen wurden 25 vorgeimpften und 25 nicht geimpften Scliafen je l/e Cctm., ferner 5 vorgeimpften und 5 nicht vorgeimpften Stück Bindvieh jedem '/* Cctm. (je 3 erwachsenen Kindern und 2 Käl­bern) an der angegebenen Stelle unter die Haut gespritzt.
Am 2;5. October ((I Tage nach der Controlimpfung) starb ein vorgeimpftes Schaf, am 5. November (am 19. Tage nach der Control­impfung) ein zweites. Bei keinem dieser beiden Versuchsthiero fanden sich bei der Section Erscheinungen von Milzbrand ; bei ersterera war hochgradige Anämie und Distoma hepaticum, beim zweiten Lungen-wurtnseuche vorhanden. Alle übrigen vorgeimpften Schafe blieben nach der Controlimpfung gesund.
Bei den nicht vorgeimpften Versuchsschafen traten bereits nach 8(5 Stunden die ersten Todesfälle ein; bis zum 8, Tage nach der Controlimpfung waren 28 dieser Thiere todt. Bei 22 derselben ent­sprach der Leichenbefund im grossen Ganzen dem Milzbrande; beim
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088nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nachtrag; Milzbrnnd-Iinpi'ungen in Ungarn,
23. enthielt das hydrämischo Blut keine Baeterien, dagegen eine hoch­gradige Veränderung der Leber durch Distoma.
Unter dem Rindvieh wurde nur bei den ungeimpften Versuchs­kälbern eine Temperaturäteigerung bis 41,7deg; C, Appetitlosigkeit, trockenes Flotzmaul und rege Darmfunction wahrgenommen. Am 4. Tage waren auch diese Thiere wieder gesund.
Die geimpften Versuchskälber, so wie die geimpften und nicht geimpften älteren Versuchsrinder blieben nacb der Controlimfung sämmtlich gesund.
Bei kritischer Beurtheilung vorstehender Versuchsresultate dürfen folgende 2 Momente nicht vergessen werden:
a)nbsp; dass die Versuchsschafe (zum Theil -wenigstens) in einem mangelhaften Gesundheitszustände sich befunden haben;
b)nbsp; dass Rindvieh für den Impfmilzbrand im Allgemeinen eine weit geringere Empfänglichkeit besitzt, als das Schaf. —
Werden diese beiden Thatsachen in gebührender Weise berück­sichtigt, so erscheint das Pasteur'sche Milzbrand-Schutzimpfvcrfahren nach den in Budapest erzielten Versuchsresultaten nahezu in dem­selben brillanten Lichte, wie nach den Ergebnissen in Pouilly-le-Fort, Alfort und Lambert. Weniger günstig sind die Resultate, welche im Comitate Sopron bei Kapuvär (auf der Puszta Ontös) durch Thailiier erzielt worden sind. Dr. Rözsahegyi theilt hierüber etwa Folgendes mit:
2. In Kapuvär wurden von 100 Schafen 50 Stück am 28. Sept. zum ersten Male (mit premier vaccin) geimpft, worauf weder eine locale noch allgemeine Reaction sich zeigte. Am 10. October fand die 2. Impfung dieser Versuchsthiere (mit second vaccin) statt. Hierauf starben bis zum 26 October 6 dieser Impflinge an Milzbrand und am 18. October einer derselben an Pericarditis.
Es sei hier bemerkt, dass in der Gegend von Kapuvitr Pericarditis und Peritonitis unter den Schafen grassirt und dass unter den 100 Ver-suchsthieren mehrere cachectische sich befanden.
Am 22. October wurden die noch übrigen 44 vorgeimpften und die 50 nicht geimpfton Versuchsschafe mit sehr virulentem Milzbrand-raaterial geimpft. Von den 44 vorgeimpften Versuchsschafen erkrankten 3 an Milzbrand, von welchen eins am 4. Tage nach der Control-impfung (25. October) verendete.
Von den nicht vorgeimpften 50 Versuchsschafan starben bis zum 26. October 48 Stück; 2 blieben am Leben. Bei der Obduction dieser 48 Schafe fanden sich (mit Ausnahme einiger cachectischer Individuen) ausgesprochene Milzbrandsymptome.
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Nachtrag; Milzbrand-Implungeii in Ungarn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(Jgp
Ferner wurden in Kapuviir von 489 Schafen am 28. September 267 Stück (rait premier vaccin) geimpft; von diesen starb eins kurz nach der Injection an Milzbrand. Es wurde (wohl mit Recht) ange­nommen, dass fragliches Thier bereits vor der Impfung auf natür­lichem Wege inficirt, d. h. an Milzbrand latent krank gewesen sei. Am 4. und 5. Tage starbAi noch je ein Impfling an Milzbrand. Es blieb unentschieden, ob bei diesen beiden Thieren bereits vor der Impfung eine Infection auf natürlichem Woge stattgefunden hatte. Man mussto hieran um so eher denken, als auch von den 222 nicht geimpften Versuchsschafen in derselben Zeit 1 an Milzbrand ver­endet war.
Am 10. October wurde die 2. Impfung (mit second vaccin) bei den noch übrigen 2()4 Impflingen vorgenommen. Hierauf fielen bis zum l(i. Oct. 10 Stück dieser Versuchsschafe an Milzbrand. Bei 12 der überlebenden 254 Stück traten an der Injectionsstelle entzünd­liche Infiltrationen auf, welche sich über den ganzen Schenkel ver­breiteten und zur Bildung von faustgrossen Abscessen und Fisteln führten, in Folge deren die betreffenden Thiere auf den afficirten Gliedmassen anhaltend lahmten.
Die so vorgeimpften 254 und die nicht vorgeimpften 221 Stück der früher 489, damals noch 475 Schafe zählenden Herde werden seit­dem auf ihrer gewohnten Weide gehalten, um so im Laufe der Zeit festzustellen, ob und in welchem Maasse die geimpften Thiere der natürlichen Milzbrandinfection widerstehen.
Endlich wurden in Kapuvftr auch mit Rindvieh Milzbrand-Irapfversuche angestellt. Von 10 Stück ungarischer Race und von 10 Stück gemischter Abkunft wurden je 7 vorgeimpft, je 3 nicht. Sämmtliche Thiere sollen gesund gewesen sein. Die Versuchsanord­nung entsprach der in Budapest befolgten; Impftage und Impfstoff stimmen mit den beiden anderen Versuchen in Kapuvar überein.
Nach der ersten Schutzimpfung konnte au den 14 Thieren nichts Abnormes wahrgenommen werden; nach der zweiten war 1 Stück von gemischter Abkunft am ersten Tage traurig und ohne Appetit. Auch die Controlimpfung hatte bei diesen Thieren keine weiteren Folgen, als dass 1 Stück von gemischter Abkunft traurig war und keine Nahrung aufnahm.
Von den ü nicht vorgeimpften Versuchsrindern, welche sich bis zur Controlimpfung ganz wohl befunden hatten, sind nach dieser 4 Stück schwer erkrankt und zwar unter folgenden Symptomen: hohes Fieber, ausgebreitete entzündliche Infiltration dor Impfstelle, profuse
P ütz, Loln-buoh dor anstockonden Thlerkrankhelton.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 44
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()lt;)()nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nachtrag; Dauer der Mihbrand-lmprimmunitat.
Schweisse, Injection der Vaginal-Schleimhaut und blutig-schleimiger Ausfluss aus der Scheide, Appetitlosigkeit, träge Darmentleerungen und Muskelzittern. Eins dieser Rinder (eine ISjährige Kuh von ge­mischter Abkunft) ist am 7. Tage nach der Controlimpfung an Impf­milzbrand gestorben.
Um die Dauer der durch Impfung'begründeten Milzbrand-Im­munität näher zu prüfen, wurden am 20. Januar 1882 in Melun von Pasteur und seinen Assistenten Chamberland, Roux und Thuillier in Gegenwart zahlreicher Mitglieder verschiedener Ackerbaugesellschaften, ministerieller und anderer Deputirten, Thierärzte und Aerzte, weitere Versuche vorgenommen. Als Versuohsobjecte dienten 23 Schafe, welche die Ackerbaugesellsehaft von Melun an Pasteur zu fraglichem Zwecke übergeben hatte. Dieselben wurden in 4 Abtheilungen ge­bracht, deren jede durch Halsbänder eigener Farbe gekennzeichnet war. Die 1. Abtheilung bestand aus 7 Schafen, von welchen 6 Stück bei den denkwürdigen Versuchen zu Pouilly-le-Fort am 3., 17. und 31. Mai 1881 geimpft worden waren. Das 7. Stück war ein (i Mo­nate altes Lamm, das von einer zu Pouilly-le-Fort während ihrer Trächtigkeit geimpften Mutter abstammte. — Die 2. Abtheilung be­stand aus 6 Stück am 7. und 21. Juli 1881 beim Maire von Crisenoy geimpften Schafen. Unter diesen befanden sich 2 Stück, welche erst 7 Tage alt waren, als sie zum ersten Male geimpft wurden. — Die 3. Abtheilung stammte vom Maire von Moisenay; dieselbe be­stand aus 6 Schafen, welche beim Eigenthümer ebenfalls am 7. und 24. Juli 1881 geimpft worden waren.
Am 20. Januar 1882 wurden diese 23 Versuchsthiere an der Innenfläche des rechten Schenkels mit einer sehr giftigen Milzbrand­lymphe geimpft und zu Wagen nach dem Paateur'schen Gehege (Villa) in Pouilly-le-Fort gebracht.
Am 27. Januar waren 2 nicht vorgeimpfte Schafe (mit schwar­zen Halsbändern) krank; ihr Zustand hatte sich am folgenden Tage sehr verschlimmert und auch die beiden anderen nicht vorgeimpften Schafe (mit schwarzen Halsbändern) nahmen kein Futter mehr auf. Das nicht vorgeimpfte ti Monate alte Lamm (mit rothem Halsbande) war an diesem Tage (den 28. Jan. 1882) sehr krank.
Alle früher vorgeimpften Versuchsthiere befanden sich hingegen vollkommen gesund; an ihrem ganzen Verhalten war keine Spur dieser sonst für Schafe so sehr gefährlichen Impfung mit ungeschwächtem Milzbrandgifte zu erkennen.
Ära Morgen des 29. Januar fand man die seit 2 Tagen er-
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Nachtrag; Dauer der Milzbiand-lniijliminimitat. Sohlussfolgerungen. (jOl
krankten Schafe beide todt und gegen 9 Uhr desselben Vormittags starb das nicht vorgeimpfte (1 Monate alte Lamm. Die Section dieser Thiere wurde am selbigen Tage um 3 Uhr Nachmittags vom Thier-arzte Rossignol und in Gegenwart von 4 anderen Thierärzten vor­genommen.
Am ;?0. Januar wurde das 15. nicht vorgeimpfte Suhaf aus der mit schwarzen Halsbändern gezeichneten Abtheilung todt gefunden und am frühen Morgen des 31. Januar starb auch das 4. nicht vor­geimpfte Schaf dieser Abtheilung. — Alle (18) früher vorgeimpften Schafe befanden sich auch damals noch vollkommen gesund und sind, so viel bekannt, auch fernerhin gesund geblieben.
Die 5 Opfer dieser neuen Oontrolversuche sind neben den früher zu Pouilly-le-Fort gefallenen Versuchsschafen an geeigneter Stelle in der Pasteur'schen Villa begraben worden. Im Laufe des Monats Juni 1882 soll nun an diesem Orte nachgewiesen werden, dass das Milzbrandgift im Boden sich erhält und vermehrt. Ueber die Art und Weise dieser Vermehrung sind die Ansichten der Fachgelehrten noch verschieden. Darüber jedoch besteht kein Zweifel, dass die Milzbrandorganismen auch ausserhalb des Thierkörpers sich erhalten und' vermehren können.
Das Gesammtergebniss der seitherigen Pasteur'schen Milzbrand-Impfungen, so weit dieselben unter öffentlicher Controle ausgeführt und bekannt geworden sind, lässt sich in folgende Sätze zusammen fassen:
1)nbsp; Die unter Pasteur's eigener Leitung vorgenommenen Milz­brand-Schutzimpfungen an verschiedenen Orten Frankreichs sind bei Schafen und Bindvieh ohne Verlust abgelaufen.
2)nbsp; Diese Schutzimpfungen haben sich in Frankreich bei Schafen ausnahmslos als zuverlässig erwiesen, insofern sie bei den Impfungen eine Immunität gegen Milzbrand begründet haben. Beim Ilindvieh sind die Erfahrungen noch zu wenig zahlreich, um bestimmte Schlüsse auf dieselben gründen zu können. Es ist jedoch wahrscheinlich, dasa auch Rindvieh und andere Hausthiere durch die Pasteur'schen Schutz­impfungen gegen Milzbrand immun gemacht werden können.
8) Die Dauer dieser Impf-Immunität scheint sich über eine längere Zeit als 7 Monate, vielleicht auf Jahr und Tag zu erstrecken.
4) Die durch Pasteur's Assistenten Thuillier in Ungarn ausge­führten Milzbrand-Impfungen haben weniger günstige Resultate er­geben, als die in Frankreich ausgeführten Pasteur'schen Milzbrand-Impfungen. Die Schutzkraft dieser hat sich gleichwohl auch in Un-
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(j92 Naohtragfi Pasteur's Mltthellungen über Milzbrand-Impfungen.
garn deutlich offenbart, obgleicli dort fragliche Impfungen unter Vor-hältnisson ausgeführt worden sind, welche derartigen Versuchen im Allgemeinen wenig günstig zu sein scheinen. Es sind in Ungarn Vcrsuchsthierc zur Verwendung gekommen, welche in Folge verschie­dener Invasionskrankheiten thoiis blutarm und cachectisch waren. Uehcrdies traten zur Zeit der Impfung unter den Versuchsthieren auch Fälle von spontanem Milzbrand auf.
5) Rindvieh ist gegen Impf-Milzbrand im Allgemeinen weniger empfindlich als Schafe.
Nach einer Mitthoilung Pasteur's vom 26. Jan. 1882 an die Ackerbaugesellschaft zu Melun (Archives v^tdrinaires 1882, No. 5, S. 177) sind die Resultate seiner während der Monate Juli, August und September 1881 ausgeführten Milzbrand-Impfungen, so weit ihm dieselben damals bekannt waren, folgende:
Es wurden geimpft 32500 Schafe, welchen 25160 nicht geimpfte Schafe zur Controle dienten. Seit der Impfung waren bis Ende October 1881 an Milzbrand lOmal mehr nicht geimpfte, als geimpfte Schafe gestorben. Die Impfung hatte bis dahin etwa 400 Schafe vor dem Tode durch Milzbrand bewahrt, d. h. dem Nationalvermögen erhalten.
Unter 138 Herden, deren lö im Ganzen 10 500 Schafe zählten, sind unter den Imflingen weder während, noch nach der Impfung, Verluste vorgekommen.
Unter einigen Herden hat die Sterblichkeit, welche vor und während der Impfung in denselben herrschte, unter den nicht ge­impften Schafen in empfindlicher Weise fortbestanden. Nach einer detaillirten Tabelle über 15 Herden, in welchen die Mortalität am stärksten war, kamen während der Impfung unter 3(i()3 Impflingen 58, unter 2867 nicht geimpften Schafen (30 Todesfälle an Milzbrand vor. Nach der Impfung starben innerhalb 2 Monaten (bis Ende October 1881) von den nicht geimpften Schafen 111 Stück an Milz­brand, während von den Impflingen kein einziges Stück mehr starb. Hätte die Sterblichkeit unter den geimpften in gleichem Verhältnisse, wie unter den nicht geimpften Schafen fortbestanden, so würden in derselben Zeit von 2 Monaten 180 Impflinge an Milzbrand in den betreffenden Horden gestorben sein.
Es wurden ferner bis dahin 125-1 Rinder geimpft und neben diesen 888 nicht geimpfte Rinder zur Controle gehalten. Während der 2 ersten Monate nach der Impfung sind von diesen Versuchs­thieren gestorben: 1 Impfling und 10 nicht geimpfte Rinder.
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Nachtrug; l'nstcur's MllzbrantUImpfungen auf dei* preuss. Domtoe PaoklBoh. (398
Von 142 geimpften Pferden und 81 nieht geimpften Control-pferden starb ein Pferd während der Impfung an Septiciimie. Ein weiterer Todesfall kam unter beiden Gruppen Versuchspfürden bis dahin nicht mehr vor.
Ob und in wie weit die Milzbiand-Impfungen in der Praxis Eingang finden und empfohlen zu werden verdienen, liisst sich, trotz der seitherigen relativ glänzenden Erfolge, vorläufig noch nicht be­stimmen. Weitere Erfahrungen werden hierüber entscheiden; es ist nicht unmöglich, dass die Pasteur'sche Entdeckung die Tilgung von Viehseuchen in ganz andere Buhnen lenken wird.
Am 5. und 19. April 1882 sind auch im Regierungsbezirke Merseburg auf der Domäne Packisch, auf Veranlassung des preussi-sehen Ministeriums für Landwirthschaft etc. durch Thuillier Milzbrand-Impfungen (die beiden Vorimpfungen) bei Hchafen und Hindern vor­genommen worden, welchen am ü. Mai 1882 die Control-Impfung gefolgt ist.
Am 9. Mai 1882 habe ich der Controle, welche durch die vom königl. Ministerium eingesetzte Commission vorgenommen worden ist, beigewohnt. Das Resultat der Schlussimpfung war an genanntem Tage folgendes:
Von den 25 vorgeimpften Schafen waren in den ersten Tagen nach der 2. Impfung 3 Stück an Impfmilzbrand gestorben. Die noch übrigen 2mal vorgeimpften 22 Schafe und 0 Rinder waren am 0. Mai gleichzeitig mit 2.') Schafen und li Rindern, welche nicht vor­geimpft waren, mit frischem Milzbrandblute geimpft worden. Wenn ich nicht irre, so hatte man jedem Schafe '/laquo; Cctm. und jedem Rinde '/a Cctm. natürliches Milzbrandgift unter die Haut eingespritzt.
Am 9, Mai waren 24 nicht vorgeimpfte Schafe todt; das 2.'). so schwer krank, dass der Eintritt des Todes nahe zu sein schien.
Die 22 vorgeimpften Schafe zeigten keine Spur von Krankheit; sie erschienen sämmtlich vollkommen gesund.
Von den (3 nicht vorgeimpften Rindern waren bei meiner Unter­suchung 2 todt, 2 schwer krank; die beiden anderen Thiere dieser Categorie waren nicht auffallend krank, hatten aber, nach Angabe des Wärters, nieht so gut gefressen wie sonst.
Die Section der gestorbenen Thiere ergab die ausgeprägten Er­scheinungen des Milzbrandes.
Die lt;gt; vorgeimpften Rinder erschienen vollkommen gesund.
Nach einer mir auf der Rückreise nach Halle (von Herrn Amts-rath Zimmermann in Benkendorf) gemachten Mitthellnng Ist eins
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091nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Naohtrag; charbon symptoraatique.
der vorhin er wähn ten beiden schwer erkrankten, nicht vorgeimpften Kinder bereits bald nach meiner Abreise von Paekisch gestorben.
Das Ergebniss dieses Versuches ist somit ein relativ sehr günstiges und das Pasteur'sche Milzbrand-Impfverfahren, trotz seiner Neuheit ein verhältnissmässig sehr vollkommenes. Es steht zu erwarten, dass die Gefahren der zweiten Vorimpfung ganz beseitigt, oder doch auf ein Minimum reducirt werden können, indem man die zur ersten Vor­impfung verwendete Culturlymphe (premier vaccin) etwas verstärkt, oder aber die zur zweiten Vorimpfung verwendete Culturlymphe (second vaccin) etwas mehr abschwächt, als hier der Fall gewesen ist. Beides ist sehr leicht ausführbar.
Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass diese junge, aber viel versprechende Errungenschaft exaeter Forschung einer weiteren Ver­vollkommnung fähig sein wird.
Die von Löffler (unter Koch's Leitung) im deutschen Reichs­gesundheitsamte unternommenen Studien über die Immunitätsfrage haben zu dem (höchst wahrscheinlich irrigen) Schlüsse geführt, dass der Milzbrand nicht zu denjenigen Krankheiten gehöre, welche den Impfling nach überstandener Impfkrankheit, oder ein natürlich er­kranktes und durchgeseuchtes Thier, für die Folge zeitweilig oder dauernd immun machen. Dieser Satz steht nicht nur mit den vor­hin mitgetheilten seither erzielten Versuchsresultaton, sondern auch mit den Ergebnissen entsprechender Versuche Toussaint's, Chauveau's und Anderer in Widerspruch. — Die Schlüsse, welche auf die Versuche Oeraler's sich stützen, lassen meist unberücksichtigt, dass bei diesen die zum Ablauf der Impfkrankheit erforderliche Zeit nicht beachtet worden ist. Oemler's Versuchsresultate scheinen aber zu bestätigen, dass zu kurz auf einander folgende Milzbrand-Impfungen cine cumulative Wirkung haben.
Zu S. 213. Die meisten deutschen Autoren identificiren „le charbon symptomatiquequot; und „den Rauschbrand4, während Zundel, Dictionnaire etc. S. 342 sagt, dass man „l'eraphysfeme charbonneuxquot; in Bayern „Geräuschquot; nenne, während er 1. c. S. 338 „le charbon symptomatiquequot; als Karbunkelkrankheit schildert. Wenn Rausch­brand und le charbon symptomatique dennoch identisch sein sollten, so würde S. 213 u. folg. unseres Textes statt „Karbunkelkrankheitquot; stets „Rauschbrandquot; stehen müssen, in so fern jenes Wort sich auf die Forschungsresultate Arloing's und Cornevin's bezieht.
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Naclilrag; Pockcninipl'ung und Lungeiiseuclie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (j95
Zu S. 230. Es ist um so weniger begreiflich, dass Oidtmaan lt;len Versuch macht, die gesetzliche Einschränkung der Schafpocken-Impfung gegen die obligatorische Vaccination des Meuschen zu ver-werthen, da er in seiner Schrift „Die Zwangs-Impfung der Thier-und Menschenblatternquot; die Verschiedenheit der Gremeingefährlichkeit der Vaccination des Menschen und der Pocken-Impfung der Schafe selbst bespricht. Wenn er aber andererseits auch (in seiner Schrift BAuf der Anklagebank,quot; S. 10) behauptet, bei revaccinirten Zwillingen mit dem Ausbruche der Vaccinepusteln nach der zweiten Impfung gleichzeitig eine allgemeine Blatterueruption beobachtet zu haben, so wird er doch zugeben müssen, dass dies beim Menschen äusserst selten, bei Schafen hingegen häufiger vorkommt.
Zu S. 250. In Italien wurden bereits im 18. Jahrhundert von Sacco, in Frankreich von Godine, Jadelot (1802 u. 1803) von der Vaccinegesellschaft und von Anderen Schafe vaccinirt, angeblich mit gutem Erfolge. Die im Jahre 1802 von Pessina unternommenen Kuhpocken-Impfiingen bei Schafen haben keine befriedigenden Eesul-tate ergeben, eben so wenig wie die von Waldinger und Anderen ausgeführten Vaccinationen bei Schafen. Auch sind die späteren Er­folge und Urtheile französischer Thierärzte weniger günstig ausgefallen.
Zu S. 257. Sommer und Raupach wollen eine Immunität gegen das Schafpockengift in verschiedener Weise erzielt haben und zwar:
1)nbsp; nbsp;durch Injection einiger Tropfen Schafpockenlymphe in die Jugularvene;
2)nbsp; nbsp;durch subcutane Injection von Blut und Lymphe, welche vor­her bis auf 55quot; C. erwärmt gewesen waren;
3)nbsp; nbsp;durch subcutane Injection von in Schaf bouillon bei 40fl C.. gezüchteten Pockenbacterien (Oesterr. Vierteljahrschr. Bd. 56, Heft I, Seite 70).
Zu S. 300. In neuester Zeit ist die Frage ventilirt worden, ob auch beim Menschen Lungenseuche vorkomme. Wiedemann hat aus der Tübinger Poliklinik die Krankengeschichte und den Sections-befund zweier Kinder publicirt (deutsches Archiv für klinische Medicin und Centralblatt für medicinische Wissenschaften), welche mit dem Bilde der Lungenseuche des Kindes grosse Aehnlichkeit haben sollen. In dem Wohnorte der beiden Kinder herrschte zu jener Zeit die
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(390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nachtrag; Lungenseuche-Imiil'ung.
Liingenseuche unter dem lliudvieh; eine Uebertragung des Giftes durch den Genuss von Milch, oder auf irgend eine andere Art konnte indess nicht nachgewiesen werden. (Revue Bd. IV, Wien 1881, S. 29.)
Unter Anderen hat Verier die Frage aufgeworfen, ob mit Lungenseuchegift geimpfte Rinder im Stande sind, auf nicht geimpfte Rinder, welche mit jenen zusammen in einem Stalle stehen, die Lungen-seuehe zu übertragen? (Bulletin de la Societd etc. mlaquo;5d. vdt. pratique.) Wätrend der Fragesteller sich im bejahenden Sinne ausspricht, glaubt Mallereau, auf seine Erfahrungen gestützt, sich verneinend aussprechen zu müssen. (Revue Bd. Ill, Wien 1880, S. 41.)
Im Allgemeinen dürfte es nicht häufig vorkoinmon, dass durch Lungenseuche-Impflinge nicht geimpfte Rinder inficirt werden. Un­möglich scheint aber eine derartige Infection nicht zu sein. Ich habe in neuerer Zeit eine in mehrfacher Beziehung interessante Lungen-seuche-Impfung ausgeführt, deren Ergebnisse einerseits die Möglich­keit der Infoctiosität der Lungenseuche-Impfkrankheiten wahrschein­lich macht, andererseits die Schutzkraft der Lungonseuche-Impfung fast ausser Zweifel stellt. Die Sache verhält sich nämlich im Wesent­lichen folgendermassen:
Am 8. April 1881 fand ich bei der Section einer Kuh, welche seit dem 30. Juli 1880 im Versuchsstalle der Veterinärklinik hiesiger Universität gestanden hatte, Erscheinungen in den Lungen, wie sie der sogen, „natürlichen Lungenseuchoquot; zukommen. Trotz einer COtägigen polizeilichen Observation des Rindviehbestandes, aus welchem fragl. Versuchskuh stammte, konnte unter jenem keine Lungenseuche festgestellt' werden, und soll diese Krankheit seit vielen Jahren in dem betr. Stalle nicht wahrgenommen worden sein. In Rede stehende Kuh hatte in genanntem, unter meiner Leitung stehenden Versuchs­stalle längere Zeit mit einem Versuchskalbe zusammengestginden, welchem Lungeseuchelymphe direct in die Lungen eingespritzt worden war. Bei diesem Impflinge hatten sich indess weder bei Lebzeiten, noch bei der nach mehreren Monaten vorgenommenen Schlachtung und Section Erscheinungen von natürlicher Lungenseuche gezeigt.
Am 11. Mai und am 30. September 1881 impfte ich 88 Stall-thiere des landwirthschaftlichen Institutes der hiesigen Universität mit frischer schöner Lungenseuchelymphe; 9 Stallthiere, einschliesslich der am 10. October eingeführten Devon-Färsen und 7 Parkthiere der Rindviehgattung, blieben ungeimpft.
Bei einer geimpften Frutigkuh war mehrere Wochen nach der Mai-Impfung eine bedeutende Schwellung des Schwanzes und der
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Nachtrag; Lungcnseuche-Imprung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (iilj
Kruppe entstanden, in Folge deren die Haut an verschiedenen Stellen der Geschwulst tiefe Risse bekam, Aus diesen floss während der Monate Juli und August 1881 lange Zeit hindurch eine gelbe Lymphe reichlich ab. — Spätere Trielimpfungen brachten bei dieser Kuh nicht die geringste Reaction zu Wege.
Am 28. October doss. J. wurde eine schwanzlos geborene, nicht geimpfte Holländer Kuh, welche in der Nähe der Frutigkuh in dem­selben Stalle stand, krank gemeldet, und am 20. October wegen Lungenseucjieverdachts geschlachtet. Bei der Section ergab sich, dass dieselbe mit den Erscheinungen der sogen, „natürlichen Lungen­seuche* in hohem Grade behaftet war.
Es fragt sich nun, ob die am 11. April bei der Section mit den Erscheinungen der sogen, natürlichen Lungensouche behaftet be­fundene Kuh diese Krankheit bei ihrem Eintritt in den Versuchsstall mitgebracht hat?
In diesem Falle müssto dieselbe vom 30. Juli 1880 bis zum 11. April 1881, also ca. S1/raquo; Monat lang an verborgener Lungensouche gelitten haben. Es ist dies aus verschiedenen Gründon wenig wahr­scheinlich. Noch weniger wahrscheinlich ist aber, dass fraglicher Kuh während ihres Aufenthaltes im Versuchstalle qu. das Lungenseuche-Contagium von aussen zugeführt worden ist, da dieselbe stets sehr streng isolirt gehalten und nur mit einem Versuchskalbe (während der 8 '/j Monate) in Berührung gekommen ist. Diesem Kalbe war am 21. Febr. 1881 frische Lungenseucholymphe direct in die rechte Lunge eingespritzt worden. Dasselbe war bis dahin ganz gesund ge­wesen, hatte 39 quot;C Temperatur, die sich in den nächsten Tagen all­mählich steigerte und am 2. März 40,ß0C. erreichte; am 25. Febr. hatte sie vorübergehend auf 40 0nC. gestanden. Seit dem 27. Febr. nahm die Fresslust ab, während die Athomfrequenz sich steigerte. Am 4. März wurde das Versuchsthier geschlachtet; bei der Section fanden sich vorbreitete atolactatische Stellen in den Lungen und in den Bronchien eine massige Menge schaumigen Schleimes. Sollte etwa von diesem Impflinge in Rede stehende Versuchskuh inficirt worden und letztere in Folge dessen an natürlicher Lungenseuche erkrankt sein?
Eine weitere Frage ist die, auf welchem Wege die schwanzlose Holländer Kuh inficirt worden ist?
Es erscheint kaum wahrscheinlich, dass dieselbe durch die im Stalle der Veterinärklinik isolirte und durch meinen Pferdewärtor verpflegte Versuchskuh, welche am 11. April 1881 bei der Section
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(j98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nachtrag; Lungenseuohe-ImpfUng.
lungenseuchekrank befunden wurde, inficirt worden ist, da beide Kühe niemals in irgend eine Berührung mit einander gekommen und durch verschiedene Wärter verpflogt worden sind. Es ist dies ferner deshalb nicht wahrscheinlich, weil zwischen dem Todestage der VersuohskuL und der offenbaren Erkrankung der schwanzlosen Holländer Kuh ein Zeitraum von G'/a Monaton liegt. Es ist aber auch kein Grund vor­handen, anzunehmen, dass die Seuche in anderer Weise von aussen eingeschleppt worden sei, da fremdes Rindvieh (vor dem 21. October 1881) seit mehr als 1 Jahre in den Stall nicht eingeführt worden ist. Die am genannten Tage in den Stall gebrachten, neu angekauften beiden Devon-Färsen können die bereits am 29. desselben Monats in hohem Grade lungenseuchekrank befundene Kuh unmöglich angesteckt haben. Beiläufig sei hier bemerkt, dass jene bis heute sich stets vollkommen gesund und munter gezeigt haben.
Bei dieser Sachlage muss man unwillkürlich an die etwaige Möglichkeit denken, dass die Impfkrankheit der Frutigkuh zum Aus­gangspunkte der Lnngenseucheerkrankung bei der schwanzlosen Hol­länder Kuh geworden sei.
Ein ganz besonderes Interesse bietet der weitere Verlauf der Lungensouche unter dem Rindviehbestande des hiesigen landwirth-schaftlichen Institutes für die Beurtheilung der Schutzkraft der Lungen-seucheimpfung.
Nachdem am 29. October 1881 bei einem der 9 nicht ge­impften Stallthiere die Lungenseuche meinerseits festgestellt worden war, suchte ich mich in den Besitz guter Lymphe zu versetzen. Diese erhielt ich am 8. Novbr. 1881 und impfte mit derselben sofort die noch übrigen 8 nicht geimpften Stallthiere. Von diesen erkrankten bis zum 21. dess. Monats noch 3 Stück an Lungenseuche, was durch die Section jedesmal festgestellt worden ist. Die 38 früher geimpften Stück Rindvieh, welche mit den 4 an Lungenseuche erkrankten Thieren bis zum offenbaren Ausbruch der Krankheit stets in demselben Stalle gestanden haben, sind bis heute (den 22. Mai 1882) von jedem Lungenseucheverdachte frei geblieben. Es sind somit 38 frühzeitig und kunstgerecht geimpfte Rinder unter denselben Verhältnissen sämmtlich von Lungenseuche verschont geblieben, während von 9 mit jenen zusammenstehenden nicht geimpften Rindern 4 Stück an frag­licher Seuche offenbar erkrankt sind.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich ein am 11. April 1881 in die Lungen und am 11. Mai desselben Jahres am Schwänze ge­impftes Versuchskalb am 20. November zwischen zwei offenbar hingen-
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gt;laquo;Mugt; .—.WA.
Nachtrag.; Tuborkelbacillen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;099
seuchekranke Kühe gestellt habe; die eine dieser wurde am 5. Dec. geschlachtet, die andere starb am 15. Dec. 1881 an Lungenseuche, Am 18. April d. J. wurde das Versuchskalb, das während des Le­bens nie eine Spur von Lungenseuche gezeigt hatte, geschlachtet. Obgleich dasselbe 19 Tage lang der directen Einwirkung des Lungen-seuchegiftes ausgesetzt war, so zeigten die Lungen desselben dennoch keine Spur einer vorhandenen oder verheilten Erkrankung.
Zu S. rgt;26. In der Sitzung der Berliner physiologischen Ge­sellschaft am 24. März 1882 hat Koch über die von ihm angestellten neuen experimentellen Untersuchungen berichtet, welche die parasitäre Natur der Tuberculose zu bestätigen scheinen.
Die betreffenden Mikroorganismen sind kaum anders auffindbar, als durch Färbung und passende Eeleuchtung (mittelst dos Abbö'sehen Condensators). Will man Tuberkelbacillen in Gewebsflüssigkeiten sicht­bar machen, so wird die betreffende Flüssigkeit zunächst in dünner Schicht auf einem Deckgläschen ausgebreitet, getrocknet und durch vorsichtiges Erhitzen über einer Flamme unlöslich gemacht. Alsdann wird dasselbe 24 Stundenlang in eine Lösung von 200 Cctm. destillirton Wassers, 1 Cctm. einer concentrirten alkoholischen Methylenblau-Lösung und 0,2 Cctm. einer lOprozentigen Kalilösung gebracht. Nach der Herausnahme und Abspülung bringt man einige Tropfen einer Vesuvin-lösung auf das nunmehr durch das Methylenblau überfärbte Präparat. Alle anderen bisher von Koch untersuchten Bacterien und Mikrokokken-arten sind nicht im Stande, das Methylenblau gegenüber einer nach­folgenden Vesuvinfärbung festzuhalten. Indem diese alle Gewebs-elemente braun färben, heben sich die blau gebliebenen Tuberkelbacillen sehr schön gegen ihre Umgebung ab. Das mikroskopische Verfahren zum Zwecke des Sichtbarmachens fraglicher Mikroorganismen ist ein verschiedenes je nach Beschaffenheit der zu untersuchenden Körper-bestandtheile. Es kann jedoch an dieser Stelle hierauf nicht näher eingegangen werden.
Die Tuberkelbacillen präsentiren sich nach der angegebenen Be­handlung als überaus zierliche, kleine Stäbchen, deren Länge etwa 1J3 des Durchmessers eines rothen Blutkörperchens entspricht und deren Breite zur Länge wie 1 : 5 bis 0 sich verhält.
Koch hat diese Bacillen in vorher sterilisirtem und in den Zu­stand der gelatinösen Gerinnung übergeführtem Blutserum gezüchtet und durch Einimpfung derselben bei verschiedenen Thiergattungen eine ausgebreitete Tuberculose erzeugt, welche weit schneller verläuft.
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700nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nachtrag; Tubcrculose und Pcrlsucht.
als dies bei Impftubereuloso uaeh Verwendung von natürlichem Tuber-culosegift der Fall ist. Bei Rindvieh soll nach solchen Impfungen Perlsncht sich entwickeln,
An diese Vcrsuelisergebnisse Koch's schliesse ich kurz die Mit­theilung einiger Impfresultate an, welche ich durch Uobertragung von Tuberkelgift des Menschen auf Rindvieh und einige andere Thier-spezies erzielt habe.
Am II. Februar 1881 injieirte ich einem til Kgr. schweren, 4 iJ2 Wochen alten männlichen Kalbe c. 18 Cctm. einer milehigen Flüssigkeit, welche aus frischen Tuberkelmassen von Menschen durch Abreiben mit dostillirtem Wasser bereitet worden war, in der linken Hungergrube unter die Haut.
Dasselbe Kalb impfte ich am 22. Febr. desselben Jahres direct in die Lungen und zwar mit frischem Tuberkelgift, welches aus einem käsigen Herde eines an Tubereulose verstorbenen Mannes herrührte.
In der linken Hungergrube hatte sich bereits in den ersten Tagen nach der Impfung eine Geschwulst gebildet, welche bis zum 0. März faustgross und allmählich weicher geworden war. Bei der am 19. April vorgenommenen Eröffnung derselben wurden etwa 75 Gramm eines rahmartigen Eiters entleert, worauf dor Abscess mit Hinterlassung einer knotigen Narbe von Bohnengrösse alsbald ausheilte.
Am 8. August 1881 wurde fragl. Thier geschlachtet. Bei dem­selben hatten sich während der ganzen Zeit vom II. Febr. bis zu seinem Tode weder Erscheinungen einer erheblicheren Allgemein-Erkrankung, noch fieberhafte Temperaturen gezeigt. Bei der Section fanden sich weder in der Bauchhöhle, noch in den Lungen Miliar-tuberkel oder Perlknoten.
Im Bereiche der Stelle, wo (in der linken Hungergruhe) die Injection gemacht worden war, fanden sich am Peritonämu in etwa haudgrosser Ausbreitung fadenförmige Bindegewebsneubildungen; unter dein kleinen schiefen (inneren) Bauchmuskol waren noch 2 käsige Herde von etwa Bohnengrösse vorhanden.
Die Lungen zeigten nichts besonders Abnormes; ihr seröser Ueberzug war im Allgemeinen glatt. Nur am hinteren Abschnitte beider Lungen waren bindegewebige Neubildungen vorhanden, die grösstentheils aus zerstreut liegenden, theilweise aber aus dichten zu-sammengruppirten kurzen Filamenten bestanden. Derartige bindege­webige Excrescenzen fanden sich ferner am äusseren Blatte des Herzbeutels, sowie am peritonäalcn und pleuralen Ueberzuge des Zwerchfelles; an der Brustseito desselben bildeten diese Neubildungen
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Kaolitrag; Tuborculosc und Perlsucht.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;701
plattenähnliche Auflagerungen. Die Pleura costalis war beiderseits mit grauröthlichen Filamenten reichlich und in grösserer Ausbreitung besetzt, welche weniger breite, als im Verlaufe der Rippen lang ge­streckte Streifen bildeten. Weder in den Lymphdrüsen, noch in irgend einem anderen Organ fanden sich Erscheinungen einer tuber-culösen Infection.
Am 18. Juni 1880 injicirte ich einem Versuchspferde 4 Cctm. und einem Landschweinchen 1 '/j Cctm. frischen Eiters hinter der Schulter ins subcutane Bindegewebe. Fragl. Eiter stammte aus einem tuber-culösen Abscosse eines in der hiesigen chirurgischen Klinik operirten Menschen. Die in der Wand dieses Abscesses zahlreich vorhandenen railiaren Knötchen waren zum Theil abgekratzt und dem Eiter beige­mischt worden. Es traten demnach weder locale, noch allgemeine Störungen in dem Zustande der Versuchsthiere ein.
Am 7. Juli injicirte ich dem nämlichen Versuchspforde c. je 2 üctm. frischen Eiters zu beiden Seiten der Brust unter die Haut. Dieser Eiters stammte von einer tuberculösen Coxitis des Menschen. Auch nach dieser Injection trat weder eine nennenswerthc örtliche noch all­gemeine Reaction ein.
Am 22. Juli, also ö Wochen nach der ersten und etwa 15 Tage nach der zweiten Impfung wurde das Pferd geschlachtet und secirt.
In der Nacht vom 13. zum 14. Juli starb in Rede stehendes Versuchsschwein an den Folgen eines incarcerirten Nabelbruches.
Die Section beider Versuchsthiere liotorte Erscheinungen, welche es wahrscheinlich machten, dass Pferde und Schweine durch Impfung mit Tuberkelgift vom Menschen tuberculös werden können. Ausser bindegewebigen Neubildungen im Bereiche verschiedener Abschnitte der Pleura fanden sich unter dem serösen Uebcrzuge und in ge­ringerer Anzahl auch tiefer im Lungengewobe, sowie im Parenchym der Lober miliaro Knötchen.
Am G. Februar 1882 injicirte ich einem 10 Monate alten Rinde 12 Cctm. frisches Tuberkelgift in der linken Hungergrube unter die Haut, resp. in die Bauchhöhle. Das Tuberkelgift war aus einer noch warmen tuberculösen Menschenlunge durch Auspressen gewonnen, in einem Mörser verrieben und dann durch reine Gaze filtrirt worden. Das Versuchsthier zeigte bis zum 17. April 1882 weder örtliche noch allgemeine Krankheitserschoinungen. An letztgenanntem Tage, also 10 Wochen nach der -Impfung wurde das Thier geschlachtet.
Um die Einstichstclle hat eine Neubildung von Bindegewebe stattgefunden. Am Bcckcnendc des grossen schiefen Bauchmnskels
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702nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Nachtrag; Tuberculose und Perlsncht.
ist das Bauchfell nach innen gewölbt. Bei näherer Untersuchung ergibt sich, class daselbst in den Bauchdecken ein Abscess von ziemlich bedeutendem Umfange vorhanden ist. Beim Einschneiden in denselben entleeren sich 340 Gramm eines dicken rahmartigen Eiters. Von Tuberkel- oder Perlknoten-Bildung war nirgends eine Spur vorhanden.
Von dem nämlichen Tuberkelgifte injicirte ich am 6. Febr. 1882 einem 1jährigen Fohlen 4 Cctm. der in angegebener Weise gewon­nenen Flüssigkeit direct in die rechte Lunge.
Es folgte demnach bereits am folgenden Tage eine höhere Frequenz der Athemzüge und der Pulse mit Temperatursteigerung — bald nachher Bronchial-Catarrh mit Nasenausfluss und Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen. Das Nähere über den weiteren Verlauf werde ich an einem anderen Orte mittheilen.
Vom 8. März 1882 ab kehrten allmählich normalere Verhältnisse bei fraglichem Versuchsthiere wieder. Am 17. März wurde letzteres geschlachtet und bei der Section meinerseits eine Miliartuberculose in exquisiter Form constatirt. Herr Professor Ackermann, dem ich ein Stückchen fraglicher Pferdelunge übersandte, hat diese Diagnose in vollem Umfange bestätigt.
Es ist mir somit nicht gelungen, beim Rinde durch Einimpfen von Tuberkolgift des Menschen die Perlsucht zu erzeugen, obgleich in dem einen Fall das verwendete Impfmaterial beim Pferde einen vollkommen ähnlichen pathologischen Zustand erzeugt hat, wie derselbe bei hochgradiger disseminirter Lungentuberculose des Menschen an­getroffen wird.
Der bezügliche Klebs'sche Versuch wird also noch weiter con-trolirt, resp. bestätigt werden müssen, bevor das Ergebniss desselben generalisirt werden darf.
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Sacli-Register.
A.
Aaspilze 148. Aaspocken 246. Abortivcur 20, 21. Abortus 567. Acariden 120, 681. Acarus folliculorum 120.
„ rcflexus 081. Achorion Schoenlelnii 580. Actinomyces 594.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Geschwülste 596.
Aetinoinycome 59G. Actinomycose 592.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Menschen 602.
Aetinomycosis bominis 603. Aetiologie 11, 13.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Fiebers 28.
AI llumrab 165. Alvatliim 580. Amme 33. Amphistoma oonicum 80.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; orumeniferum 86.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; explanatum 80.
Amphistoraida 81. Ansteckung 4. Ansteckungsfiihigkeit 5. AnsteckungsstolV 4, 10. Anthrax 165.
„ acutissimus 109. „ acutus 109. Anthraxbriinne 174. Antliraxcarbunkel d. M. 201. Anzeigen 20.
Aphthenkrnkh. d.Geschlechtsorgane 497. Aphthenseuche 321, 468. Aphthenseuchegil't 472, 478. 481. Ascl 149, 150. Ascogone 150. Ascosporcn 149. Aspergiilus glancus 148.
Asphyxie 567. Atrium 9. Atshac 165. Augenentziindung 422.
Auscultation 281.
B.
Bacillen 150, 158, 699. Baoteridien 156, 183. Bacterien 154. 158, 183. Balgmilben 120. Bandwurmcuren 40, 41. Bandwürmer 32, 74, 75, 76, 77, 78. Bandwurmseuohe der Lämmer 72. Behandlung 19.
Besclmlkrankbeit des Pl'erdes 496. Bierhefe 152. Bieslliegc 110.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Rindviehs 115.
Bindegewebswassersucht des Rindviehs
641. Bliischcnausschlag an den Genitalien 504. Bläschenseuche 468. Blasen-Bandwürmer 33, 35, 71 bi? 76. Blattern 239, d. M. 261. Blutseuche 173. Blutstaupe 173.
Blutunterlaurungcn
59, 193.539,563,
568. Borkenkrätze d. M. 140. Bösartiges Catarrhalfieber d. R. 358. Botriocephalcn 33, 674. Botrytis Bassiana 10, 101. Bradsot 173. Brandblasen 172. Brand pocken 246. Bremsenschwindel 110. Bronchiectasien 522. Briillerkrankheit 518.
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704
Sachregister.
Brmunielkranklieit 513. Bi'ustseuche 415, 424, 4'25. Bratzellen 14'J.
C.
Caverne 418.
Ceplialothorax 120.
Ceroarien 80.
Gestörten 32.
Cestoden-Tubereuldse 40.
Cholera 355.
Clartotlirix 158.
Coenunis ccrebralis 81, 75.
CoHurusblasen 50, 58, 01.
Columella 150.
Oonidlen 140.
(Jontagion 15.
Contagium 4, 10.
Contagium vivum 0.
Crisis 18, 25.
Croup 528, 530.
Cur 20.
Curare 459.
Cuticiila 33.
Cymotische Krankheiten 11.
Cystiecrcus eellulosac 42, 75.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; elongatus 75.
„ e Taenia saginata 47, 75.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; fasciolaris 75, (173.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; pisifonnis 75.
„ raoemosns 43.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; tenuicollis 75.
Cysto-Sarcom 590, 599.
1).
Dasselbeulen 679. Dassellliegen 679. Dauersporen 185, 017. Delle 234.
Dermanissus avlum 131, 081. Dcrmatocoptes-JIilbe 124.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; communis 125, 131.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; cuniculi 125.
Dermatomycosen 152. Derraatopllagen 125, 128, 130. Desinfcction 21. DesinlVctionsmittel ((17. Diagnose 18. Digenea 81. Diphtherie 319, 526.
der Kälber 531. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des tJelliigels 536.
Diphtheriepilz 527. Dlplocooous 154. Diptera 109. Disposition 17. Distoma conns 80.
Disloma echinatum 07S.
„ hepaticum 81, 84. 80. „ laneeolatum 82, 84, 80. Distoinatosis der Krebse 075. Dlatomida 81, 074. Dreokhinken 470. Dreher 55.
Drehkrankheit der Schafe 64. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Rindes 01.
des Pferdes 62. Druse 406.
„ verdächtige 409. Dunstkreis, infectionsiahiger 5.
E.
Kchinococciis 39.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; hominis 64.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; veterinorum 64.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; polymorplms 64, 75.
Eehinococcusblase 04. Kcliinokokkengeschwulst, multiloculäre
71. Kchinokokkenkrankbeit 03.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Menschen 66.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Wiederkäuer und
d. Schweines 70,672. Kiuleitung 1.
Einsiedlerbandwunn 41, 51. Eitervergiftung 408. Ekchymosen 232, 354, 539, 503, 568. Emphysem 182. Endocarditis 607. Enkelblnsen 64. Enlozocn 31. Enzootie 15. Epizoen 31. 32. Epizootic 15. Erbgrind 579. Erstickungstod 192, 567.
F.
Fadenwürmer 31. 32. Fäule 81.
Fäulnisspilze 14s. 611. Favus 579.
,. -Pilz 579.
„ .Schildchen 582, 584.
„ -Scutulum 582, 584. Febris recurrens 156. Fieber 23. Finnen 39.
Finnenkrankheit der Schweine 41. Finnensack 39. Finniges Fleisch 069. Fliegendes Feuer 216. Erostsehauder 25.
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Saclirogisler.
Fnictilicationsorgane 148. Fünflooh 110. Fnssrände 128.
Herpes loudens 572.
„ tonsurans 572. Heubacterien 162. Hinterlelbssohwlndsuoht 512. Holzzunge 590, 599. Hermiscium cerevisiae 153. Hospilalbraud 528. Hiihnercliolera 103. HUhiierclioleragll't, 103. 681. lliihnergrind 580. lliilsenblasenuurm (vielyeslallieerl 04.
65. HUttenrauohkrankheiten 517. Humlekrankheit 433. Hundeseuche 433. Hydrophobie 455.
Gf.
Gährungskranktieiten 11. Qallenfieber 353. (instrisclies Fieber 353. Giistrus e(|iii 113.
,, pecorum 114.
,, hnemon-hoidalis 114.
., nnsalis 114. Gedrehter PaUisadenwurm 99, 10;i. Qeilügelseuohe 530. Gehirn mit Cönurusbrut 57. (iehinuiuese 55, 61. Gemmen 151. Gcnerntionswechsel 31. Genesung 18. Genius epizooticns 6. Geräusch 182, 213, 216. Gifte, putride 012.
„ septische 012. Glatzfleclite 572. Glossantln-ax 171. Glottis-Üedem 179. Gnubberkrankheit 504. Gonidien = Conldlen 149. Grabmilben 120. Gregarinen 141. Gregarinose 141.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Kaninchen und Hühner
142, 143. Grind der Hühner 580. Grubenköpfe 33, 70 bis 79. Gyrodaclylus elegnns 80.
I.
Icterogen 550. Igelkröpfe 002. IhlenUropfe 002. Im])eligo figurata 573. Imnuinität 6. Impfkranklieiten 7. Impfmilzbraud 183. Impfung 7, 8. Incubation 5, 18. Indicationen 20. Infection 4, 18. Infectionsherd 5. [nfectionskrankheiten 1, 2, 145. Influenza 414. Invasionskraukheiten 1, 2, 31.
K.
Külbergnnd 575. Kalbsflnne 47, 75, 609. Kalkkörperchen 34. Karbunkel 193. 202, 214. Karbunkelgil'i 217. Karbunkelkrankheil 213. Kittsubstanz 154. Klauenseuche 471.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; spanische 471.
Knemidocoptes viviparns 131, 080. Knochenkrebs 593.
„ Tuberculose 593. Knospung 80. Kopfkrankheit 330, 358. Krätze des Menschen 139. Krätzmetastaseu 147. Krankheit 8. Krankhelts-Abnahme 18.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Anlage 17.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Dauer 19.
., -Erreger 4. 9. 140.
H.
llaarpilz, kahlinachender 575.
Hadernkrankheit d. M, 204.
Hahnenkammgrind 580.
Hakenkranz 34, 35.
llalsentziiiidung 422.
Hartschnaul'en 422.
llautdasselfliegen des Rindes 110. 115.
Hautniuskelschlnuch 34.
Hau trotz 364, 381.
Hautschuppen fressende Milben 120,125.
Hefe 152.
Hefepilze 148, 152.
Hemistomu alatum 86.
Hepatisation 382.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; steinige 522.
Herbstgrasmilbe 131. Herdekrankhelten 1, 15. Herpes circinatns 574.
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706
Sachregister,
Kriinklieils-Ersclii'iiiniigcii 17.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Höhe 18.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Stadien 18.
„ -Symptome 17.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -Verlnuf 19.
,, -Zunahme 18. Krebspost (J75. Kreuzareher 57. Kiirbis-Bniuhvürmer 38, 35. Kiili|iockeii 235. Kuhpookenlmpl'ang 2o'J, 249-, 204.
Mlorocoocus dlpbtheriticus 527.
Mikroorganismen 147. 101. Milben 120. Miliartuberkel 516. Milzbrand 165.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; apopleclisclier 109.
-Blutsehlag 109.
„ des Hensohen 198.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der versch. Haust liiere 173
des Wildes 182. Milzbrandbacillen 184, 195. Milzbrandboden 188. Milzbrandculturcn 185, 684. Milzbrand-Emphysem 182. Milzbrand-lnl'ection d. M. 199. Milzbrand-Schutzimpfungen 204, 084. Moderhinken 470. Monogcnea 81. Monostoma leporis 80. Monostomida 81. Morphologie der Spaltpilze 158. Mucor muoedo 150. Muscardine 10, 161. Mycelium 148. Mvceliuinpilze 148. Mycosen 1, 11, 148. Mycosis intestlnalis 202. Myocarditis 617.
L.
Lammergrind 574. Landesseuohe 15. IiebenszilhigUeit 5. Leberatrophie, acute gelbe 5ti0. Leberegel 81, (gt;74. Leberegelkrankheit 81. Leptothrix ,154. Leptius autumnalis 131. Liehen ciroumsoriptus 573. Llnderungsour 20. Lingimtulida 110. Löserdürre 318, 328. Luftröhrenkratzer ÜÜ. Lungenentzündung, Uiisige 521. Lungenrotz 304, 377. Lungensohwindsucht 511. Lungenseuche 273, 320. Lungenseuohegift 203. Lungenseucheimpfung 287, ÜÜ6. Lungensenchelymphe 298, 300. Lnngenseuchepilz 277. Lungensucht 619. Lungenwurmseuche 100. Lnpincnkranklieit 551. Lnpinose 551. Lympbome 596, 598. Lymphö-Sarcome 002. Lysis 25. Lyssa 441.
Nabel 234. Nachcur 20, 21. Nachkrankheiten 422. Nachtrag 069. Nasenrotz 363, 875. Naturheilkraft 20. Naturhülfe 20. Necrobiosen 009. Nematodeu 87. Neuroglia 154. Noraa d. M. 535. Norwegische Kratze 140.
M.
fllagcnsencbe 352. Magenwurmseuche 103. Älalariagift 10. Maroehettische Bläschen 447. Uastdarmkarbnnkel 172. Maulgrind 574. Maulseuclie 409. Metamorpbose 32. Miasma 10, 102. Mierococcus 10, 154, 158.
0.
Ochsenbieslliege (Bremse) 115. Oedembacterien 560. Oestrus auribarbis 679.
„ ovis 110, 112.
„ pictus 679. Oidium albicans 152.
,, lactis 152. Ophidomonas 158. Ortsseuche 15. 162. Osteosarcom 593.
..
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Saoli register.
707
P.
Palliativcur 20. PaUisadenwUrmer 99. Panzootie 15. Pcnicillium glaucum 150. Pentastoma denticulatum 118.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; taenioides 110.
Percussion 281. Pcrlknoten 611. Perllaiötchen 510. Perlsaoht 510, 700. Persisches Feuer 105. Peteohien 240. Pl'erdebremse 110. Pl'erdestaupe 415, 424, 420. Pl'erdetyphus 177. Plilyctän en-Ausschlag 504. Phosphorvergiftung 500. Pilzculturen 157. Pinselschimmel 150 Pityriasis rubra circumscripta 57;!. Plattwürmer 81. Pleomorphie 11, 148. Pneumonic, käsige 521. Pneumono-Enteritis contaglosa 2:10. Pocken 234.
der Kaninclien 201.
., der Kühe 235.
-, des Menschen 201.
„ der Pferde 258.
„ der Schale 242.
„ der Schweine 200.
-, der Ziegen 241.
„ des Üetlügels 261. Pnckenimpl'iing 238. Pockenlymphe 236. Pollinodien 150. Porrigo asbestina 573. Priidilectionsorgan 9. Prophylaxis 21. Proglottiden 33, 38. Prognose 18.
Psorospermienkrankheit 141. Pulsfrequenz 25. Pustula malignn 200. Pyämie 408, 616. Pyohamie 615.
Räude der Katze 129. ., der Vögel 130, 079. „ der Ziege 129.
des Hundes 130. „ des Kaninchens 130. „ des Pferdes 127. ,, des Rindes 128. ., des Schales 131. „ des Schweines 129. Käiidecur 133.
Rauschbrand 182, 213, 210, 616, 094. Rcconvalescenz 18. Redien 80. Rinderpest 308. Rinderpestimpfiing 824. Rinderpestpilz 813. RinderpestiinpfstolT 324. Eindsflnne 47, 75, 669. Ringllechle 574. Rostelluni 84, 40. Rothlnuf 222. Rothlaufpilz 223. Rotzabscesse 372. Rotzbubo 375. Rotzcatarrh 372. Rotzdyscrasie 308. Hotzg'eschwiire 308, 373. liotzgewäohse 369, 371. Rotzgift 867.
Rotzinfection 367, 891, 397. Rotzknoteu 365, 369. Rotzkrankheit 303.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; d. M. 389.
Rotzneubildungen 309. Rotztuberkel 305, 309. Rotzzellen 300. Rückfalltyphns 150. Ruhr 320, 852.
„ weisse der Kälber 502. Rundwürmer der Katze 109.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Wiederkäuer 100.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Hundes 108.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Kaninchens 109.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Pferdes 105.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Schweines 100.
Russ der Ferkel 585.
s.
Queeen 39.
Sacharomyccs (cerevisiae) 153. Sahafati sicca 580.
Sanitätspolizei gegen Aphthenseuclie486, „ Beschälseuche etc.
laquo;.
500. Lnngenseuche 291.
301. Milzbrand 209. Pocken 207. Räude 134.
Rabies 441. Radicalcur 20. Rankkorn 174. Räude 127, 079.
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70S
Saohrogister.
Sanltamp;tspollze] gegen Rindernest ü28. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ ilotz 399.
„ Wuth 462. Sanitatsriicksichten bei Sohwindauoht
523. Sapropbyten 148. Sarcine 148, 163. Saroodethlere 141. 14.4. Saj'ooptes 120.
„ avium 131.
„ caprac 123, 129.
,, commimis 122, 132. minor 12:gt;. 180.
„ mutans 131, 'i80.
„ nidulans OKI
„ sciuamlferus 122. 130.132,141. Saugrollben 120. Saugnamp;pfe 35. Saugwiivmer 32, 79. Soables liomlnls 139. Sohafbremse 110. Sohaf^ooken-Impl'nng 250. 095. Sohafrote 245, .440. Sohankerseaohe 490. Sohlmmelpilze 149. Schisto- oder Sohizomyoeten 158. Sohlämpemauke cKs Rindviehs 580. Sohlämpemilch 591. Sohleuderkrankheit 110, 079. Sohnicklgseln 540. Sohatzmauke 258. iSchwanzblase 39. Sohwelneflnne 42. 75. Sohweineseache 225. Schwindler 55. Schwindsucht 511.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; durch Brustatt'ection 512.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; diireli Affection der llin-
terleibsorgane 512. Solcrotien 150. Seolex 33. Segler 56.
Sehnenentzündung 422 Seitllnge 55. Selbstschutz 22. Sepsln 012. Seplliämie 604. Septicamp;nie 004.
puerperale 009. Senche 15. Som-jdlz 168. Spaltpilze 148, 153. Spin a ventosa 593. Spinrienthicre 32. Spiiillen 156. Spirochacle 156, 158. Spitzpocken 237. Sporangium 150. Spuren 149. Sporocyslcn 80.
iStallmiasnui 22.
Staupe der Hunde 433.
Steinpocken 238. 245.
Sterigmen 148.
Sieissründe 129.
Slomatitis pustulosa contagiosa 492.
Strahlenpilz 594.
Strogylus armatus 105.
oontortus 99. 109.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(ilaria 99, 100.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;micrurus 102.
„ paradoxua 102.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;tracheali8 103.
1 Symbiotes-Milbe 125.
Syngamus trnchealis 103. , Svnonvme für Milzbrand 107.
T.
Taenia ciinis lagopodis 75.
., Coenurus 54, 75.
,. crnssicollis 75, 673.
„ cuoumerina 76.
„ deiiliculata 74.
„ Echinococcns 63, 449.
„ elliptica 75.
„ expansa 72, 74, 75.
„ mamillana 74.
„ niargiuata 76.
mediocanellata 47. 48, 40, E
„ pectinata 75.
,. perfoliata 74.
„ plicata 74.
saginata 47, 48, 49, 52, 669
„ semiteres 75.
., serialis 70.
,. serrata 70.
„ solintn 41, 51. Tiiiiien 33. Taumler 55.
Teigmal (Teigmaul) 574. Tempernturmessungen 23. Tenaoität 5. Texnslieber 218. Texasseuche 218. Thermometer 25. Thicrcolonie 32, Thierseuelien 1. Tbicrstöcke 32. Tinea vera s. l'avosa 579. Tocliterblasen 64. Tochterscliläuche 80. Toniln 154. Traber 65, 110, 546. Traberkrankheit 540. Träger 5. Trematoden 79. Trepanation 58, 59, 370. Trichinen 87, 678.
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SaohroglBtei'
709
Tricliinose lt;les Menschen 90. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;dos Schweines 97.
Trichophytou tonsurans (tondens) 152,
575. Tuberkel 516. Tuberkelbacillen 700. Tuberkulose 360, 397 514. Typhus 355, 420.
Warzenpocken 238, 245. Wassergelasse 34. Wasserpocken 238. Wasserscheu 455. Weisse Borste 175. Weisse Ruhr der Kälber 562. Wetzkrankheit 546. Wildseuche 228 Winddorn 593. Windpocken 238. Wolmthicr 31. Wurm 363, 372, 37'J. Wurmbeulen 379. Wurmbubo 380. Wurmgeschwüre 380. Wurmknoten 365. Wurmspinneu 116. Wuthgil't 442, 451, 461. Wuthkrankheit 441.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Menschen 455.
Wut hspeichel 452.
U.
Ulceration der Lungen 387, 410. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;diphtheritische 529.
V.
Vaccination 230, 249, 204, 695. Vehikel 5. Venerle d. Pf. 496. Verkalben der Kühe 566. Verwandlung 32. Vibrio 158. Viehbremse 679. Viehseuchengesetz Frankreichs 620.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hollands 632.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Schweiz 649.
Virulenz 5. Vorbeuge 19, 20, 21. Vorboten 18. Vorhersage 19.
X,
Xanthium spinosum 459.
Z.
Zellgewebswnssersuclit d. Rindviehs 541.
Zoogloea 154.
Zoonosen 4.
Zungcnnnthrax 171.
Zungenkrebs 473.
Zweiflügler 109.
Zwitter 31.
Zygospore 151.
W.
Wabengrind 579. Wanderrose 225.
*gt;
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